Ulrich Steinmüller SPRACHVERÄNDERUNG - … · Gleichsetzung von Sprachdynamik und Sprachwandel...

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Ulrich Steinmüller SPRACHVERÄNDERUNG - POLITISCH MOTIVIERT EIN BEITRAG ZUR BEGRIFFSKLÄRUNG IM BEREICH DER THEORIEN SPRACHLICHEN WANDELS UND ZU EINIGEN ASPEKTEN DER SPRACHLENKUNG In: Linguistische Arbeiten und Berichte Berlin, Heft 10, 1978, S. 1 - 47 1. Veränderlichkeit der Sprache als Folge ihrer Funktionen Die Entwicklung der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung im vergangenen Jahrzehnt hat unter anderem dazu geführt, daß das Verständnis der menschlichen Sprache als System von Zeichen und Regeln ihrer Verknüpfung und Verwendung nicht länger diskutiert zu werden braucht. Auch der Übergangsbegriff "Sprache als Systemoid (= ein systemähnliches Gebilde)“, der noch gegen Ende der sechziger Jahre in der deutschen Sprachwissenschaft im Schwange war, ist inzwischen überwunden. Der Systemcharakter der Sprache ist akzeptiert, wobei diese Charakterisierung nicht so verstanden wird, als ob es sich um etwas Statisches, in einem gegebenen Zustand Verharrendes handele. Einen solchen Ruhezustand erlaubt die Aufgabenstellung nicht, die dem sprachlichen Zeichensystem in den Prozessen kommunikativer und geistiger Tätigkeit zugewiesen ist. Die menschliche Sprache als das Medium kommunikativer Tätigkeit (1) und in dieser Funktion an allen gesellschaftlichen Prozessen beteiligt, hat mit der Gesellschaft die Eigenschaft gemeinsam, daß sie beeinflußbar und veränderlich ist. Jede Generation übernimmt das System sprachlicher Zeichen von der vorhergehenden, verwendet es und gibt es an die nachfolgende weiter. In diesem Sinne ist die Sprache ein Gebrauchsgegenstand, der in der Verwendung den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt ist und so als dynamisches System in ständigem Wandel begriffen ist. In diesem Punkt - aber nicht nur in diesem - unterscheiden sich die natürlichen Sprachen von künstlichen Zeichensystemen, seien es Maschinensprachen, das Morse-Alphabet oder das System der Verkehrszeichen. Sie ändern sich in der Verwendung nicht, sie [Ende Seite 1] dürfen sich nicht verändern, wenn sie ihre Verständigungsfunktion behalten sollen. Die Erhaltung der Verständigungsfunktion gilt auch für die menschliche Sprache, und trotz der Dynamik des Zeichensystems muß gewährleistet sein, daß die Veränderungen in diesem System nicht so schroff und abrupt sind, daß die Kommunikationstätigkeit in Frage gestellt wird. Die Zeichen künstlicher Systeme sind in ihrer Bedeutung und Verwendung eindeutig festgelegt, so daß eine Veränderung die bekannte und gesellschaftlich akzeptierte Definition zerstört. Bei den natürlichen Sprachen hingegen sind die Zeichen und ihre Verwendungsmöglichkeiten nicht in diesem Sinne eindeutig und festgelegt, der Kommunikationsakt besteht nicht in einer Auswahl und Anordnung fertiger Elemente. Er ist vielmehr durch Elemente der Variation, der Interpretation und der Kreativität geprägt, die eine Eindeutigkeit sprachlicher Zeichen und ihrer Verwendungsmöglichkeiten ausschließen und damit Ansatzpunkte für Veränderungen bieten. Dabei ist aber von Bedeutung, daß diese Veränderungen im sprachlichen System in aller Regel nicht in Sprüngen oder Brüchen vor sich gehen, sondern einen allmählichen Prozeß darstellen. Ausgangspunkt derartiger Prozesse kann nur die "parole", der konkrete, aktuelle Gebrauch sprachlicher Zeichen in der kommunikativen Tätigkeit sein. Das bedeutet, daß auf der synchronen Ebene Gebrauchsvarianten sprachlicher Zeichen nebeneinander existieren, so daß von der Koexistenz einer alten und einer neuen Variante (R. Jakobson) oder von Formen mit unterschiedlicher Frequenz und sozialer Konnotation (L. Bloomfield) gesprochen werden kann. Diese Varianten, die in allen Bereichen des sprachlichen Systems auftreten können, ermöglichen die kontinuierliche und allmähliche Veränderung der Sprache, während sie gleichzeitig die Beibehaltung ihrer Funktion gewährleisten, der gesellschaftlichen Kommunikation zu dienen. Erst wenn im Gebrauch eine der koexistierenden Varianten im Gegensatz zu anderen ein Übergewicht erhält, wenn sie also aus dem Status einer Variante unter anderen in den [Ende Seite 2] des gesellschaftlich akzeptierten, bevorzugten sprachlichen Elements gerät, ist sie Bestandteil der "langue“ geworden, und der Prozeß der Veränderung ist in diesem Bereich zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Während sich aber die

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Ulrich Steinmüller SPRACHVERÄNDERUNG - POLITISCH MOTIVIERT EIN BEITRAG ZUR BEGRIFFSKLÄRUNG IM BEREICH DER THEORIEN SPRACHLICHEN WANDELS UND ZU EINIGEN ASPEKTEN DER SPRACHLENKUNG In: Linguistische Arbeiten und Berichte Berlin, Heft 10, 1978, S. 1 - 47 1. Veränderlichkeit der Sprache als Folge ihrer Funktionen Die Entwicklung der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung im vergangenen Jahrzehnt hat unter anderem dazu geführt, daß das Verständnis der menschlichen Sprache als System von Zeichen und Regeln ihrer Verknüpfung und Verwendung nicht länger diskutiert zu werden braucht. Auch der Übergangsbegriff "Sprache als Systemoid (= ein systemähnliches Gebilde)“, der noch gegen Ende der sechziger Jahre in der deutschen Sprachwissenschaft im Schwange war, ist inzwischen überwunden. Der Systemcharakter der Sprache ist akzeptiert, wobei diese Charakterisierung nicht so verstanden wird, als ob es sich um etwas Statisches, in einem gegebenen Zustand Verharrendes handele. Einen solchen Ruhezustand erlaubt die Aufgabenstellung nicht, die dem sprachlichen Zeichensystem in den Prozessen kommunikativer und geistiger Tätigkeit zugewiesen ist. Die menschliche Sprache als das Medium kommunikativer Tätigkeit (1) und in dieser Funktion an allen gesellschaftlichen Prozessen beteiligt, hat mit der Gesellschaft die Eigenschaft gemeinsam, daß sie beeinflußbar und veränderlich ist. Jede Generation übernimmt das System sprachlicher Zeichen von der vorhergehenden, verwendet es und gibt es an die nachfolgende weiter. In diesem Sinne ist die Sprache ein Gebrauchsgegenstand, der in der Verwendung den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt ist und so als dynamisches System in ständigem Wandel begriffen ist. In diesem Punkt - aber nicht nur in diesem - unterscheiden sich die natürlichen Sprachen von künstlichen Zeichensystemen, seien es Maschinensprachen, das Morse-Alphabet oder das System der Verkehrszeichen. Sie ändern sich in der Verwendung nicht, sie [Ende Seite 1] dürfen sich nicht verändern, wenn sie ihre Verständigungsfunktion behalten sollen. Die Erhaltung der Verständigungsfunktion gilt auch für die menschliche Sprache, und trotz der Dynamik des Zeichensystems muß gewährleistet sein, daß die Veränderungen in diesem System nicht so schroff und abrupt sind, daß die Kommunikationstätigkeit in Frage gestellt wird. Die Zeichen künstlicher Systeme sind in ihrer Bedeutung und Verwendung eindeutig festgelegt, so daß eine Veränderung die bekannte und gesellschaftlich akzeptierte Definition zerstört. Bei den natürlichen Sprachen hingegen sind die Zeichen und ihre Verwendungsmöglichkeiten nicht in diesem Sinne eindeutig und festgelegt, der Kommunikationsakt besteht nicht in einer Auswahl und Anordnung fertiger Elemente. Er ist vielmehr durch Elemente der Variation, der Interpretation und der Kreativität geprägt, die eine Eindeutigkeit sprachlicher Zeichen und ihrer Verwendungsmöglichkeiten ausschließen und damit Ansatzpunkte für Veränderungen bieten. Dabei ist aber von Bedeutung, daß diese Veränderungen im sprachlichen System in aller Regel nicht in Sprüngen oder Brüchen vor sich gehen, sondern einen allmählichen Prozeß darstellen. Ausgangspunkt derartiger Prozesse kann nur die "parole", der konkrete, aktuelle Gebrauch sprachlicher Zeichen in der kommunikativen Tätigkeit sein. Das bedeutet, daß auf der synchronen Ebene Gebrauchsvarianten sprachlicher Zeichen nebeneinander existieren, so daß von der Koexistenz einer alten und einer neuen Variante (R. Jakobson) oder von Formen mit unterschiedlicher Frequenz und sozialer Konnotation (L. Bloomfield) gesprochen werden kann. Diese Varianten, die in allen Bereichen des sprachlichen Systems auftreten können, ermöglichen die kontinuierliche und allmähliche Veränderung der Sprache, während sie gleichzeitig die Beibehaltung ihrer Funktion gewährleisten, der gesellschaftlichen Kommunikation zu dienen. Erst wenn im Gebrauch eine der koexistierenden Varianten im Gegensatz zu anderen ein Übergewicht erhält, wenn sie also aus dem Status einer Variante unter anderen in den [Ende Seite 2] des gesellschaftlich akzeptierten, bevorzugten sprachlichen Elements gerät, ist sie Bestandteil der "langue“ geworden, und der Prozeß der Veränderung ist in diesem Bereich zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Während sich aber die

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sprachliche Variation auf der synchronen Ebene abspielt und auch dort beobachtet werden kann, ist die Feststellung, daß eine Veränderung im sprachlichen System stattgefunden hat, nur im diachronischen Vergleich möglich. Diese Differenzierung führt dazu, daß der Begriff der sprachlichen Dynamik nuancierter gesehen werden muß, als das häufig der Fall ist. Die Dynamik der Sprache umfaßt nämlich beide Aspekte, sowohl die synchronische Variation als auch die diachronische Veränderung. Eine Gleichsetzung von Sprachdynamik und Sprachwandel stellt daher eine Vernachlässigung der synchronen Variationen dar und vermengt die in der Sprache ablaufenden Prozesse. Immer wieder wird - vor allem auch von Studenten - die Ansicht vertreten, die Erforschung der sich in der Sprache vollziehenden Prozesse gehöre in den Bereich der Sprachgeschichte und damit ist gemeint: in weit zurückliegende Epochen der Sprachentwicklung. Von dieser Ansicht bis zur Gleichsetzung der Untersuchungen sprachlichen Wandels mit Untersuchungen im Bereich der Vor- und Frühstufen der deutschen Sprache ist nur ein kleiner Schritt, der nicht selten gemacht wird. In der akademischen Lehre führt diese Gleichsetzung, verbunden mit den Vorurteilen vieler Studenten gegen den sprachwissenschaftlichen Teil der Altgermanistik häufig zu Schwierigkeiten bei der Vermittlung der Relevanz von Untersuchungen zum sprachlichen Wandel. Sicherlich lassen sich Veränderungen in der Sprache im Vergleich von weitzurückliegenden Sprachzuständen mit den heute akzeptierten und verwendeten leichter erkennen. Und auch im Selbstverständnis der germanistischen Sprachwissenschaft endete die Sprachgeschichte häufig im 18. Jahrhundert (2) - mit der Implikation, daß z.B. die Sprache der klassischen Dichter auch die unserer Gegenwart sei oder zu sein habe, eine Implikation, die sich vor allem unter sprachnormierenden Gesichts- [Ende Seite 3] punkten und im schulischen Deutschunterricht auswirkte. Trotzdem lassen sich Beobachtungen zum sprachlichen Wandel, zu Veränderungen im System auch der zeitgenössischen Sprachform machen, Beobachtungen, die sich nicht nur auf die synchronen Variationen zu beschränken brauchen. Um hier zu Ergebnissen zu kommen, ist es allerdings erforderlich, bei der Beobachtung der Phänomene methodisch genau vorzugehen und ein terminologisch und begrifflich scharfes Instrumentarium zu entwickeln. Dies ist vor allem deswegen notwendig, weil die Veränderungen im sprachlichen System immer weniger augenfällig werden, je näher der zu untersuchende Sprachzustand an den des Forschers selbst heranrückt. Der Aktualisierung von Untersuchungen zum sprachlichen Wandel sind allerdings Grenzen gesetzt, die sich aus den Untersuchungsgegenstand selbst ergeben. Zwar ist das System der menschlichen Sprache prinzipiell in allen seinen Bereichen veränderlich, sowohl im Bereich der sprachlichen Zeichen als auch in den Bereichen ihrer Kombinations- und Gebrauchsregeln. Die Sprachgeschichte lehrt, daß keiner dieser Bereiche durch die Zeiten hindurch unverändert blieb. Aber sie lehrt auch, daß nicht alle Bereiche in gleichem Maße Veränderungen unterworfen waren und sind: Phonologie, Morphologie, Syntax und das Lexikon der deutschen Sprache haben sich während der mehr als 1000 Jahre ihrer Geschichte unterschiedlich stark verändert, da nicht jeder dieser Bereiche in gleichem Maße verändernden Einflüssen ausgesetzt ist bzw. diesen Einflüssen gleich starken Widerstand entgegensetzt. Während sich z.B. die Aussprache einzelner Wörter oder ihre Flexionssysteme stark veränderten, sind bestimmte syntaktische Strukturen seit dem 16. Jahrhundert unverändert geblieben (3). Überhaupt ist die Syntax der Bereich des sprachlichen Systems, der Veränderungen gegenüber am ehesten resistent ist, während der Bereich des Lexikons am stärksten den Wandlungen unterworfen ist, sowohl was seinen Bestand an Wörtern als auch deren semantische Komponente betrifft. Diese unterschiedliche Resistenz der einzelnen Komponenten [Ende Seite 4] des sprachlichen Systems bringt es mit sich, daß Veränderungen in einigen Bereichen nur mit großer zeitlicher Distanz beobachtet, andere dagegen im Prozeß der Wandlung schon auf der synchronen Ebene verfolgt werden können, So ist es z.B. dem zeitgenössischen Sprachbetrachter möglich, Veränderungen Im Wortschatz zu

