Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden...

12
(Aus dem Institut ffir allg. Biologio u. exp. Morphologie d. Karls-Universittt in Prag. Vorstand: Prof. Dr. Vlad. Rtti~ka.) t~ber F~rderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflt~chenspannung des umgebenden ~lediumsq. Von Dr. Erwin Bauer, Assistent am Institut. Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 24. Juli 1923.) Die Bedeutung der Oberfl/~ehenspannungsdifferenzen f/ir die Form- ~nderungen und Teilung der Zelle ist schon seit langer Zeit anerkannt. Die Frage abet, welche Rolle die Oberflachenspannungsdifferenzen bei diesen LebensvorgSngen spielen, seheint uns bisher nieht in befriedigen- der Weise gelSst zu sein. Dies aus folgenden Grfinden: Die lokalen Oberfl~chenspannungsdlfferenzen wurden als notwendige :Bcdingungen einer jeden Form~nderung angenommen; dutch den zwangsl~ufig ein- tretenden Ausgleieh dieser Spannungsdifferenzen erklSrte sieh dann jede l%rm~nderung. Diese Erklhi~ngsweise, welehe sieh allzu sehr an die einfaehen Verh~ltnisse bei den nieht lebenden ]~liissigkeitstrSpf- chert anschlieBt, ist nun auf die Annahme gegrtinde$, dab sich jede Spannungsdifferenz auch in der lebenden Zelle unbedingt ausgleiehen muB, dab jede neue Form, welche die Zelle annimmt, eine neue Gleieh- gewiehtsform bezfiglieh der Oberflachenspannung dars~ellt. Die l~f~g- lichkei~, dab derartige Spannungsdifferenzen, wenn sie bestehen, er- halten werden und wenn sic nieh~ bestehen, gesehaffcn und erhSht werden kSnnen, wird nicht in Betracht gezogen. Auf diese Annahme des unbedingten Eintrittes des Oberfl~chenspannungsgleichgewichtes ist nun die erste Annahme der lokalen OberflSchenspannungsdifferenzen gegriindet. Die Annahme des notwendigen Ausgleiches der Spannungs- differenzen ist abet durchaus unbegrfindet und kommt den Tatsachen nicht zu Reeht; die Annahme lokaler Oberflt~chenspannungsdifferenzen, die nut hierdureh begriindet erschien, hat auBerdem noch den Iqaehteil der experimentellen Unkontrollierbarkeit, also der UnmSgliehkeit einer Voraussage auf Grund derselben. x) Zum Toil vorgetragen in der •atufforscherversammlung in Leipzig. September 1922 (Jahrhundertfeier). 35*

Transcript of Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden...

Page 1: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

(Aus dem Institut ffir allg. Biologio u. exp. Morphologie d. Karls-Universittt in Prag. Vorstand: Prof. Dr. Vlad. Rtti~ka.)

t~ber F~rderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflt~chenspannung des umgebenden ~lediumsq.

Von

Dr. Erwin Bauer , Assistent am Institut.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 24. Juli 1923.)

Die Bedeutung der Oberfl/~ehenspannungsdifferenzen f/ir die Form- ~nderungen und Teilung der Zelle ist schon seit langer Zeit anerkannt. Die Frage abet, welche Rolle die Oberflachenspannungsdifferenzen bei diesen LebensvorgSngen spielen, seheint uns bisher nieht in befriedigen- der Weise gelSst zu sein. Dies aus folgenden Grfinden: Die lokalen Oberfl~chenspannungsdlfferenzen wurden als notwendige :Bcdingungen einer jeden Form~nderung angenommen; dutch den zwangsl~ufig ein- t retenden Ausgleieh dieser Spannungsdifferenzen erklSrte sieh dann jede l%rm~nderung. Diese Erklhi~ngsweise, welehe sieh allzu sehr an die einfaehen Verh~ltnisse bei den nieht lebenden ]~liissigkeitstrSpf- chert anschlieBt, ist nun auf die Annahme gegrtinde$, dab sich jede Spannungsdifferenz auch in der lebenden Zelle unbedingt ausgleiehen muB, dab jede neue Form, welche die Zelle annimmt, eine neue Gleieh- gewiehtsform bezfiglieh der Oberflachenspannung dars~ellt. Die l~f~g- lichkei~, dab derartige Spannungsdifferenzen, wenn sie bestehen, er- halten werden und wenn sic nieh~ bestehen, gesehaffcn und erhSht werden kSnnen, wird nicht in Betracht gezogen. Auf diese Annahme des unbedingten Eintri t tes des Oberfl~chenspannungsgleichgewichtes ist nun die erste Annahme der lokalen OberflSchenspannungsdifferenzen gegriindet. Die Annahme des notwendigen Ausgleiches der Spannungs- differenzen ist abet durchaus unbegrfindet und kommt den Tatsachen nicht zu Reeht ; die Annahme lokaler Oberflt~chenspannungsdifferenzen, die nut hierdureh begriindet erschien, hat auBerdem noch den Iqaehteil der experimentellen Unkontrollierbarkeit , also der UnmSgliehkeit einer Voraussage auf Grund derselben.

