Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative...

230
2. MARKTREDWITZER BODENSCHUTZTAGE Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen-Management Informations- und Diskussionsforum für Wissenschaftler und Anwender mit Tätigkeiten im „anwendungsbezogenen Bodenschutz“ 15. - 17. Oktober 2001 Marktredwitz, Bayern Schirmherrschaft: Staatsminister Dr. Werner Schnappauf Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen Gefördert mit Mitteln der Europäischen Union Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung

Transcript of Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative...

Page 1: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2. MARKTREDWITZER BODENSCHUTZTAGE

Umsetzung der Bodenschutzgesetze und

Flächenressourcen-Management

Informations- und Diskussionsforum für Wissenschaftler und Anwender mit Tätigkeiten im „anwendungsbezogenen Bodenschutz“

15. - 17. Oktober 2001 Marktredwitz, Bayern

Schirmherrschaft:

Staatsminister Dr. Werner Schnappauf Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen

Gefördert mit Mitteln der Europäischen Union Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung

Page 2: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2. MARKTREDWITZER BODENSCHUTZTAGE

TAGUNGSBAND

Umsetzung der Bodenschutzgesetze und

Flächenressourcen-Management

Informations- und Diskussionsforum für Wissenschaftler und Anwender mit Tätigkeiten im

„anwendungsbezogenen Bodenschutz“

15. - 17. Oktober 2001 Marktredwitz, Bayern

Marktredwitzer Bodenschutztage Tagungsband 2

Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen-Management

220 S. Marktredwitz 2001

ISSN 1439-0175

Page 3: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Impressum Marktredwitzer Bodenschutztage Tagungsband 2 „Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen-Management“ Herausgeber: Stadt Marktredwitz Egerstr. 2 D-95615 Marktredwitz Tel.: 09231/501-10 Fax: 09231/501-174 Redaktion und Layout: Dr. Michael Joneck Bayerisches Geologisches Landesamt, Außenstelle Marktredwitz Für den Inhalt der Einzelbeiträge zeichnen die Autoren verantwortlich. Druck: Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen

Page 4: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Inhaltsverzeichnis Grußworte HERR STAATSMINISTER DR. WERNER SCHNAPPAUF (BAYER. STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN)............................................................................. 4 FRAU DR. BIRGIT SEELBINDER (OBERBÜRGERMEISTERIN DER STADT MARKTREDWITZ)...................... 5 Vorträge

GLOGER, S. (MINISTERIUM FÜR UMWELT UND VERKEHR BADEN-WÜRTTEMBERG) & LEHLE, M. (LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG): Flächenressourcen-Management - ein umweltpolitischer Schwerpunkt im Land Baden-Württemberg ...................... 7 HENSOLD, C. (BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ): Das Flächenressourcen-Management in Bayern ................................................................................................................ 17 DINKELBERG, W. ET AL. (LANDESUMWELTAMT BRANDENBURG): Entsiegelungsflächen- Kataster als Instrument für ein effektives Flächenressourcen-Management ............................... 23 WITTMANN, M. (STADTENTWICKLUNGS- UND WOHNUNGSBAU GMBH MARKTREDWITZ): Von Industriebrache zur Vitalen Innenstadt am Beispiel Marktredwitz ..................................... 29 SCHEPER, K. & WAGNER, U. (DU DIEDERICHS + PARTNER, PUCHHEIM): Flächenrecycling am Beispiel des kontaminierten Werksgeländes der Zellulosefabrik in Kelheim ....................... 35 BEYER, J. ET AL. (IABG MBH, OTTOBRUNN): Konversion einer Rüstungsaltlast zum Freizeitpark .................................................................................................................................. 42 BIHLER, M. ET AL (WENDLER TREMML RECHTSANWÄLTE, MÜNCHEN): Bodenschutz versus Naturschutz ? Bewältigung des Konflikts beim Flächenrecycling von Industriebrachen ....................................................................................................................51 JANSSEN, G. (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE RAUMENTWICKLUNG E.V., DRESDEN): Raumordnerische Ausgleichsregelung zur Sicherung interkommunaler Flächenpools ............. 58 VOLKWEIN, S. (C.A.U. GMBH, DREIEICH): Umweltbilanzierung von Altlastensanierungen: Umsetzung einer Forderung der Bundesbodenschutzgesetzgebung ............................................ 65 EINIG, K. ET AL. (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE RAUMENTWICKLUNG, DRESDEN): Regionales Flächenmanagement in Deutschland – Konzept und exemplarische Fallbeispiele …………..... 71 WOHNLICH, S. ET AL. (GEO-DEPARTMENT I. G. DER LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN/BFM GMBH, AUGSBURG): Passive Sanierung eines ehemaligen Gaswerk- standortes - Hydraulische Dimensionierung ............................................................................... 79

Page 5: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

FESTBAUM, J. (WASSERWIRTSCHAFTSAMT WEIDEN): Ein Beispiel für Flächenrecycling. Abriss einer Porzellanfabrik und Bebauung des Betriebsgeländes mit einem Einkaufszentrum – Altlastensituation und Bauschuttproblematik .............................................................................. 85 PÖPPERL, J. (SOKOLOVSKÁ UHELNÁ, SOKOLOV (ČR)): Bodenschutz und Rekultivierung im Kohlenrevier von Sokolov ........................................................................................................... 92 KÖNIG, W. ET AL. (MINISTERIUM FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN, DÜSSELDORF): Digitale Bodenbelastungskarten als Instrument zur Ermittlung großflächiger immissions- bedingter Bodenbelastungen ........................................................................................................ 96 KOHL, R. & DENZEL, S. (LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG, KARLSRUHE): Systematische Bearbeitung von schädlichen Bodenveränderungen/Altlasten – Arbeitshilfe für den Vollzug ...................................................................................................... 103 KEMMESIES, O. (DR. KEMMESIES UND PARTNER, GUNZENHAUSEN): Instrumente zur Sicker-wasserprognose: Arbeiten der gleichnamigen BWK-Arbeitsgruppe 6.2 ...................................110 DUHNKRACK, M. & SCHMEDERER, J. (BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR LANDES-ENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN / BAYERISCHES LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT, MÜNCHEN): Kooperationsmodell Schießplätze. Umweltverträglicher Betrieb von Wurf- Scheibenschießanlagen in Bayern ..............................................................................................118 BRANDHUBER, R. ET AL. (BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR BODENKULTUR UND PFLANZEN- BAU, FREISING): Bodenerosion und Gefahrenabwehr - Arbeitshilfen zur Umsetzung von § 8 BBodSchV in Bayern ........................................................................................................... 122 CHVÁTAL, V. & KRÁLOVEC, J. (ZENTRALE LANDWIRTSCHAFTLICHE KONTROLL- UND UNTERSUCHUNGSANSTALT (ÚKZÚZ), PLZEŇ (CZ)): Bedeutung des basalen Bodenmonitorings bei dem Bodenschutz in Tschechien .......................................................................................... 129 Posterbeiträge BABUREK, J. & ROHRMÜLLER, H. (CESKÝ GEOLOGICKÝ ÚSTAV, PRAHA/BAYERISCHES GEOLOGISCHES LANDESAMT): Landschaft und Geologie zwischen Marktredwitz und Sokolov ............................................................................................................................... 135 BERGER, W. & STOERMER, J. (BAYER. LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT, WIELENBACH): Bayerische Aktivitäten im Hinblick auf die Umsetzung der BayBodSchVwV - Das F&E-Vorhaben "Emissionsabschätzung / Prüfwerte" ........................................................................ 139 CICHOLINSKI, E. (LANDRATSAMT BERCHTESGADENER LAND, BAD REICHENHALL): Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden; hier am Beispiel von Klärschlamm im Rahmen eines Rekultivierungsvorhabens .................... 144

Page 6: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

HENKEN-MELLIES, W.U. & GARTUNG, E. (LGA, NÜRNBERG): Langzeituntersuchung alternativer Deponie-Oberflächenabdichtungen – Feldversuche auf der Deponie "Im Dienstfeld" (Lkr. Ansbach) ................................................................................................. 148 HOPP, L. ET AL. (LEHRSTUHL FÜR HYDROLOGIE, UNIVERSITÄT BAYREUTH): Forschungs- vorhaben zur Verfahrensoptimierung im Rahmen der Sickerwasserprognose .......................... 154 KRAFT, M. (BAYERISCHES GEOLOGISCHES LANDESAMT, MÜNCHEN): Gezieltes Flächen-ressourcen-Management durch Bewertung und Gegenüberstellung von Bodenfunktionen ......159 NEMEC, P. ET AL. (ÚKZUZ, BRNO (CZ)): Role of geological substrate in assessment of risk element contents in soil …………………………………………………………………...164 PENNDORF, O. (STAATL. UMWELTFACHAMT, LEIPZIG): Die Zusammenarbeit von Berg- und Bodenschutzfachbehörden beim Vollzug des Abfall-, Berg- und Bodenschutzrechtes für die Wiedernutzbarmachung von Bergbauflächen .............................................................................169 PIROGOWSKAJA, G. V. (WISSENSCHAFTLICHER FORSCHUNGSSTAATSBETRIEB «INSTITUT FÜR BODENKUNDE UND AGROCHEMIE», MINSK): Der Einfluss von Langzeitdüngern auf den ökologischen Bodenzustand im Prozess der landwirtschaftlichen Nutzung ……………... 175 REINIRKENS, P. (INSTITUT FÜR STADTÖKOLOGIE UND BODENSCHUTZ, WITTEN): Abgrenzung und Darstellung von Gebieten mit Überschreitung der Vorsorge-, Prüf – oder Maßnahmenwerte (BBodSchV) ............................................................................................................................... 180 RIEDER, A. (BÜRO WOLFGANG WEINZIERL, INGOLSTADT): INTERPARK Großmehring / Kösching – Flächenrecycling für Industrie und Gewerbe ..........................................................186 SANDHAGE-HOFMANN, A. & KAUPENJOHANN, M. (INSTITUT FÜR BODENKUNDE UND STANDORTS-LEHRE DER UNIVERSITÄT HOHENHEIM): Flächenressourcenmanagement in Städten - Entwurf eines Planungsinstrumentes für Kommunen ...............................................................................192 SCHILLING, B. ET AL. (BAYERISCHES GEOLOGISCHES LANDESAMT, MÜNCHEN/MARKTREDWITZ): „Intensiv-Bodendauerbeobachtung“ - ein Beitrag für den Bodenschutz der Zukunft .................197 SCHRAMM, K.-W. ET AL. (GSF-FORSCHUNGSZENTRUM FÜR UMWELT UND GESUNDHEIT, INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE CHEMIE, NEUHERBERG): Sickerwasserprognose hydrophober POP durch Online-Chromatographie auf Realböden ..................................................................................... 202 SCHRENK, V. ET AL. (VEGAS - INSTITUT FÜR WASSERBAU, UNIVERSITÄT STUTTGART): Neue Ansätze im Flächenrecycling. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe FIGURA und das Projekt „Bewertungsmatrix“ .................................................................................................................. 208 WEINDL, J. & KOCH, M. (BFM UMWELT-BERATUNG-FORSCHUNG-MANAGEMENT GMBH, AUGSBURG): Funnel-and-Gate - Chance für innerstädtisches Flächenrecycling ...................... 214

Page 7: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Böden sind im wahrsten Sinne des Wortes die Fundamente unserer zivilisatorischen Existenz und nicht oder nur mit hohem finanziellem Aufwand wiederherstellbar. In Bayern ist deshalb der vorsorgende Bodenschutz ein zentraler Trittstein weiß-blauer Umweltschutzpolitik. Angesichts eines täglichen Flächenverbrauchs von rd. 29 Hektar für Siedlungs- und Verkehrszwecke gilt der Ressource Boden unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem kostbaren Zukunfts-gut Boden muss zur Selbstverständlichkeit im 21. Jahrhundert werden – gerade auch im Hinblick auf das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung. Reduzierung des Flächenverbrauchs und Flächenrecycling werden daher in Bayern groß geschrieben. Gemeinsam mit der Obersten Baubehörde und unter Beteiligung der kom-munalen Spitzenverbände führt das Bayerische Staatsministerium für Landesentwick-lung und Umweltfragen ein Pilotprojekt zum Flächenressourcen-Management durch. Die Ergebnisse des Projekts werden in Form eines praxisgerechten Leitfadens für Kommunen publiziert, der den bayerischen Städten und Gemeinden konkrete Hand-lungsanleitungen und Checklisten für einen gleichermaßen sparsamen wie sorgsamen Umgang mit Grund und Boden an die Hand geben wird. Bayern hat in den zurückliegenden Jahren erhebliche Anstrengungen zum Schutz des Bodens unternommen – mit Erfolg. So trat als erstes Bundesland in Bayern zeitgleich mit dem Bundesbodenschutz- und Altlastengesetz das bayerische Bodenschutzgesetz in Kraft. Als eines der ersten Bundesländer wird Bayern zudem eine Verordnung für Sach-verständige- und Untersuchungsstellen verabschieden. Darüber hinaus verfügt Bayern über ein bundesweit einmaliges, abgerundetes Altlastenfinanzierungsmodell für ge-werbliche Altlasten. Und – last but not least – bei der Fortschreibung des Landesent-wicklungsprogramms werden wir auf Ziele zur Verringerung des Flächenverbrauchs besonderes Gewicht legen. Bayern ist sozusagen ein guter Boden für den vorsorgenden Bodenschutz! In diesem Kontext kommt den 2. Marktredwitzer Bodenschutztagen bayernweit eine wichtige Katalysator- und Multiplikatorenfunktion zu. Hier werden aktuelle Themen aus Forschung und Praxis vorgestellt und diskutiert – eine Kommunikations- und In-formationsplattform der Extraklasse. Kurzum: Die Marktredwitzer Bodenschutztage stehen der Stadt und dem Freistaat Bayern hervorragend zu Gesicht. Und sie schicken sich an, einen festen Platz im Terminkalender der deutschen und internationalen Boden-schutzakteure einzunehmen. In diesem Sinn wünsche ich der Veranstaltung einen eben-so erfolgreichen Verlauf wie vor zwei Jahren und den Teilnehmern aus nah und fern einen intensiven Erfahrungsaustausch. Dr. Werner Schnappauf

Bayerischer Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen

Page 8: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Grußwort der Oberbürgermeisterin der Stadt Marktredwitz Dr. Birgit Seelbinder zu den 2. Marktredwitzer Bodenschutztagen vom 15. bis 17. Oktober 2001 in Marktredwitz

Das große Interesse aus Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft an den letzten Marktred-witzer Bodenschutztagen 1999 war Anlass dafür, diese Tagungsreihe fortzusetzen. Ich freue mich über diese Entwicklung, die ohne Zweifel eine Bereicherung für unsere Region an der Nahtstelle zwischen dem EU-Beitrittskandidaten Tschechien und Deutschland bedeutet. Für Marktredwitz eröffnet sich mit dieser Tagung eine weitere Möglichkeit, dem Ruf als Umwelt-stadt gerecht zu werden. Der Tagungsband, den Sie in Händen halten, ist eine wertvolle Informationsquelle. In ihm sind alle Vorträge und Posterbeiträge, die während der Tagung zu hören und zu sehen sind, in übersichtlicher Form abgedruckt. Für alle, die sich mit den Themen „Umsetzung der Boden-schutzgesetze“ und „Flächenressourcen-Management“ in Theorie und Praxis befassen, ist der Tagungsband eine Sammlung hochkarätigen Wissens verbunden mit aktuellen Erkenntnissen aus der praktischen Arbeit. Flächenressourcen-Management und hier insbesondere das Flächenrecycling war in Markt-redwitz in den vergangenen Jahren ein besonders aktuelles und brisantes Thema. Der Altlas-tenfall „Chemische Fabrik Marktredwitz (CFM)“, ein vornehmlich mit Quecksilber verseuch-tes Areal von rund 50.000 m² Fläche mitten in der Stadt, stand 1985 zur Sanierung an. Ein hoher technischer Aufwand und erhebliche Finanzmittel waren notwendig, die Altlast in mo-dellhafter Weise zu beseitigen. Schon während der laufenden Sanierungsarbeiten machten sich die Verantwortlichen von Stadt und Staatsregierung daran, die Weichen für eine sinnvol-le Nachfolgenutzung zu stellen. Heute, fünf Jahre nach Abschluss der Sanierung, ist auf dem Gelände ein großzügiges Handels- und Dienstleistungszentrum mit Parkhaus und Kino ent-standen. Der vorbeifließende Kösseine-Fluss wurde renaturiert und auch an eine Wohnbebau-ung auf dem Areal ist gedacht. Erfreulicherweise konnte die Außenstelle des Bayerischen Geologischen Landesamtes in diesem Gebäudekomplex angesiedelt werden - ein ganz beson-derer Gewinn für Marktredwitz. Marktredwitz als Tagungsort für Themen des Bodenschutzes zu wählen bietet sich daher an. Von Vorteil zeigt sich in diesem Zusammenhang auch die Nähe zur Tschechischen Republik und der damit verbundenen Möglichkeit, grenzüberschreitend Aufgaben des Bodenschutzes zu diskutieren. Diese Perspektive und die gute Zusammenarbeit mit den Fachleuten in Tsche-chien waren schließlich ausschlaggebend für die europäische Union, die Tagung aus Mitteln

Page 9: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2

der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein großes Dankeschön möchte ich an dieser Stelle an alle richten, die mitgeholfen haben, die 2. Marktredwitzer Bodenschutztage zu realisieren. Mein besonderer Dank gelten dem Bayeri-schen Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen, Herrn Dr. Werner Schnap-pauf, für die Unterstützung und die Übernahme der Schirmherrschaft sowie seinem Ministeri-um für die gute Zusammenarbeit. Für die fachliche Konzeption und Ausgestaltung danke ich dem Bayerischen Geologischen Landesamt, insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern der Außenstelle Marktredwitz und den Bayerischen Landesämtern für Umweltschutz und Wasserwirtschaft. Ausdrücklich danke ich aber all jenen, die mit ihren Referaten, Postern und Diskussionsbeiträgen die hohen fachlichen Qualitätsansprüche, die die Tagungsteilnehmer an die 2. Marktredwitzer Bodenschutztage stellen, in hervorragender Weise erfüllen. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den 2. Marktredwitzer Bodenschutztagen 2001 wünsche ich eine äußerst informative Tagung mit vielen neuen und aktuellen Erkenntnissen zu den angebotenen Themen. Ich würde mich freuen, wenn die Marktredwitzer Bodenschutz-tage zur festen Einrichtung würden und damit noch viele weitere derartige Tagungen in Marktredwitz stattfinden könnten. Marktredwitz, die Umweltstadt in der Mitte Europas, wird das Ihrige dazu gerne beitragen.

Dr. Birgit Seelbinder

Page 10: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Flächenressourcen-Management - ein umweltpolitischer Schwerpunkt im Land Baden-Württemberg

Gloger, Stefan; Lehle, Manfred*

Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Postfach 103439, 70029 Stuttgart * Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Postfach 210752, 76157 Karlsruhe

e-mail: [email protected]; [email protected] Abstract: Soil is becoming an increasingly scarce resource. Urban sprawl still remains at a high level. Management practices for urban and rural land use can help to reduce urban sprawl and to handle remnant soil resources providently. Integrated research programs dealing with appropriate soil management practices have been established in Baden-Wuerttemberg in the environmental research. The environmental protection agency of the state BW has initiated projects with pilot towns. Zusammenfassung: Böden sind eine knappe Ressource. Dennoch schreitet die Boden- und Flächen-Inanspruchnahme für Siedlung und Verkehr nach wie vor mit hohem Tempo fort. Flächenressourcen-Management soll den sparsamen und schonenden Umgang mit Boden und Fläche unterstützen. In Baden-Württemberg werden hierzu im Rahmen der Umweltforschung integrative Lösungen entwi-ckelt. Die Landesanstalt für Umweltschutz führt Modellprojekte mit Pilot-Kommunen durch. Keywords: soil protection, management of urban development, redeveloping brownfields, urban sprawl, soil management; Schlagworte: Bodenschutz, Flächen-Management, Flächeninanspruchnahme, Bodenbewertung, kommunale Handlungsspielräume. 1 Problemstellung und Ausgangslage Die laufende Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr und damit der Verlust an Böden und ihren ökologischen Funktionen hält unvermindert an. In Baden-Württemberg werden über 90 % der Landesfläche intensiv genutzt, etwa 48 % landwirtschaftlich, 38 % forstwirtschaftlich. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt inzwischen knapp 13 % der Landesfläche ein. Etwa die Hälfte hiervon ist versiegelt; die andere Hälfte durch Verdichtung und Immissionen teilweise beeinträchtigt. Bislang wurden ca. 20.000 Verdachtsflächen bei Altstandorten erhoben. Ein Großteil davon waren früher gewerblich genutzte Flächen, auf denen Boden- und Grundwasserkontaminationen vorliegen oder zumindest vermutet werden. Viele dieser Flächen, die zum Teil gut erschlossen sind, liegen derzeit noch brach. Boden gehört zu den natürlichen und unverzichtbaren Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Böden sind eine knappe, nicht erneuerbare natürliche Ressource. Es ist offensichtlich, dass eine gleichbleibend hohe Rate der Inanspruchnahme auf Dauer nicht möglich ist. Weil sich Siedlungs-schwerpunkte meist in Gebieten mit sehr fruchtbaren Böden bildeten, werden heute für Siedlungs- und Verkehrsflächen mit ihrem stetigen Zuwachs oft Böden mit höchster Leistungsfähigkeit zerstört, obwohl noch Flächenreserven im Innenbereich bestehen, die un- oder untergenutzt sind.

7

Page 11: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2 Ziele Auch die Nutzung der Böden muss sich am Grundsatz der Nachhaltigkeit orientieren. Flächenreserven im Innenbereich lassen sich durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen unter Anwendung der vorhandenen Planungsinstrumentarien mobilisieren. Für eine nachhaltige Nutzung von Flächen und Böden ist ein Management-Ansatz hilfreich. Wesentliche Elemente hierfür sind die präzise Kenntnis vorhandener Flächen-Ressourcen, der mobilisierbaren Reserven einschließlich der revitali-sierbaren Altlasten und Verdachtsflächen sowie der Einsatz geeigneter Bewertungsverfahren. Neben dem sparsamen Umgang mit Flächen ist auch ein schonender Umgang mit dem Boden notwendig, damit dessen ökologische Funktionen erhalten bleiben. Die Realisierung künftig noch notwendiger Flächeninanspruchnahme soll auf - im Sinne des Bodenschutzes - weniger wertvollen Flächen stattfinden. Auch der Umgang mit Bodenaushub kann noch optimiert werden. Die Ziele und Unterziele des Flächenressourcen-Managements sind in Abbildung 2 dargestellt. Der Umweltplan des Landes Baden-Württemberg (MINISTERIUM FÜR UMWELT UND VERKEHR BADEN-WÜRTTEMBERG, 2000) setzt für Flächeninanspruchnahme und Bodenverbrauch klare Ziele: „Zur langfristigen Sicherung von Entwicklungsmöglichkeiten (ist) die Inanspruchnahme bislang unbebauter Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis 2010 deutlich zurückzuführen“. Zum Schutz wertvoller Böden verlangt er, „bei unvermeidbaren Eingriffen (für Siedlungs- und Verkehrs-zwecke) diese auf Flächen zu lenken, die infolge Vornutzung oder naturbedingt eine geringere Leistungsfähigkeit im Naturhaushalt aufweisen“. Der (Entwurf des) Landesentwicklungsplan(es) sieht die vorrangige Nutzung von Baulücken und Baulandreserven sowie von Brach-, Konversions- und Altlastenflächen vor. 3 Problemaufarbeitung und Lösungsentwicklung durch Forschung und Entwicklung Die Hindernisse für eine Wiedernutzung von Gewerbebrachflächen können identifiziert werden: • mangelhafte oder fehlende Planungssicherheit • hoher Zeit- und Kostenaufwand • hoher Verwaltungsaufwand • finanzielles / haftungsrechtliches Risiko bei Altlasten • schwierige Vermarktung Im Rahmen des Baden-Württemberg Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung (BW-PLUS) werden unter dem Leitthema „Boden- und Flächenressourcen-Management in Ballungsräu-men“ übergreifende technische, ökonomische und ökologische Aspekte des Umgangs mit Boden und Fläche bearbeitet. BW-PLUS unterstützt beim Institut für Wasserbau der Universität Stuttgart, wo auch die VEGAS - Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung angesiedelt ist, den interdisziplinären Projektverbund FIGURA (Flächenrecycling, Industriebrachen, Grundwasserschutz - Umweltgerechte Revitalisierung von Altstandorten) und die Arbeitsgruppe Boden und Ökologie in Stadtökosystemen (AGBÖS) beim Institut für Bodenkunde und Standortslehre der Universität Hohenheim. FIGURA widmet sich der Planung und Technik beim Flächenrecycling, aber auch übergreifenden Fragen wie Baureifmachung, Vermarktung, Planungssicherheit / Recht / Haftung. AGBÖS bearbeitet ökologische Aspekte der Siedlungsentwicklung z.B. zur Bewertung von Böden. Enge Kooperationen mit der Umweltverwaltung, Kommunen, Verbänden sowie mit Flächen-eigentümern, Banken, Versicherungen, Investoren und Planungsbüros sorgen dafür, dass in der Forschungsarbeit alle relevanten Aspekte betrachtet werden (siehe Abb. 1). Bisher hat das Ministerium

8

Page 12: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

für Umwelt und Verkehr für Forschungsprojekte allein auf diesem Gebiet über 2,7 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg werden u.a. methodische Hilfestellungen für ein Innenentwicklungskonzept mit einem Planungsbüro erarbeitet. Weitere Projekte sind geplant.

Lage Verkehrsanbindung

Nutzung

Bebauung

Naturräumliche Faktoren

Baugrund

Sanierung (erfolgt oder geplant)

Umweltbilanz

Rechtliche Belange und Auflagen

Öffentlichkeitsarbeit

Kosten

Eigentumsverhältnisse

Schadstoffe (Kontaminationen/Abfälle)

Marketing

Reaktivierungs- und Entwicklungspotentiale

Kommunikation

Verhältnismäßigkeit Ökonomie - Ökologie

Abb. 1: thematische Breite der bei Revitalisierungsprojekten relevanten Module 4 Der Umweltpolitische Schwerpunkt Flächenressourcen-Management der LfU

entwickelt Handlungshilfen für die Kommunen Bei der Umsetzung der formulierten Ziele kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Sie besitzen im Rahmen ihrer Planungshoheit ein hohes Maß an Gestaltungsmöglichkeiten. Um diese Handlungsspielräume im Sinne einer flächensparenden und bodenschonenden Stadtentwicklung nutzen zu können, sollen die Kommunen mit praxisnahen Handlungshilfen unterstützt werden. Zielgruppe sind vor allem Kommunen mit Einwohnerzahlen bis ca. 50.000, weil sie die Konzeption und Erarbeitung eines Flächenressourcen-Managements aufgrund geringerer personeller Ausstattung oft nicht selbst leisten können. Zur Unterstützung der Kommunen liegt seit Februar 2001 ein Werkstattbericht zum Flächenressour-cen-Management (LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG, 2001) vor, der die Erfahrung der beteiligten Projektpartner dargelegt. Der Werkstattbericht wurde als vorläufiges Ergebnis veröffentlicht, um den Kommunen und weiteren Beteiligten die Möglichkeit zu geben, durch Rückkopplung zu einer praxisnahen Handlungshilfe beizutragen. Dies war auch ausdrücklicher Wunsch des Städtetages. Parallel werden die Handlungshilfen in den Pilotkommunen Bruchsal und Bad Wildbad getestet und fortgeschrieben. Bei der Weiterentwicklung der Empfehlungen im Werkstattbericht werden Erfahrungen außerhalb Baden-Württembergs berücksichtigt, so z.B. die Berichte des Umweltbundesamtes (UMWELTBUNDESAMT 1998 und 2000), die Empfehlungen aus den Projekten Städte der Zukunft des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG 1999 und 2001). Auch Strategien und Umsetzungsschritte aus dem Bodenschutzkonzept der Landeshauptstadt Stuttgart, welches das Ministerium für Umwelt und Verkehr mit fördert, sind noch aufzugreifen.

9

Page 13: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Der Werkstattbericht zeigt Strategien und Methoden auf, wie die Aufgabe Flächenressourcen-Management angegangen werden kann. Band I soll die Entscheidungsträger für das Thema Flächen-ressourcen-Management sensibilisieren und motivieren. Für die Entscheidungsvorbereiter und die mit der praktischen Ausführung betrauten Akteure in Verwaltung, Fachbüros und der interessierten Öffentlichkeit folgen mit den Bänden II und III vertiefende Unterlagen. Im folgenden wird ein Überblick über Inhalte und Angebote des Werkstattberichts gegeben. Zu vier übergeordneten Zielen des Flächenressourcen-Management werden den Kommunen Argu-mentations- und Handlungshilfen sowie Werkzeuge bereitgestellt (Abb. 3).

Abb. 2: Ziele und Unterziele des Flächenressourcen-Managements Verbesserungsmöglichkeiten im kommunalen Planungsprozess Ein aktives Flächenressourcen-Management zielt sowohl auf die mittelfristige, kreativ-visionäre Planung der Stadtentwicklung als auch auf die vorbereitende und verbindliche Bauleitplanung. Fachplanungen werden ebenfalls beeinflusst (s. Abb. 3). Es kommt darauf an,

• in der Kommune vorhandene und neue Informationen zu bündeln und auszuwerten • die kommunale Planung zielgerichtet und bedarfsorientiert zu koordinieren • und das gesamte städtebauliche Instrumentarium zu nutzen.

Städtebauliches Instrumentarium Der städtebaulichen Planung steht hierzu ein umfassendes und hoch entwickeltes Instrumentarium zur Verfügung, mit dem auch die Anforderungen des Flächenressourcen-Managements erfüllt werden können (s. Abb. 3).

10

Page 14: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abb. 3: Wirkungsmodell des Flächenressourcen-Managements

Städtebauliche Entwicklungsplanung bietet als „informelles“ Planungsinstrument eine Möglichkeit, die aus dem Flächenressourcen-Management abgeleiteten Vorhaben zu integrieren. Ihre Vorteile liegen vor allem in der Chance, abseits der für den Bürger oft unverständlichen Rechtspläne Überzeu-gungsarbeit in der Öffentlichkeit wie auch in der Kommunalpolitik zu leisten, z.B. durch das o.g. Innenentwicklungskonzept. Der Flächennutzungsplan ist von zentraler Bedeutung für die Umsetzung von Zielen des Flächenma-nagements, da er die Zukunftsvorstellungen einer Gemeinde abbildet. Mit diesem Instrument können Flächen eingespart, Versiegelungen vermieden, Konversionen vorbereitet, Freiflächen und Biotope geschützt und die Bodennutzung gelenkt werden. Über den Bebauungsplan als „Ortsgesetz“ lassen sich wesentliche Ziele rechtsverbindlich festsetzen. Der Bebauungsplan umreißt jedoch nur ein Angebot – Initiativen für eine aktive Umsetzung werden hier nicht entwickelt. Dies können ergänzende Instrumente leisten, z.B. städtebauliche Verträge, Stadterweiterungspläne, Entwicklungsmaßnahmen. Auch ein Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 12 BauGB – in der Grafik als V+E Plan bezeichnet – kann zur Forcierung der Innenentwicklung genutzt werden und oft ein förmliches Bebauungsplanverfahren im Innenbereich ersetzen. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und weitere Vorteile der Bürgerbeteiligung zu nutzen, bieten sich ferner die Instrumente der Lokalen Agenda 21 an. In Agenda-Prozessen (u.a. LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG) können an örtliche Besonderheiten angepasste Leitbilder erarbeitet werden, die auf eine nachhaltige Entwicklung der Kommune abzielen

11

Page 15: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

und ein zusätzliches Beteiligungselement schaffen. Entscheidungen zur Flächennutzung werden immer auch unter ökonomischen Gesichtspunkten getroffen. Das Schließen von Baulücken und verdichtende Maßnahmen im Innenbereich bringen monetären Nutzen für die Gemeinde: - Erweiterungsflächen im Außenbereich und Erschließungskosten werden vermieden; - die vorhandene Infrastruktur wird besser ausgelastet; - Unterhaltungskosten sinken; - Vorfinanzierungskosten werden minimiert, u.U. entfallen Ausgleichsmaßnahmen. Hilfreich für den haushälterischen Umgang mit Boden und Fläche ist es, wenn auf der Grundlage einer Ist-Analyse eine Flächeninventur vorliegt, die umfassende Kenntnis aller Flächen und Böden samt ihrer bisherigen und möglichen Nutzungen liefert. Erfassungskriterien dazu liefern die Fachkapitel des LfU-Werkstattberichts. So können die Potenziale einer Kommune sichtbar gemacht werden. Auf dieser Grundlage lassen sich Prioritäten festlegen. Die Flächeninventur ist jedoch keine zwingende Voraussetzung dafür, ein Flächenmanagement beginnen zu können. Einzelne Flächen oder Stadtteile mit bekannten Problemen – z.B. brachliegende Fläche mit Entwicklungspotenzial, übermäßige Versiegelung – können auch sofort bearbeitet werden. Nur in wenigen Fällen wird es möglich sein, sämtliche Ziele des Flächenressourcen-Managements gleichzeitig umzusetzen. Der Aufbau des Werkstattberichts als „Werkzeugkasten“ bietet die Mög-lichkeit, nur einzelne Punkte anzugehen, um das Flächenressourcen-Management sukzessive einzu-führen. Jedes Fachkapitel des Werkstattberichts kann unabhängig von den anderen Fachkapiteln umgesetzt werden. Als leistungsfähiges Werkzeug für die Flächeninventur bieten sich Informationssysteme an, um einen Überblick über Potenziale der Innenentwicklung oder über ökologische Ressourcen des Gemein-degebiets zu erhalten. Geographische Informationssysteme werden bereits häufig bei Liegenschafts-, Kanal- oder Leitungskatastern eingesetzt. Auch die Umweltbehörden des Landes nutzen GIS zur Datenhaltung, z.B. zur Erfassung von Biotopen und Altlasten. Um die Rauminformationen darzustel-len, wird in Baden-Württemberg die Automatisierte Liegenschaftskarte in Verbindung mit dem Automatisierten Liegenschaftsbuch als Basis genutzt. Für großräumige, regionale Übersichten kann als weitere Kartengrundlage die digitale topographische Karte dienen (ATKIS, Maßstab 1:25.000). In geographischen Informationssystemen lassen sich die Rauminformationen separat in sog. Fach-schalen verwalten. Die jeweiligen Fachinformationen wie z.B. Baulückenkataster und Entsiegelungs-potenziale werden dort eigenständig erfasst, bearbeitet und dokumentiert. Fachschalen ermöglichen eine thematische Auswertung und Verknüpfung von Informationen und schaffen so die Grundlage für ein kommunales Auskunftssystem. Neben den Vorteilen, die ein kommunales Auskunftssystem aus stadtplanerischer Sicht besitzt, bietet sich durch eine gezielte Einbindung ins Internet auch die Möglichkeit, dieses System im Rahmen des Stadtmarketings zu nutzen (s. z.B. „www.kommune.de”). Datenquellen, Anwendungsbereiche und zur Kostenersparnis mögliche Synergieeffekte zeigt Tab. 1:

12

Page 16: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Quelle Ziel

Automatisierte Liegenschaftskarte

Automatisiertes Liegenschaftsbuch

Grundlage für alle Bereiche

Ortsbegehung

Brachflächen

Baulücken

Nutzungsdichte

Entsiegelungspotenziale

Luftbilder Baulücken

Entsiegelungspotenziale

Bodenübersichtskarten 1:200.000

Bodenkarten 1:25.000

Geologische Karten

Rohstoffkarten

Bodenressourcen

Bodenverwertung

Tab. 1: Synergieeffekte bei der Datenerhebung

5 Umsetzung in Pilotkommunen Für die im Umweltpolitischen Schwerpunkt ausgewählten Pilotkommunen Bad Wildbad und Bruchsal wurden unter Beteiligung von Fachbüros im Jahr 2000 Daten aus mehreren öffentlichen Datenquellen erhoben und in ein GIS basiertes Informationssystem eingestellt. Auf dieser Grundlage erfolgten weitere Auswertungen. Durch das Zusammenstellen aller notwendigen Informationen in einem Informationssystem steht ein effektives Arbeitsinstrument für die Umsetzung des Flächenres-sourcen-Managements zur Verfügung. Flächen für eine mögliche Innenentwicklung können auf „Knopfdruck“ visualisiert und quantifiziert werden. Bei Planungen im Innen- und Außenbereich werden Konflikte mit Altlasten, Schutzgebieten und Bodenschutz sofort erkannt.

Als Grundlagendaten dienen die Daten und Karten des Landesvermessungsamtes: - Automatisiertes Liegenschaftskataster - Automatisiertes Liegenschaftsbuch - Digitales Landschaftsmodell - Flurkarten M 1:1500/2500 - Digitale Orthophotos Um die unterschiedlichen Daten zusammenzuführen, umfasste die Aufbereitung auch Leistungen zum Konvertieren, zum Scannen, Entzerren und Georeferenzieren der Bitmaps. Durch Digitalisierung der Flächennutzungspläne auf ALK-Basis ließen sich die Grundlagendaten ergänzen.

13

Page 17: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Daten zum Naturraum der LfU wurden als digitale Raumdaten zu Biotopen und Schutzgebieten einbezogen. Darüber hinaus wurde aus der digitalen Bodenkarte BK25 des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau mit Hilfe des Programmsystems BoBeS eine Bodenbewertung für die Bodenfunktionen:

- Standort für natürliche Vegetation - Standort für Kulturpflanzen - Ausgleichskörper im Wasserkreislauf - Filter und Puffer für Schadstoffe. erstellt und in eine für Planer nutzbare Form aufbereitet. Aus der flächendeckenden historischen Erhebung der Landkreise stehen den Kommunen die Raum- und Sachdaten zu Altlasten und altlastverdächtigen Flächen zur Verfügung. Zusätzliche Recherchen in den Bauämtern erbrachten die notwendigen Informationen für ein Brachflächenkataster, das neben den reinen Grundstücksdaten auch Informationen z.B. zur aktuellen und geplanten Nutzung, zum Baurecht und zur vorhandenen Erschließung enthält. Mit diesen Grundlagen konnte in Kombination mit einer Vor-Ort-Erhebung ein Baulückenkataster entwickelt werden. Es unterscheidet neben der klassischen Baulücke noch sechs weitere Kategorien und differenziert sie hinsichtlich der Mobilisierungsstrategien und -chancen. Im Innenbereich wurden schließlich noch die Belagänderungs- und Entsiegelungspotenziale erhoben. Unter Belagänderung wird der Ersatz eines vollversiegelten Belags durch einen nutzungsan-gepasster Belag mit der Möglichkeit von (begrenztem) Pflanzenwachstum verstanden. Dies ist oftmals auf Parkplätzen möglich. Dabei wurde unter Beteiligung der Kommune eine Einteilung in „homogene Einheiten“ (= Flächen ähnlicher Bebauung und Dichte) vorgenommen und für ausgewählte Testflä-chen die Potenziale auf Teilflächen vor Ort geschätzt und auf die Gesamtfläche hochgerechnet. Bebauungspläne wurden im Hinblick auf die optimale Nutzungsdichte nach BauNVO und textlichen Festsetzungen zur Minimierung der Neuversiegelung untersucht und bewertet. 6 Bisherige Ergebnisse des Umweltpolitischen Schwerpunkts Bad Wildbad - ein Kurort in enger Tallage im Nordschwarzwald - ist geprägt durch einen hohen Waldanteil und eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten im Außenbereich. Zudem liegen 96,3% der Gemarkungsfläche innerhalb von Schutzgebieten. Für die Entwicklung der Gemeinde bestehen daher nur enge Spielräume. Die große Kreisstadt Bruchsal - im Oberrheingraben zwischen Karlsruhe und Mannheim gelegen – ist durch einen seit 10 Jahren anhaltenden, steten Zuwachs an Einwohnern und Industrie geprägt. Im Außenbereich liegen Entwicklungspotenziale für Industrie- und Gewerbeflächen mit hohem Flächen-verbrauch vor. Im Gegensatz zu Bad Wildbad liegen nur 44,8% der Gemarkungsfläche innerhalb von Schutzgebieten. Einige statistische Zahlen zu beiden Kommunen sind in Tab. 2 aufgeführt.

14

Page 18: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tab.2: Kennzahlen zu den Modellkommunen (Flächenangaben in ha)

Bad Wildbad Bruchsal

Gemarkung 10.527 9.300 Siedlung 289 1.335 Verkehr 141 631 Landwirtschaft 564 4.258 Wald 9.468 2.773 Bevölkerung 11.000 41.330

In den Kommunen existieren nach den durchgeführten Erhebungen Entwicklungspotenziale im Innenbereich von 10-18% der Siedlungsfläche (ohne Verkehrsfläche) durch Brachflächen und Baulücken. Diese Schätzung kann sich allerdings aufgrund der laufenden Verifizierung der Baulü-ckenerhebung mit Blick auf stadtplanerische Aspekte noch ändern. Zwischen dem „städtischen“ Bruchsal und dem „grünen“ Bad Wildbad zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Potenziale für eine Innenentwicklung sind in Bad Wildbad größer. Die durchschnittliche Größe einer klassischen (unbebauten) Baulücke beträgt 800 - 1.200 m², der einer geringfügig bebauten 3.000 m² mit einem durchschnittlichen Bebauungsgrad von 10 – 20%. Bei den geringfügig bebauten Baulücken handelt es sich meist um „Bevorratungsflächen“ im gewerblichen/industriellen Bereich. Beispiele klassischer Baulücken zeigt Abb. 4.

Abb. 4: Ausschnitt aus dem Baulückenkataster (mit unterlegtem Ortholuftbild)

Die Potenziale durch eine Optimierung der Nutzungsdichte wurden bislang nur qualitativ beurteilt. In den Festsetzungen der Bebauungspläne werden zwar in überwiegendem Maße die Höchstgrenzen nach § 17 BauNVO ausgeschöpft, die tatsächlich erreichten Dichtewerte bleiben oft deutlich darunter.

15

Page 19: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die Belagänderungs-/ Entsiegelungspotenziale liegen auch mit Berücksichtigung des Straßenraumes insgesamt im Bereich <8 % der versiegelten Freifläche (ohne Gebäude), mit hohen Schwankungs-breiten entsprechend der Strukturtypen städtischer Bebauung. Das Verhältnis Belagänderung/ Entsiegelung beträgt ca. 8:1. Auch hier zeigen sich Unterschiede zwischen Bruchsal und Bad Wildbad. Versiegelungsgrad, Belagänderungs- und Entsiegelungspotenzial fallen in Bruchsal deutlich höher aus. Insgesamt haben die Arbeiten in den Pilotkommunen bereits übertragbare Ergebnisse hervor-gebracht, die in der kommunalpolitischen Fachöffentlichkeit sowie in den Medien auf Interesse gestoßen sind. Die weiteren Ergebnisse werden dokumentiert und veröffentlicht. 7 Literatur LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (2001): Flächenressourcen-Management – Werkstattbericht.- Bodenschutz 8/I-III. Bearbeitung: IUT, Kirchzarten; Weber-Ing., Pforzheim; Architekturbüro Dr. Baldauf, Stuttgart, Ingenieurgesellschaft Dr. Eisele, Rottenburg, regio plus, Stuttgart, Hagelauer Neufang Consult, Walldorf , Prof. Erhard Schlabach, FH Kehl (juristische Beratung), S. Weisinger, Stuttgart (textliche Bearbeitung Teil I) http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/bofaweb/ BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG (1999): Städte der Zukunft – Auf der Suche nach der Stadt von morgen.- Werkstatt: Praxis, Nr. 4, Bonn. BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG (2001): Städte der Zukunft.- http://www.staedte-der-zukunft.de/ (Hinweis zu Indikatoren des haushälterischen Bodenmananagements: http://www.staedte-der-zukunft.de/Eingang/Indikatorenprofile.htm ) BW-PLUS (Baden-Württemberg Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung): http://www.bwplus.fzk.de oder http://www.unweltforschung.baden-wuerttemberg.de FIGURA (Projektverbund: Flächenrecycling, Industriebrachen, Grundwasserschutz - Umweltgerechte Revitalisierung von Altstandorten): http://www.iws.uni-stuttgart.de/ anklicken: links; FIGURA LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG: Agenda-Büro.- http://www.lfu.baden-wuerttenberg.de/ anklicken Agenda-Büro. MINISTERIUM FÜR UMWELT UND VERKEHR (2000): Umweltplan Baden-Württemberg.- Rösler Druck, Schorndorf. Bezug: Justizvollzugsanstalt Mannheim, Herzogenriedstr. 111, 68169 Mannheim oder http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/umweltplan/. UMWELTBUNDESAMT (Hrsg. 2000): Handlungsempfehlungen für ein effektives Flächenrecycling.- Forschungsbericht 297 77 827 UBA-FB 000007. Berlin UMWELTBUNDESAMT (Hrsg. 1998): Revitalisierung von Altstandorten versus Inanspruchnahme von Naturflächen.- Forschungsbericht 203 40 119 UBA-FB 97-111. Berlin

16

Page 20: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Das Flächenressourcen-Management in Bayern

Claus Hensold Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, 86177 Augsburg

e-mail: [email protected] Abstract: At the beginning of the year 2001, a project with the aim of managing land resources on a municipal level was started at the Bavarian Environmental Protection Agency under the guidance of the Bavarian State Ministry for State Development and Environmental Affairs. The most important issue of this project is to enforce the interior urban development and to use the soil-resources in a sustainable way. A manual including detailed practical instructions is aimed for assisting local au-thorities to perform the management of land resources within the scope of municipal planning as a contribution towards a sustainable municipal development. Zusammenfassung: Zu Beginn des Jahres 2001 wurde am Bayerischen Landesamt für Umweltschutz im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen ein Projekt zum kommunalen Flächenressourcen-Management gestartet. In dem Projekt sollen Wege zu einer verstärkten Innenentwicklung und zu einem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden aufgezeigt werden. Durch einen Leitfaden mit praxisorientierten Handlungsanleitungen soll es Kommunen er-möglicht werden, im Rahmen ihrer städtebaulichen Planung das Flächenressourcen-Management als einen Beitrag zur nachhaltigen Kommunalentwicklung zu betreiben. Keywords: management of land resources, soil protection, land consumption, land recycling

Schlagworte: Flächenressourcen-Management, Bodenschutz, Flächenverbrauch, Flächenrecycling

1 Einleitung Böden bilden zusammen mit Luft und Wasser unsere zentralen Lebensgrundlagen. Ihre vielfältigen Funktionen als Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen, Filter und Puffer für Schadstoffe, Aus-gleichskörper im Wasserkreislauf, Klima-Regulant, Nutzungsraum für Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffquelle sowie Archiv für die Natur- und Kulturgeschichte werden zwar täglich in Anspruch genommen, der Boden ist als endliche Ressource jedoch nicht in beliebigem Umfang belastbar und verfügbar. Wird der Boden erst einmal überbaut, so gehen viele Bodenfunktionen vollständig oder zumindest für lange Zeit verloren. Die Inanspruchnahme von Böden für Siedlungs- und Verkehrsflächen ist mit derzeit täglich 129 ha in Deutschland auf einem sehr hohem Niveau und entspricht nicht den Kriterien einer nachhaltigen Ent-wicklung. Beim aktuellen Flächenverbrauch von 28,6 ha pro Tag in Bayern, werden in Bayern jährlich 104 km² zu Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt, was in etwa der Siedlungs- und Verkehrsflä-che der gesamten Stadt Nürnberg (1997) entspricht! Über die Notwendigkeit, den Flächenverbrauch auf ein unvermeidbares Mindestmaß zu reduzieren, besteht seit Jahren ein wissenschaftlicher und politischer Konsens. Von Seiten des Gesetzgebers wur-den auf Bundes- und Landesebene mit der Änderung des Baugesetzbuchs und der Neuregelung des Rechts der Raumordnung 1998 sowie mit dem In-Kraft-Treten des Bundes-Bodenschutz- und Altlas-tengesetzes 1999 und des Bayer. Bodenschutzgesetzes 1999 deutliche Signale zum Schutz des Bodens

17

Page 21: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

gesetzt. Trotz der umfassenden gesetzlichen Regelungen ist es aber bis heute nicht gelungen, eine Trendwende beim Flächenverbrauch zu erreichen. Um den Flächenverbrauch nachhaltig zu reduzie-ren, sind deshalb weitergehende Maßnahmen, besonders im Bereich der Umsetzungsinstrumente nötig. Das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (StMLU) hat für seinen Geschäftsbereich das umweltpolitische Ziel formuliert, die Inanspruchnahme von Freiflächen für Sied-lungs- und Verkehrsflächen deutlich zu reduzieren. Dieses Ziel verlangt künftig eine breite gesell-schaftliche Zustimmung und ein konzentriertes gemeinsames Vorgehen aller am Flächenverbrauch beteiligten Akteure. Das Flächenressourcen-Management soll hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. 2 Ziele Leitziel des Projekts Flächenressourcen-Management ist es, ein Instrumentarium zu entwickeln, das zur Reduzierung des anhaltend hohen Verbrauchs von Freiflächen in Bayern beiträgt, ohne dabei ei-nen Qualitätsverlust für die individuelle kommunale Entwicklung zu bewirken. Dabei sollen vorrangig die bestehenden Innenentwicklungspotenziale genutzt werden. Eine Außenentwicklung wird in vielen Fällen auch in Zukunft weiter notwendig sein. Sie soll jedoch als Restgröße zur Innenentwicklung verstanden werden und nur in Anspruch genommen werden, wenn keine geeigneten Innenentwick-lungsmöglichkeiten mehr vorhanden sind. Darüber hinaus soll durch die Anwendung neuer, in der Praxis möglichst einfach anwendbarer Verfahren zur Bewertung der Bodenfunktionen, eine bodenöko-logische Lenkung der Außenentwicklung erfolgen. Es ist beabsichtigt, im Flächenressourcen-Management besonders die Verhältnisse kleiner Gemeinden zu berücksichtigen, da in Bayern ca. 90% der Kommunen weniger als 10.000 Einwohner und über 50% der Kommunen weniger als 3.000 Einwohner haben. Gleichzeitig erfolgte in den Jahren 1993 - 1997 61% des Zuwachses an Siedlungs- und Verkehrsflächen in „nicht zentralen“ Orten und Klein-zentren. Dies verdeutlicht die besondere Relevanz der Anwendbarkeit des Flächenressourcen-Mana-gements für kleine Gemeinden und die Bedeutung des Beitrags, den diese Gemeinden zur Verringe-rung des Flächenverbrauchs in Bayern leisten können. In seiner Gesamtheit soll das Flächenressourcen-Management zur verbesserten Beachtung boden-schutzrelevanter Gesetze und Programme in der Planungspraxis beitragen. Im Zuge einer Aufwands-minimierung soll das Flächenressourcen-Management in die bestehenden kommunalen Planungsab-läufe (Stadtentwicklungsplanung, Bauleitplanung, Landschaftsplanung) integriert werden. 3 Projektablauf Nach Vorarbeiten im Jahr 2000 wurde das Projekt Flächenressourcen-Management zum 01.01.2001 gestartet. Der Auftrag zur Projektsteuerung erfolgte durch das StMLU an das Bayerische Landesamt für Umweltschutz (LfU). Im Rahmen des auf vorerst drei Jahre angelegten Projekts soll auf Grundla-ge der Arbeiten zum Flächenressourcen-Management in Baden-Württemberg ein auf bayerische Ver-hältnisse angepasster Leitfaden zum Flächenressourcen-Management erarbeitet und erprobt werden. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit der Obersten Baubehörde am Bayerischen Staatsministe-rium des Innern, dem Bayerischen Gemeindetag, dem Bayerischen Städtetag sowie in Kooperation mit der Landesanstalt für Umweltschutz in Baden-Württemberg. Das Projekt Flächenressourcen-Management in Bayern gliedert sich in 3 Phasen:

18

Page 22: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

In der 1. Phase im Jahr 2001 wird ein Kurzleitfaden erstellt, der in anschaulicher und praxisorientier-ter Weise die Handlungsmöglichkeiten von Kommunen im Bereich des Flächenressourcen-Managements aufzeigen soll. Dies geschieht vor dem Hintergrund, den bayerischen Kommunen schnellstmöglich Instrumente und Handlungsmöglichkeiten für das Flächenressourcen-Management an die Hand zu geben und für einen sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden zu sensibilisieren. Der Kurzleitfaden soll in Modellkommunen beispielhaft angewandt und erprobt wer-den. Die Auswahl der Modellkommunen wird bis zum Ende des Jahres 2001 erfolgen. In der 2. Phase im Jahr 2002 soll die praktische Anwendung des Kurzleitfadens beispielhaft durch ein vom LfU beauftragtes Planungsbüro in den Modellkommunen erprobt werden. Dabei sollen in den Modellkommunen die Handlungsspielräume für einen sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden und Möglichkeiten der Umsetzung in der städtebaulichen Planung aufgezeigt werden. Die Ergebnisse des Flächenressourcen-Managements in den Modellkommunen sollen zur Modifizierung des Leitfadens herangezogen werden. In der 3. Phase werden die Ergebnisse der Praxisphase dazu genutzt, die Endfassung des Leitfadens mit vertieften Inhalten, Checklisten und Handlungshilfen zu ergänzen. Auch Erfahrungen, die andere Kommunen, bzw. Planer in der Praxis bei der Arbeit mit dem Kurzleitfaden gesammelt haben, sollen für die Überarbeitung des Leitfadens genutzt werden. Schließlich werden die Materialien zum Flä-chenressourcen-Management mittels moderner Medien den Kommunen, Planern und der Öffentlich-keit zur Verfügung gestellt. Das Flächenressourcen-Management ist kein statisches Instrument. Das Bemühen um Nachhaltigkeit stellt eine Daueraufgabe dar, so dass Ziele, Instrumente und Maßnahmen ständig neu überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden müssen. Ein standardisiertes Vorgehen ist in vielen Fällen hilfreich und notwendig, kann aber einer komplexen Materie, wie z.B. dem Flächenrecycling nicht immer in allen Belangen ausreichend gerecht werden. Deshalb muss in Bayern, wie schon in Baden-Württemberg eine breite Diskussion angestoßen werden, um alle Erfahrungen mit dem Flächenres-sourcen-Management zu bündeln und für das künftige Vorgehen nutzbar zu machen. 4 Handlungsfelder Das Flächenressourcen-Management in Bayern soll im Rahmen von mehreren Handlungsfeldern bear-beitet werden. Besonderes Augenmerk wurde bei der Ausarbeitung der Handlungsfelder auf eine pra-xisnahe Anwendbarkeit auch für kleine und mittelgroße Kommunen gelegt. Innerhalb der Handlungs-felder sollen Vorgehensweisen, Instrumentarien, Umsetzungsmöglichkeiten und Beispiele die konkre-ten Handlungsmöglichkeiten skizzieren und veranschaulichen. Checklisten zu Handlungsschwerpunk-ten sollen das Vorgehen vereinfachen. Wiedernutzbarmachung von gewerblichen und militärischen Brachflächen Gewerbliche und militärische Brachflächen finden sich in fast allen Kommunen. Da sich gewerbliche und militärische Brachflächen oft in einer attraktiven innerstädtischen Lage befinden, weisen sie für die Kommune ein hohes Entwicklungspotential auf. Durch die Wiedernutzbarmachung bereits er-

19

Page 23: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

schlossener, im Flächennutzungsplan ausgewiesener Flächen kann eine Neuversiegelung im Außenbe-reich vermieden werden. Flächenrecycling bei Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen Ein wesentliches Hemmnis bei der Reaktivierung von gewerblichen und militärischen Brachflächen stellen Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen bzw. ein entsprechender Verdacht dar. Die Klärung des Altlastverdachts ist eine wesentliche Vorraussetzung, um Planungssicherheit für eine Wiedernutzung zu erlangen. Künftig sollen verstärkt sanierte Altlasten für eine gleich- oder höherwer-tige Nutzung herangezogen werden. Bestehende und geplante Förderungen durch den Freistaat Bayern unterstützen diese Entwicklung. Nachverdichtung von Siedlungsgebieten Baulücken stellen ein großes innerörtliches Entwicklungspotential dar. In der Literatur werden häufig 10% und mehr der in einer Stadt vorhandenen Bauflächen als Baulücken identifiziert. Oft stehen je-doch private Interessen dem kommunalen Wunsch der Aktivierung dieser Baulandpotentiale entgegen. Besonders in landwirtschaftlich geprägten Gemeinden bietet das durch den agrarstrukturellen Wandel bedingte Leerfallen, bzw. Funktionsloswerden von landwirtschaftlichen Nutzgebäuden verstärkt Mög-lichkeiten zur Nachverdichtung. Flächensparendes Bauen und Begrenzung der Versiegelung Flächensparendes Bauen und die Begrenzung der Versiegelung sind wesentliche Elemente bei der Berücksichtigung des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden in der kommunalen Bauleitplanung. Sowohl bei der Mobilisierung der innerörtlichen Baulandreserven, als auch bei der Neuausweisung von Bauland gilt es, die Freiflächen möglichst effektiv und unter Wahrung eines gesunden sozialen und ökologischen Wohnumfelds zu nutzen. Dass räumliche Dichte keine Minderung der Wohnqualität bedeuten muss, haben inzwischen eine Vielzahl von Praxisbeispielen bewiesen. Entsiegelung im Bestand Durch Entsiegelungsmaßnahmen kann die ökologische Situation im Ort verbessert und das Wohnum-feld attraktiver gestaltet werden. Entsiegelungsmaßnahmen beeinflussen die mikroklimatische Situati-on positiv – das Niederschlagswasser kann versickern, die Luftfeuchtigkeit wird erhöht, der Tempera-turgang wird ausgeglichener, Kanalisation und Kläranlagen werden entlastet. Durch die bioklimati-schen Auswirkungen wird das Wohlbefinden der Anwohner gefördert, das Wohn- und Arbeitsumfeld verbessert. Darüber hinaus entstehen neue Lebensräume für Kleinlebewesen und Pflanzen. Im Rahmen des Flächenressourcen-Managements werden kommunale Entsiegelungspotentiale ermittelt und die Entwicklung eines Entsiegelungsprogramms initiiert. Schutz der Bodenressourcen Der Schutz des Bodens ist bei jeder Form der Außenentwicklung von besonderer Relevanz. Flächen mit Bedeutung für den Natur- und Artenschutz sowie den Grundwasserschutz werden bereits heute im Rahmen der Bauleitplanung vor einer Inanspruchnahme weitgehend geschützt. Die Inanspruchnahme von Boden geschieht deshalb meist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Doch auch landwirt-schaftlich genutzte Böden erfüllen gesetzlich geschützte Bodenfunktionen in überaus hohem Maße. Bei der Ausweisung von Bauland soll deshalb künftig im Rahmen des Flächenressourcen-Managements in Verbindung mit der Landschaftsplanung eine verbesserte Bewertung der Bodenfunk-tionen erfolgen. Hierdurch sollen besonders schützenswerte Böden vor einer Bebauung und Versiege-

20

Page 24: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

lung bewahrt werden. Derzeit werden von Bund/Länder-Gremien Kriterien für die Bewertung von Bodenfunktionen erarbeitet, die im Rahmen des Flächenressourcen-Managements zusammen mit dem Bayerischen Geologischen Landesamt in den Modellkommunen erstmals angewandt und erprobt wer-den sollen. 5 Instrumente und Umsetzung Künftig soll durch das Flächenressourcen-Management ein aktives Management der kommunalen Flächenressourcen erfolgen. Voraussetzung hierfür ist eine solide Datengrundlage, die konkret über vorhandene Flächenpotentiale informiert. Kernstück des kommunalen Flächenressourcen-Mana-gements ist deshalb ein Kataster, in dem sämtliche relevanten Informationen zu den Flächenpotentia-len der einzelnen Handlungsfelder gesammelt sind. Um die Aktualität des Katasters zu wahren, muss es fortlaufend gepflegt werden. Das Kataster stellt so eine aktuelle und klar nachvollziehbare Datenba-sis für die städtebauliche Planung zur Verfügung und ist Grundlage für die Entwicklung von Zielvor-stellungen und Umsetzungskonzepten. Durch die weitere Einbindung kommunaler Daten (z.B. Auto-matisiertes Liegenschaftsbuch, Flächennutzungsplan, Leitungskataster) mittels eines Geographischen Informationssystems (GIS) kann ein umfassendes kommunales Informationssystem geschaffen wer-den, das Grundlage einer modernen und effizienten kommunalen Verwaltung darstellt. 6 Ausblick Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche liegt in Bayern mit 9,8 % unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 11,8 % (Stand 1997). Dies trägt wesentlich zur hohen Lebens- und Freizeitqualität in Bayern bei. Damit dies so bleibt, müssen jetzt geeignete Instrumente für eine nachhaltige Reduktion des Flächenverbrauchs ergriffen und etabliert werden. Die angestrebte deutliche Reduzierung des Flächenverbrauchs als umweltpolitisches Ziel des Ge-schäftsbereichs des StMLU ist ein erster wichtiger Schritt. Langfristig muss jedoch ein Ausgleich zwi-schen neuen Flächenansprüchen und der Renaturierung bisher für Siedlung, Verkehr und Infrastruk-tureinrichtungen beanspruchter Flächen angestrebt werden, wie dies schon 1991 im Bodenschutzpro-gramm der Bayer. Staatsregierung gefordert und in der Bayern-Agenda 21 mit Blick auf die nachhalti-ge Entwicklung bekräftigt wurde. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, das öffentliche Bewusstsein für die Notwendigkeit des Boden- und Freiflächenschutzes zu fördern, um hierdurch einen breiten gesellschaftlichen Konsens für die Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen zu erlangen.

21

Page 25: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

7 Literatur BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (HRSG. 1991): Bodenschutzprogramm Bayern. München BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (HRSG. 1998): Bayern-Agenda 21. München LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (HRSG. 2001): Werkstattbericht Flä-chenressourcen-Management. Teil I: Strategie, Teil II: Fachkapitel, Teil III: Methoden und Arbeitshil-fen. Karlsruhe

22

Page 26: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Entsiegelungsflächen-Kataster als Instrument für ein effektives Flächenressourcen-Management

Wolfgang Dinkelberg1), Patrick Lantzsch1), Ute Moka2)

1) Landesumweltamt Brandenburg, Postfach 60 10 61, 14410 Potsdam e-mail: [email protected]

2) Fa. Ökotec Management GmbH, Elsenstr. 106, 12435 Berlin Abstract: In Brandenburg de-sealing measures should be taken into consideration, to compensate the sealing of sites. On the one hand there exist a lot of built-up built-up sites, which are no longer used, on the other hand those who cause impacts do not know them. For this reason disposable de-sealing sites have been recorded in a register, which is managed by the Brandenburg state environmental agency.. Zusammenfassung: Zur Kompensation nicht vermeidbarer Neuversiegelungen sollen in Brandenburg verstärkt Entsiegelungsmaßnahmen Berücksichtigung finden. Einerseits sind nicht mehr genutzte Flächen mit Entsiegelungspotenzial vorhanden, andererseits sind diese jedoch bei Eingriffsverursachern nicht bekannt. Aus diesem Grunde wurden in Brandenburg für einen Beispielsraum verfügbare Entsiegelungs-flächen in einem Kataster, das durch das Landesumweltamt geführt wird, erfasst und verfügbar gemacht. Keywords: soil protection, de-sealing site register, management of urban development

Schlagworte: Bodenschutz, Entsiegelungsflächen-Kataster, Flächenmanagement

1 Einleitung Bodenversiegelungen haben den totalen Verlust der natürlichen Bodenfunktionen zur Folge. Zum nach-haltigen Schutz und der Wiederherstellung von Bodenfunktionen ist daher neben der Vermeidung von Neuversiegelungen dem zunehmenden Flächenverbrauch auch durch Entsiegelungsmaßnahmen zu be-gegnen. Neben § 5 BBodSchG und § 179 BauGB bietet vor allem die naturschutzrechtliche Eingriffsrege-lung nach § 8 BNatSchG ein Instrumentarium zur Umsetzung von Entsiegelungsmaßnahmen im Rahnen der Kompensation eingriffsrelevanter Neuversiegelungen. Die Umsetzung solcher Maßnahmen im Sinne eines effektiven Flächenressourcen-Managements gestaltet sich in der Praxis aber oft schwierig. Einer-seits verfügen in Brandenburg zahlreiche Liegenschaftsverwaltungen und Kommunen über brachliegende Flächen mit Entsiegelungspotenzial, die keiner erneuten Nutzung zugeführt werden. Andererseits werden aber mangels Kenntnis und Verfügbarkeit der Flächen bisher kaum Entsiegelungsmaßnahmen durchge-führt. In Brandenburg sollen verfügbare Entsiegelungsflächen systematisch in einem Kataster erfasst werden, um Entsiegelungsmaßnahmen bei eingriffsrelevanten Neuversiegelungen verstärkt berücksichtigen und Eingriffsverursacher auf priorisierte Entsiegelungsflächen als Kompensationsflächen hinlenken zu kön-nen. Im Rahmen eines vom Landesumweltamt geförderten Vorhabens (MOKA UND LIBOTTE, 2000) wurde zunächst exemplarisch für einen ausgewählten Raum, in dem aufgrund umfangreicher Eingriffe ein hoher

23

Page 27: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bedarf an Entsiegelungsflächen erwartet wird, ein Entsiegelungsflächen-Kataster erstellt. Die weiteren Ausführungen basieren im Wesentlichen auf den Ergebnissen des genannten Vorhabens. 2 Entsiegelungsmaßnahmen auf Grundlage der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ist Grundlage für mögliche Entsiegelungen durch Vorhabens-träger im Rahmen von Maßnahmen zum Ausgleich bzw. zum Ersatz bei eingriffsrelevanten Beein-trächtigungen, insbesondere der Bodenfunktionen. Die Eingriffsregelung nach § 8 Bundesnaturschutzge-setz (BNatSchG) i.V.m. Brandenburgischem Naturschutzgesetz (BbgNatSchG) und § 1a BauGB bietet somit grundsätzlich eine effektive Grundlage für die Durchsetzung von Entsiegelungsmaßnahmen. Aus der Durchführung von Entsiegelungsmaßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung ergeben sich positive Effekte, die sich im Einzelnen wie folgt beschreiben lassen: • Aufwertung / Verwertung brachliegender Flächen • Reduzierung von Verwaltungskosten insbesondere für die Verkehrssicherungspflicht brachliegender

Liegenschaften • Übernahme der Entsiegelungskosten durch den Eingriffsverursacher, unter bestimmten Vorausset-

zungen auch der Rückbaukosten für Hochbauten • Durchführung landschaftspflegerischer Gestaltungsmaßnahmen gegebenenfalls auch durch den Vor-

habensträger sowie • Aufwertung des Orts- und Landschaftsbildes Eine Entsiegelung im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung als Kompensation für eine Neuversiegelung ist entsprechend der Eingriffsdauer, d.h. in der Regel dauerhaft, zu gewährleisten. 3 Kataster potentieller Entsiegelungsflächen Zahlreiche Liegenschaftsverwaltungen und Kommunen in Brandenburg verfügen über brachliegende Flächen mit Entsiegelungs- und Rückbaupotenzialen, die keiner erneuten wirtschaftlichen bzw. baulichen Nutzung zugeführt werden können. Mangels deren Kenntnis und Verfügbarkeit werden jedoch kaum Entsiegelungsmaßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung durchgeführt. Aus Sicht des Bodenschutzes ist es deshalb erforderlich, verfügbare Entsiegelungsflächen systematisch in einer Datenbank zu erfassen und in einem Kataster verfügbar zu machen. Hieraus ergeben sich verschiedene Vorteile: • Entsiegelungsmaßnahmen können bei eingriffsrelevanten Neuversiegelungen verstärkt berücksichtigt

werden • durch die flexiblere Handhabung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ergibt sich ein Gestal-

tungsspielraum, der für die Belange des Bodenschutzes genutzt werden kann

24

Page 28: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

• der Eingriffsverursacher kann auf priorisierte Entsiegelungsflächen (als Kompensationsflächen) hin-gelenkt werden

• das Planungsverfahren wird durch den reduzierten Recherche- und Abstimmungsaufwand beschleu-nigt

Als potenzielle Nutzergruppen des Katasters kommen Träger von Vorhaben nach dem jeweiligen Fach-planungsrecht sowie Kommunen als Träger der verbindlichen Bauleitplanung und sonstige Träger von Vorhaben im unbeplanten Außenbereich nach § 35 BauGB in Betracht. Die Anforderungen der Nutzer-gruppen an die Flächen bzw. Informationen des Datenfonds ergeben sich aus den gesetzlichen Regelun-gen zur Eingriffsregelung und verwaltungsinternen Vorgaben. Demnach werden Informationen zur Lage der Flächen (verwaltungsrechtlich, naturräumlich, Schutzgebiete), zum Eigentümer (Bund, Land, sonsti-ge), zur Flächenverfügbarkeit und Art der Fläche (Nutzung, Objektbeschreibung, Größe), zum möglichen Maßnahmenumfang (Versiegelungsanteile) sowie bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten und möglichen Risiken benötigt. Voraussetzung für die Zuordnung von Entsiegelungsflächen zu Vorhaben ist der funktional-räumliche Bezug zum Eingriff. Vor diesem Hintergrund kommt dem Kataster insbesondere Bedeutung für Fachpla-nungsträger im Rahmen der Eingriffsregelung nach § 8 BNatSchG zu. Bei der Begründung des räumli-chen Zusammenhanges von Eingriff und Ersatz werden in Brandenburg die im Landschaftsprogramm Brandenburg dargestellten 14 Naturräume (naturräumliche Regionen) herangezogen, wodurch sich ein gegebenenfalls größerer Spielraum bei der Auswahl einer potentiellen Entsiegelungsfläche ergibt. Im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung sind nach § 1 BauGB Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle als dem Ort des Eingriffes möglich, wobei keine Unterscheidung zwischen Ausgleich und Ersatz erfolgt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Maßnahmen mit einer geordneten städtebaulichen Entwick-lung und den Zielen von Raumordnung und Landesplanung sowie des Naturschutzes und der Landespfle-ge vereinbar sind. In der Regel wird eine Ausgleichsmaßnahme innerhalb eines Gemeindegebietes erfol-gen. Schwierig stellt sich dagegen eventuell die Umsetzung einer Entsiegelungsmaßnahme als Ausgleich auf der Gemarkung einer anderen Kommune dar, da die Flächen für diesen Zweck durch städtebauliche Verträge gesichert werden müssen und für den Bebauungsplan Planungshoheit der betroffenen Kommune besteht. Den an einer Zusammenarbeit interessierten Kommunen wird daher die Entwicklung eines das Gemeindegebiet übergreifenden Ausgleichskonzeptes, das potenzielle Entsiegelungsflächen einbezieht, empfohlen.

4 Auswahl eines Suchraumes zur beispielhaften Recherche potentieller Entsiegelungsflächen Der Auswahl eines Suchraumes für das zunächst für einen Naturraum zu erstellende Entsiegelungsflä-chenkataster ging eine umfassende Bedarfsrecherche voraus. Ziel war es, einen Naturraum zu ermitteln, der aufgrund umfangreicher bodenschutzbezogener eingriffsrelevanter Vorhaben (zum Beispiel durch Bodenversiegelung, Aufschüttungen, Bodenabtrag, –aushub und -verdichtungen) in absehbarem Zeitrah-men einen hohen Bedarf an Entsiegelungsflächen erwarten läßt.

25

Page 29: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Als Beispielsraum wurde der Naturraum Barnim-Lebus gewählt, da dieser insbesondere durch seine land-kreisübergreifende Lage (Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oder-Spree) sowie durch die Erfas-sung des nordöstlichen engeren Verflechtungsraumes Brandenburg-Berlin aber auch durch die Lage der Zentren Frankfurt/Oder, Seelow und Müncheberg im Untersuchungsgebiet als geeignet schien. Aufgrund anhaltender Entwicklungstendenzen in Verbindung mit einem starken Bevölkerungsanstieg und Zuwachs der Gewerbe sowie einem zu erwartenden Ausbau der sozialen und technischen Infrastruktur (zuzüglich Straßenausbau) wird in diesem Gebiet mit einem Flächenversiegelungspotenzial von bis zu 1000 ha im Jahre 2010 gerechnet.

5 Rechercheergebnisse Entsprechend der Konzeption des Katasters wurden Bundes- und Landesliegenschaftsgesellschaften, Kirchliche Verwaltungsämter sowie Kommunen mittels eines im Rahmen des Vorhabens entwickelten Erfassungsbogens aufgefordert, auf freiwilliger Basis potentielle Entsiegelungsflächen zur Einstellung in das Kataster zu übergeben. Tabelle 1: Entsiedlungsflächenkataster Brandenburg – Erfassungsbogen Datengeber / Ansprechpartner Objektbezeichnung / -nummer

Lage Landkreis, Gemeinde, Gemarkung, Flur, Flurstück Schutzgebiete innerhalb außerhalb NSG, LSG, FFH, WSG, Biosphärenreservat planungsrechtliche Situation Außenbereich gemäß FNP, Satzung nach § 34 BauGB Nutzung Ehemalig derzeitig Objektbeschreibung Flächengröße [ha] versiegelte Flächen, davon

vollversiegelt teilversiegelt überbaut

bauliche Anlagen Anzahl Gebäude umbauter Raum [m³] Material

Altlastenverdacht ja nein Anlagen / Kartenmaterial Flurkarte Lageplan topografische Karte Eigentumsverhältnisse / Verfügbarkeit

Flächeneigentümer Fläche für Kompensations-maßnahmen über Flächenbereitstellung Flächenverkauf

es besteht Dritteigentum (Gebäude) Rückübertragungsanspruch sonstiger Anspruch Dritter

Einverständniserklärung des Eigentümers

Die im Rahmen der Flächenrecherche benannten Flächen wurden auf prinzipielle Eignung anhand fol-gender Kriterien geprüft: • naturräumliche Lage • Flächenverfügbarkeit • Übereinstimmung mit den Zielen der Flächennutzungsplanung / Außenbereich • Lage im naturschutzrechtlichen Schutzgebiet • Ziele der Landschaftsplanung • Erfassung als Altlast sowie • Lage innerhalb eines Wasserschutzgebietes

26

Page 30: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die erfassten Flächen waren nach erfolgter Ersteinschätzung anhand der genannten Kriterien für die Durchführung von Entsiegelungsmaßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung geeignet. Aspekte wie Altlastenrelevanz bzw. Lage in Wasserschutzgebieten sowie mögliche besondere Eignungsaspekte (zum Beispiel Lage im naturschutzrechtlichen Schutzgebiet) wurden entsprechend dem Erkenntnisstand aus der Recherche berücksichtigt. Zudem stehen mit dem Kataster Hinweise zu Entwick-lungsaussagen der Flächennutzungsplanung und Landschaftsplanung zur Verfügung. Der jeweilige Erhe-bungsstand wird dokumentiert, um dem auf das Kataster zugreifenden Vorhabensträger eine Aktualitäts-einschätzung der Daten zu ermöglichen. Die bisher im Kataster erfassten 17 Flächen sind nach einer Ersteinschätzung und Prüfung anhand der genannten Ausschusskriterien für die Durchführung von Entsiegelungsmaßnahmen im Rahmen der natur-schutzrechtlichen Eingriffsregelung geeignet. Hinweise zu ggf. erforderlichem zusätzlichen Prüfungsbe-darf werden zu den Einzelflächen im Kataster gegeben. Für die im Kataster aufgenommenen Flächen ergibt sich ein Entsiegelungspotential von ca. 17 ha. Häufigstes Ausschlusskriterium war die nachweisli-che Verfügbarkeit der einzelnen Flächen. Häufig waren jedoch vorhandene Flächen der Liegenschaftsge-sellschaften bereits Vorhaben zugeordnet und standen deshalb dem Kataster nicht mehr zur Verfügung.

6 Umsetzung in einem Entsiegelungsflächenkataster für das Land Brandenburg - Ausblick Die recherchierten Flächen wurden in einem Geografischen Informationssystem (GIS) als Punktinforma-tion erfasst und sind als solche auch in andere Systeme integrierbar. Darüber hinaus wurden Übersichts-karten zur Lage der Entsiegelungsflächen erstellt und in Form von Bildobjekten exportiert. Die Flächen-daten werden künftig im Fachinformationssystem Bodenschutz (FISBOS) des Landesumweltamtes als ACCESS-Datenbank gehalten und aktualisiert und sowohl den Naturschutz- und Bodenschutzbehörden als auch Vorhabensträger zur Verfügung gestellt. Bei Bedarfsanfragen bzw. im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange können sich Vorhabensträger bzgl. der Detailinformationen zu ausge-wählten Flächen im Suchraum an das Landesumweltamt als Datenhalter wenden. Die Verwaltung des vorliegenden Katasters umfasst neben der Aufnahme und Prüfung weiterer Flächen auch die Dokumenta-tion der Flächenmeldung an Vorhabensträger sowie den Hinweis auf die Flächen, die entgegen den An-gaben im Kataster nicht mehr zur Verfügung stehen. Darüber hinaus müssen Flächen bei Zuordnung und verbindlicher Zweckbindung für die Kompensation von Eingriffsvorhaben gegebenenfalls gelöscht wer-den. Das Kataster steht für die Aufnahme weiterer Entsiegelungsflächen offen. Künftig sollen auch Flächen anderer Naturräume erfasst und mit den zugehörigen Flächeninformationen den zuständigen Behörden und interessierten Vorhabensträgern bereitgestellt werden. Im diesem Zuge wäre eine Einstellung von Informationen in das Internet sinnvoll. Ein solches Forum könnte auch bezüglich der Flächenbereitstel-lung von privater Seite Impulse geben. Es sollen Möglichkeiten geprüft werden, wie über das Internet Angaben zu neuen potenziellen Entsiegelungsflächen an den Datenhalter transportiert werden können. Hierzu könnte beispielsweise auch der im Projekt erarbeitete Flächenerfassungsbogen im Internet bereit-gestellt werden.

27

Page 31: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bei der Darstellung von Maßnahmen und Erfordernissen von Naturschutz und Landschaftspflege erweist sich in der Praxis oftmals die Wahl der Kompensationsflächen als problematisch. Künftig sollen daher in Brandenburg verstärkt Flächenpoollösungen zum Tragen kommen, was ein sinnvolles Bündeln von Flä-chen und Maßnahmen bedeuten würde. Poollösungen, die vornehmlich größere zusammenhängende, ökologisch vernetzte, landschaftspflegerische Aufwertungsmaßnahmen ermöglichen, berücksichtigen bisher in der Regel keine Entsiegelungsmaßnahmen. Das entwickelte Kataster ist in diesem Zusammen-hang geeignet, Informationen über potenzielle Entsiegelungsflächen zur Verfügung zu stellen. Da schließlich die bei Entsiegelungsmaßnahmen entstehenden Kosten vom Vorhabensträger zu tragen sind, kann eine bessere Finanzierbarkeit entscheidend zur stärkeren Berücksichtigung von Entsiege-lungsmaßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung beitragen. Hierzu sind einheitliche Regelungen zu erarbeiten. Darüber hinaus sind Möglichkeiten der Bereitstellung von Fördergeldern für Kommunen für Entsiegelungsmaßnahmen zu prüfen und könnten zur Stärkung des privaten Engagements bei der Entsie-gelung ungenutzter Flächen beitragen.