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beobachten, während der Wandel syntaktischer Strukturen trotz genauer Methodik und scharfer Analyseinstrumente u.U. seiner Aufmerksamkeit entgeht, ja, entgehen muß. 2. Ursachen des Sprachwandels Lange Zeit beherrschte der Strukturalismus die sprachwissenschaftliche Diskussion und Theorienbildung und mit ihm die auf Saussure fußende starke Betonung des sprachsystematischen Aspekts zu Lasten des sprachhistorischen (4). Erst seit die Sprache wieder in verstärktem Maße in ihrer sozialen Funktion und ihren sozialen Dimensionen erkannt wird, rücken auch wieder sprachhistorische Fragen in größerem Umfang ins Blickfeld. sprachwissenschaftlicher Forschung. Hilfestellung erhielt diese Entwicklung aus der Erkenntnis, daß die Betrachtung des Sprachzustandes allein nicht in der Lage war, alle Phänomene des sprachlichen Systems und seiner Verwendung zu erklären, daß der sprachwissenschaftliche Strukturalismus also an seine Grenzen geraten war. In diesem Sinne bewirkte die Sprachsoziologie eine Wiederbelebung der Sprachgeschichte, obwohl dieser Effekt nicht vorherzusehen war, als die Soziolinguistik in der deutschen Germanistik Fuß faßte (5). Daß sprachgeschichtliche Forschungen auch während der Vorherrschaft des Strukturalismus nicht völlig unterblieben waren, zeigt das weit gefächerte Spektrum theoretischer und methodischer Ansätze, das während dieser Jahrzehnte entwickelt worden war (6). Während aber für die sprachhistorische Forschung im 19, Jahrhunderte z.B. bei den Junggrammatikern, das Auffinden und die Beschreibung von Regularitäten des sprachlichen Wandels [Ende Seite 5] im Vordergrund stand, ist heute die bei der großen Mehrzahl der Sprachhistoriker zentrale Frage die nach den Ursachen des sprachlichen Wandels. Die Anerkennung des Kausalitätsprinzips auch in der Sprachentwicklung bedeutet aber keineswegs eine Einhelligkeit bei der Erklärung der Ursachen sprachlichen Wandels. Die in diesem Bereich entwickelten theoretischen Ansätze lassen sich im wesentlichen in drei verschiedene Gruppen einteilen: a) Theorien der systeminternen Ursachen b) Theorien der systemexternen Ursachen c) Theorien die ein Zusammenwirken systeminterner und -externer Ursachen zugrunde legen. Einig sind sich diese Theorien alle darin, daß es ihnen nicht um die Erklärung der Ursache der Veränderlichkeit der Sprache ,geht - eine Problemstellung, die E. Coseriu als "absurd“ bezeichnet, da die Wandelbarkeit der Sprache zu ihrer Seinsweise gehöre (7) sondern um die Ursachen dieser oder jener konkreten Veränderung. Über diese Einigkeit hinaus reicht der theoretische Konsensus allerdings nicht. Der extreme Standpunkt der ersten Gruppe von theoretischen Ansätzen besagt, daß die Ursachen für sprachlichen Wandel nur im System der Sprache selbst zu suchen seien. Äußere Einflüsse werden geleugnet oder als unbedeutend abgetan, A. Martinet formuliert diese Auffassung: „Nur die innere Verursachung geht den Sprachwissenschaftler an." (8) Eine Konsequenz dieser Auffassung ist, daß die Sprache als der Urheber ihrer eigenen Veränderung gesehen wird, daß sie selbst durch ihre Existenzform die Voraussetzungen und die Gründe für ihren Wandel schafft. Ihr werden damit eigene Bewegungsweisen und ein Eigenleben zugesprochen, die sie von ihrer sozialen Eingebundenheit und ihren Funktionen im gesellschaftlichen Verkehr der Menschen untereinander isolieren. Das andere Extrem stellen die Ansätze dar, die behaupten, daß einzig Einwirkungen von außen auf die Sprache diese beeinflußten und veränderten. Als „außen" gelten dabei alle Faktoren, die in den Prozessen des gesellschaftlichen Lebens [Ende Seite 6] eine Rolle spielen und nicht sprachlich sind: ökonomische Gegebenheiten, soziale Hierarchien, kulturelle Besonderheiten und deren jeweilige Veränderungen. Die Sprache wird nach diesem Verständnis zu einem einfachen Spiegelbild gesellschaftlicher Prozesse und müßte in ihrer Entwicklung allen Schwankungen und Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse folgen. Daß dem nicht so ist, läßt sich durch historische Beispiele belegen: Weder die Französische Revolution noch die russische Oktoberrevolution, die beide entscheidende Erschütterungen des

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gesellschaftlichen Systems und grundlegende Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen in Frankreich bzw. in Russland bewirkten, führten zu einer Veränderung des sprachlichen Systems und seiner Strukturen, Wohl traten z. B, entsprechend den Veränderungen in den gesellschaftlichen Systemen Veränderungen im Wortschatz der jeweiligen Sprache auf, die gesellschaftliche Revolution führte aber keineswegs auch zu einer Revolution im Bereich der Sprache. Hingegen scheint der dritte theoretische Ansatz mit seiner Verbindung sprachinterner und –externer Faktoren geeignet, Antworten auf die Frage nach den Ursachen sprachlichen Wandels zu finden. Denn so, wie es falsch ist, für eine sprachliche Veränderung einen und nur einen Faktor als Ursache anzunehmen, entspricht es nicht den tatsächlich ablaufenden Prozessen, die Ursachen sprachlichen Wandels nur im sprachinternen oder nur im sprachexternen Bereich zu suchen. Veränderungen im sprachlichen Zeichensystem werden durch ein Bündel von Faktoren verursacht, die in beiden Bereichen ihren Ursprung haben: Entstehung und Entwicklung der menschlichen Sprache aus den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Verkehrs, aus den Erfordernissen, die die kommunikative Tätigkeit in gesellschaftlichen Prozessen an sie stellt, machen es deutlich, daß dieser gesellschaftliche Verkehr die Sprache als das Medium seiner Verständigung formt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die menschliche Sprache tatsächlich ein Spiegel [Ende Seite 7] der gesellschaftlichen Verhältnisse. Dies kann aber nicht bedeuten, daß Veränderungen im gesellschaftlichen System so auf die Sprache wirken wie etwa Licht auf eine fotografische Platte; eine 1 : 1-Entsprechung zwischen gesellschaftlichem und sprachlichem Wandel kommt nicht zustande, auch wenn zwischen der menschlichen Sprache und der für den Menschen konstitutiven praktisch-gegenständlichen Tätigkeit eine enge Verbindung besteht. Gleichzeitig besteht nämlich auch eine entsprechend enge Verbindung zwischen der Sprache und der geistigen Tätigkeit des Menschen: sie ist Werkzeug und Ergebnis beider Formen der menschlich-gesellschaftlichen Tätigkeit (9). Als Produkt geistiger Tätigkeit ist die Sprache auch anderen als materiell-gesellschaftlichen Einflüssen ausgesetzt. Zu nennen wären hier individual-psychologische Faktoren: unzuverlässiges Gedächtnis, Bequemlichkeit, Streben nach Analogie, Nachahmungstrieb, wie sie in der älteren Literatur zu Problemen des Sprachwandels bezeichnet werden (10). Daneben macht sich auch die Seinsweise der Sprache als dynamisches System bemerkbar, die dazu führt, daß allein schon der Ablauf von Sprachverwendungsprozessen sprachliche Veränderungen auslösen kann. Das zeigt sich z. B. daran, daß im Gefolge von Akzentverschiebungen innerhalb eines Wortes ursprünglich volle Silben abgeschwächt werden, vgl. die Oppositionen

Urteil - erteilen Urlaub – erlauben

und auch in den Fällen des sogenannten "kombinatorischen“ Lautwandels, bei dem die lautliche Umgebung zur Veränderung einen Lautes führt, wie beim „i-Umlaut“, vgl.

ahd. gast - gesti ahd. lamb - lembir.

Weitere Beispiele in diesem Zusammenhang bilden etwa die Assimilation oder der dissimilatorische Schwund. Auch die als "Systemzwang" bezeichnete Tatsache, daß bestimmte Veränderungen im Konsonantismus nicht nur bei einzelnen Lauten eintreten, [Ende Seite 8] sondern systematisch und durchgängig zusammengehörige Gruppen betreffen wie das z. B. bei der ersten und bei der zweiten Lautverschiebung der Fall ist, spricht für das Wirken von Kräften innerhalb des sprachlichen Systems (11). Daneben aber wirken ebenso deutlich Kräfte, die sich aus der Funktion der Sprache, Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation zu sein, ergeben und in denen der außersprachliche, gesellschaftliche Einfluß sichtbar wird. Denn dieses Medium muß seine Funktionsfähigkeit erhalten. und immer wieder unter Beweis stellen. Das bedeutet, daß keine Sprache auf einem einmal erreichten Entwicklungsstand stehen bleiben kann, sondern immer wieder den sich ändernden gesellschaftlichen Erfordernissen angepaßt werden muß. Neue Erkenntnisse und technologische Entwicklungen wirken sich dabei auf die Ausgestaltung und Strukturierung des Lexikons aus, indem neue Begriffe geprägt werden oder bereits eingeführte Zeichen mit einem anderen semantischen Gehalt verbunden werden. Veränderungen der gesellschaftlichen Organisationsformen und der Strukturen des gesellschaftlich-

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politischen Lebens bringen Änderungen kommunikativer Strategien mit sich, die sich auf Anwendungsregeln sprachlicher Zeichen auswirken und sich z. B. durch ein verändertes Verhältnis zu Normsetzungen und sprachlichen Vorbildern auch in der Syntax niederschlagen (12). Die Veränderungen im Gebrauch und der Entwicklung des Konjunktivsystems der deutschen Sprache können hier vielleicht als Beispiele gelten (13). Die hier dargestellten Überlegungen lassen sich mit B.A. Serébrennikow folgendermaßen zusammenfassen:

Im allgemeinen kann man also feststellen, daß sich eine Sprache unter dem Einfluß zweier verschiedener Triebkräfte verändert, von denen die eine mit der Bestimmung der Sprache und der Befriedigung der Kommunikationsbedürfnisse der Gesellschaft und die andere mit der Beschaffenheit der Sprache, ihrer Verkörperung in einer bestimmten Substanz und mit ihrer Existenz in Gestalt eines besonderen Zeichensystems zusammenhängt. Die Sprache ist daher in ihrer Entwicklung in doppelter Weise abhängig - einmal von dem Milieu, in dem sie existiert, und dann von ihrem inneren Mechanismus, von ihrem Beschaffensein. (14) [Ende Seite 9]

3. Formen sprachlicher Veränderungen Versuche, den Ursachen für Veränderungen im sprachlichen Zeichen auf die Spur zu kommen, müssen scheitern, wenn sie sich nur auf die eine der beiden Einflußsphären konzentrieren. Positiv formuliert ergibt sich die Forderung an den Sprachhistoriker, sowohl die sprachimmanenten als auch die sprachexternen Kräfte bei der Erklärung des Sprachwandels zu berücksichtigen, wenn er zu befriedigenden Ergebnissen kommen will. Bei genauerem Hinsehen stellt sIch allerdings heraus, daß die Unterscheidung dieser beiden Einflußsphären nicht ausreicht, um dem Phänomen gerecht zu werden; um eine oben gebrauchte Formulierung zu wiederholen: Das Analyseinstrument ist nicht scharf genug. Beiden Klassen von Einflüssen ist gemeinsam, daß ihre Wirkungen einer objektiven Notwendigkeit entspringen. Die systemimmanenten Einflüsse basieren auf Regularitäten. Sie bewirken Veränderungen, die sich nahezu zwangsläufig aus der Dynamik des Systems ergeben und die ihren Sinn in der Straffung und Effektivierung oder in der Entfaltung dieses Systems haben. Sie sind daher von einer inneren Logik geprägt, die die sprachlichen Veränderungen als Konsequenz der Existenzform der Sprache erklärt. Das Gleiche gilt für die sprachexternen, gesellschaftlich bedingten Einwirkungen. Die objektiven Erfordernisse der zwischenmenschlichen Kommunikation, die notwendige Anpassung des sprachlichen Zeichensystems an die Veränderungen der gesellschaftlichen Prozesse und die Umgestaltung gesellschaftlicher Strukturen - notwendig, weil nur sie die weitere Funktionsfähigkeit als Kommunikationsmedium gewährleistet ist - lassen die sprachlichen Veränderungen als konsequente Regularitäten erscheinen, die ihre Logik aus den objektiven Bewegungen der Gesellschaft erhalten. Insofern sind die Veränderungen des sprachlichen Systems, die durch diese Einflüsse werden, als konse- [Ende Seite 10] quent und objektiv notwendig zu Charakterisieren (15). Anders sieht es dagegen bei einer Gruppe von Einwirkungen aus, die nach der systematischen Einteilung in sprachexterne Einflüsse als Subkategorie der letzten Gruppe erscheinen müßten. Ich meine damit die die Versuche, die von einzelnen oder von Gruppen von Angehörigen einer Sprechergemeinschaft gemacht werden, bewußt und zielstrebig auf die Sprache einzuwirken, in der Absicht, sie zu verändern. Während die vorher genannten Ursachen für Sprachveränderung als objektiv und systemotwendig bezeichnet wurden, trifft diese Charakterisierung für die jetzt angesprochenen Einwirkungen nicht mehr zu. Es sind vielmehr subjektiv motivierte und interessengelenkte Veränderungen. Unter diesem Gesichtspunkt sind sie von den

