Ueber den KeimuMspcess der SameimflaMen. - … · In einer vollkommenen Blüthe sind vier...

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Ueber den KeimuMspcess der SameimflaMen. Von PROF. DR- ALFRED BURGERSTEIN. Vortrag, gehalten am 30. Jänner 1878. ©Ver. zur Verbr.naturwiss. Kenntnisse, download unter www.biologiezentrum.at

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Ueber den

KeimuMspcess der SameimflaMen.Von

PROF. DR- ALFRED BURGERSTEIN.

Vortrag, gehalten am 30. Jänner 1878.

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Geehrte Anwesende!

Bevor wir den Keimungsprocess der Samenpflanzen,dessen Bedingungen und Erscheinungen ich heute aus-einandersetzen werde ins Auge fassen, scheint es mirnothwendig zu sein, zuvor Einiges über den Bau desSamens selbst vorauszuschicken, und hiebei dürfte eszweckmässig sein, mit der Besprechung jenes Organesder Pflanze zu beginnen, welchem die Production derSamen obliegt. Bekanntlich ist dies die Blüthe.

In einer vollkommenen Blüthe sind vierHaupttheile zu unterscheiden. Diese sind von aussennach innen folgende: 1. Der Kelch. Derselbe bestehtaus einem Kreise von in der Regel pjg. ltgrün gefärbten Blättern, die ent-weder frei, oder unter sich ver-wachsen sind, und meistens eineregelmässige, seltener eine un-regelmässigeForm besitzen. 2. DieBlumenkrone. Sie wird voneinem oder mehreren Kreisen ge-wöhnlich lebhaft gefärbter Blättergebildet, die wieder entweder unter einander gleich(Nelke) oder ungleich sind (Veilchen), bald getrennt,

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bald wieder verwachsen erscheinen. Die oft ganz eigen -thümliche Form, sowie die herrliche Farbenpracht,welche man an so vielen Blüthen zu beobachten Gelegen-heit hat, sind meist durch die Entwicklung der Blutnen-krone bedingt. Gehen wir in derBlüthe noch weiter nachinnen, so treten uns 3. die Staubgefässe entgegen.Jedes derselben besteht aus einem fadenförmigen oderstielartigen Theile, dem Staubfaden, und aus dem an derSpitze des Staubfadens befindlichen Staubbeutel, welch'letzterer in der Regel aus zwei Säckchen gebildet wird,die durch das obere Ende des Staubfadens mit einanderverbunden sind. Der Staubbeutel ist mit einem feinen,gewöhnlich gelben Pulver, dem sogenannten Blüthen-staub oder Pollen erfüllt, der zur Fruchtbildung noth-wendig ist, und unter dem Mikroskope gesehen, mitwenigen Ausnahmen aus zahlreichen losen Zellen zu-sammengesetzt erscheint, die mancherlei, oft sehr zier-liche Formen besitzen. Der Staubfaden fehlt bisweilen.Die Zahl, ferner die relative Länge, die Art der An-heftung und Verwachsung der Staubgefässe ist für diesystematische Botanik von grösster Wichtigkeit. Ichkann jedoch diesmal auf diesen Gegenstand nicht weitereingehen. Den innersten Theil der Blüihe endlichbildet 4. jenes Organ, welches man mit dem NamenStempel oder Pis t i l l bezeichnet. Er kommt in den ver-schiedenen Blüthen in der Ein- oder Mehrzahl vor, undman unterscheidet au demselben drei Partien: a) denuntersten, meist verdickten Theil, der sich zur späteren,die Samen führenden Frucht entwickelt: don Frucht-

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knoten. Dieser geht b) in den fadenförmigen,' voneinem äusserst feinen Kanal durchzogenen Griffelüber, der wieder an seinem freien Ende c) die Stempel-mündung (gewöhnlich!^ ar be genannt) trägt, die zur Zeitder Biüthenperiode eine klebrige Substanz abzusondernpflegt. Manchmal fehlt der Griffel (Tulpe), bisweilen sindaber auch mehrere Griffel vorhanden. Die Narbe da-gegen, welche zur Aufnahme des Pollens dient, fehltniemals, wenn überhaupt ein Stempel zugegen ist.

Die Erfahrung hat gelehrt, dass von den vierHaupttheilen einer vollkommenen und vollständigenBlüthe nur die Staubgefässe und Stempel zur Hervor-bringung reifer Früchte und keimfähiger Samen unum-gänglich nothwendig sind, weshalb man sie als wesent-liche Blüthentheile bezeichnet, zum Unterschiede vonKelch und Blumenkrone, welche zum Schütze derStaubgefässe und Stempel, zum Herbeilocken von In-secten zum Zwecke der Befruchtung und anderen wich-tigen, aber minder wesentlichen Functionen dienen. DerFruchtknoten, beziehungsweise der Stempel, Fi 2

entsteht durch eine bestimmte Verwach-sung von einem, zwei oder mehreren Frucht-blättern, und enthält in seinem Innern eineoder mehrere Höhlen oder „Fächer". Ein-fächrig ist er beispielsweise bei den Hülsen-früchten, zweifächrig bei den schotenfrüch-tigen Pflanzen, fünffächrig bei den Kern-obstarten. Im Inneren des Fruchtknotens findet man ingrösserer oder geringerer Menge kleine Körnchen aus

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denen während der Fruchtreife die Samen entstehen,uud welche deshalb Samenknospen genannt werden.Sie sind entweder unmittelbar, "oder durch einen Stielan der inneren Fruchtknoten wand befestigt. JedeSamenknospe erscheint anfänglich als ein kleinesWärzchen (Samenknospenkern). Bald aber überziehtsich der Kern vom Grunde aus mit einer oder zwei

g- 3- Hüllen (Samenknospenhüllen), diean seiner Spitze eine feine Oeffnung, denKnospenmund oder die Hikropyle freilassen. Der Kern und die Hüllen derSamenknospe bestehen nur aus Zellen.Von diesen vergrössert sich noch vor derBlütheneröffnung eine ganz besonders,

und wird zum Embryosack, in dem wieder durchfreie Zellbildung eine oder mehrere Zellen, nämlich diesogenannten Eizellen oder Keimbläschen entstehen.

Nach der Befruchtung, auf welchen Process ichnicht näher einzugehen beabsichtige, verwelken Blumen-krone und Staubgefässe, in der Regel auch der Kelch,während der Fruchtknoten sammt den in seinem In-neren enthaltenen Samenknospen eine weitere AvichtigeEntwicklungsperiode durchmacht, welche damit endet,dass die Fruch tknotenwand zur Fruchthül le ,beziehungsweise zur Frucht, die Samenknospen zuSamen werden, mit deren vollständiger Ausbildungdie Pflanze ihr Lebensziel erreicht hat. Je nach derAnlage und dem Bau des Fruchtknotens, sowie nachden verschiedenen Umgestaltungen, die derselbe bei-den

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einzelnen Pflanzengattungen erleidet, gehen aus ihmverschiedene Arten von Früchten hervor, mit derenAufzählung und Beschreibung ich die geehrten Zuhörernicht ermüden will. Dort, wo keinEruchtknotengehäuseexistirt, welcher Fall für die Nadelhölzer charakteri-stisch ist, kann auch von keiner Frucht, sondern nurvon Samen die Hede sein.

Mit der Reifung der Fruchtschale geht auch dieEntwicklung der Samenknospen Hand in Hand. Nach-dem das früher genannte, im Embryosack befindlicheKeimbläschen befruchtet worden, entsteht aus. dem-selben nach mehrfacher Zelltheilung der Keimlingoder Embryo,, während sich die Integumente derSamenknospe zur Samenhülle umgestalten. Der reifeSame besteht nun entweder blos aus der Samenhülleund dem von ihr eingeschlossenen Keimling, oder aberes bildet sich im Embryosack ausser dem Keimling nochein zelliger Körper aus, den man im Allgemeinen alsSameneiweiss, Albumen oder Endosperm be-zeichnet. Je nachdem, ob ein Eiweiss vorhanden ist,oder ein solches fehlt, unterscheidet man eiweisshäl-tige und eiweisslose Samen.

Nachdem Frucht und Samen ihre Reife erlangthaben, können zwei Fälle eintreten. Entweder dieFrucht öffnet sich (Kapselfrüchte), die Samen werden'entleert,- oder aber das Fruchtgehäuse bleibt geschlossen(Schliessfrüchte), so dass der Keimling nebst der Samen-hülle auch noch von der Fruchthülle umschlossen ist.Bisweilen verwachsen sogar beide Hüllen innig mit-

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einander, wie dies beispielsweise bei den Getreidekör-nern der Fall ist. Daraus folgt, dass dasjenige, was imHandel als Same erscheint, und auch im gewöhnlichenLeben so genannt wird, häufig im botanischen Sinneals Fruch t bezeichnet werden muss, und ich bittegleich hier' um Entschuldigung, wenn ich im Verlaufemeines Vortrages der Bequemlichkeit des Ausdruckeshalber manchmal vom Samen sprechen werde, woeigentlich das "Wort Frucht das richtige wäre.

