Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos...

27

Transcript of Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos...

Page 1: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte
Page 2: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

Unikat, Index, Quelle

Page 3: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

Deutsches MuseumAbhandlungen und Berichte

Neue Folge, Band 30

Herausgeber: Deutsches MuseumRedaktion: Prof. Dr. Helmuth Trischler, PD Dr. Ulf Hashagen, Rolf Gutmann,

Dorothee Messerschmid-Franzen

Page 4: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

Unikat, Index, QuelleErkundungen zum Negativ

in Fotografie und Film

Herausgegeben von Cornelia Kemp

Page 5: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

4

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Wallstein Verlag, Göttingen 2015

www.wallstein-verlag.deVom Verlag gesetzt aus der Adobe GaramondUmschlag: Linda Reiter, Deutsches Museum,

unter Verwendung eines Glasnegativs von Frank EugeneLithos: SchwabScantechnik

Druck: Memminger MedienCentrum AGISBN (Print) 978-3-8353-1515-0

ISBN (E-Book, pdf ) 978-3-8353-2712-2

Page 6: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

5

Inhalt

Cornelia KempEinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Larry J. SchaafThe Black Magic of Talbot’s Sciagraphy.Extracting Light from the Shadows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Mark OstermanA Photographic Truth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Dorothea Peters»… der allerböseste Punkt«. Die Suche nach dem richtigen Tonwert. . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Dagmar KeultjesDie unsichtbare Maske.Die korrigierende Porträtretusche auf Negativen von 1850-1900 . . . . 84

Marjen SchmidtDie Technik der Manipulation.Die Glasplattennegative von Frank Eugene . . . . . . . . . . . . . . . 101

Rolf Sachsse Das Farbnegativ und die Farbfotografie . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Cornelia KempThe Creation of Beauty.Frank Eugene und die Technik der Kunstfotografie . . . . . . . . . . 134

Floris M. NeusüssDas Fotogramm – ein Negativ ohne Negativ . . . . . . . . . . . . . . 155

Vera Dünkel und Jochen HennigNegativ und negative Bildlichkeit. Prozess- und Sehgewohnheiten in den Frühphasen von Röntgentechnik und Elektronenmikroskopie . 187

Martin KoerberWas gilt das Originalnegativ im Filmarchiv? . . . . . . . . . . . . . . 211

Page 7: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

6

English Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Page 8: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

7

Cornelia Kemp

Einleitung

Mit dem Ende der analogen Fotografie ist auch das Schicksal des Negativs als materieller Speicher der Bildinformation besiegelt, an die Stelle der Fotochemie ist die Auswertung computergenerierter Daten getreten. Angesichts der Tat-sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera-byte Speicherplatz unentgeltlich zur Verfügung stellt, sollte man meinen, dass dieser Verlust nicht weiter zu bedauern ist, erspart er doch den lästigen Umweg über das Labor und steht vor allem, was die Quantität der Bilder angeht, in keinem Verhältnis zu den ehemals rasch belichteten 36 Aufnahmen auf einem Kleinbildfilm. Auch im Hinblick auf die schnelle Verfügbarkeit der Bilder ist dies zweifellos ein Gewinn. Die Leichtigkeit, mit der heute Bilder aufgenom-men, gespeichert und vermittelt werden, hat aber auch zur Folge, dass das Wis-sen über den fotografischen Elementarprozess und all die komplexen Vorgänge bei der Belichtung und Entwicklung immer mehr in Vergessenheit gerät. Es scheint daher an der Zeit, sich aus gehöriger Distanz kritisch mit dem Phäno-men des Negativs zu beschäftigen und es auf seinen Anteil an der Fotografie, seine Bedeutung und seine Leistungen zu befragen.

Die Beiträge dieses Sammelbandes kreisen um das Phänomen des Negativs und setzen sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit seinen konstitu-tiven wie historischen Dimensionen auseinander. Sie basieren auf Vorträgen, die im Frühjahr 2013 am Deutschen Museum auf der Konferenz »Unikat. In-dex. Quelle. Erkundungen zum Negativ in Fotografie und Film« gehalten wur-den. Initiiert wurde diese Tagung durch ein dreijähriges Forschungsprojekt, das einem umfangreichen Bestand von Glasnegativen des deutsch-amerikanischen Kunstfotografen Frank Eugene in den Sammlungen des Deutschen Museums gewidmet war. Nachdem die Ergebnisse dieser Untersuchungen 2012 in der Kabinett-Ausstellung »The Creation of Beauty« der Öffentlichkeit vorgestellt worden waren, ergab sich daraus rasch der Wunsch, die hier gewonnenen Er-kenntnisse in einem breiteren Diskurs über das Negativ in der Fotografie zu verorten. Was lag daher näher, als den Moment, in dem die über 150 Jahre gültige analoge Fotografie besiegelt zu sein scheint und damit auch das Negativ als ursprünglicher Speicher der apparativen Bildinformation seine vertraute und bewährte Funktion verliert, für eine Revision eben dieses Mediums in seinen verschiedenen Ausprägungen zu nutzen?

Page 9: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

8

cornelia kemp

Das Negativ als Modell

Im Bewusstsein der Öffentlichkeit hat das Negativ als Primärquelle des foto-grafischen Bildes von jeher ein eigentümliches Doppelleben geführt: In den Handbüchern eindringlich beschrieben und von Fotografen und Archiven sorgsam verwahrt, wurde ihm in der Fototheorie nur geringe Aufmerksamkeit zuteil. Ob es um ontologische oder konzeptionelle, kulturphilosophische oder soziologische Ansätze geht – der theoretische Diskurs über das Wesen der Foto-grafie blendet die Unterscheidung zwischen Negativ und Positiv weitgehend aus, zwischen dem Moment der Aufnahme und dem fertigen Abzug bleibt eine Leerstelle.1

Wie die Camera obscura der Entdeckung der Lichtempfindlichkeit der Sil-bersalze lange vorausgeht, so steht auch in der Theoriediskussion die Kamera, also der physikalische Teil der Fotografie, an erster Stelle. Das Augenmerk rich-tete sich von Anfang an vorrangig auf die apparative Seite der Fotografie, auf den »mechanischen Charakter«2 der Aufzeichnung. »Fotografisch [zu] denken«, das bedeutete vor allem, »die Kamera im Kopf haben« 3 und damit vor allem die »Eigengesetzlichkeit des Apparates […] mitzudenken«.4

Noch in den 1980er Jahren führte der Philosoph Vilém Flusser dieses ge-dankliche Modell weiter aus, wenn er vom »Fotoapparat« über die »Geste des Fotografierens« den Bogen schlug zur »Fotografie« als »Resultat zugleich der Zusammenarbeit wie des Kampfes zwischen Apparat und Fotograf«.5 Es ver-wundert daher nicht, dass das Negativ in Wolfgang Kemps »Theorie der Foto-grafie«, der einschlägigen Anthologie zu diesem Thema, keinen Eintrag im Sachregister gefunden hat.6