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bisher genannten sprachexternen Einflüssen deutlicher als durch Subkategorisierung abzusetzen. Die Sprachwissenschaft hat eine Reihe von Bezeichnungen für diese bewussten, subjektiv motivierten Beeinflussungsversuche entwickelt, die zum großen teil definitorisch unscharf und synonym, zum Teil aber auch zur Unterscheidung bestimmter Phänomene, verwendet werden: Sprachlenkung, Sprachpflege, Sprachpolitik, Sprachreinigung, Sprachkritik, um nur die geläufigsten zu nennen. Im Folgenden soll in aller Kürze der Versuch einer definitorischen Ordnung dieser Bezeichnungen unternommen werden, um im Anschluß daran das dann konkretisierte Phänomen der Sprachlenkung genauer zu betrachten. 3. 1. Sprachnormierung Die Möglichkeit, verändernd in das System der Sprache einzugreifen, ist überhaupt nur durch ihre Eigenschaft der Wandelbarkeit gegeben. Wäre sie kein dynamisches System, sondern ein starres, unveränderliches Gebilde, das in einer einmal erreichten Form stabil bliebe, wären alle Versuche auch des subjektiv motivierten, zielgerichteten Eingreifens zum Scheitern verurteilt. Dies gilt auch für die Sprachnormierung, [Ende Seite 11] deren Intention es gerade ist, die innere Dynamik der Sprache, ihre synchronischen Variationsmöglichkeiten zu beschränken. Zwar ist es erforderlich, das Spektrum der sprachlichen Varianten nicht ausufern zu lassen, um nicht durch unbegrenzte individuelle Varianten die Funktionsfähigkeit des Kommunikationsmediums im gesellschaftlichen Verkehr der Menschen zu gefährden. Eine gewisse Standardisierung ist daher notwendig. Eine sprachliche Normierung im Sinne von präskriptiver Kodifizierung widerspricht aber sowohl dem Wesen der Sprache als auch ihren Verwendungszwecken. Eine so verstandene und betriebene Sprachnormierung ist eine Form sozialer Kontrolle und ein Führungsmittel zur Steuerung sozialer Gruppen. (16) Sprachnormierung, die Festsetzung von Standards für das System der Sprache und ihren Gebrauch, beginnt in der Phase der primären Sozialisation mit dem Spracherwerb des Kleinkindes, das „korrektes" Sprechen erlernen soll, In der Schule hat sie ihren festen Platz, trotz aller Warnungen von Wissenschaftlern, die Korrektur von normabweichenden „Fehlern" in der Sprachverwendung nicht zu überspitzen. Die Notwendigkeit sprachnormierender Eingriffe ist unbestritten, wenn z.B. innerhalb einer Gesellschaft eine überregionale Verkehrssprache fehlt und wenn durch deren Fehlen der gesellschaftliche Verkehr behindert wird. Als Beispiel hierfür können die Aktivitäten der Grammatiker der deutschen Sprache seit den barocken Sprachgesellschaften angesehen werden. Stellvertretend seien hier nur Opitz und Gottsched genannt. Deren Wirken wurde vor allem auch dadurch erleichtert, daß weit bis ins 18. Jahrhundert verschiedene, unkodifizierte Formen der Hochsprache im deutschen Sprachgebiet nebeneinander bestanden, Erst Ihre Einflußnahme hat zu einer Vereinheitlichung beigetragen. Das Gleiche gilt für den Wortschatz, der seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bewußt kodifiziert wurde - wenn auch mit unterschiedlichen Erfolgen (17). Die normierende Vereinheitlichung der Aussprache wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Angriff genommen (18). Diese, die Effektivität der Sprache als Medium der gesellschaftlichen Kommunikation steigernden Eingriffe in die Sprache können durchaus erforderlich sein. Die Sprachnormierung verliert aber ihren [Ende Seite 12] Sinn, wenn sie die Sprache - und vor allem ihre Verwendung - in ein starres Korsett zu zwängen versucht. Hierher gehören alle Versuche, einen bestimmten Sprachzustand zu verabsolutieren und als vorbildlich zu erklären, wie es z. B. mit der Sprache der deutschen klassischen Dichter geschehen ist (19). An diesem Punkt gerät Sprachnormierung nur allzu leicht in das Fahrwasser der Sprachreinigung und einer Kulturkritik, die beide ideologisch beeinflußt sind. Die Sprache, die auf einen früheren Entwicklungsstand festgelegt werden soll, wird so in Widerspruch zu ihren eigenen Entwicklungstendenzen gebracht und unter Umständen sogar unfähig gemacht, unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen effektiv ihre Verständigungsaufgabe zu erfüllen.

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Neben der Frage, ob überhaupt normierend in das System der Sprache eingegriffen werden darf, ist vor allem immer wieder die Frage diskutiert worden, wer dies tun soll. Die alte Frage B. Havráneks:

Ist überhaupt die Sprachnorm, die Normierung der Schriftsprache und die Sprachkultur ein Thema der Linguistik, gehört das zu ihren wissenschaftlichen Aufgaben? Soll der Sprachforscher nur Beobachter bleiben oder kann er selbst eingreifen? (20)

die er bereits 1936 stellte, hat viele kontroverse Antworten gefunden, vor allem auch in der heftigen Diskussion deutscher Sprachwissenschaftler während der sechziger Jahre unseres Jahrhunderts (21). Die endgültige Antwort steht auch heute noch aus. 3.2. Sprachreinigung Während die Sprachnormierung mit allen Bereichen der Sprache, der Phonologie, der Morphologie, der Syntax und dem Lexikon befaßt ist, versucht die Sprachreinigung nur das Lexikon zu beeinflussen, um Veränderungen im Wortschatz zu verursachen, Die Eingriffe stehen in enger Verbindung mit der Fremdwortproblematik und dem Sprachpurismus als der extremsten Form [Ende Seite 13] der Sprachreinigung. Der grundlegende Gedanke bei dieser Form der Sprachbeeinflussung und -veränderung ist der, daß die Sprache - die deutsche Sprache - durch den Kontakt mit anderen Sprachen verunreinigt und in ihrem Wesen gestört sei und daß daher diese Störungen und Verunreinigungen beseitigt werden müßten. Hierin wird eine Wertung von Sprachen deutlich, die mit ihrer prinzipiellen Kommunikationsfunktion, die bei allen Sprachen die gleiche ist, nichts zu tun hat. Die Maßstäbe dieser Wertungen haben daher auch keinerlei sprachwissenschaftliches Fundament, sondern sind nur ideologisch und aus der politischen Situation, in der sie entstehen bzw. entstanden, zu erklären. Einen ersten Höhepunkt erlebten die Sprachreinigungsbestrebungen mit den Sprachgesellschatten der Barockzeit, denen es darum ging, die kulturelle Vorherrschaft des Lateinischen und des Französischen zu brechen. Die deutsche Sprache sollte ebenfalls als anerkannte Literatursprache gelten und - wie das Französische, das Italienische, das Spanische - zu einer einheitlichen Nationalsprache entwickelt werden. Bereits zu dieser Zeit, im 16. und 17. Jahrhundert, war die Beseitigung von Wortgut fremder Herkunft aus der deutschen Sprache nicht Selbstzweck, waren die Bemühungen nicht ausschließlich auf die Sprache gerichtet, sondern sie zielten daraufhin, das nationale Bewußtsein unter den Deutschen zu wecken bzw. zu stärken. In verstärktem Maße wiederholten sich diese Tendenzen um die Wende vom 18. zum 19, Jahrhundert. Die Befreiung der deutschen Sprache von ausländischen Einflüssen war für Männer wie Fichte, Arndt oder auch Jahn die Vorbereitung und Vorwegnahme der Befreiung Deutschlands von ausländischer Beeinflussung. Die Veränderung der deutschen Sprache war für sie politisches Handeln und Verwirklichung ihrer nationalen Vorstellungen, so lange sie diese nicht in der politischen Realität verwirklichen konnten. Sprachreinigung war somit eine Art politischer Ersatzhandlung. Daß dem so war, zeigt sich u.a. darin, daß die Auseinandersetzungen um die Sprache größtenteils nicht mit sprachwissenschaftlichen, sondern mit [Ende Seite 14] außersprachlichen – nationalistisch-politischen - Argumenten geführt wurden (22). Den Höhepunkt der Sprachreinigung und des Sprachpurismus erreichte der Allgemeine Deutsche Sprachverein (gegr. 1885). Seine Wirkung beruhte darauf, daß er sich nicht an Sprachwissenschaftler, Schriftsteller oder die sprachlich interessierte Öffentlichkeit wandte, sondern ganz bewußt und zielstrebig staatlich-politische Instanzen für die Durchführung seiner sprachpuristischen und normierenden Vorstellungen einzusetzen versuchte. Die Tendenz dieser Aktivitäten wird in einer Bemerkung von H. Riegel, dem ersten Vorsitzenden des Vereins, deutlich, der erklärt, daß die Vorstellungen seines Vereins „keineswegs vom sprachlich-wissenschaftlichen Standpunkte, sondern ganz und gar vom nationalen Boden aus“ entwickelt wurden und ihre Zielrichtung erhielten (23). Diese Tendenz blieb für den Verein und für die Sprachreinigungsbestrebungen charakteristisch (24). 3.3. Sprachpflege und Sprachplanung

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Auch für Sprachpflege und Sprachplanung gilt wie für Sprachnormierung und Sprachreinigung, daß sie anders als die Sprachwissenschaft, die Sprache nicht daraufhin befragen wie sie ist, sondern wie sie sein sollte, Dies impliziert Maßstäbe, die, wie gezeigt, bei Normierung und Reinigung zum großen oder sogar zum überwiegenden Teil außersprachlicher und unwissenschaftlicher Natur sind. Die Sprachpflege und die Sprachplanung dagegen sind bemüht, die Veränderungen der Sprache, die sie anstreben, in Relation zu den Entwicklungstendenzen der Sprache und den an sie gestellten Anforderungen zu setzen. Für sie ergibt sich daraus die Notwendigkeit, in Zusammenarbeit mit der Sprachwissenschaft die Struktur, den Zustand und die Entwicklungstendenzen der Sprache zu erkennen und gleichzeitig Zielvorstellungen - vor allem auch gesellschaftlicher Art - zu entwickeln, auf die hin die Sprache verändert [Ende Seite 15] werden soll. Eine genaue Kenntnis des sprachlichen Systems und seines Funktionierens in gesellschaftlichen Zusammenhängen ist dazu unerläßlich, sie ist geradezu die Voraussetzung für sprachplanerische Eingriffe, denn nur auf ihrer Basis gelingt es, Lücken und Inkonsequenzen im System zu erkennen, durch die der Gebrauch erschwert und behindert wird. Und nur durch sie gelangt man zu Handhaben, um diese Lücken und Inkonsequenzen zu beseitigen und die Effektivität der Kommunikation zu vergrößern. Daß dazu auch außersprachliche Komponenten herangezogen werden müssen, ergibt sich sowohl aus dem Verwendungszweck der Sprache als auch dem Ziel von Sprachpflege und Sprachplanung. (25) Das wesentliche Merkmal von Sprachpflege und Sprachplanung ist daher neben ihrer Systemhaftigkeit ihre Zukunftsperspektive, d. h. der Versuch, die sprachliche Entwicklung vorherzusehen. Daraus folgt dann, entsprechend den Entwicklungstendenzen und Planungen im gesellschaftlichen Bereich so in den Veränderungsprozeß der Sprache einzugreifen, daß sie ihre Funktion, effektives gesellschaftliches Kommunikationsmittel und angemessenes Medium der Kognition auch mit veränderten Bedingungen und Inhalten zu bleiben, beibehält. Zwar wird es kaum möglich sein, mit letzter Gewißheit die Entwicklung einer Sprache zu prognostizieren, da sie keine platte Funktion der gesellschaftlichen Entwicklung ist. Tendenzen und strukturelle Veränderungen lassen sich jedoch bei entsprechendem Stand der Sprachwissenschaft und angemessenen Analysen erkennen. L.B. Nikol’skij nennt als notwendige Voraussetzungen für eine effektive Sprachplanung die. folgenden Maßnahmen:

Es ist notwendig, die Geschichte der sprachlichen Situation zu erforschen, die genetische Natur der Sprache in Rechnung zu stellen, ebenso die soziale und ökonomische Situation im Lande und die Aufmerksamkeit der Organisation und Struktur des Bildungssystems zuzuwenden sowie den voraussichtlichen Kosten, die eine Realisierung konkreter sprachlicher Mal3nahmen hervorrufen wird. (26)

