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Für noch bessere Therapien Das Gesundheitsmagazin des Universitätsklinikums Würzburg Ausgabe 03/2015 >> Qualitätsmanagement Ziel der Qualitätsberichte ist der mündige Patient >> Kleine Durchbrüche Auch Forschung zu Seltenen Erkrankungen lohnt sich >> Biofabrikation Hauchdünne Gewebe für die Regenerationsmedizin Klinische Forschung ist der entscheidende Motor für medizinischen Fortschritt. Patienten profitieren davon. UNI. KLINIK

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Für noch bessere Therapien

Das Gesundheitsmagazin des Universitätsklinikums Würzburg Ausgabe 03/2015

>> QualitätsmanagementZiel der Qualitätsberichteist der mündige Patient

>> Kleine DurchbrücheAuch Forschung zu SeltenenErkrankungen lohnt sich

>> BiofabrikationHauchdünne Gewebe für dieRegenerationsmedizin

Klinische Forschung ist der entscheidende Motor fürmedizinischen Fortschritt. Patienten profitieren davon.

UNI.KLINIK

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Foto auf der Titelseite: DZHI/Kochanowski

INHALT

IMPRESSUM: Das Patientenmagazin UNI.KLINIK ist eine Publikation der Mediengruppe Main-Post Würzburg in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Würzburg. Verlag und Druck: Main-Post GmbH & Co KG. Persönlich haf-tende Gesellschafterin: Main-Post Verwaltungs GmbH, Registergericht: AG Würzburg HRB 109977; Geschäftsführer David Brandstätter. Chefredaktion: Michael Reinhard. Redaktion: Thomas Brandstetter. Gesamtleitung Media Verkauf:Matthias Faller. Vertriebsleitung: Holger Seeger. Logistik: Main ZustellService GmbH. Postanschrift/Kontakt: Main-Post, Berner Straße 2, 97084 Würzburg, Telefon (0931) 6001-535, Fax (0931) 6001-599, [email protected]

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Klinische ForschungModerneEpidemie

Am DeutschenZentrum für Herz-

insuffizienz werdenseit 2010 Studien

und Grundlagen-forschungsprojekte

durchgeführt.

Klinische ForschungFür noch

bessere TherapienDas Uniklinikum

Würzburg und dieMedizinische

Fakultät haben 2015für sich zum „Jahr derklinischen Forschung“

erklärt.

Klinische ForschungKleine

DurchbrücheWarum sich die

Forschung zu densogenannten Seltenen

Erkrankungen, diezusammengenommen

gar nicht so selten sind,lohnt.

Klinische ForschungAus Forschung

wird TherapieWie ein Beruhigungs-

mittel half, die Diagno-se von Nebennierentu-

moren zu verbessern,einer Tumorart, die am

UKW schwerpunkt-mäßig erforscht wird.

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InterviewEin weltweitführender ForscherDer vielfach ausge-zeichnete Kinder- undJugendpsychiaterProfessor HelmutRemschmidt hat auchin Würzburg seineSpuren hinterlassen.

Klinische ForschungFehlerhaftesKnochenenzymWürzburg istinzwischen daseuropaweitgrößte Zentrum fürdie Behandlungder KrankheitHypophosphatasie.

BiofabrikationHauchzarte Gewebeaus dem DruckerDer in Würzburgforschende Material-wissenschaftler PaulDalton ist deutsch-landweit der einzigeProfessor für dieBiofabrikation.

Klinische ForschungFortschritte imKampf gegen KrebsIn der Krebsforschunggibt esvielversprechendeAnsätze, die teilweisebereits zu besserenTherapiemöglichkeitengeführt haben.

Prostatakarzinom: Ein Gütesiegel für das Uni-Zentrum Seite 14Muskuloskelettales Centrum: Für Selbstständigkeit im Alter Seite 16Qualitätsmanagement: Ziel ist der mündige Patient Seite 18BUKA-Projekt: Für mehr Lebensqualität von Krebspatienten Seite 19Else-Kröner-Forschungskolleg: Strukturen für den Nachwuchs Seite 21

Weitere Themen

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KLINISCHE FORSCHUNGGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Martina Häring, Foto: Uniklinik

Patienten sollen die bestmögliche Therapie er-halten. Darüber sind sich alle einig. Aber wasist die beste Therapie? Um das herauszufin-

den, braucht es klinische Forschung. Denn wennein neu entwickeltes Medikament sich im Laboroder im Tierversuch als wirksam herausgestellt hat,heißt das noch nicht, dass die Substanz auch beimMenschen wirkt. Das muss erst in klinischen Studi-en am Menschen bewiesen werden. Klinische For-schung bedeutet aber nicht nur, neue Therapien aufihre Wirksamkeit hin zu prüfen. Es bedeutet auch,biologische Mechanismen der Krankheitsentstehungbesser zu verstehen, um mögliche neue Ansätze zurBehandlung oder Verhinderung von Krankheitenauszuloten. Oder zu erforschen, wie sich bestimmteRisikofaktoren auf den Gesundheitszustand auswir-ken – so wie in der groß angelegten STAAB-Kohor-tenstudie, mit der man am Beispiel der WürzburgerBevölkerung herausfinden will, wie häufig Herz-schwäche auftritt und welche Faktoren das Auftre-ten der Krankheit begünstigen.

„Klinische Forschung ist der entscheidende Mo-tor für den medizinischen Fortschritt“, sagt ProfessorPeter Heuschmann vom Institut für Klinische Epide-miologie und Biometrie der Universität Würzburg.„Klinische Studien liefern einen wichtigen Beitrag zurverbesserten Therapie künftiger Patienten“, so der kli-nische Epidemiologe. Sie dienen auch dem Schutz derPatienten, weil mithilfe klinischer Studien die Wirk-samkeit und die Verträglichkeit neuer Medikamenteoder Therapiemethoden erprobt werden. Strenge Re-gularien sorgen dafür, dass auch Studienteilnehmer nureinem möglichst geringen Risiko ausgesetzt werden.

In erster Linie denkt man bei klinischen Studi-en an Medikamente, die im Labor entwickelt, in derRetorte und am Tier getestet und schließlich untergrößten Vorsichtsmaßnahmen zum ersten Mal Men-schen verabreicht werden. Doch das ist nur ein Teilbe-reich klinischer Forschung. Heuschmann: „KlinischeForschung ist komplex und umfasst unterschiedlicheArten von Studien.“

Als Beispiel ist hier die STAAB-Kohortenstudiezu nennen, an der insgesamt 5000 Würzburgerinnenund Würzburger im Alter zwischen 30 und 79 Jahrenteilnehmen sollen. Die Studie wird im Rahmen desDeutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI)durch das Bundesministerium für Bildung und For-schung gefördert und in Zusammenarbeit mit einerReihe von Akteuren der Universität und des Univer-sitätsklinikums durchgeführt. Die Studienteilnehmerwerden zufällig ausgewählt, die Teilnahme ist freiwillig.„Doch damit unsere Studie aussagekräftig wird, solltenmöglichst viele Bürger teilnehmen“, so Heuschmann,der zusammen mit Professor Stefan Störk vom DZHIdiese Studie leitet.

Bei einer umfangreichen Untersuchung des Ge-sundheitszustands werden Herz und Gefäße, Lun-ge, Zucker- und Fettstoffwechsel untersucht. Zielist es, herauszufinden, wie häufig Herzschwäche inder Bevölkerung tatsächlich auftritt und was die Ri-sikofaktoren dafür sind. „Die Ergebnisse der Studiesollen dazu beitragen, genauere Empfehlungen fürdie Vorbeugung und die frühzeitige Behandlung derHerzschwäche geben zu können“, sagt Heuschmann.

Bis Anfang August 2015 konnten 1800 Würzbur-ger Bürger untersucht werden. Besonders erfreulich

ist, dass die Teilnahmebereitschaft hier im Vergleichzu anderen Regionen sehr hoch ist: Insgesamt ent-scheidet sich etwa ein Drittel der angeschriebenen undgeeigneten Personen für eine Teilnahme. Dies ist auchder aktiven Unterstützung der Studie durch die StadtWürzburg zu verdanken. Die Studie wurde kürzlicherfolgreich wiederbegutachtet und wird bis 2020 durchdas Bundesministeriums für Bildung und Forschunggefördert. Erste Erkenntnisse zur Häufigkeit derHerzinsuffizienz liegen voraussichtlich Mitte 2016 vor.

Bei klinischen Studien sind immer Menscheninvolviert. Dementsprechend hoch müssen Sicher-heitsanforderungen und Qualitätsstandards sein. Umdiese bereitzustellen, braucht es eine entsprechendeInfrastruktur, die nicht jedes Krankenhaus bereitstellenkann. Das Zusammenspiel vieler verschiedener Ein-richtungen am Uniklinikum und an der Uni Würz-burg sorgt dafür, dass klinische Studien sicher und aufhöchstem wissenschaftlichem Niveau stattfinden. „InWürzburg sind richtungsweisende Einrichtungen derklinischen Forschung versammelt“, sagt Heuschmann.Dazu gehören das Comprehensive Cancer CenterMainfranken, das Deutsche Zentrum für Herzinsuf-fizienz, die Interdisziplinäre Biomaterial- und Daten-bank, das Muskuloskelettale Centrum, das Zentrum fürSeltene Erkrankungen sowie die Zentrale für KlinischeStudien und das Institut für Klinische Epidemiologieund Biometrie.

Laut Bundesministerium für Bildung und For-schung soll der Stellenwert der klinischen Forschungweiter steigen. Das Uniklinikum und die MedizinischeFakultät haben 2015 deshalb für sich zum „Jahr derklinischen Forschung“ erklärt.

Für noch bessere TherapienKlinische Forschung ist der entscheidende Motor für medizinischen Fortschritt. Das Uniklinikum Würzburg

und die Medizinische Fakultät haben 2015 deshalb für sich zum „Jahr der klinischen Forschung“ erklärt.

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Martina Häring, Foto: Uniklinik, Thinkstock4

KLINISCHE FORSCHUNG

Mit den Nebenwirkungen eines Beruhi-gungsmittels fing einst alles an: Sie brach-ten Forscher auf die Idee, dass man das

Medikament aus der Anästhesiologie auch für eineUntersuchungsmethode bei Nebennierentumoreneinsetzen könnte. Die Internistin Professor StefanieHahner von der Medizinischen Klinik I des Unikli-nikums Würzburg hat sich schon im Rahmen ihrerDoktorarbeit mit diesem Thema befasst. Später ent-wickelten sie und der Radiochemiker Dr. AndreasSchirbel gemeinsam mit ihrem Team eine Untersu-chungsmethode, die sich bereits am Patienten be-währt hat. Inzwischen arbeitet die Forschergruppean einer Weiterentwicklung der Methode, um sieauch zur Therapie von Nebennierentumoren einset-zen zu können – mit ersten Erfolgen.

