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16 iz3w Sept / Okt 2009 q 314 historisches Usbekistan oder Kasachstan hat es nie gegeben. Bis zur Erschließung des See- wegs aus Europa nach Indien war die Seiden- straße eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Die Oasen Zentralasiens waren ein wichtiger kultureller Umschlagplatz und ei- nes der Zentren der islamischen Welt. Mit dem Verschwinden der Karawanen erleb- te die Region für eini- ge Jahrhunderte rela- tiven Stillstand. Erst mit der Eroberung der Region durch das Za- renreich – große Teile des heutigen Kasach- stans im Laufe des 18. Jahrhunderts, die süd- lichen Gebiete Zentralasiens bis Ende des 19. Jahrhunderts – kam es über die Anbindung an Russland zu einer Öffnung. Handel und vor allem der Austausch mit den anderen muslimischen Bevölkerungen des Russischen Reiches führten Ende des 19. Jahrhunderts zum Aufkommen einer Modernisierungsbe- wegung. Die feudalstaatlichen Khanate Buchara, Kokand und Khiva, die von den zaristischen Truppen nach und nach erobert wurden, wa- ren nach außen und innen schwach. Die Kha- ne und Emire hatten kaum eigene Macht und waren auf starke regionale Machthaber in den Städten sowie auf Führer nomadischer Stammesverbände angewiesen. Die Grenzen der Khanate waren weder fest noch bestän- dig; sie entsprechen nicht dem heutigen Grenzverlauf. Die Schaffung ethnischer Identitäten t Die Bevölkerung Zentralasiens war sehr heterogen: Die sesshafte Bevölkerung der Oasen entlang der Flüsse Amudarja, Syrdarja Unabhängigkeit von oben Eine vorläufige Bilanz der postsowjetischen System- transformation in Zentralasien von Tobias Kraudzun, Ellen Nötzel, Yulia und Michael Schulte t Der Begriff Zentralasien ist alles andere als eindeutig. In unterschiedlichen Kontexten und Epochen beinhaltet der Begriff auch die chinesischen Provinzen Xinjiang und Tibet, die Mongolei und Nordafghanistan, wäh- rend Kasachstan nicht immer einbezogen wird. Heute werden als Zentralasien zumeist Ka- sachstan, Kirgistan, Tad- schikistan, Turkmenistan und Usbekistan bezeich- net. Diese fünf Länder zeichnen sich durch die gemeinsame Geschichte als russische Kolo- nien und Nachfolgestaaten der Sowjetunion aus. Sie unterscheiden sich darin deutlich von ihren Nachbarregionen. Neben den historisch gewachsenen Ge- meinsamkeiten gibt es jedoch gravierende Unterschiede. Keines der Länder hatte einen Vorgänger im Sinne eines Nationalstaats. Ein t Die historische Wende von 1989 ff. und der Sieges- zug des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesell- schaftsmodells haben nirgendwo größere Auswirkun- gen gehabt als in den Staaten und staatsähnlichen Gebilden, die aus der Sowjetunion hervorgingen. Über Russland und die osteuropäischen Länder ist hierzu- lande inzwischen einiges Wissen verbreitet, und sie durften zu einem erheblichen Teil sogar der EU und der NATO beitreten. Die zentralasiatischen Länder Ka- sachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan sind hingegen auf unserer Mental Map weitgehend eine terra incognita geblieben. Ein Zufall ist das wohl kaum. Zentralasien war die Peripherie des zaristischen Russlands und dann der (Ex-)Sowjetunion. Hier herrschte jahrzehntelang der russische Kolonialismus, und nach der Oktoberrevo- lution wurden der dort lebenden Bevölkerung erneut Gesellschafts- und Politikmodelle aufoktroyiert, die in Russland entstanden waren. Nach dem Systemwech- sel von 1991 waren es dann westliche Vorstellungen von Demokratisierung und Wirtschaftsliberalismus, die eine glorreiche Zukunft versprachen. Es kann kaum verwundern, dass dies weitgehend schief ging. Unser Themenschwerpunkt fragt nach den vielfäl- tigen Problemen, die die diversen Systemwechsel in Zentralasien hervorbrachten, und die massiv die Gegenwart bestimmen. Für die Sowjetunion war Zentralasien ein gigantisches Entwicklungsprojekt Zentralasien 1989 ff.

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historisches Usbekistan oder Kasachstan hates nie gegeben. Bis zur Erschließung des See-wegs aus Europa nach Indien war die Seiden-straße eine der wichtigsten Handelsroutender Welt. Die Oasen Zentralasiens waren einwichtiger kultureller Umschlagplatz und ei-

nes der Zentren derislamischen Welt. Mitdem Verschwindender Karawanen erleb-te die Region für eini-ge Jahrhunderte rela-tiven Stillstand. Erst

mit der Eroberung der Region durch das Za-renreich – große Teile des heutigen Kasach-stans im Laufe des 18. Jahrhunderts, die süd-lichen Gebiete Zentralasiens bis Ende des 19.Jahrhunderts – kam es über die Anbindungan Russland zu einer Öffnung. Handel undvor allem der Austausch mit den anderenmuslimischen Bevölkerungen des Russischen

Reiches führten Ende des 19. Jahrhundertszum Aufkommen einer Modernisierungsbe-wegung.