7 Literatur BAUGESETZBUCH (BAUGB) in der Fassung der Bekanntmachung v. 27.8.1997, zuletzt geändert am 17.12.1997, BGBl. I S. 3108 ff. BRANDENBURGISCHES NATURSCHUTZGESETZ (BBGNATSCHG) VOM 25.6.1992, zuletzt geändert durch Gesetz v. 18.12.1997 (GVBl. I, S.124) BUNDES-BODENSCHUTZGESETZ (BBODSCHG) VOM 17.3.1998, BGBl. I S. 502 ff. BUNDESNATURSCHUTZGESETZ (BNATSCHG) VOM 20.12.1976, zuletzt geändert am 21.9.1998, BGBl. I S. 2994 MOKA, U.; C.LIBOTTE (2000): Entsiegelungsmaßnahmen zur Wiederherstellung von Bodenfunktionen. F+E-Vorhaben im Auftrag des Landesumweltamtes Brandenburg. Unveröffentlichter Abschlussbericht

28

Page 32: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Von Industriebrache zur Vitalen Innenstadt am Beispiel Marktredwitz

Max Wittmann Stadtentwicklungs- und Wohnungsbau GmbH – Sanierungsträger -, Im Winkel 2, 95615 Marktredwitz

e-mail: [email protected] Abstract: After the exemplary redevelopment of old, improperly disposed harmful waste of an urban industrial fallow had been completed, the conditions were made to create a multifunctional use of this area for trade and service industries, research – a branch of the Geologisches Landesamt – parking, leisure facilities, housing and restoration of the „Kösseine“ to its natural state. Urban development has priority over the development outside downtown areas. Zusammenfassung: Nach Abschluss der modellhaften Altlastensanierung einer innerstädtischen In-dustriebrache wurden die Voraussetzungen geschaffen, um eine multifunktionale Nutzung mit Handel und Dienstleistung, Forschung – Außenstelle des Geologischen Landesamtes -, Parken, Freizeitein-richtungen, Wohnen, Renaturierung der Kösseine zu schaffen. Innenstadtentwicklung hat Vorrang vor Außenentwicklung. Keywords: Fallow; exemplary redevelopment of old, improperly disposed harmful waste; typically urban use; lasting town development Schlagworte: Brachfläche, modellhafte Altlastensanierung, innenstadttypische Nutzungen, nachhaltige Stadtentwicklung 1 Historische Entwicklung der industriellen Nutzung – 1788 bis 1985 Chemische Fabrik Marktredwitz (CFM), Schleifscheibenfabrik Stella Auf dem Gelände „Innenstadt-Süd“ befand sich die bereits 1788 gegründete Chemische Fabrik Markt-redwitz (CFM). Mit ihrer 200jährigen Geschichte war sie nicht nur eine der ältesten deutschen Fabri-ken, sondern auch ein Abbild der Entstehungsgeschichte der Chemischen Industrie. Sie stellte zu-nächst zahlreiche Quecksilberpräparate her und produzierte auch Schwefel-, Salz- und Weinsäure. Nach dem 2. Weltkrieg wurde eine ständig zunehmende Zahl neuer Chemikalienpräparate und Han-delswaren entwickelt und verkauft. Die Palette umfasste alle Gruppen von Agrochemikalien, wie Fun-gizide, Herbizide, Insektizide, Pflanzen-/Wachstumshemmer und –beschleuniger, Pflanzenkeimhem-mer und Düngemittel. Die hierin enthaltenen Wirkstoffe, wie z.B. Quecksilber, Lindan, Grünkupfer etc., sind für den Menschen toxisch, wassergefährdend, leicht entflammbar und explosiv. Während der Betriebszeit wurden Produktionsgebäude und –gelände, das Grundwasser und die umliegenden Flä-chen erheblich mit Quecksilber und anderen Schadstoffen kontaminiert. Mit Bescheid des Land-ratsamtes Wunsiedel i. Fichtelgebirge vom 15. Juli 1985 – gemäß § 20 Abs. 3 BimSchG – stillgelegt. Unmittelbar östlich an das CFM-Gelände angrenzend befand sich die 1924 gegründete Firma Stella – Schleifkörperproduktion. Die Firma Stella war durch den langzeitigen Schadstoffeintrag der CFM betroffen. Außerdem stellte der Wasserlauf der Kösseine bis zu ihrer Begradigung im Jahre 1933 den Haupteintragspfad für CFM-Schadstoffe auf das Gelände dar. Im Jahre 1992 wurde für das Stella-

29

Page 33: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Betriebsgelände eindeutiger Sanierungsbedarf festgestellt. Verhandlungen mit dem Grundstückseigen-tümer und der Betriebsleitung führten 1994 zum Erwerb des Geländes durch die Stadt Marktredwitz. 2 Erfolgreiche Altlastensanierung – 1985 bis 1996 Sofortmaßnahmen, Gewässerschutz, Gebäudeabbruch, Bodenaushub, Reinigung, Entsor- gung Im Jahre 1986 wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen eine flächendeckende Probenahme durchgeführt und analysiert. Dabei wurde insbeson-dere Quecksilberkontamination – neben Arsen, Antimon und Blei – sowohl im Bereich der Gebäude, im Erdreich und im Betriebsabwasser ermittelt. Unter der Zielsetzung der angestrebten künftigen städ-tebaulichen Nutzung des Geländes wurden die einzelnen Sanierungsmaßnahmen – Demontage der Produktionsanlagen, Errichtung einer Spundwand parallel zum Wasserlauf der Kösseine, Abriss der Gebäude, Bodenabtrag, Errichtung einer Bodenreinigungsanlage, Errichtung einer Monodeponie – durchgeführt. Insgesamt wurden 102.000 t kontaminierter Bodenaushub und Abbruchmaterial einer Sanierung zugeführt. Während der Abbruch- und bei den Aushubarbeiten wurden kontinuierlich luft-hygienische Untersuchungen auf und im Umfeld des CFM-Geländes durchgeführt. In 1995 erfolgte der sorten- und belastungsgetrennte Rückbau der Produktionsgebäude und im Jahre 1996 der Aushub des kontaminierten Bodens. Die Sanierung erfolgte im Auftrag der Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) München; die Stadt Marktredwitz war als Grundstücksei-gentümer kostenbeteiligt. Unter Einbeziehung wesentlicher Erkenntnisse und Synergieeffekte der vo-rangegangenen CFM-Sanierung konnten sowohl Gebäudeabbruch, als auch Bodenaushub unter Ein-haltung des Termin- und Kostenrahmens abgeschlossen werden. Parallel zur Altlastensanierung CFM und Stella wurden 34 Privatgärten im Einvernehmen mit den jeweiligen Eigentümern saniert. 3 Strukturelle Voruntersuchungen – 1992 Städtebau, Handel, Verkehr Parallel zur Altlastensanierung – intensiv seit dem Jahre 1992 – befasste sich die Stadt mit der Ent-wicklung des 50.000 m² großen Gebietes „Innenstadt-Süd“. Alle an der Planung Beteiligten standen vor einer großen städtebaulichen Herausforderung. Besondere Bedeutung hatte das Thema „Den Wirt-schaftsstandort Innenstadt zu stärken“. Der wachsenden Konkurrenz von Handel auf der nichtinteg-rierten „Grünen Wiese“ sollte entgegengewirkt werden. Angesichts der zunehmenden Funktions- und Qualitätsverluste des innerstädtischen Zentrums – bei gleichzeitiger Verlagerung von Handels- und Dienstleistungseinrichtungen ins Umland – war es oberstes Ziel eine funktionsfähige Struktur zu ge-winnen. Es galt, die realistische Chance zu nutzen, neue Impulse für eine lebendige Innenstadt zu ent-wickeln. Ungeachtet der Tatsache, dass Widersprüchlichkeiten in der Argumentation zur Stärkung der Innenstädte häufig nur Interessenkonstellationen wiedergeben und teilweise darüber hinaus zur Dra-matisierung beitragen, bestand die besondere Qualität der Diskussion um die Innenstadt in ihrem Cha-rakter als öffentliches Thema mit höchster Priorität. So alarmierend die Prognosen zum Qualitätsver-lust von Innenstädten auch sein mögen, so sicher ist auch, dass dieser zentrale Stadtbereich über her-vorragende Ausgangsbedingungen verfügt. Innenstädte bleiben Kommunikations- und Aktivitäts-schwerpunkte auch im Zeitalter der Globalisierung. Für die Stadt waren deshalb die Vitalisierung und

30

Page 34: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Revitalisierung der Innenstadt und die Erhöhung der Funktionsvielfalt vorrangige Ziele des stadtpoliti-schen Handelns. Es wurde versucht, die städtebaulichen Maßnahmen zur Erhaltung und Schaffung gemischter Strukturen mit Arbeitsmarkt- und wirtschaftsfördernden Maßnahmen zu verbinden. Nur mit einem solchen integrativen Ansatz könne es gelingen die Stadtmitte in ihrer Lebendigkeit zu erhal-ten. Das wichtigste Ziel der Planung bestand darin, Bedingungen zu schaffen, unter denen sich die Menschen wohlfühlen. Die bauliche Struktur sollte daraufhin abgestimmt sein und durch das Zusam-menwirken zahlreicher Einzelmaßnahmen im Rahmen einer Gesamtstruktur sollte der Stadtteil als Lebensraum wieder Attraktivität gewinnen. Als ein strategisch besonders wichtiger Baustein einer nachhaltig integrierten lebenswerten Stadt bildete dabei die Nutzungsmischung. Der vorliegende städ-tebauliche Rahmenplan aus dem Jahre 1980 mit der Zielsetzung „öffentlicher flächiger Kfz-Parkplatz mit Begrünung“ sollte fortgeschrieben werden. So wurden vom Stadtrat im Jahre 1992 vertiefte vorbereitende Untersuchungen im Sinne der Stadtsa-nierung, nicht nur für den neuzuordnenden Bereich „Innenstadt-Süd“, sondern für den gesamten Ver-flechtungsbereich mit einer Größe von 10 ha in Auftrag gegeben. Das Ergebnis dieser Untersuchung wurde in einem städtebaulicher Rahmenplan mit den Zielvorstellungen „qualifizierte Dichte der Be-bauung, kleinräumige Nutzungsmischung, Vernetzung städtischer Siedlungsstrukturen“ formuliert. Als Leitbilder wurden entwickelt: Versorgen, Arbeiten, Wohnen, Freizeit. Als weitere sehr wesentli-che Unterstützung der Planungsziele wurden spezielle Fachgutachten zur Entwicklung der Verkaufs- und Handelssituation, zum ruhenden und fließenden Verkehr und nicht zuletzt ein Energieversor-gungskonzept für die gesamte Innenstadt erstellt. Marktredwitz ist eine Stadt, die sich dem Umwelt-schutz verpflichtet fühlt. So sollte der neue Stadtteil insbesondere unter ökologischen Gesichtspunkten geplant und ausgeführt werden. 4 Städtebaulicher Architektenwettbewerb – 1992/1993 Nutzungsmischung mit Handel, Dienstleistung, Forschung, Wohnen, Freizeit, Erholung, Parken Um die städtebaulichen Zielvorstellungen, unterstützt durch die Aussagen und Empfehlungen der Fachgutachten, wurde im November 1992 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb öffentlich ausgelobt und im März 1993 entschieden. Die 1. Preisträger dieses Wettbewerbs, das Arch.-Büro Wenzl/Huber, Vornbach, zusammen mit der Landschaftsarchitektin Franz, Passau, legten hierbei einen ausgezeich-neten Entwurf vor. Die Arbeit der 1. Preisträger zeichnet sich nach Aussage der Jury durch eine klare städtebauliche Gliederung und gute Dimensionierung der Freiräume aus. „Sie erfüllt in hohem Maße die Anforderung der gestellten, sehr schwierigen Aufgaben....“, so die Jury des Preisgerichtes. 5 Investorenausschreibung – 1994/1996 Private/öffentliche Partnerschaft Im Sommer 1994 wurde ein öffentlicher Investoren-/Entwicklerwettbewerb für die Realisierung der geplanten Bebauung ausgeschrieben und intensive Gespräche mit den verschiedensten Bewerbern geführt. Abgestimmt wurden diese Gespräche mit den zuständigen Ministerien des Freistaates Bayern in Bezug auf die Flächen für die Außenstelle des Geologischen Landesamtes.

31

Page 35: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

6 Bebauungsplanung/förmliches Sanierungsgebiet – 1997 Bürgerbeteiligung, Abstimmung mit privatem Investor, Bündelung der verschiedenen In- teressen und Aktivitäten von Staat, Kommune, Handel und Wirtschaft In den Folgejahren wurden die städtebaulichen Planungen konkretisiert und mit dem Investor Josef Reichenberger, Ainring, abgestimmt. In einem sehr offenen Planungsprozess, an dem sich über 3.000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt und der gesamten Region über die städtebaulichen Ziele informiert haben, wurde letztendlich die Bebauung mit - einem Handels- und Dienstleistungszentrum, dem Kösseine-Einkaufs-Centrum – KEC, - der Außenstelle des Geologischen Landesamtes, einem Geowissenschaftlichen Analytik- und For-

schungszentrum, - einem offenen Parkdeck für den ruhenden Verkehr, - einem modernen Kino mit angegliederter Gastronomie, - einer Wohnanlage, - der völligen Neugestaltung der öffentlichen Infrastruktur, einschließlich der Gestaltung der neuge-

schaffenen Plätze und Freiflächen sowie - der Renaturierung des Wasserverlaufes der Kösseine in einem Bebauungsplan verbindlich festgesetzt. Die Schaffung einer großflächigen Einzelhandelsnutzung mit Mall als integrierter Standort unmittelbar an der Altstadt wurde als wesentliches Planungsziel gesehen. Im Rahmen der städtebaulichen Planun-gen wurden die verschiedenen Facetten dieser Ansiedlung diskutiert, unterschiedliche Fragestellungen dieser Einrichtung wurden bedacht, abgewogen und gewürdigt. Besonders hervorzuheben ist, dass ein bestehender Verbrauchermarkt – real,- - von einer Altstadtrandlage noch näher mit den Verkaufsflä-chen für den täglichen Bedarf in die Stadtmitte integriert werden konnte. In diesem Planungsprozess wurden insbesondere eingebracht: - Die Größe des Handelsobjekts, gemessen in m² Verkaufsfläche, wurde abgestimmt auf die Markt-

situation. Wichtige Entscheidungsgrundlage bildete hier ein umfassendes Gutachten der GfK Nürnberg.

- Die bauliche Form wurde auf ihre Offenheit und ihre ästhetische Qualität abgestimmt. - Eine optimale Zugänglichkeit für städtische und öffentliche Nutzung musste ermöglicht werden.

Wichtige Prüfkriterien in der Planungsphase waren weiterhin: - Das Verhältnis von Kaufkraftpotential in der Stadt und dem Sollumsatz des Zentrums. - Eine Gegenüberstellung der Kaufkraftabflüsse und der bislang entgangenen Zuflüsse aus dem Um-

land mit dem Sollumsatz des Unternehmens. - Die Beantwortung der Frage, ob das Einkaufszentrum eine branchenmäßige Ergänzung oder eine

Konkurrenz zum bestehenden Angebot darstellt. All dies zeigt, dass bei Planung und Ansiedlung dieser neuen innerstädtischen Einzelhandelseinrich-tung „genau hingesehen werden musste“, damit das Center nicht nur auf sich bezogen zu einem Erfolg wird, sondern auch tatsächlich zu einer Stärkung der Innenstadt und der Gesamtstadt führt.

32

Page 36: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

7 Realisierung – 1997 bis 2001 Infrastruktur, Kösseine-Einkaufs-Centrum, Parkhaus, Kino, Renaturierung der Kösseine Projektgruppe mit allen Beteiligten zur Koordinierung und Abwicklung der Maßnahmen Ganz entscheidend für die Vorbereitung, Planung und Umsetzung bzw. Realisierung des Stadtteils ist die Teamarbeit. Bei der STEWOG wurde eine „Projektgruppe“ gebildet, die ämterübergreifend die Belange und Forderungen bündelt. In diese wöchentlich tagende Projektgruppe sind alle am Projekt Beteiligten eingebunden. Es erfolgte eine politische Rückkoppelung durch umfassende Informationen im Aufsichtsrat der STEWOG und im Stadtrat. Diese tagen kontinuierlich, sind ständig an den wichti-gen Weichenstellungen beteiligt und überwachen den Vollzug der Vorgaben. Es wurde immer ver-sucht, die Entscheidungen in den Gremien rechtzeitig vorzubereiten und soweit möglich im Vorfeld abzustimmen. Des weiteren wurden in einer sehr engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit die Preisträger mit der weiteren Bearbeitung des städtebaulichen Entwurfs betraut. Der Investor hat die Preisträger mit der Erstellung der Genehmigungsplanung und mit der federführenden Betreuung in Bezug auf Gestaltung, Materialwahl und Farbgebung beauftragt. Das gesamte Areal „Innenstadt-Süd“ befand sich – mit Ausnahme einiger privater Grundstücksflächen – im Eigentum der Stadt bzw. im Treuhandvermögen der STEWOG. So konnte die Stadt/STEWOG im Rahmen des Verkaufes der Grundstücksflächen an den Investor eine Reihe von Zielen, die wir über hoheitliches Recht in der Bauleitplanung gar nicht verbindlich beschließen und umsetzen können, die aber als kommunalpolitische Vorgabe für die Stadt wichtig sind, durch privatrechtliche Verträge ver-bindlich machen. So wurde unter anderem vertraglich geregelt, dass wesentliche Teile der Gestaltung und Ausführung des Gebäudes mit der Stadt bzw. dem Sanierungsträger abzustimmen sind. Für die Attraktivität der Innenstadt ist eine gute Erreichbarkeit eine wichtige Voraussetzung. Dies erforderte entsprechende Maßnahmen, nicht nur beim ruhenden, sondern auch beim fließenden Ver-kehr. Die Stadt Marktredwitz musste deshalb parallel zu den Hochbaumaßnahmen die gesamte öffent-liche Infrastruktur in dem Sanierungsgebiet völlig neu ordnen und ausbauen. Neben der Schaffung der erforderlichen Stellplätze für die eigentliche Nutzung durch den Investor wurden zusätzlich 202 Kfz-Stellplätze durch die Stadt geschaffen. Damit stehen insgesamt 813 Stellplätze zur Verfügung. Eine große Bedeutung in dem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet kommt dem öffentlichen Raum zu. Die neugeschaffenen Plätze zwischen dem KEC und dem Parkdeck sowie dem Anger im Bereich der Wohnbebauung bieten Möglichkeiten zu sozialen Kontakten, zu Begegnungen und zum Verwei-len. Ein offener Wasserlauf, der vorrangig mit Dachflächenwasser gespeist wird, gibt dem Gebiet eine zusätzliche Attraktivität. Das Kösseine-Einkaufs-Centrum und das Parkdeck untereinander, aber auch mit der gewachsenen Altstadt durch Brücken und Stege, barrierefrei verbunden. Die Dachflächen des Kösseine-Einkaufs-Centrums und des Parkdecks wurden begrünt. Viele Vorteile der Dachbegrünung liegen auf der Hand: neuer Lebensraum für Pflanzen und Tiere, das Kleinklima verbessert sich und die temperaturausgleichende Wirkung des lebenden Daches verbessert den Kälte- und Wärmeschutz des Hauses erheblich. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Renaturierung des Gewässers der Kösseine als wesentliches Gestaltungselement im Städtebau. Die bislang durch strenge Böschungen gefasste und kanalisierte Kösseine erhält durch Abflachen des nördlichen Uferbereiches und durch Bepflanzung standortgerech-

33

Page 37: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

ter Gehölze ein natürliches Ufer. Die Kösseine ist für alle Menschen wieder zugänglich und bietet verschiedenste Möglichkeiten zum Aufenthalt. Trotz der eingeschränkten Platzverhältnisse in den urbanen Bereichen zeigt die Renaturierung auf, dass es doch immer wieder Möglichkeiten gibt die Funktion des Wassers und natürliche lebendige Gestaltung miteinander zu verknüpfen. Bei der umfas-senden Abwasserplanung wurde auf die Trennung von Abwasser und Niederschlagswasser geachtet. 8 Bilanz Mit dem Wegfall der Grenzen und den politischen Veränderungen bei unseren östlichen Nachbarn stellten sich in Marktredwitz neue städtebauliche Aufgaben. Die wohl größte Herausforderung, das Gebiet „Innenstadt-Süd“ – direkt am historischen Stadtkern angrenzend – bot hier eine herausragende Chance eine Industriebrache zu einem vitalen Innenstadtbereich zu entwickeln. Umfangreiche Unter-suchungen, die Ende 2000 und zu Beginn 2001 für die Bereiche Städtebau, Verkehr und Handel durchgeführt wurden, bestätigen die positiven Auswirkungen dieses neuen innerstädtischen Stadtteils. Nunmehr gilt es, diese Ausstrahlungseffekte des Kösseine-Einkaufs-Centrums und der ergänzenden Einrichtungen verstärkt zu nutzen, um die Attraktivität in der Altstadt im Interesse unserer Bevölke-rung und Besucher der Stadt weiter zu entwickeln und zu steigern.

34

Page 38: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Flächenrecycling am Beispiel des kontaminierten Werksgeländes der Zellulosefabrik in Kelheim

Wagner, Udo und Scheper, Klaus

DU Diederichs + Partner, Gutenbergstraße 13, 82178 Puchheim e-mail: [email protected]

Abstract: With the implementation of well-defined requirements and the mobilisation of a project work group with representatives from supervision, technical and permission authorities, the recycling of the contaminated site of former cellulose plant in Kelheim, Germany, succeeded within only 3 ½ years. As the technical, ecological and relevant permission requirements were fulfilled also the business envi-ronment was maintained and both in agreement with the project participants and the general public. Zusammenfassung: Durch die Vorgabe von klar definierten Sanierungszielen und die Einrichtung einer projektbegleitenden Arbeitsgruppe mit Vertretern der Aufsichts-, Fach- und Genehmigungsbe-hörden ist es gelungen, innerhalb von nur 3 ½ Jahren das Flächenrecycling des kontaminierten Werksgeländes der ehemaligen Zellulosefabrik Kelheim erfolgreich abzuschließen. Es wurden sowohl die technischen, ökologischen, genehmigungsrelevanten Anforderungen usw. erfüllt als auch die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen eingehalten und das alles im Einvernehmen mit den Projektbeteilig-ten und der Öffentlichkeit. Keywords: contaminated sites, chaotic responsibility, project management, clean-up success, redevelopment

Schlagworte: Altlasten, Kompetenzwirrwarr, Projektsteuerung, Sanierungserfolg, Nachfolgenutzung

1 Einleitung Bei einem derzeitigen Flächenverbrauch von täglich ca. 27 ha allein in Bayern wird konsequentes Flächenrecycling immer mehr zur unverzichtbaren Notwendigkeit. Gerade die von Altlasten betroffe-nen Areale bieten die Gelegenheit, sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvolle und nachhaltige Verbesserungen herbeizuführen und dem „Flächenfraß“ auf der grünen Wiese entgegenzuwirken. 2 Situation, Geschichte und betriebliche Entwicklung Die Kreisstadt Kelheim hat ca. 16.000 Einwohner und liegt etwa 20 km südwestlich von Regensburg, unmittelbar am Zusammenfluss von Donau und Altmühl. Wahrzeichen der Stadt ist die 1863 von Kö-nig Ludwig I. erbaute Befreiungshalle. Überregional bekannt sind auch das mit dem Europadiplom ausgezeichnete Naturschutzgebiet des Donaudurchbruchs und das Kloster Weltenburg. Kelheim und seine Sehenswürdigkeiten werden alljährlich von etwa einer Million Touristen besucht. In diesem schönen Umfeld unmittelbar am rechten Donauufer gegenüber der Altstadt von Kelheim und im uneingeschränkten Blickfeld der Befreiungshalle liegt das nahezu 40 ha große Gelände der ehemaligen Zellulosefabrik, das in den letzten 3 ½ Jahren saniert und wieder einer sinnvollen Nutzung zugeführt wurde.

35

Page 39: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abbildung 1: Gelände der Bayerischen Zellstoff GmbH im Blickfeld der Befreiungshalle

Die Zellulosefabrik wurde von dem Schweizer Papierindustriellen Alfons Simonius in den Jahren 1882 bis 1884 erbaut, erlebte um die Jahrhundertwende mit über 500 Arbeitsplätzen ihre Blütezeit und wurde 1987 von der Bayerischen Zellstoff GmbH übernommen. Die Bayerische Zellstoff GmbH woll-te mit einem neu entwickelten weltweit einzigartigen Verfahren eine neue Ära der Zellstoffherstellung einleiten. Holzaufschluss und Bleichung mit Hilfe von Methanol anstelle von Chlor und Schwefel sollten beim sogenannten Organocell-Verfahren einen neuen Stand der Technik festschreiben. Ein Großteil der alten Anlagen wurde abgerissen, stillgelegt oder überbaut. Auf dem Gelände entstand innerhalb von fünf Jahren und mit einem Invest von ca. 500 Mio. DM die modernste und umweltfreundlichste Zell-stoffproduktion der Welt. Die Vorstellungen der damaligen Betreiber ließen sich jedoch nicht umsetzen. Das Vorhaben scheiter-te und im September 1993 musste die Bayerische Zellstoff GmbH wegen Einbrüchen am Weltmarkt und produktionstechnischer Probleme Konkurs anmelden. Etwa 270 Arbeitsplätze waren über Nacht verloren. 3 Konkursverfahren, Sanierungsentscheid Trotz intensiver Bemühungen des Konkursverwalters und nicht zuletzt des bayerischen Wirtschafts-ministeriums konnte bis Ende 1995 kein Interessent und Übernehmer zum Weiterbetrieb des Werkes gefunden werden. So entschloss man sich, die demontierbaren Anlagenteile der neuen Technologie an eine schweizerische Industrieanlagen-Verwertungsgesellschaft zu verkaufen und die Zellulosefabrik abzureißen. Da nach dem Konkurs kein verantwortlicher Handlungs- oder Zustandsstörer greifbar war, fiel dem Landkreis Kelheim die Aufgabe zu, die Sanierung in Ersatzvornahme durchzuführen. Die entspre-chende Anordnung erfolgte durch das Landratsamt Ende 1997. Die prognostizierten Sanierungskosten hätten die Finanzkraft des Landkreises bei weitem überstiegen. Deshalb erklärte sich von Beginn an

36

Page 40: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

der Freistaat Bayern bereit, den größten Teil der Kosten zu übernehmen. Der eigentliche Durchbruch kam allerdings erst mit der Änderung des FAG-Gesetzes.

Abbildung 2: Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes

Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 10.Juli 1998

Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das nach Anhörung des Senats hiermit be-kannt gemacht wird:

§ 1 Dem Art. 7 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzaus-gleichsgesetz - FAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Februar 1998 (GVBl S. 88, BayRS 605-1-F ) wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) 1Landkreise und kreisfreie Gemeinden erhalten ergänzende Finanzzuweisungen, soweit sie die Kosten für die Amtsermittlung bei der Erkundung von Altlastverdachtsflächen oder für die Ersatzvornahme bei der sonstigen Erkun-dung oder bei der Sanierung von Altlasten zu tragen haben und nicht von dritter Seite, insbesondere von Seiten des Stö-rers, Ersatz der Kosten erlangen können. 2Erstattet werden die notwendigen Kosten, soweit sie den Betrag von vier DM pro Einwohner und Jahr übersteigen. 3Die Kostenerstattung durch das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen setzt voraus, dass die Maßnahmen jeweils in eine vom Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel jährlich aufzustellenden Liste der fachlich vordringlichsten Vorhaben aufgenommen sind.“

§ 2 Dieses Gesetz tritt am 1.August 1998 in Kraft. München, den 10.Juli 1998

Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber

Die zumutbare Eigenbeteiligung des Landkreises wurde dadurch auf 4 DM je Einwohner und Jahr begrenzt. Alle darüber hinausgehenden Sanierungskosten werden vom Freistaat Bayern erstattet. Um den Ablauf der Sanierung so effizient wie möglich zu gestalten, wurde eine projektbegleitende Arbeitsgruppe installiert, der Vertreter des Umweltministeriums, der Regierung von Niederbayern, des Landratsamtes Kelheim, der Fach- und Genehmigungsbehörden, der Projektsteuerung und der Fach-planungen angehörten. Koordiniert und geführt wurde diese Arbeitsgruppe durch den Projektleiter des Landratsamtes Kelheim und durch den externen Projektsteuerer DU Diederichs + Partner GmbH Puchheim.

Fachbehörden:WWA Landshut

LfU München/Augsburg

Projektleitung:Landkreis Kelheim

Projektsteuerung:DU Diederichs + Partner

Mittelbereitstellung:Bayer. Staatsministerium für

Landesentwicklung undUmweltfragen

Mittelbewirtschaftung:Regierung v. Niederbayern

FachplanungBoden- und GW-Sanierung:

Ingenieurbüro Dr. G. PedallBauoberleitung

BauüberwachungAushubüberwachungProbenvorbereitung

FachplanungGebäudesanierung:

IngenieurgemeinschaftPorst & Partner / GfS

BauoberleitungBauüberwachung

Genehmigungsbehörde:Landratsamt Kelheim

Projektbegleitende ArbeitsgruppeProjektbegleitende Arbeitsgruppe

Abbildung 3: Organigramm der projektbegleitenden Arbeitsgruppe

Diese Arbeitsgruppe erwies sich als äußerst sinnvoll und produktiv, da durch die regelmäßigen Sit-zungen ein gleicher Informationsstand garantiert war und behördenübergreifende Verwaltungsvorgän-ge beschleunigt abgewickelt werden konnten. Die teamorientierte Denkweise aller Beteiligten erlaubte

37

Page 41: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

dabei unter Würdigung der jeweiligen fachlichen Belange stets tragfähige Kompromisse und prakti-kable Problemlösungen. Diese Vorgehensweise hat maßgeblich zum Erfolg der Sanierung beigetragen. Nachdem das Ziel einer mit staatlichen Mitteln geförderten Altlastensanierung primär nur die Gefah-renabwehr für die betroffenen Schutzgüter sein kann, war von Anfang an klar, dass vor allem wegen der besonderen Lage des Geländes, intensiv über dessen weitere Nutzung nachgedacht werden musste. Die Ende 1997 und eigens für diesen Zweck gegründete Donaupark Wirtschaftsentwicklungs-GmbH, deren Gesellschafter zu je einem Drittel aus Landkreis, Stadt und Stadtsparkasse Kelheim bestehen, verpflichtete sich, das sanierte Gelände zu übernehmen und auf eigene Kosten weiter zu entwickeln. Die frühe Einbeziehung der Überlegungen hinsichtlich der weiteren Nutzung erlaubte eine optimale Abstimmung des Sanierungskonzeptes mit den örtlichen Gegebenheiten und ist nicht zuletzt für die Akzeptanz der Maßnahme in der Bevölkerung und den Medien verantwortlich. 4 Produktionsverfahren, Schadstoffparameter Zum besseren Verständnis der Zusammenhänge und der angetroffenen Kontaminationen wird im fol-genden stark vereinfacht die Technik der ehemaligen Zellstoffherstellung nach dem Sulfitverfahren beschrieben. Zellstoff ist der wichtigste Sekundärrohstoff für die Papierherstellung. Er kommt in der Natur als Hauptbestandteil der Zellwandungen in den Pflanzen vor. Verholzen die Fasern, wird der Zellstoff in inkrustierende Substanzen eingebettet. Alle Aufschlussverfahren zielen darauf ab, diese Inkrustierun-gen weitgehendst zu entfernen, um die Zellulose freizulegen und abzutrennen. Dies geschieht mit Hil-fe anorganischer oder organischer Säuren. Bereits 1872 wurde von Prof. Mitscherlich ein Verfahren zur Herstellung von Sulfitzellstoff zum Patent angemeldet. Auch in Kelheim wurde dieses Verfahren angewandt. Zur Herstellung der notwendigen „Kochlauge“ wird Schwefeldioxid benötigt, das durch Abrösten von Schwefelkies oder Pyrit (FeS2) im Röstofen gewonnen wird. Ein Hauptlieferant für das Mineral Schwefelkies war damals die größte Zinklagerstät-te Europas in Meggen im Sauerland. Aus der Abröstung entstanden Schwefeldioxid und der sogenann-te Ab- oder Röstbrand (Fe2O3) sowie weitere Nebenprodukte und Abfallstoffe, insbesondere aggressi-ve Löschwässer. Ausschlaggebend für die Situation in Kelheim war, dass der aus Meggen bezogene Schwefelkies be-reits in seinem natürlichen Vorkommen hochgradig mit Thallium, Arsen, Blei und Zink belastet war und dass diese Schadstoffe den gesamten Produktionsprozess überstanden haben. 5 Ablauf der Sanierung Phase I - Gebäudesanierung Untersuchungen im Frühjahr 1998 hatten in den alten Produktionsgebäuden erhebliche Belastungen mit den Schadstoffen PCB, Asbest und PAK ergeben. PCB fand sich hauptsächlich in den mit ölhalti-gen Farben gestrichenen Innenwänden und alten Transformatoren, Asbest in Dichtungsschnüren von mehreren tausend Rohrleitungsflanschen und in den riesigen Kesselanlagen. PAK wurde beim Innen-anstrich der Becken der Abwasserreinigungsanlage und auf mit Teerpappen abgedichteten Dächern der Produktionsgebäude angetroffen. In der ersten Sanierungsphase galt es daher, die gesamten Altgebäude vor deren Abbruch von diesen Schadstoffen zu befreien, um die Restbelastung im Bauschutt zu minimieren.

38

Page 42: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Nach entsprechender Fachplanung und Ausschreibung begannen die Asbest- und PCB-Sanierungsarbeiten zeitgleich im August 1998. Die Sanierungstechnologie beim Asbestproblem be-stand im wesentlichen darin, die belasteten Bauteile unter entsprechenden Schutz- und Abschottungs-maßnahmen auszubauen, in einen durch eine Luftschleuse gesicherten Großcontainer zu transportieren und unter Vollschutz zu zerlegen. Die PCB-haltigen Wandanstriche wurden überwiegend durch Sandstrahlverfahren abgefräst, das Strahlgut mit Industriestaubsaugern aufgenommen, in big-bags verpackt und entsorgt. Auch diese Sanierungsweise erforderte entsprechende Einhausung und das Arbeiten unter Vollschutz. Vor jegli-cher Sanierungsaktivität wurde jedes Gebäude zunächst entrümpelt und entkernt. Die Projektsteuerung wurde in dieser Phase vor allem durch die Koordination der Arbeiten unter ein-ander und die Abstimmung mit den gleichzeitig laufenden Rückbau- und Verwertungsmaßnahmen des schweizerischen Unternehmens ZWG gefordert, das mittlerweile Eigentümer der gesamten neuen Produktionsanlagen war. Diese waren zum Teil unmittelbar mit den zu sanierenden Bauteilen verbun-den oder zumindest sehr nahe am Geschehen und mussten vor Beschädigung geschützt werden. Diese erste Sanierungsphase wurde Ende 1998 erfolgreich abgeschlossen. Phasen II und III - Bodensanierung Parallel zur Gebäudesanierung waren seit etwa Juni 1998 ergänzende Erkundungsmaßnahmen hin-sichtlich der Boden- und Grundwasserbelastungen eingeleitet worden. Das gesamte Areal wurde mit-tels rasterförmig angelegter Baggerschürfe und ergänzender Sondierungen systematisch erkundet. Dabei wurde festgestellt, dass das Firmengelände nahezu flächendeckend mit den Schadstoffen Thal-lium, Arsen, Blei und Zink belastet war. Tabelle 1: Schadstoffbelastungen im Boden

Parameter TlOr. TlEl. AsOr. AsEl. PbOr. PbEl. ZnOr. ZnEl.

[mg/kg] [mg/l] [mg/kg] [mg/l] [mg/kg] [mg/l] [mg/kg] [mg/l] Stufe-1-Wert 2 0,008 10 0,01 100 0,01 500 0,3 Stufe-2-Wert 10 0,03 50 0,04 500 0,04 2500 1,2 Sanierungszielwert Kieshaus 4 0,015 25 0,03 100 0,02 - - maximale Belastung 170 2,4 7.000 13 20.000 0,17 91.000 11 Neben der Bodenerkundung erfolgte parallel eine Gefährdungsabschätzung für das Schutzgut "Grundwasser". Da die oberflächennahen Ablagerungen längst ausgewaschen waren, wurde keine Gefährdung des Grundwassers festgestellt.. Teilweise extreme Immissionen mit hohen Gehalten an Arsen, Thallium, Blei und Zink waren jedoch im Grundwasserschwankungsbereich abstromig zum ehemaligen Schwefelkieshaus nachzuweisen. Unter Berücksichtigung der Konzentration, Tiefenlage und Mächtigkeit der Belastungen sowie der Folgenutzung des Geländes wurde in Abstimmung mit den Fach- und Genehmigungsbehörden folgen-des Sanierungskonzept für die Phasen II und III zugrunde gelegt:

• Bodenaustausch um das ehemalige Kieshaus bis zur Unterkante der Altlast im Grundwasser • schicht- und belastungsgetrennter Bodenabtrag von Ablagerungen von Abbränden zwischen 0

und 1 m unter GOK mit Wiederverwertung von unbelastetem Überlagerungsmaterial • differenziertes Vorgehen am sensibel genutzten Standort der historischen Kiesrösterei in Ab-

hängigkeit von Belastungstiefe und Zwangspunkten aus der vorhandenen Bebauung • Beseitigung oder Verwertung für den Aushub mit Belastungen oberhalb Z 2 LAGA

39

Page 43: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

• Einbau des Materials mit Belastungen kleiner/gleich Z 2 in eine oberflächenminimierte Abla-gerung, aufbauend auf einer ehemaligen Werksdeponie im Westen des Geländes

• Zuordnung von gesonderten Sanierungs- und Einbauzielwerten für den Parameter „Zink“ • Mengenflusssteuerung, Verbringungsentscheid und Beweissicherung durch eine eigens instal-

lierte Aushubüberwachung

Während der Sanierungsarbeiten erfolgte eine regelmäßige Überwachung der abströmenden Grund-wässer sowie eine permanente lufthygienische Überwachung des unmittelbaren und weiteren Umfel-des des gesamten Grundstücks. Noch im Herbst 1998 wurde mit den Bodensanierungsmaßnahmen begonnen. Nach gutem Fortschritt in der flächigen Belastungsentfernung stand ab Mitte 1999 als letzte Sanierungsaktivität der Boden-austausch in den beiden Belastungsschwerpunkten - Kiesrösterei und Kieshaus mit Aushubtiefen bis in den Grundwasserbereich von 7 m unter GOK - auf dem Programm. Dabei wurden unter der Boden-platte eines Gebäudes die ehemaligen Röstöfen mit hohem Schadstoffinventar entdeckt. Der Abriss von 3 Werkswohnhäusern und der tiefgründige Aushub dieser Bereiche in Phase IV waren die Folge. Phase IV - Bodensanierung tiefreichender Belastungen In dieser Sanierungsphase IV mussten folgende Rahmenbedingungen eingehalten werden:

• Die Bewohner der Werkswohnungen in der Weltenburger Strasse mussten vor dem Abriss umgesiedelt werden.

• Der im Eigentum der ZWG befindliche Organocellkocher musste vollständig rückgebaut sein, bevor die Bodenplatten und Fundamente abgetragen werden konnten.

• Der anschließende Bodenaushub bis in 7 m Tiefe konnte trotz Wasserhaltung wegen hohem Karstwasserzutritt nur bei niedrigem Donauwasserstand erfolgen.

• Die Genehmigung für die Z2-Ablagerung musste wegen der Mehrmenge an Ein-lagerungsmaterial und der damit verbundenen Vergrößerung neu beantragt werden.

Nach Planung, Ausschreibung und Vorbereitung begannen die Sanierungsarbeiten im Frühjahr 2000. Sie konnten bis auf die mineralische Oberflächenabdichtung und die Rekultivierung der Z 2 - Ablage-rung vollständig im Jahr 2000 abgeschlossen werden. 6 Zahlen zur Sanierung, Kosten Größe des Areals: Sanierungszeit: Arbeitsstunden: Bodenbewegung: Sandstrahlen PCB: Fräsen PAK: Analysen:

ca. 40 ha August 1998 bis Dezember 2000 80.000 Std. 140.000 m³ 47.000 m² 19.000 m² 12.000 Stück

Entfernte Schadstoffe: 25 kg PCB 30 t PAK 1 t Thallium 11,5 t Arsen 65 t Blei 310 t Zink

Gesamtkosten: ca. 31,3 Mio. DM

40

Page 44: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

7 Nachfolgenutzung Wie schon erwähnt, wurde von Anfang an intensiv über die weitere Nutzung des Geländes nachge-dacht. Aufgrund der exponierten Lage des Grundstücks und der besonderen Rahmenbedingungen ent-stand bereits frühzeitig der Entwurf eines Flächennutzungsplans, der eine Dreiteilung des Areals in die Bereiche Gewerbe/Handel/Dienstleistung, Freizeit/ Erholung und Naturschutz vorsieht.

Abbildung 4: Dreiteilung des Flächennutzungsplans

Freizeit Erholung

Naturschutz Gewerbe Handel Dienstleistung

Inzwischen wurden die ehemaligen Produktionsanlagen abgebaut und die Freimachung des gesamten Geländes ist erfolgt. Die Errichtung der Infrastruktur für den Bereich Gewerbe/Handel/Dienstleistung hat begonnen und wird bis zum Ende diesen Jahres abgeschlossen sein. Ein erster Neubau für die An-siedlung eines Hightech-Betriebes wurde im September fertiggestellt und ein Großteil der Grundstü-cke wurde bereits an Investoren verkauft. Die Donaupark GmbH wird in die Nutzbarmachung und Entwicklung des Geländes ca. 15 Mio. DM investieren, die durch Verkaufserlöse in den nächsten Jahren ausgeglichen werden sollen. Alle Beteiligten sind davon überzeugt, dass sich durch die erfolgreiche Sanierung des ca. 40 ha großen Geländes der Bayerischen Zellstoff GmbH, die als gutes Beispiel für ein wirtschaftliches Flächenre-cycling gelten kann, neue Chancen für die aufstrebende Region und Stadt Kelheim eröffnen.

41

Page 45: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Konversion einer Rüstungsaltlast zum Freizeitpark

Heuschneider, P.; Dr. Abstein, G., Beyer J.; Dr. Hollaus, B.; Dr. Kesselheim, J.; IABG mbH, Einsteinstraße 20, 85521 Ottobrunn,

e-mail: [email protected] Abstract: Prior to its conversion to a leisure park, it was necessary to remove all existing ammunition and contamination from the former air force ammunition site Kleinkötz near Günzburg within 29 months. This task was performed by the IABG and required extensive tuning with the relevant Bavar-ian authorities to assure the precise timing and realisation of necessary remediation measures. Zusammenfassung: Im Vorfeld der Konversion zu einem LEGOLAND-Freizeitpark musste die 140 ha umfassende ehemalige Luftwaffenmunitionsanstalt Kleinkötz bei Günzburg innerhalb von 29 Monaten von Munition und Altlasten befreit werden. Dies war die Aufgabe der IABG. Umfangreiche projekt-spezifische Abstimmungen mit den bayerischen Fachbehörden waren erforderlich, um die notwendi-gen Sanierungsmaßnahmen zeitnah planen und durchführen zu können. Keywords: Air Force Munition Depot; Unexploded Ordnance (UXO) Removal; Clean-up; Project Management; Warfare-related Environmental Damage Investigation

Schlagworte: Luftwaffenmunitionsanstalt; Entmunitionierung; Sanierung; Projektsteuerung; Rüs-tungsaltlasten-Gutachten

1 Aufgabenstellung Die dänische Firma LEGO errichtet auf dem Gelände der ehemaligen Luftwaffenmunitionsanstalt (LwMA) Kleinkötz im Landkreis Günzburg einen Freizeitpark („LEGOLAND“). Voraussetzung für diese Entscheidung war, dass bis 1. September 1999 eine Teilfläche von 105 ha des Areals vollkom-men entmunitioniert und von Altlasten befreit zur Verfügung gestellt werden konnte.

Mit dem Management und der Steuerung der Entmunitionierung und der kompletten Altla-stenbeseitigung wurde die IABG mbH, Ottobrunn, von der Oberfinanzdirektion Nürnberg, Bundes-vermögensabteilung in München, beauftragt. 2 Vorgeschichte des Standorts Die historische Entwicklung des Standorts hat die IABG in der ersten Projektphase detailliert recher-chiert und dokumentiert. Dabei erbrachte insbesondere die multitemporale Luftbildauswertung wert-volle Hinweise auf die Nutzungsgeschichte sowie das daraus zu erwartende Schadstoffpotential und bildete die Grundlage für die Konzeption der Vorgehensweise bei Entmunitionierung und Altlastenbe-arbeitung.

Auf der Liegenschaft wurde 1934/35 eine Luftwaffenmunitionsanstalt (LwMA) der Wehrmacht er-richtet und bis 1945 betrieben. Die LwMA wurde von den Alliierten nicht bombardiert. Zum Ende des 2. Weltkrieges wurden 73 mit Luftwaffenmunition (Bomben- und Bordwaffenmunition) gefüllten Munitionslagerhäuser und 16 im Freien gelagerte Munitionsstapel gesprengt.

42

Page 46: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Von 1946 bis 1949 betrieb die StEG (Staatl. Erfassungsstelle für öffentliches Gut) auf der Liegen-schaft eine E-Stelle (Entschärfungsstelle) mit Sprenggelände. Dabei wurden, einschließlich der fol-genden Entmunitionierungsmaßnahmen weiterer Räumfirmen, bis 1953 bereits mindestens 250 Ton-nen Munition nach dem damaligen Stand der Technik geborgen, delaboriert oder vor Ort gesprengt.

Von 1951 bis 1991 nutzte die US-Army das Gelände der LwMA als Übungs- und Schiessplatzgelän-de. In dieser Zeit wurden eine große Gewehrschiessanlage, ein Pistolenschiessstand sowie eine Pan-zerfaustschiessbahn angelegt. Zugleich betrieb die US-Army bis etwa 1967 ein Sprenggelände im Südosten der ehemaligen LwMA Kleinkötz.

1991 endete die Nutzung durch die US-Army. Im Jahre 1992 wurde die LwMA Kleinkötz der Bundes-finanzverwaltung übertragen. Die Nutzungsschwerpunkte des Geländes sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1: Nutzungsschwerpunkte der Liegenschaft (Grundlage: Luftbild 1953)

3 Projektmanagement Die IABG wurde vom Grundstückseigentümer (Bundesvermögensabteilung der OFD Nürnberg, Sitz München) mit dem Management und der Steuerung der Entmunitionierung und der Altlastenbeseiti-gung einschließlich der Untersuchungen sowie der chemischen Analytik beauftragt.

Um die gestellte Aufgabe innerhalb der vorgegebenen, kurzen Frist lösen zu können, hat die IABG vor Ort eine Projektleitung installiert, die permanent die Arbeiten auf der Liegenschaft kontrollierte und vom Auftraggeber mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wurde. So war es mög-lich, ohne lange Entscheidungswege auf Probleme zu reagieren. Auch kostenrelevante Entscheidungen wurden in der Regel innerhalb von 24 Stunden zusammen mit dem Auftraggeber getroffen. Die örtli-che IABG-Projektleitung wurde durch ein Team von Mitarbeitern im Stammhaus der IABG unter-stützt.

43

Page 47: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Voraussetzung für die Bearbeitung des Gesamtprojekts innerhalb dieser kurzen Zeitspanne war auch die von Anfang an massive politische Unterstützung durch den Bundesfinanzminister, den Staatssekre-tär des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, den Landrat sowie den Oberbürgermeister von Günzburg. Die Regierung von Schwaben installierte Arbeitsgruppen, deren Aufgabe es war, alle not-wendigen Planungs- und behördlichen Abstimmungsschritte zu forcieren.

Für die Entmunitionierung hat die IABG ein Räumkonzept erarbeitet, auf dessen Basis die erforderli-chen Leistungen für die Kampfmittelräumung im Wettbewerb europaweit ausgeschrieben und in Lo-sen an die wirtschaftlichsten Bieter vergeben wurden.

Über ein Geographisches Informationssystem (GIS) wurde der Ablauf der Entmunitionierungsarbeiten geplant, gesteuert und dokumentiert (siehe Abb. 2). Um die, für die sensible Nachnutzung erforderli-che hohe Beräumungsqualität sicherzustellen, wurden die geräumten Flächen zusätzlich einer Quali-tätskontrolle durch ein unabhängiges, auf diese Aufgabe spezialisiertes Ingenieurbüro unterzogen.

Abb. 2: Planung, Steuerung und Dokumentation der Entmunitionierungsarbeiten (Stand: 31.12.1998)

Unmittelbar im Anschluss an die Entmunitionierungsarbeiten wurden nach einem mit den zuständigen Fachbehörden abgestimmten Konzept Bodenproben entnommen, die auf möglicherweise vorhandene Schadstoffe untersucht wurden. Neben „konventionellen“ Schadstoffen aus der militärischen Nutzung standen insbesondere Sprengstoffe bzw. deren Abbauprodukte im Vordergrund der Analytik. Grund-lage für die Entscheidung in Hinblick auf die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen waren „Prüfwerte”, die von den zuständigen Fachbehörden (Landesamt für Umweltschutz (LfU), Landesamt für Wasserwirtschaft (LfW), Wasserwirtschaftsamt (WWA) Krumbach) für die verschiedenen Typen der Folgenutzung (Spielbereich, Freizeitparkbereich, Wohnbereich, Parkplätze, Gewerbegebiet) fest-gelegt wurden. Für die Reinigung von sprengstoffbelasteten Bodenmaterial wurde insbesondere die Möglichkeit des Einsatzes von biologischen Sanierungsverfahren geprüft, der jedoch aus zeitlichen

44

Page 48: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Gründen im ersten Bauabschnitt zurückgestellt werden musste.

Für die systematische Steuerung und Kontrolle der Entmunitionierung und Altlastensanierung bot sich der Einsatz eines Geographischen Informationssystems (GIS) an. Zunächst wurden alle bislang ver-fügbaren Daten eingegeben, so z.B. Flurstückskarten, Bebauungspläne, Luftbildauswertungen, Kar-tenmaterial und Informationen zur Altlastensituation. Diese Daten unterschiedlicher Quellen wurden anschließend zu einem homogenen Datenbestand bezüglich Maßstab und Kartenprojektion verarbeitet. Danach wurde mit Hilfe des GIS das gesamte Bearbeitungsgebiet digitalisiert, in Räumfelder von durchschnittlich 1.000 m² unterteilt und eine Datenbank eröffnet, die jedem Räumfeld mehr als 30 sog. Attribute zuwies. Gewünschte Attribute waren u.a. Räumfeldnummer, Fundmengen, Munitionskatego-rien, Räumungsstatus, Räumfirma, Qualitätssicherung und Fristen. In diese Datenbank wurden die Informationen aus den von den Räumfirmen arbeitstäglich vorzulegenden Arbeitsberichten (Räumta-gebuch) wöchentlich übernommen. Somit konnte der Arbeitsfortschritt der Räumfirmen binnen Stun-den analysiert, gesteuert und dokumentiert werden. Zugleich konnte der Auftraggeber jederzeit kurz-fristig mit aktuellem Kartenmaterial versorgt werden. Im Laufe des Projekts wurde somit eine Vielzahl von Spezialkarten zu den unterschiedlichsten Themen und in verschiedenen Maßstäben erstellt. Schwerpunkte waren u.a. Datenbanken und Karten zur Grundwassersituation, zur Erfassung der Ge-wässer und deren Schadstoffbelastung, zur Erfassung der Haufwerke und Sprengtrichter und deren Belastung, zur zukünftigen Nutzung des Geländes (Bebauungs-, Flächennutzungspläne). 4 Entmunitionierung Aufgrund des unterschiedlichen naturräumlichen Charakters der einzelnen Geländeabschnitte, der unterschiedlichen Art und Intensität der Vornutzung, der vermuteten Munitionsbelastung und der ge-planten Nachnutzung durch den Investor war ein, den jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepaßtes Vorgehen notwendig.

Der Einsatz der anzuwendenden Sondierungs- und Munitionsbergungstechniken wurde vor allem von den folgenden wesentlichen Zielsetzungen bestimmt: • Erreichung der zu gewährleistenden Munitionsfreiheit • Berücksichtigung von Sicherheitsanforderungen • Wirtschaftlicher Mitteleinsatz zur Einhaltung des vorgegebenen Budgets • Berücksichtigung der Belange des Natur- und Umweltschutzes • Einhaltung des vorgegebenen Zeitrahmens.

Die Entmunitionierung des Geländes wurde in zwei Phasen öffentlich ausgeschrieben. Die Entmuniti-onierungsarbeiten des Westteils (105 ha) wurden im Mai 1998 begonnen und fristgerecht bis zum 31.08.1999 abgeschlossen. Die Bearbeitung des Ostteils (35 ha) mit dem Sprenggelände, der Panzer-faustschiessbahn und dem Handgranatenwurfplatz begann im September 1999 und war bis Oktober 2000 abgeschlossen.

Trotz zum Teil erheblicher, auch witterungsbedingter Erschwernisse ist es gelungen, durch massiven Technik- und Personaleinsatz (mit zeitweise bis zu 100 Mitarbeitern) die Termine zu halten.

Zu den schwierigsten Arbeitsbereichen zählten: • die Entmunitionierung der Munitionslagerhäuser,

45

Page 49: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

• die Wälle, z.B. im Bereich der Schiessanlage und der Munitionslagerhäuser, die mittels einer Se-parieranlage mit Magnetabscheider entmunitioniert wurden,

• das feuchte, schwer zugängliche Gelände im Bereich des Winterbachtals, das einen Geräteeinsatz schon allein wegen der Erhaltung als hochwertiges Biotop kaum zuließ,

• die Wasserflächen, die durch Munitionstaucher untersucht wurden, • die 137 Sprengtrichter, die bis zu 17 m tief ausgekoffert werden mußten (siehe Abb. 3) Die überwiegend mit Wald bestandenen Flächen konnten auf konventionellem Wege sondiert werden. Dabei wurde als oberstes Gebot dem Prinzip der Sicherheit Vorrang gegeben. Wenn Munition unter-halb von Baumwurzeln oder im Umkreis von Bäumen geborgen werden mußte, war das Fällen von Bäumen nicht zu vermeiden. Hier wurde der Oberboden nach der Rodung abgeschoben, in einer Sepa-rationsanlage mit Magnetabscheider entmunitioniert und in Haufwerken abgelagert.

Besonderen Wert legte der Auftraggeber aufgrund der Sensibilität der Nachnutzung auf die Qualitäts-kontrolle. Hierzu wurden die beräumten und von den Räumfirmen freigemeldeten Geländeteile von Spezialisten eines unabhängigen Ingenieurbüros nochmals mit Sonden begangen und auf Störkörper-freiheit untersucht. Die Randbereiche wurden stichprobenartig (10 %) untersucht. Geländeteile, die später im Zentrum der Nutzung liegen würden, wurden zu 100 % kontrolliert.

Das Gesamtgewicht der geborgenen Munition betrug 213,4 t. Dabei wurden 33.862 Granaten, 60.685 Bomben, 2.814 Panzerfäuste und Handgranaten, 98.203 Munitionsteile bzw. Zünder so-wie 16.913 Stück an sonstiger Munition (z.B. Infanteriemunition) geborgen. An Splittern und Schrott wurden 1.660.163 Stück mit einem Gesamtgewicht von 335,7 Tonnen gefunden. Darüber hinaus wurden 360.318 m³ Erdmassen bewegt.

Die spektakulärsten Funde waren neben 250 kg- und 500 kg-Granaten ein 1.100 kg schweres Muniti-onsteil einer Mörsergranate vom Kaliber 60 cm (Mörser „Karl“), deren Sprengung durch die US-Streitkräfte einen riesigen Sprengkrater geschaffen hat (siehe Abb. 3 und 4)

Abb. 3: Entmunitionierungsarbeiten an Sprengtrichtern Abb. 4: Teil einer Bombe Typ SD70 mit Sprengstoffresten

46

Page 50: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die Fundmunition wurde dem im Auftrag des Bayerischen Innenministeriums tätigen Kampfmittelbe-seitigungsdienst (KMBD) übergeben, der für den Abtransport und die Vernichtung der Munition ver-antwortlich war. Munition, die als nicht transportfähig eingestuft wurde, hat der KMBD vor Ort auf einem dafür eigens angelegten Sprengplatz vernichtet. 5 Altlastensanierung 5.1 Untersuchungskonzept Als Grundlage für die Planung der technischen Altlastenuntersuchung dienten zunächst folgende Un-tersuchungen und Gutachten: • die Historische Erkundung • das Räumkonzept • die chemischen Analysen und Grundwasseruntersuchungen • die zusätzlichen Untersuchungen des Wasserwirtschaftsamtes Krumbach, die im Rahmen der tech-

nischen Gewässeraufsicht durchgeführt wurden.

Das Untersuchungskonzept der IABG wurde zunächst in zahlreichen Gesprächen mit den zuständigen Fachbehörden (LfW, LfU, WWA Krumbach) abgestimmt und im Laufe des Projektes durch regelmä-ßigen Informationsaustausch mit den Fachbehörden den Gegebenheiten vor Ort weiter angepaßt. Die Kontaminationsschwerpunkte wurden aufgrund ähnlicher Nutzungshistorie zu folgenden Gruppen zusammengefaßt: • munitionsabhängige Kontaminationsschwerpunkte (Munitionslagerhäuser, -freistapel, Sprengge-

lände, sonstige Bereiche mit Munitionsbelastung (wie z.B. Wälle, Schiessanlagen, Teiche)).

• durch die militärische Nutzung bedingte Kontaminationsschwerpunkte (u.a. Schiessanlagen (Ab-schuss-/Zielbereiche/Geschossfänge), ungeordnete Ablagerungen (Vergrabung von Autowracks)).

• Beprobung des Wassers (Grundwasser, Fliessgewässer, Teiche).

Bei der Planung des Untersuchungsumfanges konnte davon ausgegangen werden, dass die durch Mu-nitionsvernichtung und Sprengung von LwMA-Anlagen entstandenen Bodenbelastungen die Belas-tungen der vorhergehenden Nutzung als Luftwaffenmunitionsanstalt sowie der späteren Nutzung durch die US-Army wesentlich übertrafen. Als mengenmäßig bedeutendste Komponenten wurden die Explosivstoffe TNT, Hexogen, Nitropenta, Ammoniumnitrat und die verschiedenen Treibladungspul-ver erwartet.

Zusätzliche Schadstoffbelastungen ergaben sich aus der im Boden verbliebenen Munition, da sie über die Jahre hinweg den Einflüssen der Korrosion ausgesetzt war. Während die dickwandigen Hüllen von Granaten meist wenig rostanfällig waren, war die Korrosion bei kleineren Bomben und Granaten bzw. Flak- und Bordwaffenmunition nach 50 Jahren häufig weit fortgeschritten. Durch korrodierte, löchrige Munitionshüllen können Sprengstoffe durch das Niederschlagswasser ausgewaschen werden.

Im Bereich der Bunker mußte aufgrund der verwendeten teerhaltigen Schutzanstriche von Bodenver-unreinigungen durch PAK und Phenole ausgegangen werden.

47

Page 51: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

5.2 Beprobung und Analytik: Boden

Beprobungskonzept Bei der Altlastenuntersuchung des Geländes wurden im wesentlichen die bei der Entmunitionierung entstandenen Haufwerke und Sprengtrichter auf ihren Schadstoffgehalt untersucht. Weiterhin wurden die Waldflächen etc. mittels Rammkernsondierungen untersucht. Die Vorgehensweise für die Bepro-bung der Haufwerke wurde mit den Fachbehörden abgestimmt und folgendermaßen durchgeführt: • Kartierung der Munitionsfunde nach Dichte und Art • Probenahme in Abhängigkeit von der Munitionsdichte und -art • Entnahme und Analyse von zwei Mischproben pro Räumfeld.

Analytikkonzept In Abstimmung mit LfU/LfW wurden die Parameter für die Analytik der Bodenproben festgelegt (sie-he Tab.1): Tabelle 1: Parameterumfang Bodenuntersuchungen: Munitionsabhängige Kontaminationsschwerpunkte

Kontaminationsschwerpunkt Untersuchte Parameter: Boden

Munitionslagerhäuser Sprengstoffscreening1), PAK, Schwermetalle (As, Pb, Sb, Cd, Cr, Cu, Ni, Hg, Zn)

Sprengtrichter und gesprengte Munitionsfreistapel

Ggf. Ergänzung aufgrund der Erkenntnisse der Munitionsberäumung; bei organoleptischen Auffälligkeiten: GC-MS-Screening

Sprenggelände, Schiessanlagen, Sandgrube

Ggf. Modifizierung aufgrund der Erkenntnisse der Munitionsberäumung bzw. den Ergebnissen der Deklarationsanalytik

Waldflächen Sprengstoffscreening1), Schwermetalle

Bausubstanzproben: PAK

Bunker für die Notstromversorgung MKW, PAK (bei organoleptischen Auffälligkeiten: Chloracetophenon, PCB)

Benzinlager MKW, BTXE, PAK

Kfz-Stellflächen MKW (bei organoleptischen Auffälligkeiten weitere Parameter)

Ungeordnete Ablagerungen (z.B.Vergrabung von Autowracks)

Festlegung aufgrund der Ergebnisse der Bergungsmaßnahme

1) Das Sprengstoffscreening beinhaltet die Bestimmung folgender sprengstofftypischer Verbindungen einschließlich rele-vanter Nebenprodukte und Metabolite: 2,4,6-Trinitrotoluol, 1,3,5-Trinitrobenzol, 1,3-Dinitrobenzol, 2,4-Dinitrotoluol, 2,6-Dinitrotoluol, 3,5-Dinitrotoluol, 3,4-Dinitrotoluol, 2-Nitrotoluol, 3-Nitrotoluol, 4-Nitrotoluol, 2-Amino-4,6-dinitrotoluol, 4-Amino-2,6-dinitrotoluol, Hexogen, Oktogen, Pikrinsäure, Nitropenta

Der Parameterumfang für die Eluatanalysen wurde auf Basis der Analytikergebnisse der Bodenproben für einzelne Haufwerke festgelegt. 5.3 Beprobung und Analytik: Wasser

Beprobungskonzept Für die Abklärung einer etwaigen Schadstoffbelastung der auf dem Gelände befindlichen Wasserflä-chen wurden Wasserproben entnommen. Zur Ermittlung der hydrogeologischen Situation (Grundwas-seran- und -abstrom, Grundwasserüberdeckung, Grundwasserstockwerksgliederung, -flurabstand) wurden auf Vorschlag der IABG neben den beiden bereits vorhandenen Grundwassermessstellen (GWM) 32 weitere GWM errichtet. Insgesamt wurden folgende Wasserproben entnommen: • 138 Proben aus den Grundwassermessstellen • 51 Proben aus den Quellaustritten und Fließgewässer im Winterbachtal und den Teichen

48

Page 52: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Analytikkonzept Zur Abschätzung der Beeinflussung des Grundwassers durch die Kontaminationsschwerpunkte und um Aussagen über mögliche zusätzliche belastete Flächen machen zu können, wurden zur hydroche-mischen Beweissicherung die aufgeschlossenen Grundwasserstockwerke sowie die Quellen im Tal des Winterbaches an unterschiedlichen Quellaustritten auf die in Tab. 2 genannten Parameter untersucht.

Tabelle 2: Beprobungsstrategie und Analytikkonzept für die Wasseruntersuchungen

Kontaminationsschwerpunkt Untersuchte Parameter: Wasser

Grundwasser, Fließgewässer physikalisch-chemische Parameter, Kationen (Standard), Anionen (Standard), Schwermetalle (As, Sb, Cd, Cr, Cu, Fe, Hg, Mn, Ni, Pb, Zn)2) , MKW, PAK, Phenolin-dex, Chlororganische Pestizide, BTXE , Sprengstoffscreening1), Nitropenta, Nitroglyce-rin, Ethylenglykoldinitrat, Diethylenglykoldinitrat

1) Das Sprengstoffscreening „Wasser“ erfolgte analog dem Untersuchungsumfang „Boden“ (Tab. 1), jedoch ohne Pikrin-säure und Nitropenta, aber mit Hexogen, Hexyl (ab 2000 wurden die Mononitrotoluole nicht mehr analysiert)

2) Probenuntersuchung nach Filtration erst bei Überschreitung des geogenen Grenzwerts um 100% in der Orginalsubstanz

5.4 Grundlagen der Bewertung Für die Bewertung der Analysenergebnisse für konventionelle Schadstoffe wurden bis zum Inkraft-treten der BBodSchV für den Gefährdungspfad Boden-Mensch vom LfU/LfW in Anlehnung an EWERS und VIERECK-GÖTTE (1994) nutzungs- und schutzgutbezogene Prüfwerte vorgegeben. Nach Inkrafttreten der BBodSchV galten die bundesweit gültigen Prüfwerte. Für den Wirkungspfad Boden/Grundwasser bzw. Wasser wurde das Merkblatt Nr. 3.8-10 (Juli 98) des LfW herangezogen.

Zur Bewertung sprengstofftypischer Verbindungen hat die “Arbeitsgruppe Orientierungswerte Kleinkötz”, bestehend aus Vertretern des Landesuntersuchungsamtes für das Gesundheitswesen Süd-bayern, des Gesundheitsamtes Günzburg, des LfU, des LfW und des WWA Krumbach, projektbezo-gen nutzungs- und schutzgutbezogene Prüfwerte für den Wirkungspfad Boden/Mensch und Prüfwerte der Stufe 1 für den Wirkungspfad Boden/Grundwasser und für Wasser aufgestellt. Ab August 2000 wurden die vom Forschungs- und Beratungsinstitut für Gefahrstoffe (FoBiG), Freiburg für das Um-weltbundesamt abgeleiteten Prüfwerte für den Pfad Boden/Mensch angewandt.

Hinsichtlich eines möglichen Wiedereinbaus der Haufwerke auf dem Gelände wurden der Wir-kungspfad Boden/Mensch und der Pfad Boden/Grundwasser berücksichtigt. Beim Wirkungspfad Bo-den/Grundwasser wurden bei einer Prüfwertüberschreitung der Stufe 1 der Bodenprobe zunächst Elua-tuntersuchungen durchgeführt, die hier gefundenen Konzentrationen mit den entsprechenden Werten für Grund- und Sickerwasser verglichen und daraus Maßnahmen abgeleitet:

• bei Eluat-Konzentration < Stufe-1: Wiedereinbau am Standort möglich • Stufe 1 > Eluat- Konzentration < Stufe-2: Einzelfallprüfung durch Fachbehörden • Eluat-Konzentration > Stufe-2: Abgrenzung des Schadensumfangs und technische Maßnahmen

bzw. Entsorgung des Haufwerks Da für sprengstofftypische Verbindungen keine Stufe-2-Werte für Boden/Grundwasser bzw. Grund- und Sickerwasser vorlagen, mußten die Fachbehörden im Falle von Überschreitungen des Stufe-1-Wertes eine Einzelfallentscheidung treffen. 6 Verwertung / Entsorgung kontaminierter Böden

49

Page 53: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Durchführung der Entsorgung Die Verwertungs- bzw. Entsorgungsleistungen wurden nach folgenden Kontaminationsarten getrennt ausgeschrieben: • mit Sprengstoff kontaminiertes Bodenmaterial • mit MKW kontaminiertes Bodenmaterial • mit Teeranstrich/Teerpappe kontaminierter Beton • mit Blei/Kupfer/Zink kontaminierte Geschossfangsande • Baumischabfälle • imprägnierte Holzabfälle • sonstige Abfallstoffe (z.B. Autoreifen, Batterien, Sonderabfälle)

Am 25.08.1999 wurden die Entsorgungsarbeiten aufgenommen. Insgesamt wurden rd. 25.099 t Mate-rial entsorgt (siehe Tabelle 2). Im Rahmen von Sofortmaßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr waren während der Entmunitionierungsarbeiten bereits 950 t entsorgt worden.

Der überwiegende Teil des nur schwach kontaminierten Bodenmaterials kann auf dem Gelände verbleiben und, bezogen auf die Nachnutzung, auf geeigneten Flächen wieder eingebaut werden.

Tabelle 2: Entsorgte Mengen nach Art und Aufkommen

Art des entsorgten Materials Aufkommen in Tonnen

Geschossfangsande 3.137

PAK-, MAK- und schwermetallhaltige Böden, Baumischabfälle 18.457

Sprengstoffhaltige Böden 3.115

Kontaminiertes Wasser 167

DDT-haltige Böden 166

Sonstiges (u.a. Autoreifen, Erdkabel, Bleiakkus, Sperrmüll) 57

Gesamt 25.099

Je nach Einstufung der Materialien durch die Fachbehörden wurde das kontaminierte Erdreich und die Abfälle in der Regel • bei geringen Belastungen (Z3) zur 80 km entfernten Deponie Wiedenzhausen transportiert, • bei höheren Belastungen (Z4) durch Sprengstoffe einer thermischen Behandlung zugeführt, • bei hohen Belastungen (Z4) durch PAK/Schwermetalle zur Sondermülldeponie Gallenbach und • bei hohen Belastungen (Z5) durch Sprengstoffe oder DDT in die Sondermüllverbrennung nach

Ebenhausen transportiert. Da noch keine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise (mikrobiologische Sanierung bzw. gesicherter Einbau) für die höher mit Sprengstoffen belasteten Haufwerke gefallen ist, wurden im Jahr 2000 4.076 m³ Bodenmaterial aus dem Sprenggelände auf eine gesondert ausgewiesene Fläche im Osten der Liegenschaft umgelagert. Davon wiesen 1.650 m³ TNT- und DNT-Belastungen auf, 256 m³ hatten Hexogen- und Nitrotoluolbelastungen und 2.170 m³ waren mit Hexogen belastet.

50

Page 54: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bodenschutz versus Naturschutz? Bewältigung des Konflikts beim Flächenrecycling von Industriebrachen

M. Bihler*, M. Koch**, J. Weindl**

* Wendler Tremml Rechtsanwälte, Martiusstr. 5/II, 80802 München; [email protected] **bfm GmbH, Am Mittleren Moos 48, 86167 Augsburg; [email protected]

Abstract: A former gaswork was producing gas for several decades. The contaminated site is intended for reuse for trade and industry. In between protected ecosystems were developed on contaminated soils. The remediation of soil and groundwater would affect a destruction of ecosystems. Status and quality of the ecosystems will compete with the protection of human being and groundwater. At the first time we will show legal opportunities to solve the problem between soil and ecosystem protection. Zusammenfassung: Ein ehemaliger Industriestandort, der über mehrere Jahrzehnte zur Gasprodukti-on genutzt wurde, soll einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden. Inzwischen haben sich auf den schädlichen Bodenveränderungen Biotope entwickelt. Eine Sanierung ist nur möglich, wenn in Bioto-pe eingegriffen wird. Status und Qualität der Biotope werden konkurrieren mit Menschen- und Grundwasserschutz. Erstmalig werden juristisch gangbare Wege aufgezeigt. Keywords: soil protection, nature conservation, hazardous waste sites, contaminated sites, soil con-tamination, ecosystem protection, protection of human being, groundwater, remediation of derlicted land Schlagworte: Bundes-Bodenschutzgesetz, Bundes-Naturschutzgesetz, Altlast, schädliche Bodenverän-derung, Biotopschutz, Schutzgut Mensch, Grundwasser, Flächenrecycling, Huckepack-Verfahren, Eingriffsregelung, Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen

1 Einleitung

Seit dem Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) am 1.3.1999 wird neben Wasser und Luft nun auch der Boden als drittes Umweltmedium durch ein Gesetz des Bundes geschützt. Das Gesetz regelt sowohl die Sanierung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen als auch den vorbeugenden Bodenschutz. Es betrifft dadurch eine Materie, die auch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) regelt, nämlich den Schutz von Natur und Landschaft im besiedelten und unbesiedelten Bereich. Das BBodSchG und die zu seiner Ausführung ergangene Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverord-nung (BBodSchV) regeln bundeseinheitlich die Kriterien für das Vorliegen, die Prüfung, die Bewer-tung, sowie für die Sanierung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen. Die Begriffe „Alt-last“ und „schädliche Bodenveränderung“ sind von den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen her weitgehend deckungsgleich. Man kann in grober Annäherung sagen, dass es sich bei abgeschlossenen Vorgängen um Altlasten handelt, während der Begriff der schädlichen Bodenveränderung auch noch nicht abgeschlossene Vorgänge mitumfasst. Der Eigentümer einer altlastverdächtigen Fläche oder eines Altlastengrundstücks kann dieses Grund-stück unsaniert weder verkaufen noch nutzen, wenn entsprechende Gesundheitsgefahren bestehen. Erst nach einer Sanierung bestehen wieder Verwertungsmöglichkeiten. Oft beruht die Tatsache, dass

51

Page 55: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

früher industriell genutzte Grundstück brach liegen, eben darauf, dass Altlasten befürchtet werden oder vorhanden sind. Durch die Formulierung bundeseinheitlicher Sanierungsmaßstäbe für Altlasten-grundstücke hat das BBodSchG die Funktion einer Investitionserleichterungsmaßnahme. Jeder Ver-pflichtete weiß, nach welchen Kriterien und in welchem Umfange eine Sanierung durchzuführen ist. Wird ein Grundstück jahre- oder jahrzehntelang nicht genutzt und bleibt es deshalb sich selbst überlas-sen, so sind oft ideale Bedingungen für die Besiedelung durch Tierpopulationen und für Pflanzensuk-zessionen gegeben. Der vormals industriell genutzte Boden ist nährstoffarm und begünstigt dadurch die Ansiedlung von Pflanzenpopulationen, die solche Umgebungen bevorzugen. Da Nährstoffarmut von Böden unter den Bedingungen einer industrialisierten Landwirtschaft selten ist, sind auch die Pflanzen, die sich dort ansiedeln selten und deshalb besonders schützenswert. Im folgenden wird anhand einer konkret vorhandenen Altlastenfläche, auf deren Grund sich natur-schutzrechtlich relevante Pflanzenansiedelungen entwickelt haben, der Konflikt zwischen Flächenre-cycling und Naturschutz diskutiert. 2 Ausgangslage Ein Teil des ehemaligen Gaswerksgeländes in München von ca. 14,5 ha soll einer neuen Nutzung zu-geführt werden. Das Grundstück liegt seit den frühen siebziger Jahren brach, nachdem es zuvor etwa 100 Jahre lang der Stadtgasproduktion (Kohlevergasung) diente. Vorhandene industrielle Anlagen wurden bis OK Erdoberfläche abgebrochen. Mittlerweile befinden sich dort Flächen mit naturschutz-fachlich höherer Wertigkeit. a) Die planungsrechtliche Situation stellt sich wie folgt dar: das Gebiet ist im Flächennutzungs-plan als industrielle Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen. Ein Bebauungsplan ist nicht vorhanden und auch nicht in Aufstellung. Nördlich des Geländes wurde mittlerweile eine Büronutzung und eine ge-werbliche Nutzung (Amt für Abfallwirtschaft) verwirklicht. Auf der südlichen Fläche wurde nach einer Sanierung der Bodenverunreinigungen eine Büronutzung (Stadtwerkszentrale der Stadtwerke München GmbH) verwirklicht. Im Osten befindet sich das Gelände des Olympiastadions und im Wes-ten ist Wohnbebauung vorzufinden. Es ist umstritten, ob es sich bei dem Gelände um „Außenbereich im Innenbereich“ oder noch um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt. b) Im Laufe des Produktionsprozesses sind auf dem Grundstück Stoffe angefallen, für die der Anhang zur BBodSchV für den Wirkungspfad Boden-Mensch und für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser Prüfwerte angibt, in erster Linie Teeröle mit polycyklischen aromatische Kohlenwasser-stoffen. Es bestand deshalb (auch schon vor Erlass des BBodSchG) ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Altlast. §3 BBodSchV bestimmt hierzu, dass dann, wenn auf einem Grundstück über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs- Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe vermuten lassen, ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Altlast und damit ein Altlastenverdacht gegeben ist. Es war deshalb erforderlich, durch entsprechende Unter-suchungen diesen Altlastenverdacht auszuräumen oder aber zu bestätigen, § 9 BBodSchG. Zur Abklä-rung der Nutzbarkeit des Geländes wurden umfangreiche Altlastenuntersuchungen durchgeführt:

• historische Erkundung unter Einbezug der verschiedenen Ausbaustufen des Gas-werksbetriebes

52

Page 56: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

• Auswertung bereits aus früheren Phasen vorliegender Untersuchungen (von 1984-1999)

• umfangreiche technische Erkundungen im Jahr 2000. Die Ergebnisse der Altlastenuntersuchungen zeigten, dass auf dem betreffenden Grundstück weite Bereiche ohne vorherige Sanierungsmaßnahmen nicht nutzbar sind. Dies gilt nicht nur für eine Nut-zung als Park oder Freizeitanlage, sondern auch für eine gewerbliche Nutzung. c) Im Rahmen der Biotopkartierung München wurden im Jahr 1982 Teilflächen des Geländes als Biotop registriert und wie folgt bezeichnet: „Sukzessionsflächen auf trockenem kiesigem Substrat, Ruderal- und Wildgrasfluren, Magerrasen, Initialstadien“. Bei einer erneuten Untersuchung im Mai 1999 wurde „magerer Altgrasbestand/ Grünlandbrache mesophiles Gebüsch, naturnah“ angetroffen. Ein Biotopstatus gem. Art.13 d BayNatSchG wurde allerdings verneint. 3 Aufgabenstellung Auf den Ergebnissen der Vorerkundungen sollte unter Berücksichtigung

• der Vornutzung • der Altlasten und • der Biotopflächen

ein Abgleich der vor einer Nutzung aus Gründen der Bodenverunreinigungen und der Verkehrssicher-heit zu sanierenden Bereiche und der Biotopflächen durchgeführt werden. Die Untersuchung führte zu folgenden Ergebnissen: a) Altlastenproblematik Eine Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit ist auf dem Gelände grundsätzlich durch derma-le, orale oder inhalative Aufnahme der Schadstoffe möglich. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen und der Ergebnisse der Historischen und Technischen Erkundung für das Gelände kommt der Proble-matik „inhalative Schadstoffaufnahme“ nur untergeordnete Relevanz zu, da eine Nutzung des Gelän-des ohnehin nur nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen möglich ist. Die Untersuchungen zum Wirkungspfad Boden-Mensch ergaben, dass für weite Teile des Geländes, insbesondere der Biotopflä-chen, im Oberbodenbereich die Prüfwerte nach BBodSchV für Park- und Freizeitanlagen sowie für Industrie- und Gewerbegebiete überschritten sind. Aus den Ergebnissen der Historischen und Technischen Erkundung für das Gelände liegen für das Schutzgut Grundwasser Erkenntnisse darüber vor, dass im Grundwasserleiter und der ungesättigten Zone in erheblichem Maß Schadstoffe eingelagert sind. Dabei ist festzustellen, dass

• auf dem Gelände lokal sehr hohe Teeröl- und PAK-Konzentrationen vorkommen, • die Einlagerung der Schadstoffe als labil zu bezeichnen ist und • das tertiäre Grundwasser bisher weitgehend unbelastet ist.

Derzeit werden die Schadstoffe über eine Abwehrpegelkette auf dem Gelände gesichert, eine Siche-rung des Geländes selbst existiert zur Zeit nicht. b) Verkehrssicherungspflicht Unabhängig von der Frage, ob das Gelände künftig einer baulichen Nutzung zugeführt oder als Park- und Freizeitanlage genutzt wird, kommt der Verkehrssicherheit eine besondere Bedeutung zu. Beein-trächtigungen der Verkehrssicherheit des Areals resultieren aus

53

Page 57: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

• stellenweise nicht ausreichend tragfähigem Untergrund, teilweise aufgrund von Verfül-lungen, teilweise aufgrund vorhandener, unterirdischer, nicht ausreichend belastbarer oder nicht tragend verfüllter Kanäle und Bauwerke, sowie

• im Untergrund vermuteter Blindbomben. Da der Abbruch auf dem Gelände nur oberirdisch erfolgt, sind sämtliche Keller, Fundamente und Ka-näle, wenn auch teilweise zerstört, im Untergrund vorhanden. Dies hat in der Vergangenheit bereits wiederholt zu Unfällen durch einbrechende Baugeräte geführt. Auch im Rahmen der Technischen Erkundung im Jahr 2000 wurde das Vorhandensein dieser Hohlräume, Fundamente und Verfüllungen bestätigt. An diversen Stellen reichen diese Hohlräume und Schächte bis an die Oberfläche.

c) Biotopsituation

In der Vergangenheit wurden auf dem betreffenden Gelände im Rahmen der Stadtbiotopkartierung Biotope ausgewiesen. Eine detaillierte Erfassung und Bewertung der floristischen Ausstattung der Biotopflächen wurde im Frühjahr 2000 durchgeführt. Auf ca. einem Viertel der Fläche wurden schüt-zenwerte Vegetationsstrukturen nachgewiesen. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um

• blüten- und artenreiche Pioniergesellschaften (Echio-Melilotetum), • Altgrasfluren, ruderal, nährstoffreich (Glatthafer-Queckenfluren), • Ruderalflächen (Klasse: Artemisio-Tanaceteten) • Reitgrasflächen (Calamagrostis-Dominanzgesellschaften) • wertvolle Gebüsch- und Baumbestände

d) Gefahrenanalyse Die Situation auf dem Gelände birgt in dreierlei Hinsicht Gefahren. aa) Durch eine Mobilisierung der Schadstoffe im Grundwasserleiter kann das Grundwasser in gro-

ßem Umfang verunreinigt werden. Dasselbe gilt für den Fall eines Versagens der vorhandenen Abwehrpegelkette.

bb) Der Oberbodenbereich ist in einigen Teilen ohne Sanierung nicht ohne Gesundheitsrisiken betret-bar, eine Wohn- oder Arbeitsnutzung auf dem Gelände ist ausgeschlossen.

cc) Wegen des nicht tragfähigen Untergrundes muss ohnehin die Betretbarkeit des Geländes ausge-schlossen werden.

Eine wie auch immer geartete Nutzung des Geländes, bei der die Betretung des Geländes durch Men-schen nicht ausgeschlossen werden kann, setzt deshalb eine Sanierung voraus. e) Sanierungskonzept Die Sanierung bezüglich der Gefahren für das Grundwasser soll nachhaltig durch ein Funnel-and-Gate-System an der Grundstücksgrenze in Grundwasserfließrichtung, also am Nordrand des Geländes, erfolgen. Um einerseits die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Funnel-and-Gate-Systems zu erhöhen und andererseits die unmittelbar von den Altlasten ausgehenden Gefahren zu beseitigen, sollen die „hot spots“, also Flächen mit exorbitant hohen Schadenstoffkonzentrationen, entfernt werden. Es han-delt sich dabei um Flächen mit Teerölen in Phase, wie zum Beispiel verfüllte Gruben. Auch dort wo die Tragfähigkeit des Bodens nicht gegeben, ist müssen die Fundamente entfernt und die Gräben und Kanäle tragend verfüllt werden. Dieses Sanierungskonzept ist jedoch nur zu verwirklichen, wenn in Flächen eingegriffen wird, die schutzwürdige Fauna und Flora aufweisen. Ein entsprechender Eingriff bedeutet aber, dass die schüt-zenswerten Pflanzen und Tiere vernichtet werden.

54

Page 58: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

4 Lösungswege Das BBodSchG wurde bei Inkrafttreten aus naturschutzrechtlicher Sicht ausdrücklich begrüßt. Insbe-sondere das Gebot des BBodSchG, schädliche Bodenveränderungen zu vermeiden, wurde als Abrun-dung des Naturschutzes verstanden. Bis heute ist ein möglicher Konflikt zwischen Naturschutz und Bodenschutz weder in der Literatur thematisiert noch in der Rechtsprechung ausgetragen worden. Wir betreten hier juristisches Neuland. Für die Konfliktbewältigung ist der Regelungsbereich der unterschiedlichen Normen gegeneinander abzugrenzen und im Falle eines Normenkonflikts die Reihenfolge der Anwendung der Normen zu bestimmen. a) BBodSchG und BNatSchG haben unterschiedliche Regelungsmaterien. Während das BBodSchG in seinen wichtigsten Teilen der Abwehr von Gefahren dient, die von Altlasten und schäd-lichen Bodenveränderungen ausgehen, also Polizeirecht ist, ist das BNatSchG in erster Linie Pla-nungsrecht. Die Verwirklichung der naturschutzrechtlichen Ziele obliegt deshalb den für die Geneh-migung von Vorhaben und den für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden im sog. „Huckepackverfahren“. Dies bedeutet, dass beim allgemeinen Geset-zesvollzug die naturschutzrechtlichen Belange zusätzlich von den Behörden zu beachten, zu berück-sichtigen und durchzusetzen sind. b) Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Eingriffsregelung in § 8 BNatSchG und dem Biotop-schutz nach § 20 c BNatSchG und den entsprechenden Bestimmungen in den Landesnaturschutzgeset-zen. Die Eingriffsregelung besagt, dass die Behörden bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Vorha-bens feststellen müssen, ob in die Gestalt oder Nutzung von Grundflächen eingegriffen wird und ob dieser Eingriff die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt. Gemäß § 8 BNatSchG sind vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen; unvermeidbare Beeinträchtigungen müssen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Dabei ist ein Ein-griff zu untersagen, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Rang vorgehen. Dagegen sind Maßnahmen, die zur Zerstörung oder zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beein-trächtigung eines im Gesetz aufgezählten Biotops führen können, gemäß § 20 c BNatSchG unzulässig. Die Länder können aber Ausnahmen vom Biotopschutz zulassen, wenn eine Abwägung der Belange des Naturschutzes und der sonstigen betroffenen Belange ergibt, dass die Maßnahmen aus überwie-genden Gründen des Gemeinwohls notwendig sind. Die Eingriffsregelung kommt nur bei Vorhaben zum Zuge, die einer Genehmigung, Bewilligung, Er-laubnis oder einer Planfeststellung bedürfen, nicht aber bei einem genehmigungsfreien Vorhaben. Erlässt aber eine Behörde eine Sanierungsanordnung nach dem BBodSchG, so sind im Rahmen dieses Verfahrens aufgrund der „Huckepackregelung“ auch die naturschutzrechtlichen Belange zu berück-sichtigen. Liegt dagegen ein Biotop vor, so muss der Grundstückseigentümer für jede Maßnahme, die einen Ein-griff in das Biotop mit sich bringen würde, vor der Durchführung eine Ausnahme vom Beeinträchti-gungsverbot beantragen. c) Es kommt mithin darauf an, ob die Altlastenfläche oder der Altstandort Biotop Qualität hat oder nicht. Liegt ein Biotop vor, müssen für alle Sanierungsmaßnahmen, die in das Biotop eingreifen, Ausnahmen vom Beeinträchtigungsverbot beantragt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Sanie-rungsmaßnahme als solche sich nicht als „Eingriff“ i.S.d. § 8 BNatSchG darstellen sollte und deshalb genehmigungsfrei möglich wäre. Solche Maßnahmen sind allerdings selten. In der Regel wird eine Sanierungsmaßnahme einen solchen Umfang annehmen, daß eine baurechtliche Genehmigung erfor-

55

Page 59: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

derlich wird, oder in das Grundwasser eingreifen und damit eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Be-willigung erforderlich machen. Liegt kein Biotop vor und ist die Sanierung genehmigungsfrei, so sind bei der Sanierung naturschutz-rechtliche Gesichtspunkte nicht zu beachten. Handelt es sich dagegen um einen „Eingriff“ i.S.d. § 8 BNatSchG, so kommt Naturschutzrecht zur Anwendung. Dies gilt auch immer dann, wenn eine Behörde die Sanierung anordnet oder einen Sanierungsvertrag abschließt. d) Der Sanierungspflichtige kann nicht einwenden, bei dem brachliegenden Grundstück handele es sich nicht um „Natur“, sondern um Industriebrache. Es ist vielmehr anerkannt, dass

• das Naturschutzrecht für besiedelte und unbesiedelte Bereiche gleichermaßen gilt, • auch Sekundärbiotope geschützt sind.

Ein Sekundärbiotop liegt vor, wenn durch menschliche Einwirkung auf die Natur oder die Landschaft eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts eintritt. Zwar könnte man einwenden, dass Industriebrache durch bloße Untätigkeit und Vernachlässigung durch den Menschen entsteht, doch würden wir auf eine solche Argumentation nicht vertrauen. Unberührte, „jungfräuliche“ Natur ist in Mitteleuropa praktisch nicht mehr vorhanden. Die bloße Zeitdauer, die verstrichen ist, seit ein Grundstück nicht mehr genutzt wurde, darf nicht den Ausschlag für seine Schutzwürdigkeit geben. Vielmehr ist für jede Fläche und für jedes Vorhaben, das sich als Eingriff darstellt, die naturschutz-rechtliche Relevanz zu prüfen. e) Welche Folge hat nun die Beachtung naturschutzrechtlicher Belange für die Sanierung einer Altlast oder schädlichen Bodenverunreinigung? Die Durchführung der Sanierung stellt eine erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung des Natur-haushaltes und des Landschaftsbildes dar. Diese Beeinträchtigung ist auch unvermeidbar, wenn die Sanierung durchgeführt wird. Es bleiben dann nur noch Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle üb-rig. Die Frage ist, ob aus Gründen des Naturschutzes auf die Durchführung einer Sanierungsmaßnahme verzichtet werden kann oder gar verzichtet werden muss. § 4 Abs. 3 BBodSchG bestimmt, dass der Sanierungspflichtige verpflichtet ist, den Boden und durch schädliche Bodenveränderungen verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Für die Sanierung gilt die Priorität der Dekontaminations- und Si-cherungsmaßnahmen vor sonstigen Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen. Unter Dekontamination versteht man die vollständige Entfernung der Schadstoffe aus dem Boden. Bei der Sicherung wird das Austreten der Schadstoffe aus dem gesicherten Bereich ausgeschlossen. Unter Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen werden dagegen der unmittelbaren Gefahrenabwehr dienende Sofortmaßnahmen verstanden und Beschränkungen der Nutzung, zum Beispiel das Verbot einer klein-gärtnerischen Nutzung des betreffenden Gebiets, oder Betretungsverbote. Einer dem Naturschutzgedanken verpflichteten Betrachtungsweise kann insbesondere das Ausspre-chen eines Betretungsverbotes für eine Altlastenfläche als reizvolle Alternative zu einer biotopzerstö-renden Dekontamination erscheinen. f) Diese Möglichkeit besteht jedoch nicht. Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen sind subsidiär möglich, wenn Dekontaminations- und Siche-rungsmaßnahmen nicht ergriffen werden können. Dies folgt schon aus dem polizeirechtlichen Charak-ter aus den Vorschriften des Bodenschutzgesetzes. Danach muss eine Gefahr für eines der geschützten Rechtsgüter so vollständig und umfassend wie nach den gegebenen Umständen eben möglich, besei-tigt werden. Kommt der Staat seiner entsprechenden Schutzpflicht nicht nach, können hieraus Ersatz-ansprüche gegen den Staat selbst resultieren. Diese Pflicht zur Gefahrenbeseitigung steht allerdings

56

Page 60: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit: Ist eine vollständige Beseitigung nicht möglich oder - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen - dem Sanierungspflichtigen nicht zumutbar, so kommen als mildere Mittel Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen in Betracht. Dieser Sichtweise entspricht auch die naturschutzrechtliche Regelung. Selbst dann, wenn eine Maß-nahme ein gesetzlich geschütztes Biotop betrifft, kann eine Ausnahme vom Beeinträchtigungsverbot ausgesprochen werden, wenn besonders schwerwiegende Gemeinwohlgründe dies erfordern. Solche besonders schwerwiegenden Gemeinwohlgründe sind z. B. bei akuter Gefahr für das Grundwasser gegeben. Das selbe gilt für den Gesundheitsschutz und zwar sowohl was die Verkehrssicherung an-geht, als auch was die Gesundheitsfährdung durch Altlasten angeht. Die Gesundheitsgefährdung von Menschen stellt einen Gemeinwohlbelang dar, der durch Gründe des Naturschutzes nicht überwunden werden kann. Vielmehr muß, wenn ein Biotop vorliegt, für die Sanie-rung eine Ausnahme vom Beeinträchtigungsverbot gemacht werden und wenn die Sanierung sich als bloßer Eingriff darstellt, dieser als eine unvermeidbare (und deshalb ausgleichspflichtigen) Beein-trächtigung angesehen werden. Im Falle einer Gesundheitsgefahr für Menschen oder bei Vorliegen einer Grundwassergefährdung können Sanierungen durch Dekontamination oder Sicherungsmaßnahmen deshalb auch naturschutz-rechtlich besonders geschützten Bereichen durchgeführt werden.