Anwendungsbereiche einer so verstandenen Sprachplanung ergaben sich z. B. in der Sowjetunion im Zusammenhang der Nationalitä- [Ende Seite 16] tenpolitik. Ein außerordentlich wichtiges Betätigungsfeld stellen aber auch die jungen Staaten Afrikas dar, die in den ohne Rücksicht auf ethnische und kulturelle Zusammengehörigkeit von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen versuchen müssen, eine staatlich-nationale Einheit zu entwickeln und gleichzeitig funktionierende Gesellschaften mit Anschluß an die moderne Technologie aufzubauen. (27) In solchen Situationen werden Sprachpflege und Sprachplanung zur Sprachpolitik und damit zu einem wesentlichen Bestandteil der gesellschaftlich-politischen Entwicklung. Von daher müßte es im Interesse jeder Gesellschaft liegen, die Planungen für die Zukunft nicht nur im ökonomischen und institutionell-organisatorischen Bereich vorzunehmen, sondern auch das Medium ihrer Kommunikation, das ja auch in Zukunft noch effektiv sein soll, in diese Planungen einzubeziehen. Zwar findet, wie oben bereits ausgeführt, eine ständige gesellschaftliche Beeinflussung und Anpassung der Sprache statt, aber eine bewußte und zielgerichtete Planung könnte durchaus erwünschte Entwicklungen beschleunigen und zum Abbau von Kommunikationsschwierigkeiten und damit zur Effektivierung gesellschaftlicher Prozesse beitragen. 4. Sprachlenkung

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Eine weitere Form, bewußt und zielgerichtet auf die Sprache einzuwirken, stellt die Sprachlenkung dar. Es ließe sich zwar jede der hier angesprochenen Formen von Sprachbeeinflussung als eine "Lenkung" bezeichnen, da es sich in jedem Fall um den Versuch handelt, den Gang der sprachlichen Entwicklung und des sprachlichen Wandels zu steuern und diesen Prozessen eine bestimmte Richtung zu geben. Bei den hier zu betrachtenden Erscheinungen ist die Lenkungsintention aber um einen wesentlichen Aspekt erweitert. Zwar geht es auch bei den vorher genannten Formen der gezielten Sprachverände- [Ende Seite 17) rung letztlich nicht um die Verwirklichung sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern um die Durchsetzung ideologisch bedingter kulturell-politischer Theorien und Vorurteile, die Sprachlenkung aber verfolgt darüber hinaus konkret politische Ziele. Sie ist in diesem Sinne nicht nur ideologisch motiviert, sondern auch politisch, weil sie direkt als Mittel im Kampf um die Staatsmacht, um die Leitung des Staates und die Festlegung der Formen, der Aufgaben und des Inhalts der staatlichen Tätigkeit eingesetzt wird. Der so verstandenen Sprachlenkung geht es darum, über die Beeinflussung des Sprachgebrauchs das Bewußtsein der Menschen zu beeinflussen. Sie baut also auf der Erkenntnis der engen Verbindung auf, die zwischen Sprache und Bewußtsein besteht. Das Ziel der Sprachlenkung ist es, durch bestimmte sprachliche Zeichen Bewußtseinsinhalte umzugestalten oder neu zu schaffen, um dadurch das Verhalten der Menschen zu steuern, Die Lenkung des Sprachgebrauchs zielt auf die Lenkung der Person. Sie versucht, eine Stabilisierung oder eine Änderung von Meinungen und Haltungen, von Einstellungen und Urteilen zu erreichen, um auf diese Weise künftiges Verhalten und Handeln von Menschen zu beeinflussen, auszulösen und zu steuern. Anders als z. B. die Sprachnormierung oder auch die Sprachpflege, von denen alle Bereiche des sprachlichen Systems erfaßt werden können, ist die politisch motivierte Sprachlenkung nur auf den semantischen Bereich der Sprache, auf das Lexikons ausgerichtet (28). Da sie den politischen und oft sogar sehr kurzfristigen tagespolitischen Zielstellungen untergeordnet ist, ist sie den Schwankungen ausgesetzt, denen auch diese Zielvorstellungen unterliegen. Die Sprachlenkung kann daher nicht eine Veränderung der „langue" anzielen, was eine langfristige Beeinflussung und Wirkung bedeuten würde sondern eine schnell zu erreichende Veränderung der „parole“, die ebenso schnell eliminiert werden kann, wie sie eingeführt wurde (29). Die Sprache, die so ein Instrument zur Vorbereitung und Durchführung von Handlungen wird, erhält da- [Ende Seite 18] durch eine operatïve Funktion, was im wesentlichen zu Lasten ihrer Funktion bei der Bezeichnung und Repräsentation von objektiv-realen Sachverhalten geht und ihre Funktionen als Medium von Erkenntnis- und Denkprozessen einschränkt. Sie behält aber ihre Funktion als wichtigstes gesellschaftliches Kommunikationsmittel und damit auch als Vehikel zum Ausdruck und zur Verbreitung politisch-ideologischer Inhalte. „Um diese breiten Schichten der Bevölkerung zu vermitteln, ist eine bestimmte Wortwahl erforderlich, durch die dann die erwünschten Denk- und daran anschließend auch Handlungsweisen hervorgerufen werden sollen (30). Um das Verhalten und die Handlungen von Menschen mit Hilfe von Sprache zu steuern, gibt es zwei Möglichkeiten, die man als direkte und als indirekte Einwirkung bezeichnen kann. Die direkte Einwirkung äußert sich in Befehlen, Anordnungen, Erlassen und Verboten, die ausdrücklich geäußert und durchgesetzt und deren Befolgung kontrolliert wird. Die indirekte Einwirkung verzichtet dagegen auf derartige explizite Maßnahmen. Sie bedient sich sprachlicher Formulierungen, in denen Wertungen, Einstellungen oder Vorurteile zum Ausdruck kommen, die in einer bestimmten Gesellschaft oder einer Gruppe innerhalb der Gesellschaft weitgehend Gültigkeit haben und negativ oder positiv besetzt sind. Bei ihrer Verwendung zeigt sich in aller Regel ein kommunikativer Effekt, der sich in einer der gesellschaftlichen Wertung entsprechenden Verhaltensweise äußert. Diese Reaktionen erfolgen meistens, ohne daß der Auslöser und der Mechanismus seiner Wirkung bewusst werden. Es handelt sich dabei nicht um Wirkungen, die der sprachlichen Formulierung an sich anhaften, sondern um gesellschaftlich bedingte Wertungen, die mit der denotativen Komponente des sprachlichen Zeichens nicht unbedingt verbunden sein müssen und die in das Repertoire der moralischen, philosophischen und ideologischen Systeme der Gesellschaft oder bestimmender Gruppierungen in ihr gehören.

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Für die politisch motivierten Sprach- und damit auch Verhaltenssteuerungen spielen diese Zusammenhänge eine ge- [Ende Seite 19] wichtige Rolle. Sie basieren darauf, daß sprachliche Zeichen neben ihrer begrifflichen oder Bedeutungskomponente, ihrer Denotatfunktion, auch über wertende und Emotionen hervorrufende Komponenten verfügen, durch die die Wirkung der sprachlichen Zeichen entscheidend mitbestimmt wird. (31) 5. Sprache der Politik? Zahlreiche Autoren halten die Berechtigung einer solchen Klassifizierung für erwiesen (32). Ohne Zweifel gibt es im Bereich der Politik eine Art Fachwortschatz, anderen Fachsprachen entsprechend, und nicht alle Bezeichnungen, die im Bereich politischer Aktivitäten auftauchen und verwendet werden, sind Sprachlenkungen, die das Bewußtsein und das Handeln der Menschen bestimmen sollen. Wie für andere Tätigkeitsbereiche wurde auch für das "Geschäft" Politik eine Terminologie entwickelt, deren Verbindlichkeit und Verbreitungsgrad nicht größer sind als die anderer Fachsprachen auch: Bezeichnungen wie Bundestag, Gesetzesnovelle, Untersuchungsausschuß, Dementi, Koalition, diplomatische Demarche, Abgeordneter sind Fachtermini und als solche, nämlich zur Bezeichnung eines definierten Sachverhaltes aus einem bestimmten Bereich gesellschaftlicher Tätigkeit, mehr oder weniger Bestandteil des allgemeinsprachlichen Wortschatzes. Die Entwicklung und Strukturierung dieser Fachsprache ist aber nicht gemeint, wenn hier von politisch motivierter Veränderung der Sprache bzw. des Wortschatzes die Rede ist, sondern die Versuche - erfolglose wie erfolgreiche -, die AlItagssprache unter politisch-ideologischen Gesichtspunkten zu beeinflussen. Denn die politische Motiviertheit sprachlicher Zeichen ist gerade außerhalb des Fachwortschatzes "Politik" von Bedeutung, da sie eben in der alltäglichen Verwendung und nicht auf den speziellen Bereich bezogen ihre bewußtseinsbildende und verhaltenssteuernde Funktion ausüben. Die politisch motivierte [Ende Seite 20] Sprachlenkung bezieht sich damit weniger auf die sogenannte „öffentliche“ Sprache, auf das also, was E. Pankoke "Funktionssprache“ und "Meinungssprache“ nennt, d.h. die Sprache des institutionellen Überbaues und der dazugehörigen Ideologie (33). Sie greift vielmehr über die traditionellen Boreiche politischer Aktivitäten wie staatliche Organisation, Verwaltung, Wirtschaft, Parteien usw. hinaus. Denn im Unterschied zu den Fach- und Berufsbereichen, die sich einen Sonderwortschatz entwickelt haben, ist der Bereich "Politik“ nicht von anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens getrennt. "Politik" ist vielmehr ein Bestandteil aller gesellschaftlichen Bereiche und wirkt in alle Sphären hinein. Es kann daher bei der Untersuchung politisch motivierter Sprachveränderungen nicht darum gehen, einen Ausschnitt aus dem Lexikon der deutschen Sprache zu finden, der dann als „politische Sprache“ bezeichnet würde, sondern nur darum, aufzuzeigen, in welcher Weise politische Interessen sich sprachlenkend in der Alltagssprache manifestieren. Daß auch von interessierter Politiker-Seite nicht nur eine Teilmenge der Sprache als Betätigungsfeld betrachtet wird, sondern der gesamte Umfang des Kommunikationsmittels unter politischer Beeinflussung gesehen wird, zeigt das folgende Zitat:

In einer demokratischen Gesellschaft kann die Sprache kein aseptisch abtrennbares Segment sein, das von den Vorgängen in der politischen Arena unberührt bleibt. (34)

Und an anderer Stelle: Es geht immer darum, den politischen Einfluß über die Sprache zu befestigen oder auszubauen. Kontrolle und bewußte Veränderung der Sprache sind die Mittel, mit denen Herrschaft durch Sprache ausgeübt wird. (35)

Diese Herrschaftsausübung durch Beeinflussung und Veränderung der Sprache wurde lange Zeit als ein Charakteristikum totalitärer Staaten betrachtet, Konsequenterweise wurde daher von der westdeutschen Germanistik nach 1945 das Phänomen der politisch motivierten Beeinflussung der Sprache auf den deutschen Faschismus und [Ende Seite 21] - entsprechend der ideologischen Gleichung rot =

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braun - auf die DDR beschränkt (36). Für die sogenannten westlichen Demokratien wurde von dieser ideologischen Position aus politisch motivierte Sprachlenkung geleugnet (37). Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, daß Sprachlenkung als Mittel der Politik nicht auf bestimmte politische Systeme beschränkt ist:

Wir leben in einer Zeit der Sprachlenkung. Staaten, Parteien, Weltanschauungen schreiben vor, wie wir sprechen sollen, welches Wort wir gebrauchen sollen und welches nicht. (...) Je mehr ein moderner Staat seine Einwohner leiten und lenken will, desto mehr versucht er auch die Sprache zu lenken ( ... ). (38) Aber eine Sprachregelung hat es gegeben und wird es immer geben, solange Politik gemacht wird.. ( ... ) Auch mächtige Konzerne werden ihre Vertreter ( ... ) ‚sprachregeln'. (39) Diktaturen sind auch im Ausmaß ihrer Wortzwänge totalitär. Aber auch Demokratien haben Schleusen für die von ihnen gewünschten Sprachregelungen: ihre Behörden und die ihnen Nacheifernden. (40)

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Sprachlenkung und den anderen Formen gezielter Beeinflussung des sprachlichen Systems besteht in den Möglichkeiten, die erwünschten Veränderungen gesellschaftlich durchzusetzen, ihren Gebrauch also verbindlich zu machen. Normierende und sprachreinigende Wissenschaftler und Schriftsteller sind auf die mühevolle und langwierige Prozedur der Vorbildsetzung und Überzeugungsarbeit angewiesen. Dem „Allgemeinen Deutschen Sprachverein" gelang es allerdings - vermutlich wegen der personellen Überschneidungen zwischen Verein und Behörden (41) – staatIich-politische lnstanzen für seine Arbeit einzusetzen. Ansonsten sind die Einflußmöglichkeiten eher skeptisch zu betrachten. Dem großen Optimismus von H. Moser z. B., der davon ausgeht, daß sprachliche Neuerungen - auch aus dem staatlichen Bereich - "in aller Regel auf Gremien von Sprachwissenschaftlern" (42) zurückzuführen und von dem durchzusetzen sind, was er "die geistig-soziale Elite“ (43) nennt, steht die wohl realitätsnähere Auffassung von W. E. Süskind entgegen: [Ende Seite 22]

Wie ich höre, haben zwar einzelne Ministerien z. B. die Gesellschaft für Deutsche Sprache beauftragt, ihnen bei der Erstellung ihrer Drucksachen und Rundschreiben beratend an die Hand zu gehen. Ich weiß aber nicht, wie viel Autorität die Gesellschaft mit ihren Anregungen genießt und wie hoch hinauf sich deren Angriffspunkte erstrecken. Ich fürchte, eine richtige Souveränität des Sprachpflegers wird auch da nicht herausschauen. (44)