Die feudalstaatlichen Khanate Buchara,Kokand und Khiva, die von den zaristischenTruppen nach und nach erobert wurden, wa-ren nach außen und innen schwach. Die Kha-ne und Emire hatten kaum eigene Macht undwaren auf starke regionale Machthaber inden Städten sowie auf Führer nomadischerStammesverbände angewiesen. Die Grenzender Khanate waren weder fest noch bestän-dig; sie entsprechen nicht dem heutigenGrenzverlauf.

Die Schaffung ethnischerIdentitäten

t Die Bevölkerung Zentralasiens war sehrheterogen: Die sesshafte Bevölkerung derOasen entlang der Flüsse Amudarja, Syrdarja

Unabhängigkeit von obenEine vorläufige Bilanz der postsowjetischen System-transformation in Zentralasien

von Tobias Kraudzun, E l len Nötze l , Yu l ia und Michae l Schu l te

t Der Begriff Zentralasien ist alles andere alseindeutig. In unterschiedlichen Kontextenund Epochen beinhaltet der Begriff auch diechinesischen Provinzen Xinjiang und Tibet,die Mongolei und Nordafghanistan, wäh-rend Kasachstan nicht immer einbezogenwird. Heute werden alsZentralasien zumeist Ka-sachstan, Kirgistan, Tad-schikistan, Turkmenistanund Usbekistan bezeich-net. Diese fünf Länderzeichnen sich durch diegemeinsame Geschichte als russische Kolo-nien und Nachfolgestaaten der Sowjetunionaus. Sie unterscheiden sich darin deutlich vonihren Nachbarregionen.

Neben den historisch gewachsenen Ge-meinsamkeiten gibt es jedoch gravierendeUnterschiede. Keines der Länder hatte einenVorgänger im Sinne eines Nationalstaats. Ein

t Die historischeWende von 1989 ff. und der Sieges-zug des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesell-schaftsmodells haben nirgendwo größere Auswirkun-gen gehabt als in den Staaten und staatsähnlichenGebilden, die aus der Sowjetunion hervorgingen. ÜberRussland und die osteuropäischen Länder ist hierzu-lande inzwischen einiges Wissen verbreitet, und siedurften zu einem erheblichen Teil sogar der EU und derNATO beitreten. Die zentralasiatischen Länder Ka-sachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan undUsbekistan sind hingegen auf unserer Mental Mapweitgehend eine terra incognita geblieben.

Ein Zufall ist das wohl kaum. Zentralasien war diePeripherie des zaristischen Russlands und dann der(Ex-)Sowjetunion. Hier herrschte jahrzehntelang derrussische Kolonialismus, und nach der Oktoberrevo-lution wurden der dort lebenden Bevölkerung erneutGesellschafts- und Politikmodelle aufoktroyiert, die inRussland entstandenwaren. Nach dem Systemwech-sel von 1991 waren es dann westliche Vorstellungenvon Demokratisierung und Wirtschaftsliberalismus,die eine glorreiche Zukunft versprachen. Es kannkaum verwundern, dass dies weitgehend schief ging.

Unser Themenschwerpunkt fragt nach den vielfäl-tigen Problemen, die die diversen Systemwechsel inZentralasien hervorbrachten, und die massiv dieGegenwart bestimmen.

Für die Sowjetunion warZentralasien ein gigantischesEntwicklungsprojekt

Zentralasien 1989 ff.

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und Serafschan lebte von Landwirtschaftoder ging städtischen Berufen nach. GroßeBevölkerungsteile waren bilingual, verbreitetwaren verschiedene Turksprachen ebensowie Persisch. Hinzu kamen zahlreiche Noma-dengruppen: Die Wüsten im Südwesten wa-ren von turkmenischen Stämmen besiedelt,die weiten flachen Steppen nördlich der Oa-sen und des Tian-Shan-Gebirges von kasachi-schen Gruppen, und in den Hochgebirgenzüchteten kirgisische Stämme Vieh. Die Iden-tität der Nomaden war tribal geprägt. Diesesshafte Bevölkerung identifizierte sich überihren Wohnort, nationale oder ethnischeIdentitäten gab es kaum. Die wesentlicheüberregionale Identität all dieser Gruppenwar die als Muslime Zentralasiens.

Die von den russischen Eroberern ent-sandten Ethnologen versuchten, die Bevölke-rung Zentralasiens nach ihren mitgebrachtenethnischen Kriterien zu kategorisieren undschufen so erstmals einen Ansatz für eineethnische Einteilung der Bevölkerung.Gleichzeitig orientierten lokale Reformer, dieihre Region als extrem rückständig empfan-den, ihre Modernisierungsbestrebungen aneuropäischen und türkischen Nationalisten,wodurch auch von dieser Seite der Nations-begriff nach Zentralasien kam.