Vor über 30 Jahren kam es auf Intensivstationenvermehrt zu Todesfällen bei der Gabe des Beruhi-gungsmittels Etomidat. Man vermutete, dass dasMedikament die Funktion der Nebennierenrindebeeinträchtigte, die in Stresssituationen für den Kör-per lebensnotwendige Hormone produziert. „Heuteweiß man, dass man durch die Gabe von Etomidatdie Produktion der körpereigenen Stresshormoneunterdrückt“, sagt Stefanie Hahner. Deshalb wird esheute nur noch als Kurzzeitnarkosemittel eingesetzt.

Wie Etomidat in den Zellen der Nebennierenrindewirkt, das hat Stefanie Hahner bereits in ihrer Doktor-arbeit untersucht: Zwei bestimmte Enzyme, die nurin der Nebennierenrinde vorkommen, werden durchdas Medikament blockiert. „Etomidat reichert sichspezifisch in der Nebenniere an“, so Hahner. So kamman auf die Idee, das Medikament für die Diagnostikvon Nebennierentumoren zu nutzen – eine Tumorart,die in Würzburg schwerpunktmäßig erforscht undbehandelt wird.

Während gutartige Tumoren der Nebenniere häu-fig sind und oftmals zufällig entdeckt werden, sindbösartige Tumoren der Nebenniere, die sogenanntenNebennierenkarzinome, sehr selten. In Deutschlandwird pro Jahr nur 100 bis 200 Mal die Diagnose ge-stellt. Doch die Prognose ist schlecht, und oft sind

Aus Forschung wird TherapieWie ein Beruhigungsmittel mithalf, die Diagnostik von Nebennierentumoren zu verbessern,

einer Tumorart, die am Würzburger Uniklinikum schwerpunktmäßig erforscht und behandelt wird.

bereits Kinder oder junge Erwachsene betroffen. Hah-ner: „Mehr als die Hälfte der Patienten stirbt in denersten zwei bis drei Jahren nach der Diagnosestellung.“Weil die Tumoren nicht immer frühzeitig Symptomehervorrufen, werden Sie meist erst spät erkannt, wennsie bereits ins umliegende Gewebe eingewachsen sindoder in andere Organe gestreut haben.

Bevor man mit einer Therapie beginnen kann,muss zunächst geklärt werden, von welchem Gewebeder Tumor ausgeht und ob er Hormone produziert

oder nicht. Diese Unterscheidung ist mit gängigenMethoden nicht immer einfach. Hier kommt das Eto-midat ins Spiel: Bei sogenannten Szintigrafien kop-pelt man radioaktives Jod an einen Tracer, also eineSubstanz, die sich in einem bestimmten Gewebetypbesonders stark anreichert. Bei einigen Formen vonNebennierentumoren verabreichen die WürzburgerÄrzte I-123-Metomidat, also mit schwach radioak-tivem Jod gekoppeltes Metomidat, ein Abkömmlingdes Etomidats. Mit einer speziellen Kamera lassen sichdann Rückschlüsse über die Eigenschaften und dieAusdehnung des Tumors mitsamt seinen Metastasenmachen. „Mit der Substanz lassen sich Nebennieren-tumoren sehr gut bildlich darstellen, bei nur einemZehntel der bis dahin üblichen Strahlenbelastung“,so Hahner. Für diese Leistung wurde sie bereits miteinem Wissenschaftspreis geehrt.

Da das Metomidat sehr schnell wieder aus demKörper verschwindet, arbeitete Hahner in enger Ko-operation mit der Nuklearmedizin an einer Weiter-entwicklung der Methode: „Wir haben uns auf dieSuche nach einem stabileren Tracer gemacht.“ DerWürzburger Radiochemiker Andreas Schirbel designteund synthetisierte etwa 100 verschiedene Substanzen,

die im Labor getestet wurden. 2013 fand man danneinen Stoff, der sich, an Jod gekoppelt, bei Mäusengut in den Nebennieren anreicherte. Der Stoff bekamden unaussprechlichen Namen Azetidinylamid, wurdepatentiert und konnte 2014 schließlich erstmals beiPatienten eingesetzt werden.

„Wir waren überrascht, wie gut sich die Tumorenund Metastasen im Szintigramm darstellen ließen“,sagt Hahner. An den Erfolg wollen sie und ihre Kol-legen anknüpfen und untersuchen nun, ob sich ausder Untersuchungsmethode eine neue Therapie entwi-ckeln lässt. Dafür wird an den Tracer Azetidinylamideine andere Art radioaktiven Jods (I-131) gekoppelt,das die Tumorzellen durch die radioaktive Strahlungzerstören soll.

Das hat die Arbeitsgruppe bereits mit radioak-tivem Jodmetomidat versucht. Zwischen 2007 und2010 wurden in Würzburg zehn Patienten behandelt.Bei sechs der Patienten, bei denen die Krebserkran-kung bereits weit fortgeschritten war und keine Aus-sicht auf Heilung mehr bestand, ließ sich die Krankheitmit der Therapie zwei Jahre lang stabil halten. „Ineiner solchen aussichtslosen Situation ist das viel“,erläutert Hahner. Bei zwei Patienten wurde bereitsdie Therapie mit dem neuen Tracer Azetidinylamideingesetzt, endgültige Ergebnisse stehen noch aus.

Die Internistin und Endokrinologin Pro-fessor Dr. Stefanie Hahner ist Oberärztin ander Medizinischen Klinik I. 2010 erhielt sie fürdie Erforschung neuer Radiotracer bei Neben-nierentumoren ein Exzellenz-Stipendium derElse-Kröner-Fresenius-Stiftung.

„Wir suchtennach einem

stabileren Tracer.“

Professor Stefanie Hahner vonder Medizinischen Klinik I derUniklinik

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KLINISCHE FORSCHUNGGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Uniklinik, Fotos: Uniklinik DZHI/Kochanowski

KLINISCHE FORSCHUNG

Am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizi-enz (DZHI) werden seit 2010 Patientenstu-dien und Grundlagenforschungsprojekte

durchgeführt. Sie dienen dazu, die VolkskrankheitHerzschwäche und deren Begleiterkrankungen bes-ser zu verstehen, um so neue Konzepte für Thera-pien und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.

Professor Stefan Störk, einer der wissenschaft-lichen Geschäftsführer der Forschungs- und Be-handlungseinrichtung, koordiniert eine Vielzahl derDZHI-Studien, an denen Herzschwächepatienten ausder Region Mainfranken teilnehmen: „Mit unserenStudien erweitern wir das medizinische Verständnisüber Herzinsuffizienz und entwickeln neue Therapie-und Behandlungsoptionen für die leider nach wie vorunheilbare Krankheit Herzschwäche. Sie ist eines derdrängenden medizinischen Probleme der Gegenwart– die Fallzahlen der Patienten mit schwachem Herz,die in das Uniklinikum eingewiesen werden, wach-sen beständig. Unsere Studien sind daher dringendnotwendig, da wir nur durch sie neue Therapie- undBehandlungswege finden können und auch, weil wirmit den Studien Wirksamkeit, Verträglichkeit und Si-cherheit von Behandlungsformen, Medikamenten oderanderen Maßnahmen validieren können.“

Das DZHI hat eine stark frequentierte Herz-schwäche-Ambulanz, in der das Telefon nur seltenstillsteht. Die Studienteilnehmer wissen den Vorteil zuschätzen, der sich für sie durch die Teilnahme ergibt.Denn ihre medizinische Betreuung geht weit über dieRegelversorgung hinaus, und beständige Kontrolltests

ModerneEpidemie

Die Forschung amDeutschen Zentrum für

Herzinsuffizienz in Würzburg

und Qualitätssicherheitsmaßnahmen schützen dasPatientenwohlsein. „In unserer Ambulanz arbeitenausschließlich hoch spezialisierte Fachkräfte“, erklärtStörk. Es sind speziell ausgebildete Studienärzte undStudienschwestern, die in der DZHI-Ambulanz spe-zifisch für die Behandlung und Versorgung von Herz-schwächepatienten weitergebildet wurden, und diedie Herzschwächepatienten intensiv betreuen. „Tat-sächlich haben wir im DZHI in einer unserer Studienherausgefunden, dass diese spezialisierte Betreuungden Patienten sehr guttut.

15Millionen Betroffene würden profitieren

Die Sterberate geht zurück, die Mobilität derhäufig älteren Patienten wächst, und somit verbessertsich die Lebensqualität mit der Spezialbetreuung ganzerheblich“, so der Kardiologe. Ein Ziel des DZHIsist es daher, die Versorgung der Herzschwächepati-enten durch spezialisiertes Pflegepersonal möglichstflächendeckend zu ermöglichen.„Herzschwäche ist eine moderne Epidemie“, sagt derWissenschaftler weiter. Jedes Jahr treten in den west-lichen Ländern rund 600 000 neue Fälle auf, Tendenzweiter steigend. Statistisch betrachtet, stirbt rund dieHälfte der Erkrankten innerhalb von vier Jahren. DerDruck auf Politik und Wissenschaft, hier Lösungenzu bieten, ist groß. „Da die Herzschwäche ganz un-terschiedliche Organe betrifft und viele Begleiterkran-kungen mit sich bringt, gibt es noch viel zu forschen.Vor allem auch, was die Prävention angeht“, so Störk.

An DZHI-Studien teilnehmen

Die Wechselbeziehung von Niere und schwachemHerz sind Gegenstand der einen Studie, die Auswir-kungen der Herzschwäche auf die seelische Gesund-heit Gegenstand einer anderen. Hier werden mole-kulare Grundlagen erforscht, dort werden Daten zuHäufigkeit und Vorkommen der Erkrankung erhobenund ausgewertet. Die wissenschaftliche Breite derDZHI-Forschung ist enorm und stets interdiszipli-när: „Herzschwäche betrifft früher oder später diemeisten Organe, und damit müssen viele Fachärzteund Spezialisten zusammenarbeiten“, erklärt Störk.

Wer an einer Studie teilnehmen möchte, kann sichvorab informieren und mit den Herzschwächespezia-listen Kontakt aufnehmen: www.herzschwaeche-info.de/patient-sein/an-studien-teilnehmen.html

Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz:Tel.: (09 31) 2 01 - 4 63 33, E-Mail: [email protected]

Professor Dr. Stefan Störk,Wissenschaftlicher Geschäftsfüh-rer des Deutschen Zentrums fürHerzinsuffizienz

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KLINISCHE FORSCHUNGGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Martina Häring, Fotos: Thinkstock, Uniklinik

Als selten gilt eine Krankheit dann, wennnicht mehr als fünf von 10 000 Menschendavon betroffen sind. 7000 bis 8000 Seltene

Erkrankungen kennt die Medizin. Häufig handelt essich um schwere Erkrankungen, die schon im Kin-des- und Jugendalter beginnen und früh zum Todführen. Und meist gibt es keine wirksame Therapie.„In einigen Fällen gibt es europaweit nur ein biszwei Betroffene“, sagt Professor Helge Hebestreit,Sprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungenam Uniklinikum Würzburg. Lohnt es sich unterdiesen Umständen überhaupt, Forschung zu Sel-tenen Erkrankungen zu betreiben? Der Kinderarztund Mukoviszidose-Experte Hebestreit beantwor-tet diese Frage mit einem klaren Ja: „Ich glaube,dass sich Forschung sogar gerade bei den SeltenenErkrankungen lohnt.“

Zehn bis 18 Jahre dauert es von der Entdeckungeines neuen Wirkstoffs bis dieser auf den Marktkommt. Die Kosten betragen 500 Millionen bis zweiMilliarden Euro. Kein Wunder, dass Pharmafirmenlange Zeit kein Interesse daran hatten, Medikamentefür Seltene Erkrankungen zu entwickeln. Seit demJahr 2000 hat sich daran etwas geändert: Pharmafir-men investieren zunehmend auch in die Entwicklungsogenannter Orphan Drugs – also von Medikamentengegen Seltene Erkrankungen. Dahinter steckt einerseitsein Gesetz, das ein vereinfachtes und vergünstigtesZulassungsverfahren sowie ein verlängertes exklusivesVertriebsrecht für Medikamente mit Orphan-Drug-Status garantiert. „Andererseits haben wir heute aberauch ein besseres Verständnis der Krankheitsentste-hung, was die Entwicklung der Medikamente verein-facht“, so Hebestreit.

