Ueber den Bau des Chiasma nervorum opticorum

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Ueber den Bau des Chiasma nervorum opticorum. Von Prof. Dr. Michel. Hierzu Tafel I. und II. Die Art und Weise des Verlaufs der Fasern der Nervi optici im Chiasma war zu versehiedenen Zeiten ver- schiedenen Deutungen unterworfen. Biesiadecki*) hat bereits die darauf beziigliche Literatur ausfiihrlicher er- w~hnt, und es mSge hier gentigen, die betreffenden An- siehten in Kfirze nur zu recapituliren. In historischer Reihenfolge war die iilteste, schon vor Galen bestehende Ansicht die, dass die Fasern im Chiasma sich vo!lst~tndig kreuzen, eine sp~ttere (Galen, Vesal, Monro etc.), dass sie sich ohne Kreuzung aneinaader legen, worauf dann die yon J. Mtiller herriihrende Annahme einer unvoll- st~indigen Kreuzung der Nervenfasern folgte, in der Weise, dass dis iiussern Fasern des Tractus opticus zum ~qerven desselben Auges, die innern zum Nerven des entgegen- gesetzten Anges liefen, zwisehen den peripherischen *) ,,Ueber das Chiasma nervorum opticorum des Menschen und der Thiere." Wien. Sitzungsb. d. math.-naturwiss. Classe. Bd. 42. Jahrg. 1861. p. 86.

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Ueber den Bau des Chiasma nervorum opticorum.

Von

Prof. Dr. Michel.

Hierzu Tafel I. und II.

Die Art und Weise des Verlaufs der Fasern der Nervi optici im Chiasma war zu versehiedenen Zeiten ver- schiedenen Deutungen unterworfen. B i e s i a d e c k i * ) hat bereits die darauf beziigliche Literatur ausfiihrlicher er- w~hnt, und es mSge hier gentigen, die betreffenden An- siehten in Kfirze nur zu recapituliren. In historischer Reihenfolge war die iilteste, schon vor Ga len bestehende Ansicht die, dass die Fasern im Chiasma sich vo!lst~tndig kreuzen, eine sp~ttere (Galen, Vesal, Monro etc.), dass sie sich ohne Kreuzung aneinaader legen, worauf dann die yon J. Mtiller herriihrende Annahme einer unvoll- st~indigen Kreuzung der Nervenfasern folgte, in der Weise, dass dis iiussern Fasern des Tractus opticus zum ~qerven desselben Auges, die innern zum Nerven des entgegen- gesetzten Anges liefen, zwisehen den peripherischen

*) ,,Ueber das Chiasma nervorum opticorum des Menschen und der Thiere." Wien. Sitzungsb. d. math.-naturwiss. Classe. Bd. 42. Jahrg. 1861. p. 86.

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und centralen Urspriingen der Nerveu commissurenartig verlaufendeFasern vorhanden w~tren. So sehien die Lehre yon den identischen Netzhautstellen auch in tier anatomischen Anordnung ihre Begrilndung zu finden. t t a n n o v e r * ) , der die Annahme der Semidecussatio im Chiasma adoptirte, machte genauere Untersuchungen fiber die das Chiasma des Menschen und der Thiere zusammen- setzenden Faserbiindel und unterschied beim Menschen bekanntlich folgende:

1. Commissura ansata. 2. und 3. Fascieulus sinister et dexter. 4. Commissura arcuata anterior. 5. Commissura arcuata posterior. 6. und 7. Commissura cruciata.

Die Commissura ansata wird aus Fasern gebildet, welehe yon der vor und fiber dem Chiasma sich be- findenden Lamina terminalis cinerea hinabsteigen, zu- erst auf der oberen, dann auf der unteren Fl~che ver- laufen, zutetzt nach hinten gehen und auf dem Tuber cinereum nnd dem Infundibulum sich vertieren. Auf diese Weise entsteht dann eine Sehtinge, worin das Chiasma ruht. Unmittelbar unter der d~nnen Commis- sura ansata liegen je an dem ~ussern Rand der betreffen- den Seite der Fasciculus sinister et dexter, auf der oberon und unteren FI~che zugleich sehr deuttich. Da- durch, dass diese Fasern, w~hrend sie nach vorn laufen, sieh zugleieh nach aussen und unten drehen, werden die obersten Fasern nach und nach auswendige und letztere untere Fasern. Die Commissura arcuata anterior und posterior bilden je ein bogenfSrmig isolirLes Bilndel yon 3/j, Durchschnitt, erstere im vordern, letztere im hintern concaven Rand des Chiasma liegend. Die Kreuzung, die

*) ,,Das Auge." Beitr~tge zur Anatomie, Physiologie uncl Patho- logie dieses Organs~ Leipzig 1852. p. 2.

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s c h w i e r i g d a r z u s t e l l e n ist, liegt im Innern des Chi- asma, und wie es scheint, der oberen Fl~iche nither.

Die Annahme yon der Semidecussatio wurde fast allgemein anerkannt, physiologischerseits land man darin eine bequeme Erklfirung fiir die identischen Stellen der ~etzhaut, und klinischerseits liessen sich die relativ haufig zur Beobachtung kommenden gleichseitigen Hemiopieen mit Leichtigkeit dureh die Affection eines Tractus opti- cus erktaren. In Folge dieser so plausibel erscheinenden Annahme wurden die Resultate der unter Brficke's Leitung yon B i e s i a d e c k i * ) unternommene Untersuchung des Baues des Chiasma bei Menschen und Thieren, welche zur Annahme einer vollst~ndigen Kreuzung fiihrten, un- glaubig aufgenommen. Indem ich mir die Aufgabe stellte, fiir die Frage, ob vollstiindige oder unvollst~indige Kreuzung, nach tier einen oder andern Seite hin neue Anhaltspunkte zu gewinnen, haben reich, wie ich gteich hier vorausschicken will, die Resultate der mikroskopischen Untersuchung zu der bestimmten Annahme e iner votl- s t i ind igen K r e u z u n g der N e r v e n f a s e r n im Chins- ma geftihrt.

Zum Zweck der mikroskopischen Untersuchung wurden Schnitte durch alas Chiasma in verschiedenen Ebenen geftihrt; besonders rasche Aufschttisse wurden durch die AusRihrung yon Horizontalschnitten gewonnen, die sich sowohl auf die nervi als die tracti ol)tici auf eine gewisse Entfernung dersetben vom Chiasma noch erstreckten. Die florizontalschnit~e geschahen dann in successiver Weise yon der oberen oder unteren Fl~tche angefangen durch das ganze, gut geh~rtete Pra- parat, u n d e s wurde die Zahl derselben** in der n~tm-

~].C.

~) Beispielsweise erhMt m~a yon dem Chlasm~ emes durchschnittlich 32--36 Horizontalschnitte.

Kaniachens

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lichen Reihenfolge der mikroskopischen Untersuchung unterworfen. Folgende Erhi~rtungsmethode hat sich mir als am zweckmiissigsten bew~hrt: Das betreffende Pr~t- parat wurde ca. 24 Stunden lang in Miiller'scher LSsung gelegt, dann nach dieser Zeit in 5 ~ Chroms~urelSsung auf 8 Tage mit mehrmaligem Wechsel der Fltissigkeit, worauf es gerade so lange in absolutem Alkohol mit taglichem Wechsel desselben aufbewahrt wurde. Behuh Herstelluug yon Sehnitten wurde das Priiparat in Wachs und Oel eingebettet, die Schnitte mit Chloroform und Atkohot in der gewShnlichen Weise behandelt, mit Car- minammoniak geffirbt und durch ~eIkenS1 aufgehellt.