Nach der Oktoberrevolution bemühtensich die Bolschewiki um eine begrenzte De-

kolonialisierung, auch wenn sie Zentralasiendurchaus nicht hergeben wollten. Die Politikder korenizacija (russ.: Indigenisierung) sahvor, die Macht zur Schaffung des homo sovie-ticus nach und nach in die Hände einer eth-nisch definierten lokalen Bevölkerung zuübergeben. Auch aus Angst vor einem Pan-turkismus der Muslime Zentralasiens und derTataren wurde die Region 1924 aufgeteilt. Bis1936 wurden die heutigen Staaten als So-wjetrepubliken mit Unionsstatus etabliert.Die kasachischen, kirgisischen und turkmeni-schen Stammesverbände bekamen jeweils ei-ne Republik zugeordnet. Diesesshafte turksprachige Bevöl-kerung wurde unter dem Eth-nonym Usbeken, die persisch-sprachige als Tadschiken zu-sammengefasst.

Der Prozess der Staatsbil-dung war angesichts der Heterogenität derBevölkerung und der historischen Migrationextrem schwierig und in jahrelanger Arbeitentsprechender Kommissionen vorbereitetworden. So entstand eine Grenzziehung amReißbrett, bei der z.B. die beiden wichtigstenZentren persischer Kultur, Buchara und Sa-markand, der Usbekischen SSR zugeschlagenwurden. Die zahlreichen, untereinander ver-ständlichen Dialekte der Turksprache wurdenzu den vier Nationalsprachen Kasachisch, Kir-gisisch, Turkmenisch und Usbekisch ausdiffe-renziert. Die gemeinsame Schriftsprache allerTurkdialekte, Turki, wurde damit obsolet.

Mit den nationalen Institutionen und Eli-ten in den Sowjetrepubliken wurden auchdie neu geschaffenen nationalen Identitätenmehr und mehr gefestigt. Die HistorikerIn-nen der fünf Republiken konkurrierten umdie Geschichte der Region. Ganz im Sinne dersowjetischen Nationalitätenideologie, in derdasjenige Volk das größte sei, das die längsteGeschichte aufweist, wurden die neuen Eth-nien um tausende Jahre zurückprojiziert. DerKampf darum, wer sich welche Herrscherdy-nastie und welchen Führer für die eigeneglorreiche Geschichte aneignen darf, tobtnoch heute zwischen den HistorikerInnen.Diese nationalen Narrative sind zudem einwichtiges Legitimationsinstrument der auto-kratischen Regimes.

Vom Zerfall bedroht

t Die Politik der korenizacija hatte dazu ge-führt, dass seit den 1960er Jahren in allen Re-publiken die Mehrheit der Parteiführung inder Hand der jeweiligen Titularnation lag. Dielokalen Kader verteilten die Ressourcen ausMoskau in ihren jeweiligen Republiken und

verfügten über entsprechend große Macht.Insbesondere die Führung der UsbekischenSSR, die in den 80er Jahren mit massiven Kor-ruptionsermittlungen aus Moskau konfron-tiert war, war aber immer weniger bereit,Macht und Wohlstand mit Moskau zu teilen.Sie nutzte die Schwäche der Moskauer Zen-trale während der Perestroika, um deren Ein-fluss zurückzudrängen und jegliche Locke-rungen zu verhindern. Die Unabhängigkeits-bestrebungen kamen in Zentralasien zu ei-nem großen Teil von oben und basiertennicht wie in den anderen Sowjetrepubliken

auf breiten gesell-schaftlichen Bewe-gungen.

Der Zusammen-bruch der Sowjetu-nion und die staatli-che Unabhängigkeit

stürzten die fünf zentralasiatischen Staaten indie ökonomische Katastrophe. Für die SU warZentralasien ein gigantisches Entwicklungs-projekt, es wurde massiv in die Infrastrukturund die Verbesserung der Lebensbedingun-gen investiert. Ohne die Mittel aus Moskauaber fehlte den Staaten eine wichtige Ein-nahmequelle. Noch gravierender wog, dassdie Republiken ökonomisch und industriellTeil der sowjetischen arbeitsteiligen Produk-tion waren, in der fast alle industriellen Pro-duktionsprozesse über verschiedene Republi-ken verteilt waren. Ohne die sowjetischeFlugzeugproduktion war die Flugzeugteilefa-brik in den Bergen Kirgistans ihre Lieferantenund Abnehmer los, und so erging es vielenzentralasiatischen Industriebetrieben. Es be-gann eine Zeit von Absturz, Hyperinflationund Deindustrialisierung, von der sich die Re-gion bis heute nicht erholt hat.