Denn so unterschiedlich die einzelnen Krankheitenauch sind: Ihre Ursache liegt meist in einem kleinenFehler im Erbgut. Mit dem Identifizieren dieser Mu-tation ist es zwar noch lange nicht getan. Aber dieMöglichkeit, Proteine am Computer zu designenund die Wirkung neuer Substanzen im Zellmodellunter Einsatz von Robotersystemen zu testen, hilftbei der systematischen Suche nach wirksamen Me-dikamenten. Und auch die Selbsthilfe leistet einenwichtigen Beitrag. Heute gibt es etablierte Register,die zum Teil auf Initiative der Selbsthilfe entstandensind. Wissenschaftler, die eine Studie planen, habendamit eine Anlaufstelle, an die sie sich wenden können.

Dass es nicht immer das eine einzelne Medikament,die eine Entdeckung ist, die zum Durchbruch führt,verdeutlicht Hebestreit am Beispiel Mukoviszidose.Erstmals beschrieben wurde die Krankheit, die unteranderem Lunge und Verdauungstrakt betrifft, im Jahr1936. Damals lag die Lebenserwartung noch untereinem Jahr. Heute erreichen die Betroffenen in derRegel das Erwachsenenalter, können einen Beruf aus-üben und Familie haben. Diese positive Entwicklungist das Ergebnis vieler kleiner Schritte: die Einführungeines einfachen Tests zur Diagnosefindung, Atem-,Antibiotika- und Enzymersatztherapie, gut organi-sierte Selbsthilfe, Lungentransplantation, Sport. All

Kleine DurchbrücheWarum sich die Forschung zuSeltenen Erkrankungen lohnt diese kleinen Durchbrüche führten dazu, dass die

Lebenserwartung über die Jahrzehnte kontinuierlichangestiegen ist.

Einige der Erkenntnisse aus der Mukoviszidose-Forschung haben auch zu einem besseren Verständ-nis von anderen Seltenen und von Volkskrankheitengeführt. Beispiel Sport: „In einer Studie haben wiruntersucht, wie sich drei Stunden Sport zusätzlichpro Woche bei Mukoviszidose auswirken“, berich-tet Hebestreit. „Die Erkenntnisse darüber, wie manMenschen zu mehr Bewegung motivieren kann, lassensich auf viele andere Krankheiten übertragen.“

Und in vielen Fällen hat die Entwicklung neuerdiagnostischer Verfahren, Medikamente oder The-rapiekonzepte Patienten mit Seltenen Erkrankungenbereits zu mehr Lebensqualität und einer höherenLebenserwartung verholfen: ein neues Untersuchungs-verfahren, mit dem man eine mögliche Herzbeteiligungbei der Seltenen Krankheit Morbus Fabry feststellenund so unter Umständen tödliche Komplikationenverhindern kann. Eine Untersuchungsmethode, mitder sich darstellen lässt, in welchen Organen dieKrankheit Sarkoidose Entzündungen hervorruft. Oderdas Nebennierenkarzinom, wo Wissenschaftler derUniklinik dabei sind, aus einer neuen Diagnosemetho-de eine Therapie zu entwickeln. Das sind nur einigeBeispiele dafür, dass die Forschung am Uniklinikumbereits Verbesserungen für Menschen mit SeltenenErkrankungen gebracht hat.

„Das Uniklinikum und die Universität Würzburgbieten hervorragende Voraussetzungen für die Erfor-schung Seltener Erkrankungen“, sagt Hebestreit. Dadiese häufig mehrere Organsysteme betreffen, mussman bei Therapie und Forschung über die Fachgren-zen hinaus zusammenarbeiten, so wie das am Unikli-nikum gelebt wird. „Man darf nicht darauf bauen,dass man rasch die ,magische Pille‘ findet. Aber vielekleine Schritte führen auch zum Erfolg.“

Wer an einer Seltenen Erkrankung leidet, kannsich selbst oder über seinen Arzt an das Zentrum fürSeltene Erkrankungen (ZESE) wenden. Dort werdennicht nur Betroffene an die richtige Stelle inner- oderaußerhalb des Klinikums verwiesen. Auch für Pati-enten, die noch nicht wissen, unter welcher Erkran-kung sie leiden, gibt es eine Sprechstunde.

Zentrum für Seltene Erkrankungen:Tel.: (09 31) 2 01 - 2 77 29, E-Mail: [email protected]: www.zese.ukw.de

Professor Dr. Helge Hebestreit,Stellvertreter des Direktors derKinderklinik des Universitätskli-nikums, Leiter der PädiatrischenPneumologie, Allergologie undMukoviszidose-Experte sowieSprecher des Zentrums für Sel-tene Erkrankungen

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8 Text: Martina Häring, Fotos: Uniklinik, Selbsthilfegruppe Hypophosphatasie Deutschland e.V. (Gerald Brandt)

GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Fehlerhaftes KnochenenzymInzwischen ist Würzburg das europaweit größte Zentrum für

die Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit der Krankheit Hypophosphatasie.

RUBRIK

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KLINISCHE FORSCHUNGGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Hypophosphatasie ist eineseltene, angeborene Störungdes Knochenstoffwechsels.

Wie sie sich beim Einzelnen äußert,ist nicht vorherzusehen und reichtvon einem frühen Tod bis hin zu rheu-maähnlichen Beschwerden, die erstim Laufe des Lebens beginnen. In derWürzburger Kinderklinik und Polikli-nik sowie in der Orthopädischen Kli-nik König-Ludwig-Haus werden dieBetroffenen seit vielen Jahren betreut.Inzwischen ist Würzburg das europa-weit größte Zentrum für die Behand-lung von Kindern und Erwachsenenmit der Krankheit Hypophosphatasie.Eine Gruppe von Wissenschaftlernund Wissenschaftlerinnen erforschtdie Krankheit und deren Behandlungund hat damit bereits einen Beitrag fürdie bessere Versorgung leisten können.„Kollegen und Betroffene kommenaus ganz Europa in die WürzburgerUniversitäts-Kinderklinik und dieOrthopädie im König-Ludwig-Haus“,sagt Professor Franz Jakob vom Mus-kuloskelettalen Centrum Würzburg.

Die Symptome der Hypophospha-tasie sind sehr unterschiedlich: Bei Kin-dern können paradoxerweise die Schä-delnähte früh verknöchern – das hindertdas Gehirn daran, sich auszudehnen: Eskann zu einer lebensgefährlichen Erhö-hung des Druckes im Schädel kommen.Bei Belastung anderer Knochen kommtes hingegen, teilweise bereits im Mut-terleib, zur Verformung und zum Bruchvon Knochen, die dann schlecht heilen.Auch die Wachstumsfugen sind in Mit-leidenschaft gezogen, sodass Betroffenehäufig minder- oder kleinwüchsig sind.Auch die Zähne können ausfallen.

Zurückzuführen sind all diese Be-schwerden auf ein Enzym, das aufgrundeiner Mutation im Erbgut nicht richtigfunktioniert: Es heißt alkalische Phos-phatase. „Das Organsystem Knochen istkeinesfalls nur lebloses, hartes Material“,sagt Jakob. Vielmehr ist der Knochenständigen Auf- und Abbauprozessenunterworfen. „Wenn wir zum Beispielhüpfen oder springen, weiß der Kno-chen, dass er aktiv werden muss.“ Diealkalische Phosphatase reguliert dabeidie Mineralisierung und trägt auch zurKnochenneubildung bei.

Über die Funktion des Enzyms imKnochen weiß man schon sehr viel. We-nig erforscht ist jedoch bisher, welcheAufgaben die alkalische Phosphatasein anderen Organen hat – etwa in derNiere, im Magen-Darm-Trakt oder imNervensystem. Auch daran arbeiten dieWissenschaftler. Denn auch dort führtder Mangel an funktionierender alka-lischer Phosphatase zu Beschwerdenwie Gewichtsabnahme, Verkalkung derNieren oder Fehlfunktion der Nerven-

zellen, was zu Krampfanfällen führenund möglicherweise auch bei der oftbeobachteten Neigung zu depressiverVerstimmung eine Rolle spielt.

Solche Krankheitsprozesse sind bis-her nur unzureichend verstanden. Wel-che Funktion hat die alkalische Phos-phatase in den Organen? Warum ist dieAusprägung der Krankheit von Menschzu Mensch unterschiedlich, auch wennder gleiche Gendefekt vorliegt? Nicht zuwissen, wie sich die Krankheit auf daseigene Leben auswirken wird, ist sehrbelastend. Daher will man auch heraus-finden, wie man den Krankheitsverlaufbesser vorhersagen kann.

Die Symptome sind zu lindern

Zwar gibt es keine ursächliche Therapie.Dennoch kann man Symptome lindern.„Auch dem Patienten mitzuteilen, dasses einen Grund für die Beschwerdengibt, kann schon hilfreich sein“, sagtJakob. Denn nicht selten werden Be-troffene aufgrund der unspezifischenBeschwerden in die „Psycho-Ecke“gestellt. „Trotzdem können sie, wennman ihnen die nötigen Hilfsmittel zurVerfügung stellt, am Arbeitsplatz vielleisten.“ Eine wichtige Rolle spielt dabeidie Selbsthilfe, mit der die Medizinereng zusammenarbeiten. Nicht zufällighat auch der Bundesverband der deut-schen Hypophosphatasie-Selbsthilfeseinen Sitz in Würzburg.

Beratung, Physiotherapie, Schmerz-therapie, Operation von Knochenbrü-chen in spezialisierten Zentren, orga-nisierte Selbsthilfe – viele Maßnahmenhaben dazu beigetragen, die Lebensqua-lität von Hypophosphatasie-Betroffenenzu verbessern. Große Erwartungen gibtes darüber hinaus in eine Enzymersatz-therapie, mit der man die Krankheitauch ursächlich bekämpfen kann. Einin den USA entwickeltes Medikament

gibt Grund zur Hoffnung, wie eine Stu-die mit schwer erkrankten Säuglingenund Kindern kürzlich zeigte. Die mei-sten Teilnehmer der weltweiten Studiehat Privatdozentin Dr. Christine Hof-mann in der Würzburger Universitäts-Kinderklinik betreut. Viele der Kinderkonnten dank der neuen Therapie ge-rettet werden. „Im Röntgenbild zeigtsich deutlich, wie der Knochen verkalkt,und auch das klinische Beschwerdebildbessert sich signifikant, besonders dieMuskelkraft und die Motorik“, so dieKinderärztin.