Die Absicht, mittelst Durchschneidungen~eines bTervus opticus oder Enucleation eines Bulbus eine Atrophie des betxeffenden Opticusstammes bis zu seinem Austritt aus dem Chiasma herbeizuftihren, wurde nicht erreicht, da die Atrophie, wenn sie fiberhaupt eintrat, nut auf eine kurze Streckenachweisbar wurde. Es mag dies theilweise daran gelegen sein, dass keine neugebornen Thiere benutzt wurden und auch vielleicht die Liinge der Zeit, die yon der Operation biszur Untersuchungverfloss, nicht geniigend war, um eine Fortsetzung der Atrophie durch dus Chiasma hindurch herbeizuftihren; sie betrug niimlich nut 2--3 Monate. Bei Atrophieen des menschlichen Opticus, die im Gefolge eines schon lange Zeit phthisischen Bulbus aufzutreten pflegen, sind ebent~tts die anatomischen Ver- ~nderungen nur eine kurze Strecke weit hinter der Ein- trittsstelle des0pticusin den Bulbus vorhanden, oder werden attmiilig gegen das Chiasma hin unvollst~tndiger, so dass man im Chiasma, wenn manchmal auch einzelne B(indel noch atrophisch sind, doch daraus keine directen Schl~isse ftir den ¥erlauf tier Nervenfasern ziehen kann.

Nur bei einem einzigen mir zu Gebote stehenden, und mit einer congenitaten Missbildung behafteten Hunde- auge war der Opticus bis fiber das Chiasma atrophiseh,

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SO dass dcr Tractus opticas selbst auf eine kurze Strecke in diese Ver~tnderung mit hinein gezogen war. Hier war denn die vollstiindige Kreuzung der atrophischen b[erven- fasern mit den normalen eine evidente.

Die Art und Weise der Durchkreuzung der Nerven- fasern im Chiasma ist bei den verschiedenen Thier- klassen eine verschiedene, und ist ffir dieselben als eine fast typische zu bezeichnen.

Der einfacbs! :ypus, der sich bei den Fischen aas- gesprochen fiadet; ist der einer U e b e r e i n a n d e r - l age rang , und z~,ar legt sich der rechte Sehnerv tiber den tinken. B i e s i a d e c k i * ) hat eine Reihe yon Fischen untersucht, und ich kann das Ergebniss dieser Unter- suchungen durch eigene nur best~tigen. Das n~there Yerhalten z. B. beim Hechte ist dies, dass die beiden Sehnerven bei ihrem Ursprunge aus dem Gehirn unmittet- bar nebeneinander liegen, dass im weiteren ¥erlauf der rechte Sehnerv fiber den linken sich legt. Bis zur Kreuzung haben sie eine deutliche Furche an der untern Fl~iche. und werden nach der Kreuzung mehr rundlich, ferner sind sie nach derselben yon einer dicken binde- gewebigcn Scheide, *(iiussere Oiticusscheide), bis za ihrem

Eintritt in dell Bulbus umgeben. E ine bt i~t terfSrmige Kreuzung findct sich im

Chiasma der Amphibien und VSgel. Hiusichtlich der Literaturangaben verweise ich auf B i e s i a d e c k i; ich cnt- nehme daraus, dass C a rus zuerst die bli~tterf(irmige voll- kommene Kreuzung der Sehnerven bei den Amphibien, Carus und M e c k e l bei den ¥Sgeln beschrieben hat, J. Mii l ter und H a n n o v e r dies besti~tigt haben, mit der Modification, dass nut ein Theil tier b{ervenfasern, und zwar der inhere, sich kreuze. H~nnover finder ausser-

*) 1. c. p. 87 uad 88.

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dem eine hintere Commissur. Bies iadecki*) untersuchte aus der Classe der Amphibien das Chiasma des Frosches, der Schildkriite und der Ilingelnatter, und land die Be~ schaffenheit des Chiasma blhtterfSrmig mit dem voll- st~ndigen Uebergang der Wurzelfasern zum entgegen- gesetzten h~erven und ohne Commissuren. Zierliche Pr~- parate gewinnt man yore Chiasma des Frosches auf Hori- zontalschnitten, die vollkommen die i~.~htigkeit der Unter- suchungsresultate B ies i adeck i ' s d la~: alle Fasern kreuzen sich auf allen Schnitten, und ~war sehieben sich die Bl~ttter in versehiedener Breite durcheinander, ~hn. lich ,,den durchgeschobenen Fingern beider H~ndc," wie es Carus bezeichnet. Eine hintere Commissur ist nicht vorhanden.

Aus der Klasse der ¥5gel standen mir Huhn, Taube und Buteo vulgaris zur Disposition; diese zeigen alle die gleiche anatomische Anordnung im Chiasma, und ich besehri~nke reich daher darauf, die anatomischen Verh~ltnisse des Chiasma yon Buteo vulgaris wiederzugeben. Diese Unter- suchung bot ein besonderes Interesse dar, d~ das Auge des Buteo vulgaris zwei Maculae besitzt. Woraufbereits B i e s i a- decki**) bei der Taube aufinerksam gemaeht hat, ist auch bier aufdtinnen Flachenschnitten doe Chiasma mikroskopisch

• zu constatiren, dass yon den beiden Seiten zur Mittellinie hin ein Ineinandersehieben der Nervenfaserbtindel statt- findet, was dadurch mehr oder minder klar hervortritt, dass die Faserbiindel je naeh dem aufl'alIenden Lichte in ihrer Farbe geandert werden. Bei der mkiroskopischen Untersuchung gibt fiir die Beurtheilung des Verlaufes der Nervenfasern alas Vorhandensein der Piaforts~ttze in dem Chiasma der VOgel einen guten Anhaltspunkt, sowie

*) 1. c. p. 89.

**) 1. c. p. 9L

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die reihenweise hnordnung derKerne der zwischen den einzel- nen kleinen Nervenfaserbtindeln vorhandenen zelligen Ele- monte.*) Auf Horizontalschnitten dutch das ganze Chiasma erkennt man bei der successivenDurehmusterungderselben, dass die Art und Weise, wie sich die einzelnen Faserbtindel ineinander schieben, sehr viel Mannigfaltiges hat. (s. Fig. I und IL) Es sind nihnlich die einzelnen Btindel yon ver- schiedener Breite, und wenn ich dan yon Carus ge- brauchten Vergleich der durchgeschobenen Finger beider Hiinde weiter ausftihren will, und alle miigliehen Vari- ationen herstelle, welche dadurch entstehen kSnnen, dass man sich zwischen den Zwischenr~tumen der einzelnen Finger bald 2 bald 4 nebeneinanderliegende Finger hin- durchgesteekt ~denkt, dann sind die Bilder, die man auf Fl~chenschnitten des Chiasma erhiilt, hi~ufig erkliirt. Es kommt abet noeh ein anderer zu berficksiehtigender Factor hinzu, niimlieh die Dicke der Btindel.