Zwanzig Jahre nach Ende der SU ist – bisauf die punktuell mit westlicher Hilfe erneu-erte Infrastruktur – vieles vom Zerfall bedroht.Straßen, Kraftwerke, Stromnetze und Was-serversorgung sind marode. Die Gesund-heitssysteme sind in erbärmlichem Zustand,behandelt wird nur, wer zahlt. Die Regierun-gen der fünf Republiken sind unwillig und un-fähig zur Kooperation, so dass selbst regiona-le Wirtschaftsbeziehungen zusammengebro-chen sind. Die Ränder des Ferganabeckensetwa, einer eng verflochtenen, dicht besie-delten Region im Herzen Zentralasiens, gehö-ren zu Kirgistan, das Zentrum zu Usbekistanund der Ausgang zu Tadschikistan. Usbekis-tan hat jedoch die Grenzen immer weiter ge-schlossen, so dass selbst der Besuch von Ver-wandten ein paar Kilometer weiter oder derBasarbesuch kompliziert oder unmöglichsind. t Fortsetzung auf Seite 20

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Usbekistan:Eine zutiefst eingeschüchterte Bevölkerung

t In Usbekistan vollzog sich der Machtwechsel nach der Unabhängigkeit 1991problemlos, als sich Islam Karimov mit überwältigender Mehrheit zum Staatsprä-sidenten wählen ließ. Doch schon 1992 wurde er im Ferganabecken mit den po-litischen Forderungen eines nach jahrzehntelanger Unterdrückung wiederer-wachten Islam konfrontiert. Dies bestärkte Karimov in einer beispiellos repressi-ven Politik gegenüber dem politischen Islam. Der Religiosität in den Regionenihrer größten Verbreitung hat das keinen Abbruch getan, aber eine kritische Zi-vilgesellschaft ist heute weitgehend zurückgedrängt. Der Vorwurf des islami-schen Extremismus dient der Exekutive zur Ausschaltung politischer Gegner. Diegesellschaftliche Opposition kann nur aus dem Ausland agieren.

Das durch Karimov kurz nach seiner Amtseinführung an den Tag gelegte Ver-ständnis von Souveränität, sich im persönlichen Dialog mit Forderungen seinerpolitischen Gegner im Ferganabecken auseinanderzusetzen, hatte sich 2005 inAndi_an gewandelt, als er Armee und Spezialeinheiten schickte, die ein Blutbadanrichteten und nach einer Verfolgungswelle auch in der gesellschaftlichen Dis-kussion Totenstille hinterließen. Auch wirtschaftlich entschied sich Karimov fastvollständig gegen Liberalisierung. Er versuchte, mit staatlichem Dirigismus undmit Hilfe der Ressourcen- und Infrastrukturausstattung eine Vormachtstellung inZentralasien zu erlangen. Die Abhängigkeit Kirgistans und Tadschikistans von Us-bekistans Gaslieferungen setzte er mehrmals als außenpolitisches Druckmittel ein.

Über drei Viertel des flächenmäßig drittgrößten zentrala-siatischen Staates sind Wüste, die sich agrarisch nur in den Be-wässerungsoasen entlang der Flüsse nutzen lässt. Der Anteilvon Gebirgen ist gering, ein Viertel der zahlenmäßig größtenBevölkerung Zentralasiens lebt auf nur 4 % der Landesflächeim Ferganatal, einem von wasserreichen Gebirgszügen um-gebenen Becken. Einst war die Region das ‘Gewächshaus derSowjetunion’, bis heute versorgt das Ferganabecken die rus-sischen Städte mit Obst und Gemüse. Aber der wichtigste Rohstoff sowohl fürdie zaristisch-russische, als auch die sowjetische Industrie war die Baumwolle. Diebestehenden Vorkommen an Erdöl und Erdgas decken neben dem eigenen Be-darf den von Kirgistan und Tadschikistan. Neu lokalisierte Reserven werdenhauptsächlich durch joint ventures mit russischen und chinesischen Firmen aus-gebeutet.

Usbekistan ist wirtschaftlich weitgehend selbstständig, die positive Außen-handelsbilanz wird jedoch größtenteils von Rohstoffexporten getragen. Die da-durch bedingte Abhängigkeit vom Weltmarkt birgt Risiken. Trotz des Potentialsder usbekischen Wirtschaft mit einem hohen Industrialisierungsgrad seit sowjet-ischer Zeit ist deren Anpassungsfähigkeit infolge des staatlichen Dirigismus be-schränkt. Karimov hat das erkannt und ist bestrebt, die Wirtschaft zu erneuern.Er steht aber vor dem Problem, dass er Entscheidungsfreudigkeit und Risikober-eitschaft von einer zutiefst eingeschüchterten Bevölkerung nicht erwarten kann,eine Öffnung der Gesellschaft aber nicht zulassen will.

Turkmenistan:Beispielloser Personenkult des Turkmenbashi

t Nach der Unabhängigkeit wurde auch Turkmenistan zu einer säkularen Präsi-dialrepublik. Nach einer Zeit relativer Toleranz für seine russophilen Mitstreiter aussowjetischer Zeit drängte Präsident Saparmurad Nijazov ab Mitte der 1990er Jah-re alle potentiellen Konkurrenten aus dem Machtapparat, ersetzte sie mit uner-fahrenen Beamten und inthronisierte sich zunehmend als ‚Turkmenbashi’ (‚Hauptder Turkmenen’). Diese Entwicklung mündete in einem beispiellosen Personen-kult, abgesichert durch einen repressiven Machtapparat mit Geheimdienst undPolizei. Wie in Usbekistan sind zivilgesellschaftliche Aktivitäten gelähmt. Nach Ni-jazovs unerwartetem Tod im Dezember 2006 beerbte ihn Gurbanguly Berdimu-hamedov, der die Absurditäten des Personenkults zwar nicht weiter beförderte,aber auch Hoffnungen auf eine schnelle gesellschaftliche Öffnung nicht erfüllte.

