UL-PILOT-REPORT: FRECCIA VON PRO.MECC Ultrarapida · Glashaube durfte seitlich nicht ho-rizontal...

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www.fliegermagazin.de #9.2012 83 Die macht was her! Bereits optisch ist die Freccia ein Genuss. Aber auch ihre Flugleistung katapultiert sie in die UL-Oberliga 82 www.fliegermagazin.de #9.2012 MENSCH & MASCHINE UL-PILOT-REPORT: FRECCIA VON PRO.MECC Ultrarapida Was für ein Design – unverkennbar italienisch! Und der Preis? Mit 68 800 Euro plus Steuer ist die Freccia sensationell günstig für ein UL dieser Art

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Die macht was her! Bereits optisch ist die Freccia ein Genuss. Aber auch ihre Flugleistung katapultiert sie in die UL-Oberliga

82 www.fliegermagazin.de #9.2012

MENSCH & MASCHINE

UL-PILOT-REPORT: FRECCIA VON PRO.MECC

UltrarapidaWas für ein Design – unverkennbar italienisch! Und der Preis? Mit 68 800 Euro plus Steuer ist die Freccia sensationell günstig für ein UL dieser Art

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Glashaube durfte seitlich nicht ho-rizontal verlau-

fen, sondern musste nach hinten ansteigen. Nun harmoniert sie mit der Neigung des weißen Streifens, der knapp darunter auflackiert ist.

Im Gegensatz zu seiner Erscheinung sind Auslegung und Konstruktion des italienischen Zweisitzers konventionell: Rettungssystem zwischen Panel und Brandspant, Flügeltanks, tief angelenkte Wölbklappen mit elektrischer Betätigung, Trimmung per Flettner-Ruder ebenfalls elektrisch (in der Ausstattung »Basic« me-chanisch), gesteuertes Bugrad an einem Teleskop-Bein mit integrierter Polymerfe-derung, durchgehende Hauptfahrwerks-schwinge aus GfK, hydraulische Schei-

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TEXT & FOTOS Peter Wolter

Ja, sie ist schön. Das war mein erster Eindruck, als ich die Freccia auf der AERO 2012 gesehen hatte: mit Ein-ziehfahrwerk und 115 PS starkem Rotax-Turbomotor. Vergiss es – viel

zu schwer als UL!»Eigentlich gefiel es mir gar nicht, dass

über diese Version in Deutschland schon berichtet wurde«, sagt Raoul Amon, »mit Einziehfahrwerk gehört die Freccia in die LSA-Klasse, aber so weit sind wir noch nicht.« Mit Festfahrwerk hingegen, verrät der Importeur des italienischen Herstellers Pro.Mecc, habe das Muster die Wägung für die Musterzulassung bestanden. 297,5 Kilo-gramm zu schaffen sei gar nicht so schwie-rig gewesen – die schlichteste flugfähige Ausführung mit Festpropeller und Radver-kleidungen brauchte dazu nicht extra abge-speckt (und hinterher wieder vervollstän-digt) zu werden. Was an Raouls Homebase in Schönhagen vor mir steht, ist allerdings

sein Demonstrator, die Premium-Versi-on mit allem Luxus, den man bekommen kann: Verstellpropeller, elektronische Trim-mung, Transponder, Antikollisionssystem, Multicolor-Lederausstattung, Cockpit-Sei-tentaschen, Tablet-Navigations-PC, Strobe und Positionsleuchten … Mit all diesen Ex-tras wiegt die D-MAMX rund 320 Kilo, was eher wenig ist im Vergleich zu manchen gut ausgestatteten Highend-ULs.

Ein Luftsportgerät der Oberklasse von … wie hieß die Firma doch gleich? Pro.Mecc ist wahrlich keine Marke, die man in Deutsch-land kennt. Und denen soll man hunderttau-send Euro geben? Der Musterbetreuer rückt die Dinge zurecht: Erstens koste das Basis-modell netto nur 68 800 Euro – »20 000 Euro weniger als andere, vergleichbar aus-gestattete Muster dieser Leistungsklasse«. Und zweitens baut Pro.Mecc Aerospace Systems zwar erst seit drei Jahren Flugzeu-ge, in Luftfahrtkreisen hat sich das südita-lienische Unternehmen aber einen Namen als Zulieferer für Hersteller wie AgustaWest-land, Piaggio oder AleniaAermacchi erwor-

Blendende Erscheinung: Die schwarzen Partien sind nicht lackiert, sondern Sichtcarbon. Das Farbschema trägt wesentlich zur rassigen Optik bei

fläche schon unvermeidbar ist, dann muss sie wenigstens flach angeströmt sein.