5 Literatur

MARGIT EEGNER, PETER FISCHER-HÜFTLE (1999): Die Novelle 1998 des Bayerischen Naturschutzge-setzes. BayVBl 1999, S. 680 - 688; WALTER FRENZ (2000): Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) – Kommentar. Verlag C.H. Beck, München; ERICH GASSNER, GABRIELE BENDORMIR-KAHLO, ANNETTE SCHMIDT-RÄNTSCH, JÜRGEN SCHMIDT-RÄNTSCH (1996): Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) – Kommentar. Verlag C.H. Beck, München; LUDWIG HIPP, BURGHARD RECH, GÜNTHER TURIAN (2000): Das Bundes-Bodenschutzgesetz mit Bo-denschutz- und Altlastenverordnung - Ein Leitfaden. Verlagsgruppe Jehle Rehm GmbH, München, Berlin; RAINER WOLF (1999): Bodenfunktionen, Bodenschutz und Naturschutz. Natur und Recht 1999, S. 545 - 554;

57

Page 61: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

58

Raumordnerische Ausgleichsregelung zur Sicherung interkommunaler Flächenpools

Ass. jur. Gerold Janssen, Dresden

Institut für ökologische Raumentwicklung e.V., Weberplatz 1, 01219 Dresden e-mail: [email protected]

Abstract: Using a co-ordinated regional land pool concept, nature-conservation requirements can be equated to interconnecting biotope concepts and an important contribution to the creation of an inte-grated system as demanded by European law (NATURA 2000) can be made. The obligation of local au-thorities under Section 135a (2) German Building Code (BAUGB) to provide lands for compensatory measures at the expense of project sponsors virtually compels them to set up a municipal land pool. At the spatial planning level, federal state legislators have the option, by incorporating Section 7 (2 [2]) German Regional Planning Act (ROG) into federal-state planning laws as these are re-enacted, of establishing the statutory prerequisites for a regional land pool (underpinning municipal concepts) and of having meas-ures copper-bottomed by means of appropriate planning co-ordination efforts on the part of the regional planning sector. Zusammenfassung: Mit einem abgestimmten, regionalen Flächenpoolkonzept können naturschutzfachli-che Forderungen nach Biotopverbundkonzepten entsprochen sowie ein wichtiger Beitrag zur Schaffung eines gemeinschaftsrechtlich geforderten Verbundssystems (Natura 2000) erbracht werden. Die Pflicht der Gemeinden, gemäß § 135a Abs. 2 BauGB Flächen für Ausgleichsmaßnahmen auf Kosten der Vorha-bensträger bereitzustellen, zwingt sie gleichsam zur Aufstellung eines kommunalen Flächenpools. Auf raumordnerischer Ebene steht dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit offen, durch Implementierung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG in die zu novellierenden Landesplanungsgesetze die rechtlichen Voraussetzungen für einen (kommunale Konzepte unterstützenden) regionalen Flächenpool zu schaffen und die Maßnahmen durch entsprechende planerische Abstimmungen seitens der Regionalplanung sichern zu lassen. Keywords: Regional land pool, municipal land pool, intervention arrangements, regional planning, biotope concepts, land management Schlagworte: Regionaler Flächenpool, kommunaler Flächenpool, Eingriffsregelung, Regionalplanung, Biotopverbund, Flächenmanagement 1 Einleitung Mit dem Durchgriff der städtebaulichen Eingriffsregelung per 01.01.2001 gelten die Vorschriften des Bau-gesetzbuches in allen Bundesländern. Die Pflicht der Gemeinden, gemäß § 135a Abs. 2 BauGB Flächen für Ausgleichsmaßnahmen auf Kosten der Vorhabensträger bereitzustellen, zwingt sie zur Flächenvorsor-ge. Das Städtebaurecht gewährt eine räumliche und zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Ausgleich und ermöglicht damit die Bildung von Flächenpools. Vor allem die räumliche Flexibilisierung ruft die Raumordnung auf den Plan. Als Folge der Entwicklung der Eingriffsregelung zu einem Instrument der planerischen Flächenvorsorge wurde auf raumordnungsrechtlicher Ebene eine Regelung erlassen, mit der diese Problematik eingefangen werden soll. Die Regelung, von der hier die Rede ist, hat ihren Platz in § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG gefunden. Diese Norm stellt klar, dass den Raumfunktionen und Raumnutzungen nach

Page 62: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

59

Satz 1 Nr. 2 auch Ausgleichsfunktionen für zu erwartende Eingriffe in Natur und Landschaft an anderer Stelle im Plangebiet zugewiesen werden können. Hierdurch soll dem Umstand Rechnung getragen wer-den, dass die naturschutzrechtliche Eingriffs-/Ausgleichsproblematik künftig auch im regionalen Maßstab auf der Grundlage gesamträumlicher Vernetzungskonzepte behandelt werden kann. 2 Städtebauliche Eingriffsregelung Im Verhältnis zum Baurecht enthält das Bundesnaturschutzgesetz mit § 8a BNatSchG eine Sonderrege-lung, die gemeinhin als „städtebauliche“ Eingriffsregelung bezeichnet wird. Gemäß § 1a BauGB ist sie dem Verfahren der Bauleitplanung nicht aufgesattelt, sondern in dieses verfahrensmäßig und inhaltlich integriert. Die Kompensation von Eingriffen richtet sich somit allein nach dem Städtebaurecht. Hiernach besteht eine gesetzliche Öko-Konten-Regelung gemäß §§ 1a Abs. 3, 9 Abs. 1a, 135a Abs. 2, 200a BauGB für die aufgrund der Bauleitplanung erfolgenden Natureingriffe. Gemäß § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB können die Darstellungen und Festsetzungen der Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe aufgrund der planerischen Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen. Voraussetzung ist, dass dies mit - einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, - den Zielen der Raumordnung (gemäß § 3 Nr. 2 ROG) sowie - den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist. Ausgleichsflächen müssen nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans festgesetzt werden, sondern können sich auch in einem anderen Bebauungsplan wiederfinden (§ 9 Abs. 1a BauGB). In diesem Falle soll die Gemeinde gemäß § 135 a Abs. 2 BauGB die Ausgleichsmaßnahmen anstelle und auf Kosten der Vorhabensträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen und auch die hierfür erforderli-chen Flächen bereitstellen. Sie hat also aufgrund dieser Vorschrift zwangsläufig ein Flächenmanagement zu betreiben. Die oben erwähnten Ziele der Raumordnung, die es zu beachten gilt, sind vor allem Festlegungen zur an-zustrebenden Freiraumstruktur gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ROG, die auch Gebiete zum Ausgleich un-vermeidbarer Beeinträchtigungen an anderer Stelle enthalten können (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ROG). Das bedeu-tet, dass sich bereits auf regionaler Ebene die Notwendigkeit für Konzepte in Form eines Flächenmanage-ments mit Öko-Konto von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ergibt. Dies betrifft vor allem die Kernstäd-te in Verdichtungsräumen aber auch Situationen, in denen mehrere Großvorhaben in einem Raum geplant sind. Häufig sind Großvorhaben in mehrere Planfeststellungsabschnitte zerteilt, so dass in den einzelnen Verfahren die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nur für Teilabschnitte bearbeitet werden. Dabei kann durch die unkoordinierte Suche einzelner Vorhabensträger nach verfügbaren Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kaum aus sich heraus ein räumlich funktional abgestimmtes Gesamtsystem im Sinne eines Verbundsystems entstehen. Auf regionaler Ebene sind daher gemeindeübergreifende Lösungsmög-lichkeiten anzustreben. Die Regelungen des städtebaulichen Öko-Kontos führen schließlich zu einem Be-deutungsgewinn für die Landschaftsplanung, die fachlichen Beiträge liefert und deren Ziele ebenfalls bei räumlich verlagerten Ausgleichsmaßnahmen zu berücksichtigen sind.

Page 63: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

60

3 Interkommunaler Flächenpool In § 135 a Abs. 2 BauGB ist explizit vorgesehen, dass die Maßnahmen zum Ausgleich eines Bebauungs-plan auch bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden können. Die Gemein-de erhebt zur Deckung ihres Aufwandes für Ausgleichsmaßnahmen einschließlich hierfür erforderlicher Flächen einen Kostenerstattungsbetrag, der als öffentliche Last auf dem Grundstück liegt (§ 135 a Abs. 3 S. 4 BauGB). Soweit die Umsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen außerhalb der Baugrundstü-cke vorgesehen ist, ergibt sich für die Gemeinden das Problem der Flächenbereitstellung. Die unzurei-chende Verfügbarkeit geeigneter Kompensationsflächen verursacht erhebliche Probleme bei der Umset-zung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung und kann sowohl zu Verfahrensverzögerungen als auch zur Verringerung des angestrebten Kompensationsumfangs führen. Die durch das Baurecht gegebenen Instrumente (wie Vorkaufsrecht, Umlegung und Enteignung) sind zur Bereitstellung von Flächen für Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen nur bedingt geeignet. Somit verbleibt den Städten und Gemeinden insbe-sondere die Möglichkeit des freihändigen Erwerbs der erforderlichen Flächen. Diese können auch außer-halb, auf dem Gebiet umliegender Gemeinden liegen, so dass ein weiträumiger Ausgleich in einem Flä-chenpool mehrerer Gemeinden erfolgen kann. Es muss sich dabei um von der Gemeinde bereitgestellte Flächen i.S.d. § 9 Abs. 1a Satz 2 Halbsatz 2 BauGB handeln, d.h. sie müssen im Eigentum der Kommune stehen oder es müssen andere, rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeiten bestehen. Eine weitere Alter-native zur Durchführung des Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft steht den Gemeinden nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB mit dem städtebaulichen Vertrag zur Verfügung, mit dem ebenfalls ein gemeindeübergreifender Flächenpool geschaffen und rechtlich abgesichert werden kann (BATTIS/KRAUTZBERGER/LÖHR, § 9 Rn. 98e). In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich allen Gemeinden, aufbauend auf der Landschaftsplanung, die Entwicklung einer gesamträumlichen Konzeption für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und eine voraus-schauende Flächenbevorratung, d.h. der Aufbau eines Flächenpools zu empfehlen. Ohne diesen Flächen-pool besteht die Gefahr der nicht sachgerechten Zersplitterung der Flächen für Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen, einer Verzögerung des Bebauungsplanverfahrens sowie zu erhöhten Kosten für den Flächen-aufkauf. Seit dem 1.1.2001 greifen die Regelungen des BauGB bundesweit, also auch in den Freistaaten Sachsen und Bayern, welche von der Ausnahmevorschrift des § 246 BauGB Gebrauch gemacht hatten. Insbesonde-re im Hinblick auf die danach durchgreifende Ausgleichsregelung gemäß dem BauGB erscheint eine in-terkommunale bis hin zu einer gesamtstaatlichen Konzeption mit regionalspezifisch ausgeformten Kon-zepten unerlässlich. Dieses regional/interregional vernetzte System - auch im Sinne von Natura 2000 - wird die naturschutzrechtlich gesicherten Flächen sowie die Gebiete der FFH-Richtlinie sowie der Vogel-schutzrichtlinie aus raumordnerischer, d.h. landes- und regionalplanerischer Sicht miteinander vernetzen und – das ist entscheidend - auch nicht naturschutzrechtlich zu sichernde Gebiete einbauen, die gleich-wohl Bestandteil des (Öko-)Systems sind. Gerade solche ökologisch aufwertbaren „Zwischenelemente“ und „Scharniere“ in einem vernetzten System, könnten Baustein- und ökologische „Trittstein-Funktionen“ übernehmen oder zu schützende Kernzonen mit ökologisch erforderlichen und aufzuwertenden Puffer- und Randgebieten umgeben. Ziel muss es daher sein, auf gemeindeübergreifender Ebene nach Lösungs-möglichkeiten zur Kompensation der Eingriffsfolgen zu suchen und zu entwickeln und Impulse für deren Umsetzung zu geben. Wenn mehrere Gemeinden einer Region oder unmittelbar benachbarter Regionen an ökologisch aufwertbaren Flächen Anteil haben, sind interkommunale Flächenpools sinnvoll. Dabei könnte es sich z.B. um ein entwässertes Moorgebiet handeln, das durch Wiedervernässung renaturiert werden soll.

Page 64: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

61

4 Raumordnerischer Ausgleich nach § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG Nach § 200a BauGB müssen Ausgleichsmaßnahmen mit den Zielen der Raumordnung vereinbar sein. Diese Pflicht folgt schon aus § 1 Abs. 4 BauGB. Damit ist ein direkter Bezug zur Raumordnung herge-stellt. In Raumordnungsplänen können nach § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG Freiräume als Ziele der Raumord-nung festgelegt werden, die zugleich die Funktion von raumbedeutsamen Ausgleichs- und Ersatzflächen haben. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 kann bei Festlegungen nach Satz 1 Nr. 2 (Festlegungen zur Freiraum-struktur) zugleich bestimmt werden, dass „in diesem Gebiet unvermeidbare Beeinträchtigungen der Leis-tungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes an anderer Stelle ausgeglichen, ersetzt oder gemindert werden können“. Geeignete Festlegungen zur Freiraumstruktur nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG sind im Gesetz exemplarisch genannt. Dazu zählen a) großräumig übergreifende Freiräume und der Frei-raumschutz, b) die Nutzungen im Freiraum, wie Standorte für die vorsorgende Sicherung sowie die geord-nete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen sowie c) die Sanierung und Ent-wicklung von Raumfunktionen. Für die Sicherung von interkommunalen Flächenpools kommen alle ge-nannten Festlegungen gleichermaßen in Betracht. Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen ist je-weils zu prüfen, inwiefern Ausgleichs, Ersatz- oder Minderungsmaßnahmen aufgenommen werden sollen. Insofern kann der Raumordnungsplan für einen interkommunalen Flächenpool instrumentalisiert werden. Die Festlegung von großräumig übergreifenden Freiräumen und Freiraumschutz gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 lit. a ROG erfolgt beispielsweise durch Vorrang- und Vorbehaltsgebiete, Regionale Grünzüge und die Grünzäsuren, wobei die Vorbehaltsgebiete den Kommunen angemessenen Spielraum lassen, da es sich um eine in der kommunalen Abwägung der Bauleitplanung überwindbare Norm handelt. Zur Festigung könn-te eine dem § 5 Abs. 2a BauGB (Zuordnungsdarstellung) vergleichbare regionale „Zuordnungsfestlegung“ beitragen. Zu denken ist an ein in einem regionalen Grünzug, aber außerhalb von naturschutzrechtlichen Festsetzungen gelegenes Gebiet, das im naturschutzrechtlichen Sinne nicht schützenswert, aber dennoch durch entsprechende Maßnahmen ökologisch aufwertbar ist. Solche Flächen von regionaler Bedeutung können z.B. ein derzeit der Agrarnutzung (Maisanbau) dienendes Niedermoorgebiet sein, das schrittweise der Renaturierung zugeführt wird, oder das Gebiet eines begradigten oder verrohrten Bach-/Flusslaufes, das dem freien natürlichen Lauf des Wassers (Mäandrierung, Sandbankbildung, Bildung von Retentions-räumen, Biotop- und Auewaldbildung) zurückgegeben werden soll. Zunächst muss es sich um „unvermeidbare Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaus-haltes oder des Landschaftsbildes“ handeln. Diese Formulierung ist an § 8 BNatSchG angelehnt, und unterstreicht den Anwendungsbereich für Eingriffstatbestände nach diesem Gesetz. Dabei sind alle raumbedeutsamen Fachplanungen betroffen, die Beeinträchtigungen in Natur und Landschaft mit sich bringen und nach § 8 BNatSchG ausgleichs- und ersatzpflichtig sind; insoweit beinhaltet § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG keine Einschränkung auf das Baugesetzbuch. Weitere Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigungen „an anderer Stelle“ ausgeglichen, ersetzt oder gemindert werden können. Mit dieser Formulierung knüpft das Gesetz direkt an die räumliche Ent-kopplung der Eingriffsregelung an, die - wie gesehen - im Städtebaurecht obligatorisch ist. Die Flächen, die für den Ausgleich in Form von Vorranggebieten nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG oder Vorbe-haltsgebieten nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG ausgewiesen werden (MÜLLER/JANSSEN et. al. 2000), stellen Festlegungen in Form von Zielen oder Grundsätzen der Raumordnung dar. Vorrang-Ausgleichsgebiete entfalten die Bindungswirkungen des § 4 ROG als zu beachtende Ziele des Regionalplans. Dabei handelt es sich gemäß § 3 Nr. 2 ROG um verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des

Page 65: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

62

Raums. Raumbedeutsamkeit ist gegeben, wenn im betroffenen Raum ein Bedarf besteht, die Ausgleichs-flächen der Gemeinden in bestimmten Bereichen zu bündeln. Die raumordnerischen Festlegungen von Gebieten normieren aber nur, dass keine anderen mit diesen Vorrangnutzungen nicht zu vereinbarenden Nutzungen zugelassen werden dürfen. Sie gestatten - im Gegensatz zu Eignungsgebieten nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG - bei interkommunalen Lösungen außerhalb des Gemeindegebietes andere bzw. weitere Ausgleichsflächen darzustellen bzw. festzusetzen. Raumordnerische Eignungsgebiete, die Ausgleich an anderen Stellen verbieten würden, sind ungeeignet, da sie sich nur auf Vorhaben nach § 35 BauGB bezie-hen. Die raumplanerischen Vorgaben (der Raumordnungsbehörden) greifen somit erheblich in die Pla-nungshoheit der Gemeinden ein und bedürfen daher einer gründlichen Rechtfertigung (ISTEL 2000), denn die Festlegung von regionalen Vorrang-Ausgleichsflächen wären die Gemeinden gehalten, ihre Bauleit-pläne diesen Zielen der Raumordnung anzupassen. Zudem müssen die in den Raumordnungsplänen dargestellten Flächen für Maßnahmen zum Ausgleich funktional geeignet sein, die auf den Eingriffsflächen eintretenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähig-keit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes zu kompensieren. Anderenfalls sind sie für den Aus-gleich und Ersatz ungeeignet und die Darstellungen der Raumordnung nicht bindend. Somit kann die Fest-setzung von Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Raumordnungsplänen die Gemeinden zu-meist nicht hindern, außerhalb dieser Gebiete in Bauleitplänen entsprechende Regelungen vorzusehen (SCHRÖDTER, § 1a Rn. 74). Der raumordnerische Ausgleich hat mit einigen sachlichen, räumlichen aber auch rechtlichen Problemen zu tun. Zunächst kann (!) diese bundesrechtliche Rahmenregelung von den Bundesländern umgesetzt wer-den, muss es aber nicht. D.h. jedes Bundesland hat zu prüfen, ob und inwieweit es die Möglichkeit des § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG übernehmen will oder nicht. Dies wird wohl von der jeweiligen Einschätzung der Um-setzungschancen auf der Regionalplanungsebene abhängen. Ob auf der Ebene der Regionalplanung „Zu-ordnungsfestlegungen“ von Ausgleichs- oder Ersatzgebieten sinnvoll sein können, bedarf der Situations-analyse vor Ort. Hier sind die Einbindungsmöglichkeiten von kleinräumigen Einheiten zu berücksichtigen, die sich aus den Arten- und Biotopschutzprogrammen und darin fehlenden Vernetzungstrittsteinen erge-ben können. Sie könnten als regionale Ausgleichs-Vorrangflächen einzustufen und festzulegen sein. Insofern verbinden sich mit regionalen Flächenpools eine Anzahl von Fragen und möglichen Lösungsvor-schlägen. Insofern sind die für die Festlegungen nach § 7 Abs. 2 S. 2 ROG zuständigen Planungsstellen auf ihren eigenen ökologischen Sachverstand oder auf die Beratung der Fachbehörden angewiesen, insbe-sondere auf die mit der örtlichen Situation vertrauten unteren Naturschutzbehörden (ISTEL 2000). Die Erarbeitung eines regionalen Konzeptes muss aus rechtstaatlichen Gründen alle öffentlichen und pri-vaten Interessen untereinander und gegeneinander abwägen. Dieser Aspekt macht die Bearbeitung auf regionaler Ebene für Fachplanungen und informelle Planungen interessant, die anderenfalls nicht oder nicht in angemessener und ausreichender Form an den Entscheidungen beteiligt sind (zu denken ist hier an die aus der Sicht der Landwirtschaft zu wenig beachtete Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung). Insbe-sondere sind die eigentumsrechtlichen Aspekte bei regionalen Ausgleichsregelungen sehr differenziert in Betracht zu ziehen. Hier gewinnt im besonderen Maße das Gegenstromprinzip an Bedeutung, soweit auf der regionalen Ebene die Beteiligung der Kommunen und die Beachtung kommunaler Flächenpools an-steht. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 7 Abs. 2 S. 2 ROG keinen speziellen ausschließlichen Bezug zum BauGB herstellt, sondern alle raumbedeutsamen Fachplanungen anspricht, die erhebliche und nach-haltige Eingriffe in Natur und Landschaft mit sich bringen und nach § 8 BNatSchG ausgleichs- oder er-satzpflichtig sind.

Page 66: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

63

Das Aufstellungsverfahren für den Regionalplan gewährleistet somit, dass sich Flächenpool-Konzepte nicht auf den Ausgleich der Eingriffe durch Bauleitpläne beschränken, sondern in Abstimmung mit den zuständigen Trägern öffentlicher Belange die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Fachplanungen und Planfeststellungsverfahren mit einbeziehen (SCHÄFER, S. 62). Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die Forderung nach einer Einordnung von Ausgleichs- und Ersatz-flächen in ein regionales, landes-, bundes- und europaweites ökologisches Verbundsystem der Kann-Bestimmung des § 7 Abs. 2 S. 2 ROG Nachdruck verleiht, in die Planungsgesetze der Länder aufgenom-men zu werden. 5 Bedeutung der Landschaftsplanung Grundlage für raumordnerische Festlegungen zu Ausgleichszentren bietet die Landschaftsplanung (§§ 5 ff. BNatSchG). Schließlich muss der räumlich entkoppelte Ausgleich mit den Zielen von Naturschutz und Landschaftspflege auch vereinbar sein (§ 1a Abs. 3 S.2 BauGB). Diese Ziele ergeben sich auf regionaler Ebene aus dem Landschaftsrahmenplan. Um ein ökologisch sachgerechtes regionales Ausgleichskonzept konkret entwickeln zu können, bedarf es weitgehend problemspezifisch abgesicherter naturwissenschaftli-cher Grundlagen. Diese können durch die Landschaftsrahmenplanung erbracht werden. Wird der Landschaftsrahmenplan in den Regionalplan integriert, so sind nach einem in der Literatur ent-worfenen Modell (v. DRESSLER et. al., S. 193 ff.) auf der Grundlage einer Verträglichkeitsprüfung und der im weiteren Planungsprozess getroffenen Entscheidungen die landschaftsplanerischen Erfordernisse und Maßnahmen durch Aussagen zu ergänzen, wie unvermeidbare Beeinträchtigungen ausgeglichen werden sollen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ROG). Die landschaftsplanerischen Entwicklungsziele bilden die Grundlage für die Bennennung von Räumen, in denen aus regionaler Sicht und unter Berücksichtigung der beeinträchtig-ten Funktionen vorrangig Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgen sollten. Ein solches Konzept zum regionalen Ausgleich ist entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG im Regionalplan festzulegen. Sieht die Landschaftsplanung z.B. als Ziel die Erhaltung einer Feuchtwiese vor, kann dort kein Bruchwald als Ausgleich festgesetzt werden. Bestehende Landschaftspläne sind insoweit nicht nur zu berücksichti-gen, sondern bindend zu beachten (MITSCHANG, S. 45). Die Gemeinde kann den Landschaftsplan zur An-passung an ihre Bauleitplanung ggf. ändern; bei einem Landschaftsrahmenplan ist das mangels Zuständig-keit regelmäßig nicht möglich (LOUIS, § 8a Rn. 62). Um den funktionalen und räumlichen Zusammenhang zu entsprechen, ist der betroffene Landschaftsraum abzugrenzen, der für die raumordnerischen Festlegun-gen erforderlich ist. Hier dürfte eine Interpretation des betroffenen Landschaftsraumes nach den Natur-raumkategorien des Landschaftsrahmenplans Westsachsen (vgl. v. DRESSLER et. al., 1999) beispielhaft sein, die auf einer konkreten ökologisch-funktionalen Ebene herausgearbeitet wurden (Heidelandschaften, Lösshügellandschaften usw.). Aus landes- oder auch regionalplanerischer Sicht und Abwägung bedarf es einer eingehenden flächendeckenden ökologischen Potenzial- und Entwicklungsanalyse, um in Raumord-nungsplänen der Landes- und Regionalebene raumordnerische Festlegungen im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG zu treffen.

Page 67: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

64

6 Fazit Den Landesgesetzgebern steht auf raumordnerischer Ebene die Möglichkeit offen, durch Implementierung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG in die zu novellierenden Landesplanungsgesetze die rechtlichen Voraussetzun-gen für einen (kommunale Konzepte unterstützenden) interkommunalen Flächenpool zu schaffen und durch entsprechende planerische Abstimmung die Maßnahmen zu sichern. Die landschaftsplanerischen Entwicklungsziele bilden dabei die Grundlage für die Benennung von Räumen, in denen aus regionaler Sicht und unter Berücksichtigung der beeinträchtigten Funktionen vorrangig Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen erfolgen sollten. Ein solches Konzept zum regionalen Ausgleich kann entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 2 ROG im Regionalplan als Ziele und Grundsätze der Raumordnung in Form von Vorrang- und Vor-behaltsgebieten rechtlich abgesichert werden. Mit einem abgestimmten, regionalen Flächenpoolkonzept können naturschutzfachlichen Forderungen nach Biotopverbundkonzepten entsprochen sowie ein wichti-ger Beitrag zur Schaffung eines europarechtlich geforderten Biotopverbundssystems (Natura 2000) er-bracht werden. 7 Literatur BATTIS, U./ KRAUTZBERGER, M./ LÖHR, R.-P. (1998): Baugesetzbuch, 6. Auflage, München 1998 VON DRESSLER, H./ HOPPENSTEDT, A./ LANGER, H./ MÜLLER, B./ MURKEN, K./ JANSSEN, G./ ERBGUTH, W. (2000): Weiterentwicklung der Landschaftsrahmenplanung und ihre Integration in die Regionalpla-nung, Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg 2000 ISTEL, W. (2000): Raumordnerischer Ausgleich bei unvermeidbaren Beeinträchtigungen der Leistungsfä-higkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes (§ 7 Abs. 2 ROG), in: Akademie für Raumfor-schung und Landesplanung (Hrsg.), Zur Novellierung des Landesplanungsrechts aus Anlass des Raum-ordnungsgesetzes 1998, Arbeitsmaterial Nr. 266, Hannover 2000 LOUIS, H. W. (2000): Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar der §§ 1 bis 19f, 2. Auflage, Braunschweig 2000 MITSCHANG, S. (1998): Die neuen Eingriffs- und Ausgleichsregelungen und ihre Bedeutung für die städ-tebaulichen Planungen, in: Wirtschaft und Verwaltung 1998, S. 20-56 MÜLLER, B./ JANSSEN, G. et. al. (2000): Konsequenzen der BauROG-Novelle für die Landes- und Regionalplanung, Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), Arbeitsmaterial Nr. 270, Hannover 2000 SCHÄFER, R. (2000): Leitfaden zur Handhabung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Bau-leitplanung, Forschungsgruppe Stadt + Dorf, Berlin 2000 SCHRÖDTER, H. (1992): Baugesetzbuch, BauGB-Maßnahmegesetz, Kommentar, 5. Auflage, München 1992

Page 68: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Umweltbilanzierung von Altlastensanierungen: Umsetzung einer Forderung der Bundesbodenschutzgesetzgebung

Volkwein, S.

C.A.U. GmbH, Daimlerstraße 23, 63303 Dreieich e-mail: [email protected].

Abstract: The environmental balancing of the remediation of contaminated sites (Umweltbilanzierung von Altlastensanierungen) is described in the international and national context. Some features of the Umweltbilanzierung software are explained. Some points of the example of the remediation of the site of the former company Reinig in Sinsheim are illustrated. Zusammenfassung: Die Umweltbilanzierung von Altlastensanierungen ist im internationalen und nationalen Kontext beschrieben. Einige Eigenschaften der Umweltbilanzierungs-Software werden erläutert. Für das Beispiel der Altlast der ehemaligen Firma Reinig in Sinsheim wird die Methoden-anwendung auszugsweise illustriert. Keywords: contaminated soil remediation, environmental balancing, life cycle assessment, planning Schlagworte: Altlastensanierung, Umweltbilanzierung, Ökobilanz, Sanierungsplanung 1 Einleitung Viele Organisationen verpflichten sich freiwillig zur kontinuierlichen Verbesserung ihrer Dienstleis-tungen und Produkte. Insbesondere Organisationen, die ein Umweltmagementsystem nach der Öko-Audit-Verordnung der Europäischen Union oder nach der internationalen Norm ISO 14001 haben, müssen sich zur kontinuierlichen Verbesserung ihrer Umweltleistung verpflichten. Zur kontinuierli-chen Verbesserungsplanung eignet sich insbesondere die Ökobilanz (Volkwein, 2000a). Die Ökobi-lanz-Methodik wurde in den Jahren 1997 bis 2000 in den vier internationalen Normen ISO 14040 bis ISO 14043 beschrieben. Elemente der Ökobilanztechnik wurden in einem Projekt für Baden-Württemberg (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, 1999) zwischen 1994 und 1999 zur Entwicklung der Methode "Umweltbilanzierung von Altlastensanierungsverfahren" verwendet. Die deutsche Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) aus dem Jahr 1999 fordert im Sanierungsplan (§ 6, Absatz 2, Satz 3): "Darzustellen sind insbesondere auch die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt ...". Die Art und Weise der Erfüllung dieser Forderung ist in der BBodSchV nicht geregelt. Zumindest das Bundesland Baden-Württemberg empfiehlt beziehungsweise fordert im Einzelfall die Anwendung der auch als Software verfügbaren Methode "Umweltbilanzie-rung von Altlastensanierungsverfahren". In den Niederlanden (van Drunen et al., 2000) und in Dänemark (LIFE, 2000) wurden im Jahr 2000 Altlastensanierungsplanungs-Software-Instrumente mit Ökobilanzelementen in den Sprachen Holländisch, Dänisch und Englisch veröffentlicht. Vergleiche zwischen den drei Software-Produkten wurden in den letzten Jahren veröffentlicht (Deigaard et al., 2000; Volkwein 2000b; Nijboer und Schelwald-Kley, 1998). Andere ökobilanzähnliche Instrumente – allerdings ohne öffentlich verfügbare Software – wurden in Canada (Diamond, 1999) und den Niederlanden (Joziasse et al., 1998) entwickelt.

65

Page 69: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2 Material und Methoden Die genaue Methodenbeschreibung der Umweltbilanzierung von Altlastensanierungen ist als Textdatei auf der Software-CDROM (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, 1999) enthalten und in verschiedenen Artikeln beschrieben (Volkwein et al., 1999; Bender et al., 1999, 1998). Durch technische Aktivitäten, die im Rahmen von Sanierungen erfolgen, werden immer zusätzliche Belastungen der Umwelt verursacht. Diese negativen Sekundärfolgen jeder Sanierungsmaßnahme unterscheiden sich im Einwirkungsbereich und hinsichtlich ihrer Wirkungsweise. Die Umweltauswirkungen sind dabei immer negativ (da zusätzliche Belastungen) und unterscheiden sich in der Regel sowohl • im Wirkungsraum, • quantitativ als auch • qualitativ. Es werden die Wirkungsräume Nah- und Fernbereich betrachtet. Die Unterscheidung in Nahbereich und Fernbereich erlaubt die separate Betrachtung der Auswirkun-gen auf die Be- oder Anwohner der Altlast. Die verschiedenen Arten der Auswirkungen auf die Anwohner umfassen zum Beispiel Lärm und Geruch. Die Quantität der Auswirkungen hängt unmit-telbar von den Emissionen und mittelbar von den Bauarbeiten (zum Beispiel zehn Kubikmeter Erdaushub oder 100 Kubikmeter Erdaushub) ab. Die Methode der Umweltbilanzierung von Altlastensanierungsverfahren gliedert sich in fünf Schritte (Tabelle 1):

Tabelle 1: Gliederung der Methode der Umweltbilanzierung Schritt, Nummer Aufgabe Aufgabe, Überbegriff

1 Ermittlung Verbräuche Stoffe und Energieträger 2 Aggregierte Sachbilanz (mit Emissionen)

Sachbilanz

3 Wirkungsbilanz Wirkungsbilanz 4 Auswertung sekundäre Umweltauswirkungen 5 Synopse primärer und sekundärer Umweltauswirkungen

Bilanzbewertung

Die bei einem Sanierungsverfahren eingesetzten beziehungsweise verbrauchten Stoffe und Energieträ-ger (Inputs) werden ermittelt. Beispiele für die Inputs sind

• Kies/Sand zur Herstellung einer Drainageschicht, • Wasser bei der Bodenwäsche, • Bitumen für eine Asphaltierung der Oberfläche, • Aktivkohle zur Adsorption von gasförmigen Schadstoffen aus der Abluft von

Bodenluftsanierungsanlagen • Energieträger (Kraftstoffe und Elektroenergie).

Der Anwender wählt für die Sanierung der Altlast geeignete Sanierungsvarianten aus. Jede Sanie-rungsvariante besteht aus einer unterschiedlich großen Anzahl von (Teil-)Leistungen. Zum Beispiel läßt sich die Sanierungsvariante Bodenwäsche im einfachsten Fall in die in Abbildung 1 dargestellten technischen Leistungen unterteilen.

66

Page 70: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Einzelleistungen Sanierungsvariante

Bodenwäsche Erdaushub Transport Bodenwäsche Transport Wiedereinbau

Abbildung 1: Einteilung von Varianten in Einzelleistungen

Diese einzelnen Leistungen werden im folgenden Module genannt. Die einzelnen Module kombiniert der Anwender, um die Sanierungsvariante zu beschreiben. Die Gesamtheit der durchzuführenden Leistungen entsprechen einem Leistungsverzeichnis, das der Anwender zum Beispiel für die Kosten-schätzung oder für die Ausschreibung aufstellt. Durch die damit verbundenen vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Module wird erreicht, daß die zum Teil recht komplexen Abläufe einer Sanierung erfaßt werden können (zumindest soweit sie für die Fragestellung relevant sind). In Baden-Württemberg führt der Anwender eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (Kostenschätzung) für die Bewertung auf dem sogenannten Beweisniveau 4 durch. Die dazu erforderliche Aufgliederung der Sanierungsvariante in Teilschritte erleichtert dem Anwender erheblich die Nutzung dieser Methode zur Bilanzierung der sanierungsbedingten Umweltauswirkungen. Die notwendigen Angaben des Anwenders entsprechen der vorgesehenen bau- oder umwelttechni-schen Leistung (Beispiel Volumen Erdaushub). Der entsprechende Stoff- und Energieaufwand (Input) wird anschließend aus spezifischen Leistungs-daten berechnet. Als spezifische Leistungsdaten werden nachfolgend auf die bautechnische Einheit (Quadratmeter Fläche, Kubikmeter (m³) Boden etc.) normierte Stoff- oder Energieverbräuche bezeichnet. So beträgt der spezifische Dieselverbrauch beim Erdaushub 0,123 Kilogramm/(m³ auszuhebenden Boden). Diese spezifischen Leistungsdaten wurden im Rahmen dieser Arbeit ermittelt. Damit wird auch die Hauptaufgabe der Module deutlich. Sie berechnen aus den Anwendereingaben (vorgesehene Bauleistungen) über normierte spezifische Leistungsdaten den Gebrauch/Verbrauch von Stoffen (Materialien) und Energie. Die möglichen Module müssen vordefiniert sein. Denn diese spezifischen Leistungsdaten sind dem Anwender in der Regel nicht alle bekannt. Außerdem soll der Anwender mit diesem programmgestützten Verfahren von diesen Eingaben entlastet werden. Beispiel Modellvorhaben Sinsheim (LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG, 1999) Auf dem betrachteten Standort befand sich ein ehemaliger Betrieb (Firma Reinig) mit Holzimprägnie-rung. Der Standort weist eine Gesamtfläche von 20000 Quadratmeter auf. Da unter zehn Prozent der Gesamtfläche verunreinigt sind, stehen auch Flächen für Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung. Im Boden befinden sich Kontaminationen an Chrom, polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Mineralölkohlenwasserstoffen/Schmierölen (MKW) in jeweils räumlich getrennten Bereichen (Tabelle 2). Es besteht ein Handlungsbedarf. Im Grundwasser wurden keine relevanten Kontaminationen nachgewiesen, ein Handlungsbedarf besteht hier nicht.

67

Page 71: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 2: Kontaminationsbereiche für das Beispiel Modellvorhaben Sinsheim Chrom-

kontamination Kontamination mit polycycli-

schen aromatischen Kohlenwas-serstoffen (PAK)

Kontamination mit Mineralölkohlen-

wasserstoffen (MKW) Fläche, m2 353 570 353 Maximale Tiefenlage, m 1,5 1,3 1,5 Volumen, m3 530 750 530 Konzentration (maximal), mg/kg 1837 1800 7800 Konzentration (mittlere), mg/kg 161 160 1046

Es wird eine Bodendichte von 1800 Kilogramm/Kubikmeter (kg/m³) angenommen. Langfristig ist für den Bereich der Kontaminationen eine Mischgebietsnutzung mit Gewerbe-, Wohn-, und Sportbebauung vorgesehen. Ein Teilbereich des Standortes wird nicht für eine spätere Nutzung benötigt, so daß auch eine On-site-Sicherung in diesem Bereich möglich ist. Bei der On-site-Sicherung werden die Chrom- und die MKW-Kontamination vollständig ausgekoffert. Die PAK-Kontamination wird etwa zur Hälfte ausgekoffert. Die Auskofferung erfolgt mit einem Tieflöffelbagger. Das Material wird auf einen Lastkraftwagen (10 Tonnen) verladen und innerhalb des Standortes, im Mittel 70 Meter transportiert. Die Böden werden anschließend nach Schadstoffen getrennt schichtenweise eingebaut und mit einer Raupe einplaniert und verdichtet. Der Einbau erfolgt in einer Bodenmiete. Da teilweise auch kontaminierter Beton anfällt, ist es notwendig einen mobilen Brecher auf die Baustelle zu transportieren. Die Transportentfernung beträgt 25 Kilometer. In der Brechanlage werden 150 Tonnen Beton unter Ziegelsteingröße gebrochen, der gebrochene Beton wird ebenfalls in die Miete eingebaut. Die Transportentfernung beträgt 100 Meter. Die Trennung zwischen den einzelnen Schadstoffchargen erfolgt durch zwei Trennvliese mit einer Fläche von je 1400 Quadratmeter. Nach Einbau des gesamten kontaminierten Bodens wird auf die Miete (Oberfläche circa 1400 Quadratmeter) eine Oberflächenabdichtung aufgebracht. Bei Oberflächenversiegelungs-Variante wird die gesamte Standortfläche mit Asphalt versiegelt. Bei der Dekontaminations-Variante wird der chrombelastete Boden on-site gewaschen, der mineralöl-kontaminierte Boden on-site mikrobiologisch im Wendebeet gereinigt und der PAK-Boden off-site thermisch behandelt. 3 Ergebnisse und Diskussion Aus den Eingabedaten berechnet die Software die Verbrauchsdaten (Beispiel Masse Dieselkraftstoff), die Sachbilanzdaten (Beispiel Methan-Luftemissions-Masse) und die Wirkungskategorieresultate (Beispiel Masse Kohlendioxid-Luftemissions-Äquivalente). Die folgende Tabelle zeigt für die Varianten On-site-Sicherung und Oberflächenversiegelung die Ungunstfaktoren (Verhältniszahlen). Tabelle 3: Ungunstfaktorentabelle On-site-Sicherung und Oberflächenversiegelung Wirkungskategorien mit Energie und Abfall Ungünstiger bei Variante I

(On-site-Sicherung) Etwa gleich

Ungünstiger für Variante II (Oberflächenversiegelung)

Kumulierter Energieaufwand Abfallentstehung gesamt Abfallentstehung Verwertung Standort Abfallentstehung Beseitigung Standort Fossiler Ressourcenverbrauch

1 1

23 3 30

68

Page 72: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 3: Ungunstfaktorentabelle On-site-Sicherung und Oberflächenversiegelung Wirkungskategorien mit Energie und Abfall Ungünstiger bei Variante I

(On-site-Sicherung) Etwa gleich

Ungünstiger für Variante II (Oberflächenversiegelung)

Ressourcenverbrauch Wasser Flächeninanspruchnahme Treibhauseffekt Versauerung Sommersmog Humantoxizität Luft - Fernbereich Humantoxizität Wasser Humantoxizität Boden Geruch

5 4 5 5 18 3 28 29 5

Humantoxizität Luft - Nahbereich Geruch – Nahbereich Lärm (nah) 32 dB(A) Lärm (nah) 60 dB(A) Lärm (nah) 66 dB(A)

0,00 Stunden 88,25 Stunden 3,00 Stunden

1 1

0,00 Stunden 160,00 Stunden 0,00 Stunden

Beide Sanierungsvarianten lassen sich innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten durchführen. Unterschiede in der Nutzungsdauer sind bei diesem Vergleich nicht relevant. Im Fernbereich (Beispiel Versauerung) ist die Oberflächenversiegelung deutlich ungünstiger. Die Flächenbilanz ist bei der Variante der Oberflächenversiegelung wegen der größeren Nutzungsein-schränkungen ebenfalls ungünstiger. Wegen der geringen Beeinträchtigung des Nahbereichs können die Nachteile der On-site-Sicherung bei den Nahbereichswirkungskategorien (Lärm, Geruch nah, Humantoxizität nah) vernachlässigt werden. Auf Basis der betrachteten Umweltauswirkungen ist die Oberflächenversiegelung in diesem Beispiel ungünstiger einzustufen als die On-site-Sicherung. Die On-site-Sicherung wurde auch auf dem Grundstück der ehemaligen Firma Reinig in Sinsheim angewendet. 4 Schlußfolgerung Die Umweltbilanzierung von Altlastensanierungen eignet sich zur Identifikation von Verbesserungs-potentialen bei der Sanierungsplanung. Grundverschiedene Sanierungsoptionen (Beispiel On-site-Sicherung und Oberflächenversiegelung) oder auch optimierte und nicht-optimierte Sanierungsvarian-ten können verglichen werden. Die Umweltbilanzierung ist prädestiniert zur Erfüllung der (vagen) Forderung der BBodSchV hinsichtlich der Bewertung der Umweltauswirkungen der technischen Sanierungsmaßnahmen. International ist die Anwendung von ökobilanzgestützten Instrumenten als Planungsunterstützung bei der Altlastensanierung schon in vielen Ländern verbreitet. 5 Literatur BENDER, A., S. VOLKWEIN, G. BATTERMANN, W. KOHLER (1999): Umweltbilanz von Altlastensanie-rungsverfahren. TerraTech. Zeitschrift für Altlasten und Bodenschutz, 8, 37 – 41

69

Page 73: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

BENDER, A.; ., S. VOLKWEIN, G. BATTERMANN, W. KLÖPFFER, H.-W. HURTIG, W. KOHLER (1998): Life cycle assessment for remedial action techniques: methodology and application. ConSoil ’98, Sixth international FZK/TNO Conference on contaminated soil. Thomas Telford, London. 367 - 376 DEIGAARD, L.; A. H. HASELHOFF, M. NIJBOER, K. WEBER (2000): Towards a new European approach for the selection of soil remediation alternatives. Proceedings of ConSoil 2000. 7th International FZK/TNO Conference on Contaminated Soil. Thomas Telford, London, 155 - 156 DIAMOND, M. L.; C. A. PAGE, M. CAMPBELL, S. MCKENNA, R. LALL (1999): Life-cycle framework for assessment of site remediation options: Method and generic survey. Environ. Toxicol. Chem., 18, 788 – 800. JOZIASSE, J.; T. BAKKER, P. G. EGGELS (1998): Decision support system for treatment of dredged sediments. ConSoil ’98, Sixth international FZK/TNO Conference on contaminated soil. Thomas Telford, London, 1193 – 1194 LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (1999): Umweltbilanzierung von Altlastensanierungsverfahren. Version 1.0 Rev. 16. CDROM Verfügbar für 70 DM netto bei: AHK Gesellschaft für Angewandte Kartographie mbH, Rehlingstraße 9, 79100 Freiburg, 07 61 – 70522 – 0 LIFE (2000): Environmental/Economic Evaluation and optimising of contaminated sites remediation. Report prepared for the Danish national Railway Agency and the Danish State Railways by HOH Water Technology A/S, NIRAS Consulting Engineers and Planners A/S, Revisoramvirket /Pannell Kerr Forster, ScanRail Consult. EU LIFE Project n. 96ENV/DK/0016 supported by Danish Environ-mental Protection Agency. CD-ROM available from ScanRail Consult, Pilestraede 58, 3, 1112 Copenhagen, Denmark, phone +45 – 33 76 50 05 ext. 13623 NIJBOER, M. H., A. J. M SCHELWALD-VAN DER KLEY (1998): Comparison of remediation technolo-gies. Outcome of questionnaire and overview of developments. NICOLE. The Network for Industri-ally Contaminated Land in Europe. Tauw Milieu bv, Handelskade 11, Postbus 133, 7400 AC Deven-ter, Niederlande VAN DRUNEN, M. A., E. BEINAT, M. H. NIJBOER, A. HASELHOFF, M. 'T VELD, A. R. SCHÜTTE (2000): De RMK-methodiek voor het beoordelen von bodemsaneringvarianten. Een methode gebaseerd op Risicoreductie, Milieuverdienste en Kosten – RMK fase 3. Internetversie. 12. April 2000 (www.vu.nl/ivm/research/rmk) VOLKWEIN, S. (2000a): Governmental policy for soil remediation regarding overall environmental performance. Proceedings ConSoil 2000. 7th International FZK/TNO Conference on Contaminated Soil. Thomas Telford, London, 55 – 56 VOLKWEIN, S. (2000b): Comparison of software tools: "REC" and "Umweltbilanzierung von Altlas-tensanierungsverfahren" Proceedings ConSoil 2000. 7th International FZK/TNO Conference on Contaminated Soil. Thomas Telford, London, 1397 - 1404

70

Page 74: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Regionales Flächenmanagement in Deutschland – Konzept und exemplarische Fallbeispiele

Einig, K., B. Müller, D. Zinke

Institut für ökologische Raumentwicklung, Weberplatz. 1, 01217 Dresden e-mail: [email protected]

Abstract: Regional land management is a much-discussed but vaguely defined approach to public regulation of urban development. The activities of regional land management are multifaceted and beyond the scope of any single agency or organisation. Project oriented regional management, modernized regional planning approaches and interorganizational cooperation activities form the complex framework of regional land management. Zusammenfassung: Regionales Flächenmanagement ist ein viel diskutierter, aber vage definierter Ansatz zur Steuerung der Siedlungsentwicklung. Die Aktivitäten des regionalen Flächenmanagements sind vielfältig und gehen über den Aufgabenbereich einer einzelnen Institution oder Organisation weit hinaus. Projektorientiertes Regionalmanagement, eine modernisierte Regionalplanung und inter-organisationelle Koordinationsansätze bilden den komplexen Rahmen regionalen Flächenmanage-ments. Keywords: regional management, interorganizational cooperation, regional planning, regional land management; Schlagworte: Regionalmanagement, interkommunale Kooperation, Regionalplanung, regionales Flächenmanagement; 1 Einleitung Nach einer Hochrechnung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung wird sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von 1997 (11,8 %) bis 2010 (13,4 %) um ca. 564.000 ha ausdeh-nen (DOSCH & BECKMANN (1999)). Aus umweltpolitischer Perspektive ist die anhaltende Überbauung von Freiflächen nicht nur aufgrund des damit verbundenen Verlustes nichterneuerbarer Bodenressourcen von Bedeutung. Mit der Ausdehnung des bebauten Siedlungsraumes vergrößert sich auch der anthropogene Material- und Energieverbrauch und indirekt der Verkehrsaufwand. Um die weitere Fortsetzung ressourcenzehrender Verstädterungspfade abwenden zu können, werden zuneh-mend neue Formen der Koordination baulicher Flächennutzung diskutiert, da traditionelle Planungs-ansätze die Siedlungsentwicklung augenscheinlich nicht auf einen ressourcenschonenden Pfad führen konnten. In diesem Zusammenhang werden Ansätze regionalen Flächenmanagements als innovative Steuerungsform genannt. Ein regionales Flächenmanagement soll die rahmensetzende Entwicklung von Leitbildern und Zielsystemen mit einer umsetzungsorientierten Vorgehensweise kombinieren, bei der die Zielrealisie-rung aktiv durch Initiierung von Projekten unterstützt wird. Auf diese Weise sollen die negativen Folgen einer Planung durch Projekte vermieden werden. Eine primär projektorientierte Raumplanung vernachlässigt die kumulativen Verstädterungsfolgen und führt daher leicht zur Entstehung uner-wünschter Siedlungsstrukturen. Aber auch die negativen Eigenschaften traditioneller Gesamtplanun-gen, ihre unrealistischen, perfektionistischen Zielsysteme und ihre mangelhafte Fähigkeit, verfolgte

71

Page 75: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Strategien aktiv umzusetzen, sollen im Rahmen des regionalen Flächenmanagements umgangen werden. Der zentrale Innovationseffekt des regionalen Flächenmanagements kann somit in der optimierten Kombination bereits bestehender Instrumente in arbeitsteiligen Beziehungen mehrerer Organisationen gesehen werden. Im Rahmen eines Modellvorhabens der Raumordnung mit dem Titel "Regionales Flächenmanagement - Ansatzpunkte einer ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung", das die Autoren in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) bearbeiten, werden bereits bestehende Ansätze regionalen Flächenmanagements untersucht. Im folgenden Beitrag soll aufgezeigt werden, welche Komponenten im regionalen Flächenmanage-ment eine zentrale Rolle spielen. Nach einer kurzen Einführung in die Problemstellung, zu deren Lösung Ansätze regionalen Flächenmanagements beitragen sollen, wird im Anschluss die Bedeutung von Aktivitäten des Regionalmanagements, der Regionalplanung und des Managements interkommu-naler Kooperation im regionalen Flächenmanagement thematisiert und anhand ausgewählter Beispiele konkretisiert. 2 Baulandparadox und Baulanddilemma erfordern ein regionales Flächenmanagement Die Baulandumfragen des Bundesamtes für Bauwesen haben für die letzten Jahre nachweisen können, dass mittelfristig etwa die Hälfte der erwarteten Wohnbautätigkeit auf wiedernutzbaren Flächen realisierbar ist. Noch umfangreicher sind die baulichen Wiedernutzungspotenziale im gewerblichen Bereich einzuschätzen. Dort reichen die baureifen, nicht altlastenbehafteten Flächen zur Deckung des kurz- und mittelfristigen Gewerbebaulandbedarfs vollständig aus (DOSCH (2000)). Obwohl die Mehrzahl der Gemeinden und Städte ihren aktuell bestehenden Baulandbedarf rein rechnerisch auf vorhandenen Bauflächen abdecken könnte, dominiert nach wie vor ein Trend zum Bauen auf der „grünen Wiese“. Diese Situation wird als Bauland-Paradoxon bezeichnet, weil es paradox ist, wenn ausreichende Baulandflächen z. B. in Form von wiedernutzbaren Brownfields existieren, gleichzeitig aber auf den Bodenmärkten ein Mangel an Bauland konstatiert wird (DAVY (1996)). Eine geringe Verkaufsbereitschaft der Grundeigentümer, hohe Bodenpreise, das Altlastenrisiko, die hohen Entwick-lungskosten, Anwohnerproteste und die geringe Lagequalität der Standorte werden häufig als Gründe für die mangelhafte bauliche Inanspruchnahme bestehender Baulandpotenziale genannt. Ein entschei-dendes Hemmnis der Innenentwicklung, das häufig übersehen wird, ist der interkommunale Wettbe-werb um Unternehmen und Haushalte. Um im Standortwettbewerb bestehen zu können, sehen sich Gemeinden und Städte dazu gezwungen, vor allem auf der „grünen Wiese“ Bauland zu entwickeln, da diese Standorte den Präferenzen von Unternehmen und privaten Haushalten eher entsprechen als Flächen im städtebaulichen Bestand. Dieser Wettbewerb um die attraktivsten Baulandangebote setzt die Gemeinden einem permanenten Investitionsdruck aus. Umfangreiche finanzielle Ausgaben sind zu tätigen, um attraktive Baulandan-gebote zu günstigen Preisen bereitstellen zu können. Es verwundert daher nicht, dass eine Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik unter 149 Groß- und Mittelstädten aus dem Jahre 2000 zu dem Ergebnis kam, dass eine vorrangige städtebauliche Entwicklung auf Wiedernutzungsflächen entschei-dend durch die interkommunale Konkurrenz um Wohn- und Gewerbeansiedlungen gehemmt wird (TOMERIUS & PREUß (2001)). Das bereits geschilderte Baulandparadox wird somit noch zusätzlich von einem Baulanddilemma begleitet (EINIG (2000)). Aus Sicht der einzelnen Gemeinde ist eine Baulandentwicklung auf der „grünen Wiese“ rational, da auf diese Weise am ehesten die gewünschten Haushalte und Unternehmen

72

Page 76: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

gehalten bzw. neu angesiedelt werden können. Verhalten sich allerdings alle Gemeinden einer Region ähnlich, wird es immer schwieriger städtebauliche Bestandsflächen zu vermarkten, da ja ein sehr gutes Baulandangebot im Außenbereich der Städte und Gemeinden zu günstigen Preisen vorhanden ist. Die Folge einer solchen Baulandpolitik ist nicht nur eine hohe Belastung der kommunalen Haushalte, durch die außenorientierte Baulandentwicklung entsteht ungewollt eine disperse regionale Siedlungs-struktur mit negativen ökologischen Effekten. Die Baulandpolitik der einzelnen Gemeinde, die eine Optimierung der Wirtschafts- und Lebensbedingungen auf ihrem eigenen Territorium zum Ziel hat, bewirkt somit langfristig das Gegenteil, wenn sich alle Gemeinden einer Region auf ähnliche Weise verhalten. Mit Ansätzen regionalen Flächenmanagements soll durch Förderung interkommunaler Kooperation den Gemeinden dabei geholfen werden, aus dem Teufelskreis der Standortkonkurrenz auszubrechen. 3 Bedeutung des Regionalmanagements für das regionale Flächenmanagement Regionalmanagement wird nicht als ein Führen von Regionen im engeren Sinne des betriebswirt-schaftlichen Managementkonzepts verstanden, sondern als Gestaltung des Zusammenspiels von Akteuren in regionalen Zusammenhängen. Regionalmanagement nimmt somit keine hierarchischen Leitungs- und Kontrollfunktionen wahr, sondern basiert im wesentlichen auf freiwilligen Koordinie-rungs-, Moderations- und Motivationsleistungen. Der Wesenskern des Regionalmanagements kann in der Rolle eines Prozesspromotors regionaler Entwicklung gesehen werden. Gemeint sind damit all jene Aktivitäten, die „die umsetzungsorientierte Initiierung und Weiterführung querschnittsorientierter regionaler Entwicklungsprozesse durch qualifiziertes Personal auf der Grundlage der Entwicklungs-vorstellungen regionaler Akteure bei Beachtung externer Rahmenbedingungen“ zum Ziel haben (MAIER & OBERMAIER (2000)). Aktivitäten des Regionalmanagements spielen vor allem bei der Umsetzung regionaler Leitbilder eine wichtige Rolle für das regionale Flächenmanagement. Im wesentlichen sind damit Aufgaben des Projektmanagements angesprochen. In vielen Fällen werden Schlüsselprojekte in Eigenregie oder in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern (z. B. Gemeinden und privatwirtschaftlichen Developern) durchgeführt. Eine zunehmende Bedeutung kommt dabei Public-Private-Partnerships zu. In der Regel besteht das Ziel darin, möglichst schnell von der Ebene der Leitbildentwicklung zur Formulierung von Projekten zu kommen. Durch Projekte sollen regionale Entwicklungsstrategien effizient umgesetzt bzw. Multiplikatoreffekte ausgelöst werden, die weitere Projekte nach sich ziehen. HRG Hannover Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG Als Tochter des Kommunalverbandes Großraum Hannover (KGH) wurde die HRG Hannover Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG im Jahr 1993 gegründet. Weitere Gesellschafter sind die Kreissparkasse Hannover und die Stadtsparkasse Hannover. Die Aufgaben der HRG bestehen im Erwerb, der Entwicklung, Bevorratung und Vermarktung von Wohn- und Gewerbeflächen im Sinne der Raumordnung und der regionalen Wirtschaftsförderung des KGH. Die Leitlinien der HRG-Geschäftspolitik verpflichten die Gesellschaft zur Durchführung von Wohn- und Gewerbeflächenpro-jekten an raumordnerisch präferierten Standorten. In direkter Kooperation mit den Gemeinden und der Regionalplanung kann so die Bautätigkeit auf städtebaulich integrierte Standorte mit zentralörtlichen Einrichtungen und räumlicher Nähe zu Haltepunkten des ÖPNVs gelenkt werden. Weiterhin sind die Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätten sowie die Realisierung der Bebauung in angemessener städtebaulicher Dichte zentrale Ziele der Geschäftspolitik. Durch Verzicht auf Gewinnmaximierung bei Kapitalverzinsung und Verkaufspreisen wird ein Beitrag zur Dämpfung der Baulandpreise

73

Page 77: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

geleistet. Durch direkte Einflussnahme auf die Projektentwicklung kann die Regionalplanung aktiv die Umsetzung ihrer Ziele herbeiführen. Auf diese Weise kann sie nicht nur die Bautätigkeit auf Vorrang-gebiete für Siedlungsentwicklung ausrichten, sondern hier auch die Art und Intensität der Bebauung beeinflussen. Entwicklungsagentur östliches Ruhrgebiet GmbH Im Rahmen der Regionalisierung der Strukturpolitik in Nordrhein-Westfalen erarbeitete die Region Östliches Ruhrgebiet Ende der 80er Jahre ein Regionales Entwicklungskonzept. Zu seiner Umsetzung wurde 1992 die „Entwicklungsagentur Östliches Ruhrgebiet GmbH“ gegründet. Gesellschafter sind Gebietskörperschaften (Stadt Dortmund, Kreis Unna, Stadt Hamm und Stadt Ahlen) sowie private Unternehmen (MGG Montan-Grundstücksgesellschaft mbH, Harpen AG, Krupp Hoesch Immobilien GmbH u. a.). Durch Initiierung interkommunaler Zusammenarbeit und Public-Private-Partnerships versucht die Entwicklungsagentur die Herausforderungen des regionalen Strukturwandels im östlichen Ruhrgebiet zu bewältigen und den baulichen Freiflächenverbrauch zu dämpfen, indem die Ausrich-tung der Bautätigkeit auf Industriebrachen und die Koordination der kommunalen Gewerbebauland-entwicklung verbessert werden. Da im östlichen Ruhrgebiet eine Vielzahl von Industriebrachen durch den wirtschaftlichen Strukturwandel entstanden sind, ist ein regional abgestimmtes Vorgehen notwendig. Neben der Entwicklung eines regionalen Konzepts für die Gewerbeflächenentwicklung bilden aber auch die Erstellung von Konzepten für die einzelnen Projekte, die Akquisition von Finanzmitteln für Altlastensanierung und Projektentwicklung sowie die Vermarktung der Flächen in Abstimmung mit den kommunalen Wirtschaftsförderungseinrichtungen zentrale Aufgabengebiete. Die Entwicklungsagentur koordiniert somit nicht nur die Standortauswahl der Revitalisierungsprojekte, sondern organisiert quasi den gesamten Entwicklungsprozess der Industriebrachen und achtet selbst darauf, dass die Flächen nicht gleichzeitig auf den Markt kommen. Die wichtigste Grundlage der Arbeit ist allerdings in der Flächenreaktivierung im Rahmen konkreter Projekte zusehen. Die Koope-ration mit Grundstücksbesitzern und Kommunen findet dabei in Form von Arbeitskreisen oder Projektgesellschaften/-gemeinschaften statt. 4 Bedeutung der Regionalplanung für das regionale Flächenmanagement Obwohl die Sicherung einer ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung nicht allein durch die Koordinierung räumlicher Aktivitäten auf der Basis traditioneller Planungsansätze möglich ist, kommt einer modernisierten Regionalplanung auch zukünftig eine wichtige Rolle im regionalen Flächenma-nagement zu. So beteiligt sich die Regionalplanung zunehmend an Regionalkonferenzen, erprobt neue Verfahren der Planung und der Leitbildgenerierung und versucht mittels diskursiver Verhandlungsan-sätze, effektiver auf das Verhalten ihrer Adressaten einzuwirken. Als primär rahmensetzender Akteur sind die Träger der Regionalplanung auf die Kooperation mit privaten oder öffentlichen Partnern angewiesen, um auch im Hinblick auf die direkte Initiierung und Durchführung von Projekten Einfluss ausüben zu können. Ihnen steht dazu eine umfangreiche Bandbreite potentieller Kooperationsformen zur Verfügung, die von Private-Public-Partnerships, der vertragsbasierten Zusammenarbeit mit einzelnen oder mehreren Gemeinden bis hin zur Mitwirkung in Städtenetzen und Regionalen Entwick-lungskonzepten reicht. Aber auch der Pflichtaufgabenbereich der Regionalplanung spielt nach wie vor eine zentrale Rolle für das regionale Flächenmanagement. Im Rahmen der Regionalplanaufstellung ermitteln die Träger der Regionalplanung Interessen und Entwicklungsziele ihrer Adressaten (Gemeinden, Fachressorts, bestimmte private Akteure). Durch eine frühzeitige Wahrnehmung unterschiedlicher Belange können

74

Page 78: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

potentielle Konfliktlagen rechtzeitig erkannt und Problemlösungsstrategien für Flächennutzungskon-flikte vorbereitet werden. Durch ihre Ermächtigung zur Abwägung von öffentlichen und privaten Belangen kann die Regionalplanung auch Interessenskonflikte lösen, die nicht auf dem Wege freiwilliger Vertragsabschlüsse bewältigt werden können. Der Regionalplan kann durch seine verbindlichen Festsetzungen Bindungswirkungen erzielen (vor allem auf Seiten der Kommunen, der Fachressorts und eingeschränkt privater Akteure) und dadurch nicht nur bauliche Projekte hinsichtlich der Standortwahl koordinieren, sondern auch eine generelle Dämpfung des Siedlungs- und Verkehrs-flächenwachstums bewirken. Kompensationsprinzip der Gebietsentwicklungsplanung in NRW Um einen Safe-Minimum-Standard an ökologisch leistungsfähiger Fläche erhalten zu können, wird in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Landes- und Gebietsentwicklungsplanung eine Begrenzung des Siedlungs- und Verkehrsflächenwachstums mittels der Darstellung von Siedlungsbereichen praktiziert. Die gesamte Landesfläche wird in Gebiete unterteilt, die entweder vorrangig Siedlungsfunktionen (Siedlungsraum) oder Freiraumfunktionen (Freiraum) zu erfüllen haben. Die Fläche des Freiraumes soll möglichst konstant gehalten werden. Eine Bebauung des Freiraumes ist daher nur dann zulässig, wenn der Flächenbedarf für bauliche Zwecke nachweislich nicht innerhalb der ausgewiesenen Siedlungsbereiche befriedigt werden kann oder „eine gleichwertige Fläche dem Freiraum wieder zugeführt oder in eine innerstädtische Grünfläche umgewandelt wird.“ (MINISTERIUM FÜR UMWELT, RAUMORDNUNG UND LANDWIRTSCHAFT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN (1997)). Relativierend muss allerdings festgestellt werden, dass in NRW eine Bebau-barkeit des Freiraumes auch dann möglich ist, wenn keine Kompensation vorgenommen wird. So darf Freiraum für bauliche Zwecke genutzt werden, „wenn Flächenbedarf für siedlungsräumliche Nutzun-gen nicht innerhalb des Siedlungsraumes bzw. für Verkehrsinfrastruktur nicht durch Ausbau vorhan-dener Infrastruktur gedeckt werden kann oder wenn der regionalplanerisch dargestellte Siedlungsraum unter Berücksichtigung der ortsüblichen Siedlungsstruktur für die absehbare Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung nicht ausreicht.“ (EBENDA, S. 27). Standortinformationssystem der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming Über ihre Pflichtaufgaben der Raumbeobachtung hinaus, können die Träger der Regionalplanung weitere Informations- und Beratungsdienstleistungen übernehmen, die eine zentrale Bedeutung für Ansätze eines regionalen Flächenmanagements aufweisen. Ein solches Beispiel ist das interaktive Standortinformationssystem der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming. Dieses System wurde in Zusammenarbeit mit mehreren Kommunen im Rahmen des INTERREG II C-Projektes „Network of regional information management“ aufgebaut und ist im Internet unter der Adresse www.reinklick.de verfügbar. Das Informationssystem bietet Interessenten und potenziellen Investoren Unterstützung bei der Suche nach Grundstücken und Immobilien. Das Ziel ist eine Verbesserung der Marktchancen von Baugrundstücken mit Lage im äußeren Entwicklungsraumes des Landes Brandenburgs, die im Standortwettbewerb gegenüber dem engeren Verflechtungsraumes (engeres Umland von Berlin) ohne Marketinghilfen nur schwer vermarktbar sind. Im Standortinforma-tionssystem sind in erster Linie Bauflächen im städtebaulichen Bestand erfasst, die wegen ihrer innerstädtischen Lage, ihres Preisgefüges oder sonstiger Grundstückseigenschaften (z.B. Konversion, Denkmalschutz) gegenüber Standorte auf bisher unbebauten Flächen („Grüne Wiese“) kaum konkur-renzfähig sind. Die Aufnahme eines Standorts in das Informationssystem wird von den einzelnen Mitgliedsgemeinden vorgeschlagen. Die Regionale Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming bewertet dann die Raumverträglichkeit der einzelnen Standorte. Raumordnerisch kritisch beurteilte Bauflächen, d. h. solche, die nicht in Übereinstimmung mit dem Regionalplan der Region Havelland-

75

Page 79: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Fläming stehen (Genehmigung am 23. Februar 1998 als erster integrierter Regionalplan des Landes Brandenburg), finden keinen Eingang in das System. 5 Bedeutung des Kooperationsmanagements für das regionale Flächenmanagement Ein regionales Management interkommunaler Kooperation, d. h. die Initiierung und Organisation interkommunaler Zusammenarbeit in Fragen der Bauland- und Siedlungsentwicklung, ist als zentrale Schlüsselaufgabe des regionalen Flächenmanagements anzusehen. Auch wenn kooperative regionale Problemlösungen im Bereich der Siedlungspolitik mehr und mehr als politisches Gebot der Stunde erkannt werden, sind Fälle interkommunaler Zusammenarbeit in Fragen der Baulandentwicklung im Vergleich zu anderen Kooperationsfeldern deutlich seltener anzutreffen. Die Organisation und Verstetigung interkommunaler Kooperationen im komplexen Aufgabenbereich der Baulandentwick-lung gestaltet sich nach wie vor kompliziert, da ein zufriedenstellender Interessensausgleich unter den kooperierenden Kommunen bisher erst in Ansätzen gelingt. Der Grund für die Schwierigkeiten regionaler Zusammenarbeit ist nicht unbedingt im Bereich der rechtlichen Organisationsformen interkommunaler Kooperation zu suchen. Das bereits vorhandene organisationsrechtliche Instrumenta-rium gilt vielmehr als gut entwickelt. Entscheidende Hemmnisse interkommunaler Kooperation in Fragen einer ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung liegen primär in dem eigentlichen Problem begründet, das es auf kooperativem Wege zu lösen gilt. Die gemeindeübergreifende Regelung der Siedlungs- und Baulandentwicklung stellt sich als konflikthaftes Verteilungsproblem dar, bei dem Lasten und Nutzen nur sehr schwer gerecht unter den kooperierenden Gemeinden aufgeteilt werden können. Stadt-Umland-Konzepte für den Wohnungsbau von Schwerin, Wismar und Parchim Nach der Wiedervereinigung setzten in den ostdeutschen Kernstädten intensive Wanderungen der Wohnbevölkerung in die benachbarten Umlandgemeinden ein (Suburbanisierung). Großflächige Baulandausweisungen, vor allem nicht-zentraler Orte, führten zu einer dispersen Siedlungsentwick-lung, die nicht den Zielen der Raumordnung entsprach. Da auf dem Wege konventioneller Regional-planung kein ausreichender Steuerungserfolg zu erwarten war, versuchte der Regionale Planungsver-band Westmecklenburg durch Stärkung der regionalen Zusammenarbeit ein Siedlungsentwicklungs-konzept für den Wohnungsbau in den Stadt-Umland-Bereichen von Schwerin, Wismar und Parchim zu entwickeln (IFS (2000)). Das Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik wurde mit der Erarbeitung des Grundkonzeptes betraut. Im Rahmen kommunaler Dialogrunden konnten zehn Leitlinien für eine nachhaltige Stadt-Umland-Entwicklung im Konsens der Gemeinden aufgestellt werden. Im Anschluss wurde eine Analyse der Bevölkerungs- und Bauflächenentwicklung sowie eine Baulandpotenzialerfassung und Einzelstandortbewertung auf Gemeindeebene durchgeführt. Auf dieser Basis konnte dann für jede Gemeinde eine Wohnungsbedarfsprognose bis 2010 erstellt werden. Das Ergebnis dieser Prognose ist ein Orientierungswert, der angibt, wieviel Wohneinheiten in jeder Gemeinde innerhalb des Zeitraumes höchstens realisiert werden sollten. Die interkommunal vereinbar-ten Werte wurden durch die Verbandversammlung des Regionalen Planungsverbandes Westmecklen-burg am 6.12. 2000 beschlossen. Die Orientierungswerte stellen aber keine rechtlich bindenden Standards dar, sondern werden als Abwägungsmaßstäbe für die kommunale Bauleitplanung und die Regionalplanung angesehen. Überschreitet die einzelne Gemeinde in ihren Planungen allerdings die Gesamtzahl vereinbarten Wohneinheiten, bedarf dies einer besonderen Begründung. Die langfristige Zielerreichung der interkommunal abgestimmten Wohnbaulandentwicklung basiert somit auf der Selbstbindung der einzelnen Gemeinden.

76

Page 80: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Regionaler Arbeitskreis Entwicklung, Planung und Verkehr Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler (rak) Der Bonn-Berlin-Beschluss vom 20. Juni 1991, der zur Verlegung der Bundeshauptstadt nach Berlin führte, hat gravierende Veränderungen der Entwicklungsbedingungen für die Stadtregion Bonn bewirkt. Als Reaktion formierte sich der regionale Arbeitskreis Entwicklung, Planung und Verkehr Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler (REHSÖFT & ZIEGENHAGEN (2000)). Getragen von der Einsicht, dass sich die Städte und Gemeinden in der Region unter den veränderten Rahmenbedingungen nur dann nachhaltig entwickeln werden, wenn sie abgestimmte Strategien und Maßnahmen erarbeiten, wurde ein Prozess der interkommunalen Kooperation zur Koordination der regionalen Wohnbaulandentwick-lung eingeleitet. Zu diesem Zweck haben sich 18 Gemeinden und Städte zusammengeschlossen, die gemeinsam einen Baulandpool aufbauen. Auf diese Weise soll die Ausweisung von zu umfangreichen Baulandangeboten an den falschen Standorten verhindert werden. Die kooperierenden Gemeinden und Städte haben sich durch Selbstbindung dazu bereiterklärt, bei der Baulandentwicklung bestimmte Qualitätskriterien zu beachten. So müssen die Baulandgebiete in der Nähe von ÖPNV-Haltestellen liegen und eine Orientierung an bestehenden Arbeitsmarktzentren erkennen lassen. Insgesamt 900 ha Wohnbauflächen entsprechen den vereinbarten Lagekriterien. Diese Flächen bilden die Basis für das „Impulsprogramm 1996-1999 für innovativen und zukunftsweisenden Wohnungsbau“. Mit diesem Programm werden Bauprojekte mit herausragenden sozialen, ökologischen, ökonomischen und städtebaulichen Qualitätsmerkmalen gefördert. Insgesamt 20 Projekte konnten bereits realisiert werden. Zum Ende des Jahres 2000 wurde die Region Bonn/Rhein Sieg aufgrund ihrer positiven Erfahrungen mit der interkommunalen Zusammenarbeit in ein Modellvorhaben des Landes einbezo-gen, bei dem die Wohnungsbauförderungsmittel für den sozialen Wohnungsbau auf regionaler Ebene budgetiert werden sollen. Der Region wurde ein Bewilligungskontingent von 100 Mio. DM für 2001 zur gemeinsamen Bewirtschaftung zugeteilt, um Wohnungsbauvorhaben im Sinne des Impulspro-gramms und von Nachhaltigkeitskriterien zu entwickeln. 6 Fazit Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass das regionale Flächenmanagement, soweit es rahmensetzende Funktionen im Kontext regionaler Leitbildentwicklung wahrnimmt, Aufstellung und Umsetzung von Regionalplänen betrifft oder explizit umsetzende Konzept der Projektinitiierung und –durchführung verfolgt, auf vielfältige Aktivitäten unterschiedlicher Organisationen und Akteursgruppen des öffentlichen und privaten Sektors angewiesen ist. Im Kontext des Regionalmanagements sind vor allem Aktivitäten des Networkings, die Übernahme von Moderationsfunktionen und das Projektmana-gement in strategischer Weise relevant. Eine modernisierte Regionalplanung, die sich einer intensi-vierten Umsetzungsorientierung verschrieben hat und einen Wandel von der Gebots- zur Verhand-lungsplanung vollzieht, nimmt eine zentrale Stellung im regionalen Flächenmanagement ein. Sie verzichtet verstärkt auf Zwangsmittel und setzt stattdessen auf diskursive Elemente bei Interessenab-wägung und Zielfindung sowie auf Vertragslösungen bei der Umsetzung der Ziele. Aufgaben des Managements interkommunaler Kooperation umfassen vor allem die Etablierung und Verstetigung gemeindeübergreifender Kooperationsbestrebungen auf der Basis informeller und rechtsverbindlicher Organisationsformen. Der Entwicklung geeigneter Kompensationsregelungen und der Einführung von Kontrollinstitutionen, die gemeindliche Selbstbindung an interkommunale Vereinbarungen und Aktivitäten der regionalen Projektsteuerung umfassen, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Regionales Flächenmanagement stellt eine komplexe Aufgabenstellung dar, die nicht das Resultat der Handlungen eines Zentralakteurs repräsentiert, sondern vielmehr arbeitstei-lig als Mehr-Ebenen-Aufgabe erbracht werden muss. In diesem Sinne findet regionales Flächenmana-

77

Page 81: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

gement in einem Multi-Akteur-System statt, das Akteure aus dem öffentlichen und privaten Sektor integriert. 7 Literatur

DAVY, B. (1996): Baulandsicherung: Ursache oder Lösung eines raumordnungspolitischen Parado-xons. In: Zeitschrift für Verwaltung (ZfV), 21. Jg., S. 193-208. DOSCH, F., BECKMANN, G. (1999): Siedlungsflächenentwicklung in Deutschland – auf Zuwachs programmiert. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 8.1999, S. 493-509. DOSCH, F. (2000): Siedlungsentwicklung und Baulandangebot in Verdichtungsräumen. In: Einig, K. (Hrsg.): Regionale Koordination der Baulandausweisung. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Forschung, S. 18-38. EINIG, K. (2000): Kommunale Baulandpolitik und regionaler Koordinationsbedarf – Zur Einführung. In: Einig, K. (Hrsg.): Regionale Koordination der Baulandausweisung. Berlin: Verlag für Wissen-schaft und Forschung, S. 1-17. IFS = INSTITUT FÜR STADTFORSCHUNG UND STRUKTURPOLITIK GmbH (2000): Konzept zur Sicherung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung in den Stadt-Umland-Bereichen des Oberzentrums Schwerin sowie der Mittelzentren Wismar und Parchim. Schwerin: Amt für Raumordnung und Landesplanung Westmecklenburg. MAIER, J.; OBERMAIER, F. (2000): Regionalmanagement in der Praxis. Erfahrungen aus Deutschland und Europa – Chancen für Bayern. Bayreuth, München: Selbstverlag des Bayerischen Staatsministeri-um für Landesentwicklung und Umweltfragen. MINISTERIUM FÜR UMWELT, RAUMORDNUNG UND LANDWIRTSCHAFT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN (1997): Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen - Landesentwicklungsprogramm - Landesplanungsgesetz. Düsseldorf: Selbstverlag. REHSÖFT, F.; ZIEGENHAGEN, U. (2000): Interkommunale Kooperation beim Wohnbaulandmanage-ment: Erfahrungen aus der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler. In: Einig, K. (Hrsg.): Regionale Koordination der Baulandausweisung. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Forschung, S. 131-147. TOMERIUS, S.; PREUß, T. (2001): Nachhaltige Ressourcennutzung – Flächenmanage-ment/Flächenrecycling. Aktuelle Hemmnisse und Lösungsansätze in den Städten. Eine Studie zur Deutsch-Amerikanischen Kooperation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF mit der Environmental Protection Agency (EPA) zum Thema „Nachhaltige Ressourcenschonung – Flächenmanagement/-recycling. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik.

78

Page 82: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

79

Passive Sanierung eines ehemaligen Gaswerksstandortes -

Hydraulische Dimensionierung

Wohnlich, S.1, Zosseder, K.1, Koch, M.2 & Weindl, J.21Geo-Department i. G. der Ludwig-Maximilians-Universität München, Luisenstr. 37, 80333 München

e-mail: [email protected] 2bfm GmbH, Am Mittleren Moos 48, 86167 Augsburg,

e-mail: [email protected] Abstract: To determine the proportions of a funnel and gate system a groundwater model was done. The main point was to make sure that all the polluted groundwater flow through the redevelopment system. It was also important to secure that the polluted water stay long enough in the redevelopment system that the sorption of the pollutant is complete. There were several simulations done to optimize the dimension of the redevelopment system. For the determination of the minimal sorption time a de-tailed model were necessary. Zusammenfassung: Es wurde eine Modellierung zur Dimensionierung eines passiven Sanierungssys-tems ("funnel-and-gate") durchgeführt. Das Hauptaugenmerk lag darauf, daß kein kontaminiertes Grundwasser das System unter- bzw. umströmt und die Verweildauer des Wassers im Sanierungssys-tem für eine vollständige Sorption des Schadstoffes ausreicht. Für die Bestimmung der Auslegung des Sanierungssystems wurden mehrere Varianten durchgerechnet. Zur Ermittlung der erforderlichen Verweildauer wurde eine zusätzliche Detailmodellierung notwendig. Keywords: funnel-and-gate-system, groundwatermodeling, passive redevelopment system

Schlagworte: "funnel-and-gate"-System, Grundwassermodellierung, passives Sanierungssystem

1 Einleitung Das Gaswerk München Moosach war von 1909 bis 1975 in Betrieb. Aufgrund der 1983 erstmals festgestellten Kontaminationen, vorwiegend polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), wird derzeit auf dem 35 ha großen Gelände eine aktive Sanierungsmaßnahme in Form einer Abwehr-brunnengalerie durchgeführt. Dieses Verfahren soll durch ein passives System, ein "funnel-and-gate"-System ersetzt werden (siehe Abbildung 1), bei dem man das kontaminierte Wasser mittels in den Untergrund eingebrachter Dichtwände ("funnel") durchlässigen Bereichen mit z.B. Sorptionsmaterial-füllung ("gates") zuführt. Um dies zu verwirklichen, ist eine Betrachtung der hydrogeologischen Ver-hältnisse anhand einer numerischen Modellierung und der daraus resultierenden Prognosen notwendig. Zur Planung und Optimierung von „funnel-and-gate“-Systemen ist es bei heterogenen Aquifer-systemen notwendig, numerische Grundwasserströmungsmodelle unter Berücksichtigung stochas-tischer Modellansätze zu verwenden (TEUTSCH et al., 1996). Somit wird ein numerisches Strömungs-modell des Gaswerksgeländes München Moosach erstellt und das geplante Sanierungsverfahren „funnel-and-gate“ darin integriert. Eine Besonderheit stellt die im Vergleich zum Sorptionsmaterial höhere Durchlässigkeit des Grundwasserleiters dar. Anhand verschiedener Simulationen sollten sowohl die Ausmaße des „funnel-and-gate“-Systems (Lage der "gates", Länge der Dichtwände) bestimmt, als auch die Auswirkung auf ein hydraulisches System (Aufstau im Zustrom) beim Einbau eines solchen Bauwerkes in den Untergrund beobachtet werden.

Page 83: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2 Modellaufbau 2.1 Modellgebiet Das Modellgebiet umfaßt eine Größe von 1,5 km2 und wird mit 831610 finiten Elementen bei 459668 Knoten örtlich diskretisiert. Die große Anzahl der Elemente beruht darauf, daß das "funnel-and-gate"-System mit einer Breite von 3 m durch die Knoten fein aufgelöst beschrieben werden muß. Da in der Münchener Schotterebene kein kleinräumiges Einzugsgebiet abgegrenzt werden kann, muß-ten die Grenzen des Modells am Nordrand und am Südrand als Festpotentiale (Dirichlet-Rand-bedingung) gesetzt werden. Die Höhe des Potentials wurde aus dem regionalisierten Grundwasserglei-chenplan des Ruhezustandes ermittelt. Wenn man die Dirichlet-Bedingung mit gemessenen Piezome-terhöhen als Randbedingungen für die Bestimmung der Strömung im Untergrund festlegt, ist darauf zu achten, daß zum zu beobachtenden Problem genug Abstand gehalten wird (HOLZBECHER, 1996). Aus diesem Grund wurde das Modellgebiet, innerhalb der Datengrundlage, mit einem möglichst großen Abstand zum Gaswerksgelände gewählt (Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt des Modellgebietes). Die Ränder im Osten und Westen des Modells wurden parallel zur Grundwasserströmungsrichtung des Ausgangszustandes gelegt. Da über sie keine Grundwasserbewegung stattfindet, wurden dort ge-schlossene Grenzen („no flow“-Neumann-Randbedingung) definiert.

Abbildung 1: Übersicht über das geplante "funnel-and-gate"-System auf dem Gelände

des ehem. Gaswerks München Moosach. Die Eingangsdaten wie die Geländeoberkante, die Bohrungen und die Stichtagsmessung lagen für das Modellgebiet als punktuelle Daten vor, die mittels geostatistischer Verfahren über die Modellfläche regionalisiert wurden. Bei jedem Datensatz wurde die Verteilung der Daten überprüft und ein Vari-ogrammmodell angepasst, anhand dessen ein Schätzverfahren (Krigingverfahren) angewendet wurde. Die Variogrammanpassung erfolgte jeweils durch 18 Variogramme mit einer Schrittweite von 10° um Anisotropien zu erkennen.

80

Page 84: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2.2 Schichtoberflächen Die quartären Sedimente des Modellgebietes sind Teil der im Mittleren Pleistozän und im Jungpleisto-zän abgelagerten Kiese der Münchner Schotterebene. Sie bestehen aus Niederterrassenschottern des Würm-Hochglazials und den unterlagernden Hochterrassenschottern des Riß-Glazials. Diese Schmelz-wasserschotter sind der tertiären Flinzoberfläche aus der oberen Süßwassermolasse (OSM) aufgela-gert, die mit ihren Mergeln und Tonen die Grundwassersohlschicht bildet (JERZ, 1993). Im Tertiär können auch Einschaltungen von Sandpartien (Flinz-Sande) auftreten (LEMCKE, 1988). Der vertikale Aufbau des Modells unterliegt drei verschiedenen Kriterien: Unterschiedliche hydrogeologische Einheiten werden im Modell abgegrenzt , wie das Quartär und

das Tertiär, sowie der differenzierte Aufbau des Tertiärs. Für die Integration des „funnel-and-gate“-Systems, zum einen 2 m in die Basis des Quartärs und

zum anderen 2 m in die Basis des ersten tertiären Hauptgrundwasserleiters, um verschieden Bau-varianten zu simulieren, werden im Modell neue Schichten (Layer) eingeführt.