Menschen siedeln in dem Wüstenstaat hauptsächlich in den ackerbaulich ge-nutzten Bewässerungsoasen entlang des Amudarja und des Großen Karakum-Kanals sowie im klimatisch gemäßigten Gebirgsvorland im Süden des Landes.Wie in Usbekistan steht die turkmenische Wirtschaft unter staatlicher Kontrolleund profitiert von gewaltigen Reserven fossiler Brennstoffe. Deren Anteil von 83Prozent an den Exporteinnahmen resultiert in hoher Abhängigkeit von den Welt-marktpreisen. Diese ist momentan noch überlagert von der Preispolitik des rus-sischen Staatsmonopolisten Gazprom, der sich vertraglich fast die gesamten För-derkapazitäten Turkmenistans zu günstigen Preisen gesichert hat, aber nur beiBedarf abnimmt. Doch Pipelines nach China und in den Iran sind im Bau. Kurzvor der Realisierung steht auch das ‘Nabucco’-Projekt (siehe Seite 28).

Die Auswüchse der selbstherrlichen Entwicklungspolitik Nijazovs sind grotesk:während Ressourcen wie Erdgas für die Bevölkerung kostenlos sind, werden an-dere Güter wie die Gesundheitsversorgung durch Schließung vieler Krankenhäu-ser im ländlichen Raum künstlich verknappt. Bildung wurde mit der Verkürzungvon Ausbildungszeiten in Schule und Universität sowie dem Pflichtstudium vonNijazovs angeblich selbst verfassten Erbauungsepos »Ruhnama« zur Farce. Trotzder durch die Erdgaseinnahmen üppigen Staatsfinanzen kommt bei der Bevöl-kerung kaum etwas an. Ein Großteil wird für pompöse, dem ‚Turkmenbashi’ ge-widmete Bauprojekte in der Hauptstadt Aschgabad ausgegeben.

Kasachstan: Reichtum nur für wenige

t Kasachstan sagte sich als eine der letzten Republiken von der Sowjetunionlos, denn 1991 fehlte eine Nationalbewegung. Bereits vor der kasachischen Un-abhängigkeit wurde in der Sowjetrepublik ein Präsidentenamt geschaffen, dasseitdem der heute noch amtierende Nursultan Nazarbaev bekleidet. In den er-sten Jahren der Unabhängigkeit entwickelte sich zunächst eine bunte Parteien-landschaft, die in der Bevölkerung jedoch wenig Rückhalt hatte. Mitte der1990er Jahre wurden die Parteien durch strenge Registrierungsvorschriften stark

reglementiert und viele VertreterInnen von Oppositionspar-teien juristisch verfolgt.

Kasachstan ist etwa so groß wie Westeuropa und damit dergrößte zentralasiatische Staat. Flache und hügelige Steppendominieren im Land. Vor allem die Ebenen im Süden sind vonWasserknappheit betroffen. Die Bevölkerung ist vergleichs-weise heterogen. In der sowjetischen Zeit waren die mittler-

weile 60 Prozent Kasachen noch in der Minderheit. Der Anteil der RussInnen,die im Rahmen sowjetischer Entwicklungstransfers ins Land kamen, ist durchRückwanderung auf ein Viertel geschrumpft. Die Angehörigen zahlreicher Min-derheiten (15 Prozent) wurden größtenteils während des Stalinismus zwangs-weise in Kasachstan angesiedelt.

Kasachstan ist eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Im und um dasKaspische Meer finden sich riesige, nur in Teilen ausgebeutete Erdöl- und Erd-gasvorkommen. In der Region des fast ausgetrockneten Aralsees wird ähnlichesvermutet. Nach Auf- und Abwärtsbewegungen in den 90er Jahren profitierte diekasachische Wirtschaft seit der Jahrtausendwende vom Boom im Energiesektor.Durch die momentane Krise wurde er jäh unterbrochen. Die staatliche Wirt-schaftspolitik versucht der einseitigen Ausrichtung der Wirtschaftsstruktur aufEnergieexporte durch Förderung des verarbeitenden Gewerbes zu begegnen.Immerhin beträgt der Anteil verarbeiteter Güter am Export 16 Prozent. Die wirt-schaftliche Entwicklung ermöglichte einige finanzielle Erleichterungen für dieBevölkerung, wie etwa Steuersenkungen. Doch während in der Hauptstadt eingroßer Teil der Staatseinnahmen für Prestigebauten ausgegeben wird und in denWirtschaftszentren der Reichtum funkelt, hat sich in vielen ländlichen Regionenkaum etwas geändert.