In der jüngeren medientheoretischen Diskussion hat vor allem der von Charles Sanders Peirce eingeführte Begriff des Index eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt, da er die Einschreibung des Lichtes auf der fotografischen Schicht und damit die unmittelbare physikalische Verbindung zwischen Ob-jekt und Zeichen als entscheidendes Prinzip in den Blickpunkt nimmt. Der Prozess der Bildentstehung, wie er im fotografischen Elementarprozess durch die Einwirkung energiereicher Lichtquanten auf die Silberhalogenidkristalle in der Emulsion erfolgt, wird hier als konstitutives Merkmal der Fotografie de-finiert. Bereits 1945 hatte André Bazin in seinen Ausführungen zur Ontologie der Fotografie darauf hingewiesen, dass sich »das fotografierte Objekt zu seinem Modell wie der Finger zu seinem Abdruck« verhalte,7 ein Aspekt, den Max Bense 1958 in bewusster Anspielung auf Peirce mit dem Hinweis aufgriff, »daß im Prinzip zu jedem Punkt der Bildfläche auch ein Punkt außerhalb der Bildfläche gehört«.8 Im Folgenden war es dann vor allem der Begriff der Spur, der nach Susan Sontag die Beziehung zwischen Objekt und Darstellung »wie ein Fußabdruck oder eine Totenmaske«9 bezeichnet oder, wie Rosalind Krauss es formulierte, »kausal mit dem Ding in der Welt, auf das sie referiert, verbun-den ist, wie Fingerabdrücke, Fußstapfen oder Wasserringe, die kalte Gläser auf einem Tisch hinterlassen«.10 In bewusster Abgrenzung zu dieser »Vorstellung der Prägung« hob Joel Snyder allerdings hervor, dass es ja nicht der Gegenstand

Page 10: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

9

einleitung

selbst ist, der eine Spur hinterlässt, sondern das von ihm ausgehende Licht, und die »imaginative Leistung« des Fotografen sowie die »Art, wie wir gesehen ha-ben«, damit nicht genügend berücksichtigt würden.11

Aus diesen Ansätzen, die den Lichtabdruck als epistemologisches Merkmal der Fotografie hervorheben, resultiert auch, dass jede Aufnahme einmalig ist. Die mangelnde Unterscheidung zwischen Negativ und Positiv, wie sie in den Erörterungen über das indexikalische Prinzip zu beobachten ist, verkennt die herausragende Bedeutung, die dem Negativ als dem ersten Empfänger und Speicher der Lichtemanation zukommt. »Dabei vergißt man zu oft, dass diese Reproduzierbarkeit nur zwischen Zeichen operiert. Die Einmaligkeit bezieht sich nicht auf diesen Bezug zwischen Zeichen. Sie bezieht sich auf den Bezug jedes einzelnen von ihnen zum denotierten Objekt. Alle Abzüge werden an-hand ein und desselben Negativs hergestellt, und dieses Negativ, welches das eigentliche Foto ist, bleibt immer ein Unikat: es kann immer nur eines von einem bestimmten Objekt zu einem bestimmten Zeitpunkt geben.«12 Entspre-chend sind die Abzüge vom Negativ »nur Fotos eines Fotos, Metafotos, Bilder zweiter Stufe, die einfach davon zeugen, daß die Fotografie weniger eine Re-produktion als eine Re-Produktion ist«.13

Den Fotografen ist die besondere Bedeutung des Negativs als Unikat von jeher bewusst gewesen, denn es war ihr Reservoir, das nachhaltig Zeugnis ab-legte über die erbrachte Arbeitsleistung, und zugleich der Fundus, aus dem immer wieder geschöpft werden konnte. Dabei bot es als »Halbzeug»14 auch die Chance eines durchaus kreativen Umgangs, der in der Dunkelkammer viel-fältige Varianten der Umsetzung ermöglichte. Für Ansel Adams, der für seine Tonwertkorrekturen berühmt geworden ist und etwa von seiner Aufnahme Moonrise, Hernandez, New Mexico (1941) im Laufe seines Lebens mehr als 800 zum Teil sehr unterschiedliche Abzüge erstellte, entsprachen das Negativ einer Partitur und die Positive der jeweiligen Aufführung.15 Und weil das Negativ, häufig auch nicht einmal entwickelt, von den Fotografen bewahrt wurde, ist es heute oftmals eine ganz ungeahnte Quelle, wie dies zuletzt an den über hun-derttausend posthum entdeckten Negativen des amerikanischen Kindermäd-chens Vivian Maier deutlich geworden ist.16

Genese und Manipulation des Negativs

Die Erfindung der Fotografie ist eng mit dem Negativ verbunden. Alle Versu-che, Abbilder auf lichtempfindlichem Material festzuhalten, wie sie von Johann Heinrich Schulze über Thomas Wedgwood bis zu Nicéphore Niépce angestellt wurden, erzielten Wiedergaben mit vertauschten Licht- und Schatteneffekten. Als es schließlich 1839 gelungen war, die Aufnahmen auch dauerhaft zu fixieren, kam die lange Geburt der Fotografie zu einem ersten Abschluss. Dabei er-weckte die Tatsache, dass sich die Wirklichkeit auf Jacques Mandé Daguerres versilberten und mit Jod sensibilisierten Kupferplatten gleichsam selbsttätig mit hoher Detailgenauigkeit reproduzierte, so große Bewunderung, dass andere

Page 11: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

10

cornelia kemp

nachteilige Faktoren der Wiedergabe wie die starke Spiegelung und das je nach Betrachtungswinkel und Lichteinfall auch in umgekehrten Tonwerten erschei-nende Abbild für die Zeitgenossen nicht ins Gewicht fielen.

William Henry Fox Talbots auf chlorsilberhaltigem Papier gewonnene »Pho-togenic Drawings« waren wie die Daguerreotypie Unikate. Auf Grund der ohne Kolloid in die Papierfaser eingesunkenen Silbersalzlösung waren sie jedoch deutlich weniger detailgetreu als die Daguerreotypien und vor allem waren hier Licht und Schatten im Vergleich mit der Realität vertauscht. Wie Larry Schaaf in seinem Beitrag aufzeigt, war Talbot zunächst mit der Umkehr der Tonwerte in seinen Aufnahmen keineswegs unzufrieden, doch hatte er schon 1835 darüber nachgedacht, seinen »Photogenic or Sciagraphic Process« auch für die Herstel-lung von Abzügen zu nutzen. Als die Daguerreotypie im Januar 1839 bekannt wurde und damit die Priorität der Erfindung zur Diskussion stand, gewann die »Rückübertragung« seiner Aufnahmen für Talbot ganz aktuelle Bedeutung.