Demgegenüber befinden sich diejenigen, die Sprachlenkung im hier verwendeten Sinne betreiben: Regierungen, Parteien, Gewerkschaften und Verbände, in einer viel günstigeren Position. Sprachlenkung mit dem Ziel der Verhaltens- und Handlungslenkung verlangt nach einer möglichst umfassenden Breitenwirkung. Es ist daher ein Apparat erforderlich, der im günstigsten Falle die gesamte Bevölkerung erfaßt. Dieser Apparat ist in Form der staatlichen Behörden, der Massenorganisationen und der Massenmedien gegeben. Dies soll nicht heißen, daß z. B. Presse, Rundfunk und Fernsehen in Form direkter Anweisungen die Verwendung bestimmter Formulierungen verordnet bekommen - obwohl auch das bei einem bestimmten Teil der Presse nicht auszuschließen ist. Der hier ablaufende Mechanismus ist diffiziler, aber darum nicht weniger wirksam. Keine Regierung, die sich selbst als demokratisch versteht, wird den offenen Versuch machen, den Sprachgebrauch der Bürger direkt zu reglementieren. Es ist aber eine Selbstverständlichkeit, daß im Bereich der Verwaltung und der nachgeordneten Behörden und Ämter auf die Beachtung und Verwendung einer bestimmten Terminologie und bestimmter Formulierungen gedrungen wird. Dies leuchtet ein, wenn es sich darum handelt, Verwaltungsvorgänge straff und eindeutig zu organisieren und ihren reibungslosen, Ablauf zu gewährleisten. Gleichzeitig wird aber die Beachtung und Verwendung der für den Verwaltungsverkehr verbindlichen Formulierungen auch von der Bevölkerung erwartet, die mit dieser Verwaltung Kontakt hat. Damit beginnt das, was L. Mackensen "jenes manipulatorische Getriebe“ (45) nennt: die Lektüre von Vorschriften und Formularen, Anträge und Eingaben stellen Anforderungen an die

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Sprachverwendung der Betroffenen. Die Freiheit des Individuums, die [Ende Seite 23] H. Moser für die Annahme oder Verwerfung sprachlicher Neuerungen postulïert (46), existiert hier nicht ohne das Risiko negativer Sanktionen etwa in Form von Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen oder deren Zurückweisung. Es ist hier zwar zwischen solchen Anpassungszwängen zu unterscheiden, die sich aus sach-rationalen Gründen des Behördenverkehrs ergeben und solchen, in denen der staatlich-politische Eingriff deutlich wird. Aber diese Unterscheidung stellt keine scharfe Trennungslinie dar, da letztendlich auch in den behördlichen Verwaltungsakten die politisch-ideologische Komponente eine Rolle spielt: Lastenausgleich, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Gastarbeiter, Leichtlohngruppen sind keine sprachlichen Zeichen, die nur sachlich-objektiv einen Sachverhalt bezeichnen. Sie sind vielmehr von einem starken ideologischen Gehalt geprägt; dennoch wird ihre Verwendung in bestimmten Zusammenhängen erwartet. Einen Bereich sprachlicher Formulierungen, der sehr direkt staatlich-politischer Beeinflussung ausgesetzt ist, stellt die "Sprache des Rechts“ dar. In ihr wird ein großer Teil der Definitionen, Vorschriften und gesellschaftlichen Normen formuliert, die Bestandteil der herrschenden Ideologie sind, Dies wird besonders deutlich, wenn man sich das Zustandekommen von Gesetzen und anderen staatlich-rechtlichen Dokumenten vergegenwärtigt: von der Regierung oder den Parteien im Parlament initiiert, in deren Auftrag formuliert, sind sie direkter Ausfluß parteipolitischer Interessen. Den "Schein der objektiven Sachlichkeit“ (47) verdankt die „Sprache des Rechts“ zum größten Teil ihrer Form, und von dort wird er auf die Inhalte übertragen. Die Prägung von Begriffen und die Festlegung des Bedeutungsgehalts sprachlicher Zeichen durch Behörden und Ämter wird durch die Verwaltung, ihre Drucksachen, Formulare, Fragebogen etc. sprachüblich und Bestandteil der gesellschaftlichen Kommunikation. Sie werden im Verkehr mit den Ämtern verwendet, weil sie dort verbindlich sind, dann aber auch in anderen Kommunikationssituationen. Auf diese Weise werden [Ende Seite 24] sie Bestandteil des allgemeinsprachlichen Lexikons. In diesem Zusammenhang werden auch die Massenmedien sprachlenkerisch tätig. In ihren Berichten über Verlautbarungen und Vorgänge, in Kommentaren und Analysen regierungsamtlicher oder behördlicher Aktivitäten, in Interviews werden zwangsläufig die Formulierungen auftauchen, die aus den entsprechenden politischen Interessen heraus geprägt wurden. Auf diesem Wege werden sie bekannt gemacht und verbreitet. Es bedarf daher gar nicht der direkten Anweisung sondern nur des wiederholten Gebrauchs in den Massenmedien, um bestimmte Formulierungen akzeptabel und gebräuchlich zu machen. Als besonders aktiv und erfolgreich auf diesem Gebiet hat sich z. B. der ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller erwiesen. Formulierungen wie Konzertierte Aktion, Stagflation, mittelfristig, Eckwerte, Leitwährung, Talsohle, Nullwachstum usw. wurden von ihm geprägt oder zumindest verwendet und publik gemacht und auf dem Weg über die Massenmedien in den allgemeinsprachlichen Wortschatz integriert. Bei der auf das Bewußtsein der Sprecher und die Steuerung ihres Verhaltens zielenden politisch motivierten Sprachbeeinflussung spielt die Frage der Normsetzung im Sinne einer dauerhaften Veränderung der "langue" nicht die wichtigste Rolle. Wichtiger ist die Veränderung dessen, was H. Moser "Sprachgebrauch“ oder „kollektive Gewohnheit“ (48) nennt und womit er Varianten auf der synchronischen Ebene bezeichnet, die nicht Bestandteil der „langue“ sind, die aber verbindlicheren Charakter als individuelle Variationen haben. Diese verbindliche Unverbindlichkeit erhält ihre Notwendigkeit daraus, daß die „gelenkten" sprachlichen Formen nicht dauerhafter sein dürfen als die Politik, von der sie als Mittel eingesetzt werden. Ein Beispiel für zu erfolgreiche Lenkung ist die Bezeichnung für den zweiten Staat auf deutschem Boden. Über zwei Jahrzehnte wurden Bezeichnungen wie Ostzone, SBZ, Mitteldeutschland, Zone, Ostdeutschland, „das Gebilde" (K, G,. Kiesinger, Bundeskanzler) verwendet, die Ausfluß einer bestimmten Politik waren. Nachdem aber diese Politik [Ende Seite 25] unter der Regierung Brandt/Scheel einen anderen Akzent erhalten hatte und demzufolge die Bezeichnung Deutsche Demokratische Republik in regierungsamtlichen Verlautbarungen und damit auch in der Presse, im Verkehr der Bürger mit den Behörden und in Alltagsgesprächen erwünscht war, stellte sich heraus, daß die vorher erwünschten Formulierungen resistent geworden waren, daß sie also den Bereich der

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kollektiven Gewohnheit bereits verlassen hatten: noch 1972 verweigerten 47 % der Bevölkerung den Gebrauch der neuen, offiziellen Bezeichnung (49). Aber auch die Frage nach der Durchsetzung solcher sprachlicher Neuerungen im aktuellen Gebrauch der Sprechergemeinschaft allein ist nicht vorrangig, d. h. es geht nicht nur um die Beeinflussung des aktiven Wortschatzes der Bevölkerung, obwohl sie angestrebt wird. Wichtig ist vielmehr, daß der passive Wortschatz beeinflußt wird, damit Äußerungen aus dem amtlichen Bereich, aus Parteipublikationen und in den Massenmedien rezipiert und der Intention ihrer Initiatoren entsprechend dekodiert werden. Weniger der eigene aktuelle Gebrauch des einzelnen Sprechers, als vielmehr dessen Wertung und Interpretation bestimmter Bezeichnungen soll gelenkt werden. Es ist sicher nicht das Ziel der Bundesregierung, daß Bezeichnungen wie "Entsorgungspark" in den Alltagsgebrauch der Bevölkerung eingehen. Wohl aber ist es das Ziel, daß diese Bezeichnung in den Massenmedien und in den öffentlichen Auseinandersetzungen um Atomkraftwerke und ihre schädlichen Abfallprodukte verwendet werden, um auf diese Weise bei den Rezipienten der entsprechenden Nachrichten die gewünschten Appraisoren mit den dazu gehörigen Interpretationen und Wertungen hervorzurufen - im vorliegenden Fall Assoziationen und Konnotationen, die sich um die Zusammenhänge "Befreiung von Sorge“ und „Park als Stätte der Erholung" ranken. Besonders reichhaltig ist das Arsenal von Bezeichnungen, die im Bewußtsein der Bevölkerung die Schrecken des Krieges mildern sollen. Der Krieg wird zum Ernstfall oder Verteidigungsfall, die Waffen werden nur als Defensivwaffen erwähnt, [Ende Seite 26] und es gibt sogar die saubere Bombe. Um die friedliche Absicht unserer Militärs zu demonstrieren, hat die Bundeswehr keine Angriffs- sondern nur eine Vorwärtsstrategie entwickelt, da aber auch hierin noch zu viel Dynamik und drängende Bewegung enthalten ist, lautet der neue Terminus „Vorneverteidigung“ und taucht so zur Bezeichnung des gleichen Sachverhalts in Bundestagsdebatten und in der Presse auf (5O). Das spezifische Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten und die besondere Situation Berlins haben eine große Zahl politisch-ideologischer Formulierungen hervorgebracht, die in der offiziell-staatlichen aber auch in der individuellen und privaten Verwendung erwünscht sind. So erinnert das Bundesinnenministerium in immer wiederkehrenden Erklärungen daran, daß die Abkürzung BRD unerwünscht sei, da sie an die in der DDR für den westdeutschen Staat verwendete Bezeichnung anschließe (51). Wenn diese drei Buchstaben in amtlichen Verlautbarungen erscheinen, werden sie sofort als "Versehen" bezeichnet und korrigiert (52). Das Abgeordnetenhaus von Berlin äußert sich zu diesem Kürzel (53), und der Schulsenator weist die Schulen an, darauf zu achten, daß im Unterricht die volle Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland" verwerdet wird. Spätestens an dieser Stelle wird der direkte lenkende Eingriff in die Alltagssprache deutlich, denn eine solche Anweisung berührt nicht nur die Sprache der Lehrer als staatlicher Funktionsträger, sondern. auch die der Schüler und damit der zukünftigen Staatsbürger. Auch Publikationen wissenschaftlicher Einrichtungen werden so sprachgelenkt: der Berliner Senator für Wissenschaft und Kunst wies den Präsidenten der Freien Universität Berlin an, darauf zu achten, dass in Forschungsberichten und anderen Publikationen der Universität die drei inkriminierten Buchstaben nicht verwendet werden (54). An einem weiteren Beispiel läßt sich der Prozeß der Sprachlenkung sehr deutlich verfolgen: Am 8.8.1977 findet sich im Landespressedienst Berlin die folgende Notiz:

Nach Mitteilung der Senatsverwaltung für Arbeit und [Ende Seite 27] Soziales ist das Notaufnahmelager Marienfelde in ‚Durchgangsheim für Aussiedler und Zuwanderer’ umbenannt worden. (55)

Am darauf folgenden Tage erschien in einer Notiz einer BerIiner Tageszeitung die Mitteilung dieser Umbenennung, verbunden mit der Information:

Die Umbenennung geht zurück auf einen Besuch des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Lager Marienfelde. Die Abgeordneten kamen seinerzeit zu der Überzeugung, der Ausdruck 'Lager’ könne negativ und abstoßend wirken. (56)

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Die Bonner Zeitung "Die Welt" berichtet unter dem gleichen Datum, daß auch in Bremen eine entsprechende Änderung stattgefunden habe. Hier sei das „Amt für Vertriebene, Flüchtlinge und Evakuierte" in "Amt für Zuwanderer und Aussiedler" umbenannt worden. Diese Änderungen des Sprachgebrauchs seien „mit den zuständigen Stellen in Bonn“ abgesprochen. (57) Von diesem Datum an ist die Bezeichnung "Zuwanderer und Aussiedler“ für die Personen, die aus osteuropäischen Staaten in die Bundesrepublik Deutschland einwandern, üblich und bereits in einem großen Teil der Massenmedien die einzig akzeptierte. Daß diese Bezeichnung nur für Personen aus Osteuropa und vor allem aus ehemals deutschen Gebieten gewählt wird, hat politisch-ideologische Motive, Üblicherweise werden Personen, die aus einem Staat ausreisen, um in einem anderen ihren dauernden Wohnsitz zu nehmen, als Einwanderer bezeichnet. Die Formulierung „Zuwanderer“ soll signalisieren, daß diese Personen nicht eigentlich aus dem Ausland kommen - ohne dies allerdings auszusprechen, um nicht in Konflikt mit der erklärten Politik zu geraten. Die früher übliche Bezeichnung „Volksdeutsche“ meidet man mit Recht, um keine Verbindung mit nationalsozialistischer Politik aufkommen zu lassen. Und Personen, die aus eigener Entscheidung z. B. die Volksrepublik Polen verlassen, als "Flüchtlinge" zu bezeichnen, widerspricht den auf ein gutes Verhältnis mit diesem Staat gerichteten Intentionen der Bundesregierung. Unter diesem Gesichtspunkt ,ist es auch deutlich, daß die oben erwähnten Umbenennungen [Ende Seite 28] nach dem Willen ihrer Initiatoren auf den amtlichen Sprachgebrauch beschränkt bleiben dürfen, sondern auch von der Bevölkerung akzeptiert worden sollen, um auf diese Weise die Bezeichnung "Flüchtlinge" mit ihren negativen Appraisoren und ihren Auswirkungen auf das politische Verhältnis zur Volksrepublik Polen zu beseitigen (58). Diese Beispiele ließen sich ohne Schwierigkeiten vermehren, auch durch Beispiele aus anderen gesellschaftlichpolitischen Bereichen. Dabei wird deutlich, daß sprachlenkerische Aktivitäten staatlicher Organe oder auch einzelner Politiker vor allem dort zahlreich sind, wo politische Maßnahmen oder Inhalte in der Öffentlichkeit zu großem Interesse und kontroversen Diskussionen führen: z. B. die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, die Notstandsgesetzgebung, die Auseinandersetzungen um die atomare Bewaffnung der Nato; im wirtschaftlichen Bereich etwa Beschäftigungspolitik und Arbeitslosigkeit, Rationalisierung oder Investitionslenkung, um nur einige zu nennen. Die Zahl derartiger zielgerichteter Eingriffe in das Lexikon der deutschen Sprache ist groß. Sie zeigen, daß diese Form sprachlicher Veränderungen nicht systematisch ist - wenigstens nicht vom sprachlichen Standpunkt her. Unter politischen Gesichtspunkten ist die Systematik allerdings deutlich (59). Die Formen, in denen sie geschehen, sind vielfältlg. Dennoch wird nach wie vor von amtlich-behördlicher Seite die Behauptung aufrecht erhalten, daß in unserem Gemeinwesen politisch motivierte Sprachregelungen nicht vorkommen. Diese Ansicht wird auch von den Politikern geteilt, wie eine Bemerkung von W. Bergsdorf zeigt:

Denn anders als in totalitären Staaten gibt es bei uns keine Machtzusammenballung, die die Fähigkeit hat, sprachliche Symbole dauerhaft mit parteilichen Inhalten zu füttern und den Gebrauch dieser Formeln mehr oder weniger verbindlich vorzuschreiben. (60)

Daß dies nicht so ist, belegen Beispiele. Daneben zeigen aber auch z. B. die zum Teil heftigen Auseinandersetzungen um die Parole "Freiheit statt/oder Sozialismus“ während.[Ende Seite 29] des Bundestagswahlkampfes von 1976, daß sich die Politiker und ihre Gruppierungen über die bewußtseinsbildende Wirkung der von ihnen geprägten, lancierten und immer wieder verwendeten sprachlichen Formen durchaus im Klaren sind (61). Daher sind sie durchaus bestrebt, nicht nur durch gezielte Sprachveränderungen die eigenen Intentionen im Bewußtsein der Menschen zu verankern, sondern auch gleichzeitig die der politischen Gegner zu bekämpfen und zu verdrängen. Wie sich dieser Glaube an die "Macht des Wortes“ äußern kann, zeigen die zahllosen Versuche, mit sprachlichen Formulierungen politische Realitäten zu bezeichnen, zu verschleiern oder überhaupt erst selbst zu schaffen. Die Bezeichnungen für die Teile von Groß-Berlin können das belegen: von DDR-Seite aus von BRD-Seite aus

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DemokratischerSektor Ostteil der Stadt; von Berlin Ostsektor westliche Vororte von Westsektoren Berlin; Westberlin Hauptstadt der DDR Land Berlin Berlin Berlin; Berlin (West) Nur in seltenen Fällen, wie z.B. im deutschen NS-Staat, werden derartige offizielle Prägungen dadurch zur allgemeinsprachlichen Norm erhoben und verbindlich gemacht, daß alternative Formulierungen verboten oder gar mit Strafe belegt werden. In der langen Geschichte politisch. Motivierter Sprachlenkungen stellte ein solches Vorgehen eine neue Qualität dar. Noch der "Allgemeine Deutsche Sprachverein“, der alle politischen Möglichkeiten einsetzte, um seinen Vorstellungen zum Erfolg zu verhelfen, und sich dabei auch die staatliche Autorität zu Hilfe holte, sah sich nicht zu derart rigorosen Maßnahmen veranlaßt. Wenn auch der Generalpostmeister des Deutschen Reiches verordnete, daß anstelle von „Billett" "Fahrkarte", von "Kondukteur“ "Schaffner" verwendet worden sollte (62) - um nur zwei Beispiele zu nennen - ,so wurde der Gebrauch der vorher gebräuchlichen sprachlichen [Ende Seite 30] Formen doch nicht verboten. Diese neue Qualität zeigt sich allerdings ansatzweise auch in unserer heutigen Gegenwart. So gelten z. B. Kürzel wie „FDGO", „BRD" - worauf bereits hingewiesen wurde - oder Bezeichnungen wie „Berufsverbot", „Isolationsfolter“ (als Bezeichnung für die Einzelhaft politischer Straftäter in der Bundesrepublik), „Westberlin“ (anstelle des offiziellen „Berlin (West)" und der zugelassenen Varianten „Berlin" und „West-Berlin“) (63) als unzulässig. Ihre Verwendung ist zwar nicht explizit kriminalisiert, sie gilt aber als Indikator einer bestimmten Gesinnung und ist wie diese verpönt. Für Angehörige des öffentlichen Dienstes, im besonderen für Lehrer und Erzieher, ist der Gebrauch solcher Formulierungen verboten. Bei der politischen Überprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst führt ihr Gebrauch zu negativen Sanktionen wie z. B. Anhörungen oder gar Nichteinstellung. Bei derart massiven Eingriffen ist die politische Dimension der Lenkung des Sprachgebrauchs unübersehbar. Dies trifft aber auch für die Sprachregelungen zu, die mit Empfehlungscharakter versehen sind, denn, wie auch L. Mackensen ausführt, besteht zwischen erzwungenem und empfohlenem Sprachgebrauch kein prinzipiell sachlicher, sondern nur ein methodischer Unterschied, ein Unterschied in der Handhabung der zur Reglementierung vorhandenen Möglichkeiten und Mittel (64). 6. Sprachlenkung und Bewußtsein Alle Versuche, durch eine Lenkung der Sprache auf das Bewußtsein der Menschen einzuwirken und auf diesem Wege ihre Handlungen zu steuern, basieren auf der Erkenntnis der engen Verbindungen, die zwischen Sprache und Denken bestehen, Sie führte und führt immer wieder dazu, Möglichkeiten der Verführbarkeit und Manipulierbarkeit der Menschen durch Ihre Sprache zum Gegenstand von Überlegungen zu machen, sei es, [Ende Seite 31] um diese Einflußnahme zu ermöglichen, sei es, um sich gegen sie zu wehren. H. Steger spricht (65) davon, daß die bewußt gelenkten sprachlichen Formen „leitbildbezogen“ seien und daß es auch dem Sprachwissenschaftler darum gehen müsse, diese "Leitbilder" aufzudecken. Problematisch erscheint allerdings seine Forderung, dass der Sprachwissenschaftler an der Ausbildung dieser "Leitbilder" beteiligt worden müsse, also explizit zum Ideologieproduzenten werden solle. Die Bestrebungen, mit der Sprache auch das Denken und. vor allem das Handeln der Menschen zu beherrschen und zu lenken, haben ihr theoretisches Fundament in einer Sprachtheorie, die W. Betz "Panlinguismus" nennt (66). Sie basiert auf der nahezu sprachmagischen Vorstellung, wie sie sich ähnlich auch etwa bei B. L. Whorff (67) aber auch bei L. Weisgerber (68) findet, daß es die Sprache sei, die die Welt und die

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Gedanken des Menschen forme. Vorgegebene Sprachformen prägten Weltsicht und Erkenntnismöglichkeiten einer Sprachgemeinschaft. Wem es also gelänge, sich der Herrschaft über die Sprache zu bemächtigen und verändernd in sie einzugreifen, der besitze damit zwangsläufig die Herrschaft über die Gedanken der Menschen und damit auch über ihr Handeln. Aus der Disponibilität der Sprache wird auch die der Sprecher gefolgert. Sicherlich ist es richtig, daß durch sprachliche Formulierungen bestimmte Wertungs- und Interpretationsmuster nahegelegt werden, die in die Rezeption der Umwelt eingehen und sich in bestimmten Handlungen und Unterlassungen. auswirken. Doch sind diese Wertungs- und Interpretationsmuster keineswegs "natürlicher" Bestandteil der entsprechenden sprachlichen Zeichen. Daß der Sprache eine eigene Dynamik innewohnt und daß sie in gewisser Weise eigenen Regelmäßigkeiten folgt, ist bereits ausgeführt worden. Sie bleibt aber immer das Produkt der sie verwendenden Menschen. Die Sprache ist das Objekt und der Beeinflussung durch die Menschen ausgesetzt und nicht umgekehrt: [Ende Seite 32]

Wer von der ‚Diktatur der Sprache' redet, ohne vom Einfluß der Menschen auf die Sprache zu sprechen, und zwar bestimmter Menschen mit bestimmten Interessen, behandelt die Sprache als Fetisch ( ... ) (69)

Diese Fetischisierung fand sich fast durchgängig. in den sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus. Dort wie anderswo impliziert sie die These von der Verführung durch Sprache zu einem Bewusstsein und zu Handlungen, die nicht dem eigenen Willen der Menschen entsprechen. Damit Ist eine Entschuldigung für alle die gefunden, die sich gegen diese "Verführung durch die Sprache" nicht zur Wehr setzen konnten oder können. J. Fourquet sieht dieser Fetischisierung der Sprache „verallgemeinernd die These der bildenden Macht der Sprache und der Ohnmacht des Menschen ihr gegenüber“ zusammengefasst (70). Die Sprache ist, wie F. Tschirch sagt, "nicht für das verantwortlich zu machen, was der Mensch mit und aus ihr macht." (71) Müssen daher die politisch motivierten Sprachlenkungsversuche als vergeblich und nutzlos betrachtet werden? W. Dieckmann scheint eine Bejahung dieser Frage nahezulegen:

In dem Gesellschaftsprodukt Sprache manifestiert sich Ideologie; die Sprache schafft sie aber nicht. Daraus folgt, daß man im allgemeinen das Bewußtsein auch nicht von der Sprache her, etwa durch Sprachmanipulation verändern kann. (72)

Ein wesentliches Merkmal der Sprache ist es, daß sie auch als Medium der Denktätigkeit fungiert, daß mit Ihrer Hilfe also Bewußtseinsinhalte widergespiegelt und ausgedrückt werden können, die sowohl dem individuellen als auch dem gesellschaftlichen Bewußtsein entstammen können. Gedanken, Erkenntnisse, Einsichten und Empfindungen, die letztlich als Ergebnisse von Widerspiegelungsprozessen auf Objekte und Sachverhalte in der Realität bezogen sind, müssen sprachlich formulierbar sein, um im Prozeß der kommunikativen Tätigkeit übermittelbar und damit auch handhabbar bzw. auch für andere denkbar zu sein. Dieser Sachverhalt hat dazu geführt, daß die Auffassung entstehen konnte, hinter jedem Wort, hinter jeder sprachlichen Formulierung müsse ein Sachverhalt der [Ende Seite 33] Realität stehen. Dieser Schluß ist aber nicht zulässig. Durch ihn würde das Denken, die geistige Tätigkeit des Menschen zu einem simplen Reflex der Realität degradiert, die Abstraktionsleistung der Widerspiegelung würde zum Prozeß der fotografischen Abbildung vereinfacht. Zwar sind die Anschauung und die Auseinandersetzung mit den Gegenständen und Sachverhalten der Realität Ausgangspunkte der Denktätigkeit. Die Ergebnisse dieser Tätigkeit werden aber selbst wieder zu Objekten neuer Denktätigkeit, so daß durchaus Gedankengebilde entstehen können, die ohne Gegenstück in der Realität sind, obwohl sie denkbar und sprachlich formulierbar sind. Die Geschichte der Philosophie, die Theologie und die Entwicklung weltanschaulicher Systeme, ja sogar die als objektiv bezeichneten Naturwissenschaften liefern eine Fülle von Beispielen dafür, daß nicht jedem Gedanken und damit jeder sprachlichen Formulierung ein realer Gegenstand oder ein realer Sachverhalt zugrunde liegen muß. Politisch motivierte Sprachlenkung kann daher durchaus, Wörter und Bezeichnungen finden, die auf das

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Bewußtsein der Menschen Wirkung ausüben, ohne daß ihnen ein realer Sachverhalt entspricht oder die sogar in direktem Gegensatz zur Realität stehen können. Einwirkungen auf das Bewußtsein und damit die Handlungen von Menschen sind daher möglich, auch wenn die sprachlichen Zeichen, durch die das geschieht, politisch-ideologisch in ihrer Herkunft und vielleicht sogar in offenem Gegensatz zu objektiven Sachverhalten sind. G. Klaus geht sogar so weit zu sagen,

daß die Motive des gesellschaftlichen Handelns der Menschen in erster Linie im Bereich der Ideologie zu suchen sind, (auch wenn) das Verhältnis von Ideologie und Realität letztlich so ist, daß die Realität die Ideologie bestimmt, aber nur in letzter Instanz. (73)