Kirgistan: Enttäuschung nach dem Umsturz

t Kirgistan wird oft als liberalstes und demokratischstes Land Zentralasiens be-schrieben. Das liegt vor allem daran, dass der erste Präsident Kirgistans, AskarAkaev, nach der Ausrufung der Unabhängigkeit eine Politik der Demokratisierungund der Liberalisierung der Märkte verkündete und so internationale Hilfe insLand holte. Aufgrund der in verhältnismäßig kurzer Zeit umgesetzten marktwirt-schaftlichen Reformen erwarb sich das Land den Ruf des Musterschülers der Welt-bank. In der Praxis dagegen blieb es in vielen Bereichen bei der Ankündigung vonDemokratisierung. Wie in anderen zentralasiatischen Staaten zerfiel mit der Zeitdie sowjetische Infrastruktur und soziale und ökonomische Probleme wuchsen.

Die Bevölkerung war zusehends enttäuscht von der Politik des Präsidenten,der seine Versprechungen nicht einhalten konnte, in den letzten Jahren seinerAmtszeit immer autoritärer wurde und sich vor allem um seinen Machterhaltkümmerte. Ihren Höhepunkt erreichte die Unzufriedenheit bei den Parlaments-wahlen im Februar 2005, bei denen es besonders viele Fälschungen gab. ImMärz 2005 kam es in der Folge zu einem friedlichen Umsturz, bei dem Akaevsamt seiner Familie das Land verlassen musste. An seine Stelle trat einer der da-maligen Führer der Oppositionsbewegung, Kurmanbek Bakiev, der seitdem imAmt ist. Seine Amtszeit gilt als Periode der »Abkehr von demokratischen Wer-ten« hin zu einem institutionalisierten Autoritarismus – trotz aller Versprechenvon Bakiev und seinen Mitstreitern, das Land solle demokratisiert werden.

Kasachstan ist einesder rohstoffreichstenLänder der Erde

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Menschen versuchten sich als Binnenflüchtlinge in Sicherheit zu bringen oderflohen außer Landes, vor allem nach Afghanistan. Die Wirtschaft schrumpftevergleichsweise stark um 60 Prozent.

Fast die gesamte Geschichte des postsowjetischen Tadschikistans ist verbun-den mit einem Namen: Präsident Emomali Rachmon(ov). Zunächst Direktor ei-ner Staatsfarm, wurde er 1992 zum Vertreter der Provinz Kuljab ernannt, um kur-

ze Zeit später in den Wirren des Bürgerkriegs in die Haupt-stadt Duschanbe und das höchste Amt Tadschikistans ge-spült zu werden. Hier versuchte er, ein Land im Krieg zuverwalten, bis im Friedensvertrag 1997 die Beteiligung derVereinigten Tadschikischen Opposition (einer heterogenenZusammensetzung von demokratischen Kräften bis hin zur»Partei der islamischen Wiedergeburt«) zu einem Drittel ander Regierung garantiert wurde. Obwohl versucht wurde,

Warlords durch Integrierung in die Sicherheitsorgane zu neutralisieren, gibt esimmer wieder bewaffneten Widerstand gegen die Staatsmacht, wie die Ereig-nisse im Tavildaratal, der ehemaligen Hochburg der Opposition, illustrieren.Rachmon konnte seitdem seine Machtbasis immer weiter ausbauen, die Oppo-sitionsparteien sind zerstritten und spielen kaum noch eine Rolle. Diese Ent-wicklung führt in Verbindung mit einem zunehmend autokratisch regierendenPräsidenten zur Einschränkung demokratischer Freiheiten.

Tadschikistan ist ein Gebirgsland, der gesamte Osten wird vom Pamir, demhöchsten Gebirge der ehemaligen Sowjetunion, eingenommen. Die Bevölkerungsiedelt hauptsächlich im hügeligen Gebirgsvorland, der Amudarja-Ebene unddem Ferganabecken.

Die periphere Lage bremste sowjetische Industrialisierungsbestrebungen,was sich in der Wirtschaftsstruktur widerspiegelt. Schon zur Sowjetzeit das so-zio-ökonomische Schlusslicht und nach dem Bürgerkrieg von noch niedrigeremNiveau ausgehend, konnte die Wirtschaft in den letzten Jahren jedoch zu denzentralasiatischen Nachbarn aufholen. Diese Entwicklung ist jetzt unterbrochen,denn mit der globalen Krise sind die Preise für Rohstoffe im freien Fall.

Arm sind je nach Definition bis zu vier Fünftel der Bevölkerung, mit leichtenVerbesserungen seit der Jahrtausendwende. Angesichts der Infrastruktur- undRessourcenausstattung des Landes wird sich mittelfristig daran nicht viel ändern.Wie auch in Kirgistan entzieht sich ein großer Teil der männlichen Bevölkerungdiesem Schicksal und arbeitet in Russland und Kasachstan. Der Anteil der Rück-überweisungen ist hoch (geschätzte 37 Prozent des BIP).