Was die Bezeichnung des neuen bildgebenden Verfahrens betrifft, so herrschte zunächst kein Mangel an Vorschlägen und kuriosen Wortschöpfungen.17 Der Begriff »Photographie« war zuerst in der Korrespondenz mit Talbot benutzt worden, John Herschel führte ihn dann am 14. März 1839 bei seiner ersten öf-fentlichen Vorstellung des neuen Verfahrens vor der Royal Society London als »höchst sachgerecht« in die Diskussion ein.18 Und Herschel war es auch, der 1840 Talbots »Re-Transfer Process« durch die Begriffe »Positiv« und »Negativ« ersetzte.19

Die Idee einer wirklichkeitsgetreuen Abbildlichkeit ist seit den Anfängen ein gern benutzter Topos der Fotografie. Durch den bildgebenden Einsatz der Ka-mera und die selbsttätigen Abläufe beim Aufnahmeprozess waren die tech-nischen Rahmenbedingungen gegeben, die eine objektive Wiedergabe der Rea-lität zu gewährleisten schienen. Doch klammert diese Konzentration auf die »mechanische Objektivität«20 den Bereich der Fotochemie mit all ihren Vor-gaben, Einschränkungen und Widrigkeiten aus und ignoriert damit ein weites Feld zusätzlicher Faktoren, die die Fotografie gerade in der Frühzeit in ihrem Erscheinungsbild maßgeblich mitbestimmt haben. In vier Beiträgen, die sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit diesem Themenkreis befassen, wird der Versuch unternommen, einige Pfade in dieses noch immer viel zu wenig erkundete Terrain zu schlagen.

Mark Osterman, der viele historische Praktiken der fotografischen Bild-gebung immer wieder selbst erprobt, spürt in seinem Beitrag den verschiedenen Facetten der »fotografischen Wahrheit« nach. Angesichts der vielfältigen Mani-pulationen, die das Objekt im Prozess seiner technischen Bildwerdung erfährt, erweist sich diese vermeintliche Wahrheit unweigerlich als ein Phantom. An-gefangen von der Übertragung des Raumes in die Fläche, der seitenverkehrten Wiedergabe mit vertauschten Tonwerten und der fehlenden Farbigkeit ist das Negativ als Empfänger des vom Objekt ausgestrahlten Lichtes ein Artefakt, dessen spezifische Wiedergabe ganz entscheidend von der chemischen Auf-bereitung und der weiteren Behandlung des lichtempfindlichen Materials defi-niert wird. Drei Salzpapieraufnahmen von Pflanzen, die auf Grund unter-

Page 12: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

11

einleitung

schiedlicher Fixiermittel eine ganz unterschiedliche Tonalität aufweisen, sind ein schöner Beleg für dieses Argument und illustrieren anschaulich, wie unver-zichtbar die farbige Wiedergabe auch und gerade für die aktuelle Forschung ist, um auch nur annähernd eine Vorstellung von der reichen Tonalität historischer Aufnahmen zu gewinnen.

Der Beitrag von Dorothea Peters ist der Suche nach dem richtigen Tonwert der fotografischen Wiedergabe und damit einem ganz zentralen Problem der Fotografie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert gewidmet. Erneut steht hier die von Alexander von Humboldt so enthusiastisch beschworene »unnach-ahmliche Treue« der Fotografie auf dem Prüfstein. Die Farbenblindheit des fotografischen Materials, die sich vor allem im Bereich des langwelligen Spek-trums, insbesondere im Rot, unangenehm bemerkbar machte, erwies sich, wie Hermann Wilhelm Vogel bereits 1867 festgestellt hatte, als eine zusätzliche »Quelle der Unwahrheit« und damit als ein schwerwiegendes Handicap, das nicht nur in der Porträtfotografie, sondern auch in der Kunstreproduktion zu verfälschenden Wiedergaben führte. Eine Lösung ergab sich durch den Zusatz von Pigmenten, die der fotografischen Emulsion als optische Sensibilisatoren beigefügt wurden. Die Entdeckung und Nutzung dieser Zusätze war in den verschiedenen Betrieben ein gut gehütetes Geheimnis und zugleich ein Anreiz für die Konkurrenten, die Verfahren zu entschlüsseln und Prioritätsansprüche geltend zu machen.

Mit den gezielten Eingriffen in das belichtete Negativ eröffnet sich ein ganz anderer Aspekt der Manipulation, der nur mehr indirekt mit der Beschaffen-heit der lichtempfindlichen Substanz zu tun hat. In ihrem Beitrag über die Porträtretusche fächert Dagmar Keultjes das weite Spektrum der empfohlenen Maßnahmen auf, die vom Ausgleich der durch die Farbenblindheit der Emul-sion bedingten Fehler bis hin zu einer stilisierenden Überhöhung des Gesichts-ausdrucks reichen, wobei häufig auch noch das Studium der Mimik und Physiognomik eingefordert wird. Durch die Retusche, die bewusste »Wieder-berührung« der Aufnahme, wird die reine Spur des Lichtes verfälscht und die »Naturwahrheit der Aufnahme« in eine »fabrizierte Wahrheit« verwandelt. Die Atelierfotografie war ja das erste Gewerbe, in dem sich mit dem neuen Massen-medium Geld verdienen ließ, und das Porträt als Ware hatte weniger den Kri-terien der Kunsttheorie als den Gesetzen des Marktes zu genügen. So erlebte die korrigierende Retusche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Blüte-zeit, die erst mit der kunstfotografischen Bewegung um 1900 und der damit verbundenen Abkehr von den nun als nivellierend und geschmacklos empfun-denen Stereotypen der Atelierfotografie zu Ende ging.

Auch Marjen Schmidt beschäftigt sich mit Manipulationen des Negativs, doch im Unterschied zur »unsichtbaren Maske« der Porträtretusche geht es in ihrem Beitrag darum, dass viele der technischen Eingriffe als künstlerische Maßnahme ganz bewusst erkennbar sein sollen. Die Glasnegative des deutsch-amerikanischen Kunstfotografen Frank Eugene, die den Anstoß für das ein-gangs genannte Forschungsprojekt gegeben und damit auch die hier vorliegen-den Untersuchungen initiiert haben, sind dafür ein besonders anschauliches

Page 13: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

12

cornelia kemp

Beispiel. Als Repräsentant der internationalen Strömung der Kunstfotografie war Eugene schon zu Lebzeiten für die umfangreichen Manipulationen seiner Negative berüchtigt. Alle Erörterungen dieses Aspekts mussten sich bislang je-doch auf die Abzüge beschränken, die zwar das erstrebte Ergebnis durchaus erkennen lassen, aber keinen Aufschluss über die dafür vorgenommenen, von den Zeitgenossen eher kursorisch geschilderten Prozeduren geben. Die im Rahmen des Forschungsprojektes durchgeführten materialtechnischen Unter-suchungen bestätigen viele der in den Handbüchern überlieferten Praktiken und Materialien, machen aber auch deutlich, dass Eugene als Maler und Foto-graf eine ganz eigenständige Auffassung über die Ergänzung beziehungsweise Reduzierung seiner Aufnahmen hatte.