x) Zum Toil vorgetragen in der •atufforscherversammlung in Leipzig. September 1922 (Jahrhundertfeier).

35*

Page 2: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

542 ~Erwin Bauer: Uber l~Srderung der Zelttcilung mittels

Die Annahme, dab die Spannungsdifferenzen sieh unbedingt aus- gleiehen mfissen, ist gleichbedeutend mit der Annahme, dab die lebende Zelle keine Einrieh~ungen besitzt, um den Eint r i t t des Spannungs- glcichgewichtes zu verhindern. Nun ist aber bei der Teilung der Froseh- eizellen, wie mich Herr Geh.-Rat Roux darauf aufinerksam machte, die mechanische Zugwirkung auf die Teilungsebene direkt zu beobaehten, welche, und somit auch die hierzu notwendige Einrichtung, vollstandig iiberfliissig w~re, wenn die Einschniirung dutch den Ausgleich der be- stehenden lokalen Differenzen in der Oberfl~tchenspannung bedingt ware, indem ni~mlich, wie angenommcn wird, die Oberfl~chenspannung in der Teflungsebene erh6ht ist. Da~ es sich bei den FormSnderungen der lebenden Zellen um eine Arbeitsleistung gegen den Ausgleich der Spannungsdifferenzen handelt, geht unter anderem auch aus folgender Beobaehtung Prowazeks 1) hervor: ~)Mit dem Alter der Zellen z. B. in Kul turen aus einer Colpodium-Amphileptuszelle gewinnen die Ober- fl~chenenergien immer mehr die Oberhand und drangen die anderen, lebenswichtigen Energiefaktoren zurfiek. Die gealterten Zellen runden sieh daher ab . . . . <( Die allgemeine Erscheinung der Abrundung tier alternden und, wie wir hinzufiigen k6nnen, absterbenden Zellen, l~Bt sieh dutch die Annahme des unbedingten Ausgleiehes jeder Spannungs- differenz nur mit Hilfe neuer Hilfshypothesen erkl~iren. Sie erkli~rt sich dagegen sehr einfaeh, wenn wit annehmen, dab die lebende Zelle Einriehtungen besitzt, welehe einen solehen Ausgleich verhindern. Stirbt die Zelle ab, so t r i t t der Ausgleich ein, es wird die )Iinimalfl~iehe angenommen, d .h . die Zelle rundet sieh ab.

Diese Schwierigkeiten sehwinden nun, wenn ieh meine Definition des Lebewesens und meine Prinzipien auf die Oberfl~chenenergie an- wende2). Nach dieser Definition ist die lebende Zelle eia System, welches seine Arbeitsf~higkeit, d. h. seine freie Energie zu solchen Leistungen vcrwendet , welehe den Gleichgewichtseintritt verhindern. ]~s wird also ein Teil dieser freien Energie zu einer solchen Energieform transformiert, welche gegen den Ausgleieh der bestehenden Potential- differenzen wirkt. Eine solche Leistung nenne ieh ))regulatoriseh (~ und stelle den Satz auf, dab eine jede Lebensfunktion in dem so definierten Sinne regulatorisch ist.

Wenden wir dies auf die Oberflhchenenergie an, so heiBt das, dab bei den Lebensfunktionen der l~orm~nderungen und der Zellteilung die Zellen ihre ~reie Energie zu solehen Energieformen transformieren, welehe gegen den Eintr i t t des Oberflhehenspannungsgleiehgewiehts

i) Prowazek: Einfiihrung in die Physiologie der Einzelligen. Verlag Teubner. Leipzig 1910.