Um die Genauigkeit der Ergebnisse zu verbessern wird das Quartär auf vier Layer aufgeteilt. Anhand von Bohrprofilen wurden im Modell die relevanten lithologischen Schichten festgelegt und mittels geostatistischer Verfahren regionalisiert. Nach JERZ (1993) weist das Tertiär ein lebhaftes Relief mit Rinnen und Hochgebieten auf. TILLMANN (1953) erkennt auf dem Gebiet des Gaswerks ein Abfallen der tertiären Oberfläche nach Westen. Bei-de Beobachtungen konnten in der Darstellung der Tertiäroberfläche nachvollzogen werden. Die Untergliederung des Tertiärs innerhalb des Gaswerksgelände erfolgt mit besonderem Augenmerk auf die hydraulischen Eigenschaften der verschiedenen Sedimente, um eine Wechselwirkung zwischen dem quartären und den tertiären Grundwasserleiter zu beobachten und damit eine mögliche Unter-strömung des Sanierungssystems zu erkennen. Somit wird das Tertiär unterschieden in: eine Schicht der tertiären Tone und Schluffe als Liegendes des Quartärs einen Bereich der tertiären Feinsande, die stellenweise ebenfalls das Liegende des Quartärs bilden

und dort einen hydraulischen Anschluß haben („Tertiärfenster“) oder sich unterhalb tertiärer Tone anfügen (erster tertiärer Hauptgrundwasserleiter)

eine zweite tonig, schluffige Schicht, welche die Basis der sandigen Sedimente markiert Um die unterschiedlichen tertiären Schichten, mit ihren verschiedenen hydraulischen Eigenschaften in das Modell integrieren zu können, werden die Schichten der Tone und Schluffe von der Schicht der tertiären Sand abgegrenzt.

495.00

496.00

497.00

498.00

499.00

500.00

501.00

502.00

503.00

504.00

505.00

0.00 100.00 200.00 300.00 400.00 500.00 600.00 700.00 800.00

Distanz entlang der Schnittlinie [m]

Höh

e [m

ü. N

N]

Tertiärfenster

Obergrenze tertiäre Tone

Obergrenze tertiäre Sande

A B

b)

a)

Abbildung 2: a) Beispiel für Bereiche der "Tertiärfenster" entlang der Profilinie A-B (siehe Abbil-dung 1); b) Profile mit tertiären Sanden im Liegendes des Quartärs (links) und mit ter-tiären Tonen und Schluffen (rechts).

81

Page 85: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

82

Diese Differenzierung der liegenden Sedimente des Quartärs ist von besonderem Interesse, um die Bereiche zu lokalisieren, in der eine verstärkte hydraulische Wechselwirkung des Quartärs mit dem Tertiär stattfindet. Daher wurde die Unterkante der tertiären Schluffe und Tone im Liegenden des Quartärs konstruiert und mit der Oberkante der tertiären Sande verschnitten, um die Tertiärfenster zu lokalisieren (siehe Abbildung 1+2). Die Unterkante des ersten tertiären Hauptgrundwasserleiters wird, wie aus Bohrprofilen ersichtlich, durch eine weitere schluffig tonige, einige Meter mächtige Schicht begrenzt. 2.3 Parametrisierung Die Durchlässigkeitsbeiwerte (kf-Werte) des quartären Grundwasserleiters bewegen sich nach Pump-versuchsauswertungen zwischen 4,1⋅10-2 ms-1 bis 5,1⋅10-3 ms-1. In der Umgebung des geplanten passi-ven Sanierungssystems konnten die kf-Werte regionalisiert werden. Außerhalb des Gaswerksbereiches wird anfangs ein Mittelwert aus den regionalisierten Werten gesetzt. Die kf-Werte werden dann zur Kalibrierung des Modells verwendet und innerhalb der Spannbreite variiert, um die berechnete Grundwasserhöhe an die Werte der Stichtagsmessung anzunähern. Der Speicherkoeffizient hat Werte zwischen 0,21 und 0,32. Für die Durchlässigkeitsbeiwerte des Tertiärs lagen Pumpversuchsauswertung, sowie sedimentspezifi-sche Analysen vor. Da die Datengrundlage in Abhängigkeit von ihrer räumlichen Verteilung für eine Regionalisierung der Durchlässigkeitsbeiwerte des Tertiärs nicht ausreicht, wird im Modell ein Mittelwert für die tertiären Sande von 2,78·10-5 m·s-1 angenommen und ein Porositätsfaktor von 0,1. Für die tertiären Schluffe und Tone wird eine konservative Annahme des kf-Wertes für die tertiären Tone und Schluffe von 1,0 · 10-8

m·s-1 und ein Porositätsfaktor von 0,04 eingesetzt. Die Parametrisierung des "funnel-and-gate"-Systems erfolgte nach Angaben des Planungsbüros. Die Dichtwand wurde mit einem kf-Wert von 1,0⋅10-9 ms-1 und einem Speicherkoeffizienten von 0,04 be-legt und die "gates" mit 1,0⋅10-3 ms-1 bzw. 0,45. Die Grundwasserneubildung wird auf einen Durch-schnittswert von 1 mm/d gesetzt. Da die Betrachtung des Problems relativ zum Ruhezustand ist wur-den die Modellrechnungen im stationären Zustand durchgeführt. 3 Anforderungen an das "funnel-and-gate"-System Die Simulation des Einbaus eines passiven Sanierungssystems sollte ermitteln:

welcher Aufstau im Zustrom durch das System erzeugt wird. wo die optimale Lage der Durchlassbereiche ("gates") in Abhängigkeit der Strömungsverhältnisse

ist. wie die Durchlassbereiche zu dimensionieren sind um die notwendige Verweildauer des Grund-

wassers in der Aktivkohle zu gewährleisten.

Dafür müssen folgende Bedingungen beachtet werden: Die Verweildauer in den Aktivkohlezonen sollte ausreichend lange sein, um eine vollständige

Adsorption der Kontamination innerhalb der "gates" zu gewährleisten. Nach Herstellerangaben wird eine minimale Verweilzeit von 60 min gefordert. Im Modell ist die Verweildauer aus der Ab-standsgeschwindigkeit (berechnet aus der Filtergeschwindigkeit) über die Dicke des "gates" be-rechnet.

Der Aufstau im Zustrom sollte 50 cm nicht überschreiten, damit kein zu hohes Potentialgefälle entsteht und die dadurch bedingte Verweilzeit unterschritten wird. Zusätzlich soll dadurch die Ge-fahr der Infiltration von quartärem Grundwasser ins Tertiär gering gehalten werden.

4 Ergebnisse der ersten Erkundungsphase Nach der Implementierung der Daten in das Modell wurden mehrere Varianten der Dimensionierung des Sanierungssystems simuliert und jeweils die Strömungsverhältnisse und die Verweildauer betrach-tet. Die "gates" wurden auf drei Strecken aufgeteilt und die Lage anhand der Strömungsverhältnisse

Page 86: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

(Aufstau) festgelegt. Die Dichtwandlänge sowie die Ausdehnung in der Tiefe wurden zusätzlich vari-iert. Das vorläufige Resultat der Simulation ist eine Verweildauer weit über den Anforderungen von 60 min und ein Aufstau unter 40 cm. Das gesamte Wasser des kontaminierten Bereiches des Quartärs strömt dabei durch das Sanierungssystem. Allerdings wurde eine Infiltration von Wasser aus dem quartären in den tertiären Grundwasserleiter im Bereich der "Tertiärfenster" oberstromig des Sanie-rungssystems beobachtet. Bei der Integration des "funnel-and-gate"-Systems 2 m unterhalb der Basis des Quartärs ergab die Simulation eine Unterströmung des Sanierungssystems innerhalb des Tertiärs. Dies weist auf die Möglichkeit hin, daß die vorherige Infiltration von kontaminiertem Wasser in den tertiären Grundwasserleiter eine Unterströmung des Sanierungssystems mit kontaminiertem Wasser zur Folge haben kann. Daher ist es notwendig die Dichtwand über die gesamte Mächtigkeit des tertiä-ren Grundwasserleiters zu verlängern. Somit wurde eine Unterströmung des Bauwerks verhindert. Die "gates" verbleiben nur im Quartär. Das ins Tertiär infiltrierte Wasser des Zustroms strömt vor der Dichtwand durch die tertiären Fenster wieder ins Quartär, wodurch das gesamte Wasser im Zustrom-bereich durch die "gates" gezwungen wird. 5 Erweiterung des Modells 5.1 Erweiterung der Datengrundlage Bei neueren Datenerhebungen auf dem Gelände wurden zusätzliche Bohrungen in das Tertiär abge-teuft, um die Datendichte zu erhöhen. Die geplante versiegelte Fläche wurde anhand von Bebauungs-plänen ermittelt und die Lage und Dimensionierung der für diese Fläche vorgesehenen Versickerungs-anlage ausgelesen. Diese weiteren Daten sollen nun zum Modell hinzugefügt werden, um damit das Modell weiter zu optimieren. Um die Strömungsverhältnisse im Zustrom zu verbessern, ist geplant die "gates" mit Horizontaldrai-nagen zu versehen und damit eine möglichst ausgeglichene Zustrommenge zu jedem einzelnen "gate" zu erreichen. Die Horizontaldrainagen sollen dann in das Modell implementiert werden, um ihre Län-ge und Lage festzulegen. Dabei gilt es zu beachten, welche Höhe die Tertiäroberfläche unter GOK im Bereich des geplanten "funnel-and-gate"-Systems erreicht. Um einen optimalen Zustrom zu den Hori-zontaldrainagen zu gewährleisten, sollen diese wenigstens einen halben Meter oberhalb der Tertiär-oberfläche eingebracht werden, allerdings nicht zu gering unterhalb des mittleren Wasserstandes, da die Horizontaldrainagen sonst trocken fallen könnten. Dadurch würden die "gates" nicht mehr gleich-mäßig angeströmt werden und es würde zu einer unterschiedlichen Beanspruchung der Aktivkohle kommen, d.h. zu unterschiedlichen Standzeiten. Somit limitiert sich die Lage und Ausmaße der "ga-tes" auf die Bereiche innerhalb der Trasse des geplanten "funnel-and-gate"-Systems, die diesen An-sprüchen gerecht werden. 5.2 Detailbetrachtung der "gates" Um die Verweildauern und die Strömungsverhältnisse innerhalb der "gates" exakter zu bestimmen, sind zusätzliche Detailbetrachtungen notwendig. Dabei wurde der "gate"-Bereich nach einem Kon-struktionsvorschlag der bfm GmbH durch ein Überlaufwehr in eine Zufluß- und eine Abflußkammer getrennt, um längere Verweildauern zu erhalten (siehe Abbildung 3). Der Vertikale Aufbau eines "gates" besteht aus einer Filterkiesschicht am Boden (0,5 m), in der die Horizontaldrainage eingebettet ist. Diese soll eine möglichst homogene Verteilung des Wasser ge-währleisten, damit die Aktivkohle weitgehend gleichmäßig durchströmt wird. Anschließend folgt die Aktivkohleschicht (1,0 m), überlagert von einer Schicht, die einen Hohlraum darstellt (frei bewegliche Fläche) um im engeren Sinne die Simulation eines Überflutungsereignis über das Wehr zu ermögli-chen. Im Modell wird die Lage des Zustroms über die Horizontaldrainagen, die Höhe des Überlaufwehres und die Mächtigkeit und Art der Aktivkohle variiert und die jeweils dazugehörige Verweilzeit be-stimmt. Dies geschieht über eine Abschätzung mittels der Abstandsgeschwindigkeiten und der Mäch-tigkeit der Schichten und über das Partikel-Tracking-Verfahren. Für eine Validierung der Verweilzeit ist ein Säulenversuch notwendig, um den Dispersionskoeffizienten der jeweiligen Aktivkohle zu bestimmen. Mit der Detailsimulation soll dann ein Wert für den hydraulischen Widerstand der "gates" ermittelt werden und als weiteren Schritt in das Gesamtmodell implementiert werden.

83

Page 87: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

6 Schlussfolgerung Bei der Modellierung der Strömungsverhältnisse auf dem Gelände des ehem. Gaswerks München Moosach wurde das passive Sanierungssystem "funnel-and-gate" so dimensioniert, daß keine Um-strömung des Systems mit kontaminiertem Grundwasser erfolgt. Es ergab sich weiterhin, daß eine Wechselwirkung zwischen dem Grundwasser aus dem Quartär und dem Tertiär in einem relevanten Maße stattfindet. Nach dem Einbau eines passiven Sanierungssystems in den Untergrund wird somit eine Sicherung des Abstroms nur dann erreicht, wenn das Sanierungssystem bis in die Basis des ersten tertiären Hauptgrundwasserleiters hinein reicht und so eine Unterströmung des Bauwerks mit konta-miniertem Grundwasser verhindert wird. Um die benötigten Verweildauern für die vollständige Sorption hinreichend bestimmen zu können und die optimale Konstruktion der "gates" zu ermitteln, wurde eine vom gesamten Modellgebiet abgekop-pelte Detailbetrachtung notwendig. So können die hydraulischen Verhältnisse innerhalb des "gates" bestimmt und die Auslegung zur Gewährleistung der erforderlichen Verweildauer, sowie die Minimie-rung der kostenintensiven Menge an Aktivkohle ermittelt werden. 7 Literatur HOLZBECHER, E. (1996): Modellierung dynamischer Prozesse in der Hydrologie – Grundwasser und ungesättigte Zone. – 211 S., Berlin (Springer). JERZ, H. (1993): Geologie von Bayern II – Das Eiszeitalter in Bayern. – 243 S., Stuttgart (Schweizer-bart). LEMCKE, K. (1988): Geologie von Bayern I – Das bayerische Alpenvorland vor der Eiszeit. – 175 S., Stuttgart (Schweizerbart). TEUTSCH, G., GRATHWOHL, P., SCHAD, H. & WERNER, P. (1996): Sicherung von Altlasten mit „In-situ-Reaktionswänden“ und „funnel-and-gate-Systemen“ – Eine Alternative zu Dichtwandsystemen? Mitteilung des Institutes für Grundbau und Grundwassersanierung. – Bautechnik 73/12: S. 832–838. TILLMANN, H. (1953): Geologisch-hydrogeologische Karte von München 1:50000. – München (Bayer. Geol. Landesamt).

84

Page 88: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Ein Beispiel für Flächenrecycling Abriss einer Porzellanfabrik und Bebauung des Betriebsgeländes mit einem

Einkaufszentrum – Altlastensituation und Bauschuttproblematik

Festbaum, Jürgen Wasserwirtschaftsamt Weiden, Gabelsbergerstr. 2, 92637 Weiden

e-mail:[email protected]

Abstract: When locations of industry will be prepared for another use, the plants often must be pulled off. In addition to the special problems of contaminated sites, there are many other questions regar- ding the preparation, analysis and utilization of building rubber, which will be illustrated on the basis of an concrete example. Zusammenfassung: Eine Umnutzung alter Industriestandorte im Rahmen des Flächenrecyclings ist oft nur nach Abriss der Betriebsgebäude möglich. Neben der in vielen Fällen vorliegenden Altlastenproblematik stellen sich bedingt durch den Gebäudeabbruch diverse die Beprobung, Untersuchung und Verwertung des Bauschutts betreffende Fragen. Anhand eines konkreten Beispiels werden die hierbei aufgetretenen Probleme geschildert. Keywords: Contaminated sites, sampling and analysis of building rubber, utilization of building rubber Schlagworte: Altlasten und Flächenrecycling, Beprobung und Untersuchung von Bauschutt, Bau- schuttverwertung 1 Standort- und Objektbeschreibung Der nachfolgend behandelte Standort des im Jahre 1995 stillgelegten Zweigwerks eines bekannten Porzellanherstellers befindet sich im Zentrum einer nordoberpfälzischen Stadt. Das leicht abschüssige und größtenteils mit Produktions- und Verwaltungsgebäuden bebaute Betriebsgelände erstreckte sich zuletzt über eine Gesamtfläche von ca. 6 Hektar. Nachweislich seit 1838 bis ins Jahr 1994 wurde an dem Standort Porzellan produziert. 2 Beabsichtigte Folgenutzung Schon kurz nach Stilllegung erwarb ein privater Investor das Betriebsgelände. Nachdem die Gebäude der Produktionsstätte einige Jahre nahezu ungenutzt blieben und aufgrund der zentralen Lage des Ob- jekts eine gänzlich andere Nutzung nahelag, in die bestehenden Gebäude nicht integriert werden konnten, wurde im Jahre 1999 ein Abbruch der Gebäude und im Anschluss daran der Neubau eines Einkaufszentrums beantragt.

85

Page 89: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

3 Altlastensituation Aufgrund der vielfältigen und mehr als 100-jährigen Nutzungsgeschichte der Porzellanfabrik beauf- tragte der ehemalige Grundstückseigentümer noch im Jahre 1995 ein Ingenieurbüro mit der Durchfüh-rung einer historischen Recherche und einer Altlastenerkundung des Betriebsgeländes. 3.1 Ergebnis der Historischen Recherche Sowohl Aktenrecherche als auch Mitarbeiterbefragung erbrachten nur wenig Detaildaten zur langen zeitlichen Entwicklung der produktionsspezifischen Gegebenheiten Unter anderem wurde herausgefunden, dass bis 1965 ein Gasgenerator betrieben worden war. Nach Anschluss an die Ferngasversorgung wurde der Gasgenerator stillgelegt und rückgebaut. Wichtige Nebeneinrichtungen des Generators, wie Teer- und Phenolwasserbecken, konnten im Rahmen der Recherche vorerst nicht genau lokalisiert werden. Angeblich waren die Becken aber restlos entleert worden. Als Ergebnis der historischen Recherche ist festzuhalten, dass lediglich eine sehr grobe Beschreibung der Nutzungshistorie bestehender Gebäude und Einrichtungen gelang, vom Gutachter aber insgesamt 9 Verdachtsflächen ermittelt und auch örtlich lokalisiert werden konnten. 3.2 Orientierende Erstuntersuchung Basierend auf den Ergebnissen der historischen Recherche wurden auf 7 der 9 Verdachtsflächen insge- samt 10 Rammkernsondierungen mit einer Tiefe von 1,40 bis 6,6 m unter GOK niedergebracht. Aus den Rammkernsondierungen wurden anschließend 36 Boden-, 5 Bodenluft- und 2 Grundwasserproben entnommen. Davon wurden auf folgende Parameter untersucht: • 23 Bodenproben – nutzungsspezifisch selektiert - auf KW, PAK, BTX-Aromaten, PCB, • Gesamtcyanid, Sulfat, Chlorid, Fluorid und/oder diverse Metalle • 5 Bodenluftproben auf LHKW und BTX-Aromaten • 1 Grundwasserprobe auf Nitrat, Sulfat und Ammonium und • 1 Grundwasserprobe auf diverse Basisparameter und zusätzlich auf die Parameter LHKW,

BTX-Aromaten, AOX, PAK und KW.

Als Ergebnis der Probenuntersuchung ist festzuhalten, dass sich überraschenderweise nur in wenigen Proben geringfügig erhöhte Schadstoffgehalte ergaben. Auffallend waren lediglich

• eine geringfügig erhöhte Kohlenwasserstoffkonzentration in der im Bereich des Öl- und

Gefahrstofflagers entnommenen Grundwasserprobe (Schöpfprobe) • deutlich über dem Stufe-1-Wert liegende KW- und PAK-Gehalte in zwei Bodenproben, die aus

benachbarten Sondierungen entnommen worden waren und • erhöhte Bodensulfatgehalte im Bereich des Gasgenerators. Den Ergebnissen zufolge lag somit die untersuchten Medien betreffend, kein Sanierungsbedarf vor. Aufgrund der punktuellen Beprobung konnte jedoch die Existenz weiterer lokaler Kontaminations -herde nicht ausgeschlossen werden. Deshalb sollten nach erfolgtem Gebäudeabbruch, jedoch vor Beginn von Aushubmaßnahmen, auf jeden Fall weitergehende Bodenuntersuchungen erfolgen.

86

Page 90: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Angesichts der bereits nachgewiesenen positiven Befunde, schlug der Gutachter zudem vor, im Ab- strom des ehemaligen Gefahrstofflagers eine Grundwassermessstelle zu errichten. Auf wasserwirtschaftliche Empfehlung hin sollten darüber hinaus die ehemaligen Phenolwasser- und Teerbecken lokalisiert werden, was im Rahmen einer daraufhin durchgeführten, ergänzenden historischen Recherche auch gelang. In diesen Bereichen nachfolgend durchgeführte Rammkernson- dierungen zeigten auf, dass im Phenolbecken noch Teerreste verblieben waren. Die Becken selbst wurden hierbei nicht durchteuft, so dass Aussagen zur Beckendichtheit und zur Beschaffenheit des Untergrunds nicht möglich waren.

3.3 Grundwasserbeschaffenheit Die eigentlich im unmittelbaren Abstrom nachweislich mit Schadstoffen kontaminierter Bodenberei-che vorgesehene Grundwassermessstelle wurde, nachdem der gewählte Standort einen Bestand der Messstelle auch nach Abbruch der Gebäude und Neubebauung des Areals sicherstellen sollte, im Grundwasserseitstrom der untersuchten Verdachtsflächen positioniert. Die bei einem Kurzpumpversuch und zusätzlich bei einem 20h-Pumpversuch entnommenen Wasser -proben wiesen weder hinsichtlich der untersuchten Basisparameter, noch bei den Zusatzparametern KW, PAK, Phenolindex, LHKW und BTX-Aromaten Besonderheiten auf. 4 Bauschuttproblematik 4.1 Untersuchung der Bausubstanz Vor dem Abbruch der Gebäude fand ausschließlich eine Untersuchung der beiden Werkskamine, die gesprengt werden sollten, statt. Auf Empfehlung des Landratsamtes sollten Materialproben jeweils im Fuchs-, Sockel-, und Schlotbereich (25 m Höhe) entnommen und auf die in der Technischen Regel der LAGA (Bauschutt) angeführten Parameter (Originalsubstanz und Eluat) analysiert werden. Abhängig von der Art der gewonnenen Bausubstanz (Beton beim Fuchs und Ziegelwerk beim Kamin) ergaben sich im Eluat erwartungsgemäß signifikante Unterschiede bei den Parametern Leitfähigkeit und Sulfat. Bei den untersuchten Metallen gab es nur eine einzige Auffälligkeit: Die im Sockelbereich eines Ka- mins entnommene Probe wies Nickelwerte auf, die sowohl in der Festsubstanz (130 mg/kg TS), als auch im Eluat (170 µg/l) besonders hervorstachen. Darüber hinaus konnte eine geringfügige Kohlen- wasserstoffverunreinigung (280 mg/kg TS) nachgewiesen werden. Letztendlich wurden jedoch trotz der größtenteils relativ geringfügigen Belastung die kompletten Kamine incl. Sockel und Fuchs einer Entsorgung auf einer Hausmülldeponie zugeführt. 4.2 Abriss der Gebäude und beabsichtigte Entsorgung/Verwertung des Bauschutts Im Frühjahr 2000 führte ein im Amtsbezirk des Wasserwirtschaftsamtes Weiden ansässiges und auf Gebäudeabbruch spezialisiertes Unternehmen den Abriss der Betriebsgebäude durch. Das hierbei an-fallende Abbruchmaterial wurde direkt vor Ort auf eine Körnung von 0/56 mm gebrochen und in Form zweier Haufwerke (Gesamtvolumen: ca. 9.000 m3) zwischengelagert. Da annähernd zeitgleich im Außenbereich der Stadt bei der Baureifmachung eines neuen Industriege- bietes für die Befestigung der Geländeoberfläche große Materialmengen benötigt wurden (offener Einbau) und hierfür eine Verwertung des Bauschutts angedacht war, fand im Auftrag des Abbruchunternehmens die Untersuchung einer Bauschuttmischprobe statt. Das Analysenergebnis ließ

87

Page 91: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

jedoch erkennen, dass eine Bauschuttverunreinigung durch KW (408 mg/kg), PAK (7 mg/kg), EOX (1,8mg/kg) und Phenole (31µg/l im Eluat) vorlag. In Anbetracht dieser Erkenntnis und aufgrund der beabsichtigten Verwertung der beträchtlichen Menge des zwischengelagerten Bauschutts als Recyc- lingmaterial wurde gefordert, einen Sachkundigen mit einer repräsentativen Beprobung und Unter- suchung der Bauschutthaufwerke zu beauftragen. 4.3 Beprobung des Bauschutts – strategische Überlegung Ziel einer jeglichen Art von Bauschuttbeprobung sollte es sein, möglichst repräsentative Realproben in der jeweils vorliegenden Korngrößenverteilung zu erhalten, so dass bei den folgenden Analysen eine verlässliche Aussage zur Schwankungsbreite ggf. vorhandener Belastungen gewonnen werden kann. Nachdem der Bauschutt bereits in Haufwerksform vorlag (insgesamt ca. 16.000 t), wurde empfohlen, die Probenahme in Anlehnung an den Materialien-Band des StMLU (Probenahme von Böden und Substraten zur Erfassung des Bodenzustandes und Untersuchung kontaminierter Standorte, Beprobung von Haufwerken) vorzunehmen, allerdings in etwas modifizierter Form. Dem gemäß wurden die Oberflächen der beiden Haufwerke profiliert, in Flächensegmente unterteilt und auch vermessen, so dass eine spätere Wiederfindung ggf. belasteter Chargen sichergestellt war. Das Volumen der sich unter den Flächensegmenten befindenden Bauschuttmengen entsprach jeweils einer Masse von ca. 500 t. In jedem dieser Volumenkörper wurde dann eine Baggerschürfe bis zur Basis des Haufwerks angelegt und anschließend über die gesamte Schürftiefe eine Mischprobe (vertikale Mischprobe) entnommen. Insgesamt 32 Mischproben wurden auf diese Art gewonnen. 4.4 Bewertungsgrundlage und Umfang der Untersuchungsparameter Mit Schreiben des StMLU vom 09.03.1998 wurden die Verwertung von Bauschutt im Erd-, Straßen- und Wegebau betreffend, die umwelttechnischen Anforderungen aus der Bekanntmachung der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern vom 17. November 1992, geändert durch Gemeinsame Bekanntmachung der Obersten Baubehörde vom 31. Januar 1995 eingeführt, nicht aber die LAGA-Richtlinie „Bauschutt“. Die entnommenen Mischproben wurden deshalb auf die in dieser Richtlinie für Feststoff und Eluat angeführten Parameter untersucht, die Analysenergebnisse entsprechend der hierin aufgeführten Verfahrensweise bewertet. 4.5 Untersuchungsergebnisse – eine unangenehme Überraschung Die vom probenehmenden Gutachter in einem Bericht zusammengefassten Analysenergebnisse ließen erkennen, dass annähernd alle 32 Mischproben mit PAK, Kohlenwasserstoffen, vereinzelt auch mit EOX belastet waren (s. Tabelle 1). Tabelle 1: Anzahl der Mischproben mit Feststoffgehalten über den Richtwerten RW1 und RW2

Parametergehalt im Feststoff

Anzahl der Mischproben (MP) mit einem erhöhten Schadstoffgehalt

PAK KW EOX

> RW 1 26 MP 16 MP 5 MP

> RW 2 3 MP 14 MP 2 MP

88

Page 92: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Den Ergebnissen zufolge lag eine Schadstoffbelastung vor, die im Prinzip die Gesamtkubatur des Bau-schutts betraf. Die KW-Gehalte bewegten sich in einem Bereich von wenigen 100 mg/kg bis maximal 1580 mg/kg, die PAK-Gehalte schwankten von durchschnittlich 6 mg/kg bis maximal 48 mg/kg. Aufgrund der ermittelten KW-Gehalt sollten bei den Proben mit Stoffgehalten > RW1 Eluatuntersu- chungen durchgeführt werden. Hingegen wurden auch bei den PAK – obwohl die Richtlinie dies nicht (mehr) vorsieht - bei Proben mit Feststoffgehalten > RW2 Eluatuntersuchungen gefordert und durch- geführt. Erwartungsgemäß konnten im Eluat neben sehr hohen Leitfähigkeiten (20 Mischproben > RW2) auch erhöhte Sulfatkonzentrationen (18 MP > RW1) nachgewiesen werden. Die analysierten Metalle hingegen waren im Eluat fast durchweg unauffällig (< RW1). Die Kohlenwasserstoffkonzentrationen überschritten aber im Eluat von 11 Mischproben den RW1-Wert, erreichten jedoch den Richtwert RW2 nicht. Die PAK-Konzentrationen schwankten im Eluat zwischen 0,4 µg/l und 1,13 µg/l. 4.6 Bewertung der Ergebnisse und Folgen In Anbetracht der Analysenergebnisse war keine der Chargen uneingeschränkt verwertbar, konnten 14 Chargen nur eingeschränkt verwertet werden und waren 18 Chargen nicht verwertungsfähig. Demnach war der beantragte, offene Einbau des Recyclingmaterials nicht möglich. 4.7 Verwertung des „eingeschränkt verwertbaren“ Recyclingmaterials Insgesamt 7000 t des Recyclingmaterials wurden anschließend im Rahmen einer straßenbaulichen Er- schließungsmaßnahme in einem Industriegebiet zur Herstellung der hierfür notwendigen Dammschüt- tung verwendet (Einbau unter einer asphaltierten Fahrbahn). Die in den “Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien“ angeführten, an den Verwertungsort zu stellenden Bedingun- gen (u.a. Abstand der Schüttbasis zum Grundwasser), wurden hierbei im Vorfeld überprüft. 4.8 Nicht verwertbare Bauschuttchargen – das Nachspiel Nachdem eine nicht unerhebliche Bauschuttmenge hätte entsorgt werden müssen und seitens eines neuen Gutachters Zweifel an Aufbereitung und Analytik der Bauschuttproben geäußert wurden, ließ dieser in einem anderen Labor, beginnend mit drei Mischproben (Rückstellproben), erneut Untersu-chungen durchführen. Hierbei wurden deutlich niedrigere KW-Gehalte (< RW2) festgestellt, wodurch eine eingeschränkte Verwertung möglich gewesen wäre. Dieser wurde jedoch nicht unmittelbar zuge-stimmt. Vielmehr sollten erst mögliche Ursachen für derart stark differierende Messergebnisse aufgezeigt werden. Auf Wunsch des Gutachters wurden dann noch einmal 18 Bauschuttmischproben (davon 11 Rückstellproben) unter gemeinsam festgelegten, nachfolgend genannten Bedingungen, analytisch auf die besonders auffälligen Parameter KW, PAK und EOX untersucht: • Eluatuntersuchung : Verwendung des Bauschutts in dem Zustand, in dem er verwertet wird. • Feststoffuntersuchung: Durchführung an zwei verschiedenen Kornfraktionen:

a) Von der Mischprobe abgesiebte Kornfraktion (<2 mm) b) Zerkleinerte Kornfraktion der Mischprobe, entstanden durch Brechen der Originalprobe auf eine Korngröße < 2 mm

89

Page 93: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

4.8.1 Ergebnis der Bauschuttwiederholungsuntersuchung Mit Ausnahme einer Probe ergaben sich in allen untersuchten Rückstellproben, aber auch in frisch ent- nommenen Mischproben, deutlich niedrigere KW-Gehalte wie bei der Erstuntersuchung, wobei die abgesiebte Kornfraktion meist geringfügig höhere Schadstoffgehalte aufwies, als die auf Korngröße 2 mm gebrochene Probe. Bei den PAK, die ausschließlich aus neu, aber unter vergleichbaren Bedingungen entnommenen Proben analysiert worden waren, ergab sich ein ähnliches Bild. Ergänzend durchgeführte Eluatuntersuchungen erbrachten durchweg KW-Konzentrationen unter der Bestimmungsgrenze. Eine zwischenzeitlich vom ersten Untersuchungslabor an drei Rückstellproben durchgeführte Wiederholungsuntersuchung auf KW ergab schließlich bei 2 der 3 Proben ebenfalls deutlich niedrigere (jetzt < RW2) und vergleichsweise gut mit den Ergebnissen des zweiten Untersuchungslabors übereinstimmende KW-Gehalte. In Anbetracht der in sich schlüssigeren Untersuchungsergebnisse konnte der Großteil des bislang nicht verwertbaren Recyclingmaterials nun als „eingeschränkt verwertbar“ eingestuft werden. Das Material wurde anschließend zur Geländeauffüllung in einem Bereich eines Industriegebietes eingesetzt, der unmittelbar danach überbaut werden sollte. 4.8.2 Mögliche Ursachen für die Messwertdifferenzen Als Ursachen für die unterschiedlich hohen Messwerte gleicher Mischproben sind denkbar: • Schadstoffauswaschung/-verflüchtigung/-abbau, lagerte doch der zerkleinerte Bauschutt über

mehrere Monate hinweg ohne Abdeckung im Freien. • Art des Probenaufbereitungsverfahrens (z.B. kann das Brechen der Bauschuttproben im Labor zu

einer erwärmungsbedingten Verflüchtigung diverser Schadstoffe führen, u.a. auch bei kurzkettigen KW).

• Auswahl der zu analysierenden Kornfraktion, denn abhängig davon, an welchem Korn der Schadstoff gebunden ist (Feinfraktion oder Großkorn), kann durch Selektion oder Abtrennung einer bestimmten Kornfraktion das Analysenergebnis gezielt beeinflusst werden.

• Art des Analysenverfahrens, insbesondere aber auch die Ausführung einzelner Analysenschritte, die in DIN-Verfahren zum Teil nicht verbindlich festgelegt ist (z.B. bei der KW-Bestimmung in Feststoffen)

5 Schlussbetrachtung Flächenrecycling ist ein vom Grundsatz her vielversprechendes und sinnvolles Instrument zur Bewah- rung wertvoller Bodenressourcen. Die Praxis zeigt jedoch, dass neben der oft im Vordergrund stehenden Altlastenproblematik gerade die Bausubstanz- und Bauschuttuntersuchung meist zu wenig Beachtung findet, obwohl auch in der Bausubstanz selbst Verunreinigungen vorliegen können, die denen der Altlast gleichwertig sind. Die beim Gebäudeabbruch ggf. in Unkenntnis in den Bauschutt eingemischten Kontaminanten können zu diversen Verwertungsproblemen führen bzw. im ungünstigsten Fall eine Verwertung als Recyc- lingmaterial unmöglich machen. Eine Pflicht zur Untersuchung der Bausubstanz besteht jedoch nicht, so dass von einer Verbesserung der derzeit unbefriedigenden Situation nicht auszugehen ist. Die für Bauschuttbeprobung, -untersuchung und -verwertung verwendbaren Regelwerke enthalten zwar diverse Vorgaben, bleiben jedoch insbesondere auf die Frage nach Aufbereitung und Analytik

90

Page 94: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

der Proben viele Antworten schuldig. Hierdurch bedingt eröffnet sich ein individueller Spielraum, der einen Ergebnisvergleich nahezu unmöglich macht, andererseits zudem eine gezielte Beeinflussung der Untersuchungsergebnisse befürchten lässt. Diesbezüglich besteht demnach entsprechender Konkreti- sierungsbedarf. Gerade deshalb weil Flächenrecycling Sinn macht, andererseits aber beim praktischen Vollzug eine Vielzahl von Überlegungen zu tätigen sind, wäre ein „Leitfaden Flächenrecycling“ erstrebenswert, der mögliche Probleme, aber auch Lösungsansätze aufzeigt. 6 Literatur BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (1998): Anforderungen an die stoffliche Verwertung mineralischer Abfälle – Technische Regeln der LAGA; Schreiben des STMLU vom 09.03.1998 BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (1997): Probenahme von Böden und Substraten zur Erfassung des Bodenzustandes und Untersuchung kontaminierter Standorte. – Materialienband 129 des StMLU, Mai 1997 GEMEINSAME BEKANNTMACHUNG DER OBERSTEN BAUBEHÖRDE IM BAYERISCHEN STAATS-MINISTERIUM DES INNERN UND DES BAYERISCHEN STAATSMINISTERIUMS FÜR LANDESENTWICKLUNG

UND UMWELTFRAGEN (1995): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die einzuhaltenden wasserwirtschaftlichen Gütemerkmale bei der Verwendung von Recyclingbaustoffen im Straßenbau in Bayern. – AllMBl NR.4/1995

91

Page 95: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bodenschutz und Rekultivierung im Kohlenrevier von Sokolov

Dipl.-Ing. Pöpperl JiříSokolovská uhelná, a.s. Staré náměstí 69, 356 00 Sokolov, ČR

e-mail [email protected] Abstract: Lignite is in the area of Sokolov, Karlovy Vary and Chebu exploit already from the 17. cen-tury. Opencast mines and outer dumps change the landscape. There for reclamations of the injured landscape are an important part of activities of the Sokolovska uhelná, a.s. The paper shows experiences and results of soil protection and reclamation in the coal area of Sokolov. Zusammenfassung: Braunkohle wird in der in den Regionen von Sokolov, Cheb und Karlovy Vary schon seit dem 17. Jahrhundert abgebaut. Vor allem die Tagebaue und Außenkippen veränderten die Landschaft. Deshalb ist auch die Rekultivierung der betroffenen Landschaft ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten der Sokolovská uhelná, a.s. Der Beitrag zeigt Erfahrungen und Ergebnisse mit Boden-schutz und Rekultivierung. Keywords: coal mining, mines, overburden dumps, reclamation, soil protection; Schlagworte: Kohlenförderung, Tagebaue, Abraumkippen, Rekultivirung, Bodenschutz; 1 Bergbau im Braunkohlenrevier von Sokolov

Die Sokolovská uhelná, a.s. entstand 1994 durch Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe und setzt die Förderung im Braunkohlenbecken von Sokolov in Westböhmen fort. Der älteste schriftliche Nachweis über Braunkohlenförderung im Gebiet von Sokolov ist die Aufzeichnung in der Chronik der Stadt Horní Slavkov (Schlaggenwald) aus dem Jahre 1642 über die Verpachtung einer Kohlengrube bei Loket (Elbogen). Aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind auch weitere zwei Aufzeichnungen über die Kohlenförderung bei Loučky (Grünlas) und Loket. Im Jahre 1826 waren nur in der Umgebung von Loket schon 36 größere Gruben. Die Kohlenförderung stieg allmählich an. 1860 wurden 102 625 t Kohle gefördert, 1872 nach Eröffnung der Buschtiehrader Eisenbahn von Chomutov (Komotau) nach Cheb (Eger) waren es schon 588 740 t. Im Jahre 1886 erreichte die Förderung zum erstenmal 1 Mil. t. Im Juli 1997 wurde aus dem Kohlenrevier von Sokolov seit Beginn des Abbaus 1 Mld. t Kohle gewonnen. 1945 waren im Revier 24 Gruben und 14 Tagebaue tätig. In den fünfziger Jahren ging man allmählich vom Abbau unter Tage zum Abbau über Tage über. Seit 1968 war im Braunkohlenrevier nur eine aktive Grube - Marie, die 1991 stillgelegt wurde. Zur Zeit ist der Abbau in zwei Tagebaue konzentriert – Jiří und Družba. Der Tagebau Medard-Libík wurde im Frühjah 2000 stillgelegt. Die anderen zwei Tagebaue sollten noch etwa dreißig Jahre aktiv sein. Mit der Kohlenförderung war auch die Kohlenverarbeitung verbunden. Seit 1800 wurde Braunkohle in den sogenannten Mineralwerken zur Verarbeitung von Eisenkies (Pyrit) verwendet. Hier wurden Alaun, Vitriol und Schwefelsäure erzeugt. Die Kohle wurde klassiert, die nichtverkaufbare Kohlenlösche wurde in Brikettfabriken verarbeitet. Seit 1880 waren es insgesamt zehn. In Pila bei

92

Page 96: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Karlovy Vary (Karlsbad) und Čižebná wurde aus Kohle Montanwachs erzeugt. Aus Braunkohle wurde auch in kleinen Mengen Grudekoks durch Kohleverschwelung gewonnen. Die Kohle von minderer Qualität wurde in sieben Kraftwerken der Bergbaugesellschaften verbrannt. Die Ausnutzung von Braunkohle in Kraftwerken und der Brikettfabrik fährt auch heute fort. Die Kohle wird weiter in unserer AG im Gaswerk zur Erzeugung von Energogas für das moderne Dampfgaskraftwerk verwendet. Die bergmännische Tätigkeit und vor allem die Tagebauförderung und die damit verbundene Errich-tung umfangreicher Außenkippen ist eine verwüstende Tätigkeit. Deshalb ist auch die Minimalisie-rung der negativen Auswirkung auf die Landschaft und ihre Rekultivierung ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten der Sokolovská uhelná, a.s. 2 Rekultivierung im Braunkohlenrevier von Sokolov Mit der ersten Rekultivierung im Braunkohlenrevier Sokolov begann man bereits anfangs der 20. Jah-re unseres Jahrhunderts, wo die Außenkippe des Tagebaus Bohemie in Sokolov forstwirtschaftlich rekultiviert wurde und weitere Teilrekultivierungen der Gruben im östlichen Teil des Braunkohlenbeckens vorgenommen wurden. Mit den systematischen Rekultivierungen wurde in der zweiten Hälfte der 50. Jahre begonnen. Die Entwicklung der Tagebauförderung brachte den Aufbau von Großtagebauen. Im Hinblick auf die Ablagerungsverhältnisse der Kohlenflöze konnten die inneren Kippräume nicht verwendet und anschließend rekultiviert werden. Es kam so zu beträchtlichen Anspruch auf Gebiete außerhalb der Abbauräume für Außenkippen. Die Rekultivierung richtete sich Ende der 50. und anfangs der 60. Jahre auf Gebiete ehemaliger Gruben, wo der Abbau schon in den 30. und 40. Jahre beendet wurde, und wo keine neuen Tagebaue eröffnet werden sollten. Es wurden vom Bergbau betroffene Flächen um Kynšperk nad Ohří (Königsberg an der Eger) und Chodov (Chodau) im Bezirk Sokolov und eine Reihe von Gruben im Bezirk Karlovy Vary und das Gebiet bei Nový Kostel (Neukirchen) im Bezirk Cheb rekultiviert. Anfangs der 70. Jahre begann man mit der Rekultivierung von Außenkippen.

Bis Ende 2000 wurden im Kohlenrevier von Sokolov insgesamt 2 444 ha Flächen rekultiviert. Davon waren 937 ha landwirtschaftliche und 1 449 ha forstwirtschaftliche Rekultivierungen. Ein Teil der Flächen (983 ha) befindet sich im Bau. Bis zum Ende des Kohlenabbaus (etwa im Jahre 2036 durch den Tagebau Družba) wird es notwendig sein noch 5 846 ha zu rekultivieren. Dies ist eine zweimal so große Fläche, als bisher rekultiviert wurde. Außer der Vollendung der Rekultivierung von Außenkippen, die bereits im Bau sind, bleiben im westlich Teil des Kohlenbeckens das Tagebaurestloch Medard-Libík und im östlichen Teil die Tagebaurestlöcher Jiří und Družba einschließlich der Innenkippen zu rekultivieren übrig. Unsere Firma hat einen Generalplan der Rekultivierung bis zum Abschluß der Kohlenförderung und anschließender Beseitigung der Abbauschäden erarbeitet. Es entstand auch die Notwendigkeit das Problem der Tagebaurestlöcher zu lösen und es kam zur Reduktion des Anteils an landwirtschaftlicher Rekultivierung bei Anstieg der forstwirtschaftlichen, wasserwirtschaftlichen und sonstigen Rekultivierung. An sonstigen Rekultivierungen sind vor allem die benachbarten Gemeinden interessiert. Denn es kann so ein neues Gebiet für Industrie und Erholung entstehen.

93

Page 97: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Der überwiegende Teil der bisher vorgenommenen Rekultivierung im Braunkohlenbecken von Sokolov erfolgte in Form eigener Lieferung. Für die Sicherstellung der Rekultivierung und auch für die landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Tätigkeit auf Flächen im Vorfeld der Tagebaue und Außenkippen und auf den bereits rekultivierten Flächen wurde 1953 ein selbständiger Betrieb gegründet. Heute ist er ein Bestandteil der Sokolovská uhelná, a.s. Gegliedert ist er auf Vieh- und Pflanzenzucht, Betrieb der technischen Rekultivierung und Dienstleistungen und forstwirtschaftlichen Betrieb. Das beträchtliche Ausmaß künftiger Sanierung und Rekultivierung ist auch finanziell anspruchsvoll. Die Sokolovská uhelná, a.s.bildet in Übereinstimmung mit dem Berggesetz eine finanzielle Rücklage für den Bedarf der Sanierung und Rekultivierung der vom Abbau betroffenen Grundstücke durch Be-lastung jeder geförderten Tonne Kohle. Diese Belastung wurde aus den bis zur Auskohlung des Re-viers noch zur Verfügung stehenden Kohlenvorräten und den benötigten Betrag für die komplexe Glättung der Folgen des Bergbaus berechnet. Gegenwärtig werden 19,49 Kč pro Tonne Kohle abgeführt. Die sogenannten Lasten der Vergangenheit, das heißt die Schäden, die vor der Privatisierung der Sokolovská uhelná, a.s. entstanden sind, wurden bis jetzt noch nicht geregelt. Deren Tilgung wurde aber bei Festlegung der Rücklage berücksichtigt. 3 Forstwirtschaftliche Rekultivierung Die forstwirtschaftliche Rekultivierung wird ohne Verwendung von Mutterboden betrieben. Es werden 2 - 3 jährige Stecklinge unmittelbar in die tertiären Tone gepflanzt. Sie werden meistens in einem Verband 1 x 1 Meter gepflanzt. Die Vertretung der Laubhölzer ist etwa 60 %. Am häufigsten werden Erlen (Alnus glutinosa, Alnus incana), Bergahorne (Acer pseudoplatanus), Eschen (Fraxinus excelsior), Linden (Tilia cordata), Eichen (Quercus petraea, Quercus robur, Quercus rubra), Pappelweiden (Populus nigra, Populus alba), Weiden und Ebereschen ausgesetzt. Von den Nadelhölzern haben wir die besten Erfahrungen auf anthropogenen Böden mit Kiefern (Pinus nigra, Pinus sylvestris, Pinus murayana), Fichten (Picea pungens, Picea omorika, Picea abies), Lärchen (Larix decidua) und Douglastannen (Pseudotsuga taxifolia) gemacht. Der biologische Zyklus ist 3 - 5 Jahre, nach 10 Jahren werden die Bäume durchgeforstet. Sträucher werden meistens entlang der Wege und am Rande der Baumbestände gepflanzt. Es werden besonders Rainweide (Ligustrum vulgare), Erbsenstrauch (Caragana arborescens), Goldregen (Laburnum anagyroides), Hartriegel (Cornus mas, Cornus saguinea), Schneebeere (Symphoricarpos albus) und Spierstrauch (Spirea media) benützt. 4 Bodenschutz und landwirtschaftlichen Rekultivierungen Und nun zum Bodenschutz und zu den damit verbundenen landwirtschaftlichen Rekultivierungen. Landwirtschaftlicher Boden wird schon jahrelang gesetzlich geschützt. Heute ist es das Gesetz Nr. 334/1992 GBl in geltender Fassung und die Durchführungsverordnung die Bekanntmachung des Umweltministeriums der CR Nr. 13/1993 GBl. Die wichtigsten Plichten, die aus diesen Vorschriften für einen bergbaubetreibenden Betrieb hervorgehen, sind folgende - selektiv die obere Muterbodenschicht event. auch die tiefere uhrbarfähige Bodenschicht von der

betroffenen Fläche abzutragen und für Rekultivierungszwecke zu verwenden, oder sie deponieren

94

Page 98: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

und dann später für Rekultivierung zu verwenden. - den Abraum auf ausgekohlte Flächen zu kippen. - die vom Bergbau betroffenen Flächen zu rekultivieren Die Art und Weise der Deponierung von Mutterboden wird von der methodischen Anleitung des Landwirtschaftsministerium Nr. 40-917/1982-413 geregelt. In der Anleitung werden die Form, die optimalen Proportionen der Deponien, weiter die Grasplanzen, die zur Deckung von Deponien empfohlen werden, und auch die verschiedenen geeigneten Herbizide beschrieben. Im Kohlenrevier von Sokolov wurden vor den fortschreitenden Tagebauen und Außenkippen in der Zeit von 1946 bis 2000 3 528 985 m3 Mutterboden geborgen und deponiert und ein Teil davon wieder verwendet. Auf 27 Deponien liegen heutzutage 1 076 538 m3 Mutterboden. Alle Deponien werden chemisch behandelt und gemäht. Über jede Deponie wird eine selbstständige Evidenz geführt, aus der jede Zunahme, Abnahme von Mutterboden und die durchgeführte Pflege hervorgeht. Landwirtschaftliche Rekultivierung wird an ebenen Fluren der Kippen angelegt. Grenzwert dafür ist die Neigung von 11° und auch die Seehöhe. Landwirtschaftliche Rekultivierung führen wir meistens mit Aufbringen von Mutterboden (30 - 40 cm) durch. Der biologische Zyklus ist 4 - 6 Jahre und ent-hält tiefes Pflügen, Eggen, organisches und auch anorganisches Düngen, Saat von Getreidepflanzen, Rapssaat (bei Ackerboden) oder von Kleegras, Luzerne (bei Wiesen). Im Falle geeigneter Bedin-gungen des oberflächigen Bodens erfolgen auch landwirtschaftliche Rekultivierungen ohne Aufbringen von Mutterboden. Vollständigkeitshalber ist es notwendig auch die wasserwirtschaftliche Rekultivierung anzuführen. Bis heute wurden nur einige kleinere Wasserbecken realisiert. Zur Zeit wird der ehemalige Tagebau Michal in unmittelbarer Nähe der Stadt Sokolov rekultiviert. Hier entsteht bis Ende des Jahres 2001 eine Freizeitanlage mit einer 30 ha großen Wasserfläche und 78 ha forstwirtschaftlicher und sonstiger Rekultivierung. Eine weitere große Wasserfläche mit dem Ausmaß von 501 ha entsteht im Tagebau Medard-Libík etwa 2015. Während der Vorbereitung und Realisation der Rekultivierung arbeitet die Sokolovská uhelná, a.s. seit den 60. Jahren mit dem Forschungsinstitut für Melioration und Bodenschutz Praha – Zbraslav, mit der Tschechischen landwirtschaftlichen Universität und anderen Spezialisten zusammen. Beispiele dieser Zusammenarbeit sind die forstwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Rekultivierungen der Kippe Antonín und Velký Riesel bei Sokolov, Dvory - Fasanerie und weiter der Kippe Loketská, Lítov und andere.

95

Page 99: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Digitale Bodenbelastungskarten als Instrument zur Ermittlung großflächiger immissionsbedingter Bodenbelastungen

König, W., D. Barkowski, T. Delschen, H. Friedrich, U. Heinz und V. Thiele

Korrespondenzadresse: Dr. Wilhelm König, Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft

und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV), 40190 Düsseldorf, e-mail: [email protected]

Abstract: In Northrhine-Westphalia the instrument of ‘digital soil contamination map’ is used to esti-mate and to describe the degree of soil contamination for greater areas. Within urban areas it is thus intended to get informations particularly about the heavy metal input into the soils caused by deposi-tion and/or spreading of technogene substrates. At present the developed methodology is tested in a part of Duisburg using geostatistical methods. Zusammenfassung: Digitale Bodenbelastungskarten werden in Nordrhein-Westfalen zur flächenhaf-ten Darstellung von Bodenbelastungen eingesetzt. In städtischen Gebieten sollen damit insbesondere Schwermetallbelastungen durch immissionsbedingte Schadstoffeinträge und durch Einbringung tech-nogener Substrate erfasst werden. In einem Pilotprojekt im Bereich der Stadt Duisburg wird die Me-thodik derzeit unter Anwendung geostatistischer Verfahren im Rahmen eines Testgebietes erprobt. Keywords: soil contamination map, geostatistics, heavy metals, air pollution Schlagworte: Bodenbelastungskarte, Geostatistik, Schwermetalle, Immissionsbelastung 1 Einführung In Nordrhein-Westfalen ist das Instrument der „Digitalen Bodenbelastungskarte“ (dig. BBK) entwi-ckelt worden, um damit Datengrundlagen zur stofflichen Belastung von Böden für den Vollzug des Bodenschutzrechts und andere bodenrelevante Fragestellungen aufzubereiten. Es soll insbesondere die behördliche Ermittlungspflicht nach § 9 Abs. 1 BBodSchG unterstützen. Ein Leitfaden zur Erstellung von dig. BBK in Außenbereichen mit den vorherrschenden Nutzungen Acker, Grünland und Wald liegt bereits vor (HEIDBRINK & NEITE 2000). Für Siedlungsbereiche laufen derzeit verschiedene Pilot-projekte zur Fortentwicklung der Methodik auf unterschiedliche städtische Belastungssituationen. Insbesondere sind dort Anreicherungen in Böden durch immissionsbedingte Schadstoffeinträge und durch Abtrag oder Umlagerung von Bodenmaterial sowie durch Einbringen technogener Substrate zu berücksichtigen. In einem laufenden Vorhaben im Stadtgebiet von Duisburg wird der Aspekt der Ermittlung großflä-chiger immissionsbedingter Bodenbelastungen verfolgt. Die Stadt Duisburg im westlichen Ruhrgebiet ist durch eine umfangreiche Montanindustrie geprägt, deren Wurzeln bis weit in das 19. Jahrhundert zurück reichen. Insbesondere im Umkreis verschiedener Nicht-Eisen-Metallhütten werden seit vielen Jahren hohe Schwermetallemissionen festgestellt. Dieses hat insbesondere auch in der Vergangenheit zu einem erheblichen Eintrag von Schadstoffen, vor allem den Schwermetallen Blei, Zink und Cadmi-um, über den Luftpfad in den Boden geführt. Aufgrund langjähriger Messungen der Staubnieder-schlagsbelastung und der damit verbundenen Schwermetallfrachten besteht eine sehr gute Datenlage über die Stoffeinträge, aus der sich eine Abschätzung der immissionsbedingten Bodenbelastung vor-nehmen lässt. Daneben treten jedoch kleinräumige Veränderungen durch Abgrabung und Umlagerung von Böden und durch Einbringen technogener Substrate hinzu, die sich nur in Anlehnung an die Me-thodik der Stadtbodenkartierung erfassen lassen. Die Ermittlung des Anteils dieser beiden Faktoren

96

Page 100: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

und die Abgrenzung dadurch beeinflusster räumlicher Bereiche unter Anwendung geostatistischer Verfahren wird derzeit im Rahmen eines Testgebietes erprobt, um anschließend das gesamte Stadtge-biet nach der im Testgebiet validierten Methode zu untersuchen. 2 Methodik der digitalen Bodenbelastungskarte Digitale Bodenbelastungskarten stellen die Verbreitung von Schadstoffen in Böden flächenhaft dar. Es werden die Gehalte von Stoffen in den Oberböden betrachtet, die persistent sind und von denen Beein-trächtigungen der Bodenfunktionen ausgehen können, wie Schwermetalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), polychlorierte Biphenyle (PCB) oder Dioxine/Furane (PCDD/F). Aus-gangspunkt für digitale Bodenbelastungskarten im Außenbereich sind Daten über die Stoffgehalte aus punktbezogenen Untersuchungen von Oberböden natürlich entwickelter Bodenprofile. Daneben sind Informationen über die verschiedenen Belastungsursachen erforderlich. Die Informationen über den Einfluss der Bodenausgangssubstrate, den Einfluss der Bodennutzung sowie über den Überschwem-mungseinfluss werden bereits für die Herleitung des Flächenbezugs aus den punktbezogenen Daten über die Stoffgehalte benötigt. Daten über punktuelle Belastungen, wie Altlasten, Emissionsquellen, Halden oder Erzgänge, werden nachrichtlich wieder gegeben, jedoch nicht in die Auswertungen ein-bezogen. Für die räumliche Interpolation der punktbezogenen Daten wird das Kriging-Verfahren ein-gesetzt. Die DV-Werkzeuge für die Erfassung der Daten über Stoffgehalte, für ihre Verwaltung und Aufberei-tung (Erfassungsbaustein, Datenbankbaustein) sowie für die Durchführung der Interpolation und Er-stellung der Arbeits-, Ergebnis- und Auswertekarten (z.T. Rastertools, andere Geo-Informationssysteme) wurden vom Landesumweltamt (LUA) des Landes Nordrhein-Westfalen entwi-ckelt und werden für die Vorhaben zur Erstellung digitaler Bodenbelastungskarten zur Verfügung gestellt. Zur weiteren Aus- und Bewertung werden Geo-Informationssysteme (GIS) in Verbindung mit Fachdatenbanken genutzt. Die für Außenbereiche entwickelte Methode zur Erstellung digitaler Bodenbelastungskarten ist auf naturnah genutzten Böden der Nutzungsarten Acker, Grünland und Wald in den Außenbereichen eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt anwendbar. Im Siedlungsbereich sind für Fragen des Bo-denschutzes (z.B. auf Grund der Bodenschutzgesetzgebung) oder für Planungszwecke (z.B. Bauleit-planung) andere Nutzungsarten, wie Kleingärten, Park- und Freizeitanlagen, Kinderspielflächen, Wohngebiete oder Industrie- und Gewerbegrundstücke, von Bedeutung. Als Belastungsursache tritt die Immissionsbelastung hinzu. Die Böden dieser Flächen weisen zudem oft gestörte Bodenprofile mit Einmischungen technogener Substrate (z.B. durch Umlagerungen von Bodenmaterial) auf. Bisher können Siedlungsbereiche mit Nutzungen auf gestörten Böden auf Grundlage der Methode der Stadtbodenkartierung im Maßstab 1:5.000 kartiert werden, um den Aufbau, die Zusammensetzung und die Eigenschaften der Böden zu erfassen. Eine Darstellung ihrer stofflichen Belastung mit Schwerme-tallen oder anderen Stoffen liegt bisher nicht vor. Dagegen steht der Wunsch, für planungsrelevante Fragestellungen im Siedlungsbereich ebenfalls ein Instrument wie die digitale Bodenbelastungskarte zur Verfügung zu haben. Ansätze für Methoden, die für die flächenhafte Darstellung der stofflichen Bodenbelastung anthropogen überprägter Böden anwendbar sind, werden gegenwärtig in Unter-suchungen der Städte Düsseldorf, Duisburg und Wuppertal entwickelt.

97

Page 101: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

In Duisburg geht der gewählte Ansatz zur Erstellung einer digitalen BBK zunächst von einem domi-nierenden Beitrag der Immissionsbelastung auf den Oberboden aus, die in der Regel für sich betrachtet einen interpolierbaren Faktor darstellt und somit eine flächenhafte Aussage über oberflächennahe Bo-denbelastungen zulassen könnte. Durch gezielte Probennahme wird versucht, Belastungen oberflä-chennaher Bodenschichten zu erfassen und den Anteil der Bodenbelastung, der durch die Staubdeposi-tionen entstanden sein könnte, flächenhaft darzustellen. Dazu wurden zuvor die vorhandenen Immissionsdaten, die Aussagen über die Menge und Verteilung des Staubniederschlages geben, aufbereitet, die räumliche Verteilung geprüft und die Gesamtdepositi-on pro Fläche analysiert. Parallel zu der Hypothese des dominierenden Beitrages der Deposition zur Bodenbelastungssituation Duisburgs muss geklärt werden, inwieweit die übrigen, die Bodenbelastung in Oberböden bestimmenden Faktoren - insbesondere auch die technogenen Substrate - hier die Belas-tungsstruktur bestimmen. Derzeit wird der systematische Ansatz in einem Teilgebiet der Stadt Duisburg (Testgebiet) überprüft, in dem in der Vergangenheit auffällige Bodenbelastungen ermittelt wurden (IFUA 1999), deren Hauptursache in den in Hauptwindrichtung angesiedelten emissionsträchtigen Industriebetrieben ver-mutet wird. Da in diesem Gebiet gleichzeitig Siedlungsschwerpunkte liegen, eignet sich der Bereich zur Entwicklung und Prüfung der Methodik für eine BBK im Siedlungsbereich in besonderer Weise. Auf Grundlage der Erfahrungen im Testgebiet soll anschließend die Vorgehensweise für das ganze Stadtgebiet festgelegt werden. 3 Erste Erfahrungen aus dem Testgebiet Um die den Stoffgehalt im Oberboden wesentlich beeinflussende Immission räumlich und quantitativ durch Analytik zu ermitteln, wurden Flächen gewählt, die über Jahrzehnte ungestört der Deposition ausgesetzt waren (Ortsbegehungen, Analysen historischer Luftbilder / topographischer Karten). Flä-chen, die - soweit feststellbar - umgelagert, abgegraben, aufgeschüttet sind, werden aus der Proben-nahme ausgeschlossen. Werden im Rahmen der Proben-/Profilansprache trotzdem anthropogene Bei-mengungen angetroffen, erfolgt die Ansprache evtl. auftretender technogener Substrate nach MEUSER

(1996). Um weitere Einflussfaktoren auf die Bodenbelastung zu minimieren, werden grundsätzlich Rasen und Bracheflächen beprobt. Durch eine einheitliche Vegetationsbedeckung wird so der unter-schiedliche Einfluss der Oberflächenrauhigkeit auf das Windprofil und mithin auf die Depositionsbe-dingungen minimiert. Die Systematik der Probennahme und die Beurteilung der Schadstoffgehalte orientiert sich an den Vorgaben der BBodSchV. Neben der Analyse ausgesuchter persistenter Schadstoffe und typischer bodenkundlicher Parameter erfolgt die bodenkundliche Ansprache in Anlehnung an die Kartieranlei-tung der AG BODENKUNDE (1996) und der AK STADTBÖDEN (1997). Dadurch soll der Versuch einer ersten Beurteilung ermöglicht werden, die über die ausschließliche Bewertung nach den Prüfwerten der BBodSchV, die sich nur auf die Trockensubstanz [mg/kg] beziehen, hinaus geht und weitere für den Gefährdungspfad Direktkontakt relevante Parameter (insbesondere die Trockenrohdichte und den Skelettgehalt) in die Bewertung einbezieht.

98

Page 102: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Zur Überprüfung des Einflusses der Immission auf die Bodenbelastung und zum Abgleich mit den Boden-Messwerten wurde die Summe der Deposition auf der Grundlage vorhandener Immissionsda-ten berechnet bzw. abgeschätzt. Zur grundlegenden geostatistischen Beschreibung und Prüfung des räumlichen Zusammenhangs wird für die Interpolation der Immissions- und Bodendaten eine Variogrammanalyse durchgeführt. Für die Interpolation der Messpunkte und die Schätzung der räumlichen Verteilung wird das Kriging-Verfahren angewandt. Mit Hilfe des experimentellen Variogramms konnte die räumliche Korrelation der extrapolierten und kumulierten Staubdeposite in Duisburg von 1964-1999 festgestellt werden. Um flächenhafte Aussagen ableiten zu können, wurde im Kriging-Verfahren zwischen den Einzelwer-ten auf der Basis der Variogrammfunktion interpoliert. Die resultierende Karte des geschätzten Staub-niederschlages zeigt Abbildung 1. Der maximale Staubniederschlag seit 1964 von über 20 kg/m2 ist im nördlichen Stadtgebiet zu verzeichnen. Die Daten zu den Staubinhaltsstoffen liegen für Blei und Cad-mium seit 1982 vor.

2545000 2550000 2555000

5690000

5695000

5700000

5705000

5710000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

10000

11000

12000

13000

14000

15000

16000

17000

18000

Staub-Deposition [g/m²]

Abbildung 1: Isoliniendarstellung der hochgerechneten Summe der Staubdeposition in Duisburg von

1964 bis 1999 (n = 187)

99

Page 103: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die Variogrammanalyse der statistisch aufbereiteten Daten der hochgerechneten und kumulierten Blei- und Cadmiumeinträge an den Messstellen von 1964-1998 zeigt ebenfalls eine deutliche räumli-che Abhängigkeit. Die Interpolation erfolgt mittels des Kriging-Verfahrens auf der Basis der ange-passten Variogrammfunktion. Die Darstellung der Bleideposition in Abbildung 2 unterscheidet sich deutlich von der Darstellung der Staubdeposition, die im Gegensatz zu den Bleiwerten einen Schwerpunkt im nördlichen Bereich des Stadtgebietes vorweist. Die hochgerechneten und kumulierten Bleieinträge erreichen auf der o.g. Wer-tebasis maximale Werte von 44 g/m2 in den südlichen Stadtteilen. Die nicht dargestellte räumliche Verteilung der Cadmiumdeposition ist vergleichbar mit der des Bleis. Die berechneten Einträge auf der Grundlage der oben genannten Voraussetzungen und Annahmen liegt zwischen 0,02 und 0,3 g/m2.

2545000 2550000 2555000

5690000

5695000

5700000

5705000

5710000

0

2000

4000

8000

12000

16000

20000

24000

28000

32000

36000

40000

Blei-Deposition [mg/m²]

Abbildung 2: Isoliniendarstellung der hochgerechneten Summe der Bleideposition in Duisburg von

1964 bis 1999 (n = 187) Auf der Grundlage der extrapolierten Staubniederschlagsdaten kann ein theoretisch möglicher immis-sionsbedingter Schadstoffgehalt im Boden berechnet werden. Dabei sind allerdings nur die Immissio-nen ab 1964 berücksichtigt und keine äußeren Einflüsse auf die Bodenbelastung bzw. bodenbildende Prozesse. Eine Umrechnung der extrapolierten Bleizufuhr seit 1964 in einen potentiellen Bodengehalt, bezogen auf die obersten 10 cm, ergibt lokale Bleikonzentrationen von maximal 338 mg/kg. Der Wert liegt deutlich über dem Prüfwert für Kinderspielplätze (200 mg/kg) der BBodSchV. Für Cadmium liegt der entsprechende Wert bei 3,1 mg/kg, also über dem Prüfwert für die Nutzung „Hausgärten“ von 2 mg/kg.

100

Page 104: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die erste Prüfung des vorgestellten konzeptionellen Ansatzes zur flächenhaften Darstellung von Be-lastungen persistenter Schadstoffe im Oberboden bzw. zur Darstellung des Anteiles der Bodenbelas-tung, der durch Staubimmissionen entstanden sein könnte, führt zum Ergebnis, dass ein relevanter Eintrag von Schwermetallen in die Böden stattgefunden haben muss. Schon für die letzten 35 Jahre ergibt sich dabei auch eine gute räumliche Abhängigkeit, so dass unter Berücksichtigung der früher wahrscheinlich höheren Staubniederschläge auch insgesamt von hohen, räumlich zu interpolierenden Depositionen ausgegangen werden kann, die sich in der Bodenbelastung widerspiegeln. Die räumlich differenzierte Verteilung der Schwermetallkonzentration im Boden im Vergleich zur Verteilung der Immissionen spricht jedoch für weitere Einflüsse auf die Bodenbelastung. Hier spielen Nutzungseinflüsse/Standorteigenschaften und technogene Substrate eine wichtige Rolle. Dabei soll die noch durchzuführende Faktorenanalyse erste Hinweise auf weitere Zusammenhänge geben, die zu erhöhten Bodenbelastungen im Oberboden geführt haben. Es ist zu erwarten (und Voraussetzung für eine Interpolation der zu ermittelnden Bodenwerte), dass sich die räumlichen Muster der Immissions- und Bodenwerte im Rahmen der weiteren Untersuchungs-schritte nach dem speziellen Konzept annähern, so dass eine Karte entsteht, die geschätzte Stoffgehal-te im Oberboden räumlich darstellt. Zur Verifikation dieser Theorie ist ein zweiter Untersuchungs-schritt geplant, bei dem gezielt von der bisherigen Auswahlsystematik für die Probennahmestellen abgewichen wird. Es werden nun auch Flächen zur Beprobung ausgewählt, die eine stärkere anthropo-gene Überprägung aufweisen. Auf diese Weise soll geprüft werden, inwieweit die rechnerisch ermit-telten Flächen mit ähnlichem Belastungsniveau den tatsachlichen Schadstoffgehalten der Böden ent-sprechen. 4 Auswertungen und Anwendungsbereiche Die mittels dieser Methodik geschätzte und flächenhaft dargestellte Bodenbelastung kann mit Hinter-grundwerten und insbesondere mit den in der BBodSchV festgelegten Wertekategorien verglichen werden. Dabei sind vorgegebene Differenzierungen, z.B. nach Bodeneigenschaften und Nutzungen, zu berücksichtigen. Eine Übersicht der für die verschiedenen Anwendungsbereiche heranzuziehenden Auswertungskarten zeigt die Tabelle 1. Die Auswertungen dienen vorrangig als Grundlage für die Abgrenzung und Erfassung von Verdachts-flächen auf schädliche Bodenveränderungen sowie zur Prioritätensetzung im weiteren bodenschutz-rechtlichen Vollzug bezüglich der Untersuchung und Beurteilung konkreter Flächen im Einzelfall. Im Hinblick auf Vorsorge- und Gefahrenabwehrmaßnahmen sind auf dieser Grundlage auch Abgrenzun-gen von Gebieten mit „großflächig siedlungsbedingt erhöhten Schadstoffgehalten“ gemäß § 9 Abs. 3 BBodSchV möglich. 5 Ausblick

101

Page 105: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, im Verlauf des Jahres 2002 Empfehlungen zur Erstellung digitaler Bodenbelastungskarten im Siedlungsbereich als Arbeitshilfe zur Verfügung zu stellen, in die in Duisburg gesammelten Erfahrungen einfließen. Tab. 1: Anwendungsbereiche und Auswertungskarten digitaler Bodenbelastungskarten

Anwendungsbereiche heranzuziehende Auswertungskarten 1. Abgrenzung von Gebieten einheitlicher Hintergrundwerte „Hintergrundwerte-Vergleich“1)

2. Ermittlung und Abgrenzung von Gebieten, in denen Vorsorgewerte überschritten sind

„Vorsorgewerte-Vergleich“2)

3. Ermittlung und Abgrenzung von Gebieten im Hinblick auf das Auf- und Einbringen von Materialien nach § 12 BBodSchV

„Vorsorgewerte-Vergleich“2)

4. Ermittlung und Abgrenzung von Gebieten, die für die Verwertung von Abfällen nach BioAbfV und AbfKlärV geeignet sind

„Vorsorgewerte-Vergleich“2)

5. Ermittlung und Abgrenzung von Gebieten mit geogenen/ naturbe-dingt oder siedlungsbedingt erhöhten Stoffgehalten

„geogene Vorbelastung“3)

6. Beurteilung der stofflichen Bodenbelastung im Einflussbereich von Emittenten (z.B. geplanten Anlagen nach UVPG)

„Hintergrundwerte-Vergleich“1)

7. Ursachenbezogene Bewertung von Einzelflächen anhand von Hinter-grundwerten

„Hintergrundwerte-Vergleich“ 1)

8. Ermittlungen zur Erfassung von schädlichen Bodenveränderungen und Verdachtsflächen nach § 5 LbodSchG und deren Abgrenzung

„Verdachtsflächen“4)

9. Abwägungs- und Kennzeichnungsgrundlage für besonders belastete Böden im Rahmen der Bauleitplanung

„Verdachtsflächen“ 4)

6 Literatur

AG BODENKUNDE (1996): Bodenkundliche Kartieranleitung.- 4. Auflage. Hannover. AK STADTBÖDEN (1997): Empfehlungen des Arbeitskreises Stadtböden der Deutschen Bodenkundli-chen Gesellschaft für die bodenkundliche Kartierung urban, gewerblich, industriell und montan über-formter Flächen (Stadtböden).- Teil 1: Feldführer, Teil 2: Handbuch. 2. Auflage. Sekretariat für Bo-denbewertung. Kiel. IFUA (1999): Institut für Umwelt Analyse Projekt-GmbH: Gutachten zur Bodenbelastung in Duisburg – Hüttenheim. Ergebnisbericht.- Im Auftrag des Landesumweltamtes NRW. Bielefeld. HEIDBRINK, K. & NEITE, H. (2000): Leitfaden zur Erstellung digitaler Bodenbelastungskarten Teil 1: Außenbereiche. Merkblätter 24. Hrsg.: Landesumweltamt des Landes Nordrhein-Westfalen, Essen MEUSER, H. (1996): Schadstoffpotential technogener Substrate in Böden urban-industrieller Verdich-tungsräume.- Zeitschrift für Pflanzenernährung und Bodenkunde 159: S. 621-628.

1) Karte der Gebiete einheitlicher lokaler Hintergrundwerte 2) Karte der Gebiete mit der Besorgnis des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen 3) Karte der Gebiete mit geogen/ naturbedingt erhöhten Schadstoffgehalten 4) Karte der Flächen mit dem Verdacht schädlicher Bodenveränderungen

102

Page 106: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Systematische Bearbeitung von schädlichen Bodenveränderungen/Altlasten – Arbeitshilfe für den Vollzug

Kohl, R., S. Denzel

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Griesbachstraße 1, 76185 Karlsruhe e-mail: [email protected]

Abstract: The Baden-Württemberg environmental protection agency has published a new guideline for risk assessment of contaminated sites. The primary goal of this document will be to elucidate the regulations of the soil protection law for practice requirements. The scope of technical regulations is outlined, an approach to case processing by means of interactive evaluation of the steps necessary to site investigation and to harm prevention is described. The step by step acting program is illustrated by flow charts.

Zusammenfassung: In Baden-Württemberg wurde eine Arbeitshilfe für die Vollzugsbehörden zur systematischen Bearbeitung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten erstellt. In über-sichtlicher und anwendungsbezogener Form wurden Regelungen aus BBodSchG und BBodSchV zu-sammenführend dargestellt und erläutert. Die Arbeitshilfe zeigt den übergeordneten Rahmen bei der Fallbearbeitung auf und vermittelt die Zusammenhänge zwischen der Untersuchung und Bewertung sowie den Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Ablaufdiagramme verdeutlichen das stufenweise Vorge-hen für den Regelfall. Keywords: soil protection, contaminated sites, soil protection law Schlagworte: Bodenschutz, Schädliche Bodenveränderungen, Altlasten, BBodSchV, BBodSchG 1 Einleitung

Ein wichtiges Aufgabenfeld der Bodenschutz- und Altlastenbehörden erstreckt sich nach wie vor auf die Gefahrenbeurteilung und Gefahrenabwehr bei kontaminierten Standorten. Das Bundes-Boden-schutzgesetz (BBodSchG) mit der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) setzt hierfür bundesweit einheitliche Beurteilungsmaßstäbe und Untersuchungsmethoden fest. Damit ergeben sich bei der Fallbearbeitung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten vielfältige Neuerungen.

Um in Baden-Württemberg die zügige Umsetzung der teilweise sehr komplexen Regelungen zu för-dern und den betroffenen Anwendern die Bearbeitung und Entscheidungsfindung zu erleichtern, war eine entsprechende Vollzugsunterstützung gefordert. Aus diesem Anlass hat die Landesanstalt für Umweltschutz im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Verkehr ein Handlungskonzept erstellt und als Band 6 der Reihe Bodenschutz unter dem Titel „Arbeitshilfe zur Bearbeitung von Verdachts-flächen/altlastverdächtigen Flächen und schädlichen Bodenveränderungen/Altlasten nach BBodSchG“ herausgegeben. Die Veröffentlichung ist auch Bestandteil des Bodenschutz-Fachinformationssystems Bofaweb (www.uvm.baden-wuerttemberg.de/xfaweb). Das Vorhaben wurde von einer Projektgruppe

103

Page 107: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

mit Fachkollegen aus dem Verwaltungsvollzug begleitet und im wesentlichen von der Fa. Weber-Ingenieure, Pforzheim bearbeitet.

2 Zielsetzung und Anwendungsbereich Die Inhalte der Arbeitshilfe erstrecken sich auf den Bereich des stofflichen Bodenschutzes. Im Einzelnen werden die Regelungen der BBodSchV zur Sachverhaltsermittlung und Gefahrenabwehr bei Verdachtsflächen/altlastverdächtigen Flächen und schädlichen Bodenveränderungen/Altlasten aufgegriffen. Die Vorschriften zur Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen auf Grund von Bodenerosion durch Wasser sowie die Regelungen des vorsorgenden Bodenschutzes werden hingegen nicht behandelt.

Ziel der Arbeitshilfe ist es • die Umsetzung rechtlicher Vorgaben von BBodSchG und BBodSchV bei der Bearbeitung

von Verdachtsflächen/altlastverdächtigen Flächen und schädlichen Bodenveränderun-gen/Altlasten transparent und nachvollziehbar darzustellen,

• die einheitliche Systematik aufzuzeigen,

• relevante Unterlagen zur Fallbearbeitung bereitzustellen: Sie wendet sich an alle, die mit der systematischen Bearbeitung von schädlichen Bodenveränderun-gen/Altlasten befasst sind, insbesondere an Behörden und Fachbüros. 3 Systematik der Gefährdungsabschätzung und Gefahrenabwehr nach BBodSchV Das stufenweise Vorgehen bei der Gefährdungsabschätzung und der Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten kann in Form eines Ablaufschemas zusammengefasst werden (Abbildung 1). Es ist geprägt vom Wechsel zwischen Untersuchungs- und Bewertungs- bzw. Ent-scheidungsschritten. Im Rahmen der Gefährdungsabschätzung soll festgestellt werden, inwieweit eine Beeinträchtigung natürlicher Bodenfunktionen und Nutzungen im Hinblick auf das Wohl des Einzelnen und der Allge-meinheit vorliegt. Der dazu notwendige Wissens- und Erkenntnisstand bestimmt den jeweiligen Un-tersuchungsumfang. Je nach betroffenem Wirkungspfad sind unterschiedliche Untersuchungs- und Bewertungsstrategien notwendig. Liegt eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vor, so folgt die Notwendigkeit der Gefahren-abwehr. Für Altlasten ist in einem nächsten Schritt zu entscheiden, ob zuvor eine Sanierungsuntersu-chung mit Sanierungsplanung erforderlich ist. Nach Prüfung des Sachverhaltes, ob eine Sanierung, d.h. Dekontamination oder Sicherung möglich und zumutbar ist, können gegebenenfalls auch Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen in Betracht kommen.

104

Page 108: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abbildung 1: Ablaufdiagramm zur stufenweisen Bearbeitung

ERFASSUNGAnhaltspunkte für SBV / Altlast liegen vor

ORIENTIERENDE UNTERSUCHUNGErmittlung des Sachverhaltes gemäß

§9(1) BBodSchG

BEWERTUNG DER ORIENTIERENDENUntersuchung

insbesondere auch anhand von PrüfwertenGefahrenabwehr

Verdachtausgeräumt

DETAILUNTERSUCHUNGZur abschließenden Gefährdungsabschätzung

gemäß § 9 (2) BBodSchG

BEWERTUNG DERDETAILUNTERSUCHUNG

SANIERUNGSUNTERSUCHUNG UNDSANIERUNGSPLANUNG *

Art, Umfang u. Eignung der vorgesehenenMaßnahmen

VERBINDLICHKEITSERKLÄRUNG DESSANIERUNGSPLANES

Entscheidung durch zuständige Behörde

GEFAHRENABWEHR

* gem. BBodSchG nur für Altlasten, länderspezifische Regelung für SBV möglich

Verdachtausgeräumt

105

Page 109: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

4 Konzeption und Aufbau der Arbeitshilfe Die Arbeitshilfe beginnt in Kapitel 1 und 2 mit der Darstellung der Zielsetzung und der fachlichen Grundlagen. In Kapitel 3 wird eine allgemeine Strategie für die Fallbearbeitung entwickelt, welche auf den zeitli-chen Ablauf ausgerichtet ist. Dieses Grundgerüst bildet den Rahmen für die in den Folgekapiteln dar-gestellten Einzelschritte der wirkungspfadbezogenen Untersuchung und Bewertung bis hin zur Gefah-renabwehr. In Kapitel 4 bis 6 wird das stufenweise Vorgehen bei der Erfassung, der orientierenden Untersuchung und Detailuntersuchung sowie die jeweilige Bewertung der Untersuchungsergebnisse für die relevan-ten Wirkungspfade dargestellt. In Kapitel 7 wird die altlastenspezifische Vorgehensweise bei der Sanierungsuntersu-chung/Sanierungsplanung dargestellt. Kapitel 8 und 9 beschreibt das Vorgehen bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen oder sonsti-gen Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen sowie die Aufgaben der behördlichen Überwachung und Eigenkontrolle des Sanierungspflichtigen. Das in den Kapiteln 4 bis 9 beschriebene Handlungskonzept orientiert sich eng an Ablaufdiagrammen (Tafeln), die am Ende der jeweiligen Kapitel dargestellt sind. In die Ablaufdiagramme wurden die Vorgehensweisen und die Haltepunkte für Entscheidungen, wie z.B. die Verbindlichkeitserklärung eines Sanierungsplanes aufgenommen. Im jeweiligen Textteil wird streng Bezug auf die einzelnen, durch Symbole markierten Teilschritte genommen damit die Systematik im Erläuterungstext gewahrt bleibt. Zur besseren Orientierung beim Arbeiten mit der Broschüre wurden die Ablaufdiagramme als ausklappbare Einlagen den jeweiligen Kapiteln beigefügt. Entsprechende Symbole im Text verweisen auf im Anhang näher erläuterte Unterlagen. Dieser An-hang enthält in kurzer Form Steckbriefe zu relevanten Unterlagen, wie z.B. DIN-Normen zur Proben-nahmeplanung. Die Steckbriefe enthalten Anwendungshinweise und benennen die Fundstellen im Verordnungstext.

Vielfach werden in der BBodSchV fachliche Anforderungen nicht oder nur unzureichend konkreti-siert. So wird dort u.a. dargelegt, dass auf eine Detailuntersuchung dann verzichtet werden kann, wenn eine Gefahrenabwehr mit einfachen Mitteln möglich ist. Solche allgemeinen Vorgaben erfor-dern konkretisierende Vollzugshilfen. Soweit es der Rahmen der Arbeitshilfe zuließ, wurde diesem Erfordernis in begrenztem Umfang entsprochen. 5 Handlungsabläufe am Beispiel der orientierenden Untersuchung Im Anschluss an die Erfassung wird wirkungspfadbezogen für die orientierende Untersuchung die Vorgehensweise der Probennahmeplanung, Untersuchung und Dokumentation anhand von Ablaufdia-

106

Page 110: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

grammen dargestellt. Abbildung 2 zeigt dies exemplarisch für die orientierende Untersuchung des Wirkungspfades Boden - Mensch.

leichtflüchtigeorganischeSchadstoffe

anorganische /schwerflüchtige

organischeSchadstoffe

inhalativerAufnahmepfad

relevant (Staub)

Kinderspielfläche ?

Wohngebiet ?

* Boden-Mensch (indirekter Kontakt): einschließlich Bodenlufterkundung bei Verdacht auf Ausbreitung von flüchtigen Schadstoffen

Beprobungstiefe

0 - 10 cm10 - 35 cm

sonstige Nutzungen

0 - 10 cm

alle Nutzungen *

relevante Tiefex m

alle Nutzungen

0 - 2 cm

NeinJa

Erstellung eines Probennahmeplanes zur Festlegungder Probennahmestelle und Beprobungstiefe

Ermittlung des Sachverhaltes durch geeignete(Messungen)

Untersuchung

Mischproben(Mindestumfang

gezielte Beprobung vermuteterSchadstoffanreicherungen

ggf. auch MischprobenJaNein

Schadstoffannähernd gleichmäßig

verteilt bzw. keineVorkenntnisse

ggf. Gliederung der Untersuchungsfläche in geeigneteTeilflächen

Festlegung der relevanten Nutzungenunter Berücksichtigung der Expositionsbedingungen

und der vermuteten Schadstoffe

Dokumentation und Begründung desVorgehens der Probennahme

*

Abbildung 2: Ablaufdiagramm zur orientierenden Untersuchung – Wirkungspfad Boden-Mensch (direkter Kontakt)

107

Page 111: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die Ablaufdiagramme bilden den Ausgangspunkt zu den Erläuterungen in den jeweiligen Kapiteln. Abbildung 3 zeigt den prinzipiellen Verfahrensablauf der Bewertung der orientierenden Untersu-chung. Dort werden die unterschiedlichen Fallkonstellationen der orientierenden Untersuchung (Mes-sungen / sonstige Feststellung) für die entsprechenden Wirkungspfade berücksichtigt.

Konzentration>

Prüfwert ?

Beprobungam Ort der Beurteilung

erfolgt ?

Konzentration≥

Prüf- / Maßnahmen-wert ?

Vorsorgewerteüberschritten ?

Boden - Mensch(direkter Kontakt) Boden - NutzpflanzeBoden - Grundwasser

Verdacht insoweitausgeräumt Nein

Ja

Nein

Nein

Abschätzung derSickerwasserkonzentration

Ort der BeurteilungSickerwasserprognose

Ja

Konzentration≥

Prüfwert ?

Ja

liegenMessergebnisse

vor ?

Ja

liegenMessergebnisse

vor ?