Die Steuerung des Verhaltens oder die Veränderung des Bewußtseins durch bewußt gelenkte Sprache geht - erkenntnistheoretisch gesprochen - nicht von der objektiven Realität aus, sondern von den durch bestimmte sprachliche Formulierungen mobilisierten Emotionen und Wertungen. Bei der poli- [Ende Seite 34] tisch motivierten Sprachveränderung stehen daher weniger die Designatoren der sprachlichen Zeichen im Vordergrund als vielmehr die Appraisoren oder die Präskriptoren (74). Sie setzt also bei der Bewußtseinsbildung auf einer anderen psychischen Ebene an als der des rationalen Erkennens und der Auseinandersetzung mit der Realität. Als Beispiele hierfür können die schon angeführten Sprachlenkungen "Durchgangsheim“ statt “Notaufnahmelager" oder "Entsorgungspark" statt "Atommülldeponie“ gelten. Eine weitere Ansatzmöglichkeit für Bewußtseinslenkung durch sprachliche Formulierungen liegt in der Struktur der menschlichen Lernprozesse begründet. Der eigentliche Ausgangspunkt für den Erwerb von Erkenntnissen, Einsichten und Erfahrungen, von Wissen also, das gespeichert und weiterverarbeitet werden kann, liegt in der aktiven Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt begründet. Gleichzeitig kann aber diese individuelle menschliche Erfahrung, die in gesellschaftlichen Prozessen gesammelt wird, dadurch ersetzt werden, daß die Erfahrungen und das Wissen anderer Menschen angeeignet werden - ein Vorgang, auf dem jeder Lernprozeß basiert und ohne den eine Entwicklung des menschlichen Wissens wahrscheinlich nur schwer möglich wäre. Das wichtigste Medium in diesen Lernprozessen ist die Sprache, in der die Gedanken und Erkenntnisse formuliert und damit kommunizierbar, tradierbar und konservierbar gemacht werden. Die Fähigkeit des Menschen, theoretische Verallgemeinerungen vorzunehmen, auf der das Lernen basiert, wäre sinnlos, wenn diese Verallgemeinerungen als Ergebnisse geistiger Tätigkeit nicht ihren Ausdruck in der Sprache fänden, um so intersubjektiv zugänglich gemacht zu werden. In diesen Zusammenhängen ist es aber dann möglich, Begriffe zu prägen und Formulierungen zu finden, die als Wissen, Erfahrungen etc. ausgegeben und zu Gegenständen von Lernprozessen gemacht werden, ohne daß sie durch das Korrektiv der eigenen oder der gesellschaftlichen Erfahrung überprüft werden. Die sprachlenkerische Begriffsbildung wird so zur Bewußtseinslenkung. [Ende Seite 35] Besonders deutlich werden diese Zusammenhänge im Bereich der Termini, die aus dem politisch-ideologischen Repertoire einer Gesellschaft stammen, und die sich durch einen relativ hohen Abstraktionsgrad auszeichnen (75). Begriffe wie Freiheit, Demokratie, Nation, Recht usw. können nur schwer – wenn überhaupt - durch die eigene Anschauung, durch eigene Erfahrung, durch Vergleich mit der Realität also, überprüft werden. Sie sind nur indirekt mit der Wirklichkeit, die sie bezeichnen oder bezeichnen sollen, konfrontierbar. In der Tat führen diese Bezeichnungen auf ihrer relativ hohen Abstraktionsebene ein gewisses Eigenleben, an dem die Mehrheit der Sprachteilnehmer keinen Anteil hat. Die Tatsache, daß sie in ihrer Logik, in ihren Veränderungen und ihren erkenntnistheoretischen Aspekten nicht von allen oder gar nur von wenigen Adressaten politischer Rede erkannt und in Bezug auf die Wirklichkeit verifiziert oder falsifiziert worden können, macht sie gerade in solchen Zusammenhängen brauchbar, in denen weniger die aufklärende Information als vielmehr die gezielte Bewußtseinslenkung angestrebt wird. Die Wirksamkeit politisch motivierter Eingriffe in das Repertoire sprachlicher Zeichen mit dein Ziel der Handlungssteuerung von Menschen darf allerdings nicht überschätzt werden - ein Fehler, dem Sprachkritiker wie interessierte Politiker gleichermaßen erliegen können. Es ist nämlich nicht möglich, eine direkte und unmittelbare Beziehung -

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etwa im Sinne einer Ursache-Folge-Reaktion - zwischen einer sprachlichen Formulierung und einer bestimmten Handlung oder Unterlassung herzustellen, Nur im Bereich der direkten Einwirkungen ist das möglich, etwa durch Befehl, Anordnung oder Verbot, und gerade diese Maßnahmen sollen doch durch die Bewußtseinslenkung vermieden werden. Die Wirksamkeit sprachlicher Zeichen ist ein diffiziler Prozeß, in dem das gesamte Spektrum von sozialen, psychischen und situativen Faktoren und Bedingungen mitwirkt, durch das der Prozeß kommunikativer Tätigkeit und gesellschaftlicher Handlungen. Bestimmt wird. [Ende Seite 36] Der Erfolg oder Mißerfolg der Sprachlenkung läßt sich relativ leicht. - etwa durch statistische Häufigkeitserhebungen - kontrollieren. Eine Aussage über Erfolg oder Mißerfolg der Bewußtseinslenkung Ist damit aber nicht gemacht, denn man kann nicht davon ausgehen, daß mit dem Verschwinden einer Lautfolge auch die damit zu einem sprachlichen Zeichen verbundene Vorstellung verschwinden muß, Und umgekehrt kann mit dem Verbieten eines Wortes nicht eine politische Tatsache verbieten, wie sich auch mit dem Befehlen eines Wortes keine Vorstellungen erzwingen und keine damit verbundenen Fakten schaffen lassen. Dennoch existieren solche Vorstellungen, wie die Beispiele, die sich noch um viele vermehren ließen, zeigen. W. Betz nennt das „eine seltsame Mischung von uraltem Glauben an Sprachmagie und moderner Reklametechnik“ (76). Die Forderungen einer demokratischen Gesellschaft nach einer breiten Mitwirkung der Bürger in möglichst vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens setzt unter anderem voraus, daß nicht die Wörter, sondern die Begriffe, ihre realen Inhalte und ihre realen Beziehungen das Primäre sind, da anders eine inhaltliche Beteiligung an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen schon wegen mangelnder Informiertheit scheitern muß. Von daher entlarven sich alle Versuche, Wörter vor die Begriffe zu setzen, sie mit Wörtern zu verstellen, als Versuche, die Zusammenhänge zu verschleiern und so die Mitentscheidung und das Mitwirken aller Bürger zu verhindern. Die politisch motivierte Sprachlenkung ist daher nicht an Information, Aufklärung und geistiger Durchdringung der Sachverhalte und Zusammenhänge interessiert, sondern am Vermitteln einer ganz bestimmten Sichtweise, die nicht aus der Einsicht in die Realität, sondern aus dem politischen Interese und der politischen Zielrichtung resultiert. So folgt aus unseren Überlegungen ( ... ) das klare Gebot der Stunde: zu sehen, was wirklich geschieht und was zu sehen die offizielle Meinungsmacht uns hindern möchte, und die Dinge bei ihrem Namen zu nennen. (77) Anmerkungen 1) Zum Verhältnis von kommunikativer, geistiger und praktisch-gegenständlicher Tätigkeit vgl. Steinmüller, U.: Kommunikationstheorie. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977, S. 16 ff. 2) In einigen Darstellungen endet sie sogar bereits mit dem Frühneuhochdeutschen; die anschließenden Jahrhunderte werden dann als sprachliche Gegenwart behandelt. Vgl. z.B. Eggers, Hans: Deutsche Sprachgeschichte. 3 Bde. Reinbek bei Hamburg 1963-1969; Schmidt, Wilhelm u.a.: Geschichte der deutschen Sprache. 2. Aufl. Berlin 1970 3) Vgl. etwa das durch die Aufgabe der lateinisch beeinflußten consecutio temporum entstandene Zeitengefüge und seine Verwendung, die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Präsens, etwa im Präsens historicum, oder auch die Endstellung des Verbs im Nebensatz usw. 4) Zum Verhältnis des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus zur Sprachgeschichte vgl. u.a. Coseriu, E.: Einführung in die strukturelle Linguistik. Tübingen 1968, S. 13 f u.ö.; vgl. auch Motsch, W.: Kritik des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus. Berlin 1974. 5) Für einige Zeit galt sogar bei Studenten wie auch bei Dozenten die Ansicht, Soziolinguistik schlösse Sprachgeschichte aus, wie die Studienreformdiskussion z.B. in Berlin gegen Ende der sechziger Jahre zeigte. 6) Einen Überblick über dieses Spektrum bietet Dinser, G. (Hg.): Zur Theorie der Sprachveränderung. Kronberg/Ts. 1974. 7) Coseriu, E.: Synchronie, Diachronie und Geschichte. München 1974, S. 91. 8) Martinet, A.: Grundzüge der allgemeinen Sprachwissenschaft. 5. Aufl. Stuttgart 1971, S. 163.

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9) Zur Dialektik des Verhältnisses von Sprache und Tätigkeit vgl. Steinmüller, U., a.a.O., S. 13 ff. 10) Seit J. H. Bredsdorff finden sich diese Kategorien, auch in variierenden Formulierungen, immer wieder, wenn es um Fragen der Ursachen sprachlichen Wandels geht. Vgl. Bredsdorff, J.H.: Über die Ursachen der Sprachveränderungen. Tübingen 1970; dänisch zuerst Roskilde 1821. 11) Bei diesen Beispielen ist zwar nichts über die Ursache der Veränderung, gesagt, etwa im Sinne einer Antwort auf die Frage, wieso diese Akzentverschiebung usw. überhaupt eintrat. Sie zeigen aber, daß die Veränderungen über den eigentlichen Anstoß hinaus, der sie ausgelöst haben mag, systematisch sind und den Regelmäßigkeiten des sprachlichen Systems folgen. 12) In diesem Zusammenhang wird häufig vom "Aufsteigen" sprachlicher Phänomene aus sog. unteren Soziolekten in die Hochsprache gesprochen. Vgl. etwa Moser, H.: Sprache - Freiheit oder Lenkung? S. 20; Bach, A.: Geschichte der deutschen Sprache. Heidelberg 1965, 8. Aufl., S. 433 u. ö. Korrekter wäre es wohl, die Erscheinungen im Zusammenhang mit veränderten gesellschaftlichen Strukturen und den damit verbundenen Normsetzungsmöglichkeiten zu sehen. 13) Vgl. etwa die Verwendung des Indikativs in dass-Sätzen nach präsentischem Hauptsatzverb anstelle des potentialen Konj.Präs., die, wie auch die analytische Konjunktivbildung aus der sog. "Umgangssprache“ in die "Hochsprache" übernommen wurde. Auch andere Veränderungen im Konjunktivsystem, aber auch in anderen Teilbereichen des Sprachsystems, könnten wahrscheinlich durch die Berücksichtigung sprachsoziologischer Gesichtspunkte erklärt werden. 14) Serébrennikow, B. A.: Allgemeine Sprachwissenschaft, München 19739, S. 166. 15) Der Begriff "Gesetzmäßigkeit“ mit seinem normativ-fordernden Charakter wird hier bewußt vermieden, um nicht in einen z.B. bei den Junggrammatikern und ihren “Gesetzen" (Lautgesetz, Verner’sches Gesetz zurecht kritisierten Fehler zu verfallen. 16) In dieser Einschätzung stimme ich z.B. auch mit H. Steger überein. Vgl. Steger, H.: Über das Verhältnis von Sprachnorm und Sprachentwicklung in der deutschen Gegenwartssprache. - In: Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. Hg. v. H. Moser u.a. Düsseldorf 1968 17) Vgl. die Wörterbücher von Adelung und Campe. 18) Vgl. Siebs, Th.: Deutsche Bühnenaussprache, 1898; seit 1922 unter dem Titel “Deutsche Hochsprache" in immer neuen Auflagen erschienen. 19) Diese Position, die in der traditionellen deutschen Sprachwissenschaft und im Schulunterricht weit verbreitet war und auch heute noch ihre Verteidiger hat, läßt z.B. A. Bach Entlehnungen aus dem Englischen oder aus dem Amerikanischen nach dem 2. Weltkrieg als „Geschmack- und Würdelosigkeit“ und als „Verhunzung der Sprache Goethes“ qualifizieren. Bach, A.: Geschichte der deutschen Sprache. 8., stark erweiterte Aufl. Heidelberg 1965, S. 420. 20) Havránek, B.: Zum Problem der Norm in der heutigen Sprachwissenschaft und Sprachkultur. - In: A Prague School Reader in Linguistics, Hg. v. J. Vachek. Bloomington 1966, S. 413. 21) Exemplarisch zeigt sich das u.a. auch in Moser, H. u.a. (Hg.): Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. Düsseldorf 1968. 22) Vgl. Kirkness, A.: Zur Sprachreinigung im Deutschen 1789-1871. Tübingen 1975, Bd. II, S. 424 u.ö. 23) Riegel, H, : Der allgemeine deutsche Sprachverein als Ergänzung seiner Schrift: Ein Hauptstück von unserer Muttersprache, Heilbronn 1885, S. 3. 24) Zu den Bestrebungen des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins vgl. u.a. Kirkness, A., op. cit., S. 419 f.; Greß, F.: Germanistik und Politik. Kritische Beiträge zur Geschichte einer nationalen Wissenschaft. Stuttgart 1971. 25) Vgl. auch Jäger, S.: Sprachnorm als Aufgabe von Sprachwissenschaft und Sprachpflege. - In: Wirkendes Wort 18, 1968, S. 361-375. 26) Nikol’skij, L.B.: Prognose und Planung sprachlicher Entwicklung. - In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 15, 1971, S. 233. 27) Ein anderes Verständnis von Funktion und Aufgabenstellung der Sprachplanung vertritt u. a. Tauli, V.:Introduction to a Theory of Language Planning. Uppsala 1968. Vgl. aber auch die Kritik von S. Jäger an diesem Konzept: Jäger, S., op. cit., ders.: Sprachplanung: Valter Tauli’s "Introduction to a Theory of Language Planning“ - In: Muttersprache 79 (1969).