3) E. Bauer: Grundprinzipien der rein naturw. Biologie usw. Roux' Vortr. u. Aufs. H. 26. Julius Springer. Berlin 1920.

Page 3: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

der Verminderung der Oberfl~ichenspannung des umgebcnden Mediums. 543

wirken, also den Ausgleieh lok~ler Differenzen in der Oberftttehelx- spammng, der bei dem niehtlebenden Fltissigkeitstropfen notwendig stattf indet, verhindern. Diese Transformationen gesehehen mittels geeigneter Einrichtungen, Transformatoren; im Falle der Zell teihmgea ist dies aller Wahrseheinliehkeit naeh der Appara t , der bei der Karyo- kinese sichtbar wird und der geeignet ist, dig freie Energie der Zelle zum Teil in meehanische Energie: Zugwirkungen usw. umzuwandeln.

Es ist also anzunehmen, daiS die Zelle bei der Teihmg, welche mi t einer betrSehtliehen Vergr6iSerung der Oberflitehe einhergeht, eine meehanische Arbeit gegea die Wirkung der Obcrflhehenenergie leistet. Diese Annahme besitzt nun die zwei Eigensehaften, welehe jede brauch- bare Annahme erfiillen muB: erstens erkl[trt sic die beobachteten Tat- saehen in einheitlieher und einfacher Weise und zweitens fiihrt sic zu notwendigen Konsequenzen, welehe experimentell kontrollierbar sind.

Wenn die Annahme, dag die Zelle bei der Teilung eine Arbeit gegen die Oberfli~ehenspannung leistet, zutrifft, so kann die hierzu n6tige Arbeit durch eine Verminderung der OberflSehcnspanmmg verminder t werden, die Zellteilung wird also hierdureh gef6rder~. Da nun die Oberflitehenspannung an einer GrenzflSehe v o n d e r Oberflitehenspannung der beiden Phasen abhSngt, so miiiSte eine Verminderung der Ober- fli~ehenspannung der die Zelle umgebenden Mediums eine f6rdernde Wirkung auf die Zellteilung besi~zen. I m folgenden wollen wit nun zeigen, dab diese Konsequenz unserer Annahme t~tshehlieh zutrifft .

Bevor wit die eigentlicheu Versuche betreffend die Wirkung ~uf die Zellteilung bespreehen, wollert wir einige Versuehe anfiihren, welehe sieh auf die unmit telbare Wirkung der Oberfliiehenspannungserniedri- gung mittels gallensaurer Salze auf ParamScien beziehen.

Die gal[ensauren Salze sind bekanntlich stark oberflSehenaktiv und ihre oberfliiehenspannungserniedrigende Wirkung n immt mit der Kon- zentrat ion zu. Wir verwendeten L6sungen yon Natr iumtaurocholat , und zwar in Konzentrat ionen von 2~/00, 4"/0~, 9Voo, 15"/00. Wird die Ober- fli~ehenspannung des Wassers zu 1000 angenommen, so bewirken diese Konzentrat ionen ngch Angabe yon Eel. Doumer ~) eilm Erniedrigung um 46, 91, 143,180, d. h. um 0,5--2%. Nehmen wir nun einen kleinen, Paramgeien en~haltenden Wassertropfen und setzen die genannten LSsungen im 13bersehug hinzu, so beobaehten wir folgendes:

Bei der Konzentra t ion von 2~*/,0 zeigea die Paramaeien keinc be- sonderen Verhnderungen, ihre Gestal t bleibt unverhndert und sic schwimmen frei mnher, wie vorhin.

Bei der Konzentrat ion yon 4 % 0 zeigen die Paramaeien eine Zeit lang, die bis 30 1Kinuten andauern kann, ebenfalls keine Anderung; naeh

I) Cp~. rend. des sSances de la soc. de biol. Paris 1921. Nr. 37. Arch iv f, mikr . Ana t . u. E n t w i c k l u n g s m e c h a n i k Bd. i01.