Betrachten wir nun den Bau des Samens etwasnäher. Zunächst die Samenschale, dann den Samenkern.Vom anatomisch-physiologischen Gesichtspunkte kannman an der Samenschale, die, wie wir schon wissen,aus den Hüllen der Samenknospe hervorgegangen ist,folgende vier Zonen oder Schichten unterscheiden:1. Die Hartschichte . Sie besteht aus besonders dick-wandigen Zellen, und auf ihrer Consistenz beruht we-sentlich die mechanische Festigkeit der Samenschale.— 2. Die Quellschichte. Dieselbe ist bei sehr vielenSamen vorhanden, und zeichnet sich vor den anderenPartien der Samenhülle durch ein besonderes Vermögenaus, bei Wasserzutritt aufzuquellen, wodurch der Sameoft auf das Vielfache seines Volumens sich vergrössert.— 3. Die Pigmentschichte. Vonihr hängt die Farbeder Samenschale ab. Auf der Menge des vorhandenenPigmentes beruht die Tiefe des Farbentones der Samen-haut. In manchen Samen tritt endlich noch 4. eine„Stickstoffschichte" auf, welche stickstoffhaltigeNährstoffe enthält.

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Die Aufgabe, welche die Samenhülle für denruhenden Pflanzenkeim zu erfüllen hat, ist eine mehr-fache. Sie hat demselben vor Allem einen Schutz gegen-über mechanischen Verletzungen zu gewähren, unddiese Function erfüllt die früher genannte Hartschicht.Eine zweite Aufgabe der Samenschale besteht in derErha l tung der Keimfähigkei t der Samen. Ichwerde über dieses Thema später ausführlicher sprechen,und' erwähne einstweilen nur, dass die Keimkraft vielerSamen schon nach wenigen Jahren erlischt. Haupt-sächlich sind es allerdings innere Eigenthümlichkeitendes PJlanzenkeimes, welche diese Erscheinung bedingen,zum grossen Theil sind es aber auch äussere Umstände,welche die Dauer der Keimfähigkeit mitbestimmen.Denken wir uns nun die zartgebauten Samen ohneSamenhülle. Was wäre die Folge? Der häufige Wechselvon Durchfeuchtung und Austrocknung, der ungehin-derte Zutritt von bald feuchter, bald trockener Luft, dieTemperatursdifferenzen, denen der Same ausgesetzt ist,die Schutzlosigkeit gegenüber zahlreichen Schimmel-pilzen: dies alles und noch manches andere würde sichvereinigen, um die Keimkraft des Embryo in kürzester-Zeit zu zerstören. Eine dritte Aufgabe, welche dieSamenhülle des noch schlummernden PJlanzenkeimes zuerfüllen hat, ist die, als Verbre i tungsmit te l zudienen. Es ist für die Pflanze von Wichtigkeit, dass ihrSame, dem ja die Erhaltung und Fortpflanzung derSpecies obliegt, sich so weit als möglich in der Weltverstreue, um unter den verschiedensten äusseren

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Bedingungen den Kampf ums Dasein aufnehmen undbestehen zu können. Da aber den Samen keine Eigen-bewegung zukommt, so bleibt ihnen nichts anderesübrig, als sich an gewisse äussere Verbreitungsagentien,wie den Wind, das strömende Wasser und die Thiereanzupassen. Als eine dieser Anpassungsformen sind dieflügelartigen, Anhängsel zu nennen, die eine grosseMannigfaltigkeit der Gestaltung und Ausbildung erken-nen lassen. Solche fiügeltragende Samen oder Früchtekommen z. B. bei den Fichten, Föhren, Eschen, Birken,Ulmen, Ahornarten und anderen Pflanzen vor. Einanderes Verbreitungsmittel der Samen ist in dem Vor-kommen eines Haarbüschels oder Federschopfes gegeben,und es existirt eine grosse Zahl von Pflanzen, derenSamen mit dieser Art von Flugapparaten ausge-rüstet sind. Die Samen der Weiden und Pappeln, diekleinen Früchte der Disteln, der Kornblumen, desLöwenzahnes, des Wiesen-Bocksbartes und zahlreicheranderer Gewächse gehören hieher. Am auffallendstenkommen diese Bildungen bei den Gossypium-Arten vor.Jener Eohstoff, den man Baumwolle nennt, besteht aus•den feinen Haaren, welche in Form eines dichten Schopfesdie Samen dieser Pflanzen umhüllen. Eine weitere An-passungserscheinung sind die hakigen und stachligenVerbreitungsausrüstungen, für die ich nur die bekanntenKletten als Beispiel anführe. Durch solche Hakenhängen sich die Samen und Früchte an das Gefieder derVögel, an das Fell der Säugethiere, wohl auch oft inzudringlicher Weise an die Kleidung des Menschen an

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und lassen sich durch dieselben weit forttragen vomStandorte der Mutterpflanze.

Nachdem ich nun in nuce die Organisation und diebiologische Bedeutung der Samenhülle im ruhendenSamen skizzirt habe, gelange ich zur Besprechung desSamenkernes. Wie früher auseinandergesetzt wurde,besteht der Samenkern entweder ausschliesslich ausdem Keim (Embryo) der zukünftigen Pflanze, oder esist aussei* diesem noch ein besonderes Gebilde, nämlichder Eiweisskörper (Endosperm) an der Constitution desSamenkernes betheiligt. Als Beispiele eiweisshäl-t iger Samen wären unter Anderem zu nennen dieSamen der Getreidearten, der Nadelhölzer, des Buch-weizens, der Glockenblumen, der Nachtschattengewächse,des Kaffee- und. Oelbaumes, der Mohnarten, der Veil-chen, Nelken, Malven, des Leins. Eiweiss-los sind dieSamen der Birken, Eichen, Buchen, Gurken, Melonen,Rosen, Aepfel, Birnen, Mandeln, Kirschen, Pflaumen,Erbsen, Bohnen etc. Die Consistenz des Eiweisskörpersist bei den einzelnen Samen sehr verschieden. Einmehliges Eiweiss haben die Getreidearten, knorpelig istes bei den Kaffeebohnen, steinhart bei den Samen derElfenbeinpalmen.,')

Was den Embryo betrifft, so lassen sich an dem-selben mit wenigen Ausnahmen drei Theile unterschei-den, die entweder schon makroskopisch, oder erst mit

l) Das beinharte Sameneiweiss dieser Palmen liefertdas „vegetabilische Elfenbein".

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Hilfe eines Mikroskopes sichtbar sind. Und zwar: a) dasWürzelchen, als die Anlage der künftigen "Wurzel,b) das Knöspchen, auch Federchen genannt, d. i. dieAnlage der künftigen Stammachse, und c) die Keim-

Fi 4 b lä t te r , auch Samenlappen, Keim-lappen, Cotyledonen genannt. Diesesind bald dünn und blattartig, bald dickund fleischig. Im letzteren Falle fehltmeistens das Sameneiweiss, und die Keim-lappen nehmen dann den grössten Theil

des Sameninnern ein, wie z.B. bei den Erbsen, Bohnen,Mandeln, Haselnüssen und anderen Samen, deren Keim-lappen wir theils wegen ihres Wohlgeschmackes, theilswegen ihres Gehaltes an Nährstoffen verzehren. In Bezugauf die Zahl der Keimblätter ist hervorzuheben, dass mitAusnahme der Nadelholzsamen, von denen die Mehrzahlmit 6 bis 12 und noch mehr Cotyledonen ausgerüstet ist,fast alle anderen Samenpflanzen einen oder zwei Samen-lappen besitzen, wonach man in der Botanik einkeim-lappige (monocotyledone) und zweikeimlappige (dico-tyledone) Pflanzen unterscheidet.

Die Zellen, aus denen die Samen aufgebaut sind,enthalten in grösserer oder geringerer Menge Eeserve-stoffe aufgespeichert. Letztere bestehen meistens ausStärkemehl oder fettem Oel, und haben den Zweck,während der Keimung dem jugendlichen Pflänzchenzur ersten Nahrung zu dienen. Bei eiweisshältigenSamen sind die genannten Reservestoffe grösstentheilsim Eiweisskörper deponirt, bei eiweisslosen Samen aber

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in den Keimlappen, welche in diesem Falle dick undfleischig entwickelt sind.

Ich gelange jetzt zur Beantwortung zweier Fragen,welche nicht nur ein grosses theoretisches, sondern auchein eminent praktisches Interesse haben, nämlich 1. inwelchem Stadium der Eeifung t r i t t die Keim-fähigkeit eines Samens ein, und 2. wie langebehäl t ein Same seine Keimkraft? — Währendsich die Samenknospen zu Samen entwickeln, nimmtdas Volumen derselben durch Zellvermehrung, Wasser-aufnahme und Aufspeicherung von Eeservestoffen immermehr und mehr zu, und in einem gewissen Zeitpunkthat der noch unreife Same sein grösstes Volum erreicht,von wo ab bis zur völligen Eeife wieder eine oft nichtunbedeutende Schrumpfung desselben eintritt. Es ist nunbemerkenswerth, dass die Keimfähigkeit frühere i n t r i t t , als die vollständige Reife, nämlich injenem Stadium, in dem der Same sein grösstes Volumbesitzt und sich also in einem Zustande befindet, denman ohne Zweifel als unreif bezeichnen müsste. Ueberdie Keimfähigkeit unreifer Samen liegen eine Reihe vonmeist älteren Beobachtungen vor, welche durch neueExperimente theils bestätigt, theils als unrichtig be-zeichnet wurden.