Wie die Breite derselben in der Richtung yon vorn naeh hinten immer geringer wird, (s. Fig. I und II), so nimmt die Dicke der Btindel gegen das Centrum und zwar yon beiden Fliichen, der oberen und unteren her, in wechselnder Weise zu, so dass die einzelnen Schichten ver- schieden dick atffeinander gelagert sind. In Folge davon kann es geschehen, dass man aaf einem Schnitte, dessen Dicke der einer Schichtung gleichkommt, alle Fasern des einen Nerven nebeneinander liegen, die des andern sieh an der Grenze dieser ober- oder un~erhalb durchge- schoben zeigen, was man bei dem Uebergang der betreffenden Nerven in das Chiasma an einzelnen, auf oder unter dam Schnitt gelegenen abgeschnittenen oder

*) Die zelligen Elemente des Chiasma ttberhaupt werden bei einer demn~chst zu ver{)ffentlichenden Beob~chtung einer Hyperplasie des Chiasma uad des rechten Opticus einer n~heren Besprechung unterzogen werden.

v. Gr~efe~ &rchiv fiir Ophthalmologie X/X, 2. 5

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abgerissenen Parthieen angedeutet finder. Auf diese Weise fiberzeugt man sich auch leicht, dass alle Nervenfasern eines Opticus die Bildung des entgegensetzten Tractus fibernehmen. Gerade an derjenigen Stelle, wo die zu ~usserst gelegenen Fasern des Opticus zu liegen kommen, ist es sehr leicht zu erkennen~ dass dieselben nicht in den Tractus tibergehen, sondern nach der entgegengesetzten Seite dutch das Chiasma ziehen, indem sich eine Fort- setzung der innern Opticusscbeide an die ~assere Be- grenzung tier tetzten nach aussen gelegenea Opticus fasern anlegt und dieselben auf eine grosse Strecke welt be- gleitet; gewiihnlich findet sich zugleich noch ein grSsseres Gef~ss mit eingesehlossen.

Die Winkel, in welchen die beiden Nervi optici, und dieselben mit den entgegengesetzten Tracti optici zu- sualmenstossen, sind ungef~thr gleich grosse.

Die zu ~usse~st geleg~nen Nervenfaserbtindel bilden, wiihrend sie nach hinten verlaufcn, einen sehr schwuch nach aussen uud aussen hinten convexen Bogen~ die innerst gelegenen Fasern einen in tier Mitre etwas st~rkeren nach vorn concaven Bogen, wi~hrend sie an der vor- dern Grenze des Chiasma an dem Nerven der entgegengesetz- ten Seite vorfiberziehen. DieWinkel~ in welchen siimmtliche Fascrn der einen Seite mit den tier andern Seite zu- sammenstossen, gehen, je weiter man sie gegen die hintere Grenze des Chiasma verfolgt, allm~thlig aus eher etwas stumpfen in mi~ssig spitze fiber. Bei den nacb vorn und hinten sich 5ffnenden, entsprechenden Scheitelwinkeln findet nattirlieh das Umgekehrte stat~.

Die hintere Begrenzung des Chiasma stellt einen nach vorn mfissig convexen Bogen dar. In der sich nach hinten an das Chiasma und die Tracti optici an- schliessenden grauen Substanz findet sich an ungef~hr tier Mitte des Chiasma entsprechenden Horizontalschnitten ein nach den Seiten hin sich nut auf eine kurze Strecke

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fortsetzender weisslicher Markstreifen, der aus yon rechts nach links oder umgekehrt verlaufenden einzelnen mark. haltigen Nervcnfasern bestcht, zwischen denen graue Sub- stanz stellenweise eingestreut ist.

Dieser Markstreifen hat einen nahezu vollkommen der hintern Begrenzung des Chiasma parallelen bogen- fSrmigen Verlauf und setzt sich, in der Mitte am brei- testen, nach beiden Seiten hin soweit fort, dass er noch auf eine geringe Strecke parallel mit den aus dem Chiasma austretenden Tractusfasern verlauft, immer aber durch dazwischenliegende graue Substanz yon letz~eren getrennt. Horizontalschnitte in einiger Entfernung obero oder unterhalb des Centrums des Chiasma geftihrt, lassen den Markstreifen nicht mehr erkennen, wie auch seine seitlichen Fortsetzungen auf den zun~chst der Mitre des Chiasma nach oben oder unten zugelegten Horizontal- schnitten weniger welt nach rechts oder links sich er- strecken. Diese Abnahme findet successive mit der Eat- fernung der Schnittftihrung yon der Mitre des Chiasma start. Offenbar hat dieser Markstreifen gar nichts mit dem Chiasma zu thun, da die Grenze zwischen der hin- tern Begrenzung des Chiasma und demselben sehr scharf ausgeprhgt ist, und zwischen beiden eine schmaie Zone graner Substanz sieh einschiebt (s. Fig. II.) Innerhalb des Chiasma ist nicht die geringste Andeutung yon commissurenartig verlaufenden Fasern vorhanden, eben- sowenig auf tiorizontalschnitten, parallel der obersten oder nntersten Nervenfaserlage des Chiasma. ttier ist immer die Kreuzung vollst~ndig (s. Fig. I), es hubert nur die 'zu 5usserst gelegenen Nervenfaser- btindel einen gT6sseren Bogen zu machen, am zur Kreu- znng zu gelangen; fiberall sind die.Piaforts~tze als Be- grenzung der einzelnen Bttndel vorhanden.

Auf Sagittal- und Frontalschnitten finder der be- schriebene Verlauf der Nervenfaserbtindel seine Be-

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stiitigung; auf ersteren sind die einzelnen Nervenfasern genau quer darchschnitten oder in etwas schiefer Richtung, die um so schiefer wird wegen des bogenfSrmigen Ver- laufs der Fasern, je welter man sich mit der Schnittebene yore Centrum nach den beiden Seiten entfernt. Das Endoneurium bildet alsdann mehr oder minder zick- zackfSrmige Linien. Auf Frontalschnitten ist die bliitter- fSrmige Kreuzung sehr deutlich, und man kann sich leicht davon iiberzeugen, dass die bereits angedeutete in der Richtung yon unten nach oben abnehmende Breite der einzelp.en Nervenfaserbfindeln eine durchgehende Er- scheinung bildet.

Einen weiteren Typus der Kreuzung bildet das Chiasma tier Saugethiere, yon denen Kaninchen, Meer- schweinehen, Ratte, Katze, Hund, Schaf, Kalb und Pferd zur Untersuchung bentitzt wurden. Indem sich s$immtliche Fasern kreuzen, bilden sic ein sehr zierliches und zugleich regelmiissiges Korb- oder S t r o h m a t t e n g e f l e c h t .

Der vordere yon den beiden Sehnerven gebildete Winkel des Chiasma ist sehr spitz, dagegen die yon dem einen Sehnerv und entgegengesetzten Tractus gebildete seitliche nahezu rechte. Die hintere Begrenzung des Chiasma nebst einem Theil der Tracti ist schwach nach vorn convex bogenfSrmig. Auf Fl~tchenschnitten is~ vor Allem characteristisch, im Gegensatz zu dcm Chiasmu der V(igel, wie genau an tier Grenze, wo die Fasern des einen Nerven zum gegentiberliegenden Tractus ziehen, die Piaforts~tze zwischen den einzelnen Nervenfaserbii~dela aufhSren. Die Figur, welehe durch die Kreuzung der beiden Nerven im Chiasma gebildet wird, ist als eine nahezu quadratf6rmige zu bezeichnen (s. Fig. III), doch sind die Linien, wetche das Quadrat bilden, etwas unregel- m~tssig, abet immer ungemein scharf ausgepr~tgt. Was die- jenige Linie betrifft, welche die Figur nach den Optici zu ~b- schliesst, und dutch die am weitesten nach innen gelegenea