Page 4: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

544 Erwin Bauer: Uber Farderung der Zellteilung mittels

dieser Zeit aber t re ten Erseheinungen auf, die bis auf die kleinsten Einzelheiten denen entsprechen, welche an den Param~cien nach Ein- wirkung des galvanischen Stromes beschrieben wurdenl) . Es sind dies besonders diese Form~inderungen: allm~hliclle Zunahme an ]~reite und Abnahme an L~nge (also cinc Abrundung). Weiter zeigen sich auch dieselbeu Starungen in den Bewegungen, die Tiere bewegen sieh immer langsamer, bis sie an einer Stelle bleiben und sich, wie bei der Wirkung des galvanischen Stromes, um ihre Langsachse drehen. Es erscheinen an ihnen schliel~lich dieselben beulenfarmigen Aussttilpungen und zum Schlusse platzen sie und zerflief~en sie auch hier.

Bei der Konzentra t ion vort 90/0o zeigen sich dieselben Erseheinungen schon nach einer viel ktirzeren Zeit und bei der Konzentra t ion yon 150/00 endlich kommt es sofort zu den letzterw~hnten Veranderungen und alsbald auch zum Platzen und ZerflieBen der Zellen.

Was die Einzelheiten betrifft, so ware hcrvorzuheben, dab die Ab- rundung mi t einer ausgesproehenen Vergr6l~erung der Oberfl~che ver- bunden ist, die Zellen bl/ihen sich dabei s tark auf, des 5fteren kontra- hieren sic sich aber wieder und nehmen ihre norma]e Gestalt wieder ~uf, hierauf erfolgt wieder eine Aufblahung und dies kann sieh sehr oft wiederholen. Auffallend ist dabei, dab eine Kont rak t ion nach voraus- gehender Aufblahung meist dann stattf indet, wenn sich eine beulen- tbrmige Vorwalbung gebildet hat , die sich bei der Kont rak t ion oft abschniirt.

Diese Erscheinungen zeigen uns nun, dal] es sieh nicht um osmotische und auch nicht um eine wasserentziehende Wirkung handelt, wie dies z. B. Spek meinte, denn es t r i t t eben das Gegenteil ein: nicht eine Schrumpfung, sondcrn eine Aufblahung der Zelle. Wie erkl~ren wir nun diese Wirkung mit der Verminderung der Obeifflttchenspannung?

Die Oberfl5ehenschicht der Zelle steht unter einem gewissen Innen- druck, der durch die t typer tonie des Zellsaftes gegeniiber des Mediums bedingt ist. Es trifft namlich nicht zu, dab die lebende Zelle sich i~t einem isotonischeit Medium befinden mul~, dab sich also die osmotisehen Druckdifferenzen ausgleichen mtissen. Es trifft vielmehr zu, dab die lebende Zelle auch gegert das osmotische Gleiehgewieht standig Arbeit leistet und Einriehtungen besitzt, um das osmotische Druckgefalle zu erhalten und zu steigern. Ware dies nicht der Fall, so ware eine Driisen- oder Nierenfunktion unm6glich; auch bei den Einzelligen zeigten die Messungen eine ganz bedeutende Hypertonie2). Diesem Innendruek s teht nun die Spannung der Oberfl~chenschicht entgegen. Wird nun

1) Jenninfs: Das Verhalten d. nied. Organismen usw. B.G. Teubner. Leipzig 1910.

2) Siehc z. B.: Lal~icclue: Cpt. rend. des s6ancesde la soc. de biol. Bd. 86, Nr. 13. 1922.

Page 5: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

der Verminderung der 0berfliichenspannung des umgebenden Mediums. 545

die Oberflhchenspannung vermindert, so nimrat diese Spannmlg der Grenzschicht ab, der Widerstand gegcn den Innendruck wird also ge- ringer und dic Zelle dehn~ sich aus. Es wird iibcrlmupt eine jede Ver- minderung der Oberflhchenspannung zu ciner lcichteren Dchnbarkcit der Oberfliichenschicht ffihren, d~ j~ hierdurch ebea diejenige Kra f t

ve rminde r t wird, welche definitionsgem:,i8 die OberflSehe zu vermindern strebt; es wird die 0beI~iSchenschicht entsp~nnt.

Wir sehen aber auch schon aus don beschricbencn Erscheinungen, daf] die lebende Zelle verschiedene KrSfte gegen diese dchncnde Wirkung einsetzen k~m, sic beh:~tlt, bzw. gewinnt ihre normale Gcstal~ zurfick, solange die dehnende Kraf t nicht ,~llzu gro[t wird und so schlieft[ieh zum Platzen der Zelle fiihrt.