Nach den Untersuchungen von Luc anus wareneinzelne von den „kleinen, grünen und noch ganzweichen Roggenkörnern" schon vier Wochen vor dervollen Reife keimungs- und entwicklungsfähig. AnalogeErgebnisse wurden von Sei ff er für unreife Erbsen,

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Bohnen und Linsen, von Novacki für verschiedeneReifezustände des Weizens gefunden.

Die. genauesten Versuche über diesen Gegenstandwurden von Professor F. Cohn in Breslau durchgeführt,welcher die Samen von Mais, Moorhirse, Rettig, Gurken,Ricinus, Aepfeln, Birnen und vielen anderen Pflanzenin jenem unreifen Zustande, in dem der Embryo seingrösstes Volum besass, vollkommen keimfähig fand.

Die zweite für den Landwirth höchst wichtigeFrage ist die, wie lange ein Same keimfähig bleibt,wie lange er also ruhen darf, ohne seine Lebenskrafteinzubüssen. Man findet in dieser Beziehung für dieCultursamen in den land- und forstwirtschaftlichenHandbüchern bestimmte Ziffern aufgeführt. Es sollendie Samen der Weizenarten drei Jahre, die andererCerealien: Roggen, Gerste, Hirse, Mais nur zwei Jahrekeimfähig bleiben. Von anderen Pflanzen wird demRaps eine dreijährige, dem Hanf eine vierjährige, denKleearten und Grassamen eine zweijährige Keimkraft-dauer zugeschrieben. Die forstlichen Samen stehen derMehrzahl nach im Rufe einer sehr vergänglichen Keim-kraft. Die Samen, der Pappeln und Weiden bleiben nureinige Tage keimfähig, müssen also alsbald ins Keimbettgelangen. Die Eicheln und Bucheckern sollen sich nurbis zum nächsten Frühjahre lebensfähig erhalten. DasGleiche gilt 'für die Samen des Ahorn und der Tanne.Für die Kiefer nimmt man an, dass einjähriger Kiefer-same noch gute Keimkraft habe, zweijähriger schonmerklich nachlasse, dreijährigen säet man ungern.

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Fichten- und Lärchensamen sollen sich drei bis vierJahre keimfähig erhalten. Nach den Untersuchungen vonProf. Haberlandt verlieren bei gewöhnlicher Aufbe-wahrungKoggen nach zwei, Weizen, Gerste nach drei bisvier, Hafer nach sieben bis acht Jahren ihre Keimkraft.

Nach einer von Dimitr ievicz im landwirthschaft-lichen Laboratorium der hiesigen Hochschule fürBoden-cultur ausgeführten Arbeit keimten von den nach-stehenden Samenarten, die im lufttrockenen Zustandein kleinen Fläschchen versiegelt aufbewahrt wurden,nach eilf Jahren in Procenten:

Melone . . . . 93L u z e r n e . . . . 3 4T a b a k . . . . . 3 0P a r a d i e s a p f e l . . 2 6

Analoge Versuche mit einer grösseren Zahl vonetwa eben so alten Samen hat auch Professor Nob bemitgetheilt. Von 72 zehn- bis zwölfjährigen, in einerHolzschachtel aufbewahrten Samenarten hatten 50, alsomehr als zwei Drittel, ihr Keimvermögen vollständigverloren. Bei den anderen Arten ergab sich nicht nureine prpcentisch quantitative Abnahme der Keimkraft,sondern auch eine qualitative Aeuderung in der Art,dass die Keimpflänzchen häufig eine abnorme Ent-wicklung zeigten. Im Allgemeinen scheint es, dass dieLebenskraft mehlhaltiger Samen eine länger andauerndeist, als die ölhaltiger und stickstoffreicher Samen, dadie fetten Oele, sowie die stickstoffhaltigen Substanzensich leichter zersetzen. Es gibt jedoch auch hier

Fisoln . .HirseSenf . .Hanf . .

. . 26

. . 23

. . 23

. . 15

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Ausnahmen, da noch andere Momente den Tod desKeimlings zu beschleunigen im Stande sind. So ver-mögen beispielsweise die ölhaltigen Leinsamen einigeJahre keimfähig zu bleiben, während die Lebensdauerder stärkeführenden Weidensamen nur nach Tagen zählt.

Für die Erhaltung der Lebenskraft eines Samenssind drei Momente von Bedeutung: 1. der Reifegrad,in dem der Same zur Aufbewahrung genommen, 2. derWassergehalt, den er zu dieser Zeit hatte, und3. die Art wie, und der Ort wo er aufbewahrt wurde.Unvollständig gereifte Samen verlieren viel früher ihreKeimkraft, als gereifte. Zum. zweiten Punkte ist zu be-merken, dass das Keimvermögen um so rascher erlischt,je Avasserhältiger der Same ist. Demnach sind die Witte-rungsverhältnisse während der Fruchtreife und Ernte,insofern sie den Feuchtigkeitsgrad des Samen modifi-ciren, von Einfluss auf die Dauer der Keimkraft. Einevorsichtig geleitete künstliche Wasserentziehung istdaher oft von gutem Erfolge. Beim Klengprocesse werdendie Samen der Schwarzföhre einer Temperatur von 40bis 44° C, die der Rothföhre und Fichte einer solchenvon 50 bis 52° C. ausgesetzt. Dass die Samen der Nadel-hölzer, sowie anderer Pflanzen solche und noch höhereWärmegrade ohne Nachtheil zu ertragen im Stande sind,werden wir später ausführlicher hören. Endlich 3. kannman die Keimkraftdauer dadurch verlängern, dass mandie Samen vor dem Einflüsse der Atmosphärilien schützt,sie also in gut verschlossenen Grefässen an einem trockenenund kühlen Orte aufbewahrt.

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Viele Sämereien, wie Lein, Hanf, Lauch, Hirse,Fisolen, behalten ihre Keimfähigkeit länger, wenn mansie in den Fruchtschalen belässt, und gehörig abge-trocknet an kühlen und trockenen Orten aufbewahrt.Dasselbe ist der Fall beim Kukurutz. Am Kolben be-lassen kann er mehrere Jahre seine Keimfähigkeiterhalten, während er abgedroschen schon nach zweiJahren für den Anbau unsicher wird.

Eine grosse Verschiedenheit in der Erhaltung derKeimkraft zeigt die Ind iv idua l i t ä t der Samen selbst,da Samen von derselben Pflanze, zu gleicher Zeit imreifen Zustande geerntet und auf gleiche Weise behan-delt, doch in sehr ungleichen Zeiträumen ihr Keimver-mögen einbüssen. So keimten beispielsweise nach Ver-suchen von Professor Nob be von Lein und Rothklee inProcenten:

Im ersten Jahre.„ zweiten „„ dritten „.. vierten

Lein. 72. 54. 46. 38

Rothklee877 0 •

514t

Wenn man nun weiss, dass sich der Procentsatzder keimfähigen Samen einer Ernte von Jahr zu Jahrrasch vermindert und nach etwa einem oder zwei De-cennien entweder nahezu, oder thatsächlich gleich Nullwird, so dürfte man wohl etwas bedenklich den Kopfschütteln, wenn man von einer nach Jahrhunderten,ja sogar von einer nach Jahr tausenden zählendenKeimkraft mancher Samen zu hören bekommt. In derThat finden sich in der Literatur mehrfache Angaben über

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eine solche beinahe unbegrenzte Keimkraftdauer vonSamen. In der im September 1834 zu Stuttgart tagen-den zwölften Versammlung deutscher Naturforscherund Aerzte berichtete Graf Sternberg — man kanndies im amtlichen Berichte dieser Versammlung nach-lesen — dass er von Weizenkörnern, welche in egypti-schen Mumiengräbern gefunden wurden, durch einesorgfältige Behandlung einige zum keimen gebracht,und aus ihnen reife Aehren erhalten hatte, die er auchdemonstrirte. Diese Weizenkörner sollen circa 3000Jahre alt gewesen sein. Ein anderer derartiger „Mu-mienweizen" wurde im Jahre 1850 von einem HerrnWittenbach zu Breitenwaier bei Bern aus Körnern,die in dem Sarcophag einer Mumie zu Cairo gefundenworden waren, erzogen, und soll eine gewiss ganz unge-wöhnliche, nämlich eine viertausendfältige Vermehrung,gehabt haben (Oekonom. Neuigkeiten etc. von ProfessorDr. Hlub'ek, 1850, Nr. 94). Nach einem Berichte vonJouanet (Froriep's Notizen, 1835), fand man in einerGemeinde im Departement Dordogne bei der Eröffnungeiniger alter gallischer Gräber, die aus den ersten Zeitendes Christenthums datirten, Zahlreiche reife Samen, ausdenen dem Gärtner llousseau-in Bergerac, dem sieübergeben wurden, Kornblumen, Sonnenwenden (Helio-tropium) und eine kleine Kleeart (Trifolium minimum)erblühten. In einem Grabmal der Wymondham-Abtei,wahrscheinlich aus der Mitte des zwölften Jahrhundertsfanden sich in einem kleinen, luftdicht verschlossenenZiegelsarge Früchte von Centranthus ruber, einer bei

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uns in Gärten häufig cultivirten Zierpflanze, welcheausgesät blühende Exemplare erzeugten. In einem an-deren englischen Grabmale, dessen Alter nach den mit-eingeschlossenen Münzen und anderen Ueberresten aufsechzehn- bis siebzehnhundert Jahre zu schätzen war,entdeckte man im Jahre 1834 in einem alten Sarge,im Mageninhalte einer hier ruhenden Person eine Mengekleiner Samen der Himbeere, aus denen Lindley nachzwei Jahren Pflanzen mit herrlichen Früchten erzielte.Auch bei uralten Samen von Hülsenfrüchten soll es ge-lungen sein, dieselben zum Keimen zu bringen und neueSamen zu gewinnen. In einer nahezu dritthalbtausendJahre alten egyp tischen Urne fand man Erbsen (Büschel-oder Doldenerbsen), die nicht nur recht gut aufgingen,sondern auch eine reiche. Ernte lieferten. Siebzig ausjenen Erbsen erzogene Pflanzen sollen über 60.000wohlschmeckende Samen gegeben haben (Allgem. bot.Zeitung, 1849, Bd. I, p. 126).