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Fasern gebildet wird, soist dieselbe im AUgemeinen nach vorn schwach concav; kleine Unregehn~ssigkeiten, dass eine Stelle der Linie etwas mehr concav, eine andere etwas mehr convex erscheint, sind hie und da zu beobachten. Diejenige Linie, welche, ausserordentlich deutlich sichtbar, yon den am weitesten nach aussen gelegenen Fasern des Opticus vor dem Uebergang des entgegengesetzten Nerven in den Tractus dargestellt wird, ist immer nach der Seite des Tractus zu schwach convex, meistens etwas starker convex ungefiihr in dem oberen Drittel. Die Fasern selbst nehmen sogleich nach ihrem Uebertritt aus dem Chiasma in den Tractus auf kurze Strecke einen etwas geschwungenen ¥erlauf an. Der alsdann yon den Tractus- fasern gebildete kleine Bogen ist nach hinten zu schwach convex und wird in der Richtung nach hinten immer gerin- get, so dass man bei den am weitesten nach hinten gelegenen Fasern diesenBogen kaum mehr angedeutet findet. In Folge des geschilderten Yerlaufs der Fasern im Chiasma werden die an der vordern Grenze desselben yon dem seitlich stattfindenden Zusammenstossen der zu innerst gelegenen Faserbtindel gebildeten stumpfen Winkel gegen die hintere Grenze za allmiihlig rechte, uud zuletzt spitze. Bei den naeh vorn und hinten sich 5ffnenden Scheitelwinkeln ist das Umgekehrte der Fall (s. Fig. IiI). In Folge dieses ¥erhi~ltnisses ist an der hintern Begrenzung des Chiasma leicht eine T~uschung m~glich, als ob hier nur parallel verlaufende, also commissurenartige Fasern vorhanden waren. Doch ist die Kreuzung der Fasern genau bis an die hintere Begrenzung des Chiasma, wo die graue Sub stanz anfangt, deutlich zu verfolgen und es l~tsst sich, wenn auch nicht jede einzelne Faser, doch jeder einzelne Faser. biindel in seinem Verlaufe studiren~ wozu die oft reihenweise angeordneten gefiirbten Kerne der Gliaelemente einen ausgezeichneten Anhaltspunkt geben.

Zu dieser T~tuschung, d. h. zur hnnahme einer hinteron

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Commissur, mug auch dies noch etwas beigetragen haben, dass, wie im Chiasma der VSgel, die Breite der einzel- hen Bfindel successive nach hinten zu abnimmt.

Die graue Substanz geht auf Horizontalschnitten his an das Chiasma heran, und auf solchen~ die nahe der Mitre und in der Mitre des Chiasma geftihrt werden, ist zwischen dem Chiasma und der grauen Substanz ein schmaler Btindel parallel verlaufender markhaltiger Fasern in die graue Substanz eingelagert. Ich babe diese Fasern nur beim ttunde gefanden, bei den fibrigen untersuchten Siiugethieren scheinen sie nicht vorzukommen. Die Breite, welche diese Fasern einnehmen, ist geringer als bei den VSgeIn, doch setzen sie sich seitlich etwas weiter fort; nach oben und unten bin scheinen sie sich nicht so welt zu erstrecken, als bei den VSgeln. Es ist noch her- vorzuheben, dass gerade die Grenze zwischen Tractus und dem nach der anderen Seite hinfiberziehenden ~qer- yen in dem betreffenden einspringenden Winkel beson- ders deutlich markirt auftritt, als auch hier noch ein Fortsatz der innern Opticusscheide ebenfalls, wie bei dem Chiasma der VSgel, auf eine atlerdings karze Strecke die Aussenseite der zu ~usserst gelegenen Nerven- fasern begrenzt. Die Horizontatschnitten des Hunde- ehiasma entnommene Beschreibung der Anordnung der b~ervenfasern im Chiasma ist bei allen oben erw~thnten untersuchtenChiasmen die gleiche, einige ganz unwesent- liche Differenzen abgerechnet. In makroscopischer Hin- sicht ist es eine beim Kaninchen*) undI:Iunde zur Beobach- tung kommende seichte Rinne, welche auf der unteren Fli~che die vorderen 2 Drittel des Chiasma yon dem letzten hintern Drittel trennt uud bei den andern er- w~thnten S~ugethieren fehlt, ferner ist beim Schaf, Kalb

*) Biesiadecki, 1. c. p. 92.

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und Pferd auffallend, dass unmittelbar hinter den For- mina optica das Chiasma schon zu liegen kommt, and es daher ganz unmSg]ich erscheint~ das Chiasma herauszu -.. nehmen, ohne vorher das Orbitaldach weggenommen und da- mit das foramen opticum frei priiparirt zu haben. In mik- roscopischer Hinsicht ist bei den letzt erwahnten S~uge- thieren die ungemeine Regelmiissigkeit der Anordnung, der Felder auf Horizontatschnitten hervorzuheben, wodurch ein nahezu schachbrettartiges Aussehen zu Staade kSmmt. Auch bier ist bemerkenswertb, dass die Felder gegen dis bintere Grenze des Chiasma etwas kleiner werden. Die Linien, welche die Figur des Chiasma begrenzen, sind in glei- cher Weise, wie sie am Hunde beschrieben sind, bei allen untersuchten Si~ugethieren angeordnet. Das Yer~ halten der oberen Fliiche, in specie der Lamina per- forata antic~ zum Chiasma wird weiter unten zur Be- sprechung kommen.

Die einzelnen Lagen sind in ziemlieh gleicher Dicks auf einandergesehichtet, in jeder Lags aber findet man die vollstandige Kreuzung in der korbgefieehtartigen Weise ausgesprochen, Commissuren nirgends vorhanden. Bei Frontalsehnitten ist die Art und Weise der Kreuzung sichtbar; bei genauen Sagittalschnitten wechseln schief durchschnittene Faserlagen in einer regelmiissigen Weiss so mit ehlauder ab, class die einen eine Richtung nur naeh hinten, die andern naeh vorn einzuschlagen seheinen. Je mehr man sich mit der Schnittfiibrung yon der sagittalen Richtung entfernt, und dem Bogenverlauf derFasern sieh an- schliesst, sei es im Centrum oderin den seitlichen Parthien des Chiasma, ein desto ausgepr~tgteres Bild erh~tlt man yon regelm~ssig parallel dem Schnitt verlaufenden Faserlagen mit solchen, die in senkrechter Richtung getroffen sind (s. Fig V).

Die Best~tigung des ¥orhandenseins einer vollstiin-

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digen Kreuzung lieferte in vollkommener Weise die Un- tersuchung des Chiasma eines Hundes, tier eine rechts- seitige congenitale Missbitdung des Auges hatte. Schon makroscopisch waren die geringen Dimensionen des rech- ten hTervus opticus und die des linken Tractus options auf~ fallend. ~ach mittelst desZirkelsvorgenommenen Messungen betrugen die Durehmesser der Optici im Chiasma-

Linker :Nervus options: Horizontal . . . . . . . 23/4 ram. Vertical . . . . . 2 ram.

Rechter Nervus opticus: Horizontal . . . . . . . 2 ram. Vertical . . . . . . . . 5/4 ram.

Linker Traetus optieus beim Abgang am Chiasma in beiden Dureh- messern . . . . . . . . 11/2 ram.