Die ~uffallende l~bereinstimmung der YCeuktion der 1)aramScien auf die Verminderung der OberflSchenspannung mit derjenigcn auf den g~lvanischen Strom legt den Gedanken nahe, dal~ es sich hicrbei um dic- selbe Einwirkung h~ndelt. Dies erseheint um so wahrschcilflicher, weil die ErhShung der elektrischen Ladung an der Grenzfliiche bekanntlieh ebenfalls mit einer Verminderung der Oberfl:,tchenspannung cinhergeht.

Zum Beweise unserer eingangs erwShnten Ann,~hme, d~13 bei der Zellteilung eine Arbeit gegen die OberflSchenspannung gelcistet wird und daher die Verminderung der Oberflhchenspannung fSrdernd auf die Zellteilung wirkcn mul], da hierbei der Widerstand gcringer wird, well die Oberfl~chenschicht entspannt ist, nahmcn wir Ascaris-Eier. Die Chitinwund, welehe dieselben umgibt, stellt fiir dicse Versuche kein Hindernis dar, da dieselbe fiir die in Betracht kommenden Sub- stanzen durchl~tssig ist. So zeigten auch die Versuche vou H. E idmann ~), dal~ ))dfinne Chitinmembr~nen, auch wenn sie keine Spur yon 1)oren uufweisen, fiir osmotische Vorghnge durehlSssig sein k6nnen((.

Zur Erniedrigung der Oberfhtchenspannung benutzten wit dicsmal eine gesiittigte und filtrierte wSsserige LSsung yon Tributyrin (Tributter- shureglyzerinester). ]~ei der chemisehen Indifferenz und minimalcn Menge, die in L6sung geht, kommt bier wohl nur ihre Oberflitchcn- aktiviti~t in Betracht. Um die oft sehr bcdeutenden individuellen Unterschiede auszuschalten, benutzteu wir uls Kontrolle immer den anderen Ast desselben Uterus. Vergliehen wurden immer Eier aus der g]eichen K6he der beiden _~ste. Um dies zu ermSgliehen, wurden die Versuche so angcstellt, daI3 beide Enden der zwei UterusSste clues jeden Individuums unterbunden wurden, d~nn der eine Ast in Wasser der andere in die gesi~ttigte Tributyrinl6sung gebr~cht wurde.

Die folgende Zusammenstellung der Versuchsresultate gibt ein kl~res Bild des Versuehsergebnisses:

~) H. Eidmann: Die Durchliissigkci~ des Chit[us usw. Biol. Zentralbl. Bd. 42, :Nr. 10/11. 1922.

Page 6: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

5 4 6 Erwin Bauer: Uber FSrderung der Zel l te i lung mit tels

V c r s u c h s r e i h e I . 20. X I I . 1922, be i Z i m m e r t e m p e r a t u r :

Vers. Nach I m Tr ibutyr in 2%'r.

=

1. 24 S tunden 8 - -16 Zel lenstadien 2. 24 ,) 2 Zel lenstadien hie und

da auch mehrzellige

V e r s u c h s r e i h e I I .

3. 24 S tunden

4. 24 )> 5. 24 ,) 3. 5mal 24 St.

i Kontrol le

5 ,> 24 ,> 4,

5. 3. 6mal 24 St.

2 Zel lenstadien noeh gar keine Teilung

4. I . 1923, be i Z i m m e r t e m p e r ~ t u r , e t w a 20 ~ C.

2 Zel lenstadien noeh keine Teilung, 2 Zellenstad. nu r ganz ausnahmsweise

2 ~> dass. 2 * dass.

8 - -16 Zel lenstadien keine Teilung, hie und da 2 - - 4 Zellenstad.

8 - -16 ,~ dass. wurde zweeks eytologiseher Untersuchung fixiert

Blas tulas tadien meis tenskeine Teilung, sonst 2 - - 4

4,

3.

4.

3. 4.

6 , ) 24 )> ') 8mal 24 St. Gastrulastadien

8>) 24 ~> 14 Tagen 14 ,>

Larvenb i ldung >)

bis hSchstens 8 Zellenstad. (lass.

meist keine Teilung, ausnahms- weise als Maximum 16 Zellenst.

dass. da s s dass.

D i e A b b i l d u n g e n z e i g e n die V e r s u c h s e i e r (a) u n d die e n t s p r e c h e n d e n

K o n t r o l l c i e r (5) d e r V e r s u c h s r e i h e I I .