Wenn Sie nun geehrte Damen und Herren jeneThatsachen, die ich Ihnen früher über die Keimkraft-dauer der Samen mitgetheilt habe, mit dem vergleichen,was ich Ihnen soeben über das Keimvermögen einzelner,aus dem grauen Alterth-ume stammender Samen erzählthabe, so werden Sie, abgesehen von einem fast unver-meidlichen Erstaunen wohl fragen, wie sich diese Dingeerklären lassen? Was den egyptischen Getreidesamenaus der Zeit der Pyramiden betrifft, so muss ich be-merken, dass man in diesem Artikel oft betrogen wird,wie dies auch bei dem vermeintlichen Mumienweizen

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des Herrn Grafen Sternberg der Fall war. ProfessorUnger hätte Gelegenheit, sich echten Samen aus denvorhandenen Resten der altegyptischen Bauten zu ver-schaffen. Nach seinen, in den Berichten der WienerAkademie publicirten Beobachtungen, setzte er eineziemlich grosse Menge von Gerstenkörnern, die er ausTheben in einer wohlverschlossenen Thonflasche nachEuropa gebracht hatte, den Keimungsbedingungen aus.Trotzdem die letzteren so günstig als möglich waren,keimte dennoch nicht ein einziges Korn. Ein andermaluntersuchte der genannte Forscher zwei Ziegel derDashurpyramide (unweit Cairo) nach ihrem Inhalte anorganischen Einschlüssen. Ein Keimversuch mit Weizen-körnern, welche aus diesen, aus üSTilschlamm und Strohverfertigten Ziegeln erhalten wurden, lieferte dasselbeResultat. Trotz aller hiebei verwendeten Sorgfalt tratstatt der Keimung nur Fäulniss ein.

Aus dem Mitgetheilten dürfte sich ergeben, ichwenigstens habe die Ansicht, dass es auch in jenenVersuchen; in denen die anderen uralten Samen> welcheich erwähnt habe, nicht nur ein Keimvermögen, son-dern mitunter auch eine so ausserordentliche Heproduc-tionskraft besassen, wahrscheinlich nicht „mit rechtenDingen zugegangen ist".

Um die Keimkraft von Samen zu erproben, unddie Keimungsvorgänge zu studieren, lässt man meistensdie Samen zunächst in Wasser quellen, und setzt siedann auf ein geeignetes feuchtes Substrat aus. Als Keim-bett kann man Erde, Sand, Sägespäne, Löschpapier,

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Flanelllappen benützen. jSTobbe, Vorstand der physio-logischen Versuchs-und SamencontrolstationzüTharand,hat einen eigenen Keimapparat angegeben, welcher dieAnwendung der genannten Stoffe vermeidet. Im pflanzen-physiologischen Institute der hiesigen Universität, wojährlich zahlreiche Keimlinge zu wissenschaftlichenUntersuchungen erzogen werden, bedient man sichglasirter Thonschalen, die einen Durchmesser von 30 Cm.und eine Höhe von 6 Cm. haben. Auf dem Boden dieserKeimschalen wird feuchtes Löschpapier ausgebreitet,auf dem sich die Keimung der ausgesäten Samenvollzieht. .

Was nun den Keim process selbst betrifft, so hatman bei demselben drei qualitativ verschiedene, voneinander unabhängige Vorgänge zu unterscheiden:1. die Quellung der Samen durch Aufnahme vonWasser, 2. die Auflösung und Umbildung derHeservestoffe und3. die Entfa l tung des Embryo.Beginnen wir mit dem ersten Stadium. Wird ein reiferSame in tropfbar flüssiges Wasser gelegt, so erfährtderselbe eine beträchtliche Vergrösserung seines Volu-mens. Diese Aufschwellung des Samenkornes, welchedurch die früher genannte Quellschicht der Samenschaleeingeleitet, und vorzugsweise durch sie effectuirt wird,ist lediglich ein mechanischer Vorgang. Er ist bis-weilen das Werk weniger Minuten, oft einiger Stunden;manchmal sind aber auch viele Monate dazu nöthig.Die Zeit, welche vergeht, bis ein Same vollständig auf-quillt, ist nicht nur für die verschiedenen Samenspecies

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eine höchst verschiedene, sondern es stellen sich auchhei einer'und derselben Art grosse individuelle Diffe-renzen heraus.

Nobbe theilt einen Yersuch mit, in welchem von100O keimkräftigen Wiesenkleesamen in reinem Wassersieh gequollen fanden:

Nach

»n

n

n

12

10151924

Tag .Tagen .

»r.

r,

V

Fiirtrae

. 927

. 175755

. 966

Nach

n

Uebertrag36 Tagen .48 „ .56 „ .91

157 (!) „ .

Summe

. 966

. 83337

. 990

Damit der Quellact sich vollständig vollziehe, istdie Berührung des Samens mit tropfbar flüssigemWasser unerlässlich. Es vergrössern zwar Samen ineinem mit Wasserdunst gesättigten Räume durch Auf-nahme und Condensirung von gasförmigem Wasser ihrGewicht oft um mehr als 20 Procent — dies istnatürlich nur möglich bei wechselnder Temperatur desVersuchsraumes — allein die auf diese Weise gewon-nenen Wassermengen sind weit entfernt von jenemQuantum, welches zur Keimerregung der betreffendenSamen erforderlich ist. Damit der Same sich vollständigdurchtränke, ist ein unmit te lbarer Contact derSamenhülle mit t ropfbar flüssigem Wasser nöthig,wobei jedoch auch eine einseitige Berührung ausreicht,wie die unzählbaren, in Keimapparaten durchgeführtenVersuche lehren. Sowie der Zeitraum, während dessen

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Mais . .Weizen . .Gerste . .Roggen . .Hafer . . .

. 44

. 45

. 48. 58. 60

LinsenErbsen .RothkleeRunkelrübeSaubohne

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das zur Keimung nöthige Wasser aufgenommen wird,für verschiedene Samenarten ein sehr ungleicher ist, undvorzugsweise durch den anatomischen Bau der Samen-schale bedingt wird, so hat auch das während desQuell-actes eingesogene Flüssigkei tsquantum für die ein-zelnen Samena*rten eine verschiedene Grosse. Es beträgtbeispielsweise nach den Untersuchungen von Rob. Hoff-mann bei

93107117120157 (nachNobbe).

Procente vom lufttrockenen Gewichte der betreffendenSamen. Man. ersieht aus diesen Zahlen, dass die Samender Hülsenfrüchte eine relativ viel grössere Wasser-menge aufzunehmen im Stande sind, als etwa die derGetreidearten. Mit der grösseren. oder geringerenWasseraufnahme ist natürlich auch eine verschiedeneVolumszunahme der Samen, verbunden. Viele Haus-frauen wissen, welch' mächtige VolumsvergrösserungErbsen erfahren, die während einiger Stunden gequollensind. Nach den Quellungsversuchen von Nie. Dimitrie-vi c z betrug die Volumszunahme bei 15 ° C. in Procenten:

Dauer der Quellung in Stunden:G 12 24

R a p s 53 53 53Kichere rbse . . . 107 133 133Rothk lee . . . . 131 144 138

2 5 *

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Das zweite Stadium im Keimprocesse, welches,wenn nicht fast unmittelbar mit der Quellung, dochschon während derselben beginnt, ist die Lösung undUmbildung der während der Vegetationsperiode in denLaubblättern erzeugten und im Samenkern deponirtenKeservestoffe. Diese sind theils organischer, theils un-organischer Natur, erstere wiederum entweder stick-stoffhaltig oder stickstofffrei. Was zunächst die stick-stoffhaltigen Reservestoffe betrifft, so sei hervor-gehoben, dass Ri t thausen in seiner ausgezeichnetenArbeit über die Protei'nstoffe der Samen die sämmtlichenhieher gehörigen Körper in drei Gruppen getheilt hat,nämlich 1. in die Eiweissgruppe, wohin das Pflanzen -albumin zählt, 2. in die Gruppe des Pflanzencasei'ns, indie unter anderen das namentlich in den Hülsenfrüchtenvorkommende Legumin gehört, und 3. in die Kleber-stoffe, welche beispielsweise in den Samen der Getreide-arten vorkommen, und deren Werth als Nahrungs-mittel so wesentlich erhöhen. Die räumliche Verthei-lung der stickstoffhaltigen Reservestoffe in den einzelnenPartien des Samenkerns ist sehr ungleichmässig. DerKeimling pflegt dann grössere Quantitäten der genanntenStoffe zu führen, wenn das Endosperm oder (bei eiweiss-losen Samen) die Keimblätter arm an denselben sind,und umgekehrt. — Unter den stickstofffreien Re-servestoffen ist am verbreitetsten das Stärkemehl oderAmylum. Es tritt in Form von mikroskopisch kleinenKörnern auf, die bald rund (Weizenstärke), bald eiförmig(Kartoffelstärke) sind, in anderen Fällen eine mehr oder

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weniger polyedrische Gestalt besitzen, wie bei denErbsen Linsen, Bohnen und anderen Hülsenfrüchten.Bisweilen kommen auch „zusammengesetzte" Stärke-körner vor, die aus zahlreichen Theilkörnern bestehen.Ausser der Stärke tritt ferner als Reservestoff auf:Oel (Kicinussamen), Zellstoff (Dattel), Rohrzucker(Raps), Gummi etc. Ist ein Sameneiweiss vorhanden,so führt dieses allein Stärke, der Embryo aber in derRegel nur Oel oder stickstoffhaltige Stoffe; bei deneiweisslosen Samen pflegen das Würzelchen und dasKnöspchen des Keimes Oel zu führen, während dieStärkekörner inden Keimblättern abgelagert sind. Unterden unorganischen (mineralischen) Reservestoffentreten namentlich Kali, Magnesia und Phosphorsäure,dann noch in geringerer Menge Kalk, Eisen, Schwefel-säure und Kieselsäure in den Samenkörnern auf.

Die Reservestoffe müssen, um zur Ernährung undzum Aufbau des Keimlinges verwendet werden zukönnen, sich im gelösten Zustande befinden. Manchederselben sind nun im Wasser unmittelbar löslich; diewichtigsten dagegen, wie die Protei'nsubstanzen, dasOel, das Stärkemehl und andere sind dies entweder garnicht, oder in so geringem Grade, dass sie erst durchVermittlung gewisser anderer, entweder schon vorhan-dener, oder erst während der Keimung entstehenderSubstanzen in Lösung gebracht werden. Die Metamor-phose der stickstoffhaltigen Eiweissstoffe besteht daherzunächst darin, dass dieselben unter Mitwirkung vonKali und Phosphorsäure in einen im Wasser löslichen

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Zustand überführt werden. Was die Umbildung derstickstofffreien Eeservestoffe während des Keimungs-processes betrifft, so verwandelt sich das Oel in Stärke,welches wieder in Zucker oder Zellstoff umgewandeltwird, aus dem sich die Zellwände der Keimpflanze auf-bauen. Dass bei der Keimung ölhaltiger Samen derOelgehalt stetig abnimmt, wobei zugleich Stärke,Zucker, Zellstoff und andere Kohlehydrate in der Keim-pflanze in zunehmender Menge auftreten, ist durch eineReihe hervorragender Forscher, wie Boussingault ,Mo hl, Sachs, E. Peters u. A. constatirt worden. Soverloren beispielsweise die ölreichen Samen des Garten-kürbis nach den Untersuchungen von E. Pe te r s bis zudem Zeitpunkte, wo die Samenschale zu bersten begann,von ihrem ursprünglichen Oelgehalt 24 Procent; bis zujenem Stadium, in dem die Basis der Keimblätter zuergrünen anfing, weitere 34 Procent, und als endlichschon das erste Laubblatt in der Bildung begriffen war,zeigten sich 90 Procent des Urvorrathes an Oel ver-schwunden.

Mit der Umbildung und dem Verbrauche der K.e-servestoffe ist in der Keimpflanze immer eine lebhafteAthmung verbunden, welche darin besteht, dassSauerstoff aufgenommen und Kohlensäure ab-gegeben wird. Der Keimprocess erfordert also Sauer-stoff, er ist ein Oxydationsprocess, und die Pflanzesomit während der Keimung ein wärmeentwickelnderOrganismus. Da sich hiebei der aus der Luft aufgenom-mene Sauerstoff mit dem in der Pflanze vorhandenen

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Kohlenstoff zu Kohlensäure verbindet, welche eben aus:

geathmet wird, so folgt, dass während der Keimungauch ein entsprechender Verlust an organischer Sub-stanz eintritt, abgesehen von den an das Quellwasserabgegebenen Stoffen. Nach dem eben Gesagten wird eseinleuchtend, dass Samen in einer sauerstoffarmenAtmosphäre nur sehr dürftig, in einem Sauerstoff freienRäume überhaupt nicht zu keimen im Stande seinwerden. Aber ebenso, wie theilweiser Mangel an Sauer-stoff die Keimung beeinträchtigt, ein gänzliches Fehlendieses Gases sie sogar unmöglich macht, so wirkt ander-seits ein zu grosser Sauerstoffgehalt der Luft ebenfallshemmend auf den in Rede stehenden Process ein.

TJeber die Menge der während des Keimactes aus-geschiedenen Kohlensäure liegen mehrere directe Beob-achtungen vor. Nach Wiesner verloren keimendeHanfkörner in 101 Stunden circa 22 ]/2 Procent, nachR. Sachsse keimende Erbsen in 114 bis 184 Stundendurchschnittlich 84/5 Procent ihrer Trockensubstanz.Mit der grösseren oder geringeren Athmungsenergie istauch eine entsprechende Wärmeentwicklung ver-bunden. Man erkennt dies daraus, dass ein in einergrösseren Menge keimender Samen befindliches Ther-mometer eine um einige Grade höhere Temperatur an-zeigt, als ein daneben in freier Luft aufgehängtesThermometer.

Professor Wiesner constatirte, dass eine Tempe-raturserhöhung keimender Samen schon vor der Kohlen-säureentwicklung auftritt, und zwar in Folge einer bei

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der Wasseraufnahme der Samen eintretenden Wasser-verdichtung. Im Keimacte sind somit zwei Wärme-quellen betheiligt: Verdichtung cdes Wassers undBildung von Kohlensäure.

In einer gewissen Beziehung zu dem während derKeimung erforderlichen Sauerstoffverbrauch steht diepraktische Frage, wie tief die Saatkörner der verschie-denen Culturpflanzen nach Maassgabe der verschiedenenBodenbeschaffenheit unterzubringen seien.

Ad. und E. Stöckha'rt („der angehende Pächter")nehmen als eine für die meisten Verhältnisse annäherndrichtige Saattiefe in Centimetern an:

für Klee %—\l/2 für Weizen 2l/2—4„ Rogen ii/1_21/2 „ Gerste 2!/2 —5„ Runkelrübe 2—2'/2 „ Erbsen 4—5„ Hafer 2—4 -- „ Bohnen 4—5

Ebenso B u r k h a r t („Säen und Pflanzen") für

forstliche Samen in Centimetern:

für Linde„ Ahorn

1 , , für Kiefer i ,,- Fichte

„ Eiche 2>/2—4 „ Buche 4

Dagegen verträgt das Saatkorn der Esche, Ulme,Hainbuche, Birke, Erle, Lärche u. a. nur eine sehr ge-ringe Bedeckung. Man streut daher diese Saatkörnerentweder blank, oder mit etwas Erde vermengt aus.

Die Tiefenlage der Samenkörner hat einen grossenEinfluss auf deren Entwicklung, und daher auch eineWichtigkeit für den Land- und Forstwirth. Es ist klar,dass ein zu flach gesätes Korn der Gefahr des Aus-

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trocknens, des Erfrierens, dem Raube der körner-fressenden Vögel in bedenklichem Grade ausgesetzt ist,während eine zu tiefe Saatlage wiederum den Nachtheilhat, dass der Keimling aus den tieferen Bodenschichtenverspätet an's Tageslicht kommt. Es sind zwar die tiefstenSaatkörner noch zu keimen im Stande, aber bei demlangen Weg, den der Keimling in diesem Falle im Bodenzurückzulegen hat, können die Eeservestoffe schonfrüher verbraucht werden, bevor noch die Pflanze dieOberfläche erreicht hat, wo sie erst im Stande ist, unterVermittlung des Lichtes sich selbstständig zu ernähren.Es stimmen denn auch die diesbezüglichen Versucheälterer und neuerer Forscher darin überein, dass na-mentlich für kleinere Samen, welche nur mit geringenMengen von Reservestoffen versehen sind, eine tiefereSaatlage sehr verderblich werden kann.