Die Tatsache, dass die Fotografie nicht von Anfang an in der Lage war, die Wirklichkeit auch in Farbe wiederzugeben, wurde zwar als Mangel empfunden, doch angesichts der überwältigenden Perspektiven, die die Erfindung eröffnete, spielte dieses Defizit lange Zeit keine besondere Rolle. Von den Fotografen zunächst eher als »unnütze Complication«21 betrachtet, war die Farbe der Foto-theorie grundsätzlich verdächtig, galt sie doch nach Roland Barthes als »eine Tünche […], mit der die ursprüngliche Wahrheit nachträglich zugedeckt wird«22; eine Auffassung, der sich auch Vilém Flusser anschließt, denn »je ›ech-ter‹ die Fotofarben werden, desto lügnerischer sind sie.«23 Nichtsdestotrotz wurden die technischen Möglichkeiten einer farbfotografischen Wiedergabe ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensiv erkundet. Rolf Sachsse spürt in seinem Beitrag der engen Verbindung zwischen farbtheoretischen Modellen und farbfotografischen Verfahren nach. Auf welche Weise auch immer ver-sucht wurde, eine Wiedergabe in »natürlichen Farben« zu erzielen, die Verfah-ren erwiesen sich als überaus komplex und spätestens mit dem Mehrschichten-farbfilm beschränkte sich die Möglichkeit, Einfluss auf das Negativ zu nehmen, allenfalls noch auf die Wahl der Marke und der Lichtempfindlichkeit.

Das Negativ und die Kunst

Was die Manipulierbarkeit des Negativs betrifft, so wussten die Künstler die verschiedenen Möglichkeiten schon früh überaus kreativ zu nutzen. Bei Land-schaftsaufnahmen, die eine lange Belichtungszeit erforderten, kam es in der Frühzeit wegen der besonderen Empfindlichkeit der Negative für das kurz-wellige Blau häufig zu einer Überbelichtung des Himmels und damit zu einer unnatürlichen Schwärzung in der Wiedergabe. Abhilfe schuf hier der Kom-binationsdruck, bei dem zwei getrennt aufgenommene Negative des Himmels und der Landschaft nacheinander auf den Abzug aufbelichtet wurden. Gustave Le Gray, der diese Technik schon in den 1850er Jahren in seinen Ansichten des Meeres einsetzte, ging es dabei vor allem darum, eine möglichst realistische, stimmungsvolle Atmosphäre zu erzeugen. Zum Kompositionsdruck erweitert nutzten Fotografen wie Oscar Gustave Rejlander und Henry Peach Robinson die Negativmontage zur gleichen Zeit in ganz gegensätzlicher Weise, um in

Page 14: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

13

einleitung

ihren theatralischen Tableaux vivants den Eindruck einer illusionären Realität zu vermitteln. So verschieden das Ergebnis auch ausfiel, so vereinte doch alle der Wunsch, die Eingriffe in die Aufnahme so wenig wie möglich sichtbar zu machen.

Das änderte sich Ende des 19. Jahrhunderts, als mit der internationalen Be-wegung der Kunstfotografie Malerei und Fotografie in einen engen Dialog tra-ten. Edeldruckverfahren wie der Gummi- oder Öldruck erlaubten, ja ver-langten sogar nach einer künstlerischen Ausgestaltung, die die Grenzen der fotografischen Wiedergabe durch grafische Techniken und den Einsatz von Farbe bewusst zu sprengen suchte. Der Beitrag der Herausgeberin lenkt noch-mals das Augenmerk auf den »Maler-Photographen« Frank Eugene, der sich nicht allein durch die intensiven Wechselbeziehungen zwischen den eigenen Gemälden und Fotografien von seinen Kollegen unterscheidet, sondern vor allem auch durch die ungewöhnlich deutlichen Eingriffe in seine Negative, die gleichsam zu seinem Markenzeichen wurden. Neben den materialtechnischen Aspekten, die Marjen Schmidt in ihrem Beitrag behandelt, geht es hier um die in diesem Ausmaß singulären gestalterischen Eingriffe wie auch um die Dis-kussion, die diese Manipulationen unter den Zeitgenossen gerade auch im Hin-blick auf die spezifischen Eigenschaften der Fotografie auslösten.

Für die kameralose Fotografie, die seit den 1920er Jahren als künstlerisches, ohne handwerkliche Eingriffe erzeugtes Medium immer wieder die Möglich-keiten der Abstraktion variiert, ist die lichtempfindliche Schicht die eigentliche Projektionsfläche, bei der die Umkehr der Tonwerte bewusst mit einbezogen wird. In seinem Beitrag über das Fotogramm spannt Floris Neusüss, der dieses Medium seit über vierzig Jahren künstlerisch erkundet, den Bogen von Talbots Kontaktkopien bis zum digital erzeugten Videogramm. Was immer dabei ent-steht, es ist in jedem Fall ein Negativ und damit auch ein Unikat, von dem ein Abzug weder möglich noch beabsichtigt ist. Alexander von Humboldts schwär-merische, auf dem indexikalischen Prinzip beruhende Charakterisierung der Fotografie als »Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten bleibende Spuren zu hinterlassen«, kommt in dem hier zu Grunde liegenden Konzept der reinen Lichtgestaltung noch einmal auf ganz besondere Weise zur Geltung. Es hat daher die Künstler auch immer wieder angeregt, das Medium Fotografie auf seine Eigenheiten hin zu untersuchen und nach allen Regeln der Kunst so weit wie möglich auszureizen.

Nicht vergessen sei an dieser Stelle auch der Negativdruck, der wie das Foto-gramm im Gefolge des »Neuen Sehens« ab den 1920er Jahren erprobt wurde. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Negativ, sondern um den foto-grafischen Abzug von einem Diapositiv. Die Umkehr der Kontraste, wie sie bei der Kameraaufnahme im Negativ auftritt, wird hier als gestalterisches Moment der Wiedergabe eingesetzt, in der erneuten Übertragung wird das Negativ als Positiv damit selbst zum Gegenstand des Bildes.

Page 15: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

14

cornelia kemp

Das Negativ in Wissenschaft und Film

Am 8. November 1895 entdeckte Conrad Wilhelm Röntgen die unsichtbaren X-Strahlen, am 1. November des gleichen Jahres fand im Berliner Wintergarten die erste Filmvorführung in Deutschland durch die Gebrüder Skladanowsky statt, am 28. Dezember präsentierten Auguste und Louis Lumière erstmals ihre Filme im Grand Café in Paris. Doch nicht nur der gemeinsame Zeitpunkt der Erfindung verbindet die beiden Medien, sondern auch ihre bis dahin unbe-kannten Formen der Visualisierung, die der Wissenschaft völlig neue Einblicke in die Materie gewährten und mit dem bewegten Bild zugleich die über-kommenen »Techniken des Betrachters« von Grund auf veränderten.24 Dem Ne gativ kommt in beiden Medien eine besondere Bedeutung zu, da es der Wis-senschaft ein neues bildgebendes Verfahren erschloss und für den Film als Primärspeicher in allen Fragen der Authentizität unverzichtbar ist.

In ihrem Betrag, der der visuellen Repräsentation in der Wissenschaft am Beispiel von Röntgenbildern und elektronenmikroskopischen Aufnahmen ge-widmet ist, verweisen Vera Dünkel und Jochen Hennig auf die epistemo-logische Bedeutung des Negativs und lenken damit auch den Blick auf den Zusammenhang von Visualität und Erkenntnis. Mit seiner Kontrastumkehr ähnelt das ohne Kameratechnik erzeugte Röntgenbild dem Fotogramm, doch im Unterschied zum spielerischen Umgang mit dem Licht geht es hier gerade um die analytische Qualität und damit um die absolute Verlässlichkeit der Wieder gabe. An eben diesem Aspekt entzündeten sich in der Frühzeit viele kontrovers diskutierte Fragen, die um die Bildmodi von Negativ und Positiv und damit um die »richtige« Form der Wiedergabe kreisten. Während das Röntgenbild ein räumliches Objekt in die Fläche überträgt, konstruiert die Elektronenmikroskopie mit Hilfe von Metallbedampfung ein dreidimensio-nales Bild, um damit die winzigen Proben dem gewohnten Seheindruck ent-sprechend sichtbar zu machen. Die negative Wiedergabe, in der das helle Ob-jekt einen dunklen Schlagschatten wirft, hat sich dabei als Wiedergabemodus durchgesetzt.