Reehter Traetus opticus 21/4 ram. Auf Quer- und Langsschnitten des atroph schen Opti-

cus, die mit Ammoniakcarmin gefi~rb t wurden, zeigte sich bei der mikroseopischen Untersuchung, class das Endoneurium des Options keine Veriinderung erfahren hatte, alle Ner- venfasern aber zu Grunde gegangen waren und an ihre Stelle ein feinfaseriges, sich intensiv mit Carmin fiirbendes Gewebe getreten war. AufHorizontalschnitten, die alas Chias- ma, die beiden Nervi und Tracti optici umfassten, konnte man makroseopisch schon die intensiv gefiirbten Btindel des atrophisehen Opticus durch das Chiasma nach dem ent- gegengesetzten Tractus ziehen sehen, be ider mikroscoo pischen Untersuchung war einerseits die Griisse des nor- malen im Gegensatz zum atrophischen sehr auffallend, anderersoitskonnteman dutch das ganze Chiasma die rothge- farbten Fasern verfolgen, durchflochten mit den durch Chromsiiure gelblich gefiirbten Faserbtindeln des normalen Optic~s. Zugleieh trat die Sehmalheit der atrophischen Biindel in Chiasma sehr horror. Auch bier ist beson-

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ders gerad e die bogenfSrmige Yeflaufsweise, indem alle die zu ~tusserst gelegenenatrophischen Btindelsichnach derandern 8eite wenden, ungemeiu deutlich. Der linke Tractus opticus in toto ist auf eine ziemlich grosse Strecke welt nut aus atrophischen 1%rvenfasern zusammengesetzt und zeigt ganz die gleiche intensive Fiirbung mit Carmin wie der rechte Nervus opticus. An diese Beobachtung dtirfte sieh eine yon Gudden*) herriihrende anreihen lassen: wurde die Retina eines neugebornen Kaninchens zer- stSrt, so land sich der dazu gehSrige Nervus opticus ungemein dtinn und grau durchscheinend. ,Am Chiasma, in dem, wie man schon makroskopisch, noch entschiedener aber an durehsichtig gemachten Ab- schnitten mikroscopisch erkennt, die Nerven sich vollsti~ndig kreuzen, sieht man das 1%urilem des geschwundenen wie eine Art Htilse den normalen um- schliessen, kann dann auch noch hinter dem Chiasma~ aus dem die Nerven mit vermindertem ~eurilem hervorgehen, vermittels tier Lupe die durch Zeietmung nicht gut wie- derzugebende i~usserst zarte Fortsetzung des . atrophir~ ten eine Strecke welt auf der entgegengesetzten Seite verfolgen."

Ich komme nun zur Beschreibung des menschlichen Chiasma, das in Bezug auf die Anordnung der Nerven- fasern dem Siiugethierchiasma am niichsten kommt. Ich gehe zuerst bet der Beschreibung yon Horizontalschnitten aus, die ungef~ihr durch das Centrum des Chiasma ge- legt wurden. Der vordere Winkel des Chiasma, welchen die beiden Optici bilden, ist im Gegensatz zu dem der Siiugethiere ein stumpfer, ebenso die seitlichen Winkel zwischen Opticus und entgegengesetztem Tractus, der erstere

*) ,Experimentaluntersuchungen fiber das peripherische und centrale Nervensystem." Arch f. Psychiatrie und ~Nervenkrankheiten. II. Bd pag. 713,

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etwas weniger stumpf, als die letzteren. Das Endo- neurium zwischen den einze]nen Nervenfaserbiindeln geht auch hier genau bis zur Grenze vor, welche yon den Fasern des nach dem entgegengosetzten Tractus veriaufenden Opticus naeh vorn zu gebildet wird (s. Fig.IV.). Die yon den zu innerst gelegenen Fasern gebildete Bo- genlinie i. e. die vordere Begrenzung des Chiasma ist nach vorn etwas schwach convex, die nach hinten zu yon den zu iiusserst gelegenen Fasern gebildete i. e. die hintere Begrenzung des Chiasma etwas starker convex nach hinten als die entsprechende nach vorn; gegen die Mittetlinie hin nehmen beide Bogenlinien einen nahezu mit dem horizontalen Durchmesser des Chiasma parallelen Yerlauf an (s. Fig. IV.). In Folge dieses Faserverlaufes sind die Winkel, welche die einzelnen Nervenfaserbiindel mit einander bei der Kreuzung bilden, an den seitlichen Parthieen noch stumpfe oder reehte, je mehr sie sich der Medianlinie des Chiasma nahern, desto spitzer werden die nach rechts oder links sich 5ffnenden Winkel, wah- rend im Allgemeinen natarlich die Seheitelwinkel das Umgekehrte zeigen, d. h. die nach vorn oder hinten sich 5ffnenden Winkel werden in den seitlichen Parthieen spitze und in der Medianlinie stumpfe. Die am stark- sten stumpfen Winkel zeigen alsdann in der Medianlinie yon zwei sich kreuzenden Faserbandeln die am weitesten nach hinten gelegenen. Die Fight, welche dutch die ganze sieh kreuzende blervenfasermasse gebildet wird, ist eine nahezu elliptische, mit einer einen etwas st~rkeren Bogen bildenden Begrenzung naeh hinten; ihr grSsster Durchmesser verlauf~ in der horizontalen Richtung (s. Fig. IV.). Auch ist hier zu bemerken, (und es ist dies ja eine durchgehende Erscheinung bei den Chiasmen, die zur Untersuchung gelangten), dass nach hinten zu die einzelnen sich kreuzenden Faserbtindel

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etwas schmiiler werden. Die Schichtungea der einzelnen Lagen der sich kreuzenden Fascrbtindel ist yon ziem- lich verschiedener Dicke, ferner kommen im Gegensatz zu dem Chiasma der Shugethiere Schichten vor, in wel- chert keine Durchflechtung der einzelnen Biindel stattfin- dot, sondern die Faserbtindel des einen Opticus sich in beiden Hi~lften des Chiasma eini'ach fiber die zum ent- gegengesetzten Tractus ziehenden Btindel des andern Opticus lagern. An Stellen, wo solch ein Verh~tltniss stattfindet, ist abet immer zu constatiren, dass alle Fa- sern sich alsdann in der Medianlinie kreuzen, und zwar in ahnlicher Weise, wie es bei dem Chiasma der VSgel geschieht, hus den angeffihrten anatomischen Verhi~lt- nissen wird es leicht erkl~trlich, wean man nicht selten commissurenartig verlaufende Fasernfindet; ausserdem ist es ja immer mit einigen Schwierigkeiten verkniipft, ge- nan den Schnitt in einer gewissen Ebene durch das ganze Chiasma hindurch zulcgen. Es sind daher anf den ersten Anblick commissurenartig verlaufende Fasern an den verschiedensten Stellen vorhanden; man kann sich aber bei wechselnder Einstellung des Mikroscopes davon ilberzeugen, class ober- oder unterhalb tier vermeintlichen Commissur eine vollkommene Kreuzung zu constatiren ist, die Com- missur selbst als eine Schichte yon Fasern erscheint, deren Verlauf an irgend einer Stelle abgebrochen ist. Gerade an den Stellen, welche ftir die Annahme, ob voll- standige oder unvollst~ndige Kreuzung, als entschei- dead angesehen werden mfissen, sind die anatomischen Verhi~ltnisse am deutlichsten. Es ist die Medianlinie und die seitliche Begrenzung der Opticusfasern gegen den Tractus. Gegen irgend welche Commissur spricht die auf allen Fli~chenschnitten zu constatirende Kreuzung in der ganzen Medianlinie; das Umbiegen yon ~tusseren Opticusfasern in den Tractus ist nirgends zu sehen, son- dern die zu ~usserst gelegenen Nervenfasern begeben

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sich immer in einem entsprechenden Bogenverlauf zaerst nach hinten und biegen dana nach der entgegengesetzten Seite ab. Das menschliche Chiasma ist aus den Nerven- faserbiindeln der beiden Optici derart zusammengesetzt, (lass dieselben gr(isstentheils ein Korbgeflech~ bitden, des- sen einzelne Felder mehr oder minder unregelmiissige Yierecke darstellen; zwischen diesen korbgeflecht~thn- lichen Schichten befinden sich noch solche, deren ein- zelne Nervenfaserbtindel sich erst in der Mittetlinie kreu- zen, indem sie sich ahnlich wie beim Chiasma der VO- gel durcheinander stecken, naehdem sie in den seitlichen Hiilften als eine continuirtiche Lage ersehienen waren. Das Resultat der Untersuchnung des menschlichen Chiasma ist dahor dies, dass sich sammtliche Opticus: fasern kreuzen, and yon Commissuren innerMlb des Chiasma nichts aufzufinden ist. Es wtirde auch son- derbar erscheinen, dass, wenn bei den S~iugethieren eine vottstiindige Kreuzung stattfindet, dies gerade beim Men- sehen nieht der Fall sein sollte.