Was übrigens die erwähnte Gefahr des Austrock-nensjunger Keimpflanzen betrifft, so hat sich durch einevor 2 Jahren von Novaczek im landwirtschaftlichenLaboratorium der hiesigen k. k. Hochschule für Boden-cultur durchgeführte Reihe von Versuchen gezeigt,dass Keimlinge in dieser Beziehung eine ausserordent-liche Widerstandsfähigkeit besitzen. Samen, die durch24, resp. 48 Stunden gequollen waren, wurden getrocknetund dann zwischen Flanelllappen zum Keimen aus-gelegt. Die gekeimten Körner wurden, nachdem Wür-zelchen und Stengelchen eine Länge von je 1 Centi-meter erreicht hatten, getrocknet und abermals zumKeimen ausgelegt. Der erneuerte Keimungsprocess wurde

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wieder durch Austrocknung unterbrochen und dieses

Verfahren so lange fortgesetzt, bis bei sämmtlichen

Keimlingen die Keimungs- und weitere Entwicklungs-

fähigkeit erloschen war. So keimten beispielsweise in

Procenten:

Nach 1-, 2-, 3-, 4-, 5-, 6-sofort: maliger Austrocknung

Hafer . . . 90 . . 83 77 62 40 27 8Gerste . . . 85 . . 78 74 40 33 17 4Weizen . . 75 . . 70 57 31 25 10 1

Da der Versuch 98 Tage dauerte, und unter vielungünstigeren Verhältnissen verlief, als solche überhauptim Boden vorkommen können, so ist man wohl be-rechtigt anzunehmen, dass die Samen der genanntenGetreidearten ihre Keimfähigkeit nicht einbüssen, wennsie auch in den obersten Bodenschichten oder an derOberfläche des Bodens zu keimen beginnen, durch dieSonnenhitze austrocknen, durch Thau oder Hegen wiederins Leben 'gerufen werden, ja selbst wenn sie wieder-holt den Wechsel von Austrocknung und Wasserauf-nahme erleiden, bis endlich ein grösserer Niederschlagein ununterbrochenes Wachsthum der Keimpflanzen unddas Eindringen der Würzelchen in tiefere Bodenschichtenermöglicht.

Mit der Auflösung und Umbildung der Reserve-stoffe beginnt auch die E n t w i c k l u n g des E m b r y o ,die ich als das dritte Stadium des Keimprocesses be-zeichnet habe. Von den früher genannten Theilen desKeirnlinges ist es fast ausnahmslos das Würzelchen,

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welches zuerst sichtbar wird. Es tritt nun entweder derFall ein, dass die ausgetretene WurzeLselbst zur Haupt-wurzel wird, und immer weiter wachsend ausserhalbdes Samens Seiten- oder Nebenwurzeln erzeugt, die nacheiner gesetzmässigen Ordnung vertheilt sind, wie beiden Erbsen, Bohnen, Nadelhölzern u. a., oder es ent-stehen die Nebenwurzeln schon innerhalb der Samen-hülle, während die Hauptwurzel selbst abstirbt, wieman dies bei der Keimung der Cerealien beobachtenkann, wo gewöhnlich drei bis sieben Faserwurzelnaus dem Samen hervorbrechen.

Das Längenwachsthum der Keimwurzel beruht,wie jedes Pflanzenwachsthum auf Neubildung undStreckung von Zellen. Die Zellneubildung findet fastausschliesslich an der Spitze der Wurzel, also am jüng-sten Theile derselben statt, und fast unmittelbar hinterder Spitze ist auch die stärkste Zellstreckung thätig.Dass in der That hier das grösste Wachsthum statt hat,kann man leicht dadurch zur Anschauung bringen,wenn man eine wachsthumfähige Wurzel mittelst Tuschoder Asphaltlack in gleichen Abstände durch feinePunkte markirt. Nach Verlaufeines Tages sieht man schon,dass die der Wurzelspitze am nächsten gelegenen Punkteam weitesten, die von ihr entferntesten Punkte da-gegen fast gar nicht auseinander gerückt sind, ein Be-weis, dass unmittelbar hinter der Spitze das stärksteWachsthum stattfindet. An der Wurzel kommen ingrosser Menge fast mikroskopisch kleine Haare zur Ent-wicklung. Diese „Wurzelhaare", welche bei Keimver-

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suchen im feuchten Räume die Wurzeln in Form einesdichten, schimmetartigen TJeberzuges einhüllen, dienenzur Aufnahme der gelösten Nahrungsstoffe, und dieserZweck wird dadurch in ausgiebiger Weise erreicht, alsdie Wurzelhaare durch ihr massenhaftes Auftreten diedie Flüssigkeit aufnehmende Oberfläche in bedeutendemMaasse vergrößern.

Was die Entwicklung der Keimblät ter betrifft,so gibt es Pflanzensamen, deren Keimlappen von derSamenhülle umschlossen, für immer im Boden bleiben,während andere, die Samenschale abstreifend, sich überden Boden erheben, ergrünen und als erste Laubblätterfunctioniren. Dies kommt dadurch zu Stande, dassjener Theil der Keimachse, der sich zwischen derWurzel und der Keimblätterbasis befindet, und den mandas hypocotyle Stengelglied nennt, in die Länge streckt,wodurch dieCotyledonen über den Boden gehoben werdenund oberirdisch erscheinen. Demgemäss unterscheidetman unter i rd ische (hypogäische) und oberirdische(epigäische) Keimlappen. Erstere Art besitzen die Samender Gräser, der Hülsenfrüchte, der Eichen, Kastanien;letztere die Samen der Nadelhölzer, der Gurken, Melonen,des Leins, der Buchen und vieler anderer Pflanzen.Die Lebensdauer der oberirdischen Keimlappen ist manch-mal nur eine kurze (hinfällige Cotylen), oft aber bleibensie, nachdem sie ans Licht getreten, ergrünt und be-deutend gewachsen sind, während der ganzen Vegetations-periode saftig und verhalten sich in ihren physiologischenVerrichtungen wie Laubblätter.

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Mit dem Beginn des Wurzelwachsthums und derFunction der Keimblätter erwacht auch jener Theil desSamenkerns zum Leben, den wir früher unter demNamen Knöspchen oder Federchen kennen gelernthaben, und entwickelt sich bei hinreichender Zufuhr vonNährstoffen zum beblätterten Stamm. Sobald das jungeStengelchen die Samenschale durchbrochen hat, zeigtes in seinem Wachsthum eigenthümliche Krümmungen,welche ihren Grund theils in inneren, theils in äusserenUrsachen haben. Es zählen hieher die sogenannte Nu-tation, welche darin besteht, dass die Spitze des Keim-linges nicht aufrecht, sondern übergebogen (nickend)erscheint, ferner die heliotropischen Krümmungen,welche durch das Licht, sowie die geotropischenRichtungen, welche durch die Schwerkraft veranlasstwerden.

Ich werde auf diesen Gegenstand nicht näher ein-gehen, da eine kurze populäre Darstellung desselbenziemlich schwierig ist, und derselbe vom wissenschaft-lichen Standpunkte noch nicht genau erforscht ist.

Die Zeit zwischen der Aussaat des Samens und derersten sichtbaren Entwicklung des Keimlinges ist fürdie verschiedenen Samenarten eine sehr ungleichmässige.Die Samen der kleeartigen Gewächse, der Kresse, desEettigs, der Weiden, der meisten Getreidearten entfalten,unter günstige Keimbedingungen gebracht, schon nach12 bis 24 Stunden ihr Würzelchen. Dagegen sind dieBaumsamen mit wenigen Ausnahmen durch eine lang-same Keimung bekannt, welche oft mehrere, bei der

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Zirbelkiefer sogar 18 Monate in Anspruch nimmt. Auchmanche Blumensamen stellen die Geduld des Blumen-freundes nur zu oft auf eine harte Probe, und ist bis-weilen ein monatelanges Zuwarten nothwendig. DieseVerschiedenheit der Keimdauer tritt auch zwischen In-dividuen derselben Samenspecies auf. Ein auffallendesBeispiel dieser Art führt H. Duvernoy für Herbstzeit-lose und Aron an. Von den Samen der genannten Pflan-zen, die in Töpfe gesät wurden, und den Winter über ineinem massig geheizten Zimmer sich befanden, keimteein Theil im nächsten Frühjahr, ein anderer Theil einJahr später, und wieder andere erst im dritten Frühling.

Professor Nobbe hat durch zahlreiche Einzel-prüfungen die Keimungsenergie für die wichtigstenHandelssamen bestimmt. Indem ich aus den diesbezüg-lich mitgetheilten Resultaten nur einige Fälle heraus-greife, erwähne ich, dass die „grössere Hälfte" ge-keimt war:

In 2 bis 3 Tagen: bei Klee, Kresse, Raps, Wicke,Rettig, Mohn und den Getreidearten; in 4 bis 5 Tagen :Bohne, Gurke, Kürbis, Spinat, Lein, Mais, Buchweizen;in 4 bis 6 Tagen: Zwiebel, Porrey; in 6 bis 7 Tagen:Möhre, Fenchel, Runkelrübe; in 7 bis 9 Tagen: Roth-und Schwarzföhre; in 15 bis 20 Tagen: Tanne.