Der abschließende Beitrag von Martin Koerber lenkt den Blick auf die emi-nent wichtige Bedeutung des Negativs als Ursprungsmedium für die filmische Überlieferung. Aus der Perspektive des Archivars und Filmrestaurators zeigt er die verschlungenen, oftmals verschütteten, von politischen Ereignissen und verfälschenden, technischen Vorgaben geprägten Wege der Überlieferung auf, die ein Film im Laufe seines fotografischen Duplikationsprozesses durchläuft. Da der Film anders als die Fotografie notwendig immer wieder umkopiert wird und dabei so gut wie nie das Originalnegativ zur Verfügung steht, steigt mit jeder Generation auch das Risiko des Qualitätsverlustes. Eine Missachtung die-ser Kriterien kann, wie am Beispiel des frühen Farbfilms deutlich wird, selbst die Forschung zu irrigen Annahmen verleiten. Vier ausgewählte Beispiele, die einer aufwendigen Spurensicherung unterzogen werden, illustrieren anschau-lich das reiche Informationsangebot, das die oftmals schon mehrfach über-arbeiteten und in verschiedenen Fassungen erhaltenen Filmnegative mit ihren

Page 16: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

15

einleitung

Codierungen und Notaten über die ursprüngliche Schnittfolge, die Betextung und die originale Farbqualität enthalten.

Die in diesem Band versammelten Beiträge fächern ein breites Spektrum auf, das von der Erfindung über die Materialität und bewusste Manipulation des Negativs bis hin zu Aspekten der negativen Bildlichkeit reicht, doch sind damit bei weitem nicht alle Aspekte erschöpft, die die technischen Modalitäten und Erscheinungsformen dieses Mediums betreffen. So sei an dieser Stelle nur auf die Zwitterrolle von Einzelbildverfahren wie die Daguerreotypie oder Ambro-typie verwiesen, die je nach Blickwinkel und nachträglicher Behandlung zwi-schen Negativ und Positiv schwanken – ein Aspekt, der gerade im Hinblick auf die Daguerreotypie nicht allein aus quellenkundlicher und technischer Sicht zu betrachten wäre, sondern auch im Hinblick auf die Frage, inwieweit diese bis dahin völlig unbekannte Form der visuellen Repräsentation mit ihrem Oszillie-ren zwischen Detailgenauigkeit und Verfremdung Anteil hat an der Neustruk-turierung der Seherfahrung im 19. Jahrhundert. Der Gebrauch des Negativs als Matrize oder Druckvorlage, wie ihn Nicéphore Niépce mit seinen Heliografien angestrebt hatte und Alfred Donné noch im Erfindungsjahr der Daguerreo-typie erprobte, bis hin zu den Kontaktkopierverfahren, die wie der Pigment- oder Lichtdruck die Bezeichnung »Druck« bereits im Namen führen, gehört ebenfalls in diesen Kontext. Wird dabei zunächst noch an traditionelle gra-fische Techniken wie den Kupferstich angeknüpft, entstehen ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Chromatverfahren fotomechanische Kopierverfah-ren, die die Beziehung zwischen Unikat und Reproduktion, authentischer Wie-dergabe und Verfremdung in ganz unterschiedlicher Weise durchdeklinieren. Auch das von Ansel Adams entwickelte Zonensystem zur Steuerung des Kon-trastumfangs sei an dieser Stelle genannt, da es auf beispielhafte Weise illus-triert, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich auch noch in Zeiten der »straight photography« boten, um das Schwarzweiß-Filmmaterial während der Aufnah-me und in der anschließenden Dunkelkammerarbeit als künstlerisches Aus-drucksmedium zu modulieren. Das digitale Bild, das in den letzten zwanzig Jahren die klassische Fotografie weitgehend verdrängt hat, wird als numerischer Datensatz gespeichert, der unserer Wahrnehmung entzogen ist und mittels Software immer schon als flüchtiges, beliebig modulierbares Positiv wieder-gegeben wird; das indexikalische Prinzip der Fotografie ist damit aufgehoben und mit ihm auch der über 150 Jahre währende, für jede Aufnahme zwingend erforderliche Gebrauch des Negativs.

Ich möchte der VolkswagenStiftung danken, die im Rahmen ihrer Förder-linie »Forschung in Museen« die eingangs genannte dreijährige Untersuchung der Glasnegative von Frank Eugene und die daraus resultierende Tagung über das Negativ mit dem Tagungsband finanziell unterstützt hat. Auf Grund dieser Unterstützung war es möglich, den gesamten Band durchgängig vierfarbig zu illustrieren, was sich bei der auf Nuancen der Ton- und Farbwerte ausgerichte-ten Thematik als großer Vorteil erwiesen hat. Mein Dank gilt allen Autoren dieses Bandes, die ihre Vorträge zum Teil noch erheblich ausgearbeitet haben, sowie Dorothee Messerschmid für die in bewährter Manier übernommene

Page 17: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

16

cornelia kemp

redaktionelle Betreuung des Bandes, Linda Reiter für die Gestaltung des Covers und Andrea Knigge vom Wallstein Verlag für die unkomplizierte Zusammen-arbeit.

Anmerkungen

1 Glajc, Verlust, 2008, hat diese Leerstelle zum Thema einer Abhandlung gemacht, doch erweisen sich seine Ausführungen über das »gegenwärtige Licht« und die »Verschollen-heit« in Anlehnung an Heidegger als wenig ergiebig für aktuelle, an den realen Funktio-nen des Negativs orientierte Fragestellungen.

2 Kemp, Theorie, 1999, Bd. 1, S. 102. 3 Kemp, Theorie, 1999, Bd. 2, S. 221. 4 Kemp, Theorie, 1999, Bd. 3, S. 133 f. 5 Flusser, Philosophie, 1999, S. 43. 6 Kemp, Theorie, 1999, Bd. 3, S. 296-299. 7 Ebd., S. 63. 8 Ebd., S. 136. 9 Sontag, Photographie, 1989, S. 142.10 Krauss, Das Photographische, 1998, S 116.11 Kemp, Theorie, 1999, Bd. 3, S. 274-281.12 Dubois, Akt, 1998, S. 74.13 Ebd.14 Sachsse, Halbzeug, 2008.15 Loengard, Negative, 1994, S. 5.16 Maloof, Maier, 2011.17 Siegel, Name, 2013.18 Siegel, Licht, 2014, S. 179.19 Schaaf, Shadows, 1992, S. 95. Michel Frizot hat dieses »Paradigma der Umkehrung« mit

elektrotechnischen Versuchsanordnungen in diesen Jahren in Verbindung gebracht, vgl. Frizot, Ikonizität, 2002.