Abb, l a . ~Nach ~ Stunden. Abb. l b . Nach 24 Stunden.

Page 7: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

der Verminderung der Oberfls des umgcbenden Mediums. 547

D~ der allergrSl3te Prozentsatz tier Kontrolleier ungeteilt blieb, wurden sie ~m Schlusse des Versuches in ein Thermostat bei 37~C

Abb. 2a . N a c h 5X~24 S tunden . Abb. 2b. Nach 5 X 2 ~ S t u n d c n .

gebracht, zur Kontrolle, ob sie wohl tiberhuupt teilungsfahig sind. Im Thermostat entwickelten sich auch diesc innerhMb drei Tagen zu nor- malen Larven.

Abb. 3"1. .Nach 6 X 24 Stunden. Abb. 3 b. :Nach 6 X 2~, Stunden.

Wi~hrend in dieser Versuchsreihe die teilungsfSrdernde Wirkung der Oberfl~chenspannungserniedrigung nicht nur auf die erste Teilung, sondern ~uf die g~nze weitere Entwicklung klar zutage trot, erhielteI1 wir in bezug auf die weiterc Entwicklung in dell wciteren Versuchsreihen

Page 8: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

548 Erwin Bauer: Uber FSrderung der Zellteilung mittels

dcs 5ft, eren lCesultate, die nicht eindeutig w~ren, und zwar in dem Sinue, d~l~ obwobl die ersteu Tcilungen in der Kontrolle spi~ter auf-

Abb. 4et. ~ach 8 X ~ Stunden. Abb. 4b. ~'ach 8X2A Stunden.

tratcn, dicselben im L~ufe der weiteren Entwicklung die Versuchscier einholten, ja sogar munchmal auch fiberholten. ])iese Ausnahmen be- treffen aber immer nur die weitere Eieutwicklung, in bezug auf die

Abb. 5a. /~'ach 14 Tagen.

erste Teilung waren die Resultate vollstgndig eindeutig, d. h. auch in allen weiteren Versuchen traten die ersten Teilungen in der Tributyrin- lOsung immer /riiher und auch im Prozentsatz bedeutend hiiu/iger au/ als in der Kontrolle. Die oben erw~thnten Schw~nkungen in der weiteren

Page 9: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

der Verminderung der Oberflgchenspannung des umgebenden Mediums. 549

Eien twick lung t r a t en nu r bei h6heren T e m p e r a t u r e n im geheizten Z immer auf (etwa 20- -22 ~ C). Bei n iedr igen Tempera tu rcn , bei welchen dic E ien twick lung normalerweise beh inder t ist, t r a t d~her die tei lungs- f6rdernde Wi rkung der Oberf lSchenspannungserlJ iedrigung klarer zu- rage. So zeigt uns z . B .

Vers . [ Nr . I T a g T e m p .

6. 27. I. 1923 ca. 15 ~ C

I 30. I. 1923 ,> i

I I

31. L 1923 ca. 10 ~

l m T r i b u t y r i n

beginnende Teihmg

2--4 Zellenstadien grSl~- ter ]?rozentsatz ungeteilt

K o n l r o l l e

keine Teilung

2--4 Zcllenstadien grS[3ter Drozcntsatz ungctcilt

' Og O/ I I o c h U l l g C - s~imtliche Zellen geteilt, ca. , ,)/o grogcr Prozcntsatz 4 Zel- tcilt, nur wenig 4

lenstadien Zcllenutadicn

W~hrend also die Te i lungen bei 15 ~ alm:ahernd in demselben Tempo s ta t t f anden , wurden die wei teren Te i lungen bei einer Tempe- r a t u r yon 10 ~ im Wasser, gegeniibcr dcncn iln T r i b u t y r i n s tark gc- hemmt , so dab der Untcrsch ied klar zutt~gc t ra t .

Gingen wir umgekehr t vor, d. h. begannen wir zucrst bci ciner t iefen T c m p e r a t u r u n d brach ten die Eier nachtr:aglich in eine h6here, so cr-

h ie l ten wit folgende Resu l ta te :

Vers , Nr .

7 .

8.

7.

8 ,

7.

T a g T e m p .

9. lI. 1923 ca. 6 ~ C )) )>

10. II. 1923 ca. 20 ~ C

12. II. 1923 ,)

h n T r i b u t y r i n

keine Tcihmg )) ))

s~mtliche Eier geteilt 2--4--6 Zellenstadien

dass.