Die Verschiedenheit in der Keimungsenergie istohne Zweifel in den meisten Fällen auf die Beschaffen-heit der Samenhülle zurückzuführen. Der Beweis hiefürliegt in der Thatsache, dass jedwede Verletzung derHülle, wodurch dem Wasser und dem Sauerstoff der

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Eintritt gestattet wird, unmittelbar mit der Quellungauch die Keimung herbeiführt, nachdem vielleicht derSame ein halbes Jahr unverändert im Wasser geruhthatte. Dies gilt namentlich für alle Kleearten.

Wie eine jede Lebenserscheinung der Pflanze, soist auch die Keimung von dem Einflüsse äusserer Be-dingungen abhängig. Was zunächst die Beziehungendes Lichtes zum Keimprocess betrifft, so stehtfest, dass dieses Agens für die Einleitung der Keimungentbehrlich ist, da dieselbe auch in völliger Finsternissmindestens eben so gut stattfindet. Da das Licht gegenüberder Dunkelheit auf das Flächenwachsthum der Blätterfördernd, auf dasLängenwachsthuni der Stengel dagegenhemmend einwirkt, weil ferner das Licht, wie ich imvorigen Jahre ausführlicher auseinandergesetzt habe,zur Ergrünung nothwendig ist, so folgt, dass „Dunkel-koimlinge" sogar rascher sich entwickeln, ihre Blätterjedoch im Vergleich mit den belichteter Individuenklein bleiben und ein gelbes Aussehen zeigen. Ein ganzbefremdendes Verhalten in dieser Beziehung zeigendie Keimlinge der Nadelhölzer, welche auch in tieferFinsterniss normal ergrünen, eine Erscheinung, derenUrsache heute unbekannt ist. Sind einmal die Re-servestoffe aufgebraucht, und soll sich die Pflauzeweiter entwickeln, dann ist der Einfluss des Lichtesallerdings unentbehrlich. Mit dem Verbrauch der Re-servestoffe ist aber auch die Keimung beendet, und dasweitere Schicksal des Pflänzchens fällt daher nicht mehrin den Bereich unserer heutigen Betrachtungen.

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Wichtiger als die Beziehungen des Lichtes zumKeimprocesse sind die der Tempera tu r . Hier drängensich vor allem zwei Hauptfragen auf, nämlich:1. WelcheWärm egrade können Samen ertragen,ohne ihre Keimkraft zu ver l ieren, und 2. inner-halb welcher Temperatursgren zen vermag einSame noch zu keimen? TJeber den ersten Punkt istzunächst zu sagen, dass Samen, resp. Früchte, welcheeine dicke und harte Samenschale haben, viel grössereExtreme derTemperatur ertragen, als solche mit dünnerund zarter Samenhülle, während anderseits saftreicheSamen viel empfindlicher sind, als - trockene. — Esmacht ferner einen grossen Unterschied, ob die be-treffenden Samen in trockener oder in feuchter Luftoder gar im Wasser einer hohen Temperatur ausgesetztwerden.

Eine trockene Atmosphäre von 75° C, unter Um-ständen selbst von 100° C, ist in mehrstündiger Ein-wirkung nicht im Stande, die Keimkraft stärkemehl-haltiger Samenkörner gänzlich zu tödten. Die Sameneiniger Nadelhölzer vermochten nach den Untersuchun-gen von Professor Wies n er eine Temperatur von 70° C.tauf die sie langsam erwärmt, und bei der sie durch eineViertelstunde belassen wurden, ohne Nachtheil zu er-tragen, ja, die erwärmt gewesenen Samen keimten inder Mehrzahl der Fälle sogar früher, als die nicht er-wärmten. Zahlreiche, von Professor Habe r l and t mit88 Arten und Varietäten unserer Culturpflanzen an-gestellte Versuche ergaben folgendes Resultat: Bei

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48stündiger Erhitzung auf 100° C. büssten 12 Samen-arten ihre Keimfähigkeit zur Gänze ein-, 12 keimten zu10 bis 25 Procent, die übrigen 64 keimten vollständig.Bei 48stündiger Erwärmung auf 87*5° C. trat einegänzliche Tödtung nur bei zwei Arten (Bohne und Me-lone) ein; vier keimten theilweise, alle anderen voll-ständig, und zwar theils gleichzeitig, theils früher, theilsspäter, als die nicht erwärmten Samen. — Eine durch48 Stunden andauernde Temperatur von 56 bis 75° C.hatte keinen schädlichen Einfluss zur Folge. Auch dieseVersuche ergaben die Thatsache, dass eine vorsichtigeund allmälige Erwärmung lufttrockener Samen auf 56bis 88° C. im Allgemeinen eine Verkürzung der Keim-dauer bewirkte. Erst bei 100° trat̂ eine bedeutendeKetardation der Keimung ein. Professor Just fand, dasstrockene Kleesamen, denen bei langsamer Erwärmungzugleich das "Wasser entzogen wurde, erst bei einerTemperatur von 120° C. getödtet wurden. Pouchettheilt in den Comptes rendus eine Beobachtung mit,nach der die Samen einer Luzernkleeart, welche in rohenWollfiiessen aus Brasilien nach Elboeuf in Frankreicheingeführt wurden, sich noch zum Theil lebensfähig er-wiesen, nachdem sie während der verschiedenen Ope-rationen der Färbung der Wolle einer vierstündigenSiedhitze ausgesetzt gewesen waren. Pouchet stelltezu-gleich fest, dass nur solche Exemplare widerstandenhatten, welche während des Siedens der Quellung ent-gangen waren. Professor Nob be hatte Gelegenheit, dasVerhalten vieler anderer Samenarten gegen siedendes

Verein nat. Kennt. XVIII. Bd. 26

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"Wasser zu prüfen. Er fand, dass zwar manche hart-schalige Früchte und Samen solche Hitzegrade sogardurch eine halbe Stunde ohne Einbusse ihrer Keimkraftvertragen, dass dagegen die meisten Samen gegen heissesWasser äusserst empfindlich sind, manche schon beieinem Aufenthalt von einigen Minuten in siedendemWasser die Keimfähigkeit verlieren. Nach den Unter-suchungen von Dr. v. Höhnel können die meistenSamen eine einstündige Erwärmung vonllO°C. durch-machen, wenn sie nur hinreichend trocken sind, höch-stens 3 Procent Wassergehalt haben, und ihre Keimkraftnicht schon früher geschwächt wurde. — Aus dem Ge-sagten ergibt sich, dass Samen sehr hohe Tempe-raturen ertrage.n können, ohne ihr Keimver-mögen zu ver l ieren, ja dass bei einer Erhitzung,welche nicht zu nahe der Maximaltemperatur liegt, dieKeimung in manchen Fällen sogar rascher eintritt. DreiDinge sind hier vorzugsweise massgebend: 1. der ana-tomische Bau der Samenhülle, 2. der Wassergehalt desSamens, und 3. die Dauer und der Grad der Erhitzung.Während Samen, welche entweder von Natur aus oderauf künstlichem Wege sehr trocken geworden sind,Temperaturen von 100° ohne Nachtheil zu ertragenvermögen, sind bei wasserreichen Samen schon 50° undselbst 35° genügend", um die Keimkraft zu tödten.

Die zweite Frage: „ innerhalb welcher Temperaturs-grenzen verschiedene Samen die Stadien des Keimungs-processes zu durchlaufen im Stande sind", findet nachdem heutigen Standpunkte der Wissenschaft folgende

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Beantwortung. — Der Act des Aufquellens scheintinnerhalb der relativ weitesten Wärmegrade verlaufenzu können. Nobbe constatirte, dassErbsensamen sogarbei der Temperatur des Eispunktes aufquellen. (Aller-dings ging dabei die Keimkraft verloren.) ProfessorHaber landt hat durch ausführliche Untersuchungenzu ermitteln gesucht, bis zu welchem Wärmegrad daszur Quellung dienende Wasser gesteigert werden kann.Aus den diesbezüglich mitgetheilten Versuchsreihenmögen hier nur einige Zahlen Platz finden. (Die Co-lonne A gibt die absolute Keimfähigkeit in Procenteuan, B die Anzahl der gekeimten Samen, welche sichbehufs Quellung durch zehn Stunden in einem Wasservon 30° C. befanden, C den Procentsatz der gekeimtenSamen, welche durch fünf Stunden in Wasser von 50° C.gequollen waren.

MaisWeizen.Roggen.' .Melone .Raps . .Runkelrübe

A959894

1009976

B100

9772666959

C946048464331

Rothklee .Hanf . .Hafer . .BuchweizenFisolen . .Gerste . .

A100

91100

7910098

B924576249636

C2821

8320

Eine geringe Empfindlichkeit gegen die die Kei-mung schwächende Wirkung des warmen Quellwasserszeigten, wie. sich aus der vorstehenden Tabelle ergibt,Mais, Weizen, Roggen, Melone, Raps; sehr geringe Wi-derstandsfähigkeit dagegen zeigten Hafer, Buchweizen,Fisolen, Gerste. Bei Gerste und Hafer soll sogar eine

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Quellwassertemperatur von 20° einen schädlichen Ein-fluss ausüben. Wichtiger als für den mechanischen Actdes Aufquellens ist die Temperatur für das chemisch-physiologische Stadium der Keimung, also für die Um-bildung der Reservestoffe und die Entwicklung desEmbryo. Man unterscheidet hiebei insbesondere dreiWärmegrade, nämlich a) die niederste Temperatur, beider schon die Keimung eintritt (Keimungsminimum),b) die höchste Temperatur, bei der noch eine Keimungstattfindet (Keimungsmaximum) und c) jene Tempe-ratur, bei welcher die Keimung am sichersten undraschesten verläuft (Keimungsoptimum). So fand Pro-fessor Sachs annähernd das

Minimum Optimum Maximumfür Gerste 5« 29° 38° C.„ Bohne 9« 33° 46° C.„ Kürbis 11° 33« 4 6o c .