20 Daston/Galison, Bild, 2002.21 Robinson, Effect, 1886, S. 6.22 Barthes, Kammer, 1985, S. 92.23 Flusser, Philosophie, 1999, S. 40 f.24 Crary, Techniken, 1996.

Literatur

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie. Frankfurt a. M. 1985.

Crary, Jonathan: Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahr-hundert. Dresden 1996.

Daston, Lorraine; Galison, Peter: Das Bild der Objektivität. In: Geimer, Peter (Hg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie. Frankfurt a. M. 2002, S. 29-99.

Dubois, Philippe: Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dis-positiv. Amsterdam, Dresden 1998.

Page 18: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

17

einleitung

Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie. Göttingen 1999.Frizot, Michel: L’image inverse. Le mode négatif et les principes d’inversion en

photographie. In: Études photographiques 5 (1998), S. 51-71.Frizot, Michel: Negative Ikonizität. Das Paradigma der Umkehrung. In: Gei-

mer, Peter (Hg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie. Frankfurt a. M. 2002, S. 413-433.

Glajc, Lukas: Verlust des Negativs. Eine kulturphilosophische Reflexion über die Fotografie. Oberhausen 2008.

Haus, Andreas: Laszlo Moholy-Nagy. Fotos und Fotogramme. München 1978.Kemp, Wolfgang (Hg.): Theorie der Fotografie, Bd. 1-3. München 1999 (Erst-

ausgabe München 1980-1983).Krauss, Rosalind: Das Photographische. Eine Theorie der Abstände. München

1998.Loengard, John: Celebrating the Negative. New York 1994.Maloof, John (Hg.): Vivian Maier. Street Photography. München 2011.Robinson, Henry Peach: Der malerische Effect. Halle a. d. Saale 1886.Sachsse, Rolf: Halbzeug Negativ und Ausschuß Vintage – Anmerkungen zum

Wert eines archivalischen Problembereichs. In: Rundbrief Fotografie. Ana-loge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen 15 (2008), Nr. 2 (N.F. 58), S. 10-13.

Schaaf, Larry J.: Out of the Shadows. Herschel, Talbot and the Invention of Photography. New Haven, London 1992.

Siegel, Steffen: Der Name der Fotografien. Zur Entstehung einer Konvention. In: Zeitschrift für Ideengeschichte 7 (2013), H. 1, S. 56-64.

Siegel, Steffen (Hg.): Neues Licht. Daguerre, Talbot und die Veröffentlichung der Fotografie im Jahr 1839. München 2014.

Sontag, Susan: Über Fotografie. München 1989 (engl. Erstausg. 1977).

Page 19: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte
Page 20: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

19

Larry J. Schaaf

The Black Magic of Talbot’s SciagraphyExtracting Light from the Shadows

In 1833, the art of photography was conceived by William Henry Fox Talbot, already a distinguished scientist serving as a Member of the Reform Parliament. His initial results were what we now call negatives, but that term was not yet devised and appropriately he christened this new art »sciagraphy«, recalling the theater practice of depicting objects through their shadows. Talbot was neither surprised nor disappointed by the tonally inverted images that resulted from his experiments, for he immediately recognized them as the logical outcome of light acting on physical materials.1 Through acceptance rather than intention, Talbot had invented the negative, the matrix that was to define the central path of photography through all its subsequent history right down to the present digital age. Although the very word ›negative‹ has become a pejorative, having pessimistic and disparaging connota-tions, for Talbot these inverted images were simply beauti-ful demonstrations of the scientific basis of Nature.

One can imagine the childhood scene as a young Henry Talbot posed in the drawing room of the home of his Welsh relatives (fig. 1).

A cousin or perhaps an aunt rendered his visage in a type of a camera obscura, almost certainly a homemade device cobbled together with a reading glass for a lens. While we can delight in imagining the ›solar flare‹ shooting out from the top of his head as symbolic of a youthful mind bursting with ideas, the more prosaic explanation for it is grounded in simple physics. The toys that young Henry were familiar with were often scientific ones, sometimes aimed at educat-ing children, sometimes authentic instruments expected to inspire the same outcome. His image was naturally inverted by the lens, explaining why gravity pulled an errant stream of ink down the paper. The resulting portrait was a silhou-ette, a view far from the norm of what we would expect in the depiction of a person. Yet the iconography of the large squared-off head of the young man is both readily identifiable and easily explained by optics and gravity acting on the fluid nature of ink.2 Even though young Talbot had such drawing aids available to him and was surrounded by relatives who could paint and draw, draughtsmanship was of the few skills that he was never to master.

For most of those artists who sought to invent photography before Talbot – and they were numerous, both known and unknown – the fact that light pro-

Fig. 1: Unknown artist, probably a cousin, William Henry Fox Talbot at the Age of Seven. Ink on paper, most likely drawn in some form of a camera obscura, 1807. 38,0 x 30,6 cm.

Page 21: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

20

larry j. schaaf

duced darkness was a fatal discouragement. A dramatic example of how this denial of expectations inhibited the start of photography comes from the Amer-ican inventor and painter, Samuel F. B. Morse. As a portrait painter in the early 1820s, shortly after his student days at Yale, Morse conceived the idea of captur-ing the images in the camera obscura. However, his perception of the outcome was shackled by his artistic training: »finding that light produced dark, and dark light, I presumed the production of a true image to be impracticable, and gave up the attempt.« 3 Even though the first type of photograph that the public saw in 1839, the daguerreotype, was physically a negative, the method of view-ing it made it seem to be a positive and this established the initial expectations for what a photograph was to look like. The avid experimentalist and photo-historian Robert Hunt recalled that his »first endeavours in the photographic art were directed to restoring the natural order of light and shadow: and I for-tunately succeeded in this very early in the summer of 1839.«4 Not only was Talbot virtually alone in his own day in perceiving the negative as the original object that it was, but the idea that the negative was merely a stepping stone persists throughout the history of photography. The fine art photographer Ansel Adams famously declared that »the negative is similar to a musician’s score, and the print to the performance of that score. The negative comes to life only when ›performed‹ as a print.«5 Talbot would not have agreed with that statement, but would have been far more comfortable with the perceptive in-sight of the Life Magazine photographer John Loengard: »making a print from a negative is a bit like translating a novel from French to English. Such transla-tion is an art, and it is wise to remember that what is translated is the original work of art.«6

Talbot had a wide-ranging and virtually uncontrollable imagination, crossing the bounds from strict scientific enquiry into the realm of flights of fancy and artistic creativity.7 As accomplished as he was in scientific, literary, mathemati-cal and linguistic endeavours, it is critical to the story of the negative that Talbot started down this path as a complete failure as an artist. As he was to later recall in his Pencil of Nature, he was on the Italian shores of Lake Como in the au-tumn of 1833, accompanied by his new wife and several of his relatives. They were all happily sketching away but his own draughtsmanship was terrible. Hoping that science could come to his aid, Talbot first turned to the camera lucida, a drawing instrument that had been part of his travelling kit for years. However, the camera lucida was of value only to one who already understood how to reduce the complex colors, lines and forms of three-dimensional nature to a two-dimensional image on paper. As Talbot lamented, »the faithless pencil had only left traces on the paper melancholy to behold.«8 He then turned his thoughts to the camera obscura, a box with a lens employed by sketch artists that would set the pattern for early photographic cameras. Talbot realized that the progression of lights and shades projected inside the camera obscura repre-sented different intensities of light. Knowing that the energy of light affected physical objects, Talbot made the imaginative leap to the idea that he could harness Nature to draw her own image. Sometime in the spring of 1834, work-

Page 22: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

21

the black magic of talbot’s sciagr aphy

ing out of his laboratory and the kitchen at his Wiltshire home of Lacock Abbey, Talbot converted this inspired dream into reality.