Unterstrichen wird das rassige Design von dem ausgetüftelten Farbschema, das der deutsche Musterbetreuer entworfen hat. Der Clou ist das Schwarz: keine Farbe, sondern Sichtcarbon. »Wenn das Flugzeug aus CfK besteht«, hatte Raoul dem Herstel-ler geraten, »dann zeigt das doch!« Ferti-gungstechnisch bedeutete dies, dass die Kohlefaser sehr sauber verarbeitet werden muss – da lässt sich nichts verstecken. Das Farbschema funktionierte allerdings erst, nachdem auf Raouls Wunsch die Kanzel modifiziert worden war: Die Unterkante der

benbremsen, die synchron per Handgriff betätigt werden, einstellbare Pedale, 100-PS-Rotax-Motor. Okay, drei verschiedene Sitz-schalen für unterschiedliche Körpergrößen sind nicht unbedingt Standard. Ob das Ding so gut fliegt, wie es aussieht?

Erst wenige Wochen vor unserem Ter-min in Schönhagen ist Raoul mit seiner Firma Proflug von Bayern an den Branden-burger Verkehrslandeplatz umgezogen. Hier gibt’s nicht nur Platz für den Pro.Mecc-Vertrieb, sondern auch für die Herstellung von Flugsimulatoren, die der gelernte Au-tomechaniker und Maschinenbauer selbst konstruiert hat. Bislang lebt er allerdings nicht von der Luftfahrt: Der 51-Jährige ist auf technische Dokumentationen speziali-siert. Im Rahmen der Freccia-Zulassung hilft das durchaus, etwa bei der Erstellung des

1 | Neue Heimat: Musterbetreuer Raoul Amon ist mit seiner Firma Proflug von Bayern an den Verkehrslandeplatz Schönhagen umgezogen

2 | Wie in einem Sportwagen: Multicolor-Design, Lederausstattung, bequeme Schalensitze, gute Ergonomie – UL bedeutet nicht »billig«

3 | Demonstrator-Ausstattung: Zwischen den Rundinstrumenten ist ein Samsung Galaxy Tab 7.7 mit Skymap-Software montiert

»20 000 Euro weniger als andere, vergleichbar ausgestattete Muster 

dieser Leistungsklasse«Raoul Amon

Pro.Mecc-Importeur

ben. Auch für den Triebwerkshersteller Pratt & Whitney fertigt Pro.Mecc Komponenten. Geschäftsführer und Besitzer ist Mauro Do-no, ein in der Schweiz geborener Italiener. In einem neuen Fabrikgebäude, das der 46-Jäh-rige in Corigliano d’Otranto, Apulien, errich-ten ließ, sind sowohl das Stammgeschäft als auch die UL-Produktion untergebracht. Konstruiert wurde die Freccia – ebenso wie das Pro.Mecc-Einsteigermodell Sparviero – von dem Norditaliener Giuseppe »Pino« Milito, der unter anderem an der Pipistrel-Studie Arcus aus dem Jahr 2000 beteiligt war – das futuristische UL hatte einen Ge-schwindigkeitsbereich von 63 bis 380 Stun-denkilometer.

Schnell sieht auch die Freccia (italie-nisch für »Pfeil«) aus. Dazu tragen sowohl die schlanken Trapezflügel als auch die geschmeidige Rumpfsil-

houette bei, vor allem aber das stark geneig-te Seitenleitwerk. Zusammen mit der weit nach vorn gezogenen Finne unterm Rumpf suggeriert diese Formgebung: wenn Stirn-

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telkonsole, und die Freccia steht. Auch eine Parkbrem-se gibt es, ein kleiner Ven-tilhebel dahinter – dass die Sache funktioniert, hat sich beim Run-up gezeigt.

Kritik? In der Kabine war es vergleichsweise laut, als wir die runden Frisch-luftfenster auf beiden Sei-ten voll aufgestellt hatten. Das kann beim Funken störend sein. Ob Schiebefenster weniger Geräusche verursa-chen würden? Dann die Radschuhe: Es gibt schnittigere Formen, die besser zum Ge-samtdesign passen würden. Gepäckraum? 25 Kilo hinter den Sitzen, das geht in Ord-nung. Eher ist die Zuladung durch Insassen- und Spritgewicht der limitierende Faktor.