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28) Während H, Moser Sprachlenkung als einen Prozeß der bewußten und systematischen Beeinflussung der Sprache versteht, fasse ich die politisch motivierte Beeinflussung der Sprache zwar auch als einen bewußten aber unsystematischen Vorgang - soweit die Sprache betroffen ist. Innerhalb der politischen Intentionen und Gedanken Ist die Systematik deutlich. 29) Vgl. Klaus, G.: Sprache der Politik. Berlin 1971, S. 132. 30) Es wäre falsch, an dieser Stelle die alte Diskussion um Sprachkritik, Ideologiekritik und die Aufgabe der Sprachwissenschaft im Bereich der Pollitischen Lexik wieder aufzugreifen. Vgl. hierzu u.a. Dieckmann, W.: Sprachwissenschaft und Ideologiekritik. - In: Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Hg. v. M. W. Hellmann. Düsseldorf 1973. Es kann nicht darum gehen, die sprachwissenschaftliche Analyse derartiger sprachlicher Zeichen auf die Analyse der Form zu reduzieren und die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Ideologiekritik oder bestenfalls der Soziologie oder der Politologie zu überlassen. So lange die Semantik als Bestandteil der Sprachwissenschaft an erkannt wird muß sich die sprachwissenschaftliche Analyse auch mit den inhaltlichen Aspekten sprachlicher Formulierungen auseinandersetzen. Dies ist umso wichtiger, wenn Sprache in ihrer engen Verbindung zum Denken nicht nur als Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation verstanden wird, sondern auch als Instrument zur Formulierung von Abbildern der Realität, als Medium der Handhabbar- und Tradierbarmachung von Gedanken und Erkenntnissen. 31) Vgl. hierzu u.a. Schmidt, W.: Linguistische und philosophische Aspekte der Wirksamkeit politischer Rede. - In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 24, 1971; ders. u. H. Harnisch: Zur Grundlegung einer marx.-len. Sprachwirkensforschung. - In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 239 1970; Morris, Ch.: Signs, Language, and Behavior. New York 1946. 32) Vgl. z.B. Leinfellner, E.: Der Euphemismus in der politischen Sprache. Berlin 1971; Weldon, T.D.: Kritik der politischen Sprache. Vom Sinn politischer Begriffe. Neuwied 1962; Uhlig, E.: Studien zur Grammatik und Syntax der gesprochenen politischen Sprache des Deutschen Bundestages. Marburg; 1972; Erckenbrecht, U.: Politische Sprache. Gießen 1975; Klaus, G.: Sprache der Politik, Berlin 1971; Schmidt, W.: Linguistische und philosophische Aspekte der Wirksamkeit politischer Rede. - In: a.a.O.; Pelster, Th.: Die politische Rede im Westen und Osten Deutschlands. Düsseldorf 1966. 33) Vgl. Dieckmann, W.: Sprachwissenschaft und Ideologiekritik. a.a.0. 34) Bergsdorf, W.: Die sanfte Gewalt. - In: Beilage zu "Das Parlament" B 24/77; Bergsdorf ist Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der CDU in Bonn. 35) Bergsdorf, W., op. cit., S. 41. 36) Vgl etwa Moser, H. (Hg.): Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. Düsseldorf 1968; Handt, F. (Hg.) Deutsch - Gefrorene Sprache in einem gefrorenen Land? Berlin 1964. Vgl. auch Dieckmann, W.: Sprachwissenschaft und Ideologiekritik. - In: Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Hg. v. M. W. Hellmann, Düsseldorf 1973. 37) Vgl. u.a. Dieckmann, W.: Sprache und Ideologie. - In: Linguistik und Sprachphilosophie. Hg. V. M. Gerhardt. München 1974. 38) Betz, W.: Sprachlenkung und Sprachentwicklung. - In: Sprache und Wissenschaft. Göttingen 1960, S. 85. 39) Boveri, M,: Wir lügen alle. Olten 1965, S. 538. 40) Mackensen, L,: Verführung durch Sprache. München 1973, S. 179. 41) So waren etwa im Jahre 1890 fast 30 % der Mitglieder des Vereins im staatlich-behördlichen Bereich tätig, wie eine Statistik der Mitgliederzahlen ergibt. Vgl. Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 1890, Spalte 100. 42) Moser, H,: Sprache - Freiheit oder Lenkung? Mannheim 1964, S. 17. 43) ibid. 44) Süskind, W.E.: Gedanken zur Sprachpflege. - In: Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. Hg. v. H. Moser. Düsseldorf 1968, S. 203. 45) Mackensen, L.: Verführung durch Sprache. München 1973, S. 178. 46) Moser, H.: Sprache - Freiheit oder Lenkung? a.a.O., S. 24. 47) Klaus, G.: Sprache der Politik. Berlin 1971, S. 183. 48) Moser, H.: Sprache - Freiheit oder Lenkung?, S. 18. 49) Vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.): Nation. Aus den Materialien zum Bericht der Lage der Nation 1974, S. 123. In diesem Zusammenhang

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sind die Daten über die soziale Differenzierung bei der Übernahme sprachlicher Neuerungen mit politischem Charakter sehr interessant. 50) Vgl. z.B. die Berliner Morgenzeitung, "Der Tagesspiegel“ vom 19.8.1977, u.ö. 51) Vgl. die Berliner Morgenzeitung "Der Tagesspiegel“ vom 12.6.1977; die Abkürzung "DDR" erregt allerdings keinen .Anstoß. 52) ibid. 53) Vgl. Abgeordnetenhausdrucksache 7/143, S. 34-35 54) Vgl. das Organ der Technischen Universität Berlin, "TU-Info“ 14/76, S. 10. 55) Der Landespressedienst hat unter anderem die Funktion, die Massenmedien mit dem offiziellen Sprachgebrauch und amtlichen Interpretationen vertraut zu machen. 56) Vgl. "Der Tagesspiegel11 vom 9.8.1977. 57) Vgl. "Die Welt" vom 9.8.1977. 58) Eine ausführliche Diskussion der Bezeichnung dieser Personengruppen, in der das ganze politische Dilemma der verschiedenen Bundesregierungen zum Ausdruck kommt, findet sich bei Nail, N.: Zwischen Verlegenheit und Manipulation: Bezeichnungen für Deutsche, die die Deutsche Demokratische Republik verlassen haben. - In: Muttersprache, 85. Jg., 1975. 59) ln diesem Punkt widerspreche ich z.B. H. Moser, aber auch K. Berning, die beide die Behauptung aufstellen, politisch motivierte "Sprachlenkungen seien systematisch. Vgl. Moser, H.: " Sprache - Freiheit oder Lenkung? Mannheim 1964; Berning, K.: Vom Abstammungsnachweis zum Zuchtwart, Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin 1964. 60) Bergsdorf, W., a.a.O., S. 45. 61) Ein Aperçu am Rande ist dabei die Feststellung von W. Bergsdorf, daß es sich bei einer Parole wie "Fortschritt und Sozialismus“, die die SPD ausgegeben hatte, um eine „konturenlose Breitbandvokabel“ handele, während der CDU-Slogan "Freiheit statt Sozialismus" "erfolgreiche Kampfwörter“.seien, deren propagandistischer Erfolg sich im Ergebnis des Wahlkampfes zeige. Vgl. ibid. 62) Vgl. Bach, A., a.a,O., S. 422. 63) Diese Varianten sind z,B, in einem Erlaß des Chefs der Senatskanzlei Grabert vom 27.6.1969 als ausnahmsweise, aber nicht im amtlichen Gebrauch, zugelassen aufgeführt. 64) Vgl. Mackensen, L. a.a.O., S. 178 f. 65) Steger, H.: Über das Verhältnis von Sprachnorm und Sprachentwicklung in der deutschen Gegenwartssprache. - In: a.a.O., S. 46. 66) Betz, W., a.a.O., S. 85. 67) Whorff, B,L,: Sprache - Denken - Wirklichkeit. Reinbek bei Hamburg, seit 1963 in zahlreichen Auflagen. 68) Weisgerber, L.: Von den geistigen Kräften der deutschen Sprache. 2 Bde., 4. Aufl. Düsseldorf 1971. 69) Voigt, G,: Bericht vom Ende der 'Sprache des Nationalsozialismus’. - In: Diskussion Deutsch. 5. Jg. 1974, S. 452. 70) Fourquet, J.: Inwiefern ist das Individuum frei beim Gebrauch der Sprache? - In: Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. a.a.O., S. 98. 71) Tschirch, F.: Stehen wir in einer Zeit des Sprachverfalls? - In: ibid., S. 108. 72) Dieckmann, W.: Sprache und Ideologie, - In: Linguistik und Sprachphilosophie. a.a.O., S. 219. 73) Klaus, G.: Sprache der Politik, S. 177. 74) Zur Terminologie vgl. Morris, Ch., a.a.O., S. 125 ff.; Klaus, G.: Die Macht des Wortes. Berlin 1972, S. 63 ff. 75) G. Klaus spricht in diesem Zusammenhang von „hochaggregierten Symbolen". Vgl. Klaus, G.: Sprache der Politik, S. 56 ff 76) Betz, W., a.a.O., S. 95. 77) Kuhn, H.: Die Despotie der Wörter - Wie man mit Sprache die Freiheit überwältigen kann. -,In: Die Welt, 27.11.1973. Literaturhinweise Bergsdorf, Wolfgang: Die sanfte Gewalt. Sprache – Denken - Politik. - In: Aus Politik und Zeitgeschehen. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B 24/77, S- 39-47

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Betz, Werner: Sprachlenkung und Sprachentwicklung -In: Sprache und Wissenschaft. Göttingen 1960 Boveri, Margret: Wir lügen alle. Olten 1965 Bredsdorff, Jakob Hornemann: Über die Ursachen der Sprachveränderungen. Aus dem Dänischen übers. u. hg. v. Uwe Petersen. 2., verb. Aufl. Tübingen 1975 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.): Nation. .Aus den Materialien zum Bericht der Lage der Nation. Bonn 1974 Coseriu, Eugenio: Einführung in die strukturelle Linguistik. Autoris. Nachschrift bs. v. G. Narr u. R. Windisch. Tübingen 1969. Coseriu, Eugenio: Synchronie, Diachronie und Geschichte. Das Problem des Sprachwandels. Übers. v. H. Sohre. München 1974. Dieckmann, Walther: Sprache und Ideologie. Über die Ideologiegebundenheit der Sprache und die Macht des Wortes. - In: Linguistik und Sprachphilosophie. Hg. v; M. Gerhardt. München 1974 Dieckmann, Walther: Sprachwissenschaft und Ideologiekritik. Probleme der Erforschung des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik und der DDR. – In: Zum öffentlichen Sprachgebrauch in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Hg. v. Manfred W. Hellmann. (Bd. 18 d. Schriften des Inst. f. dt. Sprache) Düsseldorf 1973 Dinser, Gudula (Hg.): Zur Theorie der Sprachveränderung. Kronberg/Ts. 1974 Havránek, Bohuslav: Zum Problem der Norm in der heutigen Sprachwissenschaft und Sprachkultur. - In: A Prague School Reader in Linguistics. Hg. v. J. Vachek, Bloomington 1966 Jäger, Siegfried: Sprachnorm als Aufgabe von Sprachwissenschaft und Sprachpflege. - Ins Wirkendes Wort 18, 1968, S. 361-375 Kirknoss, Alan: Zur Sprachreinigung im Deutschen 1789-1871. Eine historische Dokumentation. 2 Bde. Tübingen 1975 Klaus, Georg: Die Macht des Wortes. Ein erkenntnistheoretisch-pragmatisches Traktat. Berlin 1972 Klaus, Georg: Sprache der Politik. Berlin 1971 Kuhn, H.: Die Despotie der Wörter. - Wie man mit Sprache die Freiheit überwältigen kann, - In: Die Welt, 27.11.1973 Mackensen, Lutz: Verführung durch Sprache. Manipulation als Versuchung. München 1973 Martinet, André, Grundzüge der allgemeinen Sprachwissenschaft, 5., unv. Aufl. Stuttgart 1971 Moser, Hugo: Sprache - Freiheit oder Lenkung? Zum Verhältnis von Sprachnorm, Sprachwandel, Sprachpflege. Mannheim 1964 (Publikation des Duden-Verlages) Moser, Hugo u.a. (Hg.): Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik. Bd. II d. Schriften des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf 1968 Nail, Norbert: Zwischen Verlegenheit und Manipulation. Bezeichnungen für Deutsche, die die Deutsche Demokratische Republik verlassen haben. - In: Muttersprache 85 Jg. 1975, S. 273-277 Nikol’skij, L.B.: Prognose und Planung sprachlicher Entwicklung. – In: Zur Soziologie der Sprache. Hg. v. R. Kjolseth u. F. Sack. Sonderheft 15 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Opladen 1971 Pelster, Theodor: Die politische Rede im Westen und Osten Deutschlands, Vergleichende Stiluntersuchungen mit beigefügten Texten. (Beiheft z. "Wirkendes Wort“) Düsseldorf 1966. Riegel, Herman: Der allgemeine deutsche Sprachverein als Ergänzung seiner Schrift: Ein Hauptstück von unserer Muttersprache. Heilbronn 1885. Serébrennikow, B.A.: Allgemeine Sprachwissenschaft. Bd. I: Existenzformen, Funktionen und Geschichte der Sprache. Hg. u. übers. v. H. Zikmund u. G. Feudel. München, Salzburg 1973 Steinmüller, Ulrich: Kommunikationstheorie. Eine Einführung für Literatur- und Sprachwissenschaftler. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977 Sturtevant, Edgar: Linguistic Change. An Introduction to the Historical Study of Language. With a New Introduction by Eric. P. Hamp. 3. Aufl. Chicago 1965 Tauli, Valter: Introduction to a Theory of Language Planning. Uppsala 1968 Voigt, Gerhard: Bericht vom Ende der "Sprache des Nationalsozialismus". - In: Diskussion Deutsch. 5. Jg. 1974