Die hintere Begrenzung des Chiasma bildet aufFla- chenschnitten die graue Substanz der lamina terminalis, aufsolchen, die nahe der Mitre oder in der Mitte des Chiasma geftihr t wurden,ist z u constatiren, dass in ~thnlicher Weise wie bei den ¥Sgeln sich hier ein Markstrelfen befindet, der, in der Mitte am breitesten, seitlich etwas an Breite ab- nehmend parallel dem Bogen l~uft, welcher von der hin- teren Begrenzung des Chiasma und des Anfangstheils der beiden Tracti optici gebildet wird. Dieser Mark- streifenreicht seitlich nur aufeine kurze Streckean die Tracti optici hin, aber durch dazwischenliegende graue Substanz yon densetben getrennt~ and hSrt yore Centrum des Chiasma aus nach del obern und antern Fl~tche zu bald auf; die weisse Substanz desselben ist vielfach unterbrochen durch dazwischen vorhandene graue, die letztere selbst noch als eine sehr schmale Briicke zwischen Chiasma

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und Markstreifen eingestreut, der gewiss nichts mit dem Chiasma selbst zu thun hat. (s. Fig. IV.)

Das makroscopische Aussehen tier untern und obern Fliiche des Chiasma yore Menschen hat bereits Biesia- decki geschitdert;-ich mScbte nur hierzu bemerken, class, wenn auch makroscopisch einzelne Faserlagen auf derselben Seite zu bleiben scheinen oder als commisurenartig verlaufende Fasern auf den ersten Anblick sich darstellen, wie z. B. die auf der unteren Fl~tche im hintern Wiukel des Chiasma mit seiner Ltings~ axe parallel verlaufende Biindel, die ausserdem in ihrer Mitte durch das darfiber sich legende Infundibulum eingedriickt wurden, m!kroscopisch immer nachzuweiseu ist, dass an den betreffenden Stellen eine totale Kreu- zung stattfiadet. So wohl bei den S~tugethieren als beim Menschen verdient die obere Flache des Chiasma eine besondere Beachtung. Bekanntlich zeigt sich bei einem vorsichtigen Abheben der Pia yon einem gutgehiirteten Gehirn an der oberen Fl~che des Chiasma eine Schichte yon grauer Substanz, die sog. Commissura ansata yon H a n n o v e r . Diese Schichte l~tuft brfickenf~irmig zum Chiasma hintiber, und breitet sich fiber die ganze obere Fl~tche desselben aus. in einzelnen Fiillen geht keine Fortsetzung zur untern Ftiiche, und letztere erhiilt einen Beleg yon grauer Sub- stauz yore Tuber cinereum; in andern Fiillen geht der Belag der oberen Fliiche durch den ~orderen Winkel des Chiasma zur untern Fl~tche tiber. Nimmt man die Pia im frischen Zustande des Gehirns oder etwas briisk weg, so reisst die beschriebene Schichte an der obern Fliiche des Chiasma, da dieselbe gerade in tier Mitte am diinnsten isl und seitlich nur dicker erscheint, ge- w6hnlich in tier Mitte ein, und man erhhlt-dadurch eine Oeffnung, die in eine unter ihr liegende HShle ffihrt. Diese steht in directer Communication mit dem dritten

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Ventrikel; das Verhaltniss ist nun so, dass der Aditus ad infl~ndibulum dutch die hintere Begrenzung des Chiasma getrennt wird in einen nntern kleinenGang, derunterdieun- tere Fl~che des Chiasma zum Infundibulum ffihrt und in eine obere HShle, welche iiber dem Chiasma liegt, und yon Ependym ausgekleidet ist, wie auch der hintere Winkel des Chiasma.

Dieser Darstellung der anatomischen Verh/iltnisse nach Arno ld und B i e s i a d e c k i babe ich nun einige Zu- s~ttze hinzuzuffigen, die mir nicht ganz unwichtig zu sein scheinen. Es betrifft dies haupts/~chlich die Ausdehnung der HShle fiber dem Chiasma sowohl seitlich als in der Mittellinie. Injicirt man dutch Eiusicht in einen Sei- tenventrikel z. B. bei einem Hunde fifissiges Berl-Blau, so ftillt sich die betreffende H6hle fiber dem Chiasma mit Leichtigkeit an, und bei tangsam sich vermehrendem Injec- tionsdrnck, so dass keine Zerreissung stattfindet, kann man die obere und vordere Wand der HShte blasenf6r- mig fiber den vorderen Winkel des Chiasma sich hervor- wtilben sehen. Auf Sagittalschnitten erkennt man bei der mikroscopischen Untersuchung, dass dieser mit dem 3. Ge- hirnventrikel in directer Communication s~ehende Recessus oberhalb des Chiasma (s. Fig. ¥. d.) in der Medianlinie des Chiasma noch bis zu dessert vorderem Winkel sich erstreckt, an der rechten oder linken Halfte fast noch weiter nach vorn reicht, so dass seine vordere Grenze genau mit der Grenze des AufhOrens der Piafortsatze zwischen den ein- zelnen Nervenfaserbfindeln des Optieus aufh(irt, (s. Fig. V. a.) und nicht selten sogar fiber diese Grenze hintiber- gehk Wie man sich sowohl auf Frontal- als auf Sagit- talschnitten fiberzeugen kann, ist in den seitlichen Halt'- ten nach hinten zu keine Communication mit dem dritten ¥ertrikel (s. Fig. V. d.), sondern nur in der Medianlinie eine massig schmale spaltf6rmigeCommunicationsOffnung,