Seit 2005 leidet das Land unter politischer Instabilität, zahlreichen Brücheninnerhalb der ehemaligen Opposition und einer ganzen Reihe großer Demon-strationen. Politische Entscheidungen wurden noch undurchsichtiger, die Kor-ruption wächst weiter, und es kommt vermehrt zu Verfolgungen von Menschen-rechtlerInnen und JournalistInnen, wenn diese die Regierung kritisieren. Auch diesoziale und wirtschaftliche Lage hat sich verschlechtert: Die Inflation ist massiv,und viele MigrantInnen ziehen auf der Suche nach Arbeit undbesserer Bezahlung in die urbanen Zentren oder nach Kasach-stan und Russland. Selbst offizielle Zahlen sprechen von einerArbeitslosenquote von 18 Prozent im Jahr 2008.

Als rohstoffarmes Land konnte Kirgistan den Wegfall so-wjetischer Subventionen noch schlechter kompensieren underlebte einen tiefen Absturz durch die Stilllegung großer Tei-le der Industrie, und die massenhafte Abwanderung qualifi-zierter Arbeitskräfte. Wichtigste Exportgüter des agrarisch geprägten Lands sindGold und in kleinem Umfang Baumwolle und Tabak sowie Hydroenergie. DieLandwirtschaft ist zwar in der Lage, einen großen Teil des Nahrungsmittelbedarfszu decken, doch leidet sie wie andere Branchen unter dem Fachkräftemangelund ausgebliebenen staatlichen Reformen.

Eine gezielte Politik zur Entwicklung des Landes gibt es nicht, und die Regie-rung hat die Erarbeitung eines gesellschaftlichen Wertekonsenses ebenso wie dieBedürfnisse der Bevölkerung schon lange nicht mehr auf der Agenda. Der Bruchzwischen den Mächtigen und der Bevölkerung ist tief. Insgesamt ist Kirgistanweiterhin ein Land mit einem liberalen Klima, wobei dieser Vorsprung gegenü-ber seinen zentralasiatischen Nachbarn bestätig schmilzt.

Tadschikistan:Bürgerkrieg nach der Unabhängigkeit

t Während sich in den benachbarten Republiken die Systemtransformation re-lativ konfliktfrei vollzog, driftete Tadschikistan in einen verheerenden Bürgerkriegmit ca. 60.000 Toten. Als Ursachen gelten die ethnolinguistische und religiöseBevölkerungsvielfalt, gepaart mit durch Ämterpatronage verschärften regiona-len Identitäten genannt. Nicht zu vernachlässigen sind auslösende Momente wiedie externe militärische Unterstützung von Konfliktparteien. Etwa eine Million

Der Bruch zwischenden Mächtigen und derBevölkerung ist tief

KASACHSTAN

TURKMENISTAN

RUSSLAND

IRAN

CHINA

USBEKISTAN

TADSCHIKISTAN

KIRGISTAN

AFGHANISTAN PAKISTAN

Karte: © T. Kraudzun 2009, Quelle: VMAPO, SRTM

bekommen und sich von jeder Tat freikaufenzu können oder für jede Amtsleistung Geldnehmen zu können. Dies wird ganz offen undohne Scham eingefordert, und wer nicht mit-machen will, hat gute Chancen, schikaniertzu werden.

Literatur

– Everett-Heath, Tom (2003): Central Asia. Aspectsof Transition. London, New York: RoutledgeCurzon.

– Heinritz, Katrin (2007): »Defekte Demokratisie-rung« – ein Weg zur Diktatur? Turkmenistan unddie Republik Sacha (Jakutien) in der RussischenFöderation nach dem Ende der Sowjetunion.Studien des Instituts für Ostrecht München 58

– Herbers, Hiltrud (2006): Postsowjetische Trans-formation in Tadschikistan: die Handlungsmachtder Akteure im Kontext von Landreform und Exis-tenzsicherung. Erlangen.

– International Crisis Group (2009): Tajikistan: onthe road to failure. ICG Asia Report 162

– International Crisis Group (2003): Youth in Cen-tral Asia: Losing the New Generation. ICG AsiaReport No. 66

– Rumer, Boris, ed. (2005): Central Asia at the endof the transition. Armonk, NY [u.a.]: Sharpe.

– Khalid, Adeeb (2007): Islam after communism.Religion and politics in Central Asia. BerkeleyCalif.: Univ. of California Press

– Sapper, Manfred; Weichsel, Volker; Huterer, An-drea: Machtmosaik Zentralasien, Osteuropa, Heft8-9/2007 (erhältlich bei der Bundeszentrale fürpolitische Bildung)

t Tobias Kraudzun promoviert zu Transfor-mationsprozessen in der Peripherie des post-sowjetischen Tadschikistan. Ellen Nötzel istMedizinerin in Berlin. Yulia Schulte beschäf-tigt sich in ihrer Promotion mit Demokratisie-rungsprozessen in Kirgistan und organisiertmit Michael Schulte beim InternationalenArbeitskreis e.V. (www.politisch-reisen.org)politische Reisen nach Kirgistan.