Ein zweites Medikament, das beider Hypophosphatasie in Zukunft zumEinsatz kommen kann, sind Anti-Skle-rostin-Antikörper. Sie wurden durch dieErforschung einer anderen SeltenenKrankheit entdeckt, bei der der Knochennicht schwindet, sondern verdickt ist.„Die Erkenntnisse haben dazu geführt,dass man einen Wirkstoff entwickelnkonnte, der Knochenaufbau stimuliert“,erklärt der Orthopäde Dr. Lothar See-fried, der die Studie mit seinem Team amKönig-Ludwig-Haus durchgeführt hat.In Zukunft soll er unter anderem auchbei Osteoporose zum Einsatz kommen.Für diese Anwendung befindet sich dasMedikament derzeit in der letzten Phaseder klinischen Prüfung. Bei Erwachse-

Röntgenaufnahme der unteren Extre-mität inklusive der Kniegelenke eines15 Monate alten Mädchens mit einerschweren Form der HPP: rachitisähn-liche Veränderungen zwischen Kno-chenschaft und Wachstumsfuge.

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Es geht immerums Ganze.

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nen mit etwas milderen Formen derHypophosphatasie ist die Behandlungbereits erprobt. „Wir versprechen unsvon der knochenaufbauenden Behand-lung sehr viel für die Erwachsenen mitHypophosphatasie“, so Seefried.

Viele der neuen Therapien sind sehrteuer, räumt Jakob ein. „Es stellt sich dieFrage, wie viel unser Gesundheitssystemleisten und verkraften kann.“ Unstrittigist, dass die Enzymersatz-Behandlungbei Kindern angewendet werden sollte,die sonst sterben oder wesentlich in ihrerEntwicklung eingeschränkt würden. BeiBetroffenen, die bis ins Erwachsenen-alter ohne größere Probleme zurecht-kommen, wäre eine knochenaufbauendeTherapie womöglich hilfreich.

Ziel ist es, so Hofmann, ein interdis-ziplinäres Team aufzubauen, das über diegesamte Lebensspanne hinweg beratenund helfen kann. Dazu gehören nebenDisziplinen wie der Humangenetik oderder Neurochirurgie auch die Grundla-genforschung, die im Würzburger Teamdurch Dr. Birgit Mentrup und StephanieGraser repräsentiert ist. Hilfreich ist da-bei auch das neu gegründete Zentrumfür Seltene Erkrankungen. Jakob: „Hiersind alle Kompetenzfelder vertreten, dieeine solche hoch qualifizierte Anlauf-stelle braucht.“

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10 Text: Martina Häring, Foto: Uniklinik, Thinkstock

GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015KLINISCHE FORSCHUNG

Das Comprehensive Cancer Center Main-franken ist eines von 13 OnkologischenSpitzenzentren in Deutschland. Damit hat

es nicht nur den Auftrag, Krebspatienten optimalmedizinisch zu versorgen, sondern es muss auch dieKrebsforschung vorantreiben und die Erkenntnissedieser Forschung Kranken möglichst schnell zurVerfügung stellen. So will es die Deutsche Krebs-hilfe, die die Zentren zertifiziert. In der Krebsfor-schung gibt es vielversprechende Ansätze, die teilsbereits zu besseren Therapiemöglichkeiten geführthaben. Und es besteht Grund zur Hoffnung, dasssich in den nächsten Jahren noch mehr tun wird.

Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist eineForm von Blutkrebs. Akut nennt man sie deshalb,weil sie – unbehandelt – innerhalb weniger Wochenzum Tod führt. Noch vor 30 bis 40 Jahren war dieKrankheit ein Todesurteil, heute kann man sie mitChemo- und Strahlentherapie in der Regel gut be-handeln. Für Professor Ralf Bargou ist sie auch einBeispiel dafür, wie schwer kranke Krebspatienten vonklinischer Forschung profitieren können.

Der Direktor des Comprehensive Cancer CentersMainfranken (CCC MF) kann sich noch gut an eine78-jährige Patientin erinnern, bei der eine ALL festge-stellt wurde. Aufgrund der Diagnose und ihres hohenAlters schätzten die Ärzte ihre Überlebenschancen– auch mit Chemo- oder Strahlentherapie – nicht gutein. Man ging davon aus, dass die Frau innerhalb vonWochen oder Monaten sterben würde.

Zu dieser Zeit – 2008 – hatte man am Uniklinikumgerade eine experimentelle Therapie entwickelt, eineImmuntherapie, die das körpereigene Abwehrsystemnutzt, um den Krebs zu bekämpfen. „Wir boten derPatientin an, an der Studie teilzunehmen, und siewilligte ein“, sagt Bargou. Damit war sie einer derersten Patienten mit ALL, die das neu entwickelteMedikament – Blinatumomab – im Rahmen der Studiebekamen. Der Erfolg war überraschend gut: Der Krebsging schnell zurück, und auch heute, sechseinhalb Jah-re später, ist die Patientin anhaltend leukämiefrei. „DiePatientin wird wohl nicht an ihrer Krebserkrankungsterben.“ So optimal laufe es zwar nicht immer, sagtBargou. „Aber das ist auch kein Einzelfall.“

Dass neue Krebsmedikamente entwickelt werdenkönnen, haben wir vor allem zwei Forschungsansätzenzu verdanken. Der erste beruht auf der Erkenntnis,dass Krebs durch Mutationen im Erbgut entsteht, dieder Mensch im Laufe seines Lebens erwirbt. Bei diesenMutationen spielen wohl weniger häufig vererbte Gen-veränderungen eine Rolle, und auch nicht überwie-gend äußere Einflüsse wie Strahlen oder Schadstoffe.„Ernährung, Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangelund Übergewicht spielen zwar eine Rolle“, so Bar-gou. „Zum Teil ist es aber auch einfach Pech.“ Dasbedeutet auch: Die Zunahme der Krebserkrankungen

Der Kampf gegen KrebsIn der Krebsforschung gibt es vielversprechende Ansätze, die teils bereits zu besseren Therapiemöglichkeitengeführt haben. Und es besteht Grund zur Hoffnung, dass sich in den nächsten Jahren noch mehr tun wird.

hat vor allem demografische Gründe. Krebs ist eineErkrankung des Älterwerdens.

Typischerweise finden sich die Mutationen, die zuKrebs führen, in Genen, die das Wachstum der Kör-perzellen regulieren. Die Veränderungen im Erbgutbewirken dann, dass das Wachstum der Zellen nichtmehr gestoppt werden kann. „Das hat man bereits vor20 oder 30 Jahren entdeckt“, so Bargou. Nutzbar wur-de dieses Wissen jedoch erst durch den Einsatz neuerTechnologien bei der Medikamentenentwicklung.

Allerdings ist es nicht eine einzelne Mutation,die zum Krebs führt, sondern immer mehrere. NeueTechnologien haben es möglich gemacht, von jedemeinzelnen Tumor einen genetischen Fingerabdruckanzufertigen. Das brachte den Forschern eine wei-tere überraschende Erkenntnis: Kein Tumor ist wieder andere. „Bisher haben die Mediziner zum Bei-spiel beim Lungenkrebs zwei bis drei Untergruppenunterschieden“, erklärt Bargou. Genetisch gesehensind es jedoch so viele Untergruppen, wie es Tumoregibt. Von dieser Erkenntnis leitet sich der Begriff derpersonalisierten Medizin ab. Für die Krebsforscherstellte sich die Frage: Braucht man für jeden Patienteneine andere Therapie? Ganz so drastisch scheint esnicht zu sein. Wohl aber bietet sich die Chance, neueTherapien zu entwickeln, die genau auf eine bestimmteVeränderung im Tumor-Erbgut zugeschnitten sind.

Ein weiteres vielversprechendes Feld in der Krebs-forschung sind Therapien, die das Immunsystem ge-gen Krebs einsetzen – so wie bei der fast 80-jährigenLeukämiepatientin. Schon seit Jahrzehnten wird darangeforscht, wie man sich T-Killerzellen bei der Krebs-

behandlung zunutze machen kann. Diese Zellen geltenals die wirksamste Waffe des Immunsystems. Heuteweiß man: Die Tumoren manipulieren die T-Zellen,indem sie diese blockieren. Oder indem sie sich eineTarnkappe aufsetzen, die sie für die T-Zellen unsicht-bar macht. Beides kann man inzwischen therapeutischangehen. Etwa durch BiTE-Antikörper, die die ge-tarnte Tumorzelle wieder sichtbar werden lässt und diefederführend am CCC, und hier schwerpunktmäßigin der Abteilung für Hämatologie und Onkologie derMedizinischen Klinik II des UKW, entwickelt wurden.Im Dezember letzten Jahres wurden sie in den USAzugelassen. Und mittlerweile gibt es Folgekonzeptevieler Pharmaunternehmen – unter anderem für einMedikament gegen Prostatakrebs, das ebenfalls amUKW entwickelt wird.

Um möglichst vielen Patienten möglichst bald Zu-gang zu den modernen Therapien zu ermöglichen, istes wichtig, auch Patienten in der Region und auf demLand die Teilnahme an Studien anbieten zu können.Durch Kooperationen des CCC MF können auchPatienten, die in onkologischen Praxen oder in anderenKliniken behandelt werden, im Rahmen von Studienvon neuen Therapien profitieren.

Professor Ralf Bargou, Direktordes Comprehensive CancerCenter Mainfranken (Internet:www.ccc.uni-wuerzburg.de)

Krebszellen: Die Zunahme von Krebserkrankungen hat vor allem demografische Gründe.

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KLINISCHE FORSCHUNG

Text: Martina Häring, Foto: Alice Natter

GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

1,2 Millionen Proben von menschlichem Biomaterialwie Blut, Urin, Nervenwasser oder Gewebe könnenderzeit in der Biobank am Würzburger Uniklinikum(UKW) eingelagert werden. Bei minus 80 Grad wer-den sie dort konserviert, bis sie für ein Forschungs-projekt gebraucht werden. Die Biomaterialbank istnicht nur ein großes Plus für den ForschungsstandortWürzburg. Sie ist wesentliche Voraussetzung fürdie weitere Forschung im Sinne einer personalisier-ten Medizin und kann helfen, bessere Therapien zufinden und Krankheiten früher und zuverlässiger zuerkennen. Fragen an Professor Roland Jahns, Leiterder Interdisziplinären Biomaterial- und Datenbank:

Was ist die ibdw?Die Interdisziplinäre Biomaterial- und DatenbankWürzburg (ibdw), die im Sommer 2013 eröffnet wur-de, ist eine gemeinsame Einrichtung von Uniklinikund Universität. Hier werden flüssige Biomaterialien(Blut, Serum, Urin) und auch Gewebeproben unterhöchsten Qualitätsstandards für die Forschung auf-bewahrt. Die ibdw ist eine von fünf auserwählten„nationalen Biobanken“ und die einzige in Bayern.