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so dass also in den seitlichen H~Iften dig hintere Wand geschlossen ist (s. Fig. V. d.). Die g~nze HShle ist mit Ependym ausgekleidet, constant an einer Stelle fin_ det sich eine zottenfSrmige Wucherung des Ependyms (s. Fig. V. e), und zwar in dem hintern obern Winkel des Recessus. Es ist aochhinzuzusetzen, dass diegraue Substanz noch einen m~tssig dfinnen Belag auf der obern Fli~che des Chiasma bildet (s. Fig. V. b., und nicbt die Ner- vcnfasern des Chiasma direct die untere Fl~tche des Re- cessus bilden. Dieser graue, die untere Wand des Re- cessus bildende, Being trifft mit dem des obern gerade an der Eintrittsstelle des Nerv~ optici in das Chia.sma zusgmmen (s. Fig. V., vereinigt sich mit demselben, und verliert sich allmiihlich an Dicke abnehmend auf der oberen Fl~tche der Nervi optiei (s. Fig. V.). Dieser Recessus ist in der beschriebenen Weise, wie beim Hunde, bei allen untersuchten $~ugethieren vorhanden, nur dif- ferirt etwas die Ausdehnung des Recessus in der Median- linie, ob derselbe bis zum vordern Winkel des Chiasma sich erstreckt oder nicht, w~hrend in den seitliehen Par- thieen derselbe immer so welt nach vorn reicht, wie dar. gestellt wurde. Beim Menschea reicht die vordere Grenze des Recessus ungefahr bis zur Hi~lhe des Chiasma vor, w~hrend in den seitlichen Hiiiften die Ausdehnung ebenfalls in der oben dargestellten Weise vorhanden ist. In Folge dessen erhiilt man bei Sagittalschnitten eines Chiasma vom Menschen, die fibrigens wie die Frontal- schnitte die Kreuzung der einzelnen Nervenfaserbtindel im Chiasma best~tigen, yon den seitlichen Parthieen immer $chnitte, die eine geschlossene ItShle fiber dem Chiasma darstellen, w~hrend bei solchen in der Medianlinie dieselbe nach hinten sich geSffnet zeigt. Auf diese Weise entsteht ein wirklicher Aditus zu dem Recessus des Chiasma. Wie beim Hunde und den fibri- gen Siiugethieren, ist auch beim Menschen auf der obern

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Fl~tche des Chiasma ein aus grauer Snbstanz bestehender Belag vorhanden, der in gleicher Weise am vorderen Winkel des Chiasma eine Vereinigung der grauen Sub- stanz der oberen Fliiche des Recessus bildet und seitlieh sich noch auf den knfangstheil der Optici erstreckt. Frontalsehnitte zeigen diese Verh~tltnisse sehr deutlich; die graue Substanz umhfillt auf einzelnen 8chnitten die ganze Nervenmasse des Chiasma mantelf0rmig und theilt sich an der obern Fliiche des Chiasma in zwei dtinne Blgtter, yon denen das eine die obere, das andere die untere Wand des Recessns bildet. Die Dicke dieser das Chiasma bekleidendell grauen 8ubstanz ist an verschie- denen Stellen verschieden trod wie es scheint, atlch in- dividuellen Schwankungen unterworfen, wobei ich fibri- gens bemerken muss, dass auch tier Recessus seIbst in seinen Ausdehnungsverh~tltnissen verschieden ist, insofern als die vordere Grenze desselben in der Mittellinie manch- real weitel" nach vorn sich erstreckt, wie dies bei Kin- dern am Mufigsten der Fall zu sein scheint. Die graue Substanz ist an der untern Fl~tehe des Chiasma am schw~ichsten vertreten, sie fehlt bald in der rechten, bald an der linken H~itfte oder in der Medianlinie g~nz- lich; aa den seitlichen Parthieen der re&ten oder linken Hi~lfte ist sie aber an allen Schnitten in mfissiger Dicke vorhanden, wovon man sich auch bei der makroscopischen Besichtigung der betreffenden in Chroms~ure geh~rteten Schnitte tiberzeugen kann.

Der Recessus ist beim Menschen ebenfalls mit Ependym ausgekleidet, das an einzelnen Stellen zerstreute zotgenfSrmige Wucherungen aufzuweisen hat.

In pathologisch-anatomischer und klinischer Hinsieht scheint mir das Vorhandensein dieses Recessus in solcher Ausdehnung iiber dem Chiasma und seine direete Communikation mit den Ventrikeln eine besondere Be- rticksichtigung zu verdienen. Sobald eine Ansammlung

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yon Fliissigkeit in den Ventrikeln stattgeiunden hat, wird dasselbe in Folge der Communication zugleich in dem Recessus oberhalb des Chiasma eintreten; es kSmmt dann nur auf die Menge der Fltissigkeit und den Druck an, unter welchem die Fliissigkeit in den Ventrikein zu stehen k(immt, um die Ftillung des Recessus zu erkl~tren, und welter auf das Vorhandensein der gleichen Factoren im Recessus, um eine mehr oder mimer vollstiindige da. durch bewirkte Leitungshemmung in s~mmtlichen Nerven- fasern des Chiasma a~zunehmen. Die Raschheit, mit der sich die Fliissigkeitsmenge innerhalb des Ventrikel vermehrt, wird hier ebenfalls wie im Gehirn, auch in Bezag auf das Chiasma yon besonderer Einwirkung sein. Fig. VI zeigt eine in der Mittellinie und in sagittaler Richtung durchschnittenes Chiasma eines eilfmonatlichen Eindes*), dam mit einem sehr starken Hydrocephalusinter- nus behaftet war. Der Recessus war durch eine grosse Menge Fliissigkeit ungemein stark ausgedehnt, und nach sorgfaltiger ErMrtung des Pri~parates zeigte sich, dass die vordere Wand in der Mittellinie nahezu bis zum vorderen Winkel des Cbiasina reichte und auf beiden seitlichen Hitlken eine kolossate Ausbuchtung stattge- funden batte. Als dutch die Ansammlung yon Fltissig- keit in dem Reccssus iiber dem Chiasma bedingt wfirden diejenigen Ffille hauptshchlieh anzusehen sein und f~tnden darin eine anatomische Erklhrung, wo eine Amaurose pliitzlich eintritt und gleichzeitig oder rasch hinterein- anderbei(le Augenbef£1It. Die Untersuchung mitdem hugen- spiegel hat gew6hntich ein negatives Ergebniss, Symptome intracranieller Drucksteigerung sind Mufig mehr oder mimer stark hervortretend. Nach einiger, oft sehr kurzen Zeit bessert sich das Sehverm(igen und kann bald nahezu

*) Das Pr~parat vordanke ich der Freundlichkeit yon Professor E. Wagner in Leipzig.

V. Graofe~s Archly fiir Ophthatmo]ogie XIX ~. 6

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zur Norm zuriickkehren bald starken Schwankungen unter- liegen. Bei l~ingerem Bestande Gesiehtsfelddefeete. Wenn es sich in solchen F~llen im Beginn der Erkrankung um eine vollkommeae Leitungsunterbreehung handelt, so ist es dabei noch nicht nothwendig, dass dadurch materielle anatomische Veriinderungen der Nerven ent- stehen; es kann daher entsprechend dem Nachlass des auf dem Chiasma lastenden Druckes die Leitung wieder vollkommen oder nur theilweise hergestellt werden; letzteres dann, wenn bereits anatomische StSrungen her r vorgerufen worden sind oder an gewissen Stellen noch Druckwirkungen sich fortdauernd geltend machen.

Eine Erkl~trung der Hemiopieen dilrffe aueh auf diese Weise zul~ssig sein, man hiitte alsdann nur den durch eine Fl~issigkeit irgend welcher Beschaffenheit innerhalb des Recessus des Chiasma hervorgebrachten Druck bald in der Mittellinie, bald in der seitlichen H~Ifte als stiirker auftretend anzunehmen. In Fig. VII ist in schematischer Weise der Verlauf der Nerven- fasern im menschlichen Chiasma dargestellt und durch Kreise angedeutet, welchen Regionen des Chiasma, wenn sie yon einem pathologischen Process, Geschwulstbildung etc., betroffen werden, die Hemiopieen entsprechen.