It is entirely to be expected that Henry Talbot started his experiments on a base of paper. After all, it was the medium for his failed sketches and was the substance of the books and prints that he loved so much. His extensive library yielded the knowledge that the salts of silver were peculiarly sensitive to light, yet as soon as he started experimenting with them, he found both, the literature and his results, to be contradictory. Through empirical means Talbot deter-mined that silver chloride was most sensitive to light, yet it could not be dis-solved in water and thus proved virtually impossible to transfer to the surface of paper. A related compound, silver nitrate, went readily into solution, but had virtually no sensitivity to light. So Talbot conceived of a two-step process whereby he coated ordinary writing paper with a solution of common table salt. By then brushing over a solution of silver nitrate, he triggered a chemical re-action, trapping the precipitated light-sensitive silver chloride directly within the fibers of the paper.9 At first this was not sufficiently sensitive to react to the feeble light projected within a camera, but Talbot demonstrated its efficacy by placing the sensitive paper under objects such as leaves and lace. Where the sunlight reached the surface of the paper, tiny clusters of silver particles were formed; where the object blocked the light, the paper remained white. These photograms (as they were later to be called) were actually negatives, but the outline of the complex botanical subjects was precise and unmistakable.10 Un-bridled by artistic preconceptions, Talbot was not discouraged but rather de-lighted by Nature’s inverted depiction of herself. At first his images remained susceptible to light, but Talbot quickly determined that he could use potassium iodide to convert the remaining silver salts to silver iodide or subsequently use a strong wash of table salt to convert the silver chloride into a relatively insensi-

Fig. 2: William Henry Fox Talbot, Latticed Window (with the Camera Obscura). Photogenic drawing negative, August 1835. 3,6 x 2,8 cm, mounted on 6,9 x 14,9 cm card. Schaaf 2242.

Page 23: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

22

larry j. schaaf

tive state. These images were stabilized, rather than fixed in modern terms, but several from the 1830s retain clear images to this day.

Having left Parliament and now having more time on his hands, during the »brilliant summer of 1835« Talbot was able to increase the light sensitivity of this paper to the point where it could be employed in small camerae obscurae, sim-ple little boxes about the size of an apple that his wife once called »mouse traps.«11 S et about the grounds of Lacock Abbey, within tens of minutes they captured precisely detailed drawings of Talbot’s country estate, ones that he could never have hoped to render using a pencil. The core concept of photogra-phy was complete at this point. One of the most justifiably famous of early photographic artefacts is a view that Talbot took from inside the South Gallery of Lacock Abbey, looking out through the Oriel Window (fig. 2).

Barely the size of a postage stamp, it retains to this day the fine latticework of the window. It is a pure recording of light and shadow. Being able to prop his camera up on a fireplace mantel, protected indoors from the bursts of wind and unexpected showers of rain, his sensitive paper could record light over the pas-sage of time, accumulating the solar energy for perhaps the better part of an hour. When one studies one of the larger negatives from this series the full magic of all becomes dramatically apparent (fig. 3).

The image is indistinct and simul-taneously familiar and unfamiliar – just like what one struggles to see when first waking up, when objects begin to take on form and identifica-tion begins to dawn. The smaller neg-ative is rightly celebrated because of Talbot’s inscription on the slip of pa-per that forms its mount. Undoubt-edly it was one of those he displayed in his first public showing of pho-tography, that at the Royal Institution in London on the evening of 25 Janu-ary 1839. His friend Michael Faraday pointed to the library exhibit after his lecture, marveling that »what man may hereafter do, now that Dame Na-ture has become his drawing mistress,

it is impossible to predict.«12 Three days later, Talbot wrote to his longtime friend Sir John Herschel, »The Camera Obscura pictures which I will shew you are Lilliputian ones & require a lens to look at them. When first made they were extremely delicate but are now 3 years & a half old and I intend, as soon as the sun acquires power in the Spring, to make a fresh lot of them, more wor-thy of being looked at.«13 On 31 January, these were some of the pictures that he showed to the members of the Royal Society when his first paper on photo-graphy was read.14 On 21 February, Talbot revealed the full manipulatory details

Fig. 3: William Henry Fox Talbot, Oriel Window at Lacock Abbey, from Inside. Photogenic drawing negative, summer 1835?, 8,3 x 10,7 cm image on 8,3 x 11,6 cm paper. Schaaf 1100.

Page 24: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

23

the black magic of talbot’s sciagr aphy

of his process to the Royal Society, making it possible for members of the public to replicate his results fully half a year before Daguerre disclosed the working details of his invention.15

In an effort to help the public understand the nature of these strangely inverted representations of Nature, the Magazine of Science published woodcut interpretations of photogenic drawing negatives in April 1839 (fig. 4).

George William Francis, a broth-er of the publisher and a skilled botanist, draughtsman and engrav-er, explained that his photogenic drawings »were impressed at once on the box-wood, and therefore are fit for the graver without any other preparation.« He essentially used Talbot’s formula on a base of wood rather than paper.16 But what to call these strange representations of nature was problematic. In January 1839, Talbot himself referred to »shadow-pictures«.17 In August, at the annual meeting of the British Association for the Advancement of Science, he displayed nearly a hundred examples of his new art. For the exhibition, he classified his images as direct copies of engrav-ings and botanical subjects, views taken with the camera obscura, images made with the solar microscope, and »reversed images,« which were positive prints made from his negatives (it is revealing that Talbot regarded the prints, rather than the negatives, as being the »reversed« objects).18 But he still didn’t have settled terminology for all this. In 1839, in response to Talbot’s awkward term, »photogenic drawing,« Herschel had given the art its root name of photogra-phy.19 In 1840, drawing on the field of electricity, he established another foun-dation stone in the terminology: »To avoid much circumlocution, it may be allowed me to employ the terms positive and negative, to express respectively, pictures in which the lights and shades are as in nature, or as in the original model, and in which they are the opposite, i. e. light representing shade, and shade light.«20

Fig. 4: George William Francis, Representations of Photogenic Drawing Negatives. Ink on paper, 23,0 x 14,5 cm. The Magazine of Science, v. 4, 27 April 1839.