Warum brauchen wir Biobanken?Bisher gab es keine einheitlichen Standards, wennBlutproben für die Forschung aufbewahrt wurden.Meist gab es dafür einen haushaltsüblichen Kühl- oderGefrierschrank, die Temperatur, die darin herrschte,wurde nicht überwacht, der Zeitpunkt der Blutent-nahme nicht dokumentiert. Inzwischen weiß man,dass eine solche unkontrollierte Aufbewahrung feh-lerhafte Studienergebnisse nach sich ziehen kann.

Was soll an den Proben erforscht werden?Die Forscher hoffen, mithilfe der Proben einerseitsverbesserte Therapien entwickeln zu können, ande-rerseits sind sie auf der Suche nach (Bio-)Markern,mit denen sich Krankheiten früher und zuverlässigerdiagnostizieren oder sogar noch vor ihrem Ausbruchvorhersagen lassen. Solche Marker sind auch für dieimmer wichtiger werdenden personalisierten Krebs-therapien von großer Bedeutung. Zusätzlich wird vonder ibdw eine eigene Biobank-Forschung betrieben:Dabei will man untersuchen, welchen Einfluss die

Langzeit-Lagerung auf Veränderungen der Biomarkerhat. Bisher weiß man darüber noch nicht sehr viel.

Woher stammen die Proben?Möglichst jeder Patient, der das Uniklinikum be-tritt, wird gefragt, ob er bereit ist, Biomaterial für diemedizinische Forschung zur Verfügung zu stellen.Wenn er zugestimmt hat und ihm aus medizinischenGründen Blut abgenommen wird, nehmen die Ärztedann noch zwei bis drei Röhrchen Blut zusätzlichfür die Biobank ab. Wird im Rahmen einer geplantenOperation Gewebe entnommen, kann auch ein für dieDiagnosestellung nicht mehr benötigter Teil davoneingelagert werden. Seine Einwilligung kann der Pati-ent – auch nach der Biomaterial-Entnahme – jederzeitwiderrufen. Die Proben werden dann vernichtet.

Wie werden die Proben eingelagert?Die Aufbewahrung der Proben beginnt bereits beider Blutentnahme. Ein Barcode-Scan verhindertVerwechslungen und dokumentiert den Zeitpunktder Biomaterial-Entnahme – eine Technik, die mitder Biobank eingeführt wurde, von der aber alleUniklinik-Patienten profitieren, da sie für sämtlicheLaboruntersuchungen verwendet wird. „Ein Ver-wechseln von Blutproben ist dadurch praktisch nichtmehr möglich“, sagt Professor Christoph Reiners,der Ärztliche Direktor des UKW. Eine Handy-Appverrät den ibdw-Mitarbeitern, wann Blutproben imZentrallabor bereitstehen, ein Kurierdienst holt diesewenn nötig im Halbstunden-Takt ab. In der Biobankwird das Material vollautomatisch weiterverarbeitet:Ein Pipettier-Roboter verteilt das flüssige Material aufmehrere Mini-Röhrchen, die mit einem 2-D-Barcodeversehen sind und später einzeln entnommen wer-den können. Ebenfalls vollautomatisch werden dieProben dann in einen Kryocontainer einsortiert, indem konstant minus 80 Grad herrschen.

Welche Daten werden gespeichert?Ganz ohne damit verknüpfte Daten – wie Alter,Geschlecht und Hauptdiagnose – wären die Probennutzlos. Von der ibdw selbst werden jedoch so we-nige Daten wie möglich gespeichert. Zudem werdendiese pseudonymisiert, also verschlüsselt. Weder den

Biobank-Mitarbeitern noch den Forschern, die mitden Proben arbeiten, sind die Namen der Patientenbekannt, sie arbeiten mit einer Nummer. Nur der be-hördliche Datenschützer des UKW kann die Nummerbei Bedarf wieder dem Namen des Patienten zuordnen– etwa, wenn dieser seine Einwilligung widerruft.

Wie kommen die Forscher an die Proben?Um von der Biobank Materialproben zu bekommen,muss ein Forschungsprojekt zunächst durch eineEthikkommission beurteilt werden. Dann entschei-det ein wissenschaftlicher Ausschuss der ibdw überdie Herausgabe von Bioproben. Sowohl nationale alsauch internationale Forschergruppen können bei deribdw Biomaterial beantragen. Auch mit der Unikli-nik kooperierende private Forschungsunternehmenkönnen kostenpflichtig Biomaterial anfordern.

Wie wird die Biobank finanziert?Die ibdw wird vom Bundesforschungsministeriummit 7,5 Millionen Euro gefördert. Das Biobank-Ge-bäude, das etwa 1,5 Millionen Euro kostete, hat dieMedizinische Fakultät „spendiert“.

Wie kann ich helfen, die klinische Forschung zuverbessern?Professor Roland Jahns, Kardiologe und Direktorder ibdw, ruft alle Patienten des Uniklinikums auf,menschliches Biomaterial abzugeben: „Biobankenhüten das wissenschaftliche Gold der Zukunft. Un-sere Patienten leisten damit einen wichtigen Beitragzur Forschung.“ Und er ist auch sicher, dass die Exi-stenz der ibdw den Wissenschaftsstandort Würzburgstärkt: „In Zukunft werden viele Forschungsgeldernur noch an Unikliniken vergeben werden, die eineeigene qualitätskontrollierte Biobank haben.“

Kann ich erfahren, für welche Forschungspro-jekte mein Biomaterial verwendet wurde?Aus Datenschutzgründen ist eine direkte Zuordnungnicht möglich. Die ibdw betreibt aber eine intensiveÖffentlichkeitsarbeit und informiert unter anderemauf ihrer Homepage über Forschungsprojekte, die diegespendeten Biomaterialien erfolgreich nutzen undüber aktuelle eigene Aktivitäten: www.ibdw.ukw.de

Wissenschaftliches GoldWie die Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg, eine gemeinsame Einrichtung von Uniklinik

und Universität, hilft, bessere Therapien zu finden und Krankheiten früher und zuverlässiger zu erkennen.

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Frank Kupke, Foto: Thinkstock, Uniklinik Marburg

KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE

Professor Dr. Dr. Helmut Remschmidt giltals einer der weltweit bedeutendsten Kin-der- und Jugendpsychiater. Jüngst verlieh

die Medizinische Fakultät der Universität Würz-burg dem 77-Jährigen die Ehrendoktorwürde.Der aus dem früher rumänischen, heute ukra-inischen Czernowitz stammende Remschmidttrug durch seine Kompetenz und sein Charismamaßgeblich dazu bei, dass das nach der NS-Zeitangekratzte Image der deutschen Kinder- und Ju-gendpsychiatrie wieder an Ansehen gewann. Dervielseitige und leidenschaftliche Wissenschaftlerhat auch in Würzburg seine Spuren hinterlassen.

Sie haben vor kurzem die Ehrendoktorwürdeder Universität Würzburg bekommen. Was ver-bindet Sie mit Würzburg?Professor Dr. Dr. Helmut Remschmidt: Nun, dagibt es so einiges. Da ist zunächst einmal ProfessorAndreas Warnke, der zwei Jahrzehnte lang, von1992 bis 2012, die Kinder- und Jugendpsychiatrieam Würzburger Universitätsklinikum leitete. Daer unter anderem bei mir ausgebildet wurde, binich ihm inhaltlich und menschlich seit langem ver-bunden. Der Nachfolger von Professor Warnke alsLeiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie, ProfessorMarcel Romanos, ist zwar nicht direkter Schülervon mir, sondern von Herrn Warnke, er hat aberauch bei einem Professor in München gearbeitet, derwiederum mein Schüler ist. Außerdem war ich achtJahre lang eines von zwei externen Mitgliedern iminsgesamt neunköpfigen Gremium des Aufsichts-rats des Universitätsklinikums Würzburg. DieseAufgabe war insbesondere deshalb bedeutsam, weilsie in eine Zeit fiel, in der eine Reihe wichtiger Ent-scheidungen des Universitätsklinikums getroffenwurden. Dazu gehörten neben einer strukturellenund strategischen Neuausrichtung des Klinikumsvor allem der Entschluss zum Neubau der Zentrenfür Innere und Operative Medizin.

Sie haben in Erlangen, Tübingen und WienMedizin, Psychologie und Philosophie studiert.Sie wurden promoviert zum Dr. med., zum Dr.phil. und sind Diplompsychologe. Mit 37 Jah-ren wurden Sie Professor für Psychiatrie undNeurologie des Kindes- und Jugendalters ander Freien Universität Berlin. Ab 1980 waren

Eine weltweit führendeForscherpersönlichkeit

Der Kinder- und Jugendpsychiater Professor Helmut Remschmidt im Interview

Sie dann Professor für Kinder- und Jugendpsychi-atrie an der Philipps-Universität Marburg, diesenLehrstuhl hatten Sie bis zu Ihrer Emeritierung imJahr 2006 inne. Während Ihrer Tübinger Zeit ha-ben Sie also gleichzeitig drei Fächer studiert. AusIhrem Werdegang sprechen eine beachtliche Viel-seitigkeit und Zielstrebigkeit . . .Remschmidt (lacht): Ja, mich haben schon immergrundlegende Fragen interessiert. Das war schon inder Jugend so. Ich habe beispielsweise bereits in derSchule Autoren wie Nietzsche, Platon und Kant ge-lesen. Man kann vielleicht sagen, dass ich frühreifwar.

Und im Bereich der Kinder- und Jugendpsychi-atrie haben Sie später ja eine eigene Lehrrichtungbegründet, die Remschmidt-Schule.Remschmidt: Na ja, es sind die anderen Wissenschaft-ler, die meine Richtung als Schule bezeichnen. Abernatürlich habe ich einige Interessensschwerpunkte

innerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Mei-ne Promotion schrieb ich über Persönlichkeitsän-derungen von Epileptikern. Meine hauptsächlichenArbeitsgebiete sind Essstörungen bei Kindern undJugendlichen, Entwicklungspsychopathologie, Schizo-phrenie, und bei der Schizophrenie insbesondere dieFrage nach der Erstmanifestation der Krankheit, alsodem Zeitpunkt, zu dem die Schizophrenie erstmalsklar erkennbar bei einem Kind oder Jugendlichenauftritt. Bei alledem ist mir die Rückbindung an denmessbaren körperlichen Befund, insbesondere, wasdie Hirnfunktion betrifft, wichtig und die Plausibilitätvon Erklärungen.

Sie waren jahrelang als Sachverständiger beiStrafprozessen tätig.Remschmidt: Ich bin es immer noch. Meine Erfah-rungen aus einer Langzeitstudie in diesem Bereichhabe ich unter anderem vor wenigen Jahren in einemBuch anhand zahlreicher Beispiele beschrieben. Darinsind 114 Fälle dargestellt, in denen Kinder- oder Ju-gendliche ein Tötungsdelikt begangen oder versuchthaben.