Ja

Nein Nein

Ja

Ja

Gefahrenmit einfachen

Mitteln abzuwehren /zu beseitigen

Nein

Anordnungen zurVorsorge treffen

Gefahrenabwehr

auf Grund konkreter Anhaltspunkte besteht der hinreichende Verdacht für eine SBV / Altlast

notwendige Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchführen⇒ Gefährdungsabschätzung gem. §9(2) BBodSchG / Detailuntersuchung

Verdacht insoweitausgeräumt

Verdacht insoweitausgeräumt

Besorgnis für dasEntstehen einer SBV /

Altlast ausgeräumtNein

Ja

Ja

Bestehthinreichender

aufgrund sonstigerFeststellungen ?

NeinNein

Nein

Abbildung 3: Ablaufdiagramm zur Bewertung der Ergebnisse der orientierenden Untersuchung

108

Page 112: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Auf die sogenannten “entsorgungsrelevanten Bodenveränderungen“ wird im Rahmen der Bewertung ebenfalls eingegangen. Auch wenn der Verdacht auf schädliche Bodenveränderungen/Altlasten ausge-räumt ist, können sich für den Grundstücksbesitzer oder Käufer Einschränkungen bei der Verwertung des bei Baumaßnahmen anfallenden Bodenmaterials oder auch bei der zukünftigen Nutzung (Vorsor-gemaßnahmen bei Überschreiten der Vorsorgewerte) des Grundstückes ergeben. 6 Ausblick Allein auf Grundlage des BBodSchG und der BBodSchV können die zuständigen unteren Boden-schutzbehörden die Aufgaben der Gefahrenbeurteilung und Gefahrenabwehr bei schadstoffkontami-nierten Flächen nicht umfassend und effizient erledigen. Notwendig ist zunächst eine transparente Darstellung und praxisgerechte Aufbereitung dieser Regelungen. Die Arbeitshilfe des Landes Baden-Württemberg strukturiert die Vorgaben von BBodSchG und BBodSchV und bietet eine allgemeine Strategie zur Fallbearbeitung an. Darüber hinaus sind in der Verordnung eine Reihe von Bestimmungen nur allgemein oder kursorisch genannt. Sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Vorgehensweise sind für eine landeseinheitliche Umsetzung von BBodSchG und BBodSchV daher weitere Konkretisierungen unabdingbar. Als prio-ritäre Themenbereiche sind z.B. die Bestimmungen zur Sickerwasserprognose, zur Sachverhaltser-mittlung bei der Prüfwertüberschreitung für den Pfad Boden-Pflanze oder auch zu Schutz- und Be-schränkungsmaßnahmen bei schädlichen Bodenveränderungen zu benennen. In Nordrhein-Westfalen wurde bereits eine Arbeitshilfe bezüglich der Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze entwickelt und als Merkblatt des Landesumweltamtes NRW veröffentlicht (LUA NRW, 2000). Solche ergänzenden Regelungen müssen allerdings unmittelbar in die in der Arbeitshilfe dargestellten Handlungsabläufe eingebunden werden. Nur so kann für den Verwaltungsvollzug die notwendige Transparenz und Übersichtlichkeit gewahrt bleiben. Auch das derzeit in Baden-Württemberg fortgeschriebene Verfahren zur Priorisierung der Fallbear-beitung und Klassifikation der Bearbeitungszustände von schädlichen Bodenveränderungen/Altlasten wird in die Systematik der vorliegenden Arbeitshilfe integriert. 7 Literatur LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ (2001): Arbeitshilfe zur Bearbeitung von Verdachtsflä-chen/altlastverdächtigen Flächen und schädlichen Bodenveränderungen/Altlasten nach BBodSchG.- Band 6, Reihe Bodenschutz, 73 S., Karlsruhe . GESETZ ZUM SCHUTZ DES BODENS (BBodSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.03.1998 (Bundesgesetzblatt I, S.502) VERORDNUNG ZUR DURCHFÜHRUNG DES BUNDES-BODENSCHUTZGESETZES (Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.07.1999 (Bundes-gesetzblatt I, S.1554) LUA NRW – LANDESUMWELTAMT NORDRHEIN-WESTFALEN (2000): Weitere Sachverhaltsermittlung bei Überschreitung von Prüfwerten nach der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung für die Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze. LUA-Merkblatt 22, Essen.

109

Page 113: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Instrumente zur Sickerwasserprognose: Arbeiten der gleichnamigen BWK-Arbeitsgruppe 6.2

Dr.-Ing. Oliver Kemmesies

Dr. Kemmesies und Partner, Weißenburger Straße 19, 91710 Gunzenhausen e-mail: [email protected]

Abstract: Seepage concentration forecasts are needed for risk assessment of groundwater pollution from contaminated sites. But modeling and simulation of flow and transport processes in the unsatu-rated zone is not yet established. To minimize uncertainties using models the BWK founded a team with consultants, authorities and scientists. The objective of that work is to publish a directive hand-book of using models to predict seepage concentrations. This paper presents the current state of work.

Zusammenfassung: Mit Inkrafttreten des BBodSchG und der BBodSchV wird die Durchführung ei-ner Sickerwasserprognose zur Beurteilung der Grundwassergefährdung gefordert. Die Simulation des Stofftransports und der Stoffumsetzungen in der ungesättigten Zone ist heute noch nicht Stand der Technik. Deshalb entwickelt die BWK-AG 6.2 eine Handlungsanleitung zum Einsatz von EDV-Programmen bei der Sickerwasserprognose. Der Artikel reflektiert den erreichten Sachstand. Keywords: forecast of seepage concentration, federal soil protection law, migration and transfer proc-esses, unsaturated zone Schlagworte: Sickerwasserprognose, Bundesbodenschutzgesetz, Bundesbodenschutzverordnung, Schadstofftransport, Stoffumsetzung 1 Gesetzliche Grundlagen Gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchV ist zur Bewertung der von Verdachtsflächen oder altlastverdächtigen Flächen ausgehenden Gefahren für das Grundwasser eine Sickerwasserprognose zu erstellen. Die BBodSchV benennt in Anhang 1, Nr. 3.3 als mögliche „Verfahren zur Abschätzung des Stoff-eintrags aus Verdachtsflächen oder altlastverdächtigen Flächen in das Grundwasser“ unter anderem, dass die annäherungsweise Abschätzung der Stoffkonzentrationen und -frachten im Sickerwasser am Ort der Beurteilung: - „durch Rückschlüsse oder Rückrechnungen aus Untersuchungen im Grundwasserabstrom unter

Berücksichtigung der Stoffkonzentration im Grundwasseranstrom, der Verdünnung, des Schad-stoffverhaltens in der ungesättigten und gesättigten Bodenzone sowie des Schadstoffinventars im Boden,

- auf der Grundlage von in situ-Untersuchungen oder - auf der Grundlage von Materialuntersuchungen im Labor (Elution, Extraktion), bei anorgani-

schen Stoffen insbesondere der Elution mit Wasser gemäß der Verfahren zur Herstellung von Eluaten mit Wasser (Tabelle 2 im Anhang 1 Nr. 3.1.2 der BBodSchV)

auch unter Anwendung von Stofftransportmodellen erfolgen kann.“

110

Page 114: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Wird eine Sickerwasserprognose auf Untersuchungen nach Anhang 1 Nr. 3.3 BBodSchV gestützt, ist im Einzelfall insbesondere abzuschätzen und zu bewerten, inwieweit zu erwarten ist, dass die Schad-stoffkonzentration im Sickerwasser den Prüfwert am Ort der Beurteilung überschreitet. Liegen der Gehalt oder die Konzentration eines Schadstoffes am Ort der Beurteilung unterhalb des je-weiligen Prüfwertes (BBodSchV, Anhang 2), ist insoweit der Verdacht einer schädlichen Bodenver-änderung oder Altlast ausgeräumt. Ist ein Prüfwert am Ort der Probennahme überschritten, ist im Ein-zelfall zu ermitteln, ob die Schadstoffkonzentration im Sickerwasser am Ort der Beurteilung den Prüfwert übersteigen wird. Die Abschätzung erübrigt sich in Fällen, in denen eine repräsentative Beprobung von Sickerwässern am Ort der Beurteilung direkt möglich ist. Die Stoffkonzentrationen im Sickerwasser können am Ort der Probennahme - für anorganische Schadstoffe mit den Ergebnissen des Bodensättigungsextraktes ansatzweise

gleichgesetzt werden; - für organische Stoffe aus Säulenversuchen der entnommenen Proben unter Beachtung der Stand-

ortbedingungen am Entnahmeort, insbesondere im Hinblick auf die Kontaktzeit, mit Verfahren nach BBodSchV, Anhang 1, Tabelle 7, ermittelt werden.

Bei der Abschätzung des Schadstoffeintrags im Übergangsbereich von der ungesättigten zur gesättig-ten Zone ist insbesondere die Abbau- und Rückhaltewirkung der ungesättigten Zone zu berücksichti-gen. Hierbei sind vor allem die Kriterien Grundwasserflurabstand, Bodenart, Gehalt an organischer Substanz (Humusgehalt), pH-Wert, Grundwasserneubildungsrate/Sickerwasserrate sowie Mobilität und Abbaubarkeit der Stoffe maßgebend. 2 Handlungsbedarf Derzeit gibt es kein allgemein gültiges und akzeptiertes Verfahren bzw. Regelwerk zur Sicker-wasserprognose, das den Anforderungen der BBodSchV genügt. Der Gesetzgeber verweist im Zu-sammenhang mit der Bestimmung von Schadstoffkonzentrationen und -frachten im Bodensickerwas-ser auf verschiedene Untersuchungsmethoden. Für die Prognose von Schadstoffkonzentrationen am Ort der Beurteilung, werden keine konkreten Verfahren oder Berechnungsschritte genannt. Der Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) e.V. hat des-halb die technisch-wissenschaftliche Arbeitsgruppe BWK-AG 6.2 „Instrumente zur Sicker-wasserprognose“ eingerichtet, die eine entsprechende technische Handlungsanleitung (BWK-Merkblatt) erarbeiten soll. Das Merkblatt soll sich mit den verfügbaren, für die Lösung der Prob-lemstellung in Frage kommenden Instrumenten bzw. bereits entwickelten EDV-Programmen beschäf-tigen. Dabei werden u.a. die Anwendungsmöglichkeiten und der Sachstand der Anwendung von Mo-dellen und Modellvorstellungen und entsprechend entwickelten, zumeist auf PC anwendbaren Re-chenprogrammen reflektiert. Dargestellt wird, welche Prognoseinstrumente innerhalb der Sickerwas-serprognose sinnvoll anwendbar sind. Die Mitglieder der BWK-AG 6.2 haben den Sachstand zu Sickerwasserprognoseinstrumenten anläss-lich der Konstituierenden Sitzung am 06.09.00 in Dresden zusammengetragen. Die Beiträge sind in den BWK-Materialien 01/2000 zusammengestellt. Der Materialienband kann über den BWK-Bundesvorstand bezogen werden. 3 Bestehende Regelwerke, Materialien und technische Merkblätter

111

Page 115: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Grundlage zur Beschreibung bodenkundlicher Merkmale ist die Bodenkundliche Kartieranleitung (KA 4) [AG Boden 1994]. Für die Ableitung bodenkundlicher Parameter stehen die DVWK-Regeln, Heft 129 [DVWK 1995] sowie die DVWK-Regeln, Heft 136 [DVWK 1999] zur Verfügung. Die Probenvorbehandlung, einschließlich der Trocknung des Probenmaterials, für die Bestimmung physikalisch-chemischer Eigenschaften und die Bestimmung anorganischer Schadstoffe erfolgt nach DIN ISO 11464. Für organische Schadstoffe ist E DIN ISO 14507 anzuwenden (vgl. BBodSchV, Anhang 1). Als Methode zur Herstellung von Eluaten mit Wasser wird in der BBodSchV (Anhang 1, Tabelle 2) für anorganische Stoffe die DIN 38414-4 genannt, als Verfahren zur Herstellung von Eluaten mit Wasser für organische Stoffe werden Säulen- bzw. Lysimeterversuche ohne Nennung einer bestimm-ten Methode empfohlen. Aufgrund des hohen feldtechnischen Aufwandes ist jedoch zu erwarten, dass Lysimeterversuche für die Gefährdungsabschätzung bei altlastverdächtigen Flächen selten zum Ein-satz kommen. Die DIN Vornorm 19736 „Ableitung von Konzentrationen organischer Stoffe im Bo-denwasser“ geht auf Säulenversuche für organische Stoffe ein. Untersuchungsparameter und Verfah-rensweisen zur Analyse anorganischer Schadstoffgehalte werden in der BBodSchV in Anhang 1, Ta-belle 4, die der organischen Schadstoffe in Tabelle 5 empfohlen. Die analytische Bestimmung der anorganischen Stoffkonzentrationen in Eluaten und Sickerwasser ist nach den in Tabelle 6 (BBodSchV, Anhang 1) aufgeführten Analyseverfahren durchzuführen, die Be-stimmung der organischen Stoffkonzentrationen im Sickerwasser erfolgt nach den in Tabelle 7 (BBodSchV, Anhang 1) genannten Methoden. Untersuchungen zur Validierung von Boden-Eluaten zur Prognose von Inhaltsstoffen des Boden-Sickerwassers gemäß BBodSchV sind in der Texte-Reihe des Umweltbundesamtes [UBA 1999] unter Nr. 86/99 dokumentiert. Sie dienten der Überprüfung natürlicher Schwermetallhintergrundgehalte in Böden anhand von Lysimeterauswertungen von insgesamt 340 Sickerwasserproben. In der DIN Vor-norm 19735 wird die Ableitung von Konzentrationen im Bodenwasser aus ammoniumnitratextrahier-baren Gehalten oder Eluatgehalten geregelt. Für die Gewinnung von Bodenwasserproben mit Hilfe von Saugkerzen wurde das DVWK-Merkblatt 217/1990 [DVWK 1990] entwickelt. Laborversuche zur Gewinnung von bodenphysikalischen und anderen, den Schadstofftransport beein-flussenden Parametern werden in dem Materialienband „Probenahme bei der Technischen Er-kundung von Altlasten“ des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie [LfUG 1998] dar-gestellt. Grundlagen und Sachstand zur Simulation des Schadstofftransports in der ungesättigten Zone werden in dem Materialienband „Simulation des Schadstofftransports in der ungesättigten Zone im Rahmen der Altlastenbehandlung“ des Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesent-wicklung [SMU 1997] erläutert, der auch als UBA-Text Nr. 90/97 erschienen ist. 4 Anforderungen an Sickerwasserprognoseinstrumente 4.1 Grundlagen Die Anforderungen an Instrumente zur Sickerwasserprognose müssen in Abhängigkeit von der not-wendigen Aussageschärfe und damit der Bearbeitungstiefe der Aufgabe gesehen werden. Ein wesent-liches Zuordnungsmerkmal sind die Stufen der Altlastenuntersuchung, wie sie durch a) eine Orientierende Untersuchung

112

Page 116: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

b) eine Detailuntersuchung c) eine Sanierungsuntersuchung, d) die Sanierungsplanung und e) begleitendes Monitoring während und Überwachung nach einer Sanierung (Nachsorge) vorgegeben werden. Aufgrund der inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Bearbeitungsstufen (Untersuchung, Bewertung oder Sanierungsplanung) ist es erforderlich, die unterschiedlichen Anforderungen zu definieren und entsprechende Aufgaben zu formulieren, um hierfür entsprechende Werkzeuge (Prognoseinstrumente) auswählen zu können. Dabei steht die Betrachtung der Anforderung innerhalb der Stufen der Orientierenden Untersuchung sowie innerhalb der Stufe der Detailuntersuchung im Vordergrund. Die im Merkblatt diskutierten Me-thoden zur Sickerwasserprognose und entsprechend entwickelte PC-Programme sind prinzipiell jedoch auch im Rahmen der Sanierungsplanung und Sanierung im Rahmen von Wirksamkeitsanalysen ver-schiedener Sanierungsverfahren einsetzbar, sowie nach erfolgter Sanierung im Rahmen des Monito-ring bzw. der Kontrolle des Sanierungserfolges, beispielsweise bei Sicherungsmaßnahmen. Diese Be-trachtungsweise ist jedoch bei der Feststellung des Gefahrentatbestandes zunächst nicht notwendig. 4.2 Orientierende Untersuchung Liegen altlastenrelevante Anhaltspunkte vor, soll die Verdachtsfläche oder altlastverdächtige Fläche nach der Erfassung zunächst einer Orientierenden Untersuchung unterzogen werden. Die Orientieren-de Untersuchung ist auf die Feststellung und die Einschätzung des Umfangs von Bereichen mit signi-fikanten Schadstoffgehalten auszurichten und insbesondere auch hinsichtlich des Eintrags von Schad-stoffen in das Grundwasser durchzuführen. Örtliche Untersuchungen, insbesondere Messungen, die-nen der Feststellung, ob der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast ausgeräumt werden kann oder ob ein hinreichender Verdacht im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG besteht. Dabei ist von wenig aufwändigen Untersuchungen an bestehenden oder mit beschränktem technischen Aufwand herstellbaren Messstellen und von einfachen technischen Methoden auszugehen. Soweit er-forderlich, sind unter Berücksichtigung der dabei gewonnenen Erkenntnisse zusätzliche Messstellen einzurichten. Für die Untersuchungen ist auf geeignete bodenbezogene Informationen zurückzugrei-fen. Liegen solche Informationen nicht vor, soll eine bodenkundliche Kartierung oder Bodenansprache am Ort der Probennahme auf der Grundlage der Bodenkundlichen Kartieranleitung in dem Umfange durchgeführt werden, der für die Gefahrenbeurteilung erforderlich ist. Im Rahmen der Orientierenden Untersuchung liegen i.d.R. allgemeine Standortinformationen sowie Messungen von Summenparametern vor. Da im Rahmen der Orientierenden Untersuchung die Gefah-renbewertung eher unter worst-case-Annahmen vollzogen wird, sind einfache Prognoseinstrumente einzusetzen. Einfache Abschätzungen beruhen im Regelfall auf der Betrachtung des direkten Eintrags eines Stoffes in die gesättigte Zone. Auch eindimensionale Strömungsmodelle, bei denen die Wasser- und Schad-stoffbewegung vertikal nach unten auf einer Linie reproduziert werden, eignen sich für eine solche Be-trachtung im Rahmen der Orientierenden Untersuchung. Für ihren Einsatz ist es jedoch erforderlich, die Untersuchungsstrategie der Orientierenden Untersuchung stärker auf die Anforderungen der in Frage kommenden Modelle abzustimmen, z. B. Ermittlung von Leitparametern statt Summenparame-tern, Charakterisierung der Bodenschichten etc.. Um der Systematik der Orientierenden Untersuchung gerecht zu werden, wird für diese Phase der Alt-lastenbearbeitung folgende gestufte Vorgehensweise zur Sickerwasserprognose vorgeschlagen:

113

Page 117: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

1. Bestimmung der Schadstoffgehalte (Leitparameter) aus Bodenproben im Labor ↓

2. Feststellung, ob die Konzentration des jeweiligen Schadstoffes im Eluat über dem Prüfwert liegt. Ist dies nicht der Fall, so ist diesbezüglich keine Gefahr für das Grundwasser gegeben. Liegt die Konzentration im Eluat über dem Prüfwert, so sind weitergehende Betrachtungen er-forderlich.

↓ 3. Über eine einfache Schätzgleichung, in die Eluatkonzentration und die maximale Grund-

wasserneubildungsrate eingehen, wird ermittelt, ob mit einer relevanten Schadstofffracht ins Grundwasser zu rechnen ist. Ist die Schadstofffracht so klein, dass keine Prüfwertüberschreitung zu erwarten ist, kann die Fläche bezüglich des Wirkungspfads Boden-Grundwasser aus dem Alt-lastenverdacht ausscheiden. Andernfalls sind weitere Betrachtungen anzustellen.

↓ 4. Überprüfung, ob eine geologische Barriere im Untergrund (Profil) gegeben ist, die einen Eintrag

von Schadstoffen in das Grundwasser verhindert bzw. mindert (kf-Wert < 10-8 m/s). Ist keine geologische Barriere gegeben oder liegt eine Barrierewirkung vor, bei der aber geologisch be-dingt ein Zwischenabfluss möglich ist, so müssen weitergehende Betrachtungen erfolgen.

↓ 5. Es ist festzustellen, ob die Sickerwasserkonzentration am Ort der Beurteilung direkt messbar

und deren zeitliche Entwicklung überwacht werden kann. Liegen die Messwerte am Ort der Be-urteilung unterhalb der Prüfwerte, so ist der zeitliche Verlauf durch Kontrollmessungen zu ü-berwachen oder es hat eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Sickerwasserkonzent-rationen zu erfolgen, die ggf. ein Ausscheiden der Fläche für den Wirkungspfad Boden – Grundwasser aus dem Altlastverdacht ermöglicht. Sind Messungen am Ort der Beurteilung nicht möglich, so hat eine Berechnung bzw. Simulation des Schadstofftransfers in das Grundwasser zu erfolgen.

↓ 6. Hierfür kann ein eindimensionales, in Ausnahmefällen bei bedeutendem seitlichem Zwi-

schenabfluss ein zweidimensionales Simulationsprogramm herangezogen werden. Für die Simu-lation des Stofftransfers ist, sofern keine detaillierten Informationen über das Bodenprofil vor-liegen, eine Referenzbohrung bis zum Grundwasserleiter abzuteufen und hieran die Bodenpara-meter entsprechend des innerhalb des BWK-Merkblattes vorgeschlagenen Minimalkatalogs zu bestimmen.

Dabei muss beachtet werden, dass eine solche erste Abschätzung in der Regel keine Betrachtung des natürlichen Abbau- und Rückhaltevermögens, d.h. der biologische Umsetzung organischer Boden-schadstoffe bzw. der Sorptionsmechanismen von Schadstoffen in Böden zulässt. Eine solche Betrach-tungstiefe ist angesichts des innerhalb der Orientierenden Untersuchung praktizierten und finanzierba-ren Untersuchungsumfanges in der Regel nicht durchführbar. 4.3 Detailuntersuchung Besteht ein hinreichender Gefahrenverdacht, so ist eine Detailuntersuchung durchzuführen. Die De-tailuntersuchung umfasst die Gesamtheit aller standort- und wirkungspfadbezogenen Untersuchungen, um Art und Ausmaß der von einer altlastverdächtigen Fläche ausgehenden Gefahren festzustellen. Am

114

Page 118: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Ende der Detailuntersuchung erfolgt eine abschließende Gefährdungsabschätzung sowie die Entschei-dung, ob nachfolgend Maßnahmen wie Sanierung, Monitoring oder Überwachung notwendig sind. Das Ziel der Sickerwasserprognose innerhalb der Detailuntersuchung ist es, zu entscheiden, ob sich der Anfangsverdacht bezüglich des Wirkungspfades Boden-Grundwasser bestätigt hat und eine Sanie-rungsuntersuchung bzw. eine Sanierung gerechtfertigt ist oder der Fall aus der weiteren Bearbeitung ausscheiden kann. Als Kriterium dienen dazu die Sickerwasserprüfwerte nach Anhang 2 BBodSchV. Konkrete Anhaltspunkte zum hinreichenden Gefahrenverdacht liegen vor, wenn Überschreitungen von Prüfwerten am Ort der Beurteilung prognostiziert bzw. begründet zu erwarten sind. Im Rahmen der Detailuntersuchung sollen die für die Wirkungspfade maßgeblichen Schutzgutexposi-tionen und die für die relevanten Wirkungspfade bedeutsamen mobilen oder mobilisierbaren Anteile der Schadstoffe nach Art und Menge bestimmt werden. Im Einzelfall ist insbesondere für den Wir-kungspfad Boden – Grundwasser abzuschätzen und zu bewerten, ob und inwieweit die Schadstoffkon-zentration im Sickerwasser den Prüfwert am Ort der Beurteilung überschreiten wird. Liegen im Einzel-fall Erkenntnisse aus Grundwasseruntersuchungen vor, sind diese im Hinblick auf Schadstoffeinträge in das Grundwasser bei der Bewertung zu berücksichtigen. Wenn erhöhte Schadstoffkonzentrationen im Sickerwasser oder andere Schadstoffausträge auf Dauer nur geringe Schadstofffrachten und nur lo-kal begrenzt erhöhte Schadstoffkonzentrationen in Gewässern erwarten lassen, ist dieser Sachverhalt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen ebenfalls zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 7 BBodSchV). Die Detailuntersuchung umfasst die Gesamtheit der standort- und wirkungspfadbezogenen Un-tersuchungen, um Art und Ausmaß der von einer altlastverdächtigen Fläche ausgehenden Gefahren festzustellen. Für die Detailuntersuchung sind nach § 3 Abs. 4 BBodSchV für den Ort der Beurteilung präzise Aussagen zum Konzentrationsverlauf zu treffen; auf dieser Basis erfolgt auch die abschließen-de Gefährdungsabschätzung mit der Entscheidung über den Gefahrentatbestand und ggf. ein Vor-schlag über vorläufige Sanierungszielwerte. Im Rahmen der Detailuntersuchung sind die Menge, räumliche Verteilung, Mobilität/Mobilisierbarkeit der Schadstoffe sowie ihre Ausbreitung im Boden bis zum Erreichen des Grundwasserleiters zu ermitteln. Somit werden in dieser Phase deutlich höhere Ansprüche an entsprechende Prognoseinstrumente gestellt als in der Phase der Orientierenden Unter-suchung. Bei der Abschätzung des Schadstoffeintrags im Übergangsbereich von der ungesättigten zur gesättigten Zone ist insbesondere die Abbau- und Rückhaltewirkung der ungesättigten Zone zu be-rücksichtigen. Eine einfache Bestimmung des Schadstoffeintrages in das Grundwasser über eine Schätzgleichung, die dem Anspruch der Detailuntersuchung gerecht wird, kann aufgrund der Komple-xität der Vorgänge in der ungesättigten Bodenschicht nicht erfolgen. Der Transfer und die Akkumula-tionsprozesse in der ungesättigten Bodenzone müssen deshalb durch geeignete Simulationsprogramme abgebildet werden. 4.4 Monitoring, Nachsorgephase bzw. Überwachung und Kontrolle Nach beendeter Sanierung der Altlast, aber auch schon während der Untersuchungs- und Pla-nungsphasen ist die wesentliche Zielstellung der Sickerwasserprognose die Definition bzw. die Ermitt-lung von Systemzuständen, bei denen keine Emissionen, die über duldbaren Schwellenwerten liegen, aus der Altlast bzw. der ungesättigten Zone in das Grundwasser erfolgen. In der Phase des Monitoring bzw. der Nachsorge und Langzeitüberwachung einer gesicherten oder de-kontaminierten Altlast können diese Aussagen durch Messungen überprüft und zur Fortschreibung und Ergänzung der Sickerwasserprognose genutzt werden. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass geeignete Sicker- und Grundwasserprobennahme- als auch -messtechniken zur Verfügung stehen.

115

Page 119: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

5 Weitere Arbeiten Innerhalb der Bearbeitung des BWK-Merkblattes „Instrumente zur Sickerwasserprognose“ werden derzeit die in Frage kommende Prognoseinstrumente erhoben und klassifiziert. Es werden konkrete Empfehlungen gegeben, welche Prognoseinstrumente in den einzelnen Stufen der Altlastenbearbei-tung sinnvoll anwendbar sind. Das BWK-Merkblatt wird vsl. im Herbst 2001 soweit fertiggestellt sein, dass es im Gelbdruck erscheinen kann. 6 Danksagung Die Vortragsmaterialien stellen einen Auszug aus dem Entwurf zum BWK-Merkblatt „Instrumente zur Sickerwasserprognose“ dar. Das Merkblatt wird von den Mitgliedern der technisch-wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Bundes der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) e.V. gemeinsam erarbeitet. Ich danke den Mitgliedern für Ihre wertvollen Zuarbeiten und Ihre Zustimmung vorab Ergebnisse veröffentlichen zu dürfen. 7 Literatur AG BODEN (1994): Bodenkundliche Kartieranleitung.- 4.Auflage, Ad-hoc Arbeitsgruppe der Geologi-schen Landesämter und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe der Bundesrepublik Deutschland. BWK (2000): Darstellung des Sachstandes.- Technisch-wissenschaftliche Arbeitsgruppe des BWK e.V. „Instrumente zur Sickerwasserprognose“ (BWK-AG 6.2), BWK-Materialien 1/2000. DVWK (1990): Gewinnung von Bodenwasserproben mit Hilfe der Saugkerzen-Methode – DVWK-Fachausschuss "Bodennutzung und Nährstoffaustrag".- DVWK-Merkblätter, Heft 217. DVWK (1995): Bodenkundliche Untersuchungen im Felde zur Ermittlung von Kennwerten zur Standortcharakterisierung, Teil I: Ansprache der Böden.- DVWK-Regeln, Heft 129. DVWK (1999): Bodenkundliche Untersuchungen im Felde zur Ermittlung von Kennwerten zur Standortcharakterisierung, Teil II: Ableitungen zum Wasser- und Lufthaushalt von Böden.- DVWK-Regeln, Heft 136. LFUG (1998): Materialien zur Altlastenbehandlung im Freistaat Sachsen 3/1998: "Probenahme bei der Technischen Erkundung von Altlasten".- Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie. SMU (1997): Simulation des Schadstofftransports in der ungesättigten Zone im Rahmen der Altlas-tenbehandlung.- Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung.

116

Page 120: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

UBA (1999): Validierung von Boden-Eluatgehalten zur Prognose von Inhaltsstoffen des Bodensi-ckerwassers für das untergesetzliche Regelwerk / BBodSchV.- Forschungsbericht 297 73 00 8/02, UBA-Text 86/99.

117

Page 121: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Kooperationsmodell Schießplätze Umweltverträglicher Betrieb von Wurfscheibenschießanlagen in Bayern

Duhnkrack, M.1), J. Schmederer 2)

1)Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, Rosenkavalierplatz 2, 81925 München, e-mail: [email protected]

2)Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, Lazarettstr.67, 80636 München, e-mail: [email protected]

Abstract: In a cooperation 13 of 152 Bavarian shooting-ranges were investigated to determine the concentrations of characteristically elements. The investigations are based on the soil protection laws. The study is focused on the comparison of different methods of sampling and eluation. Zusammenfassung: In einem Kooperationsmodell wurden von den 152 bayerischen Schießanlagen 13 Anlagen exemplarisch auf Anlagen-typische Stoffe untersucht. Bei den Untersuchungen wurden die Bodenschutzgesetze und der Bericht der UMK - Arbeitsgruppe zugrundegelegt. Es wurden Probenah-me - Varianten und verschiedene Elutionsverfahren verglichen. Keywords: Lead, antimony, arsenic, PAHs, soil protection, groundwater protection, shooting-ranges; Schlagworte: Blei, Antimon, Arsen, PAK, Bodenschutz, Grundwasserschutz, Schießanlagen; 1 Einleitung und Fragestellung Bundesweit existieren derzeit ca. 500 zivile Schießstände für das Trap-, Doppeltrap-, Kipphasen,- Rollhasen- und Skeetschießen sowie Jagdparcoursanlagen als nach dem Immissionsschutzrecht ge-nehmigungsbedürftige Anlagen. Beim Schießen mit Schrotmunition auf Wurfscheiben fallen an den Schießständen Schadstoffe an, die vorwiegend in die Böden eingetragen werden. Die Bodenbelastung erfolgt insbesondere durch die Bleischrote (Blei mit Zusätzen von Antimon und Arsen), Wurfscheiben (enthalten in unterschiedlichem Umfang polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – PAK) und sonstige Munitionsbestandteile (Schrotbecher und Patronenhülsen). Im Bericht der Arbeitsgruppe der Umweltministerkonferenz (UMK) „Bodenbelastungen auf Schießplätzen“ (1998) wurde ein Überblick über die aktuelle Belastungssituation, das Vorgehen bei Abgrenzung, Erfassung Untersuchung und Bewertung, die Sanierung bestehender Verunreinigungen, die Vermeidung weiterer Bodenverunreini-gungen sowie über Rechts- und Vollzugsfragen vorgelegt, der allerdings das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und die Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) noch nicht berücksichtigen konnte. Es wurden Vorschläge für Probenahmestrategien und ein Minimalprogramm für die Untersuchung von Schießständen entwickelt.

118

Page 122: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2 Kooperationsprojekt in Bayern In Bayern gibt es 152 Schießplätze, davon sind 107 in Betrieb und 45 stillgelegt (Schießplätze mit Wurfscheiben- Skeet-, Trap- oder Kipphasen-Schießständen). Polizeischießanlagen, militärische Schießstände und Truppenübungsplätze sind hier nicht berücksichtigt. Im Kooperationsmodell Schießplätze wurden 13 Anlagen exemplarisch untersucht. Die 1999 angesichts des neuen Bodenschutzrechts begonnene Kooperation zwischen Landesjagdver-band Bayern (LJV), Bayerischen Sportschützenbund (BSSB) und den Bayerischen Staatsministerien für Landesentwicklung und Umweltfragen (StMLU), für Landwirtschaft und Forsten (StMLF), für Unterricht und Kultus (StMUK) und des Inneren (StMI) sowie mehrerer Fachbehörden verfolgt das Ziel des umweltgerechten Betriebes von Schießanlagen in mehreren Schritten: - Als erstes sind typische Umweltbelastungen, z.B. durch Bleischrot und Wurfscheibenfragmente,

an den ausgewählten Schießanlagen auf freiwilliger Basis im Einvernehmen mit den Anlagen-betreibern untersucht worden.

- Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse soll ein gemeinsamer Leitfaden für den umwelt-verträglichen Betrieb von Schießanlagen erarbeitet werden. Letztlich sollen diese Maßnahmen Grundlage werden für eine landesweite Sanierung bzw. Ertüchtigung von Wurfscheibenschießan-lagen.

Ziel der modellhaften Untersuchung ist es, die Erkenntnisse aus den durchgeführten Untersuchungen, die Gefährdungsabschätzungen und die Empfehlungen für weitere Maßnahmen soweit als möglich auf andere Anlagen zu übertragen. 3 Untersuchungen an 13 ausgewählten Anlagen 3.1 Untersuchungen und Methoden 1999 hat das StMLU ein Ingenieurbüro beauftragt, die Verhältnisse an 13 exemplarisch ausgewählten Schießplätzen zu untersuchen. Auswahlkriterien für diese Schießplätze waren hohe Schusszahlen und lange Laufzeit, ferner sollten möglichst unterschiedliche hydrogeologische Verhältnisse repräsentiert sein (jeder hydrogeologische Raum Bayerns sollte vertreten sein). Der Untersuchungsumfang orien-tierte sich am UMK – Bericht. Die Entnahme der Bodenproben wurde in Anlehnung an den UMK - Bericht geplant. Die örtlichen Gegebenheiten, wie z.B. Hauptauftreffbereiche, Gewässer, landwirtschaftlich genutzte Flächen, Ge-ländemorphologie, Hecken und Baumreihen wurden durch Ortsbegehungen erkundet und in Lageplä-nen dargestellt. Die Anzahl und Lage der Probennahmepunkte, die vom Anlagentyp abhängig sind, wurden jeweils für die Belastungen durch Wurfscheiben bzw. Bleischrot getrennt festgelegt. Dabei war zu berücksichtigen, um welchen Anlagentyp es sich handelt, z.B. eine reine Trap- oder Skeetanla-ge, oder ob zusätzlich Roll- und Kipphasen vorhanden sind. Bei Roll- und Kipphasen sind vor allem aus dem Zielbereich Bodenproben zu entnehmen. Es wurden jeweils horizontbezogen Flächenmisch-proben aus 7 Einzeleinstichen hergestellt. Um detaillierte Kenntnisse über den Boden am Haup-taufschlagsort der Schrote zu erhalten, wurde zusätzlich eine Profilgrube von 1 m Tiefe gegraben. Die gewonnenen Proben wurden jeweils horizontweise zu Mischproben vereinigt. Für die Untersu-chung der Originalsubstanz wurden die Schrot- und Wurfscheibenreste durch Siebung und manuelles

119

Page 123: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Auslesen entfernt, da die Analytik nur die schon in die Bodenmatrix übergegangenen Anteile erfassen sollte. Für die Eluatherstellung wurden die Schrot- und Wurfscheibenscherben in der Probe belassen, da dies die Verhältnisse vor Ort repräsentiert. Bei der Analytik wurde soweit möglich nach der BBodSchV verfahren. Die Diskussion der beteiligten Kooperationspartner zeigte, dass das Bodenschutzrecht keine ohne weiteres umsetzbare Grundlage für Bodenuntersuchungen und Analytik darstellt. Die charakteristischen Stoffparameter wurden in der Originalprobe und im Eluat untersucht. Um die Mobilität der PAK zu überprüfen, wurden an einigen Standorten Säulenversuche durchgeführt. Zur Abschätzung der Stoffkonzentration anorganischer Stoffe (Blei, Antimon, Arsen) im Sickerwasser wurden Elutionen nach dem DEV-S4- Verfahren (DIN 38414) durchgeführt. In der BBodSchV ist neben diesem Verfahren auch das BoSE - Verfahren (Bodensättigungsextrakt) angegeben. Bei den Modelluntersuchungen wurde daher auch dieses Verfahren an 3 Standorten zum Vergleich eingesetzt. Bei diesen Vergleichsuntersuchungen wurden die Schrote manuell vor Vermengung der Einzelproben mit einem Kunststofflöffel ausgelesen, die bestimmten Schrotgehalte wurden bei der Bewertung be-rücksichtigt, die Siebung wurde nicht per Siebturm, sondern manuell durchgeführt, um Abriebseffekte zu vermindern und es wurde parallel an visuell nicht mit Schrot befrachteten Proben mit dem Eluti-onsverfahren DEV S4 und dem BoSE - Verfahren eluiert. Der Vergleich der Elutionsverfahren sollte herausstellen, inwieweit Abriebseffekte beim Über-Kopf-Schütteln beim DEV S4-Verfahren die Wer-te beeinflussen können. 3.2 Ergebnisse Die 13 Einzelgutachten über die untersuchten Schießanlagen wurden durch das beauftragte Ingenieur-büro im Frühsommer 2000 übergeben. Diese Einzelgutachten wurden in einem Abschlussbericht ano-nymisiert zusammengefasst: • Überschreitungen der Stufe-2–Werte im Eluat bei Blei, Antimon und z.T. Arsen waren an allen

Standorten zu messen; • deutliche Tiefenverlagerungen von Blei, Antimon und z.T. Arsen bis 60 cm wurden festgestellt

und • an 11 Standorten liegt aufgrund der Sickerwasserprognose weiterer Handlungsbedarf vor. Bei den Vergleichsuntersuchungen zeigte es sich, dass die Gehalte an Blei, Arsen und Antimon weit-gehend unabhängig von Siebverfahren und Ausleseverfahren waren. Signifikant unterschiedliche Wer-te ergaben die nach BoSE eluierten Vergleichsproben. Mehr als die Hälfte der Werte war deutlich höher als bei den ersten Untersuchungen; die gemessenen Bleikonzentrationen waren bis zum Faktor 100 höher! Wegen der offenen Fragen beim BoSE - Verfahren (es wurde entwickelt für die Bestim-mung besonders leichtlöslicher Stoffe, die Menge der Wasserzugabe ist nicht exakt definiert und es ist bei verschiedenen Bodenkörnungen nicht anwendbar) wird empfohlen, weiterhin das DEV S4-Verfahren zu verwenden. Ferner sollen die Schrot - befrachteten Bodenhorizonte mituntersucht und mit Siebturm gesiebt werden.

120

Page 124: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

4 Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Aufgrund der schießplatzimmanenten hohen Schadstoffbelastung ist nach den Modelluntersuchungen davon auszugehen, dass für alle Wurfscheibenschießanlagen - auch für stillgelegte – weiterer Hand-lungsbedarf besteht.. Als nächster Schritt ist zunächst für jede Anlage eine historische Recherche durch die Kreisverwaltungsbehörde durchzuführen (Betriebsdauer, Schusszahlen etc.). Hierzu wird von den Kooperationspartner ein entsprechender Fragebogen erarbeitet, der auch als Grundlage für die Priorisierung der Schießanlagen (nach BayBodSchVwV Anhang 1) dienen soll. Auf dieser Grundlage ist dann zu entscheiden, ob der nächste Bearbeitungsschritt, die orientierende Untersuchung durchge-führt wird. Zwischen den Kooperationspartnern besteht Einverständnis, nur noch PAK -arme oder –freie Wurf-scheiben zu verwenden. Außerdem sollen Schrotimmissionen in offene Gewässer und auf landwirt-schaftliche Flächen unterbunden werden.

Auf der Basis der Modelluntersuchung und einer gemeinsam mit den Jagd- und Schießverbänden er-arbeiteten Gliederung erstellt der Landesjagdverband Bayern federführend den Leitfaden „Leitlinien für den umweltgerechten Betrieb von Schießanlagen in Bayern“, der von den Kooperationspartnern einvernehmlich eingeführt werden soll. 5 Literatur UMK-AG: GEMEINSAME ARBEITSGRUPPE DER BUND-LÄNDER-ARBEITSGEMEINSCHAFT

BODENSCHUTZ (LABO); LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER (LAWA); LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL (LAGA) UND DEM LÄNDERAUSSCHUSS FÜR

IMMISSIONSSCHUTZ (1998). Bodenbelastungen auf Schießplätzen BUNDESVERBAND SCHIEßSTÄTTEN E.V.(1997): Entwurf: Untersuchung und Bewertung von Trapp- und Skeetschießanlagen – Boden – Grundwasser – Oberflächengewässer, Leitfaden für Betreiber und Behörden BAYER. LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT: Ermittlung des Gefährdungspotentials von Unter-grundverunreinigungen für den Wirkungspfad Boden – Wasser, Slg LfW, Teil3 (Merkblätter 3.8-3, 3.8-6 und 3.8-10 (bzw. ab 2001 3.8.1)) BAYERISCHE STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (STMLU); Entwurf vom 02.05.2001: Abschlussbericht über die Untersuchung und Bewertung von 13 Wurfschei-benschießanlagen im Rahmen des Kooperationsmodells für den umweltgerechten Betrieb von Wurf-scheibenschießanlagen

121

Page 125: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bodenerosion und Gefahrenabwehr Arbeitshilfen zur Umsetzung von § 8 BBodSchV in Bayern

Brandhuber, R., R. Rippel, J. Kreitmayr

Bayerische Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau, Vöttinger Straße 38, 85354 Freising e-mail: [email protected]

Abstract: The federal soil protection act obligates to the defence of risks in case of soil damages by water erosion. A guideline with methods and standards has been developed to judge the demands on the defence of risks and to ascertain soil damages by water erosion. Zusammenfassung: Das Bodenschutzrecht verpflichtet zur Gefahrenabwehr bei schädlichen Boden-veränderungen auf Grund von Bodenerosion durch Wasser. Es wurden Arbeitshilfen mit Methoden und Maßstäben erarbeitet, um die Anforderungen an die Gefahrenabwehr beurteilen und schädliche Bodenveränderungen durch Wassererosion feststellen zu können. Keywords: soil erosion, soil protection act, defence of risks, agriculture, Bavaria;

Schlagworte: Bodenerosion, Bodenschutzrecht, Gefahrenabwehr, Landwirtschaft, Bayern;

1 Einleitung Bodenerosion kann die Produktions-, Lebensraum- und Regelungsfunktionen der Böden beeinträchti-gen (PIERCE & LAL, 1994), mit der Erosionsfläche verbundene Ökosysteme durch Nähr- und Schad-stoffeinträge negativ verändern (BEHRENDT et al., 1999) und Schäden an privaten oder öffentlichen Bauten verursachen. Mit dem In-Kraft-Treten des Bundes-Bodenschutzgesetzes ist der erstgenannte Bereich, die Sicherung der Bodenfunktionen, grundsätzlich rechtlich geregelt. Adressaten für die Übernahme von Pflichten zur Vorsorge und Gefahrenabwehr sind hier die Landwirte, im Besonderen die Ackerbauern. In Bayern sind ca. 30 % der Landesfläche ackerbaulich genutzt. Der überwiegende Teil der Ackerböden muss als erosionsgefährdet eingestuft werden (AUERSWALD & SCHMIDT, 1986). Welche konkreten Anforderungen stellt dazu das Bodenschutzrecht an den Landwirt? Mit welchen Methoden und Maßstäben kann die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen beurteilt werden? Die Bayerische Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau hat in Zusammenarbeit mit den fachlich zuständigen Sachgebieten der Landwirtschaftsämter entsprechende Arbeitshilfen erarbeitet. 2 Material und Methoden Die Arbeitshilfen stehen im Rahmen der Vorgaben des Bodenschutzrechtes. Sie fügen sich ein in ein Rahmenkonzept zur Gefährdungseinstufung aus Standort und Nutzung und stützen sich im besonderen auf die Allgemeine Bodenabtragsgleichung (ABAG) mit dem Toleranzwert nach Schwertmann als Bewertungsmaßstab.

122

Page 126: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Anforderungen an den Erosionsschutz im Bodenschutzrecht Ausgehend von einem zunehmenden Risiko für das Schutzgut unterscheidet das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen und die Abwehr von Gefahren aus schädlichen Bodenveränderungen. Zur Erfüllung der Vorsorgepflicht im Rahmen der landwirtschaftlichen Bodennutzung verweist § 7 BBodSchG auf die Regelungen des § 17 (1) und (2). Dort wird die gute fachliche Praxis der landwirt-schaftlichen Bodennutzung angesprochen. Für die in § 17 (2) genannten Kriterien Bodenstruktur, Bodenverdichtungen, Bodenabträge (Bodenerosion), naturbetonte Strukturelemente der Feldflur, biologische Aktivität des Bodens und standorttypischer Humusgehalt nennt das Bundes-Bodenschutzgesetz Grundsätze für die gute fachliche Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung. Demnach gehört zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis u.a., dass „Bodenabträge durch eine standortangepasste Nutzung, insbesondere durch Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung, möglichst vermieden werden“ (§ 17 BBodSchG (2), 4. Unterpunkt). Die Vorsorgepflicht nach § 7 BBodSchG wird mit der Befolgung der angesprochenen Grundsätze erfüllt. Diese sind den Landwirten ausdrücklich durch Beratung der Landwirtschaftsbe-hörden zu vermitteln (§ 17 (1) BBodSchG). Wenn ein Landwirt die Grundsätze der guten fachlichen Praxis missachtet, ist eine Anordnung seitens der zuständigen Behörde allein aus diesem Sachverhalt nicht möglich (BayBodSchVwV 5.2 mit Verweis auf § 7 Satz 5 BBodSchG). Zusätzliche Voraussetzung wäre ein im Einzelfall festgestellter Gefahrentatbestand. Dazu bedarf es – vergleichbar mit der Funktion von Prüf- bzw. Maßnahmenwer-ten im stofflichen Bodenschutz – eindeutiger Bewertungsmaßstäbe. Von den sieben in § 17 (2) angesprochenen Problembereichen ist bislang der Bodenabtrag durch Wasser hinsichtlich der materiellen Maßstäbe zur Gefahrenabwehr konkretisiert worden und zwar in § 8 Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV). „Von dem Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung auf Grund von Bodenerosion durch Wasser ist insbesondere dann auszugehen, wenn 1. durch Oberflä-chenabfluss erhebliche Mengen Bodenmaterials aus einer Erosionsfläche abgeschwemmt wurden und 2. weitere Bodenabträge gemäß Nummer 1 zu erwarten sind“ (§ 8 (1) BBodSchV). Die Formulierung von § 8 BBodSchV ist allerdings teilweise unpräzise und bietet Spielraum für Interpretationen (SCHLABACH, 2000). Rahmenkonzept zur Gefährdungseinstufung Aus der Verknüpfung der Belastbarkeit der Standorte („potentielle Erosionsgefährdung“) mit dem Erosionsrisiko aus der Bodenbewirtschaftung („Nutzungsrisiko“) ist die tatsächliche Erosionsgefähr-dung schlagspezifisch abschätzbar (FRIELINGHAUS & WINNIGE, 2000). Die tatsächliche Erosionsge-fährdung bildet die Grundlage für eine Risikoeinstufung, aus der die Notwendigkeit von Schutzmaß-nahmen abgeleitet werden kann. Diese Rahmenkonzept kann je nach regionalen Anforderungen mit verschiedenen Erosionsmodellen zur Einstufung der Erosionsgefährdung und mit verschiedenen Maßstäben für die Dringlichkeit von Schutzmaßnahmen bedient werden (AUTORENKOLLEKTIV, 2001). Allgemeine Bodenabtragsgleichung (ABAG) und Toleranzwert In den USA wurde aus einer Vielzahl von Abtragsmessungen bei standardisierten Randbedingungen die USLE bzw. RUSLE (Revised Universal Soil Loss Equation) abgeleitet (WISHMEIER & SMITH, 1978, RENARD et al., 1997). Validierungen des Modells mit Daten von Abtragsmessungen bei gleichen Randbedingungen ergaben zufriedenstellende Ergebnisse (RISSE et al., 1993). Für bayerische Verhältnisse erfolgte eine Anpassung der USLE durch Schwertmann und Mitarbeiter (SCHWERTMANN

123

Page 127: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

et al., 1987), Ergebnis ist die ABAG. Mittlerweile liegt eine komfortabel handhabbare PC-Version vor (AUERSWALD & VON PERGER, 2000), die u.a. an allen bayerischen Landwirtschaftsämtern verfügbar ist. Als Eingabeparameter sind am Betrieb vorhandene oder einfach zu erhebende Daten zum Standort und zur Bewirtschaftung erforderlich. Berechnet wird ein mittlerer Bodenabtrag in Tonnen pro Hektar und Jahr. Die ABAG hat sich in Bayern zur Abschätzung der Erosionsgefährdung auf verschiedenen Maßstabsebenen bewährt. Der Gültigkeitsbereich der ABAG in Abhängigkeit von den Bedingungen bei der Abtragsmessung zur Erstellung der Gleichung ist zu beachten. So bezieht sich der geschätzte Abtrag auf ein Jahresmittel über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren. Einzelereignisse können nicht geschätzt werden. Über Rinnenerosion beim Zusammenfließen von Oberflächenwasser in Talwegen und auch über Akkumula-tion können keine Aussagen gemacht werden. Deshalb bieten ABAG-Abträge zwar eine gut gesicherte Grundlage für die Bestimmung der tatsächlichen Erosionsgefährdung nach dem oben beschriebenen Rahmenmodell, für flächendeckende Bilanzierungen von realen Bodenverlusten oder für die quantita-tive Abschätzung von Stoffeinträgen in Gewässer sind mit der ABAG geschätzte Abträge nicht geeignet. Ackerbau in Hanglagen war in der Geschichte des Landbaus immer mit mehr oder weniger Bodenab-trag verbunden (BORK et al., 1998). Ein gewisses Maß an Bodenabtrag wird die Gesellschaft auch heute als „unvermeidlich“ oder „tolerabel“ akzeptieren. Schwertmann hat für ABAG-Abträge pragmatisch den „Toleranzwert“ eingeführt (SCHWERTMANN et al., 1987). Er errechnet sich aus der „Ackerzahl geteilt durch die Zahl 8“ mit der Einheit „Tonnen pro Hektar“. Das bedeutet, dass bei tiefgründigen Böden mehr Bodenabtrag toleriert werden kann als bei flachgründigen. Als geeignetes Maß für die Gründigkeit hat sich die für jedes landwirtschaftlich genutzte Flurstück verfügbare Ackerzahl der Bodenschätzung erwiesen (SCHWERTMANN et al., 1987). 3 Ergebnisse und Diskussion In Bayern vermitteln die Landwirtschaftsämter die Grundsätze der guten fachlichen Praxis im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit (Vorträge, Veröffentlichungen, Gruppenberatungen). Ziel ist eine möglichst weitgehende Minderung des Erosionsrisikos unter Berücksichtigung der betrieblichen Bedingungen (Vermarktungssituation, Maschinenausstattung, verfügbare Arbeitskräfte etc.). Der Berater muss schon bei dieser Beratung zur Vorsorge wissen, was der Gesetzgeber als Mindestmaß an Erosions-schutz verlangt. Im Rahmen eines Verfahrens zur Gefahrenabwehr nach § 8 BBodSchV hätte dann das Landwirtschaftsamt die Aufgabe im Einzelfall zu prüfen, ob die Anforderungen an die Gefahrenab-wehr eingehalten sind. Anforderungen an die Gefahrenabwehr Nach den hier vorgestellten Arbeitshilfen sind die Anforderungen an die Gefahrenabwehr in der Regel dann erfüllt, wenn der ABAG-Abtrag den Toleranzwert nach Schwertmann nicht überschreitet. Sie sind in der Regel nicht erfüllt, wenn der ABAG-Abtrag den Toleranzwert um mehr als das Doppelte überschreitet. Liegt der mit Hilfe der ABAG ermittelte Abtrag über dem Toleranzwert aber noch nicht über dem Doppelten des Toleranzwertes, sind die Anforderungen an die Gefahrenabwehr in der Regel nur dann erfüllt, wenn der Landwirt die ihm im Rahmen der Produktionstechnik für die von ihm angebauten Fruchtarten zur Verfügung stehenden Maßnahmen des Erosionsschutzes in zumutbarem Umfang durchgeführt hat. Das können je nach den vorliegenden Umständen Maßnahmen (bzw. Maßnahmenkombinationen) sein wie z.B. raues Saatbett, Strohdüngung, Querbewirtschaftung,

124

Page 128: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

ausgeglichene Humusbilanz, ausreichende Kalkversorgung, Zwischenfruchtanbau, Mulchsaat. Es ist Aufgabe des Beraters oder Gutachters, dies im Einzelfall zu beurteilen. Dieses Bewertungsschema wird folgendermaßen begründet:

1. Im Rahmen einer rechtlichen Regelung mit Verwaltungsvollzug (§ 8 BBodSchV) ist eine Richtschnur für eine bayernweit einheitliche Umsetzung unerlässlich.

2. Nach den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Bundesan-zeiger Nr. 220a vom 21.11.1998 bekannt gemachten Grundsätzen und Handlungsempfehlun-gen zur guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung müssen diese stand-ortangepasst, wissenschaftlich abgesichert sowie aufgrund praktischer Erfahrungen geeignet, durchführbar, als notwendig anerkannt und wirtschaftlich tragbar sein. Diesen Forderungen entspricht das oben beschriebene Bewertungsschema: Das Gefährdungspotential des Standor-tes geht mit allen zu berücksichtigenden Faktoren differenziert in die Beurteilung ein. Die Ab-schätzung der Erosionsgefährdung mit Hilfe der ABAG ist wissenschaftlich abgesichert, hat sich in der Vergangenheit bewährt, ist in der Praxis bekannt und für jeden Standort durchführ-bar. Die Abstufung der notwendigen Erosionsschutzmaßnahmen in Abhängigkeit des Erosi-onsrisikos berücksichtigt die Verhältnismäßigkeit bei der Abwägung zwischen ökonomischen und ökologischen Auswirkungen einer Maßnahme. Allein die Umsetzung der von diesem Be-wertungsmaßstab abgesteckten Mindestanforderungen an den Erosionsschutz wird an stärker erosionsgefährdeten Standorten zu einer erheblichen Minderung der tatsächlichen Erosionsge-fährdung führen.

3. Der Landwirt soll nicht erst nach einem Schadereignis wissen, ob er den Anforderungen an die Gefahrenabwehr gerecht geworden ist. Mit den vorgestellten Methoden und Maßstäben ist dies jederzeit möglich, auch die Wirkung von verschiedenen Schutzmaßnahmen kann beurteilt werden.

4. Die Formulierung lässt dem Gutachter vor Ort den notwendigen Spielraum, um im gut be-gründeten Einzelfall für die Einstufung der Erosionsgefährdung anderen Indikatoren als der ABAG den Vorzug zu geben (z.B. bei Rinnenerosion in Talwegen).

Feststellen einer schädlichen Bodenveränderung durch Wassererosion Die Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Bodenschutz- und Altlastenrechts in Bayern (Bay-BodSchVwV) klärt die Zuständigkeiten bei der Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderun-gen auf Grund von Bodenerosion durch Wasser. Anhaltspunkte für schädliche Bodenveränderungen sind der Kreisverwaltungsbehörde mitzuteilen. Ob eine schädliche Bodenveränderung auf Grund von Bodenerosion durch Wasser vorliegt, sollen die Kreisverwaltungsbehörde und das Landwirtschaftsamt einvernehmlich beurteilen. Wie bei der Prüfung der Anforderungen an die Gefahrenabwehr ist auch im Fall der Feststellung einer schädlichen Bodenveränderung durch Wasser ein Vorgehen nach einer einheitlichen Richtschnur notwendig. Folgende vier, von § 8 BBodSchV grundsätzlich vorgegebenen und hier inhaltlich weiter präzisierten Schritte sind zu durchlaufen:

1. Als erstes ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung, wie sie z.B. durch eine Anzeige bei der Kreisverwaltungsbehörde eingehen, stichhaltig sind. Es ist vor Ort mit Augenschein und ohne großen Zeitaufwand zu klären, ob eine eingehendere Untersuchung der Erosionsfläche überhaupt sinnvoll ist. Kriterien sind Beeinträchtigungen von Gütern au-ßerhalb der landwirtschaftlichen Nutzfläche wie Verkehrswege, Gräben, Gewässer o.ä. aber auch Bodenabtragsspuren oder Auflandungen innerhalb landwirtschaftlich genutzter Flächen,

125

Page 129: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

die auf einen erheblichen Abtrag schließen lassen. 2. Ist der Anfangsverdacht durch Auflandungen außerhalb der Erosionsfläche begründet, ist in

einem zweiten Schritt zu klären, ob die Fläche, aus der das Bodenmaterial ausgetragen wurde, überhaupt feststellbar ist.

3. Ist die Erosionsfläche eindeutig lokalisierbar, muss geprüft werden, ob der Abtrag aus der Erosionsfläche „erheblich“ ist. Entscheidend für die Prüfung ist eine etwaige Beeinträchtigung der Bodenfunktionen auf der Erosionsfläche. Eindeutige Kriterien, wann ein Abtrag als erheb-lich einzustufen ist, nennt § 8 BBodSchV nicht. Verwiesen wird auf die Möglichkeit, die Menge des abgeschwemmten Materials mit den Methoden der Erosionskartierung (DVWK, 1996) abzuschätzen. Auf die Ungenauigkeit dieser Methode haben AUERSWALD & WEIGAND (2000) zurecht hingewiesen. Dennoch wird hier die Auffassung vertreten, dass zur Prüfung der Erheblichkeit zumindest eine grobe Abschätzung der aus der Erosionsfläche ausgetrage-nen Bodenmenge notwendig und möglich, aber auch hinreichend ist. Die Erheblichkeit wird anhand einer ergänzbaren Liste alternativer Kriterien beurteilt. Demnach ist Bodenabtrag in Form von Flächenerosion (inkl. Rillen und Rinnen) aus mindestens 0,5 Hektar Ackerfläche als erheblich einzustufen. Grabenerosion (tiefer als 40 cm) auf einer längeren Strecke, verbunden mit deutlichen Abtragsspuren auf der Erosionsfläche, ist ein alternatives Kriterium. Wenn die Verhältnisse vor Ort eine Beurteilung der Erheblichkeit aus der Dominanz von Flächen- oder Grabenerosion nicht zulassen, muss das Volumen von Gräben, Rinnen und größeren Rillen auf kleinen exemplarischen Teilflächen mit dem Instrumentarium der Erosionskartierung grob geschätzt werden. Eine pauschal geschätzte Abtragsmasse aus der Flächenerosion ist zu addie-ren. Als erheblich wird ein Abtrag eingestuft, der in der Einheit „Tonnen pro Hektar“ einer Größe entspricht, die sich aus der Halbierung der Ackerzahl der Erosionsfläche ergibt. Ein Abtrag in dieser Größenordnung bei einem Einzelereignis – also z.B. mehr als 30 t/ha Abtrag oder mehr als 2 mm Bodenverlust bei einer Ackerzahl von 60 – gibt begründeten Anlass zu der Annahme, dass Bodenfunktionen gefährdet sind. Es wird davon ausgegangen, dass bei den beiden erstgenannten Kriterien (Flächen- oder Grabenerosion) diese Bodenverluste in jedem Fall auftreten, genauere Messungen deshalb nicht nötig sind. Die Formulierung dieser Krite-rienliste lässt dem Gutachter bewusst ein hohes Maß an Ermessensspielraum. Er ist notwen-dig, um ein derartiges Verfahren mit vertretbaren Kosten/Nutzen-Verhältnis abzuwickeln.

4. Ein erheblicher Bodenabtrag ist per se noch keine schädliche Bodenveränderung. Dies ist erst dann der Fall, wenn weitere erhebliche Bodenabträge zu erwarten sind (§ 8 (1) BBodSchV). Die Bodenschutzverordnung nennt für diesen vierten Prüfschritt sinngemäß zwei alternative Kriterien: (1) Innerhalb der letzten 10 Jahre wurden zumindest in einem weiteren Fall erhebli-che Mengen Bodenmaterial aus derselben Erosionsfläche geschwemmt. (2) Die Jährlichkeit der den Bodenabtrag auslösenden Niederschläge beträgt weniger als 10 Jahre. Für den zweiten Fall müsste zusätzlich zumindest der Zeitraum einer vergleichbaren oder geringeren Bodenbe-deckung während des Erosionsereignisses berücksichtigt werden, weil die Niederschlagsmen-ge allein noch keine verlässliche Aussage über einen zu erwartenden Bodenabtrag zulässt.

Wenn die vier Prüfschritte (Anfangsverdacht – Identifikation der Erosionsfläche – Erheblichkeit des Abtrages – Wiederkehrzeit des Erosionsereignisses) die Feststellung einer schädlichen Bodenverände-rung auf Grund von Bodenerosion durch Wasser ergeben haben, ist als nächstes zu klären, ob der Landwirt für den Schaden verantwortlich ist, das heißt, ob er die Anforderungen an die Gefahrenab-wehr eingehalten hat. Das Verfahren dazu wurde oben beschrieben.

126

Page 130: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Ist eine schädliche Bodenveränderung festgestellt und die Anforderungen an die Gefahrenabwehr sind nicht erfüllt, empfiehlt das Landwirtschaftsamt dem Landwirt geeignete erosionsmindernde Maßnah-men, die Kreisverwaltungsbehörde kann bei Nicht-Befolgen eine Anordnung erlassen. Der Fall, dass zwar eine schädliche Bodenveränderung festgestellt wurde, der Landwirt aber die Anforderungen an die gute fachliche Praxis erfüllt hat, kann vorkommen, etwa wenn Erosionsschäden überwiegend durch Fremdwasser aus Nachbarschlägen oder Feldwegen verursacht werden. In diesen Fällen müssten Maßnahmen auf Gemeindeebene (Verbesserung des geregelten Wasserabflusses in der Flur, Anlage von Retentionsflächen etc.) ergriffen werden. 4 Schlussfolgerung Das vorgestellte Konzept gibt der Landwirtschaftsverwaltung Methoden und Bewertungsmaßstäbe an die Hand, mit deren Hilfe sie

1. die Landwirte hinsichtlich der Anforderungen an die Gefahrenabwehr von schädlichen Bo-denveränderungen auf Grund von Bodenerosion durch Wasser konkret beraten kann und

2. die Erfüllung dieser Anforderungen überprüfen und das etwaige Vorliegen einer entsprechen-den schädlichen Bodenveränderung beurteilen kann.

Die Kriterien für die Erfüllung der Anforderungen an die Gefahrenabwehr markieren gleichzeitig die Grenzen der guten fachlichen Praxis. Seit dem Jahr 2000 wird an den Landwirtschaftsämtern mit diesen Arbeitshilfen gearbeitet. Verbesse-rungsvorschläge sollen bei Bedarf berücksichtigt werden. Bisher hat sich gezeigt, dass die Landwirtschaftsämter meist dann von Gemeinden bzw. Kreisverwal-tungsbehörden eingeschaltet wurden, wenn Bodenanlandungen Schäden und entsprechende Beseiti-gungskosten im Siedlungsbereich bzw. auf Verkehrswegen verursachten (Off-Site-Schäden). Vom Landwirtschaftsamt wurde dann die Prüfung der Einhaltung der guten fachlichen Praxis verlangt, was mit Hilfe der Kriterien für die Anforderungen an die Gefahrenabwehr erfolgreich geleistet werden konnte. In der Regel ist der betroffene Landwirt bereit, auf eine Beratungsempfehlung für eine erosionsmindernde Bewirtschaftung einzugehen. Die dezidierte Feststellung einer schädlichen Bodenveränderung und damit der vom Bodenschutzrecht vorgegebene Verfahrensweg war in diesen Fällen meist nicht notwendig. Immer wieder zeigt sich, dass die für die Mehrzahl der Bürger spürbaren Off-Site-Schäden nicht nur mangels erosionsmindernder Bewirtschaftung auf dem Acker, sondern auch durch unzureichende Wasserabführung und fehlende Retentionsräume in der Flur verursacht werden. Zufriedenstellende Lösungen müssen beide Bereiche berücksichtigen. 5 Literatur AUERSWALD K., P. VON PERGER (2000): Bodenerosion durch Wasser - Ursachen, Schutzmaßnahmen und Prognose mit PC-ABAG. - aid-Heft 1378, Bonn AUERSWALD, K., S. WEIGAND (2000): Ist die Erosionskartierung geeignet, um im Sinne der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung Erosionsflächen zu identifizieren und den Bodenabtrag festzustellen? - Bodenschutz 4: pp. 123-128

127

Page 131: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

AUERSWALD, K., F. SCHMIDT (1986): Atlas der Erosionsgefährdung in Bayern. - Bayer. Geol. Landesamt, GLA-Fachberichte 1 AUTORENKOLLEKTIV (2001): Vorsorge gegen Bodenschadverdichtungen und Bodenerosion. -

Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (ed.), Bonn, in press BEHRENDT, H., P. HUBER, M. KORNMILCH, D. OPITZ, O. SCHMOLL, G. SCHOLZ, R. UEBE (1999): Nährstoffbilanzierung der Flussgebiete Deutschlands. - UBA-Texte 99/75, Umweltbundesamt, Berlin BORK, H.-R., H. BORK, C. DALCHOW, B. FAUST, H.-P. PRIORR, TH. SCHATZ (1998): Landschaftsent-wicklung in Mitteleuropa. - Klett-Pertes, Gotha, Stuttgart DVWK, FACHAUSSCHUSS „BODENEROSION“ (1996): Bodenerosion durch Wasser - Kartieranleitung zur Erfassung aktueller Erosionsformen. - DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft 239, Wirtschafts- und Verl.-Ges. Gas und Wasser, Bonn FRIELINGHAUS, M., B. WINNIGE (2000): Maßstäbe bodenschonender landwirtschaftlicher Bodennut-zung, Erarbeitung eines Bewertungs- und Entscheidungssystems zur Indikation der Wassererosion. -UBA-Texte 43/00, Umweltbundesamt, Berlin PIERCE, F.J., R. LAL (1994): Monitoring the impact of soil erosion on crop productivity.- In: Lal, R.(ed.): Soil erosion research methodes. - St. Lucie Press, Delray Beach, pp. 235-263 RENARD, K.G., G.R. FOSTER, G.A. WEESOES, D.K. MCCOOL, D.C.YODER (1997): Predicting soil erosion by water: a guide to conservation planning with the Revised Soil Loss Equation (RUSLE). - Agriculture Handbook No. 703, U.S. Department of Agriculture, Washington, DC RISSE, L.M., M.A. NEARING, A.D. NICKS, J.M. LAFLEN (1993): Error assessment in the Universal Soil Loss Equation. - Soil Sci. Soc. Am. J. 57: pp. 825-833 SCHLABACH, E. (2000): Schädliche Bodenveränderungen aufgrund von Erosionen durch Wasser – Eine Einführung aus juristischer Sicht. - Bodenschutz 4: pp. 118-122 SCHWERTMANN, U., W. VOGL, M. KAINZ (1987): Bodenerosion durch Wasser - Vorhersage des Abtrags und Bewertung von Gegenmaßnahmen. - Ulmer, Stuttgart, 2end ed. WISHMEIER, W.H., D.D. SMITH (1978): Predicting rainfall erosion losses - A guide to conservation planning. - USDA Agriculture Handbook No. 537, U.S. Gov. Print. Office, Washington, DC.

128

Page 132: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bedeutung des basalen Bodenmonitorings bei dem Bodenschutz in Tschechien

Chvátal, V., J. Královec Zentrale landwirtschaftliche Kontroll- und Untersuchungsanstalt (ÚKZÚZ),

Slovanská alej 20, CZ 317 60 Plzeň, Tschechien e-mail: [email protected]

Abstract: The soil monitoring of the Central Institute for Checking and Supervising in Agriculture (ÚKZÚZ) follows from 1992 soil properties and nutritional status according to the Bavarian System of Fixed Observation Sites (BDF) on 190 places evenly distributed through the country. The Czech system was extended by a subsystem of contaminated soils with another 27 sites. The initial results are compared with the Bavarian ones. Zusammenfassung: Die Zentrale landwirtschaftliche Untersuchungs- und Kontrollanstalt (ÚKZÚZ) betrachtet seit 1992 die Bodeneigenschaften in einem Netz von 190 Standorte, die gleichmäßig auf dem ganzen Gebiete der Tschechischen Republik verteilt werden. Dieses Monitoring wurde nach Bayerischem Muster von BDF geschafft und um ein Subystem der kontaminierten Böden mit anderen 27 Standorte erweitert. Die ersten Eergebnisse wurden mit denen aus Bayern verglichen Keywords: soil - monitoring - nutrients - hazardeous elements Schlagworte: Boden - Monitoring – Nährstoffe – Risikoelemente 1 Einleitung Seit 1998 gilt in der Tschechischen Republik ein neues Düngungsgesetz 156/98 Sb., das eine Grundlage für die Durchführung des basalen Bodenmonitorings bietet. Laut diesem Gesetz führt der Bereich Agrochemie, Boden und Pflanzenernährung (APVR) der Zentralen landwirtschaftlichen Kontroll- und Untersuchungsanstalt (ÚKZÚZ) seit 1992 nicht nur die gesetzlich vorgeschriebene allgemeine agrochemische Bodenuntersuchung, sondern - als eine Ergänzung dazu - auch das basale Bodenmonitoring durch. Das basale Bodenmonitoring dient zur Erfassung des Bodenzustandes und der Veränderung der Bodeneigenschaften sowie gleichzeitig der Erfassung der Einflüße, die auf den Boden wirken. Dieses Monitoring ist besonders wichtig in Bezug zu den ökologischen Bodenfunktionen sowie den Produktionsfunktionen des Bodens. Unser Beitrag stellt das Netz der Bodenmonitoringflächen, die bisher erzielten Ergebnisse sowie einen Vergleich der Risikoelementgehalte in den Böden Tschechiens und Bayerns vor. 2 Material und Methoden Unter der Koordination des Umweltsministeriums, das in Tschechien für den Bodenschutz zuständig ist, hat man in Jahren 1991 - 1992 ein Programm mit dem Namen „Basales Bodenmonitoring der Böden der Tschechischen Republik“ vorbereitet. Im Rahmen dieses Programms wurden Beobachtungsflächen angelegt, und zwar auf den landwirtschaftlich benutzten Böden (Grundsystem von 190 Standorte), auf den Waldböden (100 Standorte) und in Schutzgebieten (40 Standorte). Das Programm richtet sich nach einer komplexen Methodik, die einige Abweichungen für die einzelnen Landschaftstypen aufweist. Auf den landwirtschaftlich genutzten Böden wurde neben dem Grundsystem von 190 Standorten noch das Subsystem der kontaminierten Böden geschaffen, das mit weiteren 27 Standorte eine bedeutende Erweiterung des Bodenmonitorings darstellt. Diese liegen in Gebieten mit höheren Gehalten der fremdartigen Elemente im Boden, egal ob es sich um geogen (naturgemäß hohe Gehalte der betrachteten Stoffe im Boden) oder anthropogen (Immissionbelastung, Klärschlammanwendung, Industriegebiete) belastete Lokalitäten handelt. Dieses Subsystem liefert Informationen zur

129

Page 133: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Beurteilung der Risiken, die aus Bewirtschaftung der geogen kontaminierten oder anthropogen beschädigten Böden stammen. Dabei wurden solche Standorte ausgewählt, an denen mindestens eines der fremdartigen Elemente den Grenzwert überschritten hat. Die Beobachtungsflächen des Grundsystems wurden an repräsentativen Standorten auf Dauer eingerichtet. Es sind dabei alle Bodentypen entsprechend ihres Flächenanteils am Bodenfond der Tschechischen Republik vertreten. Die einzelnen Standorte wurden an Hand der bodenkundlichen Profilbeschreibung die im Rahmen der Erforschung der landwirtschaftlichen Böden in den Jahren 1961 – 1970 durchgeführt wurde, ausgewählt. Als Auswahlkriterium diente der Bodentyp nur auf den Ackerböden, in den anderen Fällen (Grünland, Hopfen, Wein, Obst) hat man den Bodentyp nur registriert. Die Anzahl der Beobachtungsflächen in den Regionen der Tschechischen Republik werden zusammen mit der Verteilung nach den Bodentypen in der Tabelle 1 angegeben. Das Netz der Beobachtungsflächen dieses Systems umfasst gleichmäßig alle Regionen (Tabelle 2) unter gleichzeitiger Berücksichtigung unterschiedlicher Produktionsbedingungen.

Tabelle 1: Verteilung der Beobachtungsflächen des basalen Monitorings der landwirtschaftlichen Böden in Tschechien SANKA et al., 1998

Bodentyp MB SB WB NB OB SM NM+S insgesamt

Hydromolisol 1 - - 1 - 1 - 3 Molisol-Černisol 3 - - 3 - 9 2 17 Fluvizem 4 3 - - 3 7 4 21 Glejsol 1 4 - - 2 1 3 11 Luvisol 7 3 5 5 7 7 4 38 Kambizem 5 12 11 7 12 10 4 61 Luvizem 4 1 1 1 - 2 4 13 Pseudoglej 2 3 4 - 2 1 4 16 Pararendzina - - - - 1 - - 1 Rendzina 2 - - - 1 1 - 4 Regosol 2 - 1 - - 1 - 4 Vertisol - - - - - 1 - 1

insgesamt 31 26 22 17 28 41 25 190

MB - Mittelböhmen, SB - Südböhmen, WB - Westböhmen, NB - Nordböhmen, OB - Ostböhmen, SM - Südmähren, NM + S - Nordmähren und Schlesien .

Tabelle 2: Verteilung der Beobachtungsflächen nach Regionen und Nutzungsarten SANKA et al., 1998

MB SB WB NB OB SM NM+S insgesamt

Ackerboden 28 21 18 10 21 29 20 147 Grünland 1 4 4 3 7 3 5 27 Hopfen 1 3 4 Wein 5 5 Obst 1 1 1 4 7

insgesamt 31 26 22 17 28 41 25 190

MB - Mittelböhmen, SB - Südböhmen, WB - Westböhmen, NB - Nordböhmen, OB - Ostböhmen, SM - Südmähren, NM + S - Nordmähren und Schlesien An jedem Standort wurde ein Bodenprofil angelegt um die Beobachtungsfläche so genau wie möglich zu charakterisieren und um die Bodenproben zur Ermittlung der physikalischen und agrochemischen Eigenschaften entzunehmen. Den Gehalt der verfügbaren Nährstoffe im Boden stellt man nicht nur mit Hilfe der in Tschechien vorgeschriebenen Mehlich II - Methode, sondern auch mit den klassischen Methoden (CAL, Schachtschabel) fest um den Vergleich mit ausländischen Ergebnissen zu

130

Page 134: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

ermöglichen. Die Beschreibung des Profils sowie weitere Daten wie etwa agrotechnische Maßnahmen, Menge und Art der applizierten Dünger und Pflanzenschutzmittel werden in die Identifikationskarte der Beobachtugsfläche eingetragen. Die Beobachtungen laufen in mehrjährigen Zyklen - das Jahr 2001 stellt das Ende des 2. Zyklus dar. Im Rahmen des ganzen Projekts hat man im Jahre 1997 insgesamt 40 Beobachtungsflächen ausgewählt, auf denen man auch Gehalte ausgewählter organischer Schadstoffe bestimmt. Ziel ist es ihre Dynamik im Boden zu beobachten und eventuell auch Rückschlüsse auf die Emissionsquellen zu ziehen. Von diesen Flächen gehören 35 zum landwirtschaftlichen Bodenmonitoring, die fünf restlichen wurden in Schutzgebieten eingerichtet, um die Hintergrundwerte ermitteln zu können. Nachträglich bewertet man einige biochemische und mikrobiologische Bodeneigenschaften um festzustellen ob es möglich ist sie zur Charakterisierung der ökologischen und Produktionsfunktionen des Bodens zu benutzen. Diese Untersuchungen werden nicht ständig durchgeführt. Über die Änderungen des Untersuchungsplanes oder die Beendigung dieser Untersuchungen wird an Hand der eingegangenen Ergebnisse entschieden. Ein sehr wichtiger Bestandteil des Bodenmonitorings sind die Pflanzenanalysen, die man im Subsystem der kontaminierten Böden und zum Vergleich auch auf manchen Flächen des Grundsystems vornimmt, um die Übergangskoeffiziente der fremdartigen Elemente im System Boden - Pflanze auf verschieden belasteten Standorten sowie deren Bewegung im Boden zu ermitteln. Ergebnisse dieser Beobachtungen dienen zur Beurteilung des Anteiles einzelner Komponenten des Ökosystems auf die Kontamination der Produktionsgüter, zur Ermittlung der Belastungsquellen sowie zur Verbesserung der benutzten Untersuchungsmethoden. Jährlich werden aus dem Grundsystem und aus dem Subsystem der kontaminierten Böden 50 Proben entnommen. Zum Bodenmonitoring gehört auch die Bestimmung der atmosphärischen Deposition, die einen bedeutenden Eintrag der nicht nur fremdartigen Stoffe in den Boden liefert. 3 Ergebnisse und Diskussion In Tschechien stellt man seit 1951 systematisch die Bodenazidität und Gehalte der verfügbaren Nährstoffe im Boden fest. Diese agrochemische Bodenuntersuchung dient zur Kontrolle der Düngung in der ganzen Republik. In den letzten Jahren wurde solcherweise mehr als 1.360.000 ha untersucht (Tabelle 3). Das Monitoring, das wesentlich genauer ist, verfolgt auf einer bestimmten Anzahl von Standorte die Änderungen weiterer Bodeneigenschaften. Darüberhinaus ist es hier möglich die Anforderungen der Behörden zu erfüllen, die genaue Unterlagen mit möglichst viel Einzelheiten brauchen. Im Bedarfsfall kann man eventuell auch archivierte Bodenproben analysieren.

Tabelle 3: Agrochemsche Eigenschaften der landwirtschaftlichen Böden in Tschechien (1993 – 1995) ÚKZÚZ, 1997

pH P K Ca Mg mg kg-1 des Bodens

Ackerboden 6,4 81 239 2996 171Grünland 5,9 54 179 2574 212Hopfen 7,0 181 550 4296 262Wein 7,3 93 341 6704 295Obst 6,6 102 349 4091 241

landwirtschaftliche Böden 6,4 79 236 2986 175

Die Beobachtungsflächen hat man sorgfältig ausgesucht, so daß sie genügend representativ sind, wie übrigens der Vergleich mit Ergebnissen der agrochemischen Bodenuntersuchung zeigt (Tabelle 4). Diese Angaben, die man als Ausgangspunkt bezeichnen kann, werden als Grundlage der nächsten Bewertungen dienen.

131

Page 135: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 4: Gehalt der annehmbaren Nährstoffe in Ackerböden des Monitoringsgrundsystems ÚKZÚZ, 1995

statistische Merkmale Mittel

Methode Horizont Mittel Minimum Maximum Tschechien

pH

Azidität Oberboden 6,4 4,5 7,6 6,4

KCl Unterboden 6,1 4,0 7,8

mg kg-1 des Bodens

Oberboden 78 15 401 81

Phosphor Mehlich II Unterboden 29 1 209

P Oberboden 51 0 239

CAL Unterboden 18 1 357

Oberboden 213 48 1019 239

Kalium Mehlich Unterboden 149 40 1011

K Oberboden 156 0 878

CAL Unterboden 96 23 500

Kalzium Oberboden 2831 601 11511 2996

Ca Mehlich II Unterboden 3094 190 34105

Magnesium Oberboden 173 25 1378 171

Mg Mehlich II Unterboden 213 15 979

Tabelle 5: Nährstoffzustand der Ackerbäden der Bodenbeobachtungsflächen in Tschechien und in Bayern im Jahre 1995

Tchechien: Ackerböden des Grundsystems (CHVÁTAL, V. et P. NĚMEC, 1995)

Nährstoffversorgung SN N A + G H SH

P 14,8 24,6 48,3 5,7 6,6Flächenanteil % K 4,9 24,6 60,7 4,9 4,9 Mg 0,8 18,0 59,1 17,2 4,9

Bayern: Ackerböden der Boden-Dauerbeobachtungsflächen (MÜLLER, 1997)

Gehaltklasse A (SN) B (N) C (G) D (H) E (SH)

P 1,0 6,9 27,5 46,0 18,6Flächenanteil % K - 8,8 28,5 40,2 22,5 Mg 46,1 - 59,8 13,7 -

Klassifizierung in Tschechien: SN - sehr niederig, N - niedrig, A - ausreichend, G - gut, H - hoch, SH - sehr hoch

Es ist nicht möglich die Mittelwerte der Bodenuntersuchung aus Bayern und Tschechien einfach zu vergleichen, da beide Länder unterschiedliche analytische Verfahren benutzen. Auch der Vergleich der Verteilungen innerhalb der Gehaltsklassen ergibt keine besseren Anhaltspunkte, da sich nicht nur die Klassifizierung selbst sondern auch die bestimmenden Werte unterscheiden. Die Angaben der Tabelle 5 deuten jedoch an, daß die Böden in Bayern ein bißchen besser versorgt sind, vor allem mit Phosphor, als die Böden in Tschechien. Etwas einfacher ist es beim Vergleich der Gehalte der fremdartigen Elemente im Boden (Tabelle 6), die man in beiden Ländern als Gesamtgehalte mit Hilfe von Königswasser (mit Ausnahme von Quecksilber) ermittelt. Der Umfang der untersuchten Parameter ist jedoch in Tschechien größer, da sich in Bayern das untersuchte Stoffspektrum auf Schwermetalle beschränkt. Fragwürdig bleiben aber

132

Page 136: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

die Grenzwerte, die zwar in Tschechien weniger streng sind als die Grenzwerte der AbfKlär Verordnung in Bayern. Aus Tabelle 6 ist jedoch ersichtlich, daß die Gehalte der fremdartigen Elemente in den Ackerböden des Grundsystems selbst unter strengeren Grenzwerten der AbfKlärVO liegen. Tabelle 6: Gesamtgehalt (im Koengswasserextrakt) der fremartigen Elemente in Ackerboeden der Dauerbeobachtungsflaechen in Tschechien und in Bayern im Jahre 1995 CHVÁTAL, V. et P. NĚMEC, 1995, MÜLLER, 1997

Tschechien Bayern

Element

Horizont

Mittel Grundsystem

Mittel kont.Böden

Grenzwert V. 13/94 Sb.