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Repressionen in den letzten Jahren massiv zu-genommen. Turkmenistan und Usbekistandagegen lassen nicht einmal rudimentäre An-sätze von politischer Kritik zu, während Ka-sachstan mit den Ölmilliarden seiner städti-schen Bevölkerung bis vor kurzem ausrei-chend Wohlstand gewähren konnte, um einegewisse Zufriedenheit herzustellen.

Alle Länder waren Gegenstand westlicherDemokratisierungspolitik. In allen Länderngibt es deshalb formal alle Institutionen einesdemokratischen Staats, Parlamente, Wahlen,Präsidenten, Regierungen, eine unabhängigeJustiz etc. Es blieb jedoch bei Imitationen de-mokratischer Institutionen, die innen nachanderen Prinzipien wie Klientelismus funktio-nieren. Insbesondere Usbekistan und Turk-menistan waren strikt gegen jegliche Demo-kratisierungsbemühungen, während sich Kir-gistan und Kasachstan zunächst offen zeig-ten. In der Realität gibt es jedoch auch indiesen Ländern nur die Imitation demokrati-scher Gesellschaften, die Grundstruktur zeigtsich immer offener autoritär.

Mit Geld geht alles

t Dramatisch ist die Lage im Bildungssys-tem: Zwar hat Bildung noch immer einen ho-hen sozialen Stellenwert, und die Alphabeti-sierungsrate ist dank der sowjetischen Bil-dungspolitik noch immer weit über 95 Pro-zent. Doch insbesondere auf dem Landzerfallen Schulen so sehr, dass viele Eltern inKirgistan ihre Kinder auf kostenlose Koran-schulen oder andere Privatinstitutionen schi-cken. Die Bildungssysteme sind hoffnungslosunterfinanziert, wodurch es nicht nur einenMangel an qualifizierten Lehrkräften an Schu-len wie an Hochschulen gibt. Das Bildungs-system ist durch und durch korrupt: Jede No-te, jeden Abschluss kann man kaufen, unddas entwertet alle Abschlüsse, auch die ehr-lich erworbenen.

Korruption ist in den Gesellschaften tiefverankert und ihr Ausmaß in allen Ländernextrem. Grund ist eine – teils aus der Sowjet-union geerbte – fehlende Transparenz in al-len Belangen öffentlichen Handelns. Inoffi-zielle Zahlungen werden in allen Lebens-bereichen getätigt: für den Arzt, für einenneuen Pass, für Dokumente, auch fürein Gerichtsurteil. Dabei reicht dieKorruption von ganz unten bis andie politische Spitze. Jeder er-wartet, für Geld alles zu

Durch den wirtschaftlichen Einbruch fandensich die leidlich wohlhabenden Sowjetbürge-rInnen Zentralasiens innerhalb weniger Jahrein Gesellschaften mit großer sozialer Un-gleichheit wieder. Viele Menschen beziehensich daher auf die Sowjetunion als eine Zeit,in der vielleicht nicht alles optimal war, in deres ihnen aber zumindest ökonomisch so gutwie nie zuvor und seither nie mehr ging. Heu-te gibt es neben einer winzigen, extrem rei-chen Oberschicht, die vor allem in den Städ-ten wohnt, eine schmale Schicht von Men-schen, die einigermaßen auskömmlich lebenkönnen, und eine große Masse von Armen.Seit dem Zerfall der SU hat Zentralasien meh-rere große Migrationswellen erlebt, in denenzunächst große Teile der slawischen Minder-heiten und Hochqualifizierte ihre Länder vorallem Richtung Russland verließen, währendzurzeit vor allem ungelernte Kräfte Arbeit inRussland und Kasachstan suchen.

Extrem autokratische Politik

t Eine Gemeinsamkeit der fünf Staaten ist,dass sie sich nicht auf eine traditionelleStaatsordnung berufen können. Sie alle sindein Produkt sowjetischer Politik, ihre Elitenstammen ebenso wie die staatlichen Institu-tionen zum großen Teil aus der Sowjetzeit.Diese Eliten haben sich alle für teils extremautokratische Regierungsformen entschie-den. Keines der Länder hat eine geordneteNachfolge für den ersten Präsidenten erlebt.In Usbekistan, Kasachstan und Tadschikistansind die Präsidenten spätestens seit Anfangder 1990er Jahre im Amt. In Turkmenistanwurde nach dem unerwarteten Tod von Sap-armurat Niyazov der bis dahin unbekannteGurbanguly Berdimuhamedov eingesetzt.Die Vertreibung von Kirgistans Präsident As-kar Akaev im März 2005, der bei wütendenProtesten der Bevölkerung von ehemaligenführenden Politikern um Kurmanbek Bakievgestürzt wurde, war für alle Regimes einSchock.

Einzig in Kirgistan gibt es eine nennens-werte Opposition und eine ausgeprägteProtestkultur. Die Opposition setzt sich aber

vorwiegend aus ehemaligen Regie-rungsmitgliedern zusam-

men und stellt kaumeine wirkliche Al-

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