Page 25: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

24

larry j. schaaf

Talbot’s original invention – sciagraphy, or photogenic drawing as it became known to the public in January 1839, belongs to the class of what are known as print-out processes. All silver-based photographic images are created when some form of energy reduces the light-sensitive silver compounds to metallic silver. The pictures that we perceive are in fact made up of tiny clusters of pure silver particles. In print-out processes, this image is created entirely by solar energy, without subsequent development. When the exposed paper is with-drawn from the camera or print frame, the image is already fully visible and then needs only to be fixed to make it permanent. Because a great deal of solar energy acting alone was needed to reduce the silver, the exposure times were extended. Talbot originally had to employ tiny cameras and still faced exposure times that could range from tens of minutes up to hours. By the end of the summer of 1835, however, he had refined his chemistry to the point where a few

minutes would suffice. When pho-tography was announced to the public in 1839, Talbot was about to suffer through a terrible year, for the weather in 1839 was horrible even by British standards. He sim-ply did not have enough of the cur-rency of light to produce many im-ages. Happily, the spring of 1840 came early and came on bright.

Talbot increased his camera size to whole plate (roughly 6.5 × 8.5 inches, or 16,5 × 22 cm) while keep-ing his exposure times to perhaps ten minutes. The extraordinary Wall in Melon Ground negative (fig. 5), made at Lacock Abbey on 2 May 1840, is an example of his attain-ment with photogenic drawing. With the texture of the stone and

the glint of sunlight off the blades, it is a beautiful object in itself and remains printable to this day. It is quite typical of the substantial group of pho-tographs that Talbot exhibited a fortnight later in London to the elite group of painters, sculptors, architects and engravers who made up the membership of the Graphic Society.21 Their verdict that these photographs were »superior to any we had before seen« must have been greatly encouraging to the once belea-guered inventor.22

Talbot kept experimenting and improving on both his technique and his vi-sion throughout the happily sunny year of 1840. That September, an accidental observation led to his most important breakthrough yet. Some of his photo-genic drawings failed to get sufficient exposure, either through deficiencies in the chemical makeup or simply a lack of adequate light. Talbot could tell right

Fig. 5: William Henry Fox Talbot, Wall in Melon Ground at Lacock Abbey. Photogenic drawing negative, 2 May 1840. 17,2 x 21,2 cm. Schaaf 2416.

Page 26: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

25

the black magic of talbot’s sciagr aphy

away if he had been successful, for the print-out image was as strong as it was ever going to be as soon as it was removed from the camera. One day he left one of these under-exposed failures on his worktable, and returning a while later was shocked to see a fully strong image on what had been a blank sheet. He rapidly determined that he had added gallic acid to this particular coating and that this had brought out a previously invisible image. Talbot realized that the too-brief exposure had created an invisible latent image and that the gallic acid then acted as a developer, a chemical amplifier of the subtle physical effect of the light. His exposure times immediately dropped to seconds, both facilitating the process and expanding his potential range of subjects. This developed-out method, where a brief exposure created an invisible latent image that could subsequently be brought to full strength by a developer in a darkroom, became the basis of virtually all subsequent silver-based negative processes.23 He initial-ly called this new negative process Calotype Photogenic Drawing, soon short-ened to the Calotype, or the Talbotype, as his friends and family preferred. Its working details were revealed in his 1841 patent24 and many variations and improvements were made by other photographers.25 The developed calotype negatives were customarily printed on the original photogenic drawing paper.

Considerable confusion persists in the literature about the distinction be-tween Talbot’s 1839 photogenic drawing and his 1841 calotype. Photogenic drawing paper, based on his original 1834 sciagraphic process, was a printing-out paper – the image appeared immediately through the action of solar energy, without subsequent development. It could be used under a leaf to make a pho-togram, it could be used in a camera to make a negative (fig. 2, 3 and 5), and it could be used to make a print from either a photogenic drawing negative or a calotype negative. It is the process that he published freely in February 1839 and there were no patent restrictions. His 1841 calotype process was used primarily for making camera negatives, where its greatly increased sensitivity brought out through chemical development was to advantage. It was patented (although this restriction was widely ignored). Of these two processes, the calotype was most similar to virtually all subsequent silver-based negative materials and photogenic drawing was most similar to the majority of photographic printing papers used throughout the 19th century. After that, darkroom developed printing papers were more similar in character to the calotype. Thus, if one is looking at a Talbot camera negative, there is nothing to keep it from being a photogenic drawing negative (as in fig. 5) but it is more likely to be a calotype. Virtually all of Talbot’s prints were on photogenic drawing paper, al though loose terminology, both in his day and now, erroneously sometimes referred to the prints themselves as calotypes.26

There is one additional observation to be made about the difference between photogenic drawing and the calotype, one that provides a critical insight into Talbot himself. He set out to invent photogenic drawing after his eureka mo-ment at Lake Como. The fact that sciagraphy rendered an immediately visible image is critical to understanding his artistic process. Certainly not an artist, Talbot was presented with Nature’s handiwork immediately upon removing his

Page 27: Unikat, Index, Quelle€¦ · sache, dass etwa auf Facebook monatlich sechs Milliarden neue Fotos hoch-geladen werden und das Bild- und Videoportal Flickr jedem Benutzer 1 Tera- byte

larry j. schaaf

paper from his camera. With his perceptions of the original scene still fresh in his memory, he could immediately compare the two-dimensional rendition that resulted, learning quickly from this instant feedback. At a time when we are casually accustomed to immediate digital camera renderings, and not too far removed from the days when professional photographers used Polaroids for the same purpose, this advantage may not even be noticed. Had Talbot invent-ed the calotype first, taking the negative material off to a remote darkroom before seeing the image, he might well not have improved his vision; there would have been too much disconnect between the observation and the execu-tion of the image. He was indeed the first artist to be trained by photography.27

It may seem obvious that Talbot would want to make prints from his nega-tives and he understood how to do this right from the start. In his research notebook M, sometime on or closely after 28 February 1835, there is one entry of particular interest: »in the Photogenic or Sciagraphic process, if the paper is transparent, the first drawing may serve as an object, to produce a second draw-ing, in which the lights and shadows would be reversed.«28 Although his under-standing was clear, there is no evidence that he actually produced any prints in this pre-public period, for Talbot himself was entirely comfortable with and indeed charmed by the inverted tones of his negatives. When photography was revealed to the public in 1839, he was faced with two new problems. People

naturally wanted to acquire examples of his work, but Talbot had a limited sup-ply of original negatives, and has been pointed out, was thwarted by the miser-able light of 1839 in his efforts to produce more. Each negative was unique and could be given away only once. Also, even if they were inclined to, most people could not interpret the visual meaning of a negative. On 27 April 1839, on the eve of when Herschel was to meet with Daguerre, Talbot reminded him that »our English method must have the advantage […] having obtained one pic-ture by means of the Camera, the rest are obtainable from this one, by the method of re-transferring, which, by a fortunate & beautiful circumstance rectifies both of the errors in the first picture at once; viz. the inversion of right for left; & that of light for shade. N. B. I have found that the Camera pictures transfer very well, & the resulting effect is altogether Rembrandtish.«29 Curiously, the April 1839 view of the Oriel window (fig. 6)

Fig. 6: William Henry Fox Talbot, Middle Window, South Gallery, Lacock Abbey. Salt print from a photogenic drawing negative, April 1839. 20,2 x 15,2 cm image on 21,0 x 17,6 cm paper. Schaaf 3694.