Mittel BDF

Grenzwert AbfKlärV

mg kg-1

Arsen Oberboden 11,26 46,02 30,00

As Unterboden 11,08 44,62

Beryllium Oberboden 1,26 1,84 7,00

Be Unterboden 1,33 1,63

Cadmium Oberboden 0,31 1,95 1,00 0,28 1,00

Cd Unterboden 0,23 1,24 0,19

Kobalt Oberboden 10,69 15,97 50,00

Co Unterboden 11,44 16,99

Chrom Oberboden 40,22 150,21 200,00 42,70 100,00

Cr Unterboden 42,48 176,18 42,94

Kupfer Oberboden 20,75 58,48 100,00 18,57 60,00

Cu Unterboden 19,85 53,91 19,63

Quecksilber Oberboden 0,11 0,80 0,13 1,00

Hg Unterboden 0,06 0,05

Molybdän Oberboden 0,32 0,70 5,00

Mo Unterboden 0,26 0,63

Nickel Oberboden 22,99 32,96 80,00 38,17 50,00

Ni Unterboden 24,98 37,05 32,73

Blei Oberboden 22,71 149,65 140,00 39,55 100,00

Pb Unterboden 17,68 109,36 31,92

Vanadium Oberboden 46,20 67,20 220,00

V Unterboden 49,08 69,19

Zink Oberboden 69,51 265,98 200,00 69,78 150,00

Zn Unterboden 65,98 200,23 71,15

4 Schlußfolgerung Im Jahre 1992 wurde in der Tschechischen Republik das Bodenmonitoringprogramm eingerichtet, das im Grundsystem 190 Standorte der landwirtschaftlich genutzten Böden und weitere 27 Standorte im Subsystem der kontaminierten Böden umfasst. Die Beobachtungsflächen entsprechen den Verhältnissen in Tschechien und sind ausreichend repräsentativ. Im Vergleich mit den Ergebnissen des bayerischen Monitoring scheint es, daß die Böden in Bayern mit Nährstoffen ein bißchen besser versorgt sind, besonders mit Phosphor. Die Gehalte der fremdartigen Elemente liegen in beiden

133

Page 137: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Ländern in vergleichbaren Konzentrationsbereichen. In Bayern bleiben die Untersuchungen jedoch auf die Schwermetalle beschränkt. Die erhaltenen Daten werden als Ausgangspunkt für zukünftige Bewertungen benutzt. 5 Literatur CHVÁTAL, V. et P. NĚMEC (1995): Sledování obsahu živin na pozorovacích plochách bazálního monitoringu zemědělských půd (Betrachtung des Naehrstoffsgehaltes an den Beobachtungsflaechen des basalen Bodenmonitorings im Jahre 1995). ÚKZÚZ Brno, Bereich APVR CHVÁTAL, V. et J. KRÁLOVEC (1999): Belastung der landwirtschaftlichen Böden im Landkreis Cheb (Eger) mit Risikoelementen. In: Bodenschutz und Altlastensanierung. Marktredwitzer Bodenschutztage: 224 - 227 MÜLLER, Ch. (1997): Konzeption des BDF-Programms. In: Boden-Dauerbeobachtungsflächen, Bericht nach 10jähriger Laufzeit, Teil I, Bodenkultur und Pflanzenbau, Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau 4/97 SÁŇKA, M., V. CHVÁTAL et P. NĚMEC (1998): Bazální monitoring zemědělských půd a monitoring atmosférické depozice. Metodické postupy (Basales Bodenmonitoring und Monitoring der atmosphärischen Deposition. Methodische Verfahren). ÚKZÚZ Brno, Bereich APVR ÚKZÚZ (1997): Kontrola úrodnosti půd 1993 - 1995 (Kontrolle der Bodenfruchtbarkeit). ÚKZÚZ Brno, Bereich APVR

134

Page 138: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Landschaft und Geologie zwischen Marktredwitz und Sokolov

Baburek, J.1 & Rohrmüller, J.2

1) Cesky Geologicky Ustav, Klarov 3, 11821 Praha 1 e-mail: [email protected]

2) Bayerisches Geologisches Landesamt, Außenst. Marktredwitz, Leopoldstr. 30, 95615 Marktredwitz e-mail: [email protected]

Abstract: Route to Sokolov; Marktredwitz (Variscan granodioritic and dioritic intursiva so called Redwitzit and in the southeast Tertiary basalts S Wölsau and in the Reichsforst) – driving in direction to Schirnding passing Arzberg ( central part of the Fichtelgebirge with the metamorphic rocks of the Arzberg Varied Group, f.e. marble in Arzberg, and Tertiary basalts of the Steinberg NW Schirnding further Lower Ordovician Frauenbach Quarzit at the Kohlberg and Lindenberg S Arzberg) – passing the Czech border E Schirnding (S of the border station outcrop of Tertiary sediments with layers of bituminous coal) – Cheb-Basin - about 14 km E of the border in the N of the national route to Cheb (Quaternary volcano of the Komorni Horka (Kammerbühl)) – Soos (CO2-mofettes, peat, sediments with diatoms) – Chlum-Schwelle – Sokolov-Basin . Zusammenfassung: Anfahrt nach Sokolov; Marktredwitz (Redwitzit und Erhebung mit teritären Basalten S Wölsau und im Reichsforst) – Richtung Schirnding vorbei an Arzberg (Zentrale Hochfläche mit metamorphen Gesteinen der Arzberger Bunten Gruppe, z.B. Marmor bei Arzberg, und tertiärer Basalt am Steinberg NW Schirnding sowie unterordovizischer Frauenbach-Quarzit am Kohlberg und Lindenberg S Arzberg) – Grenzübergang Schirnding (S Grenzübergang Abbaugrube der Firma Hardt in Tertiärsedimenten mit Braunkohlehorizont) – Cheb-Becken - ca. 14 km nach Grenze N National-straße nach Cheb (Eger) quartärer Vulkan des Komorni Hurka (Kammerbühl)) – Soos (rezente CO2-Entgasung (Mofetten), holozäne Torfe und Diatomeenablagerungen) – Chlum-Schwelle – Sokolov-Becken . Keywords: Fichtelgebirge, Cheb-Basin, Sokolov-Basin, Redwitzite, Tertiary basalts, Tertiary sediments; Schlagworte: Fichtelgebirge, Cheb-Becken (Eger-Becken), Sokolov-Becken, Redwitzit, Tertiäre Basalte, Tertiäre Sedimente; 1 Fichtelgebirge

(J. Rohrmüller) Die Stadt Marktredwitz liegt im Südteil des Zentralen Fichtelgebirges. Durch die in dieser Region vorkommende und nach dem Ort benannte Gesteinsgruppe Redwitzite hat der Name Eingang in die geologische Literatur gefunden. Bei den Redwitziten handelt es sich um Biotit-reiche Granodiorite, Quarzdiorite, Diorite, Gabbros und Norite, die zum Teil große Biotitkristalle mit einem typischen sperrigen Gefüge führen. Diese magmatischen Tiefengesteine sind vor mehr als 330 Millionen Jahren als glutflüssiger Schmelzbrei in einer Tiefe von 10 bis 15 km in umgebende Glimmerschiefer und Marmore eingedrungen und dort auskristallisiert. Durch den Neubau der A93 östlich von Marktred-witz wurden ausgezeichnete Aufschlüsse in diesen Gesteinen geschaffen. Große gerundete Felsblöcke,

135

Page 139: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

die durch die Baumaßnahmen freigelegt wurden, sind entlang der Autobahn und zum Teil in künstleri-sche Objekte eingebunden im Stadtbereich von Marktredwitz zu sehen. Die Gesteine und die Landschaft des Fichtelgebirges sind in drei Zeitabschnitten der Erdgeschichte entscheidend geprägt worden. Bei der variskischen Gebirgsbildung vor mehr als 320 Millionen Jahren kollidierten große Kontinentblöcke Ureuropas mit Urafrika. Dabei wurden Gesteine, die vorher als Sedimente in Meeresbecken abgelagert wurden oder als Vulkanite ausgeflossen sind, subduziert. In Erdtiefen von über 10 km wurden diese Gesteine metamorph umgewandelt und verfaltetet. Gegen Ende der variskischen Gebirgsbildung drangen in diese metamorphen Gesteine glutflüssige Schmelzen ein und kristallisierten dort aus (Granite und Redwitzite). Durch Abtragung gelangten diese Gesteins-serien an die Erdoberfläche. Aus dem Erdzeitalter des mittleren und jüngeren Tertiärs (ca. 28 Millio-nen Jahre und jünger) sind uns im Fichtelgebirge Sedimente und Vulkanite erhalten. Durch Deh-nungsvorgänge der Erdkruste, die zur Bildung des Egergrabens führten, entstanden Ablagerungsbe-cken und entlang von Bruchzonen, die bis in den Erdmantel reichten, drangen basaltische Schmelzen bis an die Erdoberfläche. Die Ausformung der jetzigen Landschaft erfolgte während des Pleistozäns (Zeitraum vor 2,5 Millionen Jahren bis vor 10000 Jahren). Das Fichtelgebirge ist ein Teil des Nordostbayerischen Grundgebirges. Es gliedert sich in eine zentrale Verebnungsfläche („Selb-Wunsiedler-Hochfläche“) und in die hufeisenförmig umgebenden Höhenzü-ge („Hohes Fichtelgebirge“). Geprägt wird die Landschaft durch die hauptsächlich aus Granit aufgebauten Höhenzüge mit Erhebungen bis über 1000 m (Schneeberg 1051 m, Ochsenkopf 1024 m), die Form eines nach Nordosten geöffneten „Hufeisens“ darstellen und einer zentralen, vorwiegend nach Osten ins Egerbecken (Eger und Röslau) und nur im nördlichen Gebiet nach Norden zur Saale (Lamitz und Perlenbach bei Schönwald) entwässernden, hügeligen, ehemaligen Verebnungsfläche mit durchschnittlichen Höhenlagen um 500 bis 650 m NN. Der Zusammenfluss der Eger und der Röslau östlich von Schirnding liegt bei 443 m NN. Ein Zusammenhang zwischen dem geologischen Untergrund und der Morphologie wird besonders bei der Gruppe der „jüngeren“ Fichtelgebirgsgranite (Kerngranit, Randgranit, Zinngranit) deutlich. Der Kleine und Große Kornberg, der Waldstein- und Epprechtsteinhöhenzug, die den Nordost-streichenden Nordteil der Hufeisenstruktur bilden, sowie das Schneebergmassiv und das Kösseine-massiv des Fichtelgebirgszentralstockes werden aus diesen Granittypen aufgebaut. Das innere Fichtelgebirge besteht aus den Gesteinseinheiten der Gruppe der „älteren“ Fichtelgebirgsgranite mit dem Weißenstadt-Marktleuthen Granit und dem Selber Granit und den hauptsächlich kambro-ordovizischen Metasedimenten. Im Südostteil sind die tertiären Basalte (ca. 20 Millionen Jahre alte Vulkanite) des Ruhe-Berges (693 m NN) und des Reichsforstes sowie die unterordovizischen Quarzite der Frauchenbach Gruppe (als Sandsteine vor ca. 490 Millionen Jahren abgelagert) am Kohl-Berg (633 m NN) und am Linden-Berg (643 m NN) gipfelbildend. Die Granite sind am Ende der variskischen Gebirgsbildung vor ca. 285 bis 326 Millionen Jahren in metamorphe Rahmengesteine als Schmelzen eingedrungen und dort auskristallisiert. Diese Rahmenge-steine, die während der variskischen Gebirgsbildung in der Erdkruste metamorph geprägt wurden, setzen sich zusammen aus ehemaligen Sedimentgesteinen, die hauptsächlich in den Erdzeitaltern des Kambriums und des Ordoviziums abgelagert wurden und jetzt als Gneise, Glimmerschiefer, Graphit-führende Schiefer, Phyllite, Quarzite und Marmor sowie Kalksilikatfelse vorliegen. Daneben existie-ren auch, metamorphe magmatische Gesteine wie Amphibolite, ehemalige Basalte, und helle feldspat-reiche Gneise, sogenannte Orthogneise, die Lokalnamen wie Wunsiedler Gneis oder Waldershofer

136

Page 140: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Gneis führen. Als Ausgangsgesteine für diese Orthogneise kommen zum einen ordovizische saure Vulkanite und zum anderen auch ordovizische saure Intrusivgesteine wie Granite in Frage. In den dolomitischen Marmoren in Gebiet um Arzberg treten zahlreiche Erzkörper aus Siederit und Ankerit auf. Aus diesen Eisenkarbonaten bildeten sich in den Verwitterungszonen limonitische Huterze, die im Mittelalter bevorzugt abgebaut wurden. Die letzten Bergbauversuche wurden 1939 bis 1941 unter-nommen. Den Abschluss des variskischen Magmatismus bilden in diesem Raum die Rhyolith- und Rhyodacitgänge, die zwischen der Johanneszeche/Göpfersgrün im Süden und Schönwald im Norden als Nord- bis Nordnordwest-streichende Gangschar die Granite und Metamorphite durchschlagen. Nach dem Ende der variskischen Gebirgsbildung war der Raum des Fichtelgebirges vermutlich über lange Perioden Abtragungsgebiet, wobei eine teilweise Überdeckung mit mesozoischen Sedimenten aufgrund großräumiger paläogeographischer Rekonstruktionen angenommen werden kann. Erst aus der Zeit des Tertiärs existieren wieder Sedimentgesteine und Basalte, deren Entstehung in Verbindung mit der Bildung des Egergrabens zu sehen ist. Bei Marktredwitz ist der östliche Randbereich der Nordost-streichenden Waldershofer Senke angeschnitten, in der vermutlich oligozäne bis miozäne Sedimente (Kiese, Sande, Tone, z.T. Braunkohle) über tiefgründig verwitterten Metamorphiten auftreten. Bei Klausen, östlich von Seußen, und östlich von Schirnding sind ebenfalls oligozäne bis miozäne Sedimente mit eingelagerten Braunkohlelagen verbreitet. Die in tertiäre Tone eingebetteten Blätterschiefer bei Klausen wurden zwischen 1762 und 1837 zur Alaungewinnung Untertage abge-baut. Diese Grubenanlagen sind inzwischen verfallen und die Halde ist vollständig überwachsen. Östlich von Schirnding treten bis zu 15 m mächtige, siltige Tone und Sande auf, die von bis zu 9 m mächtigen Braunkohlelagen mit zahlreichen Tonzwischenlagen überlagert werden, darüber folgen wieder Kiese. Weitere Vorkommen mit tertiären Sedimenten existieren bei Seedorf, südöstlich Arzberg, und südlich des Steinberges, nördlich Arzberg. Die Kaolinvorkommen südlich des Steinber-ges waren die Rohstoffbasis für den Aufbau der Porzellanherstellung in Hohenberg/Eger durch C. M. Hutschenreuther in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Gründung 1814). An der Basis der tertiären Sedimente sind die kristallinen Gesteine häufig tiefgründig verwittert. Diese Verwitterungsprofile sind das Produkt kreidezeitlicher und tertiären Verwitterungsvorgänge in tropischen feucht-warmen Klimabereichen. Als verwitterungsresistentere Härtlinge wurden die Basaltschlote und –spalten bei Thierstein, am Schlossberg bei Neuhaus/Eger und am Steinberg sowie östlich von Marktredwitz (Haingrün S Wölsau, Ruhe-Berg, Reichsforst) herauspräpariert. Diese miozänen Basalte und Basalttuffe sind Teil des nordostbayerischen und nordwestböhmischen tertiären Basaltvulkanismus. Im Pleistozän gehörte das Fichtelgebirge zum Periglazialgebiet, d.h. es kam nicht zur Bildung von Vergletscherungen. Über dem Permafrost bildeten sich in den sommerlichen Auftauungsperioden bereits bei geringer Hangneigung durch hangabwärtsgerichtetes Bodenfließen Fließerden und Fließlehmen. Die Ausgestaltung der Landschaftsformen mit der Anlage der engen Talungen der Röslau, Kösseine, Eger, Lamitz und des Perlenbaches ist auf die pleistozänen Abtragungsvorgänge zurückzuführen 2 Geologische Beschreibung der Fahrtstrecke zwischen der Staatsgrenze bei Pomezi und

der SUAS in Sokolov (J. Baburek)

137

Page 141: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Der Grenzübergang bei Pomezi liegt auf einem der historischen Handelswege zwischen Bayern und Böhmen. Über die zwischen beiden historischen Ländern durch den Gebirgskamm des Cesky les- und Sumava-Gebirges gebildete natürliche Grenze, führten oft diese historischen Handelswege in den besser zugänglichen engen Senkungen. Auch im Fall des Grenzüberganges in Pomezi sehen wir gleich hinter der Grenze, dass wir uns in einer flachen Senkung befinden, rechts von den moldanubischen Phylliten (sog. Egerer Phyllite) und links von den Bergen des granitischen Fichtelgebirgsmassives umrahmt. Diese Senke heißt Franzensbader Korridor und stellt den westlichen Ausläufer des sog. Cheb-Beckens dar. Der Cheb-Becken gehört zum System der nordwestböhmischen Becken (weitere Sokolov- und Most-Becken), die in einer kontinentalen Riffzone südöstlich des Erzgebirges liegen. (Riffzone ist eine Dehnungszone mit erhöhter Wärmezufuhr). Die Sedimente des Chef-Beckens sind im Miozän-Pliozän entstanden. Von unten: ton-sandige Schichtenfolge mit Kohlenflözen, dann kommt die kalk-tonige Cyprisschichtenfolge mit teilweise fast 140 m mächtigen Sedimenten, und im Pliozän folgt die ton-sandige Vildstejn-Schichtenfolge mit den hochqualitativen Tonen und noch mehr verbreitetem Sedimentationsraum bis fast 170 m Mächtigkeit (im Osten). Die früher geschlossenen seeähnlichen Ablagerungsräume haben sich zuletzt in ein offenes Seesystem umgewandelt, das durch den Ur-Ohre(Eger)-Fluß durchgeflossen war und in dem sich komplizierte deltoide Sedimente bildeten. Im Pliozän ist es klimatisch kühler geworden, Palmen und Zedernbäume verschwanden. Der Franzensbader Korridor, durch den wir fahren, wird aus diesen jüngeren Sedimenten aufgebaut, die im Sokolov-Beckens schon fehlen. Das Cheb-Becken ist heute eine tektonisch abgegrenzte Senke, die sich an der Kreuzung des Eger-Riffes (NO-SW) und der Marienbader Störung (NW-SO) erstreckt. Seismisch gehört der NO-Teil des Beckens zu den aktivsten Regionen Mitteleuropas. In Franzensbad und Soos kommen heute Mineralquellen heraus, deren Sulphat-Natrium-Kalium-Chemismus zwar vom Auslaugen der Sedimente herkommt, CO2 und andere Gase stammen vermutlich aber durch tektonische Wege von wesentlich tieferen Zonen der Erdkruste und sogar vielleicht auch des Erdman-tels. Kurz vor Eger sehen wir von der neuen Straßenumfassung der Bezirkstadt Cheb einen kleinen Hügel linker Hand. Es handelt sich hierbei um den berühmten Kammerbühl, einen jungen quartären Vulkanberg (ca. 400.000 Jahre alt), an dem sich historische geologische Theorien formulierten. Im Jahre 1837 wurde hier vom Graf Caspar von Sternberg ein Stollen angelegt, der endgültig den Zufuhrschlot des Vulkans angeschnitten hat und damit den vulkanischen Ursprung des Berges (und der vielen anderen im Mitteleuropa) bewies. Die Initiative zu dieser rein wissenschaftlich begründeten Bergarbeit kam von dem Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe, einem häufigen Gast dieser Gegend in letzten Jahren seines Lebens. Bei der Abzweigung nach Kynsperk, etwa 12 km hinter Cheb, fahren wir auf eine gebirgige Land-schaft der sog. Chlum-Schwelle herauf. Es handelt sich um einen Ausläufer des erzgebirgischen Kristallins vom Norden, der von schwach metamorphen Zweiglimmer-Glimmerschiefern, Phylliten und Quarziten der vermutlich Arzberg-Serie gebildet ist. Irgendwo hier verläuft zugleich die konven-tionelle Grenze zwischen dem Saxothuringikum links (z.B. Erzgebirge) und dem Bohemikum, oder auch der Tepla-Barrandium-Zone rechts (Slavkov-Scholle, Tepla-Kristallin). Nach etwa 5 km, bei Sabina, fahren wir wieder herunter in das Sokolov-Becken, den tertiären Bruder des Cheb-Beckens. Hier, am rechten Rand des Beckens, an der Wand der Hornfelse der tektonisch abgegrenzten Slavkov-Scholle, kommen die tiefsten Sedimente des Beckens zutage (wie es an mehreren anderen Stellen des Beckenrandes der Fall ist). Es handelt sich um die Sande und Konglomerate der Stare Sedlo-Schichtenfolge, die vermutlich auch noch oligozänen Alters sind, viele Blattreste beinhalten und in dem Cheb-Becken nicht erhalten sind. Und nun nähern wir uns der Grube Jiri, wo die Kohlenflöze

138

Page 142: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Josef, Antonin und Anezka angegraben sind. Aber darüber folgen nähere Informationen an Ort und Stelle.

139

Page 143: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Bayerische Aktivitäten im Hinblick auf die Umsetzung der BayBodSchVwV - Das F&E-Vorhaben "Emissionsabschätzung / Prüfwerte"

Berger, W., Stoermer, J.

Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft, Demollstraße 32, 82407 Wielenbach e-mail: [email protected]

Abstract: The Bavarian State Ministry for Regional Development and Environmental Affairs starts the investigation program "emission estimate / trigger concentrations". The purpose of the project will be described and first results will be given. Zusammenfassung: Aufgrund bestehender Forschungsdefizite im Zusammenhang mit der im BBodSchG geforderten Sickerwasserprognose hat das Bayerische Staatsministerium für Landesent-wicklung und Umwelt das Forschungsthema "Emissionsabschätzung / Prüfwerte" in Auftrag gegeben. In diesem Beitrag sollen die Projektziele dargestellt und erste Ergebnisse präsentiert werden. Keywords: soil protection, emission estimate, trigger concentrations; Schlagworte: Bodenschutzgesetz, Emissionsabschätzung, Sickerwasserprognose, Prüfwerte; 1 Einleitung In Ergänzung zur BBodSchV ist mit der Veröffentlichung im Allgemeinen Ministerialblatt, Nummer 14, vom 31. Juni 2000, die “Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Bodenschutz- und Altlastenrechts in Bayern”(BayBodSchVwV) in Kraft gesetzt worden. Zur Umsetzung dieser Verwaltungsvorschrift ist vom Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft das Merkblatt 3.8/1 “Bewertung von Gewässerverun-reinigungen und schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten für den Wirkungspfad Boden-Wasser” erarbeitet worden. Das Merkblatt liegt derzeit im Entwurf dem Bayer. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umwelt zur Abstimmung vor. Mit der Veröffentlichung des Merkblattes wird im 2. Halbjahr 2001 gerechnet. Aufgrund bestehender Forschungsdefizite im Zusammenhang mit der Sickerwasserprognose hat das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umwelt das Forschungsthema "Auswertung und Durchführung von Sickerwasser-, Eluat- und Bodenuntersuchungen zur Ableitung von Prüfwerten zur Emissionsabschätzung bei Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen für den Wirkunspfad Boden-Grundwasser (Kurzbezeichung Emissionsabschätzung / Prüfwerte)" in Auftrag gegeben. Das Projekt wird vom Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft (LfW), Referat 55, Boden- und Grundwas-serökologie) bearbeitet und hat eine Laufzeit von 36 Monaten. Ziel des F&E Vorhabens ist die Entwicklung und Fortschreibung einer Verfahrensvorschrift für die Emissionsabschätzung/Sickerwasserprognose nach BBodSchV auf der Basis des bisherigen, praxis-bewährten Verfahrens in Bayern. In diesem Vorhaben sollen zum einen die vorliegenden umfangrei-chen Ergebnisse und Erfahrungen von Schadensfall- und Altlastenuntersuchungen (Boden-/ Boden-luft-, Eluat- und Grundwasseruntersuchungen) in eine auswertbare Form gebracht und anschließend empirisch ausgewertet werden. Zum andern sollen durch ergänzende Untersuchungen an bekannten Standorten die Datensammlung ergänzt bzw. vervollständigt werden. Bei den Stoffen soll der

139

Page 144: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Schwerpunkt zunächst bei den Schwer- und Halbmetallen liegen, für die in der BBodSchV Prüfwerte genannt sind. Im Einzelnen ergibt sich folgende Aufgabenstellung bzgl. der Abschätzung zur derzeiti-gen und künftigen Emission von wassergefährdenden Stoffen aus Bodenbelastungen: 1. Aufbau und Ergänzung einer Datenbank mit Untersuchungsergebnissen von Boden-, Eluat-,

Sickerwasser und Grundwasserproben aus Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen. 2. Auswertung der Untersuchungsergebnisse, insbesondere Korrelation zwischen Gesamtstoff- und

Eluatgehalten mit dem Ziel, einen vorläufigen Prüfwert für Gesamtstoffgehalte abzuleiten. 3. Aufbau von Messeinrichtungen und Durchführung von in-situ Sickerwasseruntersuchungen auf

unterschiedlich kontaminierten Standorten 4. Boden-/ Eluatuntersuchungen auf unterschiedlich belasteten Standorten mittels verschiedener

Elutionsverfahren (DIN 38414 S4, pH-stat, Säulenversuche) 5. Vergleich und Validierung der Laborergebnisse mit den Sickerwasseruntersuchungen am

entsprechenden Standort bzw. am Ort der Probenahme. Nachfolgend werden der bestehende Datenbestand erläutert und erste Ergebnisse einer graphischen Auswertung vorgestellt. Zudem soll die Frage diskutiert werden, ob eine Korrelation bei anorgani-schen Parametern zwischen Feststoff- und Eluatgehalten gegeben ist. Tab. 1: Übersicht zum Datenbestand anorganischer Parameter

ParameterAnzahl derDatensätze

Gesamtstoff

Anzahl derDatensätze

Eluat

Anzahl derDatensätze

Grundwasser

Antimon 220 128 99Arsen 615 412 99Barium 113 3 0Blei 490 292 99Cadmium 389 179 99Chrom, ges. 494 282 99Chromat 17 57 0Cyanid, ges. 143 17 0Cyanid, Leicht freis. 4 18 0Fluorid 0 9 0Kobalt 6 6 0Kupfer 591 395 99Molybdän 3 3 0Nickel 483 279 99Quecksilber 761 563 99Selen 2 2 0Thallium 2 2 0Zink 480 279 99Zinn 3 4 0Gesamtzahlder anorgan.Datensätze

4816 2930 891

140

Page 145: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2 Material und Methoden Gegenwärtig bilden mehr als 10.000 Einzelwerte die Grundlage der Datensammlung, die im Jahr 1997 im Rahmen eines Werkvertrages (STOERMER 1997) im Auftrag des LfW in einer EXCEL-Datei archiviert wurden. Die Daten entstammen der Bearbeitung bayerischer Altlastenverdachtsfällen und wurden den jeweiligen Gutachten entnommen. Zudem wurden als Datenquelle Prüfberichte verschie-dener Analyselabors bzw. Ing.-Büros aufgenommen. Die Datensammlung enthält sowohl an- als auch organische Parameter. Die Untersuchung der Feststoffphase erfolgt nach Aufschluss der Bodenproben (Königswasseraufschluss) für die zu betrachtenden Parameter entsprechend der zugehörigen DIN-Analysemethode. Die Elutionsversuche wurden weitgehend nach DIN 38414-S4 (100 g Trockensub-stanz / 1Liter Wasser) bzw. nach DIN 19730 (Ammoniumnitrat-Extrakt) durchgeführt. Sofern die Konzentration des untersuchten Parameters unterhalb der im Prüfbericht angegebenen Nachweisgren-ze lag wurde bei der Dateneingabe als Zahlenwert die halbe Nachweisgrenze in Ansatz gebracht. Die Struktur der Datensammlung war bisher so angelegt, dass lediglich eine Korrelationsabfrage von Eluat/Feststoffergebnis möglich ist. In einem ersten Arbeitsschritt wurde eine Access-Datenbank mit dem Titel „Emmi_01“ angelegt, in der die Stammdaten aus der EXCEL-Datei eingelesen wurden. In einem weiteren Schritt wurden die Einzelwerte der jeweiligen Bodenprobe zugeordnet. Die Umorgani-sation der Datenarchivierung erlaubt nun eine komplexe Datenauswertung, die neben der Korrelation von Eluat/Feststoffgehalt auch eine Betrachtung von Elementgruppen in der jeweiligen Phase (Feststoff, Eluat, Grundwasser) als auch nach Schadenfalltyp erlaubt. 3 Ergebnisse und Diskussion Die Übersicht zum derzeitigen Gesamtbestand der Datensammlung (Tab. 1) verdeutlicht eine ungleiche Datendichte der verschiedene Parameter. Beispielweise befinden sich jeweils mehr als 400 Feststoffanalyseergebnisse der Elemente Quecksilber, Kupfer, Arsen, Nickel und Blei in der Daten-sammlung. Dem gegenüber sind weniger als 10 Zahlenwerte der Elemente Kobalt, Molybdän, Selen, Thallium und Zinn dokumentiert. Die Datendichte der Elutionsanalyseergebnisse ist vergleichbar der Feststoffdatenmenge. Die Anzahl der Grundwasseranalysen beträgt bei den Hauptschwermetallen 99. Eine Prüfung der Datenqualität in Bezug auf eine komplexe Auswertung hat ergeben, dass nur ein geringer Teil der Daten für eine belastbare Auswertung zu Verfügung steht. Häufig fehlen Informatio-nen zum Schadenstyp, zur Lithologie des Probematerials als auch zum Elutionsverfahren. Hintergrund der eingeschränkten Datenarchivierung ist zu einem eine unvollständige Dokumentation der Prüfbe-richte. Zum anderen erfolgte die Datenerhebung über Dritte (Ing. Büros), die aus Datenschutzgründen die Informationen nur verschlüsselt weitergeben konnten. Nachfolgend soll die Auswertung auf den belastbaren Datensatz beschränkt werden, von dem beispielhaft in Abbildung 1 die Beziehung von Eluat- und Feststoffuntersuchung der Elemente Arsen und Quecksilber graphisch dargestellt sind. Es zeigt sich, dass eine Bodenprobe mit einer geringen als auch hohen Feststoffkonzentration im Eluatgehalt sowohl eine deutliche Über- als Unterschreitung des Prüfwertes aufweisen kann. Daraus folgt, die Feststoffkonzentration kann als Hinweis auf das mögliche Elutionspotential nur eingeschränkt verwendet werden. Für die Eluierbarkeit der Elemente ist sowohl deren Bindungsformen, als auch der geochemische Milieuzustand entscheidend. Diese Beobachtung stützt die in der Praxis weitgehend angewandte Forderung eines Nachweises zur Eluierbarkeit eines Elementes. Die in den Abbildung auftretenden waagerechten bzw. senkrecht

141

Page 146: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

verlaufende Datenpunktanreihungen resultieren aus der Konvention, die Werte unterhalb der Nach-weisgrenze mit dem halben Wert der Nachweisgrenze zu dokumentieren. Wird die Beziehung verschiedener Elemente innerhalb der Feststoffphase bzw. im Eluat betrachtet, so kann bezogen auf das Beispiel Zink und Kupfer (Abb.2) eine positive Korrelation innerhalb der Feststoffphase festgestellt werden. Im Eluat hingegen ist keine Korrelation gegeben. Für alle weiteren Elemente der Datensammlung kann häufig ein Trend zur positiven Korrelation innerhalb der Fest-stoffphase beobachtet werden. Im Eluat jedoch weist kein Element eine solche Korrelation auf.

0.1 1 10 100 1000Feststoffgehalt in mg/kg

0.1

1

10

100

1000

Elu

atge

halt

in µ

g/l

Arsen

Ars

en Prüfwert

0.01 0.1 1 10 100 1000Feststoffgehalt in mg/kg

0.01

0.1

1

10

Eluatgehalt in µg/l

Quecksilber

Quecksilber

Prüfwert

Abb. 1: Korrelation Eluat- zu Feststoffgehalt

1 10 100 1000 10000 100000Feststoffgehalt in mg/kg

1

10

100

1000

10000

100000

1000000

Fest

stof

fgeh

alt i

n m

g/kg

Kupfer

Zink

0.1 1 10 100Eluatgehalt in µg/l

0.1

1

10

100

1000

10000

Elu

atge

halt

in µ

g/l

Kupfer

Zink

Prüfwert

Prü

fwer

t

Abb. 2: Korrelation von Zink/Kupfer, links) Feststoff-/Feststoffgehalt, rechts) Eluat-/Eluatgehalt

142

Page 147: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

4 Schlussfolgerung Ziel ist eine komplexe Datenauswertung von Untersuchungsergebnissen der Altlastenbearbeitung sowohl nach Bodenart, als auch nach Schadensfall. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beträgt die Anzahl der hierzu geeigneten Analysedaten je nach Element zwischen 3 bis 60 Analyseergebnisse. Ferner liegt der Wertebereich der Analysenergebnisse überwiegend unterhalb der in der BBodSchV genann-ten Prüfwerte, bzw. unterhalb der Nachweisgrenze der Analysemethode. Bezogen auf diese Situation ist es notwendig die Datenbasis hinsichtlich Datenmenge und Wertebereich (> Prüfwert) und Anzahl der Schadensfälle aus statistischen Gründen zu erweitern. Hierzu ist eine gezielte Datenrecharge in Zusammenarbeit mit den Bayer. Wasserwirtschaftsämtern angelaufen. Zudem ist eine Implementie-rung von Datensammlungen anderer Bundesländer angestrebt. Hinsichtlich einer möglichen Korrelati-on von Eluat- / Feststoffgehalt kann festgehalten werden, dass die vorhandenen Daten eine solche Beziehung nicht belegen. 5 Literatur DIN 38414-4, (1984): Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersu-chung, Gruppe S, Bestimmung der Eluierbarkeit mit Wasser (S4). DIN 19730, (1997): Bodenbeschaffenheit - Extraktion von Spurenelementen mit Ammoniumnitratlö-sung. STOERMER, J. (1997): Zusammenhang zwischen Gesamtstoff- und Eluatgehalten in Bodenproben aus Altlasten/Schadensfällen, Bericht zum Werkvertrag für das Sachgebiet 35, Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft, unveröffentlichter Bericht.

143

Page 148: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

144

Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden; hier am Beispiel von Klärschlamm im Rahmen eines

Rekultivierungsvorhabens

Cicholinski, Eva Landratsamt Berchtesgadener Land, Salzburger Str.64, 83435 Bad Reichenhall

e-mail: [email protected]

Abstract: The requirements of bringing materials in or on the soil have been extensively settled since the come into effect of the federal soil protection law (BBodSchG) and the other soil protection regulations. In the following especially the § 12 BBodSchG will be described in a pattern. According to an example of the sewage mud in course of a recultivation project with subsequent agricultural use of this pattern. Zusammenfassung: Seit dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) und der untergesetzlichen Regelwerke sind auch die Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden umfassend geregelt. Im folgenden wird insbesondere der § 12 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) schematisch dargestellt. Anwendungsbeispiel: Klärschlammaufbringung im Rahmen von Rekultivierungen. Keywords: Precaution, manufacture a rooted soilcoat, sewage mud Schlagworte: Vorsorge, Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht, Klärschlamm 1 Regelungsumfang des § 12 BBodSchV (materielle Anforderungen) Material § 12 Abs.1 BBodSchV § 12 Abs.2 Satz 1 BBodSchV Bodenmaterial,

§ 2 Nr. 1 BBodSchV Für die landwirtschaft-liche Folgenutzung sind in § 12 Abs. 6 BBodSchV geregelt, ansonsten fachliche Qualitätsanforderungen nach anderen Vorschriften, vgl. letzte Spalte.

Baggergut nach DIN 19731 (Ausg.5/98)

Gemische von Bodenmaterial mit Abfällen Qualitätsanforde- rungen: Verordnungen nach § 8 des KrW/AbfG u. AbfKlärV

Sonstige Materialien Qualitätsanforderungen nach anderen Vorschriften, insb. Anforderungen nach abfallrechtlichen Vorschriften (z.B.Technische Regeln der LAGA 1994).

Auf- und Einbringen auf oder in eine durchwurzelbare Bodenschicht im Rahmen von Rekultivierungsvorhaben einschl. Wiedernutzbarmachung und

Beschränkung auf bestimmte Vorhaben

Zur Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht

zur Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht im Rahmen von Rekultivierungsvorhaben

Die Besorgnis des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen gem. § 7 Abs. 2 BBodSchG und § 9 BBodSchV darf am Ort des Vorhabens nicht hervorgerufen werden.

Zielvorgaben

Eine der Bodenfunktionen nach § 2 Abs.2 Nr. 1 und 3 b) und c) BBodSchG wird durch das Vorhaben nachhaltig gesichert und wiederhergestellt.

Untersuchungen vor dem Auf- und

Untersuchungen vor dem Auf- und Einbringen der Materialien nach Art, Menge, Schadstoffgehalten und physikalischen Eigenschaften nach Anhang 1 der BBodSchV (gem § 12 Abs. 3 Satz 1BBodSchV).

Page 149: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

145

Weitere Untersuchungen der Böden nach den Schadstoffgehalten am Ort des Auf-und Einbringens können angeordnet werden, § 12 Abs. 3 BBodSchV. Hier: Die Beurteilung der Böden bezieht sich auf die Schadstoffgehalte nach Vollzug der Maßnahme.

Einbringen gem § 12 Abs. 3 BBodSchV

Untersuchungspflichtige: Grundstückseigentümer, Inhaber der tatsächlichen Gewalt (z.B. Pächter,und diejenigen, die Verrichtungen auf dem Grundstück durchführen oder durchführen lassen (z.B.Bauunternehmer), § 7 Satz1 BBodSchG.

Ergänzende Regelungen:

Nachhaltige Sicherung oder Wiederhersstellung der Ertragsfähigkeit. Die Ertragsfähigkeit darf nicht dauerhaft verringert werden (§12 Abs.5 BBodSchV).

Landwirtschaft-liche und gärtnerische Nutzung

Die Nährstoffzufuhr ist nach Menge und Verfügbarkeit dem Pflanzenbedarf der Folgevegetation anzupassen; DIN 18919 Ausgabe 09/90 (§ 12 Abs.7 BBodSchV).

Die Schadstoffgehalte in der entstandenen durchwurzelbaren Bodenschicht sollen 70 Prozent der Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 der BBodSchV nicht überschreiten (§12 Abs. 4 BBodSchV)

Herstellung einer durchwurzel-baren Bodenschicht mit landwirt-schaftlicher Folgenutzung

Es soll nach Art, Menge und Schadstoffgehalt geeignetes Bodenmaterial gem. § 2 Nr. 1 BBodSchV (keine Gemische mit Abfällen!) aufgebracht werden (§ 12 Abs. 6 BBodSchV).

Bautechnische Anforderungen

Es sollen Verdichtungen und Vernässungen und sonstige nachteilige Bodenveränderungen vermieden werden; die DIN 19731 ist zu beachten (§ 12 Abs. 9 BBodSchV).

Böden, die die natürlichen Bodenfunktionen nach § 2 Nr. 1 und 2 BBodSchG besonders erfüllen

Vom Auf- und Einbringen von Materialien sollen diese Böden ausgeschlossen werden (§12 Abs. 8 BBodSchV). Dies gilt insb. für Böden im Wald, in Wasserschutzgebieten und Gebieten, die nach dem BNatSchG rechtsverbindlich unter Schutz gestellt wurden (vgl. Aufzählung in § 12 Abs. 8 Satz 2 BBodSchV) – nicht in Landschaftsschutzgebieten ( Ausnahmeregelung, s. unten).

In Gebieten mit erhöhten Schadstoff-gehalten

Die Gebiete können von der Behörde festgelegt werden. Bei der Verlagerung von Bodenmaterial dürfen keine zusätzlichen Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen nach § 2 Abs. 2 Nr.1 und 3 Buchst.b) und c) BBodSchG entstehen (§ 12 Abs. 10 BBodSchV) Ausnahmeregelung s. unten.

Bei Sanierungsmaß-nahmen

Bodenmaterial, das bei Sanierungen anfällt, darf auch im Bereich derselben schädlichen Bodenveränderung oder Altlast oder innerhalb eines Gebiets, für das ein verbindlicher Sanierungsplan besteht nur aufgebracht werden, wenn dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen entstehen (§12 Abs. 11, § 5 Abs. 6 BBodSchV i.V.m. § 4 Abs.3 BBodSchG).

Ausnahme- regelungen

Zulässigkeit der Zwischen- und Umlagerung bei der Errichtung, dem Umbau baulicher und betrieblicher Anlagen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG).

Aufgrund forst- und naturschutzfachlicher Belange oder zum Schutz des Grundwassers können Abweichungen von der Regelung des § 12 Abs. 8 BBodSchG (Verbot des Auf-und Einbringens von Materialien auf Böden im Wald, in Wasserschutzgebieten, oder naturschutzrechtlich besonderen Gebieten) zugelassen werden.

Abweichungen von § 12 Abs. 3 und 4 BBodSchV können in Gebieten mit erhöhten Schadstoffgehalten zugelassen werden (§ 12 Abs 10 BBodSchV).

Bei Erosionen oder zur Rückführung von Bodenmaterial aus der Reinigung landwirtschaftlicher Ernteprodukte besteht keine Untersuchungs-pflicht nach § 12 Abs.3 BBodSchV beim Auf- und Einbringen von Bodenmaterial auf landwirtschaftliche Nutzflächen (§ 12 Abs. 12 BBodSchV).

Page 150: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

146

2 Zulässigkeit der Auf- und Einbringung von Klärschlamm im Rahmen von Rekultivierungsvorhaben

Die Entsorgung des Klärschlamms ist spätestens seit der großen BSE-Krise im Herbst 2000 wieder ein Problem für die entsorgungspflichtigen Körperschaften. Bisher wurde er als günstiges Düngemittel in der Landwirtschaft verwendet. Zukünftig wird die Landwirtschaft als Absatzmarkt für den Klärschlamm der Kommunen aufgrund der restriktiven gesetzlichen Bestimmungen und der zusätzlichen Auflagen der Molkereien wohl bald nicht mehr in Betracht kommen. Alternative Einsatzmöglichkeiten ergeben sich z.B. bei Rekultivierungsvorhaben, wenn eine durchwurzelbare Bodenschicht hergestellt werden soll. Die gesetzlichen Anforderungen ergeben sich aus § 12 BBodSchV: Material Klärschlamm, der die stofflichen Qualitätsanforderungen der AbfklärV erfüllt, darf als

Gemisch (nicht als reiner Klärschlamm) mit Bodenmaterial zur Rekultivierung verwendet werden (§ 12 Abs. 1 BBodSchV)

Vorhaben Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht im Rahmen von Rekultivierungsvorhaben (§ 12 Abs.1 und Abs.2 BBodSchV). Es darf durch Art, Menge, Schadstoffgehalt und den physikalischen Eigenschaften des Gemischs am Ort des Auf- und Einbringens nicht zur Besorgnis der Entstehung schädlicher Bodenveränderungen führen (§ 12 Abs. 2 Tiret 1 BBodSchV).

Zielvorgaben

Die Nützlichkeit des Vorhabens muss gegeben sein: Mindestens eine der Bodenfunktionen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Buchstabe b und c BBodSchG muss dadurch nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden (§ 12 Abs.2 Tiret 2 BBodSchV). Vor dem Auf- und Einbringen sind die notwendigen Untersuchungen nach Anhang 1 der BBodSchV durch die Untersuchungspflichtigen nach § 7 BBodSchG vorzunehmen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BBodSchV).

Untersuchungen

Weitere Untersuchungen des Bodens am Ort des Vorhabens können angeordnet werden; die Anforderungen der DIN 19731 (Ausgabe 5/98) sind zu beachten (§12 Abs. 3 Tiret 2 BBodSchV). Landwirtschaftliche oder gärtnerische Folgenutzung, Anforderungen nach Abs. 4 bis 7: Die Ertragsfähigkeit muss nachhaltig gesichert und wiederhergestellt werden, keine dauerhafte Verringerung der Ertragsfähigkeit (§12 Abs. 5 BBodSchV). Nährstoffzufuhr entsprechend DIN 18919, Ausgabe 09/90, gem. § 12 Abs. 7 BBodSchV.

Zusätzliche Anforderungen

Reine landwirtschaftliche Bodennutzung. Es darf nur Bodenmaterial verwendet werden, keine Gemische mit Abfällen, kein reiner Klärschlamm (§ 12 Abs. 6BBodSchV). Die Schadstoffgehalte dürfen 70 % der Vorsorgewerte nach Anh. 2 Nr. 4 der BBodSchV nicht überschreiten

Zuständigkeit für die Feststellung, ob eine schädliche Bodenverände-rung zu besorgen ist

Das Wasserwirtschaftsamt soll im Rahmen seiner Beteiligung nach Art. 10 Abs.2 BayBodSchG im Einzelfall diese Feststellung treffen. Für den Wirkungspfad Boden-Mensch, haben dies die für das Gesundheitswesen zuständige Fachbehörde, für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze, das Amt für Landwirtschaft und Ernährung zu treffen. Bei landwirtschaftlich genutzten Flächen ist die Einholung eines Einvernehmens des Amtes für Landwirtschaft und Ernährung nach § 17 Abs. 1 BBodSchG erforderlich Wird eine durchwurzelbare Bodenschicht erst hergestellt liegt keine landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung vor, die AbfklärV findet nur bei den stofflichen Anforderungen nach § 12 Abs. 1 BBodSchV Anwendung, vgl. oben „Material“. Bei einer landwirtschaftlichen Folgenutzung finden bei einem Vorhaben i.S.d. § 12 Abs. 1 und 2 BBodSchV die Vorschriften der AbfKlärV darüber hinaus keine Anwendung.

Abgrenzung zur AbfKlärV

Anders: Die durchwurzelbare Bodenschicht ist bereits hergestellt worden und der Boden wird in der Folge landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt, so findet nun für die Aufbringung von Klärschlamm die AbfklärV Anwendung, § 12 BBodSchV ist hier subsidiär § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 BBodSchV iV.m. § 3 Abs. 1 Satz1 AbfKlärV.

Page 151: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

147

3 Schlussfolgerung Die BBodSchV lässt die Frage weitgehend offen, welche Vorsorgeanforderungen bei der Auf- und Einbringung von Material gem. § 12 BBodSchV an die stoffliche Qualität hinsichtlich der Art und der Menge der Schadstoffgehalte gestellt werden. Die Vorsorgewerte in Anhang 2 Nr. 4 finden nur Anwendung bei einer Überschreitung der Werte für den Boden und dann auch nur für bestimmte Schadstoffe: im Hinblick auf die jährlich zulässigen Zusatzbelastungen (vgl. § 11 BBodSchV). Die Prognose hinsichtlich der Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen haben die Wasserwirtschaftsämter nach anderen Vorschriften, insb. nach den abfallrechtlichen Verordnungen und den Technischen Regeln der LAGA. und aufgrund von anderen Erfahrungswerten usw. herzuleiten. 4 Literatur FEHLAU, KLAUS –PETER (2000): Vollzugshilfe Bodenschutz und Altlastensanierung: Erläuterungen zur Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung/ Klaus-Peter Fehlau; Bernd Hilger; Wilhelm König. – Berlin: Erich Schmidt, 2000 BAYER.STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN, UMS vom 11.09.2001, Az. 821b-8772.5-2000/1, Zulässigkeit der Aufbringung von Klärschlamm im Rahmen von Rekultivierungsvorhaben LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL (LAGA), Merkblatt von 1994, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen

Page 152: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Langzeituntersuchung alternativer Deponie-Oberflächenabdichtungen – Feldversuche auf der Deponie "Im Dienstfeld" (Lkr. Ansbach)

Henken-Mellies, W.U. & E. Gartung

LGA Grundbauinstitut, Tillystr. 2, 90431 Nürnberg; [email protected]

Abstract: The water balance and the effectiveness of landfill cap seals can be studied in large-scale lysimeter test fields. The results of two test fields with different cap seal systems are presented in the paper. In the first test field the performance of a low-cost landfill cover consisting of only a thick layer (1.5 m) of sandy loam was monitored. Here, substantial proportions of the precipitation during winter season percolate through the cover. In the other test field a cap seal system consisting of a drainage geocomposite and a geosynthetic clay liner (GCL) is monitored. During the 2 ½ - years observation period so far the GCL proved to be an effective sealing layer within the landfill cover system. Zusammenfassung: Mit Großlysimeter-Versuchsfeldern lassen sich Wasserhaushalt und Wirksamkeit von Deponie-Oberflächenabdichtungen im Maßstab 1: 1 studieren. Die Ergebnisse von zwei Ver-suchsfeldern mit unterschiedlichem Systemaufbau der Oberflächenabdichtung werden präsentiert. Auf der Basis der Erkenntnisse aus den Versuchsfeld – Studien ist eine realistische Einschätzung der Wirksamkeit alternativer Oberflächenabdichtungssysteme möglich. Keywords: landfill cap seals, lysimeter test fields, geosynthetic clay liner Schlagworte: Deponie, Oberflächenabdichtung, Lysimetertestfeld, geosynthestische Tondich-tungsbahnen 1 Einleitung Die Oberflächenabdichtung und Rekultivierung von Deponien und Altablagerungen dient dazu, den Abfallkörper von der Biosphäre abzuschirmen, die Bildung von Sickerwasser zu minimieren und den Deponiebereich in die Landschaft wieder einzugliedern. Die Rekultivierung von Deponien kann als eine spezielle Form des Flächenrecyclings angesehen werden, an die besondere Anforderungen ge-stellt werden. Die Grundlage für den Entwurf von Oberflächenabdichtungen bilden die TA Siedlungsabfall und die EU-Deponierichtlinie bzw. deren Umsetzung in die deutsche Deponieverordnung. In der Praxis wird aus unterschiedlichen Gründen vielfach vom Standardaufbau der Oberflächenabdichtung abgewichen: Im Falle von Altdeponien wird häufig lediglich eine einfache bindige Abdeckung aufgebracht. Wenn aus Gründen der Einbindung in die Umgebung ein möglichst geringmächtiger Aufbau des Abdich-tungssystems erwünscht ist, können geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD) und Drän-Geokomposits eingesetzt werden. Im Rahmen der durch das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen geförderten Deponieforschungsprojekte wurden auf der Deponie "Im Dienstfeld" (Landkreis Ansbach) in den Jahren 1996 und 1998 zwei Versuchsfelder zur Langzeit-Untersuchung alternativer Oberflä-

148

Page 153: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

chenabdichtungen angelegt. Dabei wird der Wasserhaushalt der Abdichtungssysteme umfassend ge-messen. Über die Ergebnisse dieser Langzeit-Beobachtungen wird hier berichtet. 2 Versuchsfelder auf der Deponie "Im Dienstfeld" 2.1 Versuchsfeld E 35 Im Zuge des vom Bay. StMLU finanzierten Forschungsvorhabens E 35: "Langzeituntersuchung an einer mineralischen Oberflächenabdichtung (Deponie "Im Dienstfeld" / Aurach)" wurde im Jahr 1996 ein Großlysimeter-Versuchsfeld errichtet. Hier wird die Wirksamkeit einer 1,7 m mächtigen Abde-ckung aus bindigem Bodenmaterial untersucht, die entsprechend dem "Deponiemerkblatt" gebaut wurde, und die für viele ältere Deponieabdeckungen als typisch gelten kann. Abbildung 1 zeigt den Aufbau des Versuchsfeldes. Die zu untersuchende bindige Abdeckungsschicht wird von einem Was-serauffangsystem unterlagert (Dränschicht und KDB), in dem das Wasser, das durch die Oberflächen-abdeckung hindurchsickert, aufgefangen wird. Dieser Sickerwasserabfluss (ASW) wird, ebenso wie der Oberflächenabfluss (AO) einem Messcontainer zugeführt und mit hoher zeitlicher Auflösung gemes-sen.

Abbildung 1: Profilaufbau des Versuchsfeldes E 35. 2.2 Versuchsfeld E 50 Auf der gleichen Deponieflanke wurde im Rahmen des BayStMLU – Forschungsvorhabens E 50: "Langzeituntersuchung eines alternativen Oberflächenabdichtungssystems mit Geokunststoffen" ein weiteres Versuchsfeld gebaut. Der Profilaufbau ist in Abbildung 2 gezeigt. Unter der 1,0 m mächtigen Rekultivierungsschicht befinden sich ein Drän-Geokomposit und eine geosynthetische Tondichtungs-

149

Page 154: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Rekultivierungsschicht(Oberboden) 0,2 m

Rekultivierungsschicht(Unterboden) 0,8 m

Dränmatte

DränmatteKunststoffdichtungsbahn

vorhandeneAbdeckung 0,3 m

Schutzvlies

Deponiegut

GTD

Ausgleichsschicht 0,1 m

ASW

AD

AO

Abbildung 2: Aufbau des Versuchsfeldes E 50

bahn (GTD), so dass die Mächtigkeit des Abdichtungssystems gegenüber dem Regelaufbau nach TASI um 0,75 m reduziert ist. Das Versuchsfeld ist mit Wasserauffang-Systemen zur Messung der

folgenden Abflüsse ausgestattet: • Oberflächenabfluss (AO) • Dränabfluss (AD) • Dichtungsdurchsickerung (ASW) Zur sicheren, getrennten Erfassung der Abflüsse dienen drei Wasserfassungs-systeme am unteren Rand des Versuchsfeldes. Diese sind so ausgebaut, dass Umläufigkeiten und Wasserübertritte von einem System zum anderen ausgeschlossen sind. Die Abflüsse werden in einem Messcontainer am Fuße des Versuchsfeldes mit hoher zeitlicher Auflösung präzise gemessen und direkt per PC aufgezeichnet.

3 Ergebnisse 3.1 Versuchsfeld E 35: Mineralische Oberflächenabdeckung Im Versuchsfeld E 35 wurden über einen Zeitraum von 4 Jahren (April 1997 – März 2001) Abfluss- und Wasserhaushaltsmessungen durchgeführt. Im Jahresmittel betrug der Niederschlag 860 mm. Da-von sind im Mittel 96 mm ( 11,2%) oberflächlich abgeflossen und 200 mm ( 23,3%) sind durch die Oberflächenabdeckung hindurchgesickert. Der Rest des Niederschlags und zwar mit 65,5% der weitaus größte Anteil ist verdunstet bzw. wurde über die Pflanzen abgegeben (Evapotranspiration). Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Niederschlags- und Abflussmessungen, wobei jeweils Sommer-halbjahre (April – September) und Winterhalbjahre (Oktober – März) zusammengefasst sind. Deutlich ist zu erkennen, dass in den Sommerhalbjahren kaum Abflüsse auftreten, und dass die Höhe der Win-terniederschläge verantwortlich ist für die Höhe der Sickerwasserabflüsse. Weitere Ergebnisse im De-tail sind bei Henken-Mellies et al.(2000) dargestellt.

$= $=

Der Vergleich mit dem Sickerwasseranfall der Deponie "Im Dienstfeld" insgesamt zeigt eine weitge-hende Entsprechung mit den Sickerwasserabflussdaten des Versuchsfeldes. Der Prozess der Sickerwasserabflussbildung im Versuchsfeld unter der Oberflächenabdeckung ent-spricht prinzipiell der Grundwasserneubildung unter natürlichen Böden. Der jährliche Sickerwasserab-fluss aus dem Versuchsfeld stimmt von der Größenordnung her mit der jährlichen Grundwasserneu-bildung in der Region (gleiche Klima- und Bodenverhältnisse) überein.

150

Page 155: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

0

100

200

300

400

500

600

04/97

- 09/9

7

10/97

- 03/9

8

04/98

- 09/9

8

10/98

- 03/9

9

04/99

- 09/9

9

10/99

- 03/0

0

04/00

- 09/0

0

10/00

- 03/0

1

Nie

ders

chla

g, A

bflu

ss [m

m]

Nieders c h lag

Ober f läc henab f lus s

Sic kerw as s erabf lus s

Abbildung 3: Halbjahressummen des Niederschlags und der Abflüsse im Versuchsfeld E 35 Mit Kosten-Nutzen-Rechnungen (vgl. Schulz & Schmid, 2000) lässt sich ermitteln, ob sich an einem gegebenen Standort mit seinen Spezifika hinsichtlich Sickerwasserneubildung Sickerwasserbehandlungskosten und Baukosten für die betreffenden Erdbaumaßnahmen

eine Ertüchtigung der vorhandenen Oberflächenabdeckung bzw. im Fall der Neueinrichtung einer temporären Abdeckung ein mehrschichtiger Aufbau wie oben beschrieben amortisiert. 3.2 Versuchsfeld E 50: Oberflächenabdichtung mit geosynthetischer Tondichtungsbahn Die Abflussmessungen im Versuchsfeld E 50 laufen kontinuierlich seit Dezember 1998. Insgesamt ist eine 5-jährige Laufzeit des Feldversuchs vorgesehen. Hier werden Zwischenergebnisse des bisherigen Beobachtungszeitraums vorgestellt (vgl. auch Henken-Mellies et al, 2001). In Abbildung 4 ist deutlich die jahreszeitliche Differenzierung der Abflüsse zu erkennen: Ebenso wie im Versuchsfeld E 35 konzentrieren sich die Abflüsse vor allem auf die Winterhalbjahre (Oktober - März), während in der Jahreshälfte von April bis September kaum Abflüsse zu verzeichnen sind. Der Tages-Maximalwert des Dränabflusses wurde im Winter 2000/2001 festgestellt und liegt bei 21 mm/d. Weitere Maxima von 12 - 13 mm/d wurden in den vorangehenden Winterhalbjahren beobach-tet. Daneben treten in jedem Winter mehrere Abflussereignisse mit Werten von > 5 mm/d auf. Nach

151

Page 156: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

dem Ende eines Regenereignisses geht der Dränabfluss jeweils in Form einer gedämpften Speicher-Leerlaufkurve wieder zurück. Das Speicher-Leerlaufverhalten ist dabei von den Materialeigenschaften (vor allem von der Porengrößenverteilung) der Rekultivierungsschicht abhängig.

0

10

20

30

40

Tage

ssum

me

[mm

]

0

1

2

3

4

5

6

7

Abf

luss

[mm

/d]

0

5

10

15

20

25

Abf

luss

[mm

/d]

0

0.5

1

1.5

2

Abf

luss

[mm

/d]

Niederschlag

Oberflächenwasser-Abfluss

Dränabfluss

Dichtungsdurchsickerung

1998 1999 2000 2001 Abbildung 4: Tagessummen des Niederschlags und der Abflüsse im Versuchsfeld E 50 Die Durchsickerung der GTD wir im Versuchsfeld mit hoher Auflösung gemessen. Die Tagessummen sind aus Abbildung 4 zu ersehen. Es ist zu beachten, dass zur Darstellung der Dichtungsdurchsicke-rung ein erheblich vergrößerter Maßstab verwendet wurde. Abbildung 4 zeigt, dass nur an wenigen Tagen im Beobachtungszeitraum eine Durchsickerung der GTD stattfindet. Die Sickerabfluss-Summe für den bisherigen Beobachtungszeitraum November 1998 bis April 2001 beträgt 14,1 mm. Bezogen

152

Page 157: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

auf die Niederschlagssumme von 2355 mm im gleichen Zeitraum entspricht das einem Anteil von 0,6%. 4 Folgerungen Die Untersuchungen an den Versuchsfeldern auf der Deponie "Im Dienstfeld" tragen dazu bei, Er-kenntnisse über die Prozesse zu gewinnen, die in Deponie-Oberflächenabdichtungssystemen ablaufen. Eine wichtige Folgerung aus dem Projekt E 35 ist, dass bei einschichtigen mineralischen Oberflächen-abdeckungen, wie sie auf vielen Altdeponien anzutreffen sind und auch als temporäre Abdeckungen für aktuelle Deponien in der Diskussion sind, mit erheblichen Sickerwasser-Neubildungsraten in der Größenordnung der Grundwasserneubildung unter vergleichbaren Böden bei gleichen klimatischen Bedingungen zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage, ob eine optimierte "Wasser-haushaltsschicht" als gleichwertig zu einem Oberflächenabdichtungssystem nach TASi anerkannt werden könnte, sehr skeptisch zu beurteilen. Weiterhin bestätigen die Untersuchungen im Versuchsfeld E 35, dass der sommerliche Bodenwasser-entzug bis in Tiefen von > 1,2 m reichen kann. Eine nur 1,0 m mächtige Rekultivierungsschicht gemäß der TASi-Mindestanforderung ist daher in vielen Fällen als unzureichend zu bezeichnen, wenn sich darunter eine mineralische Dichtungsschicht befindet, die vor Austrocknung zu schützen ist. Im bisherigen 2 ½ - jährigen Untersuchungszeitraum des Projekts E 50 erweist sich die geosyntheti-sche Tondichtungsbahn als wirksames Abdichtungselement. Die weitere Versuchsdauer muss erwei-sen, ob die Dichtwirkung nach mehreren hydrologischen Jahreszyklen erhalten bleibt. Danksagung Die Felduntersuchungen auf der Deponie "Im Dienstfeld" werden vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen im Rahmen der Projekte E 35 und E 50 finanziert. 5 Literatur HENKEN-MELLIES,U., E. GARTUNG & D. KRESS (2000): Wirksamkeit mineralischer Deponie-Oberflächenabdeckungen: Langzeituntersuchungen an einem Versuchsfeld bei Aurach. – Geotechnik 23, S. 206 – 215. HENKEN-MELLIES, U., E. GARTUNG & H. ZANZINGER (2001): Langzeitwirksamkeit von geosyntheti-schen Tondichtungsbahnen und Drän-Geokomposits in Deponie-Oberflächenabdichtungen: Zwischen-ergebnisse eines Feldversuches. – Geotechnik, Sonderband KGEO2001, im Druck. SCHULZ, H. & SCHMID, J.(2000): Wirtschaftlichkeitsvergleich von Oberflächenabdichtungen – Bay-FORREST-Forschungsvorhaben F 166; Statusbericht 2000.

153

Page 158: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Forschungsvorhaben zur Verfahrensoptimierung im Rahmen der Sickerwasserprognose

Luisa Hopp, Uwe Buczko, Wolfgang Durner, Stefan Peiffer

Lehrstuhl für Hydrologie, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth [email protected]

Abstract: A research project is described intending to improve the methods currently applied to assess the risks of groundwater contamination by trace metals and metalloids. The installation of lysimeters in the field enables the comparison between the results gained in the laboratory and the leaching in the soil. The objective is the development of a workable and reliable laboratory test which can be used for the prediction of the leachate composition at contaminated sites. Zusammenfassung: In einem Forschungsvorhaben sollen die derzeit angewendeten Methoden zur Abschätzung der von einer Bodenbelastung mit anorganischen Schadstoffen ausgehenden Gefahr für das Grundwasser miteinander verglichen und über Validierungsexperimente im Freiland weiterentwi-ckelt werden. Ziel ist die Konzeption eines praktikablen und interpretationsfähigen Verfahrensvor-schlages für die Sickerwasserprognose. K

eywords: lysimeter experiments; column test; heavy metal leaching;

Schlagworte: Lysimeterversuche; Säulenversuch; Schwermetallaustrag; Sickerwasserprognose 1 Einleitung Grundlage für die Beurteilung einer Grundwassergefährdung durch Bodenbelastungen ist die Kenntnis gelöster und mobilisierbarer Stoffe im Bodensickerwasser. Gemäß der aktuellen Fassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV, Juli 1999, §2 Abs. 5) wird die Sickerwasserprog-nose präzisiert als eine "Abschätzung der von kontaminierten Flächen ausgehenden oder in Zukunft zu erwartenden Schadstoffeinträge in das Grundwasser", sie setzt sich folglich aus einer Emissionsab-schätzung und einer Transportprognose durch den ungesättigten Boden zusammen. Dabei weist die ungesättigte Bodenzone im Gegensatz zur gesättigten einige Besonderheiten auf, die bei der Prognose mit einbezogen werden müssen. Geometrie und Charakteristik des Strömungsfeldes variieren stark in Abhängigkeit von der Wassersättigung, und alle wesentlichen Transportgrößen können als Variable des Wassergehalts aufgefasst werden. Da die Verlagerung von Stoffen mit dem Bodenwasser erfolgt, ergibt sich eine direkte Kopplung von Bodenwasserhaushalt und Stofftransport. Es bedarf also eines grundlegenden Verständnisses der Fließprozesse im ungesättigten Bereich und der Interaktionen zwi-schen Schadstoff und Festphase, um zu einer realistischen Abschätzung zu kommen. 2 Projektbeschreibung Am Beispiel von acht Altlastenstandorten in Nordbayern mit typischen Schwermetallkontaminationen sollen bereits bestehende Laboruntersuchungsmethoden verglichen und gegebenenfalls weiterentwi-ckelt bzw. neu konzipiert werden. Die Laboruntersuchungsverfahren umfassen mehrere Schütteltests wie den Elutionstest nach DIN 38414-S4, die Extraktion mit Ammoniumnitrat (DIN 19730) und den pH-stat-Versuch, ferner die Her-

154

Page 159: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

stellung eines Bodensättigungsextraktes (DIN V 19735 bzw. BBodSchV, 1999) und die Bestimmung der Gesamtgehalte im Königswasseraufschluss (DIN ISO 11466). Alle bisher gebräuchlichen Untersuchungsverfahren zur Altlastenbeurteilung berücksichtigen in ihrer Durchführung weder den Einfluss der heterogenen Struktur des Strömungsfeldes im Boden, wodurch es zu einem verschleppten Stoffaustrag bei gleichzeitig präferenzieller Verlagerung des ausgewasche-nen Stoffes in die Tiefe kommen kann, noch tragen sie der bei anorganischen Schadstoffen relevanten Speziation Rechnung, die wesentlich die Eluierbarkeit prägen kann. Darüber hinaus werden die meis-ten Auslaugverfahren unter Bedingungen durchgeführt (z.B. Wasser/Feststoff-Verhältnis und chemi-sches Milieu betreffend), die selten den natürlichen Gegebenheiten vor Ort entsprechen (Abb. 1). Bei der Entwicklung eines neuen Elutionstests sollen besonders diese Faktoren berücksichtigt werden. Angestrebt wird die Testung eines Perkolationsversuchs, der als Alternative zu den Vorgaben der DIN V 19736 (Ableitung von Konzentrationen organischer Stoffe im Bodenwasser) für Schwermetalle entwickelt werden soll.

c(Festphase)

c (E

luat

)

?

??

Zeit

c (P

erko

lat)

?

?

?

?Säulenversuche

Die nach einer gewissen Perkolationszeit ermittelte Konzentration resultiert aus der kinetisch kontrollierten Desorption einer Kontaminante von der Fest-phase im gesättigten Zustand (worst-case-Annahme). Die Perkolationsdauer sollte das Erreichen eines stationären Zustands gewährleisten.

+ Geschehen im Boden wird realistischer nachgebildet

- Das Erreichen des stationären Zustands ist a priori nicht bekannt

ElutionstestsDie ermittelten Konzentrationen stellen einen Gleichgewichtswert auf einer Desorptionsisothermen dar.

- Gleichgewichtseinstellung ist im Boden nie erreicht

- Feststoff/Lösungs-Verhältnis unrealistisch

- Lage auf der Isotherme unbekanntc(Festphase)

c (E

luat

)

?

??

c(Festphase)

c (E

luat

)

?

??

Zeit

c (P

erko

lat)

?

?

?

?

Zeit

c (P

erko

lat)

?

?

?

?Säulenversuche

Die nach einer gewissen Perkolationszeit ermittelte Konzentration resultiert aus der kinetisch kontrollierten Desorption einer Kontaminante von der Fest-phase im gesättigten Zustand (worst-case-Annahme). Die Perkolationsdauer sollte das Erreichen eines stationären Zustands gewährleisten.

+ Geschehen im Boden wird realistischer nachgebildet

- Das Erreichen des stationären Zustands ist a priori nicht bekannt

ElutionstestsDie ermittelten Konzentrationen stellen einen Gleichgewichtswert auf einer Desorptionsisothermen dar.

- Gleichgewichtseinstellung ist im Boden nie erreicht

- Feststoff/Lösungs-Verhältnis unrealistisch

- Lage auf der Isotherme unbekannt

Abbildung 1: Testverfahren in der Praxis - Vor- und Nachteile Der in der Vornorm beschriebene Versuch sieht die Durchströmung der Bodensäule von unten nach oben mit destilliertem Wasser bzw. Trinkwasser bei einer empfohlenen maximalen Fliessgeschwin-digkeit von 1 m⋅d-1 vor. Bei dieser Versuchsanordnung besteht die Gefahr, dass sich durch den er-zwungenen Fluss von unten nach oben bevorzugte Fliesswege bilden und somit das Strömungsverhal-ten verfälschen. Zudem kann die Verwendung einer ionenarmen Perkolationslösung zu einer Disper-gierung der Tonteilchen bei feinkörnigem Material und nachfolgender Verstopfung von Poren führen. In einem alternativen Säulenversuch sollen nicht nur diese Aspekte in der Versuchsdurchführung be-rücksichtigt, sondern auch vermehrt Informationen über die chemischen und physikalischen Einfluss-faktoren gesammelt werden, um zu einem Verständnis der Freisetzungs- und Verlagerungsvorgänge von Schwermetallen zu kommen. Die Mitführung eines Tracers soll der Charakterisierung des Strö-mungsfeldes dienen. Durch die Unterbrechung des Durchflusses sollen kinetische Koeffizienten ermit-telt werden: Wie verhalten sich die Schwermetallkonzentrationen im Perkolat, wenn die Lösung für eine gewisse Zeit zum Stillstand kommt?

155

Page 160: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abbildung 2: Modifizierter Perkolationsversuch

Unerlässlich bei der Bewertung und Konzeption von Prognoseverfahren ist die Validierung durch den Vergleich der Prognose mit in-situ gewonnenem Sickerwasser. Zu diesem Zweck werden an zwei der insgesamt acht Standorte Lysimeteranlagen eingebaut, um die vor Ort anfallenden Schadstofffrachten über einen Zeitraum von 12 Monaten zu erfassen.

Abbildung 3: Schematischer Aufbau der Lysimeteranlagen im Freiland (D=Dochtlysimeter, F=frei

drainendes Lysimeter, 1=Tiefe 1 (ca. 150 cm), 2=Tiefe 2 (ca. 200 cm))

D2 F1 D1

F2

D2

• Gesättigte Durchströmung der Säule mit einer “simulierten Bodenlösung” von oben nach unten, gravitationsgesteuert

• Erfassung des zeitlichen Verlaufs der Auslaugung

• Mitführung eines Tracers

• Unterbrechung des Durchflusses (stopped-flow)

Vorteile der Methodik:

• Versuch ist technisch einfach zu realisieren

• Der Boden draint je nach Bodenart in der für ihn charakteristischen Weise

• Fluss von oben nach unten mit einem maximalen hydraulischen Gradienten von 1 verhindert interne Erosionmit Rissbildung

• Kenntnis der Stoff-Freisetzungsdynamik

• Gesättigte Durchströmung der Säule mit einer “simulierten Bodenlösung” von oben nach unten, gravitationsgesteuert

• Erfassung des zeitlichen Verlaufs der Auslaugung

• Mitführung eines Tracers

• Unterbrechung des Durchflusses (stopped-flow)

Vorteile der Methodik:

• Versuch ist technisch einfach zu realisieren

• Der Boden draint je nach Bodenart in der für ihn charakteristischen Weise

• Fluss von oben nach unten mit einem maximalen hydraulischen Gradienten von 1 verhindert interne Erosionmit Rissbildung

• Kenntnis der Stoff-Freisetzungsdynamik

D1F2 F1

156

Page 161: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Das in den Lysimetern abgeleitete Sickerwasser wird über einen Fraktionensammler zeitlich hoch aufgelöst aufgefangen, wobei Parameter wie pH-Wert, Temperatur, Leitfähigkeit und Redoxpotential on-site bestimmt werden. Darüber hinaus werden die Lysimeterproben derselben Analytik unterzogen wie die Proben aus den Laborverfahren, d.h. Bestimmung der ausgesuchten Schwermetalle sowie der Hauptkationen und -anionen. Über einen bloßen Vergleich von Labor- und Freilandexperimenten hinaus sollen die Ergebnisse in einer Modellierung der Prozesse im Hinblick auf die Sickerwasserprognose zusammengeführt werden. Mehrere Faktoren nehmen auf das Transportverhalten von gelösten Stoffen im Boden Einfluss: 1. Die Phasenverteilung des Stoffes zwischen Bodenmatrix und gelöster Phase. 2. Die Kinetik der Phasenverteilung, d.h. das Verhältnis zwischen erwarteter Perkolationsgeschwin-

digkeit und Sorptions- und Speziationskinetik. 3. Die Charakteristik des Strömungsfeldes im Boden. Wird auch nur einer der drei genannten Faktoren in einer Transportprognose nicht berücksichtigt, so kann diese nicht realitätsnah sein. Da für konservative Abschätzungen jedoch nicht unbedingt die op-timale Realitätsnähe entscheidend ist, sondern primär eine Risikominimierung bei begrenztem Einsatz von Untersuchungsmitteln angestrebt wird, sind Vereinfachungen im Sinne einer worst-case-Abschätzung nötig. Um den Verfahrensaufwand für die Praxis zu minimieren, liegt somit eine hierar-chische, abgestufte Verfahrensweise nahe. Durch Modellierungen des Leachings des Schadstoffs aus dem Kontaminationsherd, d.h. der Emission, sowie des nachfolgenden Transports durch die ungesät-tigte Zone kann abgeschätzt werden, welche vereinfachten Untersuchungsverfahren letztlich am bes-ten geeignet sind, entscheidende Aussagen zu treffen, und wie sich solche Vereinfachungen auswir-ken. Die Auswertung erfolgt dabei für die Intensivstandorte in drei Schritten: a) Im ersten Schritt werden die ungesättigten hydraulischen Parameter anhand der Bodenkenndaten

Textur, Lagerungsdichte und Corg-Gehalt über ein Pedotransferprogramm abgeschätzt (Neuronales Netz).

b) Im zweiten Schritt erfolgt die Charakterisierung des Strömungsfeldes, d.h. die Bestimmung von Dispersivität und eventuell der Ausprägung des präferenziellen Flusses. Erreicht wird dies durch die inverse Simulation des Tracertransports in den Säulenversuchen.

c) Im dritten Schritt schließlich erfolgt die Bestimmung der Sorptionsparameter (Sorptionsstärke und -kinetik) durch Auswertung der Elutionsversuche.

Diese hierarchische Auswertung gewährleistet ein Verständnis der im Versuch beobachteten Prozesse. Auf Basis dieses Verständnisses können Messungen bewertet werden und eine begründete Interpreta-tion von Einzelmessungen – in Hinblick auf die angestrebte Minimierung des Messaufwandes – erfol-gen. So ist es im Hinblick auf den zu erarbeitenden Verfahrensvorschlag z.B. von großem Interesse, wie die Konzentration in der Perkolation im Vergleich zum Bodensättigungsextrakt aussieht.

Die Ergebnisse dieses vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft unterstützten Forschungs-vorhabens sollen Eingang in Verfahrensvorschriften finden, die im Rahmen der Bundes-Bodenschutzgesetzgebung und der ergänzenden Bodenschutz- und Altlastenverordnung erstellt wer-den.

157

Page 162: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

3 Literatur

BBODSCHV (1999): Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12. Juli 1999, BGBl. I Nr. 36 vom 16.07.99 S. 1554.

DIN 19730 (1997): Bodenbeschaffenheit - Extraktion von Spurenelementen mit Ammoniumnitrat- lösung, Beuth Verlag.

DIN V 19735 (1999): Ableitung von Konzentrationen im Bodenwasser aus ammoniumextrahierbaren Gehalten oder Eluatgehalten, Beuth Verlag.

DIN V 19736 (1998): Ableitung von Konzentrationen organischer Stoffe im Bodenwasser, Beuth Verlag.

DIN 38414-S4 (1984): Bestimmung der Eluierbarkeit mit Wasser, Beuth Verlag.

DIN ISO 11466 (1997): Bodenbeschaffenheit - Extraktion in Königswasser löslicher Spurenelemente, Beuth Verlag.

158

Page 163: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Gezieltes Flächenressourcen-Management durch Bewertung und Gegenüberstellung von Bodenfunktionen

Kraft, M.

Bayerisches Geologisches Landesamt, Heßstr. 128, 80797 München e-mail: [email protected]

Abstract: In German law it is required that soil has to be used in an economical and sustainable fashion, this is achieved by a targeted land resource management. The characteristics and properties of the soil must be collected and evaluated in order to be compared with demands of land use. These comparisons are used in a decision making process that recommends the most fitting use for the soil. Zusammenfassung: Im Hinblick auf die gesetzlich geregelte sparsame und schonende Bodennutzung ist ein gezieltes Flächenressourcen-Management unabdingbar. Eigenschaften und Fähigkeiten von Böden sind dafür zu eruieren und zu bewerten und den Flächennutzungsansprüchen gegenüberzu-stellen. In einem Abwägungsprozess ist jedem Boden eine möglichst schonende Nutzungsart bzw. jedem Nutzungsanspruch eine geeignete Fläche zuzuweisen. Keywords: soil protection, soil evaluation, natural soil functions, planning process Schlagworte: Bodenschutz, Bodenbewertung, natürliche Bodenfunktionen, Planungsverfahren 1 Einleitung In einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Vielzahl verschiedener Flächennutzungsansprüche. Die Koordinierung dieser Ansprüche erfolgt in der räumlichen Planung, die den Boden – Grundlage jeder Flächennutzung - allerdings oft nur als zwei-dimensionale Fläche und nicht in seiner räumlichen Dimension wahrnimmt. Die zahlreichen Funktionen, die Böden erfüllen und die spezifischen Fähigkeiten, die sie besitzen sind meist nicht bekannt und werden oft nicht berücksichtigt. Um dem gesetzlich verankerten vorsorgenden Schutz des Bodens gegenüber divergierenden öffentlichen und privaten Belangen nachzukommen, sind möglichst detaillierte Informationen über Bodeneigenschaften nötig. Aus den Eigenschaften lassen sich mit Hilfe von Bewertungsverfahren Aussagen über die Leistungsfähigkeit eines Bodens im Hinblick auf die Erfüllung natürlicher Bodenfunktionen und damit auf geeignete Nutzungsformen ableiten. 2 Vorgehen Abhängig vom Planungsvorhaben steht entweder der Boden oder ein Nutzungsanspruch im Mittelpunkt. Wie von STAHR (1988) beschrieben, gilt es dann, für einen bestimmten Boden geeignete Nutzungen zu definieren bzw. bei vorgegebener Nutzung geeignete Flächen auszuwählen. Das Vorgehen zur Einbindung der Interessen des vorsorgenden Bodenschutzes in die Planung ist allerdings für beide Zielvorgaben identisch (Abb. 1).

159

Page 164: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Datenrecherche

Ausweisung geeigneter/nicht geeigneter Flächenfür bestimmte Nutzung

Ausweisung geeigneter/nicht geeigneter Nutzung

für bestimmten Boden

Abwägungsprozess

Anwendung geeigneter Bewertungsverfahren

Abb. 1: Vorgehen zur Einbindung von Bodenbewertungsverfahren in das Flächenressourcen-

Management 2.1 Datenrecherche Am Anfang steht die Recherche nach bodenkundlich relevanten Daten. Inhalt und Umfang, Qualität und Aktualität der verschiedenen Informationsquellen variieren jedoch stark. Als Basis für Bewertungen kommen beispielsweise amtliche Bodenkarten oder Geologische Karten in Frage, v.a. wenn die Legendeneinheiten der Karten durch bodenkundliche Kennwerte genauer charakterisiert sind. Allerdings stehen solche Karten oft nicht oder nur in klein- bis mittelmaßstäbigen Ausgaben zur Verfügung, die für Aussagen auf Gemeindeebene nicht die nötige räumliche Auflösung bieten. Räumlich begrenzt stehen jedoch großmaßstäbige Kartierungen öffentlicher oder privater Träger zur Verfügung. Das Problem einer zu geringen Auflösung stellt sich bei der Bodenschätzung nicht, hier können aber für die Bewertung unabdingbare Informationen, wie z.B. der Skelettgehalt oder die Solumtiefe oft nicht eindeutig herausgelesen werden. Oft erfolgte eine detaillierte Beschreibung nur für die obersten Dezimeter. Der Grund hierfür liegt in der ursprünglichen Konzeption der Bodenschätzung, die in erster Linie der Bewertung der landwirtschaftlichen Nutzbarkeit dienen sollte. Forstwirtschaftlich genutzte Böden werden in der Bodenschätzung gar nicht berücksichtigt. Neben flächendeckenden bodenkundlichen Datenbasen können auch Daten der Biotopkartierung, einzelne Profilaufnahmen und Bohrungen oder historische Quellen wertvolle Informationen liefern. Bei unzureichender Datengrundlage sollte aber möglichst eine bodenkundliche Kartierung durchgeführt werden. Nach Abschluss der Datenrecherche sind bevorzugt diejenigen Datenquellen zur Bewertung der Böden heranzuziehen, welche die höchste Qualität aufweisen und die als Basisdaten in bereits standardisierten Verfahren verwendet werden können.

160

Page 165: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2.2 Bewertung von Bodenfunktionen Um der Bedeutung des Bodens gerecht zu werden und seine Potentiale in der Planung angemessen berücksichtigen zu können, müssen die in § 2 BBodSchG genannten natürlichen Bodenfunktionen bewertet werden. Voraussetzung für den auf die Bewertung folgenden Abwägungsprozess ist die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse. Daher sind standardisierte Bewertungsverfahren auf Basis einheitlicher Datenquellen in jedem Falle zu bevorzugen. In Abhängigkeit der Datenbasis kommen allerdings unterschiedliche Methoden zur Bewertung von Bodenfunktionen zur Anwendung. Zahlreichen Methoden liegen Daten einer Profilaufnahme zu Grunde. Solche Methoden müssen aber oft noch an die tatsächlich vorliegenden Basisdaten angepasst werden. Am Bayerischen Geologischen Landesamt werden im Rahmen des Projekts „Region 10 (Ingolstadt)“ Bewertungsmethoden für natürliche Bodenfunktionen bzw. Bodenteilfunktionen erarbeitet (Tab. 1). Die meisten dieser Verfahren basieren auf Kennwerten einer bodenkundlichen Profilaufnahme nach AG BODEN (1996). Klima-, Nutzungskarten und ein Digitales Höhenmodell ergänzen diese Informationsgrundlage. Darüber hinaus wird eine an bodenkundlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Kartierung der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau (LBP) interpretiert. Tab. 1: Notwendige Eingangsdaten für die am Bayerischen Geologischen Landesamt derzeit entwickelten Verfahren zur

Bewertung natürlicher Bodenfunktionen

Natürliche Bodenfunktion Eingangsdaten zur Bewertung Standort für natürliche Vegetation Bodentyp, Grundwasserstand, nFKWe, Carbonatgehalt Retentionsvermögen des Bodens bei Niederschlagsereignissen

Bodentyp, kf-Wert, nFK, LK, Hangneigung

Nitratrückhaltevermögen des Bodens FKWe, Sickerwasserrate Filter- und Pufferfunktion des Bodens für Schwermetalle

Bodentyp, pH-Wert, Humus-, Ton-, Skelettgehalt, Grundwasserstand

Puffervermögen des Bodens für saure Einträge Feinbodenmenge, KAKpot, Basensättigung, Carbonatgehalt

Böden mit einer bedeutenden Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte

keine standardisierte Bewertung

Natürliche Ertragsfähigkeit landwirtschaftlich genutzter Böden

Landwirtschaftliche Standortkartierung der LBP i. M. 1:25.000

Liegen keine Daten einer Bodenkartierung vor, kann die Bodenschätzung in Hinblick auf Bodenfunktionen interpretiert werden. Allerdings sind die von der Bodenschätzung aufgenommenen Kennwerte nicht direkt auf die einer Kartierung nach AG BODEN (1996) übertragbar. Daher müssen an die Bodenschätzungsdaten angepasste Verfahren zur Bewertung von Bodenfunktionen zur Anwendung kommen. Eine Reihe von Verfahren, die Bodenschätzungsdaten zur Grundlage haben, beschreibt das UMWELTMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG (1995). Einschränkend muss allerdings nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Bodenschätzung auf Grund ihrer Konzeption nicht uneingeschränkt für alle Bodenfunktionen interpretiert werden kann. Bei Fehlen bodenkundlicher Daten können andere zumindest verbal-argumentativ im Hinblick auf fachliche Abhängigkeiten und Zusammenhänge interpretiert werden.