Und in Ihrer Sachverständigentätigkeit geht esdann um ganz konkrete Dinge?Remschmidt: Es geht beispielsweise darum, dieGlaubwürdigkeit eines Hauptbelastungszeugen zuüberprüfen.

Das stelle ich mir sehr schwierig vor.Remschmidt: Nun, es gibt da ein paar erprobte He-rangehensweisen.

Zum Beispiel?Remschmidt: Wenn man wissen möchte, ob eineZeugenaussage, die den Angeklagten schwer bela-stet, glaubwürdig ist, ist es hilfreich, den Zeugen zubitten, das Geschehen einfach mal von Anfang anspontan zu schildern. Dabei sollte der Zeuge so vielZeit bekommen, wie er nötig hat, man sollte nichtdazwischenfragen, sondern den Zeugen reden lassen.

Und woran erkenne ich, ob das alles stimmt?Remschmidt: Es gibt da ein paar Hinweise. In ersterLinie geht es da um sogenannte Realkennzeichen wiedie Detailfülle. Wenn ein Zeuge zum Beispiel Dingeschildert, die mit dem eigentlichen Tatvorwurf nichts

„Man kannvielleicht sagen,

dass ichfrühreif war.“

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KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIEGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

zu tun haben – wie etwa Angaben zum Wetter, dassin der Nähe des Tatorts Autolärm oder Musik zuhören war oder Ähnliches – dann lässt das daraufschließen, dass die tatrelevanten Aspekte der Zeu-genaussage glaubwürdig sind. Denn solche an sichbelanglosen Details denkt man sich nicht aus. So etwaserfindet man nicht.

Neben Ihrem Beruf, Ihrer Familie, Sie sind ver-heiratet, haben zwei Kinder und vier Enkelkinder,und Ihren Hobbys, Sie lieben klassische Musikund spielen Klavier, haben Sie sogar noch Zeit, umLehrbücher zu schreiben?

Remschmidt: Ja, ich halte es für sehr wichtig, dassder wissenschaftliche Nachwuchs gute Lehrbücherin den Händen hat. Das ist aber immer weniger derFall, weil Lehrbücher nicht als wissenschaftlicheVeröffentlichung gelten, für die man als Arzt undWissenschaftler Impact-Punkte erhält. Dieser Um-stand ist umso bedauerlicher, weil das Studium inDeutschland immer mehr verschult wird und eskaum noch zu einer wirklich tieferen Auseinan-dersetzung mit dem Wissen während des Studiumskommt. Deshalb halte ich das Online-Lehrbuch füreine sehr wichtige Sache, das die International As-sociation for Child and Adolescent Psychiatry and

Allied Professions (IACAPAP), deren Präsidentich war und deren Ehrenpräsident ich nunmehrbin, ins Internet gestellt hat. Als äußerst fruchtbarhaben sich für den wissenschaftlichen Nachwuchsdie hochkarätig besetzten Helmut RemschmidtResearch Seminars erwiesen. Diese einwöchigenSeminare finden rund um den gesamten Globusstatt. Im Abstand von ein bis drei Jahren treffensich junge mit erfahrenen Kinder- und Jugend-psychiatern, um neueste Themen gemeinsam zuerarbeiten. Das nächste Helmut RemschmidtResearch Seminar findet im September im kana-dischen Calgary statt.

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015PROSTATAKARZINOM

An der Klinik und Poliklinik für Urologieund Kinderurologie des Universitätskli-nikums Würzburg wird Spitzenmedizin

betrieben. Zwei jüngst erfolgte Auszeichnungen be-legen, dass dort zum einen Diagnostik und Therapiedes Prostatakrebses auf höchstem Niveau stattfin-det. Zum anderen spielt die Erforschung des Pro-statakarzinoms eine große Rolle. Dies drückt sichin beiden Auszeichnungen aus. Denn die Klinikund Poliklinik für Urologie und Kinderurologie hatin Kooperation mit der Klinik und Poliklinik fürStrahlentherapie das Gütesiegel „Zertifiziertes Pro-statakarzinom-Zentrum“ von der Deutschen Krebs-gesellschaft erhalten. Zudem ist eine Forschergruppeder Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinder-urologie mit dem renommierten „Prostate CancerResearch Award 2015“ ausgezeichnet worden, dendie European Association of Urology (EAU) einmalim Jahr verleiht.

Beides spiegelt das hohe Maß an ärztlicher Kompe-tenz wider, die an der Klinik und Poliklinik für Uro-logie und Kinderurologie des UniversitätsklinikumsWürzburg vorhanden ist, sagt Klinikdirektor ProfessorDr. Hubertus Riedmiller, der das Prostatakarzinom-Zentrum leitet.

Interdisziplinäres Zusammenspiel

Wie der Klinikdirektor schildert, ist es schon ansich eine Auszeichnung, dass die Klinik in Koope-ration mit der Strahlentherapie das Gütesiegel „Zer-tifiziertes Prostatakarzinom-Zentrum“ erhalten hat.Die unabhängigen Auditoren der Deutschen Krebsge-sellschaft prüften in einem umfangreichen Verfahren,ob Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinomsan beiden Kliniken den hohen Anforderungen ent-sprechen, um das Gütesiegel zu erhalten. Die Prüferuntersuchten detailliert den Stand und das Niveauin den Bereichen Diagnostik und Therapie. Dabeinahmen die unabhängigen Auditoren sämtliche medi-zinischen, fachlichen und organisatorischen Abläufeunter die Lupe.

Spitzenmedizin inTherapie und Forschung

Am Prostatakarzinom-Zentrum des Universitätsklinikums Würzburg wird Außergewöhnliches geleistet

Besonderen Wert legten sie auf das interdiszipli-näre Zusammenspiel der Ärzte, wie es an der Kli-nik im Tumorboard fest eingerichtet ist. Bei diesenwöchentlich stattfindenden interdisziplinären Kon-ferenzen bespricht ein Team aller beteiligten Institu-tionen die Befunde und Beschwerden jedes einzelnenPatienten. Daran nehmen neben Urologen und Strah-lentherapeuten auch Onkologen, Pathologen, Radi-ologen und Nuklearmediziner teil. Ziel ist es, einenauf jeden einzelnen Patienten exakt zugeschnittenenBehandlungsplan zu entwickeln. Doch damit ist esnicht getan. Denn um das Gütesiegel zu behalten,muss sich das Prostatakarzinom-Zentrum weiterhineiner jährlichen Prüfung durch die Deutsche Krebs-gesellschaft unterziehen.

Das Besondere an der Klinik und Poliklinik fürUrologie und Kinderurologie des Universitätsklini-kums ist, dass neben dem Prostatakarzinom-Zentrumintensive klinische und experimentelle Forschung inden klinikeigenen Labors betrieben wird. Wie Klinik-direktor Riedmiller erläutert, ist das Prostatakarzinommit deutschlandweit derzeit zirka 68 000 Neuerkran-kungen nicht nur die häufigste Krebsart bei Männern,sondern auch die dritthäufigste tumorbedingte To-desursache bei Männern.

Dabei zeichnet sich das Prostatakarzinom durcheine enorme Heterogenität bezüglich Aggressivitätund Progressionswahrscheinlichkeit aus, die von Pati-ent zu Patient stark variiert. Ein Mann kann durchausam Prostatakarzinom erkrankt sein, ohne lebenslangdadurch relevante Probleme zu erleiden. Bei einem an-deren kann im Rahmen der Früherkennungsuntersu-chungen ein Prostatakarzinom diagnostiziert werden,

das nach den konventionellen heutigen Maßstäbeneine sehr hohe Aggressivität aufweist. Hinweise aufein Hochrisiko-Prostatakarzinom sind bislang hoheWerte des Prostataspezifischen Antigens (PSA) sowiedie histologische Gradierung des Tumors.

Das Spektrum an möglichen Therapien reichtvon der aktiven Überwachung ohne therapeutischesEingreifen über eine medikamentöse Behandlung bishin zur Radikaloperation oder einer Strahlentherapiedes Tumors.

Für eine auf den Patienten individuell abgestimmteTherapie – möglicherweise mit gleichzeitigem Ein-satz verschiedener Therapieformen – ist es äußerstwichtig, bei jedem Tumor die Aggressivität und dieProgressionswahrscheinlichkeit des Krebses möglichstexakt zu erkennen. Genau in diese Richtung zielt diederzeitige Forschung. Dass eine Arbeitsgruppe derKlinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurolo-gie nun für ihre Arbeiten auf diesem Forschungsgebietden „Prostate Cancer Research Award 2015“ von derEuropäischen Urologenvereinigung erhalten hat, istfür alle Beteiligten und für das UniversitätsklinikumWürzburg von hoher Relevanz.

Die jungen Urologen und Urologinnen habendanach geforscht, welche Eigenschaften eines Pro-statakarzinoms verlässliche Hinweise auf den Grad derAggressivität und der Progressionswahrscheinlichkeitdes Krebses geben. Die Forscher haben bei der Suchenach diesen sogenannten „Biomarkern“ eine be-stimmte Form des menschlichen Erbgutesuntersucht – die sogenannte MikroRNA(dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt,um Teil- oder Bruchstücke der RNA). Siefanden und untersuchten zwei bestimmteMikroRNAs, die bei der Karzinogenese,also der Entstehung eines Prostatakarzi-noms, eine wesentliche Rolle spielen. DieForscher fanden heraus, wie hier der mo-lekulare Wirkmechanismus der MikroRNAim Tumor funktioniert. Die Mediziner machtenaber noch eine weitere Entdeckung: Bei manchenProstatakrebszellen ist eine bestimmte MikroRNA

Prostatakrebs istdie häufigste

Krebsartbeim Mann

Spitzenmedizin inTherapie und Forschung

Am Prostatakarzinom-Zentrum des Universitätsklinikums Würzburg wird Außergewöhnliches geleistet

Besonderen Wert legten sie auf das interdiszipli-näre Zusammenspiel der Ärzte, wie es an der Kli-nik im Tumorboard fest eingerichtet ist. Bei diesen wöchentlich stattfi ndenden interdisziplinären Kon-

das nach den konventionellen heutigen Maßstäben eine sehr hohe Aggressivität aufweist. Hinweise auf ein Hochrisiko-Prostatakarzinom sind bislang hohe Werte des Prostataspezifi schen Antigens (PSA) sowie die histologische Gradierung des Tumors.

Das Spektrum an möglichen Therapien reicht von der aktiven Überwachung ohne therapeutisches Eingreifen über eine medikamentöse Behandlung bis hin zur Radikaloperation oder einer Strahlentherapie des Tumors.

Für eine auf den Patienten individuell abgestimmte Therapie – möglicherweise mit gleichzeitigem Ein-satz verschiedener Therapieformen – ist es äußerst wichtig, bei jedem Tumor die Aggressivität und die Progressionswahrscheinlichkeit des Krebses möglichst exakt zu erkennen. Genau in diese Richtung zielt die derzeitige Forschung. Dass eine Arbeitsgruppe der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurolo-gie nun für ihre Arbeiten auf diesem Forschungsgebiet den „Prostate Cancer Research Award 2015“ von der Europäischen Urologenvereinigung erhalten hat, ist für alle Beteiligten und für das Universitätsklinikum Würzburg von hoher Relevanz.