Auf der Positivseite gibt es mehr aufzu-zählen: Design, Verarbeitung, Flugleistung, Agilität, Komfort und der konkurrenzlo-se Preis. Freilich – bei Highend-ULs zählt auch die Reputation des Herstellers, da le-gen Kunden durchaus mehr Geld hin, wenn sie wissen, dass Qualität und Service stim-men und langjährige Marktpräsenz für un-ternehmerische Solidität spricht. In dieser Hinsicht kann Pro.Mecc noch nicht punk-ten, einfach weil die Firma so jung ist.

Hoffen wir, dass sie sehr alt wird.

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MENSCH & MASCHINE

Spannweite 8,78 mFlügelfläche 10,18 m²Länge 7,25 mHöhe 2,56 mCockpitbreite 1,18 mLeermasse ab 295 kgMTOM 472,5 kgTankinhalt 120 l (2 Flächentanks)Motor / Leistung Rotax 912 ULS / 100 PS

Propeller FP, 3-Blatt, fest, Compo-site, 1,78 m

Vstall 65 km/hVReise 190 – 230 km/hVmax horizontal ca. 240 km/hVne 300 km/hbestes Steigen ca. 8 m/secReichweite ca. 1300 km + 30 min.

Reserve

Preis ab 81 872 Euro inkl. Mwst. (Ausstattung »Basic Analog«)*

Vertrieb Proflug, Raoul AmonAm Flugplatz, Haus 3Verkehrslandeplatz Berlin-Schönhagen14959 Schönhagen

Telefon 0172/860 39 70Internet www.promecc.de

TECHNISCHE DATEN

Pro.Mecc Freccia

* Aufpreis für »Basic Glass« mit Dynon D100: 3451 Euro inkl. Mwst. Außerdem erhältlich: »Advanced Analog«, Advanced Glass« sowie »Premium Analog Sixpack«, »Premium Glass« zu Flugzeugpreisen bis 99 484 Euro inkl. Mwst. (u. a. darin enthalten: Vergaservorwärmung, Transponder, Traffic Monitor plus FLARM-Modul Garrecht TRX-2000, Dynon EMS D120, Künstlicher Horizont, Multicolor-Lederausstattung, Strobe und LED-Positionsleuchten, getönte Haube).Austattungsbeispiel »Advanced Analog« mit elektrischer Trimmung (»Basic«: mechanisch), Textil-Schalensitzen, Transponder, LED-Strobe und -Navigationsleuchten, Vergaservorwärmung, Kabinenheizung sowie Innenverkleidung mit zwei Seitentaschen: 88 655 Euro inkl. Mwst.Verstellpropeller: 4998 Euro inkl. Mwst. Aufpreis.

Bausatz unlackiert: 53 550 Euro inkl. Mwst. (ohne Antrieb, Instrumente, Avionik und Rettungs- system); lackiert 1785 Euro Aufpreis inkl. Mwst.

Handbuchs. Auch die Flugerprobung erfor-dert eine akurate Dokumentation. Apropos Zulassung: Für die endgültige stehen noch Lärmmessung und Flattertest aus; die Be-lastungstests sind absolviert. Zur kommen-den Saison rechnet Raoul mit der deutschen Verkehrszulassung.

Darstellung von Daten, Gestaltung, Styling – davon versteht der ge-bürtige Thüringer etwas. Als ich neben ihm in der Freccia sitze,

streift mein Blick übers Panel … »Da hatten die Italiener keine schlüssige Anordnung der Instrumente, und die Beschriftungen waren aufgeklebt«, erzählt der Musterbe-treuer, »ich hab dann ein neues Layout ent-worfen«. Mittlerweile wird das Instrumen-tenbrett bedruckt.

Nach dem Anlassen des Rotax 912 ULS drücke ich den Schalter der optionalen Fly-zone-Propellerverstellung nach links auf »TAKE OFF/LANDING«. Jetzt werden die Blätter elektrisch auf kleinste Steigung ge-dreht. In der Mittelstellung »MANUAL« lässt sich das Pitch von Hand mit Druckknöpfen am Instrument regeln, rechts ist die Posi-tion »AUTO«, die auch »constant speed« heißen könnte: Die Blätter werden automa-tisch so angestellt, dass der Motor mit der vom Piloten vorgewählten Drehzahl läuft.