2--8 Zellenstadien

2 -- 8 ,)

K o n l r o l l e

keine Teihmg

grofier Prozentsatz un- geteilt nur 2 Zcllcn- stadien

s~mtiichc Eier zcigen 8 und mehr Zdlen- .~tadien

dass.

Hier erhiel ten also die Eier iln T r i b u t y r i n aueh s ichtbar friiimr den Impu l s zur Teilung, in der weiteren En tw ick l ung wurdeu sie aber von den Kont ro l le ie rn fiberholt. Dies fand ill derselben Versuehsreihe innerha lb derselben Ze i t punk te n ich t s ta t t , wenn die Eier bei derselben t iefen T e m p e r a t u r gclassen wurden, d. h. die Eier im T r i b u t y r i n be- hie]ten ihren Vorsprung auch noeh am 12. I I . , wie dies in der folgenden

Zusammens te l lung zu sehen is t :

Page 10: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

550 Erwin Bauer: Uber F6rderung der Zellteilung mittels

VerB, I

9.

10. 9.

10. 9.

10.

Tag

9. II. 199,3 })

i0. IL i923

12. II. 1923

Temp.

ca. 6~ }>

>>

I m Tr ibu ty r in

keine Teilung

ca. 50% geteilt

Kontrol le

keine Teilung

fast gar kelne Teilung

Diese Versuehe best~tigen a!so unsere Annahme fiber die Rolle der 0berfl~ehenspannung bei der Zellteilung. Herrn Prof. Wassilie[[, der mir bei der Anstellung und Kontrolle dieser Versuehe in hohem Grade behilflieh war, will ieh aueh an dieser Stelle meinen besten Dank zum Ausdruek bringen. Derselbe wird gelegentlieh die Versuohe an einem besseren Objekte ausfiihren, besonders zweeks Verfolgung der eventuellen cytologischea Besonderheiten bei den in dieser Weise beschleunigten Teilungsvorghngen.

Es handelt sich also bei dieser teilungsfSrdernden Wirkung nicht um lokale Oberfiiichenspannungsiinderungen, sondern um die Verminde- rung derselben an der ganzen Grenz]liiche.

Eine weitere Frage ist nun, ob die Abnahme der Oberfl~ichcnspannung eine allgemeine und wesentliche ]3edingung der Zcllteilungen darstellt? DaB dies der Fall zu sein scheint, sollen uns die folgenden Versuche zeigen.

l~ekanntlieh hatte Haberlandt~) nachgewiesen, dab bei der Aus- 16sung der Zellteilungen bei den Pflanzen diejenigen Stoffe eine be- deutende Rolle spielen, welehe durch die Besch~digung der Nachbur- zcllen frei werden und die er als }>Wundhormone(~ bezeichnet,. Den Beweis fiihrt er in der folgenden Weise. Er zeigte, dab eine Zellteilung nicht auftritt, wenn er die Wundflache abwusch und so die Wund- hormone entfernte. Strich er aber auf die Wundflsche wieder einell Zellenbrei, so traten wieder Zellteilungen auf. Dureh Aufkoehen werden diese Wundhormone nach iIaberlandt unwirksam. Spielt also bei dieser Zellteilungsf6rdernden Wirkung der Wundhormone ihre Oberfl~ehen- aktivitat die wesentliche Rolle, so m/issen wir folgendes erwarten: 1. die abgewaschenen Wundhormone miissen die Oberfl~ehenspannung erniedrigen; 2. die Oberflhchenspannung mul] nach dem Aufkoehen wie- der ansteigen. Diese Erwartungen wurden nun durch unsere Versuche vol]auf bestatigt.

Zu den Versuehen wurden Kohlrabi und Kartoffelknollea benutzt. Eine kleine Scheibe aus dem Inneren derselben wurde 5 Minuten in 20 ccm dest. Wasser gewaschen, dann eben so lange in weiteren 20 ccm dest. Wassers, um den eventue]len EinfluB gewisser Extraktivstoffe

1) S. u. a.: Haberlandt: Ber. d. preuB. Akad. der Wiss. Jg. 1921.