Die jungen Urologen und Urologinnen haben danach geforscht, welche Eigenschaften eines Pro-statakarzinoms verlässliche Hinweise auf den Grad der Aggressivität und der Progressionswahrscheinlichkeit des Krebses geben. Die Forscher haben bei der Suche nach diesen sogenannten „Biomarkern“ eine be-stimmte Form des menschlichen Erbgutes untersucht – die sogenannte MikroRNA (dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt, um Teil- oder Bruchstücke der RNA). Sie fanden und untersuchten zwei bestimmte MikroRNAs, die bei der Karzinogenese, also der Entstehung eines Prostatakarzi-noms, eine wesentliche Rolle spielen. Die Forscher fanden heraus, wie hier der mo-lekulare Wirkmechanismus der MikroRNA im Tumor funktioniert. Die Mediziner machten aber noch eine weitere Entdeckung: Bei manchen Prostatakrebszellen ist eine bestimmte MikroRNA

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015 PROSTATAKARZINOM

Text: Frank Kupke, Foto: Uniklinik, Thinkstock

in der Zelle selbst nur wenig vorhanden, während eineandere zu viel vorhanden ist. Das Vorhandensein undNichtvorhandensein von bestimmten MikroRNAs ineiner Krebszelle lässt Rückschlüsse auf den Grad derAggressivität und Progressionswahrscheinlichkeit zu.

Eine relevante Perspektive

Auf diese Weise ist es möglich, präzisere Aussagenüber die Aggressivität des Tumors zu treffen. Dies wie-derum ermöglicht eine passgenaue Abstimmung derkonservativen und operativen Therapien. Aus einerweiteren Eigenschaft der untersuchten MikroRNAsergeben sich potenzielle neue Behandlungsmöglich-keiten. Die Forschergruppe konnte zeigen, dass beiProstatakrebszellen, die eine bestimmte MikroRNAnur in geringem Maße enthalten, die Zufuhr dieserMikroRNA zum Zelltod führen kann und damit dasTumorwachstum gebremst werden kann.

In Ergänzung zu den bisherigen Therapieformenergeben sich dadurch gezielte Therapiemöglichkeiten,„targeted therapies“, welche in der Zukunft etabliertwerden sollen. „Das ist eine relevante Perspektive beider Behandlung des Prostatakarzinoms“, sagt Ried-miller. Am Prostatakarzinom-Zentrum des Universi-tätsklinikums werden jährlich rund 200 Patienten mitProstatakarzinom-Neuerkrankung sowie etwa 500bis 600 weitere Prostatakarzinompatienten behandelt.

Professor Dr. Hubertus Ried-miller, Direktor der Klinik undPoliklinik für Urologie undKinderurologie.

GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015 PROSTATAKARZINOM

in der Zelle selbst nur wenig vorhanden, während eine andere zu viel vorhanden ist. Das Vorhandensein und Nichtvorhandensein von bestimmten MikroRNAs in einer Krebszelle lässt Rückschlüsse auf den Grad der Aggressivität und Progressionswahrscheinlichkeit zu.

Eine relevante Perspektive

Auf diese Weise ist es möglich, präzisere Aussagen über die Aggressivität des Tumors zu treffen. Dies wie-derum ermöglicht eine passgenaue Abstimmung der konservativen und operativen Therapien. Aus einer weiteren Eigenschaft der untersuchten MikroRNAs ergeben sich potenzielle neue Behandlungsmöglich-keiten. Die Forschergruppe konnte zeigen, dass bei Prostatakrebszellen, die eine bestimmte MikroRNA nur in geringem Maße enthalten, die Zufuhr dieser MikroRNA zum Zelltod führen kann und damit das Tumorwachstum gebremst werden kann.

In Ergänzung zu den bisherigen Therapieformen ergeben sich dadurch gezielte Therapiemöglichkeiten, „targeted therapies“, welche in der Zukunft etabliert werden sollen. „Das ist eine relevante Perspektive bei der Behandlung des Prostatakarzinoms“, sagt Ried-miller. Am Prostatakarzinom-Zentrum des Universi-tätsklinikums werden jährlich rund 200 Patienten mit Prostatakarzinom-Neuerkrankung sowie etwa 500 bis 600 weitere Prostatakarzinompatienten behandelt.

Professor Dr. Hubertus Ried-

Modell der sogenanntenMikro-RNA.

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Martina Häring, Fotos: Uniklinik, Fraunhofer IGB, Stuttgart

MUSKULOSKELETTALES CENTRUM

Wir werden immer älter. Aber wie wird esim Alter um die Lebensqualität bestelltsein? „Das hängt sehr davon ab, wie

mobil jemand ist“, sagt Professor Franz Jakob, derSprecher des interdisziplinären MuskuloskelettalenCentrums Würzburg (MCW). Ziel des Zentrumsist es, die klinische Versorgung zu verbessern unddie Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben.Neue Erkenntnisse sollen möglichst schnell beimPatienten ankommen. „Im MCW haben sich alleFachbereiche, die an der Behandlung von musku-loskelettalen Erkrankungen beteiligt sind, zusam-mengetan“, so Jakob. Neben Demenzen sind dieseErkrankungen der häufigste Grund dafür, dass Men-schen im Alter ihre Selbstständigkeit einbüßen.

Zudem sind Krankheiten, Verletzungen oder Be-schwerden des Bewegungsapparats schon heute eingroßes volkswirtschaftliches Problem, weil sie oftGrund für Krankschreibungen oder Frühverren-tungen sind. Mit der steigenden Lebenserwartung wirddieses Problem weiter wachsen. Am MCW forschtman intensiv zu der Frage, wie man Krankheiten desmuskuloskelettalen Systems besser vorbeugen undbehandeln kann.

Arthrose, Rückenschmerzen, Rheuma, Osteo-porose, Verletzungen von Sehnen, Bändern, Mus-keln und Knochen: 30 Millionen Menschen leidenin Deutschland unter muskuloskelettalen Erkran-kungen. Die WHO schätzt, dass sich die Zahl derBetroffenen aufgrund der steigenden Lebenserwartungin den kommenden 20 Jahren weltweit verdoppelnwird. „Erkrankungen des Bewegungsapparats wer-den unterschätzt und müssen mehr wahrgenommenwerden“, sagt Jakob, Knochenspezialist und Leiterdes Schwerpunkts für Osteologie und Osteoporoseam König-Ludwig-Haus in Würzburg.

Je nach Art und Schwere der Beeinträchtigungendes Knochens und Gelenksystems gibt es innerhalbdes Zentrums unterschiedliche Anlaufstellen. Wäh-rend chronische Beschwerden, Arthrosen der großenGelenke und Erkrankungen in der Orthopädie desKönig-Ludwig-Hauses behandelt werden, erfolgt dieVersorgung akuter Beeinträchtigungen und Frakturenin der Unfallchirurgie des Zentrums für OperativeMedizin (ZOM) der Uniklinik. „Hier werden mitmodernen Titanimplantaten Knochenbrüche auch beistark osteoporotischer Veränderung stabil versorgt,um eine schnelle Rehabilitation zu ermöglichen“, soProfessor Rainer Meffert, Ärztlicher Direktor der

Auf dass der Mensch auchim Alter selbstständig bleibtZiel des Muskuloskelettalen Centrums von Universität und Uniklinik ist es, die Versorgung zu verbessernund die Forschung voranzutreiben. Neue Erkenntnisse sollen möglichst schnell beim Patienten ankommen.

Unfallchirurgischen Klinik. „Neue, minimal invasiveTechniken bei Wirbelkörperfrakturen erlauben auchbeim älteren Patienten eine schnelle Wiederherstellungeines stabilen Achsenskeletts.“

Für eine optimale Behandlung auch komplexerFälle sorgen gemeinsam abgehaltene Fallkonferenzenwie auch interdisziplinäre Sprechstunden. Außerdembietet das Zentrum eine zentrale Anlaufstelle an, dieohne Umwege den Weg zum kompetenten Spezialistenaufzeigt. Dort ist man auch über laufende Studieninformiert und kann nach Möglichkeit Zugang zuhochmodernen Therapieverfahren vermitteln.

Darüber hinaus ist das MCW in zahlreiche experi-mentelle und klinische Forschungsprojekte eingebun-den. Ein Beispiel dafür ist das Projekt FORMOsA,das sich mit Muskelschwund und Osteoporose imAlter beschäftigt. „Im Alter werden natürliche Hemm-stoffe produziert, die den Muskelaufbau bremsen“,erklärt Jakob. Dieser Effekt wird bereits ab der fünf-

ten Lebensdekade beobachtet: Es kommt zu einemaltersabhängigen Muskelschwund, der wiederum dieEntstehung von Osteoporose begünstigt. FORMOsAdeckt den ganzen Prozess von der Grundlagenfor-schung bis hin zur Arzneimittelentwicklung ab. Hierkommt auch die Pharmazie mit ins Spiel, die unterLeitung von Professor Lorenz Meinel aktives Mitgliedim MCW-Konsortium ist.

Weitere große Projekte sind Vascubone undHydroZONES, die sich mit der Regeneration vonKnochen und Knorpel beschäftigen. Professor HeikeWalles vom Lehrstuhl Tissue Engineering und Rege-nerative Medizin, beschäftigt sich mit der Herstellungvon Knochen im Reagenzglas, Professor Jürgen Grollvom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medi-zin und Zahnmedizin erforscht die Regeneration vonKnorpel. „Wir decken so eine große Bandbreite derGeweberegeneration ab, die bei Verletzungen und beidegenerativen Erkrankungen eingesetzt werden kann“,so Walles. „Ziel ist es, die Funktion des Gewebes wie-

der vollständig herzustellen.“ Ein weiteres Ziel derForschung ist es, herauszufinden, wie man Problememit Muskeln und Knochen möglichst frühzeitig erken-nen kann. „Deshalb arbeiten wir eng mit der Industriezusammen, um Messgeräte zu entwickeln, die zurFrüherkennung eingesetzt werden können“, so Jakob.Dabei arbeitet er auch mit Arbeitgebern zusammen,die ein Interesse daran haben, dass ihre gut ausgebil-deten Mitarbeiter der Generation „50 plus“ möglichstlange im Job bleiben. Auf der anderen Seite kooperie-ren sie mit Sportvereinen, um jungen Menschen Spaßan Sport und Bewegung zu vermitteln, aber auch umSportverletzungen adäquat zu behandeln. Dass daskeine leichte Aufgabe ist, ist allen Beteiligten bewusst:„Es ist schwer, den Leuten klarzumachen, dass siesich jetzt bewegen sollen, damit sie später nicht zufrühzeitig ins Heim müssen. Aussichtsreicher ist es,wenn man Sport und Bewegung als etwas Positivesvermittelt, das auch das Lebensgefühl verbessert.“

Ist die Krankheit schon fortgeschritten, hilft Trai-ning allein oft nicht mehr. Am aussichtsreichsten ist esdann, Bewegung, operative Maßnahmen und Medika-mente zu kombinieren. Dafür entwickeln die ForscherHightech-Medikamente mit neuen pharmazeutischenFreisetzungsprinzipien und sogenannte Bio-Delivery-Devices, die – ähnlich wie eine Insulinpumpe beimDiabetiker – Substanzen beispielsweise gegen denMuskelschwund freigeben.