161

Page 166: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2.3 Abwägungsprozess und Ausweisung geeigneter Flächen und Nutzungsarten In § 1a BauGB ist die Beachtung der Belange des Bodenschutzes in der Abwägung festgeschrieben. Hierfür gibt es noch keine festgelegten Maßstäbe, wobei die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit von Böden sich sowohl für den Bodenschutz als auch für die Planungsseite vorteilhaft auswirken kann. Oberflächlich betrachtet verhalten sich die wirtschaftlichen Interessen einer Kommune meist gegenläufig zu denen des Bodenschutzes. So wird die Finanzkraft einer Kommune durch den Zuzug von Steuerzahlern, Gewerbe und Industrie oder durch eine Intensivierung der Verkehrswege gestärkt. Solche Maßnahmen bedingen einen Flächenverbrauch. Neben Baugrund, Arbeitsplätzen und einer guten Verkehrsanbindung hat eine Kommune aber auch für die Versorgung ihrer Einwohner und Betriebe mit Wasser und Energie und mit landwirtschaftlichen Produkten der Region zu sorgen. Auch Flächen für Erholung oder Entsorgung müssen bereitstehen. Hier kann ein gezieltes Flächenressourcen-Management durch Abwägung und Gewichtung aller Interessen sehr viel effektivere und kostengünstigere Lösungen aufzeigen, indem nicht nur die Flächenpotentiale des Bodens, sondern auch seine Bodenfunktionen in Anspruch genommen werden. So verringert sich beispielsweise der Aufwand der Grundwasseraufbereitung, wenn die Filterwirkung geeigneter Böden beansprucht wird. Landwirtschaftliche Erträge lassen sich effektiver erwirtschaften, wenn die ackerbaulich genutzten Böden leicht bearbeitbar sind und eine hohe Speicherleistung für Wasser und Nährstoffe besitzen. Risiken und Kosten durch Überschwemmungen sinken, wenn die Fähigkeit des Bodens zur Aufnahme und Ableitung von Niederschlägen berücksichtigt wird. Im Abwägungsprozess wird der Wert der Böden im Hinblick auf die natürlichen Bodenfunktionen den Nutzungsansprüchen gegenübergestellt. Zuerst wird die Störung der Funktionserfüllung von Böden durch Art und Umfang eines Eingriffs, wie z.B. durch eine Versiegelungsmaßnahme fachlich beurteilt. Anschließend werden die rechtlichen Anforderungen an die Planung und die mit der Durchsetzung von Nutzungsvorhaben verbundenen Rechtsfolgen bewertet und alle Interessen objektiv gewichtet (BVB FACHGRUPPE 3 BODENSCHUTZPLANUNG, 2000). Für die Gewichtung des Bodens unterscheidet STAHR (1988) drei Grundpotentiale (Tab. 2), das biotische, das abiotische und das Flächenpotential. Er fordert, möglichst alle Potentiale eines Bodens zu erhalten. STAHR (1988) empfiehlt diese Potentiale oder anders ausgedrückt, die in Anspruch zu nehmenden Bodenfunktionen entsprechend ihrer Empfindlichkeit zu schützen, wobei sich eine Reihe der Empfindlichkeit und damit der Schutzbedürftigkeit vom biotischen über das abiotische zum Flächenpotential ergibt. Tab. 2: Potentialgruppen und zuordenbare Einzelpotentiale nach STAHR (1988)

Grundpotential Nutzungsbezug biotisches Potential Nahrungs-, Werkstoffproduktion, Energiegewinnung, Artenerhaltung abiotisches Potential Wasser-, Rohstoffgewinnung, Luftreinhaltung Flächenpotential Standplatz, Verkehrs-, Entsorgungs-, Regenerationsfläche

Böden, die nicht mehr alle Grundpotentiale besitzen, sind meist durch anthropogene Nutzungen vorbelastet. Da die Zerstörung von hochwertigen Bodenpotentialen oft deren unwiederbringlichen Verlust bedeutet oder trotz hohen Aufwandes meist nur eine unvollständige Regeneration möglich ist, sollten Böden, die solche wertvollen Potentiale besitzen, höchstens durch besonders schonende Nutzungen in Anspruch genommen werden. Wurde das Verfahren zielgerichtet in Hinblick auf ein bestimmtes Nutzungsvorhaben ausgeführt, ist zu entscheiden, welche Bodenfunktionen im konkreten Planungsfall Berücksichtigung finden müssen. So wird die Ausweisung eines neuen Industriegebiets andere Bodenfunktionen beeinträchtigen, als die Planung eines Sportplatzes. Nach Gewichtung und Abwägung aller relevanten Belange können für die

162

Page 167: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Nutzungsart gut bzw. schlecht geeignete Flächen gekennzeichnet werden. Ist die Zielvorgabe, einen umfassenden Überblick über die Nutzungsmöglichkeiten der Böden im Planungsgebiet zu bekommen, sind jeder Fläche die einzelnen Bewertungsergebnisse zuzuordnen. Abhängig von der sich ergebenden Kombination der Bewertungsresultate kann dann im regionalen Kontext eine relative Reihung der Eignung des Bodens für verschiedene Nutzungsarten erfolgen. ADLER ET AL. (2001) schlagen vor, die Böden in drei Nutzungskategorien einzuteilen. Die erste Kategorie umfasst besonders wertvolle Böden, die als Vorrangflächen für den Bodenschutz am besten keiner verändernden Nutzung zugeführt werden sollen. In die zweite Klasse fallen Flächen mit einer mittleren Wertigkeit, die verschiedene Bodenfunktionen erfüllen, aber weder als besonders hoch noch als besonders gering eingestuft werden. Solche Flächen stehen für eine Vielzahl von Nutzungsarten zur Verfügung und müssen differenziert betrachtet werden. Zur dritten Kategorie gehören Böden, die kaum mehr natürliche Bodenfunktionen erfüllen und daher am ehesten für eine Inanspruchnahme durch bauliche Maßnahmen geeignet sind. 3 Ausblick Bisher gibt es in Bayern noch keine standardisierten Handlungsempfehlungen, wie das Schutzgut Boden in Planungs- und Zulassungsverfahren zu berücksichtigen ist. Dies liegt zum einen daran, dass den Flächenressourcen-Managern keine einheitlichen Datengrundlagen zur Verfügung stehen. Zum anderen sind erst noch Empfehlungen zu entwickeln, in welchen Planungen welche Bodenfunktionen in welchem Umfang zu berücksichtigen sind. Für diese Aufgabe ist ein Pilotprojekt zum Flächenressourcen-Management unter Leitung des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz ins Leben gerufen worden, in dem in Kooperation mit dem Bayerischen Geologischen Landesamt die Einbindung der Belange des Bodenschutzes in Planungsprozesse vorgenommen werden soll. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass selbst eine Handlungsmatrix, die ein Vorgehen für alle möglichen Datengrundlagen und alle betroffenen Planungsprozesse beinhaltet nur als Entscheidungshilfe dienen kann, da die endgültige Abwägung und Nutzungsentscheidung immer im regionalen Kontext zu erfolgen hat. 4 Literatur ADLER, G., M. AKKERMANN, M. ALBRECHT, J. BUSCH, I. DAHLMANN, O. PENNDORF, S. SCHÜRER (2001): Bodenschutz in der Bauleitplanung – Vorsorgeorientierte Bewertung. BVB-Leitfaden zur Abwägung von Bodenschutzbelangen in der Bauleitplanung.- Bodenschutz, 2001, 1, S. 10-17. AG BODEN (1996): Bodenkundliche Kartieranleitung.- 4. verbesserte und erweiterte Auflage, berichtigter Nachdruck , 392 S., 33 Abb., 91 Tab., Hannover. BVB FACHGRUPPE 3 BODENSCHUTZPLANUNG (2000): Bodenschutz in der Bauleitplanung – Vorsorgeorientierte Bewertung.- Erich Schmidt Verlag, im Druck. STAHR, K. (1988): Wie lassen sich Bodenfunktionen erhalten?. Landschaftsentwicklung und Umweltforschung.- Nr. 23. Bodenschutz als Gegenstand der Umweltpolitik. S. 152-163. UMWELTMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG (HRSG.) (1995): Bewertung von Böden nach ihrer Leistungsfähigkeit. Leitfaden für Planungen und Gestattungsverfahren.- Reihe Luft Boden Abfall. Heft 31.

163

Page 168: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Role of geological substrate in assessment of risk element contents in soil

Pavel NĚMEC, Milan SÁŇKA, Jaroslav STAŇA

ÚKZÚZ Brno, APVR Brno, Hroznová 2, CZ 656 06 BRNO, Tschechische Republik Abstract: The survey of risk element content in agricultural soil was carried out in period 1990-1992. Present number of analysed samples is about 40 000. This database was evaluated together with a database of soil monitoring program. Results of both databases were processed by GIS on the base of geological map of the country. The results are shown on example of chromium and cadmium, where the source in upper soil horizon is mainly geogenic and anthropogenic respectively. Zusammenfassung: In den Jahren 1990 - 1992 wurden die landwirtschaftlichen Böden an die Risikoelemente analysiert (über 40 000 Bodenproben). Die Ergebnisse wurden zusammen mit der Dateibase des Bodenmonitorings ausgewertet. Beide Systeme hat man mit GIS aufgrund der geologischen Karte verarbeitet. Als Beispiel werden Kadmium und Chrom gebracht, wobei der Cd-Gehalt vom Substrat und der Cr-Gehalt von der anthropogenen Aktivität beeinflusst werden. Keywords: soil, risk element, anthropogenic impact, substrate Schlagworte: Boden, Risikoelemente, anthropogene Aktivität, Substrate 1 Introduction It is obvious that industrial emissions, especially in last two centuries, caused enrichment of upper soil layers with substances from which some are regarded as potentially toxic. In case of elements the sources of elevated contents can be both natural and anthropogenic. If the contents are exceeding certain value, we call it either contamination, or pollution, where the exceeding is caused by human activity. To distinguish between contamination and pollution can play important role since i) implication of the source may be different and ii) the knowledge on origin of the contamination-pollution can be important for possible remediation. In some elements the anthropogenic emissions are high enough to cause large scale “diffuse” pollution of upper soil layers, particularly in forest soils, but also in agricultural soils. In these cases we have to distinguish between “natural pedo-geochemical content” which is concentration resulting from natural geological and pedological processes and “usual concentration” resulting from both the natural content and the diffuse entry from anthropogenic sources. 2 Material and methods To express a share of natural and anthropogenic sources of element contents in upper soil layer, chromium and cadmium were chosen as representatives of mainly natural or mainly anthropogenic source respectively. Three sets of data were processed:

a) Database of the register of contaminated sites, consisting of about 40 000 analysed soil samples for risk element contents in plough layer of agricultural soil (2M nitric acid extraction) all over the country,

164

Page 169: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

b) database of soil monitoring program, where the soil samples were taken from diagnostic horizons of soil pit on each of 190 monitoring plots and analysed for risk element contents (aqua regia extraction),

c) the GIS country coverage consisting of 18 polygons of main geological substrates (Table 1).

Following procedure for results processing was used: Sampling points in both databases has their geographic co-ordinates that is why the work in GIS was possible. In the database of soil monitoring results from detailed analyses of samples from diagnostic horizons of 190 soil pits were available. Each soil pit was assigned to a group of geological substrates in GIS and therefore for each group arithmetic mean and median values of Cd and Cr in upper horizon and substrate horizon were counted (Table 2). Then ratio between upper horizon and substrate horizon was counted individually for Cr and Cd contents in each group of substrates both for arithmetic means and medians (Table 3). For the graphical expression only medians were used. Results from the database of register were also grouped according to geological substrate and median value was counted for each group of substrates. 3 Results Ratios between upper and substrate horizon contents for individual groups of geological substrates are shown in fig. 1 (for chromium) and fig. 2 (for cadmium). In chromium, the ratios are lower than 1 in most cases, which means that the origin of the element in the soil is natural geogenic content. The input in soil is very low and may be even lower than depletion caused by leaching and plant uptake, which results in lower contents in upper layer compared to substrate. Three groups of substrates with the ratio a little higher than 1 cover relatively small area in the country, mostly with intensive agriculture and close to industry, which could cause a small enrichment by the element in surface horizon. It is quite important that the lowest ratio was found on substrate with highest real contents of chromium in upper horizon according to the register database (group code 11, dark granodiorites and syenites). This is probably because the process of depletion in upper horizon is more intensive in higher natural content, which results in larger difference compared to substrate. The situation for cadmium is different. All ratios were found to be above the value 1 (mostly between 2 and 5), which clearly shows a strong diffuse entry of the element in the soil mostly due to atmospheric deposition and fertilizers application. Again, the lowest ratio was found in case of the highest real content in upper horizon. However this ratio was still above 1. Considering that the diffuse entry is more or less even around the country, the elevation in upper horizon in soils with high natural contents is relatively much smaller than in soil with low or average natural contents. 4 Conclusion There are different sources of enhanced contents in soil for different elements. Cadmium was affirmed as an element, in which approximately three quarters of its contents in upper soil horizon are due to anthropogenic activity, excepted soils on naturally Cd-enriched substrates. On the other hand, soil chromium contents are almost exclusively a result of the original chromium content in substrate.

165

Page 170: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

It is supposed that, lead could be ranked into the group with cadmium and nickel, beryllium and cobalt into the group with chromium. Table 1. Groups of geological substrates covering the area of the country

code group of

geological substrates

group of geological substrates

1 Cadomian folded Protezoic rocks with various degree of Variscan reworking (shales, phyllites, mica schists to orthogneisses)

2 Partly metamorphosed Proterozoic to Paleozoic volcanic rocks (amphibolites, diabases, melaphyres, porphyries)

3 Permo-Carboniferous rocks (sandstones, conglomerates, claystones) 4 Folded and metamorphosed Paleozoic rocks (phyllites, mica schichts) 5 Folded nonmetamorphosed Paleozoic rocks (shales, greywackes, quartzites, limestones)

6 Orthogneisses, granulites and high advanced migmatites in the Moldanubicum and Proterozoic

7 Miscellaneous of the Moldanubicum (mica schists gneisses, orthogneisses to migmatites with intercalations of limestones, erlan, quarzites, graphites and amphibolites

8 Monotonous group of the Moldanubicum (mica schists gneisses, orthogneisses to migmatites)

9 Cadomian granitoids (granites, granodiorites) 10 Granodiorites to diorites (tonalite series) 11 Dark granodiorites, syenites (durbachite series) 12 Granites (granite series) 13 Mesozoic rocks (sandstones, claystones) 14 Alpine folded Mesozoic rocks (sandstones, shales) 15 Tertiary volcanic rocks (basalts, phonolites, tuffs) 16 Alpine folded Tertiary rocks (sandstones, shales) 17 Tertiary rocks (clays, sands) 18 Quaternary (loams, loesses, sands, gravels)

166

Page 171: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Table 2. Contents of Cd and Cr in upper mineral horizon and substrate horizon according to different group of geological substrates (mg.kg-1 in aqua regia extraction).

Cd contents Cr contents upper mineral horizon substrate horizon upper mineral horizon substrate horizon

code group of

geological substrates

number of

samples mean median mean Median mean median mean median

1 18 0,29 0,25 0,14 0,10 34,93 33,40 45,66 40,50 2 7 0,30 0,30 0,14 0,11 49,56 42,60 39,10 36,20 3 7 0,16 0,16 0,12 0,05 29,80 30,60 33,97 29,00 4 3 0,25 0,24 0,07 0,05 32,73 31,90 39,27 37,90 5 9 0,39 0,36 0,13 0,10 37,61 36,40 38,28 38,50 6 5 0,14 0,14 0,07 0,05 104,94 39,60 164,16 85,50 7 9 0,24 0,18 0,08 0,05 49,70 44,80 40,33 43,20 8 10 0,35 0,20 0,10 0,05 49,48 44,15 52,19 53,90 9 1 0,14 0,14 0,05 0,05 31,40 31,40 34,00 34,00

10 5 0,13 0,12 0,08 0,05 35,48 32,50 43,80 35,20 11 1 0,16 0,16 0,05 0,05 395,00 395,00 658,00 658,00 12 5 0,26 0,24 0,05 0,05 23,68 19,50 32,32 25,70 13 14 0,35 0,17 0,05 0,05 25,33 22,90 36,68 34,60 14 3 0,19 0,26 0,10 0,05 40,10 39,00 44,67 44,00 15 1 0,24 0,24 0,05 0,05 72,00 72,00 86,50 86,50 16 3 0,20 0,22 0,09 0,05 30,53 24,40 39,40 48,70 17 16 0,23 0,20 0,12 0,05 43,49 38,45 40,64 34,05 18 60 0,30 0,24 0,12 0,10 36,06 33,35 36,48 35,60

Ratios between contents of studied elements in upper and substrate horizons

average upper/substrate horizon ratio

median upper/substrate horizon ratio

code group of geological substrates

number of samples

Cd Cr Cd Cr 1 18 3,49 0,95 2,40 0,75 2 7 3,29 1,30 3,40 1,30 3 7 2,37 0,90 2,00 0,80 4 3 4,07 0,80 4,40 0,80 5 9 4,89 1,02 4,20 1,00 6 5 2,10 0,60 2,00 0,70 7 9 3,43 1,46 2,80 1,10 8 10 4,10 0,97 3,00 0,90 9 1 2,80 0,90 2,80 0,90

10 5 2,04 1,06 2,00 0,80 11 1 3,20 0,60 3,20 0,60 12 5 5,28 0,76 4,80 0,80 13 14 6,90 0,81 3,40 0,75 14 3 2,50 0,87 1,30 0,90 15 1 4,80 0,80 4,80 0,80 16 3 3,07 1,03 3,40 0,80 17 16 2,92 1,54 2,60 1,20 18 60 3,48 1,18 2,60 0,95

167

Page 172: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

11 6 1 13 10 12 15 16 3 4 9 14 8 18 5 7 17 2group of geological substrates

0

10

20

30

40

50

60

70

uppe

r hor

izon

(mg.

kg-1

)

0.0

0.5

1.0

1.5

uppe

r/sub

stra

te h

oriz

on ra

tio

Cr content in soil (2M HNO3 extraction)

Fig. 1. Contents of chromium in upper horizon of agricultural soil according to geological substrate (left axis - box diagram) and ratio between the chromium contents in upper and mineral horizon according to geological substrate (right axis – line diagram).

14 3 6 10 1 17 18 7 9 8 11 2 13 16 5 4 12 15group of geological substrates

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

uppe

r hor

izon

(mg.

kg-1

)

0

1

2

3

4

5

6

uppe

r/sub

stra

te h

oriz

on ra

tio

Cd content in soil (2M HNO3 extraction)

Fig. 1. Contents of cadmium in upper horizon of agricultural soil according to geological substrate (left axis - box diagram) and ratio between the cadmium contents in upper and mineral horizon according to geological substrate (right axis – line diagram).

168

Page 173: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Funnel-and-Gate - Chance für innerstädtisches Flächenrecycling -

J. Weindl, Dr. M. Koch

bfm Umwelt-Beratung-Forschung-Management GmbH, Am Mittleren Moos 48, 86167 Augsburg [email protected]

Abstract: Large areas of subsoil are contaminated with PAH at the location of a former gasworks. A funnel-and-gate system is being built for long-term water decontamination. The particular hydro-geological characteristics of this location are its two hydraulically different but to some extent com-municating aquifers which must be included in the decontamination system. Zusammenfassung: Auf dem Standort eines ehemaligen Gaswerkes sind große Bereiche des Unter-grundes mit PAH belastet. Zur langfristigen Sanierung des Grundwassers wird ein Funnel-and-Gate-System gebaut. Die besonderen hydrogeologischen Verhältnisse auf dem Standort sind gekennzeichnet durch zwei hydraulisch unterschiedliche, z. T. jedoch kommunizierende Grundwasserleiter, die in das Sanierungssystem eingebunden werden müssen. Keywords: gasworks, PAH, funnel-and-gate system, Schlagworte: Gaswerk. PAK, Funnel-and-Gate-System 1 Standorteigenschaften 1.1 Geologische Verhältnisse 1.1.1 Quartär Das zu sanierende Gaswerksgelände liegt im Bereich der Münchner Schotterebene. Die anstehenden quartären Kiese werden von den tertiären Sedimenten der oberen Süßwassermolasse unterlagert. Das unterlagernde tertiäre Relief wurde dabei teils aufgefüllt, teils gruben sich Schmelzwasserflüsse in den Untergrund ein. Die Mächtigkeit der quartären Kiese beträgt im Gaswerksgelände in Abhängigkeit vom Tertiärrelief zwischen 7 und 8 m. Die quartären Schotter wurden auf dem ganzen Gelände häufig durch Baumaßnahmen bis in Tiefen zwischen 2 und 5 m umgelagert. 1.1.2 Tertiär Die pleistozänen Kiese werden von tertiären Sanden und Mergeln (Flinzsanden und Flinzmergeln) der Oberen Süßwassermolasse unterlagert. An der Oberkante der Tertiärsedimente stehen meist Flinzmer-gel mit einer Mächtigkeit von bis zu 2 m an. Darunter folgen Flinzsande (Fein- bis Mittelsande) von ca. 10 m Mächtigkeit. Teilweise fehlt jedoch die Flinzmergelschicht an der Tertiäroberkante. Dies ist stellenweise ein Effekt der raschen Fazieswechsel innerhalb der Tertiärsedimente, teilweise aber auch auf den Anschnitt durch die Erosionsfläche der überlagernden Quartärschotter zurückzuführen. Diese direkten Verbindungen des ersten und zweiten Grundwasserleiters werden als „Tertiärfenster“ be-zeichnet.

214

Page 174: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

1.1.3 Hydrogeologie Die sehr gut durchlässigen quartären Kiese bilden den eigentlichen Grundwasserleiter des oberen Grundwasserstockwerkes. Tiefere Grundwasserstockwerke findet man an Stellen, wo grundwasserfüh-rende Flinzsande durch eine undurchlässige Mergelschicht gegen die hangenden Quartärschotter ab-gedichtet sind. In den östlichen und äußersten westlichen Bereichen des ehemaligen Gaswerksgelän-des bestehen hydraulische Verbindungen zwischen Quartär- und Tertiärgrundwasserleiter. In den ge-trennten Bereichen weisen die Druckspiegel zwischen Quartär und Tertiär eine Differenz von ca. 0,5 m auf, die sich zu den „Tertiärfenstern“ hin bis auf 0 m ausgleicht. Der Flurabstand des quartären Grundwasserspiegels beträgt unter normalen Verhältnissen ca. 5,5 m, dir Grundwassermächtigkeit erreicht bei hohen Grundwasserständen ca. 5 m. Tabelle 1 gibt die hydraulischen Parameter am Stand-ort wieder. Tabelle 1: Hydrogeologische Parameter am Standort

Geological entity Quaternary gravel

Tertiary sand

Thickness 7-8 m ca. 10 m Hydraulic conductivity

1,1⋅10-2 m/s 2,8⋅10-4 m/s

Depth of groundwater table

6-6,5m 6,5-7 m (potentiometric

surface) Hydraulic slope 3,5%0 3-4,5%0

Darcy velocity 3,3 m/d 0,1 m/d Field velocity 13 m/d 0,4 m/d Effective porosity 26% 10% Storage coefficient 0,26 0,02

1.2 Schadstoffsituation Die Schadstoffe im Untergrund sind uneinheitlich verteilt. In die quartären Kiese sind während der Nutzung des Geländes zur Gaserzeugung Schadstoffe, v. a. Teeröle mit hohen Gehalten an PAH ein-gedrungen. Teilweise sind Teerlinsen mit erheblichen Ausmaßen eingelagert. Darüber hinaus sind an der Basis des oberen Grundwasserstockwerkes stellenweise bis zu über 1 m mächtige, pumpfähige Schwerphasen aus Teerölen angetroffen worden. Die PAH-Gehalte im Boden können bis zu 16.000 mg/kg, in Teergruben bis zu 40.000 mg/kg erreichen. Zur Zeit wird der Grundwasserabstrom durch eine Pump-and-Treat-Maßnahme gesichert. Hierbei werden aus 11 Pegeln bis zu 35 l/s abgepumpt, in einer Grundwasserreinigungsanlage behandelt und gereinigt wieder in den Grundwasserleiter infilt-riert. Die PAH-Belastungen des Grundwassers können dabei bis zu 12.000 µg/l erreichen. 2 Planung des Funnel-and-Gate-Systems 2.1 Vorversuche Zu Beginn der technischen Planung des Funnel-and-Gate-Systems musste festgestellt werden, dass keine gesicherten Daten zur Durchlässigkeit von Aktivkohleschüttungen bei sehr niedrigen Strö-

215

Page 175: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

mungsgeschwindigkeiten sowie zu den zur ausreichenden Adsorption der Schadstoffe an der Aktiv-kohle erforderlichen Mindestverweilzeiten des Grundwassers in der Aktivkohleschüttung verfügbar sind. Diese Auslegungsparameter wurden daher vor Aufnahme der Planungsarbeiten für unterschiedli-che Aktivkohlen experimentell ermittelt. 2.1.1 Versuche zur Durchlässigkeit der Aktivkohle Insgesamt wurden 10 verschiedene Aktivkohlen unterschiedlicher Hersteller untersucht. Diese wiesen folgende Kornverteilungen auf:

• Wirksamer Durchmesser d10: 0,82 - 2,3 mm • Ungleichförmigkeitsgrad: 1,4 - 2,0 [-]

Die Versuche wurden in einer Durchlässigkeitsprüfanlage DW 180 der Fa. Wille Geotechnik GmbH durchgeführt. Die Durchlässigkeit wurde für jede Aktivkohle für vier verschiedene Filtergeschwindig-keiten ermittelt. Dabei wurden folgende Versuchsbedingungen eingestellt:

• Hydraulisches Gefälle: 0,03 -0,25 • Filtergeschwindigkeit: 2⋅10-4 - 4,6⋅10-3 [m/s]

Als Ergebnisse lassen sich festhalten:

• Die experimentell ermittelten Durchlässigkeitsbeiwerte für die Aktivkohlen bei einer Wasser-temperatur von 10°C lagen zwischen 3,7⋅10-2 und 5,4⋅10-2 m/s.

• Eine signifikante Abhängigkeit vom hydraulischen Gefälle oder der Filtergeschwindigkeit war nicht feststellbar.

• Eine Berechnung dieser nach HAZEN (1893) und BEYER (1964) ergab um bis zu 100% zu hohe Durchlässigkeitsbeiwerte.

• Wesentlich bessere Ergebnisse ergaben sich bei einer Extrapolation von Herstellerangaben zu Druckverlusten von Aktivkohlen in technischen Filtern mittels des Gesetzes von Darcy. Die maximal festgestellte Überbestimmung bei der Berechnung lag damit bei 40%.

2.1.2 Bestimmung der Mindestverweilzeiten Neben der Durchlässigkeit der Aktivkohle ist für Auslegung von Funnel-and-Gate-Systemen die zur ausreichenden Reinigung erforderliche Mindestverweilzeit des kontaminierten Grundwassers in der Filterschüttung von entscheidender Bedeutung. Diese wurde für drei unterschiedliche Aktivkohlen unterfolgenden Bedingungen untersucht:

• Durchlässigkeitsbeiwert: 1,2⋅10-2 - 5,4⋅10-2 • Filtergeschwindigkeit: 0,25; 2,5; 1; 5 m/h • Ausgangskonzentration PAH: 12 - 42 µg/l (ΣEPA) • Sanierungszielwert PAH: 0,2 µg/l (ΣEPA)

216

Page 176: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Dabei ergaben sich die folgenden Ergebnisse:

• Die ermittelten, effektiven Mindestverweilzeiten lagen zwischen 4 und 200 Minuten. • Die erforderliche Mindestverweilzeit nimmt mit steigender Durchlässigkeit der Aktivkohle-

schüttung und sinkender Filtergeschwindigkeit zu. • Der Einfluss der Filtergeschwindigkeit nimmt mit der Durchlässigkeit der Aktivkohleschüt-

tung stark zu. 2.1.3 Festlegung der Aktivkohlenmengen Die mindestens erforderlichen Verweilzeiten werden dadurch realisiert, dass dem anströmenden Grundwasser in ausreichendem Maße nutzbares Porenvolumen zur Verfügung gestellt wird. Damit ergibt sich als mindestens erforderliches Schüttvolumen des Aktivkohlefilters:

( ) fGWAC ntVV ⋅⋅= minmax,min,&

mit = mindestens erforderliches Aktivkohlevolumen [m³]; = maximaler Grundwasser-

strom durch Filter [m³/s]; = erforderliche Mindestverweilzeit [s]; n

ACVmin, max,GWV&

mint f = nutzbare Porosität [-]. Auf Basis der Ergebnisse der vorstehend beschriebenen Versuche und der in Kapitel 2.2.1 beschriebenen Grundwassermodellierung ergibt sich im Falle des Gaswerksgeländes München ein mindestens erfor-derliches Schüttvolumen des Aktivkohlefilters von etwa 600 m³. 2.2 Technische Planung 2.2.1 Grundwassermodellierung Die vorgenommenen Planungen wurden von der Ludwig Maximilian Universität München mit dem Simulationsprogramm FEFLOW® einer Modellrechnung unterworfen. Näheres hierzu enthält der Bei-trag “Passive Sanierung eines ehemaligen Gaswerksstandortes - Hydraulische Dimensionierung. 2.2.2 Lage des Funnel-and-Gate-System Auf Basis der in Kapitel 2.2.1 beschriebenen hydraulischen Modellierung sowie einer im Sommer 2000 durchgeführten technischen Erkundung des Areals wurde die Lage des Funnel-and-Gate-Systems festgelegt. Es weist quer zum nach Norden gerichteten Grundwasserstrom in Ost-West-Richtung eine Gesamtbreite von 550 m auf. Im Westen erstreckt sich ein Funnel etwa 150 m, im Osten etwa 450 m nach Süden.

217

Page 177: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2.2.3 Ausbildung des Funnels Als Funnel sowie als Dichtwand unterhalb der Gates ist der Bau einer Einphasenschlitzwand vorgese-hen. Diese bindet etwa 2 m in die Basis des zweiten Grundwasserleiters ein, welche in etwa 22 m Tie-fe in Form feinsandiger Schluffe und Tone ansteht. Damit ist der zweite Grundwasserleiter im gesam-ten Ausdehnungsbereich des Funnel-and-Gate-Systems abgedichtet, der erste Grundwasserleiter mit Ausnahme der Gates. 2.2.4 Anordnung und Dimensionierung der Gates Die Gates sind als Linienbauwerke in der quer zum Grundwasserstrom angeordneten Dichtwand vor-gesehen. Ihre Tiefe erstreckt sich über den gesamten ersten Grundwasserleiter bis zu den tertiären Deckschichten. Der grundsätzliche Aufbau der Gates ist aus Abbildung 1 ersichtlich: Kontaminiertes Grundwasser strömt (in der Abbildung links unten) in das Gate ein. Dieses kann jedoch nicht direkt durchströmt werden, da mittig eine Trennwand angeordnet ist. Das kontaminierte Grundwasser wird daher gezwungen, aufwärtsgerichtet vertikal eine Aktivkohleschüttung zu durchströmen. Nach Über-strömen der Trennwand passiert das Grundwasser den in der rechten Bildhälfte dargestellten, zweiten Aktivkohlefilter von oben nach unten und verlässt gereinigt das Gate (in der Abbildung rechts unten).

Trennwand

FilterkiesAktivkohle

Betonsohle

GWS

Zustrom

Versteifung

Überlauf

Abstrom

Betondecke

GOK

Auffüllung

Abbildung 1: Prinzipskizze Gate (Querschnitt) Die Dimensionierung der Gates stellt eine mehrdimensionale Optimierungsaufgabe dar. Konkurrieren-de Auslegungsparameter sind dabei der Strömungswiderstand der Gates und die erreichbare Filterge-schwindigkeit des Grundwassers bei der Passage dessen:

• Aufgrund vorhandener Bebauung im Zustrombereich und zur Verhinderung von Schadstoff-einträgen in den zweiten Grundwasserleiter ist der Strömungswiderstand der Gates zu mini-mieren. Dies kann dadurch erreicht werden, dass das erforderliche Aktivkohlevolumen zur Einhaltung der Mindestverweilzeit gemäss Kapitel 2.1.3 in möglichst flachen Filterschichten großen Querschnitts eingebaut wird.

• Dies hat wiederum zur Folge, dass sich im Gate niedrige Filtergeschwindigkeiten ergeben, die, wie in Kapitel 2.1.2 dargestellt, sehr lange Verweilzeiten und damit Aktivkohlevolumina be-wirken.

218

Page 178: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Nach derzeitigem Planungsstand wird davon ausgegangen, dass die optimale Gatebreite in Grundwas-serfließrichtung etwa 3 m, die Länge quer zu dieser etwa 200 m beträgt. Die Schütthöhe der Aktivkoh-le wird derzeit mit 1 m angesetzt. Die Gatelänge von 200 m soll auf zwei Einzelbauwerke aufgeteilt werden, wobei jedes dieser Gates wiederum in 11 unabhängige Sektionen unterteilt wird. Aus Abbil-dung 2 ist eine Draufsicht auf das Gatebauwerk ersichtlich.

Sheeting wall box

GW-Flow direction

Overflow barrier

Horizontal drain pipe

Diaphragm wall

Reinforcement

Activated carbon

Abbildung 2: Draufsicht Gate Die Gates werden in Spundwandbauweise errichtet, wobei die Decke, die Sektionstrennwände sowie die Überlaufwände aus Stahlbeton gefertigt werden sollen. Die Wasserzu- und abfuhr erfolgt durch nachträglich gebohrte Horizontaldrainagen. Diese werden innerhalb des Gates mit Schiebern versehen, so dass die einzelnen Gatesektionen zu Wartungs- und Reparaturzwecken vollständig entleert werden können. Abbildung 3 zeigt einen Schnitt durch das Gatebauwerk und die Horizontaldrainagen.

Horizontal drain pipe

Diaphragm wall

Larssen 24

Overflow barrier

Reinforcement

Tertiary (fS, u')2. GW-Aquifer

Quartary (G,s ,u')1. GW-Aquifer

Tertiary (T,s')2. GW-Non aquifer

Tertiary (U,fs / T,fs)1. GW-Non aquifer

Ground level

Highest recorded level

Groundwater level

Abbildung 3: Schnitt (versetzt!) durch Gate und Horizontaldrainagen

219

Page 179: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

3 Anmerkung Für das vorgestellte Gatebauwerk sowie dessen Bauweise wurde vom Deutschen Patentamt unter der Nummer 200 02 178.8 ein Gebrauchsmuster erteilt. Daneben wurde es beim Deutschen und beim Eu-ropäischen Patentamt zum Patent angemeldet. Daneben sind Patente für das Gesamtbauwerk bean-tragt. 4 Literatur BEYER, W. (1964): Zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von Kiesen und Sanden aus der Korn-verteilung. - Wasserwirtschaft-Wassertechnik (WWT): 165-169; Berlin-Ost HAZEN, A. (1893): Some physical properties of sands and gravels with special reference to their use in filtration. - Ann. Rep. Mass. State Bd. Health 24: 541-556; Boston

220

Page 180: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

INTERPARK Großmehring/Kösching–Flächenrecycling für Industrie und Gewerbe

Alois Rieder, Landschaftsarchitekt, Büro Wolfgang Weinzierl

Büro Wolfgang Weinzierl, Parkstraße 10, 85051 Ingolstadt Tel.: 0841/96641-0, e-mail: [email protected]

Abstract: Ingolstadt's position as an oil refinery stronghold during the sixties was later curtailed in the eighties with the dismantling of the Shell AG refinery. By 1989 the Terreno GmbH & Co. KG, Mu-nich had acquired the whole area from Shell AG. In the interest of space redanation a zoning ordi-nance plan was initiated for the development of one of the largest industrial parks in Germany. Zusammenfassung: Nachdem sich in den 60er Jahren Ingolstadt zum Raffineriestandort entwickelt hatte, begann Anfang der 80er Jahre ein Wandel, der zum Abbau der Shell-Raffinerie geführt hat. Die Shell AG hat 1989 das gesamte Areal an die Terreno GmbH & Co. KG, München veräußert. Im Sinne des Flächenrecyclings wurde für die Gesamtfläche ein Bebauungs- und Grünordnungsplan zur Ent-wicklung eines der größten Gewerbeparks Deutschlands aufgestellt. Keywords: Industrial Space Redanation, Comprehensive Planning, Industrial Park Schlagworte: Industrieflächenrecycling, Bauleitplanung, Gewerbepark 1 Einleitung In den 60er-Jahren wurden östlich der Stadt Ingolstadt in der landwirtschaftlichen Flur zwischen den Ortschaften Großmehring und Kösching die Ölraffinerien der ESSO AG und SHELL AG errichtet. Das Raffineriegelände der SHELL AG wurde auf den landwirtschaftlichen Flächen des 'Erlachhofes' errichtet, umfasste insgesamt 194 Hektar und war bis 1982 etwa zur Hälfte der Gesamtfläche mit den notwendigen Tanklager- und Produktionsanlagen belegt. Die andere Hälfte des Gesamtareals war als Pachtfläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt bzw. als naturnaher Gehölzbestand entwickelt. 1982 wurden der Betrieb der SHELL-Ölraffinerie eingestellt und alle Betriebsanlagen demontiert. Die SHELL AG hat 1989 das gesamte Areal an die Terreno GmbH & Co.KG, München veräußert. Im Sinne des Flächenrecyclings wurde für die Gesamtfläche ein Bebauungs- und Grünordnungsplan zur Entwicklung eines der größten Gewerbeparks Deutschlands aufgestellt. Im Rahmen des Bauleitplan-verfahrens für den Bebauungs- und Grünordnungsplan zum Gewerbepark 'INTERPARK' wurde von der Regierung von Oberbayern ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das mit der landesplaneri-schen Beurteilung vom 28.01.91 abschloss. Demnach entspricht die Wiederaufnahme der gewerbli-chen Nutzung auf dem ehemals industriell genutzten Standort der SHELL-Raffinerie unter Beachtung mehrerer Maßgaben den Erfordernissen der Raumordnung. Unter anderem ist bei der Entwicklung des Gewerbeparks eine ausgeprägte Zonierung der nutzbaren Bauflächen und zu erhaltender bzw. zu entwickelnder Freiraumstrukturen zwingend vorgegeben. Darüber hinaus sind als Vorgabe aus dem Raumordnungsverfahren neben den Festlegungen zu maxi-mal zulässigen Gebäudehöhen, zur Ver- und Entsorgung sowie verkehrlichen Erschließung des Ge-werbeparks auch Forderungen an das Flächenmanagement der betroffenen Gemeinden Großmehring und Kösching abgeleitet. Beide Gemeinden mussten zur Sicherstellung einer sinnvollen Zuordnung

Page 181: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

von Wohn- und Arbeitsstätten zusätzliche Wohnbauflächen in ihren Flächennutzungsplänen auswei-sen und dabei gleichzeitig einen kommunalen Landschaftsplan für das gesamte Gemeindegebiet auf-stellen. Aufbau und Sicherung von Freiraum- und Biotopstrukturen innerhalb und im weiteren Umfeld des INTERPARKS war dabei zentrales Thema des landschaftlichen Entwicklungskonzeptes.

Abb. 1: Luftbild des Industriestandortes während der Nutzung als Ölraffinerie der Shell-AG – 1982 Die Entwicklung des Gewerbeparks mit 1,2 Millionen m² Nettobaufläche hatte somit weitreichende Folgen auf die weitere bauleitplanerische Entwicklung der Gemeinden Kösching und Großmehring. Es ist besonders positiv anzumerken, dass es im vorliegenden Fall gelungen ist, für die Entwicklung eines neuen Gewerbeparks einem stillgelegten, ehemals industriell genutzten Standort im Sinne des 'sparsa-men und schonenden Umgangs mit Grund und Boden' gemäß § 8 BauGB den Vorzug gegenüber der Neuschaffung 'auf der grünen Wiese' zu geben. Probleme wie Altlastensanierung oder Erhaltung der denkmalgeschützten Anlagen des Erlachhofes waren dabei integriert zu lösen. 2 Material und Methoden Die Entwicklung des Gewerbeparkes 'INTERPARK' war streng aus dem Planungsinstrumentarium der Raumordnung und Bauleitplanung heraus entwickelt worden. Das Raumordnungsverfahren sowie das Bauleitplanverfahren wurde nach den gesetzlichen Vorgaben von Raumordnungsgesetz, Baugesetzbuch und Landesplanungsgesetz erarbeitet. Um eine städtebauliche Gesamtkonzeption für die Wiederaufnahme einer industriell-gewerblichen Nutzung zu erreichen, die nicht nur den Standort selbst, sondern auch die umgebenden Gemeinden, Ortsteile und die Kulturlandschaft berücksichtigt, wurde ein Landschaftsplanerisches Sondergutachten erstellt. Insbesondere die naturräumlichen Grundlagen - die Boden- und Wasserverhältnisse, die topographi-sche Situation, wertvolle Vegetationsbestände (Biotope, Schutzgebiete), die klimatischen Verhältnisse

Page 182: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

sowie Sichtbezüge in der Kulturlandschaft – waren entscheidende Grundlage für die städtebauliche und landschaftsplanerische Gesamtkonzeption für den INTERPARK. 2.1 Städtebaulicher Entwurf Ein integriertes Nutzungs-, Baumassen-, Erschließungs- und Grünordnungskonzept dient als Leitbild, aus dem die Festsetzungen für den Bebauungsplan entwickelt sind. Nutzungszonen Das Planungsgebiet ist in vier, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Zonen gegliedert: − Im Westen, westlich der Gleisharfe, wird die durch einen wertvollen Grünbestand und Biotope

geprägte Zone weitgehend unangetastet belassen. − Östlich davon entwickelt sich auf rd. 800 m Breite in Ost-West-Richtung das Gebiet für indus-

triell-gewerbliche Nutzungen. − Mit einer Breite von 120 - 150 m schließt östlich ein Grünzug an, der Freizeit- und kleinere Sport-

anlagen aufnimmt. Punktuell sind Gebäude für Post, eventuell Polizei, Geldinstitute sowie für die Sportanlagen vorgesehen. Auch Einkaufsmöglichkeiten sind gegeben. Die Freiflächen dominieren und schaffen eine räumliche Zäsur zwischen unterschiedlichen Nutzungs- und Gestaltungsabsich-ten.

− Die östliche Zone mit einer Breite von 250 bis 300 m ist für vielfältige Nutzungen mit höheren gestalterischen Ansprüchen, wie High-Tec-Betriebe, Forschungsstätten, Bürogebäude sowie ein komfortables Hotel vorgesehen. Im Norden und Süden dieser Zone sind Flächen vorgesehen, die Gewerbebetriebe für Großmeh-ring und Kösching aufnehmen sollen.

Baumassen Das Baumassenkonzept sieht einerseits eine Herabstaffelung der Gebäudehöhen zu den Rändern vor, und ermöglicht andererseits eine Kette höherer, gut gestalteter Gebäude bis zu einer Höhe von 30 m. Erschließungssystem Die Zonen werden durch ein übersichtliches Straßensystem (zwei Hauptsammelstraßen in Nord-Süd-Richtung, an diese angeschlossen in West-Ost-Richtung verlaufende Erschließungsstraßen) erschlos-sen. Parallel zu den Ost-West-Erschließungsstraßen, die von Fuß- und Radwegen sowie Grünstreifen mit nicht alleeartigen Baumbeständen begleitet werden, liegen auf den privaten Grundstücken vor den Gebäuden ca. 25 m breite Zonen, die in vielfältiger Weise genutzt werden sollen (Einfahrten, Park-plätze, Parkpaletten, Pförtner- und Ausstellungsgebäude, Kioske, Grünflächen für Betriebsrekreation mit Baumgruppen). Ein Grünordnungssystem entlang der Straßen wird durch zu erhaltende Gehölze und neue Grünanla-gen ergänzt insbesondere in dem großzügig angelegten Grünzug zwischen den Bereichen der gewerb-lich-industriellen Nutzung.

Page 183: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Grünordnung − Zur Sicherstellung der Durchgrünung der gewerblich/industriell genutzten Flächen des Gewerbe-

parks ist ein privater Grünflächenanteil von mindestens 15 % der Gesamtgrundstücksfläche für die Einzelgrundstücke festgesetzt worden.

− Dabei werden die privaten Grünflächen zum einen als mindestens 10 m breiter zu bepflanzender Streifen entlang der senkrecht zu den Erschließungsstraßen verlaufenden Grundstücksgrenzen, zum anderen zur Stärkung vorhandener Strukturen, soweit wie möglich unter Einbeziehung des Bestandes (Gras-, Kraut- und Staudenfluren; Gehölze), ausgewiesen.

− Sicherung und Stärkung des Auwaldbereiches und Einbeziehung der bisher intensiv genutzen Wiesen als Auewiesen bzw. Feuchtflächen entlang des Köschinger Baches im Westen des Pla-nungsgebietes.

− Erhaltung und waldbauliche Pflege des vorhandenen Grüngürtels am südlichen und östlichen Rand des Planungsgebietes.

− Gestaltung des Nordrandes des Industrie- und Gewerbegebietes als Übergang in die freie Land-schaft.

Abb. 2: Luftbild des Industriestandortes nach Herstellung des Erschließungssystems zur Entwicklung

des INTERPARKES - 1998 2.2 Landschaftliches Leitbild Grundlagen zur Ableitung des landschaftlichen Leitbildes bilden − die Charakteristik des vorliegenden Naturraumes unter besonderer Berücksichtigung der Topogra-

phie und der Bodenarten/Bodennutzung − die landschaftsbildprägenden Vegetationsbestände und die naturschutzrechtlichen Gegebenheiten − die archäologischen Vorbehaltsflächen mit zu erwartenden Bodendenkmälern bzw. die Siedlungs-

entwicklung im Allgemeinen

Page 184: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Daraus entwickeln sich folgende Grundprinzipien zur landschaftlichen Entwicklung des weiteren Pla-nungsgebietes: − in den Niederungsbereichen ist eine flächig durchgehende extensive Grünlandbewirtschaftung

anzustreben. Alle grundwassernahen bzw. anmoorigen Bodenstandorte sind dazu in ihrem Bestand bzw. durch Umwandlung von Acker- zu Grünlandflächen zu sichern. Einher geht damit die Of-fenhaltung der Bachniederungen von Aufforstungen und Querriegeln.

− die landschaftsbildbestimmenden Geländekuppen sind in ihrem Bestand zu sichern bzw. zu stär-ken und durch Entstehung von standortgerechten Wäldern auf bisher freien Lagen zu akzentuie-ren. Somit entstehen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der vorherrschenden Ackernutzung Schwerpunkte mit vorrangiger Bedeutung für das Landschaftsbild und den Naturhaushalt.

− bestehende Vegetationsbestände (Gehölze) sind insbesondere bei den bestehenden Gewerbeflä-chen durch Ergänzung als optische Einfriedung zu stärken.

2.3 Kulturhistorisches Leitbild Grundlagen zur Ableitung des kulturhistorischen Leitbildes bilden − das Wissen um historische Kulturlandschaftsteile − die Siedlungsentwicklung mit ihren Infrastrukturelementen − die Topographie, die Sichtbeziehungen und die landschaftsbildprägenden Vegetationsbestände Daraus entwickeln sich folgende Grundprinzipien zur kulturhistorischen Entwicklung des weiteren Planungsgebietes: − die historischen Sichtachsen, die historische Wegeverbindung Feldkirchen-Kösching und die Rö-

merstraße sind in ihrem "Erinnerungswert" hervorzuheben; - durch landschaftspflegerische Maßnahmen wie Baumalleen, Baumreihen, in Baugebieten zur optischen Vernetzung - durch Einrichtung von Freihaltezonen in einer Breite von ca. 250 m in der keine höheren Gebäu- de errichtet werden sollen

− die neu geschaffene Sichtachse Kirche Kösching - Bergkapelle Großmehring ist ebenfalls durch die vorab genannten landschaftspflegerischen Maßnahmen in die Kulturlandschaft zu integrieren. Zum INTERPARK wurde bereits durch die Ausweisung der grünräumlich großzügig ausgewiese-nen Zone diesbezüglich bewußt reagiert.

3 Ergebnisse und Diskussionen Die Entwicklung des INTERPARKES auf einem ehemaligen Raffineriestandort kann als gelungenes Beispiel für ein im Sinne des Bodenschutzes sinnvolles Flächenrecycling bezeichnet werden. Neben der völlig neuen städtebaulichen – landschaftsplanerischen Einordnung in den Raum waren Probleme der Altlastensanierung sowie die Erhaltung denkmalgeschützter Anlagen (der Erlachhof) zu lösen. Die überregionale Verkehrsanbindung an Straße und Schiene waren ebenso gegeben wie die Möglich-keiten in den umliegenden Gemeinden ausreichend Wohngebiete auszuweisen.

Page 185: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die historische Entwicklung der Wiedervereinigung Deutschlands hat jedoch das Wachstum des INTERPARKES nachhaltig gebremst. Von den 1,2 Mio. m² Nettobaufläche sind bisher erst ca. ¼ belegt. Im Sinne des Bodenschutzes und einer nachhaltigen flächensparenden Gewerbe- und Industrie-entwicklung haben die Instrumente der Raumordnung versagt. Gewerbe- und Industriegebiete in den neuen Bundesländern wurden auf der 'grünen Wiese' entwickelt und suchen heute ebenso nach An-siedlungswilligen wie die im Sinne des Bodenschutzes optimal recycelte Industriebrache, die neuem Gewerbe ideale Standortvoraussetzungen bietet. 4 Schlussfolgerung Dem vielfach beschworenen Geist von Rio folgend ist eine nachhaltige Bodenpolitik möglich. Aufge-lassene Industriestandorte bieten bei entsprechenden städtebaulichen und landschaftsplanerischen Konzeptionen ideale Voraussetzungen dem gesetzlichen Auftrag nach einen 'sparsamen und schonen-den Umgang mit Grund und Boden' Folge zu leisten. Nur der 'Markt' handelt manchmal anders. 5 Literatur BAYER. LANDESAMT FÜR DENKMALPFLEGE REFERAT OBERBAYERN-NORD !996): Kartierung der Bodendenkmäler: Gde. Lenting, Gde. Hepberg, Gde. Kösching, Gde. Großmehring, Stadt Ingolstadt BAYER. LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ (1988): Biotopkartierung Bayern Flachland; München GEMEINDE GROßMEHRING (1984): Heimatbuch Großmehring von Wilhelm Ernst KNOPP, G.; KNOPP-KÖRTE, B.; WEINZIERL, W. (1991): Bebauungs- und Grünordnungsplan 'Gewerbe-park Großmehring/Kösching' vom 9.11.91 REGIERUNG VON OBERBAYERN (1991): Landesplanerische Beurteilung zum Raumordnungsverfahren für den Bebauungs- und Grünordnungsplan 'Gewerbepark Großmehring/Kösching' vom 28.1.91 STADT INGOLSTADT (1996): Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan; Ingolstadt STADT INGOLSTADT (1986): Stadtbiotopkartierung, Ingolstadt STADT INGOLSTADT STADTPLANUNGSAMT: Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 714 Gewerbepark Nord-Ost WEINZIERL, W. (1997): Landschaftsplan Markt Kösching, Vorentwurf; 22.1.97 und Landschaftsplan Gde. Großmehring, Arbeitsstand Februar 97

Page 186: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die Zusammenarbeit von Berg- und Bodenschutzfachbehörden beim Vollzug des Abfall-, Berg- und Bodenschutzrechtes für die Wiedernutzbarmachung

von Bergbauflächen

Dr. O. Penndorf Staatl. Umweltfachamt, Bautzner Str. 67, 04347 Leipzig

[email protected]

H. Göbel Bergamt Borna, Brauhausstr. 8, 04552 Borna

[email protected] Abstract: The analysis of the practical realities of waste utilisation and soil conservation conducted in the course of developing practical proposals to solve the issues of mining administration led to joint agreements which saw professional solutions accepted and implemented by both sides. The results can be gauged from the level of satisfaction felt by the mining company in spite of -- or perhaps actually due to -- the demands included in the authorisation granted in accordance with miner's statutes and regulations, essentially because these requirements are clear to the company and allow it to act on a firm legal footing whilst also, of course, being fully acceptable in the interests of soil conservation. Zusammenfassung: Die Auseinandersetzung mit der Praxis der Abfallverwertung und des Boden-schutzes bei der Erarbeitung vollziehbarer Lösungsvorschläge für die Bergverwaltung führten bei gemeinsamer Abstimmung zu fachlich beiderseits getragenen Vollzugslösungen. Maßstab dafür ist die Zufriedenheit der Bergbautreibenden trotz oder gerade wegen der Anforderungen in der bergrechtli-chen Zulassung, weil er diese versteht, rechtssicher handeln kann und sie letztendlich im Interesse des Bodenschutzes akzeptiert. Keywords: waste management, mining, soil conservation, supervisory mining authority, rehabilitation of mined lands Schlagworte: Abfallverwertung, Bergbau, Bodenschutz, Bergaufsicht, Wiedernutzbarmachung 1 Vorbemerkungen Seit langem werden Böden und Bodenoberflächen in erheblichem Umfang für Zwecke der Abfallver-wertung beansprucht. Die gewachsene Sensibilität der Verbraucher gegenüber möglichen qualitativen Beeinträchtigungen der auf landwirtschaftlichen Flächen produzierten Nahrungsmitteln und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken sind eine wesentliche Ursache dafür, dass sich das Interesse der Abfallwirtschaft zunehmend auf andere Flächen, wie z.B. devastierte oder landwirtschaftlich nur eingeschränkt nutzbare Flächen richtet, weil hier weniger strenge Anforderungen an Umweltschutzgü-ter und damit eine größere Akzeptanz für die Verwertung von Abfällen vermutet werden. Für den Umgang mit Abfällen änderten sich mit dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG 1994 grundlegend die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der nunmehr unbedingte Vorrang der stofflichen Verwertung der Abfälle vor der Beseitigung forciert seit einigen Jahren zusätzlich die intensive Suche nach neuen Verwertungsmöglichkeiten.

169

Page 187: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Im Zeitraum 1993 - 1999 wurden im sächsischen Bergbau in der Größenordnung von ca. 52,4 Mio t bergbaufremde Abfälle auf devastierten Flächen zur Wiedernutzbarmachung eingesetzt. Nach Kenntnisstand des Staatlichen Umweltfachamtes Leipzig kamen im selben Zeitraum allein im Zuständigkeitsbereich des Bergamtes Borna etwa 20,3 Mio t mineralische Nichtbergbauabfälle in Restlöchern zum Einbau. Unter Bergrecht stehend befinden sich die o.g. Flächen zunächst außerhalb der Zuständigkeit der Umweltverwaltungen in Verantwortung der Bergbehörden. Diese stehen vor dem Problem zu entscheiden, was noch als Verwertung oder bereits als Beseitigung zu gelten hat und in welchem Maße dabei das Schutzgut Boden zu beachten ist. Mit dem seit 1999 zu vollziehenden BBodSchG und seiner Verordnung gibt es nun Vollzugsregelungen, die das Abfall- und Bergrecht materiell untersetzen. 2 Die Zusammenarbeit von Bergamt Borna und StUFA Leipzig Ein erster Meilenstein in der Zusammenarbeit beider Behörden war die Schaffung eines Merkblattes „zum Abriss von baulichen Anlagen und zur Separierung, Behandlung, Verwertung und Entsorgung von Reststoffen und Abfällen“ im Jahr 1992. Dieses Papier, basierend u.a. auf einem früheren Entwurf der LAGA-TR zu „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststof-fen/Abfällen“ (LAGA, 1992), schuf erstmals einen einheitlichen Rahmen für die Verwertung von mineralischen Abfällen im Regierungsbezirk Leipzig. Den besonderen Bedingungen der Verwertung mineralischer Abfälle im Bergbaubereich wurde insbesondere dadurch Rechnung getragen, dass die aus dem LAGA-TR-Entwurf bekannten „Z2-Werte = Verwertung unter definierten technischen Sicherungsmaßnahmen“ nicht in das Merkblatt aufgenommen wurden, da die Nutzung derart stofflich belasteter Abfälle in Kombination mit der dann notwendigen technischen Sicherung nach gemeinsa-mer Meinung von Bergamt Borna und StUFA Leipzig dem Ziel einer bergrechtlich geforderten nachsorgefreien Widernutzbarmachung nicht entsprach. Seit 1992 fertigt das StUFA Leipzig als Bodenschutzfachbehörde für die Bergverwaltung im Rahmen der Betriebsplanzulassungsverfahren auf der Grundlage des einschlägigen Umweltfachrechtes Fachstellungnahmen, formuliert dabei Vorschläge für Nebenbestimmungen und begründet diese entsprechend den fachlichen Erfordernissen. Speziell für die hinreichende Berücksichtigung des Schutzgutes Boden in den Antragsunterlagen bzw. im Verfahren entwickelte das StUFA Leipzig Arbeitsblätter für die einzelnen Verfahrensabschnitte Raumordnungsantrag, planfestzustellender obligatorischer Rahmenbetriebsplan, fakultativer Rahmenbetriebsplan sowie Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplan. Diese werden entsprechend den Novellierungen der gesetzlichen Regelungen sowie in Anpassung an den aktuellen Stand des Fachwissens ständig aktualisiert. Die auf den Stellungnahmen des StUFA Leipzig aufbauenden Planfeststellungen von obligatorischen Rahmenbetriebsplänen bzw. Zulassungen von fakultativen Rahmenbetriebsplänen, Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplänen mit den entsprechenden abfallrechtlich- und bodenschutz-relevanten Nebenbestimmungen sind wiederum Gegenstand einer seit 1995 stattfindenden Überwachungstätigkeit gemeinsam mit dem Bergamt Borna in den bergbaulichen Anlagen, die zur Widernutzbarmachung ihrer Abbauflächen unter anderem auch bergbaufremde Abfälle nutzen. Anfangs auf Basis freiwilliger Vereinbarungen auf Anregung des StUFA Leipzig ist seit 1996 die Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt- und Landwirtschaft über Zuständigkeiten bei der Durchführung abfallrechtlicher und bodenschutzrechtlicher Vorschriften (ABoZuV) dafür die Grundlage. In diesem Zeitraum verwerteten die Bergbaubetriebe im Zuständigkeitsbereich von Bergamt Borna und StUFA Leipzig insgesamt 16 Mio t überwiegend Bodenaushub und nicht bautechnisch verwertba-

170

Page 188: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

ren Bauschutt, in Einzelfällen auch Braunkohlenaschen und Ofenausbruch. Zur behördlichen Überwa-chung dieser Tätigkeit werden jährlich über 60 Kontrollen in 40 – 50 Betrieben in folgendem Umfang durchgeführt:

Tabelle 1: Kontrollumfang und –inhalt der Überwachung zur Abfallverwertung in Bergbaubetrieben

Kontrollumfang Kontrollinhalt

Abfallarten Betriebsplangemäße Zulässigkeit der Ablagerung bergbaufremder Abfallarten

Annahmekontrolle

Inhaltliche Vollständigkeit der Herkunftsnachweise Personell abgesicherte Annahmekontrolle insbes. am Ort der Verkippung Möglichkeiten der nachträglichen Sortierung geringfügig mit unzulässigen Abfallarten vermischter Abfälle

Kennzeichnung der Ablagerungsstellen

Vorhandensein eines Kippstellenrasters im Wiedernutzbar-machungsbereich Risswerkmäßige Erfassung des Bereiches der Abfallverwer-tung, einschließlich Zuordnung der angelieferten Abfälle

Probenahme für Eigenkontrolle/ Fremdüberwachung, einschließlich Unterlagen zum Nachweis der chemischen Qualität des Abfalls

Vorhandensein und Informationsgehalt der Deklarationsana-lysen, soweit erforderlich Repräsentativität der Abfallbeprobung (Probenanzahl, -beschreibung) am Standort der Verwertung Zuordnung der Beprobungen im Risswerk Umsetzung der Empfehlungen der Gutachter

Volumen-/Massenbilanz zu den eingelagerten Abfällen Vorhandensein

Sonstige Maßgaben zum Wiedernutzbarmachungsziel Ablagerungsmächtigkeit Textur und Struktur von Nichtbodenabfällen

Als Mängelschwerpunkt kristallisierte sich bei den Kontrollen bislang insbesondere die Ablagerung von unsortiertem Bauschutt bzw. Baustellenmischabfällen mit signifikanten Anteilen an Holz, Schrott und Kunststoffabfällen heraus. Neue problembehaftete Abfallarten, die im Verlauf der Kontrolljahre an Bedeutung gewannen und als solche von einzelnen Betrieben nicht erkannt worden sind, stellten Altschotter und deren Absiebung sowie Gießereialtsande dar. Der Anteil nicht recycelbarer Bauschut-te am gesamten Abfallvolumen wuchs in den letzten Jahren stark an und übertrifft derzeit in einzelnen Betrieben das Volumen an Bodenaushub. Die Verlagerung der Bautätigkeit von der „grünen Wiese“ in innerstädtische Bereiche (Flächenrecycling) sowie die zunehmende Gebäudeerneuerung sind dafür Ursache. Positiv ist zu unterstreichen, dass die Bergbautreibenden sich ihrer Verantwortung als Abfallverwerter zunehmend bewusst geworden sind, auch wenn dies durch die „Konkurrenz“ – Deponiebetreiber und Inhaber von Genehmigungen für Abgrabungen und „Verfüllungen“ nach Baurecht noch oft bestritten wird. So gab es in den vergangenen Jahren im Amtsbereich bislang keinen Fall von Verdacht auf umweltgefährdende Abfallbeseitigung. Der Anteil von Verstößen gegen die bergrechtliche Zulassung (zugelassene Abfallarten) umfasste weniger als 2 % aller Kontrollen. Die insbesondere in den Restlöchern des Braunkohlenbergbaus in den ersten Jahren in nicht wenigen Fällen festgestellte ungeeignete physikalische Qualität der eingelagerten Abfälle (Textur, Struktur) sowie die nicht immer dem Wiedernutzbarmachungsziel entsprechend Ablagerungsstärke (z.B. > 2 m bei der Abdeckung von Ascheflächen) waren jüngst bei weitem nicht mehr in diesem Maße erkenn-bar. Hier zeigte sich augenscheinlich der Erfolg der fachlichen Beratung der Bergbautreibenden bei

171

Page 189: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

den Kontrollen. Darüber hinaus wurden die Überwachungstermine durch die Bergbautreibenden auch genutzt, um sich über aktuelle Fragen aus dem Bereich Abfall- Berg- und Bodenschutzrecht zu informieren. Das StUFA Leipzig wiederum versetzt sich durch die fachliche Begleitung der Kontrol-len in die Lage, an die regionalen Bedingungen angepasste Fachkonzepte im Rahmen der Umsetzung der Anforderungen des Bodenschutzes im Bergbau zu erarbeiten und dem Bergamt Borna zum Vollzug zur Verfügung zu stellen. Im Einzelnen wurden erarbeitet:

1997 ein Abstimmungspapier über Kriterien zum Einsatz bergbaufremder mineralischer Stoffe über Bodenmaterial hinaus als Abfall zur Verwertung auf der Grundlage des KrW-/AbfG im Zusammen-hang mit der Bergbausicherheit und bergbaulichen Wiedernutzbarmachung nach BBergG. Ausgehend von der Erläuterung der fachgesetzlichen Grundlagen für die Abgrenzung Beseiti-gung/Verwertung beim Einsatz von bergbaufremder Abfälle im Bergbau wurden in diesem Papier fachliche Grundlagen für die Nutzung dieser Materialien bei der Wiedernutzbarmachung im Bergbau erläutert. In Fortführung dessen kommt es auf der Grundlage des Bundesberg- und Abfallrechtes sowie des sächsischen Abfall- und Bodenschutzrechtes zur Formulierung von Anforderungen an das bergrechtliche Zulassungsverfahren für die Verwertung bergbaufremder Abfälle, die der Bergverwal-tung als Entscheidungsempfehlung dienen. Kernaussagen dieses Abstimmungspapiers sind: - Für die Unterscheidung von Verwertung und Beseitigung ist insbesondere relevant, ob sich das

nachweisliche Erfordernis für den Einbau der mineralischen Abfälle aus der Nutzung seiner stabi-lisierenden bzw. auf die geo- und hydrochemischen Verhältnisse positiv wirkenden Eigenschaften ergibt und andere ggf. kostenaufwendig zu beschaffende (Primär-)Materialien eingespart werden können.

- Eine Verwendung des mineralischen Abfalls ist fachlich nur dann vertretbar, wenn es unter Berücksichtigung der bekannten bzw. nachzuweisenden regionalen Hintergrundbelastung nicht zu einer Anreicherung umweltrelevanter Schadstoffe im Stoffkreislauf kommt.

1998 wurde auf Anforderung des Bergamtes Borna eine Vorlage erarbeitet, die sich mit den Möglich-keiten der Ausbringung von Komposten auf devastierten Flächen des Braunkohlenbergbaus im Zuständigkeitsbereich dieses Bergamtes beschäftigte. Basierend auf einer Analyse der besonderen Rahmenbedingungen dessen Zuständigkeitsbereich zu konstatieren, dass sich dort im Bereich des Braunkohlenbergbaus zahlreiche Restlöcher befinden, welche in der Vergangenheit mit bergbaueige-nen Aschen u. Kohletrüben verspült bzw. verfüllt worden waren. Bei diesen standen nunmehr Materialien an der Oberfläche an, die die nötige Funktionsfähigkeit als Boden auch nicht annährend besaßen. Die Sicherung dieser Flächen mittels einer dauerhaften Begrünung sowie deren Reintegrati-on in den Naturraum war nicht möglich. Das bereits zur Verfügung stehende vollzugsleitende Regelwerk von LABO und LAGA zur Verwertung von Klärschlamm oder Biokomposten bei der Rekultivierung langjährig devastierter Flächen des Braunkohlenbergbaus (1995) leistete hier kaum praktische Abhilfe, da es bei der Festlegung von Grenzwerten hinsichtlich anwendbarer Mengen von einem Mindestmaß an Funktionsfähigkeit des vorhandenen Bodenmaterials ausgeht und durch die Zufuhr von organischer Substanz und/oder Nährstoffen nur zur Sicherung der Standortfunktion des Rohbodens beiträgt. Ziel der Handlungsanleitung war, auf den oben eingegrenzten Standorten mit Hilfe einer (einmaligen) Ausbringung bzw. Einmischung von geeigneten organischen Abfällen die (Boden-) Funktionsfähig-keit der bisherigen Oberfläche so herzustellen, dass − den Begrünungskulturen dauerhaft ein hinreichender Wurzel- (Stand-) raum geschaffen wird, − der Standraum hinreichend verfügbare Nährstoffe enthält und auch nachliefern kann, − ein Nährstoffaustrag in das Grundwasser vermieden wird,

172

Page 190: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

− der Wasserhaushalt den Ansprüchen der Begrünungspflanze so genügt, dass auch niederschlagsar-me Perioden den langfristigen Rekultivierungserfolg nicht gefährden,

− durch den Schadstoffgehalt im organischen Abfall die vorhandene Grundbelastung nicht signifikant erhöht und insbesondere durch die mögliche Schadstoffelution andere Schutzgüter nicht beein-trächtigt werden und

− mit ihr die bodendynamischen Prozesse initiiert bzw. gefördert werden. Die mögliche Auftragsstärke an Klärschlamm- bzw. Bioabfallkomposten zur Einmischung bzw. der Mischungsanteil für fertige Substrate ergibt sich demnach: − aus dem Gehalt an Schadstoffen (Verschlechterungsverbot des Standortes, Mindestqualitätsanfor-

derungen gemäß dem LAGA Merkblatt M 10, 1995) − aus dem Gehalt an Nährstoffen (∅-Nährstoffgehalt eines Bodens der Region, z.B. Sandlöss-

Parabraunerde), − aus den Anforderungen an das Wasserspeichervermögen der Rekultivierungsschicht, − aus den Anforderungen der Begrünungskultur hinsichtlich der notwendigen Mächtigkeit des

Wurzelraumes, − aus den technischen Möglichkeiten der innigen Vermischung des vorhandenen mit dem aufgetra-

genen Material, sofern das Kultursubstrat am Standort hergestellt werden soll bzw. muss. Unter den o.g. Voraussetzungen leiten sich in Abhängigkeit von den technischen Möglichkeiten der Einmischung und den im Einzelfall zu bestimmenden Schad- und Nährstoffgehalten im organischen Abfall Auftragsstärken im Bereich von 7,5 ... 10 cm ab. Unter Beachtung des Abfallrechtes war ein solcher Auftrag mit der Einmischung auf solchen Standorten aus fachlicher Sicht noch als nützlich für die Ökologie im Sinne Anhang II B Pkt. R 10 KrW-/AbfG sowie als schadlos gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG zu werten. 1999, unmittelbar nach dem Inkrafttreten der BBodSchV führte das StUFA Leipzig eine Neubewer-tung der Rahmenbedingungen für Abfallverwertung in und auf Böden bei der bergbaulichen Wieder-nutzbarmachung im Amtsbereich durch. Es war klarzustellen, dass das BBergG Einwirkungen des Bergbaus auf den Boden nicht umfassend und abschließend regelt. Im Rahmen des bergrechtlichen Verfahrens waren jetzt immer dann die Regelungen des BBodSchG mit der BBodSchV anzuwenden, wenn bei der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche bergbaufremde Materialien und ggf. Abfälle unter Beachtung der Kriterien Erforderlichkeit, Nützlichkeit und Schadlosigkeit verwertet werden sollten. Die notwendige Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen war sowohl beim Auf- und Einbringen von Abfällen zur Verwertung in die bzw. zur Herstellung der durchwurzelbare Boden-schicht als auch unterhalb derselben sicherzustellen. Es wurden konkrete Anforderungen formuliert: - an die Vorsorge beim Auf- und Einbringen bergbaufremden Materials/Abfall zur Verwertung in

den Bereich oberhalb der wassergesättigten Bodenzone, - an die Vorsorge beim Auf- und Einbringen bergbaufremden Materials/Abfall zur Verwertung in

den Bereich der wassergesättigten Bodenzone - an das Auf- und Einbringen bergbaufremden Materials/Abfalls zur Verwertung in die durchwur-

zelbare Bodenschicht bzw. zur Herstellung derselben im Rahmen von Rekultivierungsvorhaben, einschließlich Wiedernutzbarmachung

und diese im Jahr 2000 in ein Arbeitsblatt zur „Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes bei der Abfallverwertung in und auf Böden im Rahmen der bergbaulichen Wiedernutzbarmachung eingestellt.

173

Page 191: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

3 Schlussfolgerungen Die frühzeitige interne fachbehördliche Auseinandersetzung mit praktischen Problemen der Abfall-verwertung und des Bodenschutzes und die Erarbeitung vollziehbarer Lösungsvorschläge für die Bergverwaltung führten im Ergebnis gemeinsamer Abstimmung zu fachlich von beiden Seiten getragen Vollzugslösungen. Die durch die Fachbehörde erarbeiteten fachtechnischen Anforderungen und der darauf aufbauende bergrechtliche Vollzug werden den Bergbautreibenden nachvollziehbarer und damit akzeptabler. Abgestimmtes und gemeinsames Auftreten von fachtechnischer Behörde und Vollzugsbehörde im Rahmen der Überwachung der unter Bergrecht stehenden Anlagen können auf dieser Basis über die Kontrolle der Einhaltung der bergrechtlichen Zulassungen hinaus den Bergbautreibenden Hilfestellung und Beratung zur Lösung ihrer Probleme anbieten. Der Kontakt sowohl zur Bergverwaltung als auch zu den Bergbautreibenden und das im Haus vorhandene aktuelle Fachwissen versetzte die Fachbehörde in die Lage einerseits Entscheidungen, für die noch keine vollzugsleitenden Reglungen vorlagen, fachlich für den Vollzug vorzubereiten und andererseits absehbare fachliche und fachrechtliche Entwicklungen umgehend zu verfolgen, auf die territorialen Besonderheiten im Amtsbereich anzuwenden und in die Vollzugsempfehlungen für die Bergverwaltung einzuarbeiten. Das Bergamt war so z.B. in der Lage, bereits weit vor Wirksamwerden des Bodenschutzrechtes das Schutzgut Boden im Rahmen der Verwertung mineralischer Abfälle so zu berücksichtigen, dass die entsprechenden Zulassungen auch unter dem heutigen Bodenschutzrecht noch bestehen können. Am Beispiel des Zusammenwirkens von Bergamt Borna und StUFA Leipzig zeigt sich sehr gut, dass die Qualität der Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen Fach- und Vollzugsbehörde maßgeblich für den Erfolg des behördlichen Handelns ist. Maßstab dieses Erfolges muss die Zufriedenheit der Bergbautreibenden trotz oder gerade wegen der Anforderungen in der bergrechtlichen Zulassung sein, weil er diese versteht, rechtssicher handeln kann und sie letztendlich im Interesse des Bodenschutzes akzeptiert. 4 Literatur LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL (1992): Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen (Technische Regeln), Entwurf. LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL (1995): LAGA-Merkblatt M 10: Qualitätskriterien und Anwendungsempfehlungen für Kompost LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT BODEN, LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL (1995): Anforde-rungen an den Einsatz von Biokompost und Klärschlamm bei der Rekultivierung von langjährig devastierten Flächen der Braunkohlentagebaue in den neuen Bundesländern.

174

Page 192: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Der Einfluss von Langzeitdüngern auf den ökologischen Bodenzustand im Prozess der landwirtschaftlichen Nutzung

G.V. Pirogowskaja

Wissenschaftlicher Forschungsstaatsbetrieb «Institut für Bodenkunde und Agrochemie» Kazinets Str., 62, 220108 Minsk, Republik Belarus

e-mail : [email protected] 1 Einleitung Wichtige Ergebnisse zur Bewertung des ökologischen Bodenzustandes, der durch die Anwendung verschiedener Chemizationsmittel, darunter Mineraldünger, verändert wird, liefern Beobachtungen der physiko-chemischen Bodeneigenschaften, des Stickstoffhaushaltes und des Humusgehalt- bzw. dessen Zusammensetzung. Diese Parameter können u.a. Aufschluss über Veränderungen im biologischen Kreislauf und in der Nährstoffbilanz geben die aufgrund einer Intensivierung der Landwirtschaftspro-duktion erfolgt sein könnten. Die Anwendung von Langzeitdüngern in Verbindung mit Pflanzen-wachstumsregulatoren und deren Auswirkungen auf den ökologischen Bodenzustand ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. 2 Untersuchungsergebnisse

Eines der Bodenschutzverfahren gegen einen Düngerüberschuss und seine negativen Einflüsse ist die Ausarbeitung und Anwendung von neuen Langzeitdüngerformen (Stickstoff-Kalium- und Komplex-dünger) mit den Zusätzen von Wachstumsregulatoren, die aus einem natürlichen oder pflanzlichen Rohstoff produziert wurden. Es wurde festgestellt, dass bei einer systematischen Langzeitdüngeranwendung (LZD) mit den Zusätzen von Wachstumsregulatoren (“Hydrohumat” (aus dem Torf), «Fenomelan» (aus der Buch-weizenschale oder «Epin« ) und unter Verwendung eines intergrierten Schutzsystems gegen Unkräu-ter, Schädlinge und Krankheiten, schon nach 5-10 Jahren signifikante Veränderungen der physiko-chemischen Eigenschaften und der agrochemischen Charakteristiken in den Ackerkrumen- und Unterackerkrumen-Horizonten im Vergleich mit Standarddüngungsvarianten (standard) beobachtet wurden (Tabelle1-2). Eine Anwendung der Langzeitdünger auf den rasenpodzoligen Leichtlehm- und Sandböden neben anderen Maßnahmen der Fruchtfolgeerhöhung dieser Böden (organische Düngung, Gründüngung, Meliorants, Kalkung) hat im Beobachtungszeitraum von 5-10 Jahren keinen wesentlichen Einfluss auf die Veränderungen der Korngrößenverteilung des Bodens. Aber die Daten der mikroaggregatischen Zusammensetzung zeigen, dass in Varianten mit Langzeitdüngern eine Tendenz zur Abnahme der Migration der schlammigen Teilchen in Unterkrumehorizonten besteht und sich der Strukturfaktor im Ackerkrumehorizont im Vergleich mit der Standarddüngungsvariante (Tabelle 3) erhöht.

175

Page 193: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 1: Einfluss humathaltigen Düngers auf Veränderungen der physiko-chemischen Eigenschaften eines rasenpodzoligen Leichtlehmbodens, (1988-1992)

Нг S К2О Р2О5 Са Мg Verhältnis Variante Horizont рН in

КС1 meq/100 g Bodens

mg/kg Boden (Сa+Mg)/ K

1988 (vor Versuchanlage) А Ap, 10-20 см

5.3 3.1 11.1 72 219 980 60 29.3 Ausgangscha-rakteristik

А1 g, 40-50 см

5.1 2.9 7.1 56 239 600 36 23.0

1992 (Ende der Fruchtfolge – nach Winterweizenernte) А Ap 5.5 1.3 10.3 129 255 920 103 16.5 А1g, 5.7 1.2 13.1 116 254 1000 120 20.2

Kontrolle ohne Dünger

А fahl g, 5.5 1.2 4.3 103 414 660 65 14.5 N 90 P 90 K 90

А Ap 5.5 1.5 11.00 115 281 1000 96 19.7 А1g, 5.3 1.4 11.0 41 243 780 78 43.3

Nм,Рс, Кх standard

А fahl g, 4.8 1.6 6.0 38 418 480 16 26.0 А Ap 6.1 0.9 13.8 172 282 1120 113 14.8 А1g, 5.5 1.2 9.6 48 243 720 56 33.0

Nм, Рс,Кх mit Hydro-humat

А fahl g, 5.4 1.1 8.3 63 486 720 28 23.4 А Ap 6.0 1.1 13.0 165 350 1200 79 15.7 А1g, 5.9 1.1 8.4 73 362 1200 60 34.7

Nм, Рс,Кх LZD mit Hydrohu-mat А fahl g, 5.7 0.8 7.8 76 406 860 34 23.5 Tabelle 2: Veränderungen der agrochemischen Kennziffer der Ackerkrume des rasenpodzoligen Sandbodens für Fruchtfolgerotation, 1991-2000

Р2О5 К2О Ca Mg mg/кg Boden

Humus, % Variante

1991 2000 +, -к 1991

1991 2000 +, -к 1991

1991 2000 1991 2000 1991 +,- к 1991

Kontrolle ohne Dünger

247 184 -63 132 52 -80 510 460 60 49 1.42 -0.11

Mineralisches Düngungssystem NРК St 220 181 -39 123 94 -29 440 450 70 54 1.48 -0.13 NРК LZD 217 262 +45 139 108 -31 500 510 82 47 1.57 -0.02

Organo- mineralisches Düngungssystem ( 7 t/hа) NРК St 200 255 +55 119 93 -26 440 450 80 30 1.45 +0.01 NРК LZD 191 266 +75 121 114 -7 540 480 60 36 1.42 +0.09

Organo- mineralisches Düngungssystem ( 14 t/hа) NРК St 196 265 +69 105 108 +3 440 510 75 30 1.45 +0,18 NРК LZD 233 326 +93 116 131 +15 520 540 60 46 1.47 +0.19

Organo- mineralisches Düngungssystem ( 21 t/hа) NРК St 237 327 +90 116 127 +11 520 480 84 41 1.54 +0.06 NРК LZD 228 360 +132 121 137 +16 460 480 50 52 1.47 +0.15

176

Page 194: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 3: Granulometrische und mikroaggregatische Zusammensetzung der rasenpodzoligen Leichtlehmböden (experimentale Landwirtschaft ‘ Kurasowschina’, 1988-1992) und Sandböden (Sovchos ‘Podoles’je’, 1991-2000)

Fraktionsinhalt (mm),%

Granulometrische Zusammenset-zung, %

Faktor, % Variante Hori-

zont

<0.001 <0.01 <0.001 : <0.01

Mikro-aggregati-

sche Zusammen-setzung , %

<0.001

Dispersi-tät

Struktur

Rasenpodzoliger Leichtlehmboden А пах 6.2 21.6 0.31 1.8 29.0 71.0 А1g 6.5 20.7 0.31 0.9 13.8 86.2

Nм,Рс, Кх standart

Апал.g 9.5 17.7 0.54 0.5 5.3 94.7

А пах 8.0 20.9 0.38 2.3 28.7 71.3 А1g 6.9 20.9 0.33 0.7 10.1 89.9

Nм, Рс,Кх mit Hydrohumat

Апал.g 8.5 19.2 0.44 0.5 5.9 94.1

А пах 8.3 21.4 0.39 2.2 26.5 73.5 А1g 7.6 21.3 0.36 0.8 10.5 89.5 Апал.g 7.4 20.5 0.36 0.4 5.4 94.6

Nм, Рс,Кх LZD mit Hydrohumat

НСР 0.05

0.28 0.69 0.11

Rasenpodzoliger Sandboden А пах 3.0 7.0 0.43 1.28 32.7 67.3 А2В1 2.9 7.1 0.41 0.74 25.5 74.5

Nм,Рс, Кх standart

В1А2 2.1 5.6 0.37 0.73 34.8 65.2 А пах 3.0 7.0 0.43 0.63 21.0 79.0 А2В1 2.8 6.6 0.43 0.74 26.4 73.6

Nм, Рс,Кх LZD mit Hydrohumat

В1А2 1.9 5.4 0.36 0.65 33.2 66.8 НСР 0.05 0.10 0.24 0.03

Bei systematischer Anwendung der Langzeitdünger wird eine Tendenz zur Vorraterhöhung der organischen Substanz in der Ackerkrume auf 1,0-3,4 t/ha (Lehmböden) und auf 0,3-1,6 t/ha (Sandbö-den) und in der Schicht 0-50cm auf 1,8-4,3t/ha (Lehmböden) und auf 0,7-3,0 t/ha (Sandböden) beobachtet. Die Humusmigration in die Unterkrumehorizonten nimmt in Abhängigkeit vom ange-wandten Düngungsverfahren auf 15-20% ab (Tabelle 4). Langzeitdüngeranwendung ermöglicht eine gleichmäßige Stickstoffversorgung der Pflanze über die gesamte Vegetationsperiode, trägt zur Akkumulation mineralischer Stickstoffformen im oberen Teil des Profils in rasenpodzoligen Lehm- und Sandböden bei, verringert die N-NO3 -Migration in die Unterkrumehorizonte während aller Wachstumsphasen der Pflanzen und mindert somit Stickstoffver-luste aus dem Boden, was sehr wichtig für den Umweltschutz ist (Tabelle 4). Die Anwendung von Langzeitdüngern (Stickstoff- und Komplexdünger) reduziert die Stickstoffverlus-te auf 24-47%, die Kaliumverluste auf 15-35% und auch die Verluste anderer Elemente (Calcium, Magnesium, Humus, Schwefel, Chlor) nehmen ab. Lysimeteruntersuchungen belegen (siehe Tabelle 5), dass auch die Kontamination der Oberflächen- und Grundwässer mit schädlichen stickstoff-, chlor- und schwefelhaltigen anorganischen wie organischen Verbindungen abnehmen.

177

Page 195: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 4. Humusvorräte und mineralische Stickstoffformen in rasenpodzoligen Leichtlehm- (1988-1992 ) und Sandböden (1991-2000)

Humusvorrat, t/hа Stickstoffvorräte,

kg/hа Ausgangsvorräte Ende der Fruchtfolge-

rotation +,-zu Ausgangsinhalt

im Boden, t/hа N

min N

auf-nehm-

bar.

Variante

Аp 0-50 сm Аp 0-50 сm Аp 0-50сm Schicht 0-50 сm Rasenpodzolige Leichtlehmböden

1988 1992 1992 Коntrolle ohne Dünger*

59,0 86,8 62.2 93,7 +3,2 +6,9 129,3 186,5

Organo- mineralisches Düngungssystem ( 18 t/hа organishe Dung) NPК St 59,3 86,6 64,2 96,5 +4,9 +9,9 127,3 221,1 NPК mit Humat 59,1 86,4 67,8 100,8 +8,7 +14,4 136,3 213,0 NPК LZD mit Humat

59,6 86,8 65,9 98,3 +6,3 +11,5 141,7 206,6

Rasenpodzolige Sandböden 1991 2000 2000 Коntrolle ohne Dünger

54.6 67.3 46.6 60.5 -8.0 -6.8 28,6 63,3

Мineralische Düngungssystem NPК St 57,0 69,7 51,2 64,8 -5,8 -4,9 25,3 65,5 N LZD + РК St 59,3 72,0 58,8 71,3 -0,5 -0,7 27,6 79,2 NРК LZD 60,4 73,1 58,8 70,8 -1,6 -2,3 34,3 79,2

Organo- mineralisches Dungungssystem ( 7 t/hа) NРК St 52,3 65,0 53,4 65,7 +1,1 +0,7 38,2 81,6 NРК LZD 54,6 67,3 56,5 68,7 +1,9 +1,4 44,5 82,7

Organo- mineralisches Dungunssystem ( 14 t/hа) NРК St 53,9 66,6 57,3 72,0 +3,4 +5,4 27,5 65,2 NРК LZD 57,7 70,4 61,4 72,8 +3,7 +2,4 30,6 88,4

Organo- mineralisches Dungungssystem ( 21 t/hа) NРК St 51,6 64,3 54,3 67,3 +2,7 +3,0 54,7 88,3 NРК LZD 52,6 65,2 56,9 70,5 +4,3 +5,3 59,1 82,6

178

Page 196: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 5. Auswaschung der Nährstoffe aus dem rasenpodzoligen Sandböden bei der Anwendung von verschiedenen Formen der Stickstoffdünger (1990-1996)

Verluste, kg/hа Dünger

N gesamt

К20 Р2О5 СаО МgО Na2O SO4 Cl Hu-mus

Lysimeter 0-50 сm (N90+ Р80К100) 1. N90 Harmstoff St +

Р80К90

8.8 12.3 0.03 41.9 51.2 10.8 51.6 81.5 22.9

2. N90 Harmstoff LZD + Р80К90

6.4 11.0 0.03 38.0 39.1 9.0 45.8 70.3 19.3

3. N90 Harmstoff LZD mit Humat + Р80К90

8.4 7.7 0.03 39.3 48.6 9.2 38.9 79.6 20.9

4. N90 Ammonium sulfat St + Р80К90

10.5

7.9 0.05 80.8 97.1 11.3 133.0 82.4 25.4

5. N90 Ammonium sulfat LZD + Р80К90

8.8 7.5 0.03 78.8 91.5 9.9 133.1

57.3 20.2

Abnahme, % var .2 zu var. 1

15.9 10.6 0 9.3 23.6 16.7 11.2 13.7 15.7

var. 3 zu var. 1 27.3 37.4 0 6.2 5.1 8.2 24.6 2.3 8.7 var. 5 zu var. 4 16.2 5.1 40.0 24.6 5.8 12.4 0 36.5 20.5

Lysimeter 0-80 сm 1. N90 Harmstoff St +

Р80К90

11.8 10.8 0.06 49.0 38.5 11.3 55.5 72.8 16.8

2. N90 Harmstoff LZD + Р80К90

7.9 8.7 0.05 34.3 27.7 8.3 43.0 63.6 14.2

3. N90 Harmstoff LZD mit Humat + Р80К90

6.3 8.0 0.04 25.0 18.9 10.2 34.5 35.9 12.4

4. N90 Ammonium sulfat St + Р80К90

10.2 8.1 0.06 85.2 76.5 11.7 146.0 67.6 18.1

5. N90 Ammonium sulfat LZD + Р80К90

7.4 5.7 0.03 70.9 58.2 7.7 104.3 54.5 17.2

Abnahme, % ,var.2 zu var. 1

33.1 19.4 16.6 30.0 28.0 26.5 22.5 12.6 15.5

var. 3 zu var. 1 46.6 25.9 33.3 48.9 50.9 9.7 37.8 50.6 26.2 var. 5 zu var. 4 27.5 29.6 50.0 16.8 23.9 34.2 28.6 19.4 5.0

Die hier angeführten Daten zeigen, daß eine Langzeitanwendung der verschiedenen Systeme und Formen von Düngern auf rasenpodzoligen Leichtlehm- und Sandböden sehr unterschiedlich den ökologischen Zustand dieser Böden beeinflussen.