Page 11: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

der Verminderung der Oberf l~chenspannung des umgebenden Mediums. 551

auszuschliel~en. In der ersten Portion Wasser miissen sieh nun die betreffenden abgewasehenen Wundhormone befinden, in der zweiten abet fehlen oder zumindest in bedeutend geringerer Konzentrat ion vor- handen sein. Es mu~ also die erste Port ion eine ausgesprochen ge- ringere Oberfl~chenspannung zeigen als die zweite. Die ~Iessungen best~tigten dies. Als Beispiel sollen hier einige Zahlenangaben ange- ffihrt werden:

Versuche an Kohlrabiknollen, Messungen bei 23 ~ mittels Abreil3- methode. Die angefiihrten Zahlen geben die Oberfl[~ehenspannung in dyn/em an.

I. Port. II. Port. 66,5 72,4 68,5 72,6 66,3 72,9

tl~W~

Iqun wurde die erste Port ion in zwei Teile geteilt, die eine Port ion (A) wurde vor dem Aufkoehen, die zweite Port ion (B) nach dem Auf- kochen gemessen. Die F, rgebnisse waren die folgcnden:

A B 67,8 71,0 58,7 70,3 65,9 70,3

USW.

Die zellteilungsf6rdernde Wirkung der Wundhormone und ihre Oberfl~chenaktivit~t gehen also tatsSchlich parallel.

Die Hyperplasien, die bei den Pflanzen durch Injektiou yon I~atrium- glykocholat yon Petril) und Magnus 2) erzeugt wurden erseheinen uns hierdurch auch leicht verst~ndlich und findcn ihre Erkl~rung in tier aueh aus der menschlichen Pathologie bekannten grol~en Oberflhchen- aktivitSt der gallensauren Salze.

Eine weitere experimentelle Best~tigung unserer Annahme bieten die Regenerationsversuche an Tritoneu, welehe ergaben, dab die Re- generation bedeutend raseher vor sich geht, falls das die I~egenerations- fl~ehe umspiilende Whsser oberflSchenaktive Substanzen enth~It. Der- artige Versuche ffihrte im Inst i tute Frl. Dr. Ve]narovd systematisch aus (siehe Ve]narovd: Beschleunigung der Regeneration durch Ver- minderung der Oberflachenspannung des Mediums. Dieses Hef t S. 553).

DieAnsicht, dal3 eine Annahme lokaler ~nderungen der OberflSehen- spanmmg der Zelle zur Erkl~rung des Teilungsvorganges nicht nStig ist,

1) Atti d. Reale Accad. dei Lineei, rendiconti Bd. 22, S. 509, 1914; sit. nach C-~apek: Bioch. d. Pflanzen.

~) lqa~urf.-Vers. Wien, 1913, II, I, 622, 1914; zit. nach Czapelr Bioch. d. Pflanzen.

Page 12: Über Förderung der Zellteilung mittels der Verminderung der Oberflächenspannung des umgebenden Mediums

552 ]~rwin Bauer- ZeUteilung mRtels Verminderung der Oberfl~chenspannung.

au~erte neuerdings aueh J . Gray~), welcher fand, dab die Teilung der Eier won Echinus miliari8 in anges~uertem ~Ieerwasser gehemmt wird und erkl~rt dies mi t einer E rh6hung der Oberfl~chenspannung, was mi t unserer Annahme in v611igem Einklang steht.

Wi t glauben in den angefiihrten Versuchen einen experimentellen Beweis flit unsere Annahme erblieken zu k6nnen, dal~ es sich bei der ZeUteilung nicht um den Ein t r i t t der Gleichgewichtsform bei gegebenen Spannungsdifferenzen, sondern um eine Arbeit gegen diesen Ausgleieh, also gegen das Ober/lSchenspannungsqleiehgewicht handelt. Diese An- nahme ist, wie wir sahen, eine direkte Konsequenz meiner Definition der Lebewesen und meiner Prinzipien der naturwissenschaftlichen Bio- logie und kann experimentell kontrolliert werden, und da sie durch die Exper imente best~tlgt wurde~ erblicken wir darin einen weiteren Beweis ffir die l%ichtigkeit bzw. Fruehtbarkei t dieser Prinzipien.

x) j . Gray: Surface tension and cell-division. Journ. Quart. of mieroscop. science Bd. 66, Nr. 262. 1922. - - Refer.: Berichte fiber d. ges. exp. Physiol. u. Pharmak. Bd. 14, H. 7/8. 1922.