Professor H aberlandt, welcher durch ausgedehnteund mühevolle Versuche für die meisten inländischenCultursamen die Minima und Maxima der Keimungs-temperatur, sowie die Geschwindigkeit bestimmte, mitder die betreffenden Samen bei verschiedenen Tempera-turen keimten, kam zu folgendem Ergebnisse: DieMehrzahl der gekeimten Samen, unter anderen: Weizen,Roggen, Gerste, Buchweizen, Hanf, Raps, Senf, Kresse,Mohn, Lein, Roth- und Luzernklee, Wicken, Bohnen,Linseü, Erbsen keimten bei einem Temperaturminimumvon + 5° C. Zwischen + 5 und 10° C. die Samen vonMais, Sonnenblume, Kümmel, Möhre, Esparsette, Fisole;

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zwischen + 10 und 15° C.: Baumwolle, Tabak, Küi-bis,Paradiesapfel; zwischen + 15 bis 18° C.: Gurke undMelone. Als obere Grenze (Maximum) ergaben sich dieTemperaturen von 25bis31°C: für Leindotter, Korian-der, Majoran; 31 bis 37° für Weizen, Roggen, Gerste,Hafer, Weid, Kohl, Senf, Radieschen, Fenchl, Möhre,Kümmel, Petersilie, Mohn, Lein, Tabak; 37 bis 44°C:Rothklee, Buchweizen, Cichorie, Sonnenblume; ^4 bis49^Mais, Hirse, Hanf, Paradiesapfel, Kürbis, Gurke,Zuckermelone. Bei 50° C. oder darüber keimte keinervon den untersuchten Samen. Aus den von dem ge-nannten Forscher mitgetheilten Versuchsresultatenkönnen auch leicht die Keimungsoptima ermitteltwerden. Bei Prüfungen der Keimkraft von Samen dürftefür die Praxis eine Temperatur von 20° C. als die gün-stigste angenommen werden.

Ein interessantes Factum für ein Minimum derKeimungstemperatur fand A. XJloth bei Keimpflanzenvon Weizen und Spitzahorn, welche sich auf Eisstückenin einem Keller entwickelt hatten. Das im Winter ge-brochene Eis hatte einige Tage in einem mit demerwähnten Ahorn bepflanzten Hofe gelegen. Einzelne,an die Eisschollen festgefrorenen Früchte waren mitdiesen in den Keller gekommen, die Weizenkörnerstammten aus dem zur Bedeckung des Eises dienendenStroh. Im Eiskeller betrug die Temperatur an jenenStellen, wo die Samen lagen, genau 0°. Die normal ge-bildeten Würzelchen hatten durch die beim Keimprocessesich entwickelnde Wärme das Eis geschmolzen, und

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waren 5 bis 7 Centimeter . tief in dasselbe einge-drungen.

Diese Beobachtungen Uloth's sind durch VersucheKerner's in Innsbruck für die meisten Alpenpflanzendahin bestätigt worden, dass die Samen derselben jeden-falls schon bei einer Temperatur von +2°C. zu keimenbeginnen. Professor Kern er senkte die Versuchssamenin Glasröhren mit etwas Erde eingeschlossen unter dennöthigen Vorsichtsmassregeln in mehrere kalte Quellender zum Innthale abfallenden Berggehänge, deren Tem-peratur innerhalb zweier Monate höchstens um einigeHundertel eines Grades differirt, und daher nahezu con-stant, jedenfalls constanter anzusehen ist, als sie durchkünstliche Mittel hergestellt werden kann. Durch Beob-achtungen an den am Rande der Schneefelder wachsen-den Alpenpflanzen überzeugte sich Professor Kern erweiters, dass nicht nur das Wachsen der Keimtheile,sondern auch die fernere Entwicklung bei einer Tem-peratur von 0° erfolgen könne.

Ausser dem Licht und der Wärme haben auchnoch verschiedene chemische Substanzen einen Ein-fluss auf die Keimung. In der That findet man in derLiteratur zahlreiche solche „Beizmittel" angegeben,welche dazu dienen können, um resistente Samenhüllenaufzulockern und dadurch die Keimung zu beschleunigen,oder die im Stande sein sollen, einer geschwächtenLebenskraft des Embryo zu Hilfe zu kommen. Die dies-bezüglichen Versuche, in denen von den einzelnen Be-obachtern diverse organische und unorganische Säuren

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und Alkalien, ferner auch verschiedene Salze in Anwen-dung kamen, lassen häufig Manches zu wünschen übrigund zeigen auch vielfach widersprechende Resultate.Ich werde mich daher in das Detail dieser Frage nichteinlassen, und möchte nur über eines dieser Beizmittel,mit dem vielleicht am meisten und genauesten experi-mentirt wurde, einiges erwähnen. Es ist dies dasKupfervitriol. Dasselbe wurde schon im Jahre 1817von Prevost, in neuerer Zeit von dem berühmten My-kologen Kühn als das sicherste Schutzmittel gegen dieRost- und Brandpilze des Getreides empfohlen. Diezerstörende Kraft des Kupfervitriols auf die genannten•äusserst schädlichen Pilze ist jedenfalls eine bemerkens-werthe Eigenschaft desselben, allein für die Praxishandelt es sich auch darum, ob mit der Tödtung jenerPilze nicht zugleich auch die Keimkraft der behandeltenSamen alterirt werde.

Diesbetreffende, von Nobbe mit Weizen, Roggen,Gerste, Hafer, Senf angestellte Versuche ergaben beiAnwendung einer %o-, V2- und einprocentigenKupfer-vitriollösung im Vergleich zum destillirten Wasser eineBeeinträchtigung der Keimungsenergie. Diese Ergebnissewurden durch die Untersuchungen von Dreisch undin neuester Zeit durch die von Haber landt bestätiget.Als einen wesentlichen Charakter solcher, durch Kupfer-vitriol gebeizter, in Keimapparaten exponirter Samenfand Nobbe ein auffallend geschwächtes, nahezu sistirtesWurzelsystem. Während nun bei derartigen Versuchen,auf Löschpapier, zwischen Tuchlappen oder in Porzellan-

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schalen, wo das Kupfersalz frei einwirkt, eine Depri-mirung der Keimkraft, eine pathologische Entwicklungder Keimlinge, bisweilen sogar eine Tödtung der Samenbewirkt wird, findet dies im Boden nicht statt. Dieverschiedenen Bodenarten besitzen nämlich ein ver-schieden grosses Absorptionsvermögen für Kupfer. InFolge dessen treten die früher genannten Erschei-nungen nicht ein, die Keimlinge der mit Kupfersalzgebeizten Samen zeigen in der Ackerkrume nicht nureinen besseren Zustand des Wurzelsystems, sonderngehen auch viel sicherer auf, als bei Versuchen inKeimschalen und dergleichen. Kennt man die Ver-heerungen, welche die Verbreitung der Brandpilze nachsich ziehen, so wird man ein vorsichtiges zehn- biszwölfstündiges Einheizen des Saatgutes kaum unterlassen,wenn auch einige Samen hiebei geschwächt oder getödtetwerden.

Ich habe es nun versucht, Ihnen geehrte An-wesende, in gedrängter Kürze nahezu alle wichtigenThatsachen vorzuführen, welche in Bezug a,uf denKeimungsprocess der Samenpflanzen durch ältere undneueste Forschungen Eigenthum der Wissenschaftgeworden sind. Sie haben, nachdem ich das Wesent-lichste über die Entwicklung und den Bau der Samenvorausgeschickt hatte, gehört, wann die Keimfähigkeitder Samen eintritt, wie lange sie sich erhält, welcheStadien der Keimprocess durchläuft, welche Verände-rungen der Keimling erfährt, vom Beginn der Quel-lung bis zum Verbrauche seiner Reservestoffe, und

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endlich in welcher Weise gewisse äussere Agentien aufden in Rede stehenden Process einzuwirken vermögen.In der Hoffnung, hiemit etwas zur Verbreitung natur-wissenschaftlicher Kenntnisse beigetragen zu haben,schliesse ich meinen heutigen Vortrag.

Erklärung der Figuren.Fig. 1. Schematischer Durchschnitt durch eine vollkommene

Blüthe.Fig. 2. Querschnitt durch den Fruchtknoten eines Storch-

schnabels (Geranium).Fig. 3. Schematischer Längsschnitt durch eine Samenknospe.

In dem von den beiden Integumenten umschlossenenSamenknospenkern befindet sich der Embryosack,der selbst zwei Keimbläschen in seinem Innerenenthält.

Fig. 4. Keimling der Bohne. Zwischen den geöffneten Keim-lappen ist das Würzelchen und Knöspchen sichtbar.

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