Es liegt nicht in meiner Absicht, die bis jetzt in der Literatur mitgetheilten und vor einiger Zeit yon M a u t h n e r*) zusammengestellten F~lle ~on Hemiopie die- sen Annahmen anzupassen, zumal pathologisch-anato- miscbe Befunde des ¥erhaltens der ~ervenfasern bei Hemi- opieen nicht existiren. Ieh mSchte nur einenkliniseherseits zu ~ macbenden Einwurf beantworten, warum bei halbseitigen (lurch Apoplexie bedingten L~ihmungen gleichzeitige

~} ,,Zur Casuistik der Amanrose." Oesterr. Zeitschrift f. pract. Heilkunde, 18. Jaln'gang 1872 No. ~1, 20--24, 26, 29. Mauthner stellt sich mit Riicksicht aaf die perimetrischen Messungen vor~ class ,~ tier Fasern im Chiasma zur entgegengesetzten Selte wandern und Jaur ~ auf derselben Seite bleibt. 1. c. p. 12.

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Hemiopie beobaehtet wird. Bei solchen oder iihnlichen Symptomencomplexen sind aber Vorg~nge vorhanden, welche sich nicht ira Chiasma abspielen, sondern inner- halb des Gehirns; wtirden wir genau den Ursprung der Fasern des Tractus kennen, so kiinnten wir in solchen Fallen, da nun einmal eine vollsti~ndige Kreuzung im Chiasma vorhanden ist, Genaueres tiber den Sitz der ZerstSrung sagen und miissten uas nicht vorli~ufig mit der Annahme begntigen, dass es sich in solchenFallen um eineZerstSrung tier die betreffende Hi~tften der Retina versorgenden Ursprungs- fasern handelt. Ffir manche Falle dfirfte eine andere Erkl~t- rung noch naher liegen, dass in ~hnlicher Weise wie ein Transport yon Blut gelegentlich bei Durchbruch yon hpoplexieen durch die Gehirnsubstanz in den subdu- ralen Raum des Schi~dels und yon diesem aus in den subvaginalen Riiume der Optici statfinden kann*), auch hier die Blutfitissigkeit, einmal in die Ventrikel ergossen, sich von hier aus in den Recessus oberhalb des Chiasma verbreiten und in der oben angedeuteten Weise zu Veriinderungen in der Leitung der Nervenfasern des Chiasma fiihren kann.

Eine weitere Frage ware die, wie man sich die scharfe Trennungslinie bei der Hemiopie erkliiren kSnne. Ab- gesehen davon, dass genauere Untersuchungen solcher F~tlle z. B. mittels des FSrsteFschen Perimeters noch wiinschenswerthscheinea, mSchte ich nur bemerken, dass die Yertheilung der ~'ervenfasern in der Retina, die Menge der nach innen ziehenden Nervent~sern im Gegensatz zu den die iiussere ~etzhauthalfte versorgenden noch nicht hinreichend genau festgesetzt ist, und darauf auf-

*) Siehe ~anz~ ,Sehnervenerkrankungen bei Gehirnleiden" (Hydrol~s vagin, herr, optici}, Deutsches Archly f. klin. Medicin iX 3 und Verf.~ ,Beitrag zur Kenntniss der Entstehung der sog. Stauungspapille und der patholog. ¥er~nderungen in dem Raume zwischen ~usse~'er und innerer 0pticusscheide". Archiv f. Heib kunde Bd~ X1V Hft. 1 p. 57.

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merksam machen, dass z. B. in der Papille der Viigel eine voltkommene Kreuzung tier Nervenfasern stattfin- det*) ehe sie in die Ebene tier Netzhaut umbiegen.

Die Untersuchungen, die im physiologiseh~n Labo- ratorium zu Leipzig angestellt wurden und wozu mir die Herrn Ludwig und Schwalbe die Hilfsmittel in der liebenswttrdigsten Weise zur ¥erffigung stellten, waren grSsstentheils beendigt, als ich Kenntniss yon den experimentellen Untersuchungen Brown-S~quard's**) tiber den anatomischen Zusammenhang der Netzhaut und des Gehirns erhielt. In ein~r vor1~ufigen Mittheitung spricht sich derselbe dahin aus, dass D u r c h s c h n e i d u n g des Chiasma in der Medianl in ie b e ide r s e i t i ge Amaurose, undDurchschne idung d e s e i n e n T r a c - tus opticus Amaurose der en tgegengese t z t en Seite bedinge.

E r l a n g e n den 1. April !873.

~) Nach Schwalbe'schen Pr~paraten~ die mir zur Einsicht yon ihm g~tigst fiberlassen wurden; ebenso erw~,hnt Dr MihaI- kovicz in seinen der ungarischen Akademie der Wissenschaften mitgetheilten Untersuchtmgen fiber den Pecten des Vogelauges dieses Factums.

**) Archly de Physiologie normale et patholog IV, 2. 72.

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ErkHtrung der Figuren 1--7.

Fig. I.

t:g. ii.

Fig. I].I.

Fig. IV.

Fig. V.

Horizontalsohnitt dutch die unterste Lage des Chiasma yon Buteo vulgar is . 1%oh unten zu der Eintritt beider Optici in das Chiasma. Hartnaek Ocular 3, Objeetiv 4. Ca~minfi~rbung. Canadabalsampr~parat. Die Piaforts~tze erstrecken sic]: aberall hin und grenzen die ei~elnen ~ervenbandel ab. Horizontalschnitt ungef~hr durch die Mitte des Chiasma yon Buteo vulgar i s . An der hintern Grenze des Chiasma der beschriebene ~Iarkstreifen, dutch einen Streifen grauer Substanz yore Chiasma getrennt. Hinter diesem Mark- streifen die graue Substanz der Lamina terminalis mit dem Einschnitt des dritten Ventrikels. Das Uebrige wie bei Fig. I. Borizontalschnitt ungeffthr dutch die Mitre des Chiasma yore Hunde. Das Endoneurium der ~ervi optici geht genau auf beiden Seiten bis zur vordern Begrenzung des Chiasma heran. An der hinteren Begrenzung die graue Substanz der Lamin~ terminalis sieh anschliessend. ¥ergrSsserung und Behandlung des Pr~parates wie bei Fig. I. Horizontalschnitt ungef~hr dureh die Mitre des Chiasma des Menschen. Wie bei Fig. III, mit Ausnahme des im Text beschriebenen Markstreifens an der hintern Begrenzung des Chiasma. Etwas yon der sagittMen Richtung abweichender Schnitt dutch die reehte HMfte des Chiasma.

a) Innere 0pticusscheide mit ihren Fortsiitzen. Wo dieselben auihSren~ fangen die parallel mit dem Schnitt bogenfSrmig verlaufenden Faserbtlndel des Chiasma an abzuwechseln mit solehen, die in senk- rechter Riehtung get~ often sind.

b) graue Substanz der obern Fl~che des Chiasma (untere Wand des Reeessus).

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c) graue Sabstanz der obern Wand des Recessus. d) Recessus. e) ZottenfSrmige Wucherungen des Ependyms des

Recessus. VergrSsserung und Behandlung des Pr~- parats wie bei Fig. I.

Fig. VI. Sagittalsehnitt durch die Mitre des Ghiasma bei einem Hydrocephalus internus eines elf monatliehen Kindes. Sehr starke Ausdehnung des Recessus fiber dem Chiasma. Er- h~rtung in Chromshure trod Alkohol. Liuke H~lfto. Eia- malige VergrSsserung.

Fig. VII. Schema des Faserverlaufs im Chiasmao N. l~ervi optici. T. Tracti optici.

Die Kreise sollen veranschaulichen, welche Hemiopieen bei dem Sitz eines pathologlschen Processes (Geschwulst- bildung etc.) an den betreffenden Stellen zu erwarten sind.

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