179

Page 197: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abgrenzung und Darstellung von Gebieten mit Überschreitung der Vorsorge-, Prüf – oder Maßnahmenwerte (BBodSchV)

Reinirkens, Dr. P.

Institut für Stadtökologie und Bodenschutz, Alfred-Herrhausen-Str. 44, 58455 Witten e-mail: [email protected], Homepage: www.isb-reinirkens.de

Abstract: Digital soil-contamination maps display the spatial distribution of the soil contamination for single heavy metals, PAH or PCB i.e. lead, mercury or B(a)P for the areas with agriculture and forestry land-use. The results of these maps are especially evaluated in relation with the new legal basis of soil protection (BBodSchV). The paper explains the possibilities to delimit areas with higher soil contamination (above precautionary-, test- and measure-values). Zusammenfassung: Digitale Bodenbelastungskarten zeigen die räumliche Verteilung von Schwermetallen, PAK oder PCB, z. B. Blei, Quecksilber oder B(a)P für Flächen unter landwirtschaftlichen Nutzungen. Mit den Ergebnissen ist es möglich, flächenhafte Überschreitungen von Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerten nach der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) auszuweisen und abzugrenzen. Keywords: soil-contamination maps, precautionary values, test values, measure values Schlagworte: Bodenbelastungskarten, Vorsorgewerte, Prüfwerte, Maßnahmenwerte 1 Einleitung Die Umsetzung von Bodenuntersuchungen in planendes Verwaltungshandeln war bisher dadurch erschwert, dass keine flächenhafte Darstellung zur Verbreitung von Bodenbelastungen möglich war. Durch den Einsatz von digitalen Bodenbelastungskarten ist diese Informationslücke geschlossen worden. Es besteht jetzt die Möglichkeit, belastete Flächen auszuweisen und abzugrenzen. Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen verfügt über ein Bodeninformationssystem (BIS NRW). Darin werden landesweite Bodendaten vorgehalten. Außerdem ist ein Verfahren zur Erstellung flächenhafter Bodenbelastungskarten vorhanden (BLUHM & REINIRKENS 1995). Mit ihm ist es möglich, Bodendaten, z. B. aus dem BIS NRW, soweit aufzubereiten und zu ergänzen, dass eine geostatistisch abgesicherte Interpolation über Raumeinheiten möglich ist. Es entsteht als Ergebnis eine flächenhafte Karte der geschätzten Stoffgehalte in naturnahen Oberböden. Das sind zurzeit Böden, die landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Dabei erlaubt das Verfahren die Darstellung sowohl von einzelnen Schwermetallen als auch von organischen Spurenstoffen, und zwar in Abhängigkeit von den Belastungsursachen Ausgangsgestein, Überschwemmungen und Bodennutzungen (BLUHM & REINIRKENS 1996; NEITE & REINIRKENS 1996). Das Landesbodenschutzgesetzes (LbodSchG) Nordrhein-Westfalen empfiehlt in §5 digitale Bodenbelastungskarten auch als eine Möglichkeit zur Erfassung von Verdachtsflächen auf schädliche Bodenveränderung. Dafür sind allerdings spezielle Auswertungen der digitalen Bodenbelastungskarten notwendig. Diese Auswertungen folgen den beiden gesetzlichen Leitlinien Vorsorgeprinzip und Gefahrenabwehr.

180

Page 198: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Ausgegangen wird von den stoffspezifischen Ergebniskarten der digitalen Bodenbelastungskarte und weiteren flächenhaften Bodeninformationen. Bewertet wird nach den Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerten der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV). Die Ergebnisse werden wieder in digitalen Karten dargestellt. Sie zeigen die Gebiete, in denen Vorsorge-, Prüf-, oder Maßnahmenwerte für mindestens einen Stoff überschritten sind. 2 Digitale Bodenbelastungskarten Digitale Bodenbelastungskarten stellen flächenhafte Verteilungen von stofflichen Bodenbelastungen naturnaher Böden dar. Sie werden unter der Grundvoraussetzung erzeugt, dass sich punkthafte Bodenmesswerte, die um ihre Einflussfaktoren Ausgangsgestein, Nutzung und Überschwemmung bereinigt sind, flächenhaft interpolieren lassen. Standardisiert ist die Methode in NRW für Böden unter land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung. Das Verfahren beginnt in der Regel mit der Auswertung vorliegender Untersuchungsergebnisse von Schwermetallen, PAK und PCB aus naturnahen Oberböden. Um eine Berechnung vom Punkt in die Fläche vornehmen zu können, müssen die zu interpolierenden Daten vergleichbar sein. Dazu wird der geogene Anteil der unterschiedlichen oberflächennahen Gesteinen ermittelt und von den einzelnen Messwerten abgezogen. Über Faktoren wird dann der jeweilige Nutzungseinfluss und, falls vorhanden, ein möglicher Überschwemmungseinfluss herausgerechnet. Dadurch erhält man ein einheitliches und vergleichbares Datenkollektiv. Diese Daten lassen sich nun interpolieren und zeigen als Ergebnis eine Rasterkarte, die eine Werteoberfläche des zu untersuchenden Gebietes darstellt, aber noch um die Einflussgrößen Gesteinsanteil, Nutzung und Überschwemmungseinfluss bereinigt ist. Diese Einflussgrößen werden danach in umgekehrter Reihenfolge in die einzelnen Rasterzellen und mit Hilfe von flächenhaften digitalen Grundlagenkarten zur Nutzung und zum Gestein zurückgerechnet. Reicht aus statistischer oder räumlicher Sicht die Anzahl der Untersuchungsergebnisse nicht aus, sind auf Grundlage der bereits erzeugten Karten, weitere gezielte Probenahmen durchzuführen und die Berechnungen erneut durchzuführen. Die so erzeugten Karten stellen die Verteilungen von Stoffgehalten in naturnahen Oberböden dar. Die Aussagegenauigkeit der Ergebniskarten hängt dabei erheblich von der Aufbereitung des Datenkollektivs und der Reproduzierbarkeit der flächenhaften digitalen Grundlagen im Gelände ab. In Nordrhein-Westfalen dient zur Ableitung der oberflächennahen Gesteine die digitale Bodenkarte (BK 50dig), die Nutzungen werden aus dem Amtlich Topographisch-Kartographischen Informationssystem (ATKIS) übernommen und die Überschwemmungsgebiete müssen teilweise aus analogen Grundlagen digitalisiert werden. Das Verfahren wird in einer Reihe von Kreisen und Kommunen Nordrhein-Westfalens bereits erfolgreich angewandt und ermöglicht die folgenden Auswertung vor dem Hintergrund der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) 3 Vorsorgewerte-Vergleich Die Vorsorgewerte für Böden (BBSchV, Anhang 2 Nr. 4) berücksichtigen die Puffereigenschaft von Böden, die sie gegenüber Schadstoffeinträgen besitzen. Als Verfügbarkeitsparameter sollen der pH-Wert, der Humusgehalt und die Bodenart verwendet werden. Daher gelten keine einheitlichen Werte, sondern für jeden Stoff maximal drei, und zwar in Abhängigkeit von den genannten Bodenmerkmalen. Um die Gebiete abgrenzen zu können, in denen die Vorsorgewerte für die in Anhang 2 Nr. 4

181

Page 199: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

genannten Stoffe überschritten sind, sind Karten über die Verbreitung der pH-Werte, Humusgehalte und Bodenarten erforderlich. Da weder die erforderlichen Daten noch solche Karten zu diesen Themen vorliegen, müssen diese Karten aus vorhandenen Daten abgeleitet und mit vorhandenen Abgrenzungen kombiniert werden. Für die räumlichen Abgrenzungen können die digitale Bodenkarte (BK 50) und ATKIS benutzt werden. Dabei sind eine Reihe Annahmen erforderlich, die es bei der Benutzung der Auswertungskarten zu beachten gilt. Grundlage für die Ausweisung der Verbreitung unterschiedlicher Bodenarten ist die nordrhein-westfälische BK 50 dig. Kombiniert werden die darin enthaltenen Abgrenzungen der Bodeneinheiten mit einer speziellen Auswertung der Legende hinsichtlich Bodenartenschichtung und Körnung. Verwendet werden die oberflächennah anstehenden Substrate und die in der Bodeneinheit dieser Schicht dominierende Bodenart. Für die Nutzungen Acker und Grünland werden die von den Landwirtschaftskammern im Rahmen der guten fachlichen Praxis empfohlenen Ziel-pH-Werte der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Rheinland in Bonn für die jeweilige Bodenart herangezogen. Die pH-Werte für Ackernutzung liegen in Abhängigkeit von der Bodenart zwischen 6,0 und 7,0, die pH-Werte für Grünlandnutzung dagegen zwischen 5,0 und 6,0. Für die genannten Nutzungen werden Humusgehalte von ≤ 8% angenommen. Liegen die tatsächlichen Humusgehalte im Einzelfall über 8% (z.B. bei einigen Standorten unter Grünlandnutzung) werden auch für diesen Fall die Vorsorgewerte für Böden mit einem Humusgehalt von unter 8% herangezogen. Die Humusgehalte der Waldböden werden mit > 8% angenommen. Die dargestellte Karte ist eine Kombination aus neun Einzelkarten. Sie berücksichtigt die Stoffe Cd, Pb, Cr, Cu, Hg, Ni, Zn, B(a)P und PCB6. Für jeden Stoff wurden die Gebiete mit Überschreitungen der Vorsorgewerte abgegrenzt. Überschreitungen treten in allen betrachteten Nutzungen auf. Räumlich sind die Umgebungen der Siedlungskerne genauso betroffen wie ländlichere Gebiete. Teilweise gehen Überschreitungen auf kleinräumigere Wechsel der Bodenarten Lehm/Schluff zu Sanden zurück. 4 Prüfwerte-Vergleich

Wie bei den Vorsorgewerten ist zu beachten, dass für einen Stoff mehr als ein Wert gilt. Auch hier sind die Geltungsbereiche der Werte vorab zu ermitteln, um dann über Kombinationen mit den Karten der Stoffgehalte die Überschreitungsgebiet abgrenzen zu können. Da bei allen Wirkungspfaden nutzungsdifferenzierte Prüfwerte herangezogen werden sollen, kann die Verbreitungskarte der stoffspezifischen Prüfwerte aus ATKIS entwickelt werden. Bewertet worden sind die Nutzungen Acker, Grünland und Wald, wobei für Wald die Prüfwerte für Park- und Freizeitanlagen Verwendung finden. Ein Problem im Rahmen der Bewertung stellen die verschiedenen Aufschlussmittel dar, die bei den Bodenuntersuchungen eingesetzt werden. Die Prüfwerte beim Pflanzenpfad (Ackerbau, Nutzgarten) für Blei (0,1 mg/kg) gelten für einen NH4NO3-Aufschluss und mussten daher in Gesamtgehalte (Königswasseraufschluss) umgerechnet werden. Hierbei wurden der von der Landwirtschaftskammer angegebene Ziel-pH-Wert (6,0) und die Bodenart, die auch für die Vorsorgewerte verwendet wurde, berücksichtigt. Das ergibt einen Prüfwert für Blei von 150 mg/kg. Prüfwertüberschreitungen treten bei klaren Belastungsursachen auf. Es sind die Böden eines Baches betroffen, der seit Gründung der Stadt im frühen Mittelalter alle Abwässer transportiert hat. Ansässig waren auch metallverarbeitende Betriebe einschließlich Galvanischer Anstalten. Hinzu kommen

182

Page 200: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

offensichtliche Immissionsbelastungen durch Abgase aus ehemaligen industriellen Anlagen im Westen der Stadt.

Abbildung 1: Auswertungskarte Vorsorgewerte-Vergleich

183

Page 201: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abbildung 2: Auswertungskarten Prüf- und Maßnahmenwerte-Vergleich

184

Page 202: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

5 Maßnahmewerte-Vergleich Die dargestellte Karte der Gebiete mit Überschreitungen von Maßnahmewerten ist nach der gleichen Vorgehensweise wie die beiden anderen Karten erstellt worden. In der Darstellung fällt sofort auf, dass für Park- und Freizeitanlagen (Wälder) keine Werte vorliegen. Für jeden Schadstoff wurden die Gebiete ermittelt und abgegrenzt, in denen eine Überschreitung der vorhandenen Maßnahmenwerte besteht. Für diese Gebiete besteht ein Verdacht auf eine schädliche Bodenveränderung. Ein Vergleich aller Karten zeigt, das ein Verdacht auf schädliche Bodenveränderungen zum jetzigen Kenntnisstand nur für sehr kleine und begrenzte Gebiete ausgesprochen werden muss. Er reduziert sich auf Abschnitte von Talböden, die offensichtlich durch übermäßige Aufkonzentration der eingeleiteten und abgelagerten Stoffe gekennzeichnet sind. 6 Fazit

Digitale Bodenbelastungskarten liefern die erforderlichen flächenhaften Informationen über die Bodenbelastung mit einzelnen Schadstoffen. Mittels vorliegender digitaler Karten und Daten sowie einigen Annahmen lassen sich die fehlenden Rauminformationen erzeugen, die für die Anwendung der Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerte erforderlich sind. Die Verarbeitung aller Informationen in einem Geo-Informationssystem erlaubt dann die Erstellung der vorgestellten Auswertungskarten. 7 Literatur BLUHM, M., P. REINIRKENS (1995): Digitale Bodenbelastungskarten. 1. Teilprojekt. Abschluss-bericht.- Hrsg.: Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen., Essen. BLUHM, M,. P. REINIRKENS (1996): Digitale Bodenbelastungskarten.- Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, 80: S. 137-140. GIERSE, R., P. REINIRKENS (2000): Anwendungsmöglichkeiten von Bodenbelastungskarten in der kommunalen Praxis am Beispiel der Stadt Wuppertal.- Hrsg.: Umweltbundesamt. UBA-Texte 49/00: S. 108-118. NEITE, H., P. REINIRKENS (1996): Flächenhafte Darstellung der stofflichen Belastung von Böden in digitalen Bodenbelastungskarten.- Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, 80: S. 53 - 56. OELZE, U., T. BALLER, P. REINIRKENS, M. RÜTHER (1999): Digitale Bodenbelastungskarten Iserlohn.- Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, 91: S. 1495-1498. REINIRKENS, P., R. OELZE (2001): Abgrenzung und Darstellung von Gebieten mit Überschreitung der Vorsorge-, Prüf- oder Maßnahmenwerte.- Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, 95: S. 174-177.

185

Page 203: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

INTERPARK Großmehring/Kösching–Flächenrecycling für Industrie und Gewerbe

Alois Rieder, Landschaftsarchitekt, Büro Wolfgang Weinzierl

Büro Wolfgang Weinzierl, Parkstraße 10, 85051 Ingolstadt Tel.: 0841/96641-0, e-mail: [email protected]

Abstract: Ingolstadt's position as an oil refinery stronghold during the sixties was later curtailed in the eighties with the dismantling of the Shell AG refinery. By 1989 the Terreno GmbH & Co. KG, Mu-nich had acquired the whole area from Shell AG. In the interest of space redanation a zoning ordi-nance plan was initiated for the development of one of the largest industrial parks in Germany. Zusammenfassung: Nachdem sich in den 60er Jahren Ingolstadt zum Raffineriestandort entwickelt hatte, begann Anfang der 80er Jahre ein Wandel, der zum Abbau der Shell-Raffinerie geführt hat. Die Shell AG hat 1989 das gesamte Areal an die Terreno GmbH & Co. KG, München veräußert. Im Sinne des Flächenrecyclings wurde für die Gesamtfläche ein Bebauungs- und Grünordnungsplan zur Ent-wicklung eines der größten Gewerbeparks Deutschlands aufgestellt. Keywords: Industrial Space Redanation, Comprehensive Planning, Industrial Park Schlagworte: Industrieflächenrecycling, Bauleitplanung, Gewerbepark 1 Einleitung In den 60er-Jahren wurden östlich der Stadt Ingolstadt in der landwirtschaftlichen Flur zwischen den Ortschaften Großmehring und Kösching die Ölraffinerien der ESSO AG und SHELL AG errichtet. Das Raffineriegelände der SHELL AG wurde auf den landwirtschaftlichen Flächen des 'Erlachhofes' errichtet, umfasste insgesamt 194 Hektar und war bis 1982 etwa zur Hälfte der Gesamtfläche mit den notwendigen Tanklager- und Produktionsanlagen belegt. Die andere Hälfte des Gesamtareals war als Pachtfläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt bzw. als naturnaher Gehölzbestand entwickelt. 1982 wurden der Betrieb der SHELL-Ölraffinerie eingestellt und alle Betriebsanlagen demontiert. Die SHELL AG hat 1989 das gesamte Areal an die Terreno GmbH & Co.KG, München veräußert. Im Sinne des Flächenrecyclings wurde für die Gesamtfläche ein Bebauungs- und Grünordnungsplan zur Entwicklung eines der größten Gewerbeparks Deutschlands aufgestellt. Im Rahmen des Bauleitplan-verfahrens für den Bebauungs- und Grünordnungsplan zum Gewerbepark 'INTERPARK' wurde von der Regierung von Oberbayern ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das mit der landesplaneri-schen Beurteilung vom 28.01.91 abschloss. Demnach entspricht die Wiederaufnahme der gewerbli-chen Nutzung auf dem ehemals industriell genutzten Standort der SHELL-Raffinerie unter Beachtung mehrerer Maßgaben den Erfordernissen der Raumordnung. Unter anderem ist bei der Entwicklung des Gewerbeparks eine ausgeprägte Zonierung der nutzbaren Bauflächen und zu erhaltender bzw. zu entwickelnder Freiraumstrukturen zwingend vorgegeben. Darüber hinaus sind als Vorgabe aus dem Raumordnungsverfahren neben den Festlegungen zu maxi-mal zulässigen Gebäudehöhen, zur Ver- und Entsorgung sowie verkehrlichen Erschließung des Ge-werbeparks auch Forderungen an das Flächenmanagement der betroffenen Gemeinden Großmehring und Kösching abgeleitet. Beide Gemeinden mussten zur Sicherstellung einer sinnvollen Zuordnung

186

Page 204: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

von Wohn- und Arbeitsstätten zusätzliche Wohnbauflächen in ihren Flächennutzungsplänen auswei-sen und dabei gleichzeitig einen kommunalen Landschaftsplan für das gesamte Gemeindegebiet auf-stellen. Aufbau und Sicherung von Freiraum- und Biotopstrukturen innerhalb und im weiteren Umfeld des INTERPARKS war dabei zentrales Thema des landschaftlichen Entwicklungskonzeptes.

Abb. 1: Luftbild des Industriestandortes während der Nutzung als Ölraffinerie der Shell-AG – 1982 Die Entwicklung des Gewerbeparks mit 1,2 Millionen m² Nettobaufläche hatte somit weitreichende Folgen auf die weitere bauleitplanerische Entwicklung der Gemeinden Kösching und Großmehring. Es ist besonders positiv anzumerken, dass es im vorliegenden Fall gelungen ist, für die Entwicklung eines neuen Gewerbeparks einem stillgelegten, ehemals industriell genutzten Standort im Sinne des 'sparsa-men und schonenden Umgangs mit Grund und Boden' gemäß § 8 BauGB den Vorzug gegenüber der Neuschaffung 'auf der grünen Wiese' zu geben. Probleme wie Altlastensanierung oder Erhaltung der denkmalgeschützten Anlagen des Erlachhofes waren dabei integriert zu lösen. 2 Material und Methoden Die Entwicklung des Gewerbeparkes 'INTERPARK' war streng aus dem Planungsinstrumentarium der Raumordnung und Bauleitplanung heraus entwickelt worden. Das Raumordnungsverfahren sowie das Bauleitplanverfahren wurde nach den gesetzlichen Vorgaben von Raumordnungsgesetz, Baugesetzbuch und Landesplanungsgesetz erarbeitet. Um eine städtebauliche Gesamtkonzeption für die Wiederaufnahme einer industriell-gewerblichen Nutzung zu erreichen, die nicht nur den Standort selbst, sondern auch die umgebenden Gemeinden, Ortsteile und die Kulturlandschaft berücksichtigt, wurde ein Landschaftsplanerisches Sondergutachten erstellt. Insbesondere die naturräumlichen Grundlagen - die Boden- und Wasserverhältnisse, die topographi-sche Situation, wertvolle Vegetationsbestände (Biotope, Schutzgebiete), die klimatischen Verhältnisse

187

Page 205: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

sowie Sichtbezüge in der Kulturlandschaft – waren entscheidende Grundlage für die städtebauliche und landschaftsplanerische Gesamtkonzeption für den INTERPARK. 2.1 Städtebaulicher Entwurf Ein integriertes Nutzungs-, Baumassen-, Erschließungs- und Grünordnungskonzept dient als Leitbild, aus dem die Festsetzungen für den Bebauungsplan entwickelt sind. Nutzungszonen Das Planungsgebiet ist in vier, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Zonen gegliedert: − Im Westen, westlich der Gleisharfe, wird die durch einen wertvollen Grünbestand und Biotope

geprägte Zone weitgehend unangetastet belassen. − Östlich davon entwickelt sich auf rd. 800 m Breite in Ost-West-Richtung das Gebiet für indus-

triell-gewerbliche Nutzungen. − Mit einer Breite von 120 - 150 m schließt östlich ein Grünzug an, der Freizeit- und kleinere Sport-

anlagen aufnimmt. Punktuell sind Gebäude für Post, eventuell Polizei, Geldinstitute sowie für die Sportanlagen vorgesehen. Auch Einkaufsmöglichkeiten sind gegeben. Die Freiflächen dominieren und schaffen eine räumliche Zäsur zwischen unterschiedlichen Nutzungs- und Gestaltungsabsich-ten.

− Die östliche Zone mit einer Breite von 250 bis 300 m ist für vielfältige Nutzungen mit höheren gestalterischen Ansprüchen, wie High-Tec-Betriebe, Forschungsstätten, Bürogebäude sowie ein komfortables Hotel vorgesehen. Im Norden und Süden dieser Zone sind Flächen vorgesehen, die Gewerbebetriebe für Großmeh-ring und Kösching aufnehmen sollen.

Baumassen Das Baumassenkonzept sieht einerseits eine Herabstaffelung der Gebäudehöhen zu den Rändern vor, und ermöglicht andererseits eine Kette höherer, gut gestalteter Gebäude bis zu einer Höhe von 30 m. Erschließungssystem Die Zonen werden durch ein übersichtliches Straßensystem (zwei Hauptsammelstraßen in Nord-Süd-Richtung, an diese angeschlossen in West-Ost-Richtung verlaufende Erschließungsstraßen) erschlos-sen. Parallel zu den Ost-West-Erschließungsstraßen, die von Fuß- und Radwegen sowie Grünstreifen mit nicht alleeartigen Baumbeständen begleitet werden, liegen auf den privaten Grundstücken vor den Gebäuden ca. 25 m breite Zonen, die in vielfältiger Weise genutzt werden sollen (Einfahrten, Park-plätze, Parkpaletten, Pförtner- und Ausstellungsgebäude, Kioske, Grünflächen für Betriebsrekreation mit Baumgruppen). Ein Grünordnungssystem entlang der Straßen wird durch zu erhaltende Gehölze und neue Grünanla-gen ergänzt insbesondere in dem großzügig angelegten Grünzug zwischen den Bereichen der gewerb-lich-industriellen Nutzung.

188

Page 206: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Grünordnung − Zur Sicherstellung der Durchgrünung der gewerblich/industriell genutzten Flächen des Gewerbe-

parks ist ein privater Grünflächenanteil von mindestens 15 % der Gesamtgrundstücksfläche für die Einzelgrundstücke festgesetzt worden.

− Dabei werden die privaten Grünflächen zum einen als mindestens 10 m breiter zu bepflanzender Streifen entlang der senkrecht zu den Erschließungsstraßen verlaufenden Grundstücksgrenzen, zum anderen zur Stärkung vorhandener Strukturen, soweit wie möglich unter Einbeziehung des Bestandes (Gras-, Kraut- und Staudenfluren; Gehölze), ausgewiesen.

− Sicherung und Stärkung des Auwaldbereiches und Einbeziehung der bisher intensiv genutzen Wiesen als Auewiesen bzw. Feuchtflächen entlang des Köschinger Baches im Westen des Pla-nungsgebietes.

− Erhaltung und waldbauliche Pflege des vorhandenen Grüngürtels am südlichen und östlichen Rand des Planungsgebietes.

− Gestaltung des Nordrandes des Industrie- und Gewerbegebietes als Übergang in die freie Land-schaft.

Abb. 2: Luftbild des Industriestandortes nach Herstellung des Erschließungssystems zur Entwicklung

des INTERPARKES - 1998 2.2 Landschaftliches Leitbild Grundlagen zur Ableitung des landschaftlichen Leitbildes bilden − die Charakteristik des vorliegenden Naturraumes unter besonderer Berücksichtigung der Topogra-

phie und der Bodenarten/Bodennutzung − die landschaftsbildprägenden Vegetationsbestände und die naturschutzrechtlichen Gegebenheiten − die archäologischen Vorbehaltsflächen mit zu erwartenden Bodendenkmälern bzw. die Siedlungs-

entwicklung im Allgemeinen

189

Page 207: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Daraus entwickeln sich folgende Grundprinzipien zur landschaftlichen Entwicklung des weiteren Pla-nungsgebietes: − in den Niederungsbereichen ist eine flächig durchgehende extensive Grünlandbewirtschaftung

anzustreben. Alle grundwassernahen bzw. anmoorigen Bodenstandorte sind dazu in ihrem Bestand bzw. durch Umwandlung von Acker- zu Grünlandflächen zu sichern. Einher geht damit die Of-fenhaltung der Bachniederungen von Aufforstungen und Querriegeln.

− die landschaftsbildbestimmenden Geländekuppen sind in ihrem Bestand zu sichern bzw. zu stär-ken und durch Entstehung von standortgerechten Wäldern auf bisher freien Lagen zu akzentuie-ren. Somit entstehen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der vorherrschenden Ackernutzung Schwerpunkte mit vorrangiger Bedeutung für das Landschaftsbild und den Naturhaushalt.

− bestehende Vegetationsbestände (Gehölze) sind insbesondere bei den bestehenden Gewerbeflä-chen durch Ergänzung als optische Einfriedung zu stärken.

2.3 Kulturhistorisches Leitbild Grundlagen zur Ableitung des kulturhistorischen Leitbildes bilden − das Wissen um historische Kulturlandschaftsteile − die Siedlungsentwicklung mit ihren Infrastrukturelementen − die Topographie, die Sichtbeziehungen und die landschaftsbildprägenden Vegetationsbestände Daraus entwickeln sich folgende Grundprinzipien zur kulturhistorischen Entwicklung des weiteren Planungsgebietes: − die historischen Sichtachsen, die historische Wegeverbindung Feldkirchen-Kösching und die Rö-

merstraße sind in ihrem "Erinnerungswert" hervorzuheben; - durch landschaftspflegerische Maßnahmen wie Baumalleen, Baumreihen, in Baugebieten zur optischen Vernetzung - durch Einrichtung von Freihaltezonen in einer Breite von ca. 250 m in der keine höheren Gebäu- de errichtet werden sollen

− die neu geschaffene Sichtachse Kirche Kösching - Bergkapelle Großmehring ist ebenfalls durch die vorab genannten landschaftspflegerischen Maßnahmen in die Kulturlandschaft zu integrieren. Zum INTERPARK wurde bereits durch die Ausweisung der grünräumlich großzügig ausgewiese-nen Zone diesbezüglich bewußt reagiert.

3 Ergebnisse und Diskussionen Die Entwicklung des INTERPARKES auf einem ehemaligen Raffineriestandort kann als gelungenes Beispiel für ein im Sinne des Bodenschutzes sinnvolles Flächenrecycling bezeichnet werden. Neben der völlig neuen städtebaulichen – landschaftsplanerischen Einordnung in den Raum waren Probleme der Altlastensanierung sowie die Erhaltung denkmalgeschützter Anlagen (der Erlachhof) zu lösen. Die überregionale Verkehrsanbindung an Straße und Schiene waren ebenso gegeben wie die Möglich-keiten in den umliegenden Gemeinden ausreichend Wohngebiete auszuweisen.

190

Page 208: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die historische Entwicklung der Wiedervereinigung Deutschlands hat jedoch das Wachstum des INTERPARKES nachhaltig gebremst. Von den 1,2 Mio. m² Nettobaufläche sind bisher erst ca. ¼ belegt. Im Sinne des Bodenschutzes und einer nachhaltigen flächensparenden Gewerbe- und Industrie-entwicklung haben die Instrumente der Raumordnung versagt. Gewerbe- und Industriegebiete in den neuen Bundesländern wurden auf der 'grünen Wiese' entwickelt und suchen heute ebenso nach An-siedlungswilligen wie die im Sinne des Bodenschutzes optimal recycelte Industriebrache, die neuem Gewerbe ideale Standortvoraussetzungen bietet. 4 Schlussfolgerung Dem vielfach beschworenen Geist von Rio folgend ist eine nachhaltige Bodenpolitik möglich. Aufge-lassene Industriestandorte bieten bei entsprechenden städtebaulichen und landschaftsplanerischen Konzeptionen ideale Voraussetzungen dem gesetzlichen Auftrag nach einen 'sparsamen und schonen-den Umgang mit Grund und Boden' Folge zu leisten. Nur der 'Markt' handelt manchmal anders. 5 Literatur BAYER. LANDESAMT FÜR DENKMALPFLEGE REFERAT OBERBAYERN-NORD !996): Kartierung der Bodendenkmäler: Gde. Lenting, Gde. Hepberg, Gde. Kösching, Gde. Großmehring, Stadt Ingolstadt BAYER. LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ (1988): Biotopkartierung Bayern Flachland; München GEMEINDE GROßMEHRING (1984): Heimatbuch Großmehring von Wilhelm Ernst KNOPP, G.; KNOPP-KÖRTE, B.; WEINZIERL, W. (1991): Bebauungs- und Grünordnungsplan 'Gewerbe-park Großmehring/Kösching' vom 9.11.91 REGIERUNG VON OBERBAYERN (1991): Landesplanerische Beurteilung zum Raumordnungsverfahren für den Bebauungs- und Grünordnungsplan 'Gewerbepark Großmehring/Kösching' vom 28.1.91 STADT INGOLSTADT (1996): Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan; Ingolstadt STADT INGOLSTADT (1986): Stadtbiotopkartierung, Ingolstadt STADT INGOLSTADT STADTPLANUNGSAMT: Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 714 Gewerbepark Nord-Ost WEINZIERL, W. (1997): Landschaftsplan Markt Kösching, Vorentwurf; 22.1.97 und Landschaftsplan Gde. Großmehring, Arbeitsstand Februar 97

191

Page 209: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Flächenressourcenmanagement in Städten - Entwurf eines Planungsinstrumentes für Kommunen –

Sandhage-Hofmann, A; Kaupenjohann, M.

Institut für Bodenkunde und Standortslehre der Universität Hohenheim, Emil-Wolff-Straße 27, 70599 Stuttgart

[email protected]

Abstract: We introduce a planing instrument which should help the community to manage their existing soil ressources in an optimum way. In our understanding optimal management balances the communal interests or requirements of land use and the aims of a sustained soil protection.. Zusammenfassung: Wir stellen ein Planungsinstrument vor, das den Kommunen ein optimales Flächenressourcenmanagement ermöglicht. Unter optimalem Management verstehen wir sowohl die Berücksichtigung von aktuellen kommunalen Nutzungsansprüchen an die Flächen als auch die Beachtung Bodenschutzziele. Keywords: land use – management of soil ressources - soil protection – planing instrument Schlagworte: Bodennutzung – Bodenschutz - Flächenressourcenmanagement - Planungsinstrument 1 Einleitung Die Anforderungen an den Bodenschutz sind gerade in Ballungsgebieten, in denen der Vorrat an Boden begrenzt ist, besonders groß. Bodenschutzziele werden in der Planungspraxis allerdings häufig nur unzureichend umgesetzt (LABO, 1995), da planerische oder vorhabensbezogene Instrumente fehlen (BACHMANN UND THOENES, 2000). Die Notwendigkeit eines Instrumentes, das ein ausgewogenes Boden- und Flächenressourcenmanagement in Städten gewährleistet, wird daher zunehmend anerkannt. Der Planer selbst befindet sich in einem Interessenskonflikt. Auf der einen Seite stehen Nutzungsansprüche an den Boden/die Fläche von Seiten der Kommune mit zum Teil großen ökonomischen Zwängen, auf der anderen Seite gilt es, den Boden nachhaltig zu schützen. Eine praktische Handlungsvorgabe für die Kommune muss Bodennutzung und Bodenschutz gleichermaßen berücksichtigen. Im Folgenden wird der theoretische Entwurf eines Planungsinstrumentes vorgestellt, der beide Aspekte - Nutzung und Schutz - einbezieht. Das Instrument soll so gestaltet sein, dass es eine anwendbare (einfache) und überschaubare Handlungsvorgabe für Kommunen wird, die Akzeptanz findet. Es ist gedacht für innerstädtische Freiflächen bzw. Freiflächen in stadtnaher Umgebung, die einer neuen bzw. anderen Nutzung unterzogen werden sollen. Ziel ist, durch die Integration von Bodenschutz und Bodennutzung, die Standortwahl bodenverbrauchender Planungsvorhaben so zu lenken, dass Böden hoher natürlicher Leistungsfähigkeit und akuter Verknappung derart genutzt werden, dass ihre Potentiale nicht zerstört oder nachhaltig beeinträchtigt werden. Bereits anthropogen stark veränderte Böden geringer Leistungsfähigkeit sollen umgekehrt für bodenverbrauchende Nutzungen bevorzugt verwendet werden. 2 Aufbau des Planungsinstrumentes Das Planungsinstrument ist in drei zentrale Verfahrensschritte gegliedert: die Eignungsüberprüfung (I), die Potentialbestimmung der Flächen/Böden (II) und die Flächenauswahl (III, Abb. 1). Diese werden im Folgenden im Einzelnen erläutert.

192

Page 210: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

193

I.1. Flächenvorauswahl (Rahmenbedingungen)

I.2. Erhebung/Erfassung bodenkundlicher Kennwerte

I.E

3. ignungsüberprüfung

(Abgleich mit Grenz- und Richtwerten)

I.2.1. Prüfung der Daten- grundlage

I.2.2. Erhebung fehlender Daten

u zureichend n

Sanierung / Flächenrecycling

Für gewünschte Funktion ungeeignet

geeignet Keine weitere Berücksichtigung

Kosten-Nutzen- Analyse

ausreichend

I. Eignungsüberprüfung

II.1. Erfassung der Einzelpotentiale

Erfassung/Erhebung bodenökologischer Basisdaten

unzureichend

ausreichend

Detailuntersuchung ausgewiesener Potentiale

II. Potentialbestimm

ung/ Potentialbew

ertung

III. Flächenauswahl

Nutzungsabhängige Veränderungen (I-X)

Ist-Zustand (A-X)

II.2. Bewertung der Potentiale

Abb. 1: Planungsinstrument

Page 211: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

I. Eignungsüberprüfung Vor der Inanspruchnahme einer Fläche muss der Planer/ die Kommune wissen, ob die zur Auswahl stehenden Flächen für die Nutzung geeignet sind. Dies kann gerade dann relevant sein, wenn Standorte im Stadtrandbereich neu erschlossen werden sollen. I.1 Vorauswahl der Flächen Mit der Definition des Nutzungs- bzw. Funktionsanspruches der Kommune sind gleichzeitig erste Rahmenbedingungen festgelegt. Hierzu zählen Größe und (bevorzugte) Lage sowie möglicherweise wirtschaftliche, politische und soziale Randbedingungen. Mit Hilfe von Kartenmaterial wird das Flächenangebot überprüft und eine Vorauswahl in Frage kommender Flächen getroffen. Steht nur ein möglicher Standort zur Verfügung entfällt die Vorauswahl zwangsläufig. I.2 Erfassung bzw. Erhebung bodenökologischer Kenngrößen Die unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen denkbaren Flächen werden hinsichtlich ihrer bodenbedingten Eigenschaften genauer untersucht. Jede Bodenfunktion, d.h. jede Nutzung des Bodens stellt auch Anforderungen an denselben, wobei unterschiedliche Funktionen auch unterschiedliche Anforderungen stellen. So sind die Ansprüche an den Boden bei Nutzungen, bei denen es zu unmittelbaren Kontakten zwischen Mensch und Boden kommt (z.B.: Kinderspielplatz) höher als beispielsweise bei Flächenfunktionen wie dem Wegebau. Tabellen geben Auskunft darüber, welche Kriterien ein Boden aufweisen muss, um die gewünschte Nutzung erfüllen zu können. Der Stadtplaner prüft (I.2.1) anhand der vorhandenen Datengrundlage (bodenökologische Informationen, Kartenwerke, Punktdaten etc.), welche Messdaten zur Verfügung stehen und veranlasst - falls Informationen fehlen – eine Erhebung derselben auf der Basis von Methoden, die der einschlägigen Literatur entnommen werden (I.2.2). Die vorhandenen bzw. erhobenen Daten werden mit Grenz-/ Richtwerten verglichen (I.3), die aus DIN-Vorschriften, der Literatur oder anderen Quellen zusammengestellt werden und in Tabellenform dem Planungsinstrument beigefügt sind. Standorte, die die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllen, werden entweder als ungeeignet aus dem weiteren Verfahren ausgeschlossen oder können nach Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse und unter Berücksichtigung sozialer Komponenten (Stichwort: Image einer sanierten/recycelten Fläche) den Ansprüchen entsprechend saniert bzw. recycelt werden. II. Potentialbestimmung Jede Fläche/ jeder Boden zeigt i.d.R. über die Eignung für eine bestimmte Funktion/Nutzung hinaus weitere Leistungsmöglichkeiten (= Potentiale). Diese werden durch die Potentialbestimmung erfasst (II.1) und bewertet (II.2), wobei nur die Standorte untersucht werden, die auch geeignet sind (siehe I). II.1 Erfassung von Einzelpotentialen Ausgewiesene bodenökologische Basisdaten (vorhandene Daten-Quellen oder Erhebungen im Rahmen der Eignungsüberprüfung) geben erste Anhaltspunkte über die Potentiale der Böden. Erst, wenn diese Daten darauf hinweisen, dass der Boden über bestimmte Leistungsmöglichkeiten verfügt, folgen Detailuntersuchungen. Es werden demnach nicht zwangsläufig alle in Frage kommenden Potentiale untersucht, sondern die Erhebung konzentriert sich ausschließlich auf die, die anhand der Basisdaten auch zu erwarten sind. Das bedeutet eine deutliche Reduzierung des Untersuchungsaufwandes. II.2 Bewertung der Potentiale Die momentane Leistungsfähigkeit (Ist-Zustand) und die zu erwartenden nutzungsabhängigen Veränderungen müssen nach ihrer Erfassung bewertet werden. Nur dann kann die Kommune die optimale Fläche für ihren Nutzungswunsch ermitteln. Hierzu müssen die Bodenpotentiale vorab hierarchisch gegliedert werden. Die Gliederung orientiert sich an der Schutzwürdigkeit der Potentiale.

194

Page 212: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Grundsätzliche Ziele sind die Erhaltung der Leistungsfähigkeit im Naturhaushalt, Schutz empfindlicher Böden vor Belastungen und die Erhaltung der Vielfalt der Böden. Diese Hierarchie ist gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und damit Veränderungen unterworfen, so dass sie immer wieder überprüft und im Bedarfsfall angepasst werden muss. Im Einzelfall kann für jede Kommune eine eigene Gliederung möglich sein. Der Ist-Zustand der Böden wird anhand der hierarchischen Gliederung der Potentiale nach einem einheitlichen Skalierungsverfahren alphabetisch (A-X) bewertet. Die Zuordnung erfolgt unter zu Hilfenahme vorhandenen Wissens bzw. schon existenter Bewertungsverfahren (Literatur, Grenzwerte, Gesetzesvorgaben etc. siehe u.a. Blume und Schleuß, 1997; Sauerwein, 1998; Gröngröft et al., 1999). Die nutzungsabhängigen Veränderungen der Böden werden numerisch bewertet (I-X). Jede Nutzung eines Bodens greift in seine Leistungsfähigkeit ein, in der Regel belastet sie ihn. Die einzelnen Bodenpotentiale reagieren ganz unterschiedlich auf bestimmte Nutzungen. Am empfindlichsten verhalten sich die biotischen Potentiale. Flächenpotentiale können demgegenüber im Prinzip nicht zerstört werden (Stahr und Renger, 1984). Auch hier erfolgt die Zuordnung auf der Basis vorhandenen Wissens. III. Auswahl der Fläche Die geeigneten Flächen erhalten durch die Bewertung des Ist-Zustandes und die Bewertung der nutzungsabhängigen Veränderungen eine zweiteilige Kennzeichnung, die aus einer Zahl und einem Buchstaben besteht. Hierdurch kann die Auswahl der Fläche erfolgen. Es ist der Standort auszuwählen, der das niedrigste Potential aufweist, also den Ansprüchen an die Nutzung gerade noch genügt und dessen Potential bei entsprechender Nutzung nicht nachhaltig eingeschränkt wird. Für den Fall, dass nur eine Fläche bewertet wurde oder eine definierte Fläche mit einem konkreten Planungswunsch in den Entscheidungsprozeß gelangt, bietet die Bodenbewertung die Möglichkeit eine Planung nachvollziehbar und begründet abzulehnen oder ihr zuzustimmen. 3 Abschließende Bemerkungen Bei dem vorgestellten Planungsinstrument handelt es sich bisher um einen ausschließlich theoretischen Entwurf, der Kommune einen Weg aufzeigt, wie sie ihre vorhandenen Bodenressourcen nutzen und bestmöglichst schützen kann. Die inhaltliche Ausarbeitung der einzelnen Verfahrensschritte steht weitestgehend noch aus, kann aber anhand des vorhandenen umfangreichen Kenntnisstandes in der Literatur schnell vorangetrieben werden. Eine Überprüfung in der Praxis ist nach Abschluss der theoretischen Ausarbeitung unbedingt nötig. Bei einem Planungsinstrument dürfen sozioökonomische und politische Rahmenbedingungen nicht unberücksichtigt bleiben. Hierzu zählen unter anderem Eigentumsverhältnisse der ausgewählten Flächen bzw. soziale Hindernisse für eine Nutzung. Die Einbeziehung dieser Größen, falls nicht schon vorher berücksichtigt (siehe z.B.: Flächenvorauswahl), ist vor der endgültigen Realisierung eines Planungsvorhabens unerlässlich (Verfahrensschritt IV, hier nicht dargestellt). Abschließend möchten wir die aus unserer Sicht klaren Vorteile oben dargestellter Vorgehensweise anführen:

Die Belange der Kommune werden berücksichtigt In dem Entwurf wird ein Planungsinstrument vorgestellt, das aus der Sicht der Kommune entwickelt wurde. Oberstes Ziel soll es sein Ansprüche der Menschen und Bodenschutz optimal aufeinander abzustimmen.

Schutz der Potentiale Der Boden wird nicht nur als Funktionsträger angesehen. Vorhandene Potentiale werden ermittelt und ebenso wie die Auswirkung der künftigen Nutzung auf diese Potentiale bewertet. Die Auswahl der Fläche erfolgt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und des Bodenschutzes.

195

Page 213: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Beschränkung detaillierter bodenökologischer Untersuchungen Durch die Vorgehensweise innerhalb der Verfahrensschritte I und II wird der Untersuchungs-aufwand auf ein Minimum beschränkt, was die Akzeptanz innerhalb der Kommune fördert.

Inhaltliche Ausarbeitung auf der Basis vorhandenen Wissens Bei der noch ausstehenden inhaltlichen Ausarbeitung der einzelnen Verfahrensschritte und der Auswahl der zu erhebenden Parameter soll auf vorhandenes Wissen zurückgegriffen werden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden in das Planungsinstrument eingebaut, aber nicht speziell dafür erhoben.

4 Literatur BACHMANN, G.; H.-W. THOENES (HRSG.) (2000): Wege zum vorsorgenden Bodenschutz. Fachliche Grundlagen und konzeptionelle Schritte für eine erweiterte Boden-Vorsorge. Bodenschutz und Altlasten 8. BLUME, H.-P.; U. SCHLEUß (Hrsg.) (1997): Bewertung anthropogener Stadtböden. - Abschlußbericht des BMBF- Verbundvorhabens der Universitäten Berlin (TU), Halle-Wittenberg, Hohenheim, Kiel ind Rostock sowie des `büro für bodenbewertung´ , Kiel. - Schriftenr. Institut. Pflanzenern. Bodenk. 38. GRÖNGRÖFT, A., B. HOCHFELD, B., G. MIEHLICH (1999): Funktionale Bewertung von Böden bei goßmaßstäbigen Planungsprozessen - Bewertungsverfahren. Unveröff. Gutachten im Auftrag der Umweltbehörde Hamburg. Überarbeitete Fassung Stand 30.05.2000. SAUERWEIN, M. (1998): Geoökologische Bewertung urbaner Böden am Beispiel von Großsiedlungen in Halle und Leipzig . Kriterien zur Ableitung von Boden-Umweltstandards für Schwermetalle und Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe. UFZ-Bericht 19/1998, 123 S. STAHR, K., M. RENGER (1986): Böden: Eigenschaften - Potentiale - Gefährdung. Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung: Bodenschutz - Räumliche Planung und Strategien. Heft 21: 1-10; Bonn.

196

Page 214: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

„Intensiv-Bodendauerbeobachtung“ ein Beitrag für den Bodenschutz der Zukunft

Dr. B. Schilling*2, Ch. Mahler*1, G. Holzner*1, J. Quinger*2

*1Bayerisches Geologisches Landesamt, Heßstraße 128, 80797 München *2Bayerisches Geologisches Landesamt, Außenstelle Marktredwitz, Leopoldstraße 30,

95615 Marktredwitz; e-mail: [email protected] Abstract: Intense soil monitoring, a geoscientific research project performed by the Bavarian Geological Sur-vey, is an appropriate tool, which combined with basic soil monitoring, helps to control all changes of soil conditions and soil functions. Summary: Mit dem Pilotprojekt zur Intensivierung der Bodendauerbeobachtung führt das Bayerische Geologi-sche Landesamt ein geowissenschaftliches Forschungsvorhaben durch, das in der Synthese mit den Bodendauerbeobachtungsflächen ein ideales Werkzeug zur langfristigen Überwachung der Verände-rungen von Bodenzuständen und –funktionen bieten kann. Keywords: soil monitoring, soil protection, material flow, organic pollutants, heavy metals Schlagworte: Bodenmonitoring, Bodenschutz, Stoffflüsse, organische Schadstoffe, Schwermetalle 1 Einleitung Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Gedanke einer Langzeitbeobachtung des Bodens intensiv aufgenommen. In Deutschland begannen die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg mit einem Projekt, um Veränderungen im Boden feststellen zu können. Dieses Projekt wurde als Boden-Dauerbeobachtung bezeichnet. Um den im Sinne Nachhaltigkeit in den Vordergrund gerückten Zielen des vorsorgenden Bodenschutzes gerecht zu werden, sollten zukünftige Entwicklun-gen in der Pedosphäre prognostiziert werden. Ein Schwerpunkt hierbei ist die Überwachung der über die Atmosphäre in den Boden eingetragenen anorganischen (z.B. Cadmium und Blei), organischen (z.B. Dioxine) und radioaktiven Stoffe (z.B. Cs 137). Vom Bayerischen Geologischen Landesamt (GLA) wurden bislang 60 Boden-Dauerbeobachtungsflächen (Basis-BDF) eingerichtet. Die Erstuntersuchung der Flächen wurde An-fang der 90er Jahre abgeschlossen (Schilling, 1994a). Seit 1994 werden Wiederholungsbeprobungen auf den BDF durchgeführt (s. Abb.1). Erste Ergebnisse zeigen hierbei statistisch nachweisbare Verän-derungen ausgewählter Parameter (SCHILLING, 1997). Die Interpretation der im Boden abgelaufenen Prozesse bleibt jedoch begrenzt. Es werden zusätzlich Indikatoren benötigt, die deutlich über die Quantifizierung der Stoffgehalte hinausgehen, wie z.B. die Erfassung von Stoffflüssen. Um dies zu leisten, wurde am 01. Oktober 1999 mit dem „Pilotprojekt zur Intensivierung der Bodendauerbeobachtung“ begonnen.

197

Page 215: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

2 Projekt Im Projektzeitraum 10/1999-06/2004 sind der Aufbau und die Inbetriebnahme von vier Intensiv-Bodendauerbeobachtungsflächen (Intensiv-BDF) geplant. Wichtiges Auswahlkriterium für die Grünlandstandorte war ein homogener substrattypologischer und pedologischer Aufbau des Bodens, um geringe Stoffvariabilität zu gewährleisten. Es wurde weiterhin nach Kriterien wie der Lage im Gelände und nach wissenschaftlich interessanten Aspekten (z.B. Lage im Einflussbereich von Kontaminationsquellen) ausgewählt. Flächen im kommunalen Besitz und extensiver Bewirtschaftung wurden bevorzugt, da dadurch be-wirtschaftende Einflüsse reduziert wurden. Nach der Einrichtung von Meßflächen in Marktredwitz und Burghausen im Jahr 1999, folgten ein Jahr später die Meßflächen Fürth und Schwandorf. Ende 2000 wurde auf allen vier Meßflächen mit dem Intensiv-Messprogramm begonnen. Gefördert wird das Projekt durch das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Um-weltfragen.

Abbildung 1: Standorte der Boden-Dauerbeobachtungsflächen und aktueller Stand der Beprobung

198

Page 216: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

3 Forschungsansatz Instrumente zur Durchführung der Intensiv-Bodendauerbeobachtung sind die Intensiv-Bodendauerbeobachtungsflächen (Intensiv-BDF). Hierbei wird eine Basis-BDF um eine Fläche von 10m x 10m und verschiedenen Meßinstrumenten erweitert (s.Abb.2). Nach einem vorgegebenem Schema erfolgt die flächenrepräsentative Bodenprobennahme wie auf anderen Boden-Dauerbeobachtungsflächen des GLA (Schilling, 1994b). Die Bodenproben werden auf verschiedene Parameter wie Schwermetalle, organische Problemstoffe, physikalische Eigenschaften u.a. untersucht. Neben diesen Bodenuntersuchungen werden auf den Intensiv-BDF auch Daten für die Berechnung von Wasserkreisläufen erhoben. Mit Hilfe des Bergehoffverfahrens werden Gesamtdepositionen ge-sammelt und Bodenlösungen durch Saugkerzen in verschiedenen Tiefen gewonnen. Die monatlich entnommenen Wasserproben werden in den Labors des GLA auf anorganische und organische Para-meter untersucht. Die Bestimmung der jährlichen Sickerwassermengen sind eine entscheidende Grundlage für die Be-rechnung der Austragsraten von Nähr- und Schadstoffen. Damit sind Hinweise auf wichtige Prozesse möglich, wie z.B. die Nährstoffauswaschung oder -fixierung bzw. Schwermetallakkumulation oder -freisetzung. Für die Berechnungen sind Kenntnisse über die physikalischen Eigenschaften sowie über die räumlichen und zeitlichen Veränderungen der Wasserflüsse im Boden erforderlich. Folgende Messungen bzw. Untersuchungen werden dazu durchgeführt:

Bestimmung der physikalischen Eigenschaften des Bodens (Körnung, Wasserleitfähigkeit, Porosität, pF-Wert etc.)

Messung der Freilandniederschläge mit Hilfe eines Niederschlaggebers

Messung der Wasserspannungen mit Hilfe von Tensiometern in verschiedenen Tiefen

Messung der Wassergehalte mit Hilfe von FDR – Sonden

Messung der Globalstrahlung, Temperatur, Luftfeuchte mit Hilfe einer Klimameßstation

Messung der Windrichtung und Windgeschwindigkeit

Bestimmung der Bodenbiologischen Kenndaten (Bodenmikrobiologie und –zoologie)

Erhöhte Schadstoffgehalte in der Luft können im Niederschlags- und gegebenenfalls im Bodenwasser erkannt und die Gefährdung für den Boden abgeschätzt werden. Über Modellberechnungen werden Prognosen über Zukunftsentwicklungen im Boden erstellt. Aus der Zusammenschau dieser Grundla-gen werden Aussagen über den Zustand und Stabilität des vorhandenen Ökosystems erwartet.

199

Page 217: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

II. I.III. IV.I.

I. I.

II.

II.

II.

III.

III. III.

IV.

IV.

IV.

2

17

16

15

14

13

12

11

10

9

8

76

54

3

18

1

Drehungum22,5

Basis-BDFMit Schema für 4 Probenahmeaktionen (I.-IV.)

Schaltzentrale

Niederschlagsgeber

Niederschlagssammler

TensiometerFDR-SondenSaugkerzen

Klimamast

Meßfläche

I.

Abbildung 2: Skizze einer Intensiv -Bodendauerbeobachtungsfläche

4 Ausblick Mit dem Pilotprojekt zur Intensivierung der Bodendauerbeobachtung führt das GLA ein geowissen-schaftliches Forschungsvorhaben durch, das in der Synthese mit den Basis-BDF ein geeignetes Werk-zeug zur langfristigen Überwachung der Veränderungen von Bodenzuständen und –funktionen bieten kann. Neben der quantitativen Erfassung von Bodenveränderungen können auch Kenntnisse über mögliche ablaufende Prozesse und Einflußfaktoren die diese Veränderungen hervorrufen prognosti-ziert werden. Die Intensiv-Bodendauerbeobachtung bietet ein wichtiges Instrument, um die im Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) beschriebenen, schädlichen Bodenveränderungen erfassen und dau-erhaft dokumentieren zu können. Mit der Bodendauerbeobachtung wird die Prüfung und die Eignung der Vorgaben (z.B. Vorsorgewerte - Hintergrundwerte) des BBodSchG möglich. Durch eine Intensivierung der Bodendauerbeobachtung können diese Aussagen weiter präzisiert werden. Ergebnisse aus den BDF-Untersuchungen (Basis BDF und Intensiv BDF) liefern damit einen ent-scheidenden, wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Bewältigung der im BBodSchG gestellten Auf-gaben.

200

Page 218: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

5 Literatur BAYERISCHES BODENSCHUTZGESETZ (1999): Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BayBodSchG). Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 5/1999, Mün-chen. BAYERISCHE BODENSCHUTZVERWALTUNGSVORSCHRIFT (Entwurf, Stand 9/1999): BayBodSchVwV. Verkündung in Vorbereitung. BLUME, H.-P.& BRÜMMER, G. (1991): Prediction of heavy metal behavior in soil by means of simple field tests. Ecotoxicology and Environment Safety, 22: 164 – 174. BUNDES-BODENSCHUTZGESETZ (1998): Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (BBodSchG). Bundesgesetzblatt 1998 Teil I S. 502, Bonn. BUNDES-BODENSCHUTZ- UND ALTLASTENVERORDNUNG (1999): BBodSchV. Bundesregierung, Bonn. SCHILLING, B. (1994a): Ergebnisse. - GLA-Fachberichte 11 (Boden-Dauerbeobachtungsflächen des Bayerischen Geologischen Landesamtes): 16-40; München (Bayerisches Geologisches Landesamt). SCHILLING, B. (1994b): Probennahme an Boden-Dauerbeobachtungsflächen. - GLA-Fachberichte 11 (Boden-Dauerbeobachtungsflächen des Bayerischen Geologischen Landesamtes): 12-14; München (Bayerisches Geologisches Landesamt). SCHILLING, B. (1997): Wiederholungsuntersuchungen an Boden-Dauerbeobachtungsflächen in Bay-ern. - GLA-Fachberichte 14 (Boden-Monitoring): 48-91; München (Bayerisches Geologisches Lan-desamt). SCHRÖDER, D. & BLUM, W. (1992): Bodenkunde in Stichworten. 5. Auflage, Ferdinand Hirt Verlag, Zug.

201

Page 219: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Sickerwasserprognose hydrophober POP durch Online-Chromatographie auf Realböden

K.-W. Schramm1, D. Martens2, X.M. Liang3

1GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Ökologische Chemie, Ingolstädter Landstr. 1, D - 85764 Neuherberg, Germany

2Lehrstuhl für Ökologische Chemie und Umweltanalytik, Technische Universität München, Freising-Weihenstephan

3National Chromatographic R. & A Centre, Institute of Chemical Physics, Chinese Academy of Sciences, Dalian, 116011, P.R. China

*Korrespondenz: Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Ökologische Chemie, Ingolstädter Landstr. 1, D-85764 Neuherberg, Germany, [email protected]

Abstract: The relative retention of hydrophobic chemicals in soils can be determined by measuring the retention and diffusion in soil- packed columns employed in liquid chromatographic systems. Zusammenfassung: Für die Vorhersage der Retention hydrophober Chemikalien in Böden gibt es zwei Labormethoden, die es gestatten, eine relative Abschätzung der Retardation herbeizuführen. Die Methoden legen den Einfluss retardierender Größen auf die Diffusion oder die Retention von Substanzen in mit natürlichen Bodensubstraten gepackten präparativen Chromatographiesäulen für die Flüssigkeitschromatographie zugrunde. Keywords: Leaching, Persistent Organic Pollutants (POP), Retention, Diffusion Schlagworte: Sickerwasserprognose, Persistente organische Chemikalien (POP), Retention, Diffusion 1 Einführung Im Rahmen der Vorhersage der Retention hydrophober Chemikalien (POP - Persistent Organic Pollutants) in Böden besteht ein erheblicher Forschungsbedarf (GRATHWOHL et al 1999)). Insbesondere sind Methoden notwendig, um hydrophobe, persistente organische Verbindungen, die sehr langsam durch die Bodensäule penetrieren, hinsichtlich ihres Verhaltens zu charakterisieren. Grundsätzlich gibt es neben den einfachen Schüttelversuchen zum Verteilungsverhalten, den off-line Säulenversuchen und den komplexen, kostspieligen Lysimeteruntersuchungen zwei Labormethoden, die es gestatten, eine relative Abschätzung der Retardation herbeizuführen. Die Methoden legen den Einfluss retardierender Größen auf die Diffusion oder die Retention von Substanzen in mit natürlichen Bodensubstraten gepackten präparativen Chromatographiesäulen für die Flüssigkeitschromatographie zugrunde. Als mobile Phase werden neben Gasen und Wasser auch binäre Gemische von Wasser und Alkoholen verwendet. Retention und Diffusion (Peakverbreiterung) werden zur Prädiktion der Sickerwasserkenngrößen verwendet.

202

Page 220: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Die Methoden sind bereits in der Literatur beschrieben und legen den Einfluss retardierender Größen auf die 1. Diffusion Deff=Dw τ/R (GOSS, SCHRAMM 1991) ρ -Lagerungsdichte (g/cm3)

θ -Wassergehalt(cm3/cm3) τ-Tortuosität (-) K-Verteilungskoeffizent (cm3/g) Dw-Diffusion im Wasser (cm2/min)

oder die 2. Retention

R=1+ρ/θ K (XU et al 1999) von Substanzen in mit natürlichen Bodensubstraten gepackten, präparativen Chromatographiesäulen für die Flüssigkeitschromatographie zugrunde. 2 Ergebnisse und Diskussion Tabelle 1 und Tabelle 2 zeigen Ergebnisse, die typischerweise mittels Diffusionsversuchen erzielt werden können.

Tabelle 1:

203

Page 221: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 2:

Das Fliessmittel für die Versuche mit Pentachlorphenol (PCP) und p-Nitrophenol wurde mittels HCl bzw. NaOH auf die angegebenen pH-Werte eingestellt. Die Diffusionsversuche zeigen für beide Bodentypen eine sehr gute Reproduzierbarkeit des gemessenen effektiven Diffusionskoeffizienten bei unterschiedlichen Diffusionszeiten. Der Vergleich der gemessenen und der mit Hilfe der Messwerte τ und R berechneten effektiven Diffusionskoeffizienten ergibt zufriedenstellende bzw. gute Übereinstimmungen. Abweichungen lassen sich durch Ungenauigkeiten bei der Berechnung von Dw sowie bei der Bestimmung von τ und den gemessenen Diffusionskoeffizienten erklären. Will man bei der Berechnung von Deff ohne Messungen auskommen, so sind Verbesserungen bei der Abschätzung von τ und R anzustreben. Die so gewonnenen Ergebnisse lassen sich auf die Diffusion in ungesättigtem Boden oder auf die kleinräumige Diffusion in Aggregaten übertragen. Da der Tortuositätsfaktor jedoch stark vom Wassergehalt abhängt und R in inhomogenem Boden räumlich variieren kann, sind hier der Methode Grenzen gesetzt. Vergleichende Untersuchungen zum Diffusionsverhalten unterschiedlicher Chemikalien sind jedoch mit guter Präzision möglich. Die für die Retardation wichtige Größe Koc (Verteilungskoeffizient einer Chemikalie zwischen Wasser und „natürlichem“ organischem Kohlenstoff) kann auch aus den Diffusionsuntersuchungen bestimmt werden. Tabelle 3 zeigt den Vergleich der aus den Diffusionsexperimenten mit der Gley-Säule ermittelbaren Koc-Werte mit Werten, die aufgrund von diversen Regressionsgleichungen aus der Literatur berechenbar sind.

204

Page 222: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Tabelle 3:

Die Bestimmung des Retentionsfaktors gelingt für gut wasserlösliche Verbindungen, die weder durch van-der-Waals-, noch über kovalente oder ionische Wechselwirkungen stark retardiert werden. Für Verbindungen, die insbesondere intensiv mit der organischen Substanz von Böden chemisch-physikalisch interagieren, werden deshalb als mobile Phase, neben rein wässrigem Medium, auch binäre Gemische von Wasser und Alkoholen verwendet, um die Mobilität dieser hydrophoben Verbindungen zu erhöhen und damit die retardierenden Faktoren der Chemikalie und des Bodens messtechnisch in kurzer Zeit zugänglich zu machen. Ergebnisse dazu sind in Abbildung 1 und Abbildung 2 dargestellt. Der Kapazitätsfaktor ist indirekt proportional zum Volumenanteil des Methanols. Ein derartiger Zusammenhang kann als das Resultat einer solvophoben Wechselwirkung angesehen werden und scheint in Böden für lipophile Stoffe dominant zu sein. Eine Beziehung derart, dass ln k’ = ln k’w - Sϕ mit k’w als Kapazitätsfaktor für reines Wasser und S als einen Index für die Interaktion zwischen Pestizid bzw. gelöstem Stoff und Lösungsmittel. Je kleiner also k’ bei großem ϕ gehalten werden kann, desto effektiver und präziser kann k’w extrapoliert werden, insbesondere für lipophile Chemikalien.

205

Page 223: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Abbildung 1: Abhängigkeit des Kapazitätsfaktors ausgewählter Pestizide eines chromatographisch untersuchten Realbodens von der Volumenfraktion von Methanol

Abbildung 2: Abhängigkeit des Kapazitätsfaktors ausgewählter Pestizide von den entsprechenden Koc-Werten der Pestizide bei verschiedenen Volumenanteilen von Methanol in einem chromatographisch untersuchten Realboden.

206

Page 224: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Wird die Bodensäule mit verschiedenen Mischungsverhältnissen zwischen Wasser und Methanol betrieben, so lässt sich eine signifikante Korrelation zwischen log k’ und log Koc der entsprechen Chemikalien ermitteln (Abbildung 2). Selbst wenn k’w sehr groß wird, kann die Retentionszeit bequem durch größere ϕ verkürzt werden. Im Vergleich zu konventionellen Ansätzen, wie z.B. die Schüttelmethoden zur Bestimmung des Koc, trägt die Methode auch zur Abwendung von Störfaktoren wie Photolyse oder Hydrolyse bei, da sie schneller durchführbar ist. Ferner war für die Auswahl an Pestiziden auf einer C18-Säule keine Korrelation zwischen log Koc und log k’ zu etablieren. Mittels der gefundenen Korrelation zwischen Koc und k’ ist es vergleichsweise einfach, Koc-Werte für eine Vielzahl von Pestiziden zu bestimmen. 3 Literatur

GOSS, K.-U.; SCHRAMM, K.-W. (1991): Determination of effective Diffusion Coefficients for Gaseous and Dissolved Organic Substances in Soil Material using a 'Stopped Elution' Method with HPLC and GC. J. Soil Science 42 , 47-58 GRATWOHL, P., HENSCHLER, D., KLEIN, B., MIEHLICH, G., THOENES, W., WALTHER, B., WILKE, B.M. (1999): Empfehlungen zur Fortentwicklung der Methoden und Verfahren zur Sickerwasserprognose. Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim BMU, 1-11 XU, F.*, LIANG, X.*, LIN, B.*, SU, F.*, SCHRAMM, K.-W., KETTRUP, A. (1999): Soil column chromatography for correlation between capacity factors and soil organic partition coefficients for eight pesticides. Chemosphere 39, 2239-2248

207

Page 225: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Neue Ansätze im Flächenrecycling. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe FIGURA und das Projekt „Bewertungsmatrix“

Schrenk, V., Schlicher, T., B. Barczewski

Universität Stuttgart, VEGAS - Institut für Wasserbau, Pfaffenwaldring 61, 70550 Stuttgart e-mail: [email protected]

Abstract: Since 1998, the project group FIGURA has intensively been working on the topic brownfield redevelopment in Baden-Württemberg. Different research projects are currently underway in order to solve the hindrances and problems associated with site revitalization. One of the projects is dealing with the evaluation of brownfield redevelopment procedures. The gained experiences and results are expected to optimize the redevelopment procedure in terms of economy, ecology and time expenditure. Zusammenfassung: Seit 1998 beschäftigt sich in Baden-Württemberg die Arbeitsgruppe FIGURA mit dem Thema Flächenrecycling. Hierzu werden Forschungsvorhaben mit dem Ziel bearbeitet, die im Kontext mit Revitalisierungsprozessen auftretenden Probleme zu lösen. Ein Vorhaben widmet sich der Auswertung von Flächenrecyclingprojekten in Baden-Württemberg um anhand der Erfahrungen die Vorgehensweise unter ökonomischen, ökologischen und zeitlichen Gesichtspunkten zu optimieren. Keywords: brownfield redevelopment, land consumption, derelict land, soil protection, subsurface remediation Schlagworte: Flächenrecycling, Flächenverbrauch, Gewerbebrachen, Bodenschutz, Altlastensanierung 1 Einleitung

In der Bundesrepublik Deutschland dominiert nach wie vor ein hoher Flächenverbrauch, der in den vergangenen Jahren auf 129 ha pro Jahr angestiegen ist (BBR 2000). Diesem steht eine große Anzahl an brachliegenden, aber nutzbaren Grundstücken - geschätzte 128.000 ha (RÜPKE et al. 2000) - gegen-über. Einen Ausweg aus der momentanen Situation hin zu einer in Raumordnungs- sowie Baugesetz-buch geforderten sparsamen und schonenden Inanspruchnahme von Grund und Boden stellt daher ein konsequentes Flächenmanagement dar, bei dem die Verringerung des Flächenverbrauches durch eine Wiedernutzung von Brachflächen (u. a. Gewerbe-, Militär-, Verkehrsbrachen) eine tragende Rolle einnimmt. Dieser verstärkten Wiedernutzung von Brachen stehen oftmals zahlreiche Probleme entgegen, die der Etablierung von Flächenrecycling als Standardplanungsinstrument entgegen stehen. In den letzten Jahren sind daher zwar zahlreiche Arbeitshilfen und Veröffentlichungen erschienen, aber insbesondere für Baden-Württemberg lagen lange Zeit nur einzelfallbezogene Erfahrungen vor: Umfassendere und zusammenfassende Auswertungen erfolgreicher und gescheiterter Projekte fehlten, ebenso daraus ab-geleitete passende Bewertungsmaßstäbe. 1 2 Initiierung der Arbeitsgruppe FIGURA

208

Page 226: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

Im Sommer 1998 wurde vom Institut für Wasserbau/VEGAS (Versuchseinrichtung zur Grundwasser und Altlastensanierung) der Universität Stuttgart der interdisziplinäre Arbeitskreis FIGURA (Flächen-recycling, Industriebrachen, Grundwasserschutz - Umweltgerechte Revitalisierung von Altstandorten) initiiert. Die Gruppe widmet sich der fachübergreifenden Erarbeitung der Grundlagen in Technik und Planung für ein strukturiertes und konsequentes Flächenrecycling in Baden-Württemberg (JUCKENACK et al. 1999) . Die Forschungsvorhaben werden dabei vom Land Baden-Württemberg im Rahmen des Themenschwerpunktes „Boden- und Flächenressourcenmanagement in Ballungsräumen“ des Forschungsprogramms BWPLUS „Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung“ ge-fördert. Neben FIGURA gibt es in Baden-Württemberg weitere Initiativen und Projekte: An der Uni-versität Hohenheim besteht die „Arbeitsgruppe Böden und Ökologie in Stadtökosystemen“ (AGBÖS), die sich mit den ökologischen Fragestellungen beschäftigt. Außerdem werden zahlreiche Projekte mit direktem kommunalem Bezug der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg zum umwelt-politischen Schwerpunkthema „Flächenressourcenmanagement.“ bearbeitet. Die verschiedenen Grup-pen kooperieren miteinander, um in gegenseitiger Ergänzung möglichst effizient und zeitnah verwert-bare Ergebnisse zu erzielen. 2 3 Die Arbeitsgruppe FIGURA – Struktur, Aufgaben, Ziele Die Gruppe FIGURA umfasst momentan rund 50 Institutionen mit mehr als 80 Personen, die mehr oder weniger aktiv mitarbeiten. Die Teilnehmer besitzen allesamt langjährige Erfahrungen in der Be-arbeitung von Flächenrecyclingprojekten und repräsentieren die gesamte thematische Breite der bei Revitalisierungsprojekten relevanten Schritte bzw. Bausteine (SCHRENK et al. 2001). Die Gruppe ver-steht sich als offenes Gremium und Diskussionsforum. Übergeordnetes Ziel von FIGURA ist es, mög-lichst viele der wesentlichen Hemmnisse für ein konsequentes "Flächenrecycling" in enger Kooperati-on verschiedener Fachdisziplinen zu bearbeiten und durch das Aufzeigen von Lösungsansätzen ein verstärktes Flächenrecycling zu stimulieren. Während sich das konkrete räumliche Augenmerk der Gruppe auf Flächenrecycling und Revitalisie-rungsprojekte explizit in Baden-Württemberg konzentriert, reicht das Interesse an FIGURA mittler-weile bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Durch bundesweite Kontakte fließen Erfahrungen und Ansätze in Diskussionen und Projekte ein, die teilweise in Baden-Württemberg noch nicht vorhanden bzw. kaum bekannt sind. Umgekehrt können die Erfahrungen der Pilotvorhaben in Forschung und Anwendung bundesweit genutzt werden. Somit lässt sich FIGURA als ein umfassendes Netzwerk mit mittlerweile nationaler Reichweite charakterisieren. Seit Ende des Jahres 1999 ist die Gruppe im Internet mit einer eigenen Homepage (http://www.iws.uni-stuttgart.de/Sonstiges/FIGURA/start/frame/index.html) in deutscher und engli-scher Sprache präsent. Die Homepage soll als Informationsquelle und Kontaktforum fungieren, woran möglichst viele Interessenten (u.a. Kommunen, Verbände, Ingenieurbüros) partizipieren. Ziel ist es, die Homepage zu einer umfassenden Informations- und Kommunikationsplattform auszubauen, um über das Medium Internet das punktuell vorhandene landesweite Know-how zum Thema Flächenre-cycling zu bündeln und verschiedenen Nutzern (u. a. Kommunen) sozusagen „per Mausklick“ zugäng-lich zu machen. 3 4 Projekte Aus der Gruppe FIGURA haben sich seit Beginn mehrere Projektideen zu den unterschiedlichen The-menbereichen des Flächenrecyclings entwickelt, die in konkrete Projektanträge umgesetzt wurden. Die

209

Page 227: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

daraus resultierenden Projektbeiträge werden von der Gruppe im Rahmen der Arbeitskreistreffen be-gleitet. Durch regelmäßige Statusberichte der Projektvorhaben wird gewährleistet, dass die Projekte schon während der Bearbeitungszeit die entsprechenden Rückmeldungen und kritische Begleitung durch Vertreter aus der Flächenrecyclingpraxis erhalten. Seit Bestehen der Gruppe wurden vom Projektträger BWPLUS sieben Einzelprojekte zu folgenden Problemkreisen genehmigt: Bewertungsmatrix, Datenbank (Projektkoordination): Entwicklung einer EDV-gestützten Bewer-tungsmatrix und Datenbank zur Ableitung übertragbarer Kriterien für ein systematisiertes Flächenre-cycling in Baden-Württemberg. VEGAS, IWS, Universität Stuttgart Baureifmachung: Innovative Erkundungsmethoden von Schadstoffbelastungen. VEGAS, IWS, Uni-versität Stuttgart Planung, Ausführung: Untersuchungsstrategie und –umfang bei Rückbaumaßnahmen / „Stoffkatalog umweltrelevanter Baustoffe.“ Weber Ingenieure, Pforzheim Kommunikation: Win-Win-Lösungen im Flächenmanagement – Problemtypologien, Eignungspoten-tiale und Akteurskonstellationen in Baden-Württemberg. KOMMA.PLAN, Stuttgart Recht, Finanzierung: Planungssicherheit beim Flächenrecycling – Rechtliche Rahmenbedingungen, Haftungs- und Finanzierungsfragen. Ingenieurgesellschaft Dr. Eisele, Rottenburg Haftung: Haftungsdefizite im Umweltrecht – neue Ansätze (EIGENFINANZIERUNG). Allianz Ver-sicherung, München Marketing: Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart (NBS). Stadt Stuttgart, Universität Karls-ruhe Die Schnittstelle der Forschungsvorhaben bilden bei den meisten Projekten gemeinsame Fallbeispiele (Flächenrecyclingprojekte). Diese Flächen wurden von FIGURA-Mitgliedern (u. a. Ingenieurbüros und Kommunen) zur Verfügung gestellt und durch die Arbeitsgruppe ausgewählt. 5 Projekt „EDV-Tool“: Entwicklung einer EDV-gestützten Bewertungsmatrix und Daten-

bank zur Ableitung handhabbarer Kriterien für ein systematisiertes Flächenrecycling in Baden-Württemberg

Das Ziel des Projektes ist die Entwicklung und der Aufbau einer Datenbank zur Ableitung handhabba-rer Kriterien für ein systematisiertes Flächenrecycling in Baden-Württemberg. Die Datenbank soll mit qualifizierten Informationen zu bereits abgeschlossenen Recyclingprojekten bzw. mit Expertenwissen gefüllt werden, um so punktuell im Lande vorhandenes spezifisches Know-how allgemein zugänglich zu machen. Um die hierzu notwendigen Kriterien zu definieren, die entsprechenden Informationen zu gewinnen und letztendlich in ein EDV-Tool überführen zu können, wurde folgende Vorgehensweise mit drei Schwerpunkten gewählt: • Analoge Informationsgewinnung:

Entwicklung sowohl quantitativ als auch qualitativ unterschiedlicher Kriterienkataloge zum The-ma Flächenrecycling, durch deren Anwendung das Verfügbarmachen von Know-how und Infor-mationen zur Revitalisierung von Brachflächen in Baden-Württemberg ermöglicht wird (durch Befragungen, retrospektive Aufarbeitung von repräsentativen Flächenrecyclingprojekten, Umfra-

210

Page 228: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

gen, Expertengespräche etc.). Umsetzung der Informationen in einer Auswertungsmatrix zur Ab-leitung und Bewertung übertragbarer Kriterien.

• Digitale Informationsverarbeitung: Überführung in eine EDV-basierte Handlungshilfe (Daten-Bank-Management-System (DBMS)) zur Bewertung und Archivierung abgeschlossener Projekte, zur statistischen Auswertung be-stimmter Teilbereiche sowie zur Unterstützung bei künftigen Vorhaben.

• Generierung eines EDV-Tools: Ausbau zu einer netzwerkfähigen Flächenrecycling-Datenbank für Baden-Württemberg zur In-formation, Kommunikation und zum Know-how-Transfer.

4 6 Analoge Informationsgewinnung Zur strukturierten Erfassung relevanter Daten sind auf Basis vorhandener Studien, existierender Hand-lungshilfen und Diskussionen innerhalb der FIGURA-Gruppe drei unterschiedliche Kriterienkataloge entwickelt worden, die der Informationsgewinnung dienen sollen. Alle Kataloge basieren primär auf Multiple-Choice-Eingaben (zur Bewertung der Kriterien) kombiniert mit kurzen Freitexteingaben: • Kurz-Kriterienkatalog: Dieser dient der Erfassung grundsätzlicher Erfahrungen möglichst vieler

Kommunen des Landes im Umgang mit Flächenrecycling - resp. Flächenmanagement durch rund 15 allgemeine Fragen. Er soll eine Einschätzung der Rahmenbedingungen bezüglich Flächenre-cycling in Baden-Württemberg sowie statistische Auswertungen ermöglichen.

• Interview-Kriterienkatalog: Er wird zur strukturierten Fragestellung und Erfassung grundsätzli-cher und projektbezogener Erkenntnisse bei kommunalen Sachbearbeitern eingesetzt. Die 80 Fra-gen umfassen alle relevanten Schritte der Revitalisierung von Brachflächen einschließlich der As-pekte Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Der Katalog soll die Möglichkeit von statistischen Auswertungen vorhalten, aber auch detaillierteres Know-how zu den verschiedenen Teilbereichen des Flächenrecyclings liefern. Er soll in 50- 80 Kommunen zum Einsatz kommen.

• Projekt-Kriterienkatalog: 120 Fragen dienen der Charakterisierung ausgewählter Referenz-Fallbeispiele mit sehr hoher Detailgenauigkeit. Dadurch sollen individuelle Problemstellungen, Lösungsansätze und Maßnahmenbausteine erfasst und dokumentiert werden.

Der Kurz-Kriterienkatalog ist erstellt und wird ab Herbst 2001 in Form einer Umfrage eingesetzt. Die bisher geführten Vor-Ort-Gespräche auf der Basis des Interview-Kriterienkataloges zeigen, dass dies die einzige handhabbare Methode zu sein scheint, um Kenntnisse und Erfahrungen von kommunalen Sachbearbeitern im Umgang mit Flächenrecycling zu ermitteln. Die ausgewählten Fallbeispiele sind gesichtet und geeignet erscheinende Projekte teilweise mit Hilfe des Projekt-Kriterienkataloges umfassend ausgewertet worden. Bei einigen Projekten sind dabei mit einem Umweltbilanzierungsprogramm (LFU 1999) die durch die Altlastensanierung verursachten se-kundären Umweltauswirkungen untersucht und Alternativszenarien simuliert worden. Hierbei hat sich bei den bilanzierten Projekten gezeigt, dass insbesondere die in Zusammenhang mit den Sanierungen stehenden Transportvorgänge negative Umweltauswirkungen besitzen. Durch die in jedem der Kataloge enthaltenen Bewertungsmodule sowie einem jeweiligen Gesamtran-king ist die Bewertung und Gewichtung der einzelnen im Vorfeld ermittelten Kriterien möglich und kann so künftig die Prioritätensetzung innerhalb des Flächenrecyclingprozesses unterstützen. Die Datenbank wird durch ein Flächenrecycling-Lexikon ergänzt. Das Lexikon soll die in verschiede-nen Fachdisziplinen verwendeten Fachtermini erklären, um Kommunikationsdefizite, z. B. aufgrund

211

Page 229: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

des unterschiedlichen Verständnisses eines Begriffes, zu vermeiden. Das Lexikon soll u.a. auch In-formationen zu den verschiedenen Modulen (z.B. rechtliche Grundlagen, Definitionen, Maßnahmen-bausteine) sowie Hinweise, Verweise und Quellenangaben enthalten. 5 7 Digitale Informationsverarbeitung Für eine entsprechende Handhabung der gewonnenen Informationen sind die Kriterienkataloge zum größten Teil in ein Datenbankmanagementsystem mit bedienerfreundlicher und ansprechender Benut-zeroberfläche auf Basis des Microsoft-Programms Access® überführt worden. Damit soll die digitale Erfassung der eruierten Daten sowie die Bewertung und Gewichtung der Kriterien ermöglicht werden. Ebenso werden die Erkenntnisse der Experten-Interviews darin aufgenommen und durch die allgemei-neren Informationen des „Flächenrecycling-Lexikons“ komplettiert, die ebenfalls spezifisch abgefragt werden können. 8 Ausblick - Generierung eines EDV-Tools Nachdem sowohl die Kriterien als auch die gewonnene Erkenntnisse in ein DBMS überführt worden sein werden, muss dieses System so weiterentwickelt werden, dass der Anwender die Datenmenge individuell und benutzerspezifisch handhaben, d.h. Statistiken abrufen, nach bestimmten Inhalten su-chen, Informationen filtern und Simulationen starten kann. Dieses in der Konzeptionsphase befindli-che EDV-Tool wird dabei in verschiedene Module unterteilt, u. a.: • Eine Übersicht zum Thema „Revitalisierung von Brachflächen“ soll als Einführung in kurzer

prägnanter Form strukturiert die Zusammenhänge der einzelnen Module des Flächenrecyclings vi-sualisieren und so den Gesamtprozess verdeutlichen helfen.

• Zu den Ergebnissen des Kurzkriterien-Kataloges (Umfrage), dem allgemeineren Teil des Inter-view-Kriterienkataloges sowie den Bewertungen der Einzelkriterien werden vordefinierte statisti-sche Auswertungen zum Abruf angeboten.

• Durch eine Art „Baukastensystem“ kann sich der Anwender einen individuellen Aufnahmekatalog erstellen, um eigene Flächenrecyclingprojekte zu archivieren. Dies ist insbesondere für Kommunen interessant, da bei Flächenrecyclingprojekten i.d.R. keine umfassenden bzw. Abschlussdokumenta-tionen erstellt werden und damit das erarbeitete Know-how lediglich bei den entsprechenden Sach-bearbeitern „im Kopf“ erhalten bleibt. Die bisherigen Arbeiten haben aufgezeigt, dass in Kommu-nen die Daten zu abgeschlossen Flächenrecyclingprojekten in zahlreichen verschiedenen Ämtern vorliegen und oftmals unklar ist, welche Daten vorhanden und wo verfügbar sind. Das Modul stellt daher auch eine Möglichkeit dar, relevante Informationen schnell und mit geringem Aufwand zu archivieren, damit das erarbeitete Wissen zu speichern und mittels der EDV gezielt auswertbar und in der Kommune allgemein zugänglich zu machen.

Dieses Datenbank-Managementsystem soll im Frühjahr 2002 netzwerkfähig im Sinne eines dynami-schen Systems ausgestaltet werden. Als Zugang dazu wird die bestehende FIGURA-Homepage die-nen, die durch Datenbank und geplante Erweiterungen zu einer Informations- und Kommunikations-plattform ausgebaut werden soll. Die Zugriffsrechte sind dabei noch in Abstimmung mit den beteilig-ten Kommunen und Partnern zu regeln. Durch die Netzwerkfähigkeit kann der Datenpool dezentral weiterentwickelt bzw. aktualisiert werden, wobei jedoch redundante Datenhaltungen bzw. das Auftre-

212

Page 230: Umsetzung der Bodenschutzgesetze und Flächenressourcen ... · 2 der Gemeinschaftsinitiative Interreg III finanziell zu unterstützen. Ich bedanke mich hierfür sehr herzlich. Ein

ten von aufgrund der Aktualität her unterschiedlicher Versionen durch das zentrale Vorhalten des Tools vermieden werden. Letztendlich stellt das Tool ein „Angebot“ dar, gezielt und benutzerspezifisch auf Informationen zu Flächenrecycling in Baden-Württemberg aus Theorie und Praxis zugreifen zu können und die ver-schiedenen „Stakeholder“ des Flächenrecyclings durch direkte und spontane Kommunikations-möglichkeiten näher zusammenzubringen. 9 Literaturverzeichnis BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG (2001): Jahresergebnisse Siedlungsflächenent-wicklung. Der Flächenverbrauch in Deutschland hat sich intensiviert. – http://www.bbr.bund.de/abt1/i5/zunahme.htm. JUCKENACK, CH. C., BARCZEWSKI, B. & SCHRENK, V. (1999): Flächenrecycling und Flächenmanage-ment in Ballungsräumen. Ein Ansatz zur Strukturierung: der Projektverbund „FIGURA“ in Baden-Württemberg. TerraTech 5/1999: 50-53. LFU-LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (1999): Umweltbilanzierung von Altlastensanierungsverfahren. CD-ROM Version 1.0 Rev.16., Karlsruhe. RÜPKE, A., BURMEIER, H. & DOETSCH, P. (2000): Boden-Wert-Bilanz: Eine neue kommunale Pla-nungsgrundlage für das Flächenrecycling. – altlastenspektum 1/2000: 11-18. SCHRENK, V., SCHLICHER T., BARCZEWSKI, B. & JUCKENACK CH. C. (2001): Entwicklung einer EDV-gestützten Bewertungsmatrix und Datenbank zur Ableitung übertragbarer Kriterien für ein systemati-siertes Flächenrecycling in Baden-Württemberg (BWC 99003). Diskussionskreis "Wasser und Boden" (BWPLUS) beim Statusseminar 2001, Internet: http://bwplus.fzk.de. Dank Wir danken dem Land Baden-Württemberg für die Förderung des Projektes im Rahmen des For-schungsprogramms „BWPLUS - Baden-Württemberg Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung“ (Förderkennziffer BWC99003).

213