Die Steigleistung mit flachem Prop ist gewaltig: Bei 100 km/h schwankt die Va-riometernadel in der turbulenten Luft zwi-schen acht und zehn Meter pro Sekunde, und zwar zu zweit, dicht an der Maximalzu-ladung. Dabei ist wenig Seitenrudereinsatz erforderlich, um die Kugel der Libelle in der Mitte zu halten. Schon beim Start brauchte die Freccia eher weniger Druck aufs rechte Pedal als andere 100-PS-ULs mit Rotax-Mo-tor, einem Rechtsläufer.

Eine typische Reiseflugdrehzahl, sagt Raoul, sei 5000 Umdrehungen pro Minu-te. Nachdem ich auf »AUTO« umgeschaltet und den Wert eingeregelt habe, schiebe ich den Gashebel nach vorn, bis 26 inch Lade-druck erreicht sind. Lass ihr Zeit, warte, bis die Luft ruhiger ist. Nach einer Weile liegen 230 km/h an. Kurzzeitig gebe ich bei 5500 rpm Vollgas – es sind nicht die Bedingun-gen, unter denen man im gelben Fahrtmes-serbereich rumheizen sollte. 235, 240 – das reicht. Später erfahre ich, dass der Prop vor unserem Flug nicht geputzt worden war; das mag Leistung gekostet haben. Ob die Freccia nun schneller oder langsamer ist als eine Dynamic oder VL-3 müsste im direkten Vergleich herausgefunden werden. Alle drei scheinen in der gleichen Liga zu spielen.

Auch ihre Botschaft ist ähnlich: Ich hab zwar ein Festfahrwerk und ein Side-by-side-

Cockpit, aber sonst alles, was Performance bringt. Und Spaß: Den 45/45-Grad-Kurven-wechsel links/rechts schafft die Freccia in zirka 2,5 Sekunden. Das Ruderfeedback ist angenehm, Steuerdrücke und -wege sind gut aufeinander abgestimmt – da passt al-les. Provoziert man einen Strömungsabriss, ist die Reaktion »clean« am harmlosesten: Bei 80 km/h IAS beginnt die Maschine zu vi-brieren, anschließend taucht sie nach links kippend über die Nase ab. Je weiter die Lan-deklappen ausgefahren werden, desto hefti-ger ist die Roll- und Nickbewegung. Mit 15 Grad Flaps sinkt die Stallsped auf zirka 72 km/h IAS, mit der 25-Grad-Stellung sind an-gezeigte 65 km/h erfliegbar. Die Maximal-stellung, 35 Grad, braucht man nur für ex-trem kurze Pisten.

Für die Landung in Schönhagen trim-me ich bei Klappenstellung eins im Queranflug 100 km/h ein, beim Wechsel auf Stellung zwei im Endan-

flug bleibt die Fahrt nahezu konstant. Von der »25« rollen wir nach Norden bis hinter die Schwelle der Piste 12 zu einem der alten charmanten Hangars aus DDR-Zeiten, in de-nen Flugzeuge wie die Freccia noch moder-ner wirken, als sie es sind. Mit den Pedalen lässt sich das UL gut zum Abstellplatz len-ken – ein Zug am Bremshebel auf der Mit-

1 | Vergaser im Blickfeld: Die Cowling-Oberseite ist geteilt, die hintere Partie mit Schnellverschlüssen befestigt. Vorerst wird kein Rotax-Einspritzmotor verbaut

2 | Komfortabler Reiseflitzer: »Cruise« sind weit über 200 km/h drin, die Reichweite wird durch die Zuladung an Kraftstoff begrenzt

3 | Schön dosierbar: Die Trimmung arbeitet elektrisch, beim Klappensetzen braucht der Pilot nur wenig Lastigkeitsänderung auszuglei-chen. Durch das sichtbare Gewebe wirken die schwarzen Composite-Teile schön organisch

4 | Italienischer »Pfeil«: Das stark geneigte Seitenleitwerk und die lange Finne prägen das Erscheinungsbild der Freccia

5 | Festfahrwerk fürs UL: Aus Gewichtsgründen hat nur die LSA-Version ein Einziehfahrwerk. Das Bugrad ist gelenkt, die Hauptradbremsen arbeiten synchron

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