Ein weiterer großer Forschungskomplex widmetsich der Stammzelltherapie. Auch hier arbeiten dieklinischen Partner des MCW mit den Lehrstühlen fürTissue Engineering und Regenerative Medizin sowiefür Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahn-heilkunde zusammen. Bei Osteoporose etwa regt mandie Stammzellen durch ein Medikament an, das dasKnochenwachstum um bis zu 20 Prozent im Jahr stei-gert. Die Forscher hoffen, mit den Stammzelltherapiennoch mehr erreichen zu können: Zum Beispiel sollenKnochenkonstrukte aus Stammzellen angefertigt wer-den, die etwa bei schlecht heilenden Brüchen in denKnochen eingesetzt werden und den Defekt ausfüllensollen. Das künstliche Knochenstück wird dann nachund nach vom körpereigenen Knochen abgebaut undersetzt. Beim Schaf hat die in Vascubone entwickelteMethode schon funktioniert, und die Forscherinnenund Forscher glauben, dass die sogenannten regene-rativen Therapien bald beim Patienten ankommenwerden. Jakob: „Wir hoffen, dass wir in fünf bis zehnJahren routinemäßig regenerativ tätig sein werden.“

„Erkrankungen desBewegungsapparats

werdenunterschätzt.“

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Die Partner im Vorstand des MCW:Frau Prof. Dr. Heike Walles, Lehrstuhl für TissueEngineering und Regenerative MedizinProf. Dr. Jürgen Groll, Lehrstuhl für Funktions-werkstoffe in der Medizin und ZahnmedizinProf. Dr. Dirk Kurth, Lehrstuhl für chemische Tech-nologie der MaterialsyntheseProf. Dr. Robert Luxenhofer, Lehrstuhl für che-mische Technologie der MaterialsyntheseProf. Dr. Lorenz Meinel, Lehrstuhl für Pharmazeu-tische Technologie und BiopharmazieProf. Dr. Alexander Kübler, Klinik und Poliklinikfür Mund-, Kiefer- und Plastische GesichtschirurgieProf. Dr. Rainer Meffert, Klinik für Unfall-, Hand-,Plastische und WiederherstellungschirurgieProf. Dr. Torsten Blunk, Klinik für Unfall-, Hand-,Plastische und WiederherstellungschirurgieProf. Dr. Maximilian Rudert, Lehrstuhl für Ortho-pädie und Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus

Internet: http://www.mcw.medizin.uni-wuerzburg.de/startseite/E-Mail: [email protected]

Am MCW forscht man intensiv,wie man Krankheiten des mus-kuloskelettalen Systems besservorbeugen und behandeln kann.

Professor Dr. Franz Jakob, Leiter desorthopädischen Zentrums für Musku-loskelettale Forschung und Sprecherdes interdisziplinären Muskuloskelet-talen Centrums Würzburg

GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015 MUSKULOSKELETTALES CENTRUM

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Frank Kupke, Foto: Daniel Peter

QUALITÄTSMANAGEMENT

Wer krank ist und deswegen stationär be-handelt werden muss, möchte verständ-licherweise in ein Krankenhaus, das ihn

möglichst optimal versorgt. Und wer sich als Pati-ent im Vorfeld eines stationären Aufenthaltes darü-ber kundig machen möchte, welche Klinik geradefür seine Krankheit die passende ist, kann versu-chen, sich im Internet schlau zu machen. Für diesenZweck hat der Gesetzgeber seit 2005 alle öffentli-chen Krankenhäuser verpflichtet, regelmäßig Quali-tätsberichte für eine Veröffentlichung zur Verfügungzu stellen, erklärt der Qualitätsmanagementbeauf-tragte des Universitätsklinikums Würzburg, Dr.Gerhard Schwarzmann.

Die Inhalte der Qualitätsberichte werden vom Ge-meinsamen Bundesausschuss, dem obersten Gremiumder Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, jährlichneu festgelegt. Zu den Zielen des Qualitätsberichtsgehört es unter anderem, die Transparenz und Qualitätder Versorgung im Krankenhaus zu verbessern, soder Leiter des Referats Qualitätssicherung des Uni-versitätsklinikums Würzburg, Dr. Reinhard Lorenz.Ein weiteres Ziel ist es, den Patienten und den Ärztenim Vorfeld einer Krankenhausbehandlung Informa-tionen zur Orientierungs- und Entscheidungshilfezu bieten. Der Qualitätsbericht soll die Grundlagefür Vergleichsmöglichkeiten schaffen, und er soll denKrankenhäusern die Möglichkeit geben, ihre Leis-tungen ebenso wie spezifische Qualitätsindikatorentransparent darzustellen.

Von diesen Angaben soll der Patient profitieren.„Unser Ziel ist der mündige Patient“, sagt Schwarz-mann. Das Universitätsklinikum Würzburg begrüßedie verpflichtende Erstellung der Qualitätsberichtesamt dem damit verbundenen Transparenzgewinn.

Das Uniklinikum bietet seinen Patienten einendirekten Zugang zu seinen Qualitätsberichten übereinen Button auf der Homepage www.ukw.de an. DieQualität des Krankenhauses wird in drei großen Ka-piteln A, B und C dargestellt, erklärt ReferatsleiterLorenz, der für die die Erstellung des Berichts amUniklinikum verantwortlich ist.

Im A-Kapitel finden sich allgemeine Angabenzum Krankenhaus, zum Beispiel zum medizinisch-pflegerischen Leistungsangebot, zu der besonderenapparativen Ausstattung, zu Aspekten der Barriere-freiheit und zu Forschung und Lehre. Ferner gibt esAngaben zur Bettenanzahl, zur Behandlungsfallzahl,zu Personalzahlen und zu den fürs Qualitätsmanage-ment verantwortlichen Personen.

Im B-Kapitel werden die jeweiligen Kliniken vor-gestellt, so Lorenz. Dort findet sich ein umfangreichesZahlenwerk zur personellen und technischen Aus-stattung jeder Fachabteilung und eine Auflistung derAnzahl der behandelten Erkrankungen auf Basis derHauptdiagnose und der Eingriffsarten. Die Tabellensind nach Diagnose (ICD) und Eingriffsarten (OPS)sortiert. Unter Eingriffsarten werden Operationenverstanden, aber auch diagnostische Maßnahmen wieGewebeentnahme oder Spiegelung bei Tumorverdacht

sowie bildgebende Untersuchungen. Weiterhin ge-hören zu den Eingriffsarten die Verabreichung vonbestimmten Medikamenten, konservative therapeu-tische Maßnahmen wie Strahlentherapie und nuklear-medizinische Therapie.

Im C-Kapitel folgen Ergebnisse aus der gesetzlichvorgeschriebenen Qualitätssicherung. Dazu gehörtder deutschlandweite Vergleich von nahezu 300 Qua-litätsindikatoren zur stationären Patientenversorgung.Ferner finden sich Angaben zur Teilnahme an Gesund-heitsversorgungsprogrammen sowie der Umgang mitder sogenannten Mindestmengenproblematik. Darüberhinaus finden sich Angaben über die Erfüllung derFortbildungspflicht bei Fachärzten, erklärt Lorenz.

„Der einfachste Weg für den Patienten, verglei-chende Informationen aus den Qualitätsberichten zuerhalten, ist die Benutzung einer sogenannten Klinik-suchmaschine im Internet“, erläutert Lorenz. Diesevon vielen Krankenkassen und anderen Institutionen– wie der Bertelsmann Stiftung oder der DeutschenKrankenhausgesellschaft – angebotene Suchmög-lichkeit findet sich auf Internetportalen, die meistensals „Navigator“, „Klinikfinder“ oder „Kliniklotse“bezeichnet werden. In diesen Portalen werden aller-dings die Ergebnisse der Qualitätsberichte häufig nichtvollständig verwendet und von den Krankenkassenzusätzlich mit Ergebnissen, etwa aus Umfragen beiden eigenen Versicherten, ergänzt.

Damit der interessierte Patient auch Detailinfor-mationen recherchieren kann, wurde vom Gemein-samen Bundesausschuss 2013 im Internet eine Refe-renzdatenbank mit vollständigen Qualitätsberichteneingerichtet. Die Berichte für die Jahre 2008 bis 2012sind auf der Seite www.g-ba-qualitaetsberichte.de ab-rufbar. Der Qualitätsbericht 2012 für das UniklinikumWürzburg umfast 1000 Seiten. Der Qualitätsbericht2014 wird bis 31. Januar 2016 veröffentlicht werden.

Ausdruck der kontinuierlichen Arbeit an quali-tätsverbessernden Maßnahmen ist laut Schwarzmanndie Zertifizierung des Uniklinikums 2013 nach denKriterien der KTQ, was so viel wie „Kooperationfür Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen“bedeutet. Dieses Qualitätszertifikat ist bis 2016 gültig.Das Uniklinikum arbeitet bereits an den Vorberei-tungen zur Rezertifizierung.

Ziel ist der mündige PatientDer Gesetzgeber hat alle öffentlichen Krankenhäuser verpflichtet, regelmäßig Qualitätsberichte

für eine Veröffentlichung im Internet zur Verfügung zu stellen. So kann ein Mensch,der sich auf einen stationären Klinikaufenthalt vorbereiten will, Krankenhäuser gut vergleichen.

Dr. Gerhard Schwarzmann, Quali-tätsmanagementbeauftragter desUniversitätsklinikums Würzburg

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19Text & Foto: Frank Kupke

GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015 BUKA-PROJEKT

Um die Lebensqualität von bestimmtenKrebspatienten zu verbessern, gibt es seitgut anderthalb Jahren am Uniklinikum

Würzburg ein Projekt, das diese Patientengruppeund deren Angehörige in den Blickpunkt rückt. DasProjekt „Beratung und Unterstützung für Krebspa-tienten und Angehörige“ (BUKA) ist am Interdiszi-plinären Zentrum Palliativmedizin angesiedelt undrichtet sich an Krebspatienten, bei denen der Krebsmetastasiert oder rezidiviert ist, das heißt nach einerBehandlung erneut ausgebrochen ist, und bei denenkaum mehr Chancen auf eine Heilung der Erkran-kung bestehen, erläutert die Leitende OberärztinPrivatdozentin Dr. Birgitt van Oorschot, die beidem Projekt federführend ist. Zum Leistungsteamdes BUKA-Projektes gehören ferner unter anderemder Psychologe Dr. Matthias Lukasczik (in Vertre-tung für Diplompsychologin Bettina Seekatz) unddie Studienassistentin Sandra Radina.

Am Uniklinikum werden jährlich etwa14 000 Krebspatienten behandelt. Um den Patienten-kreis zu definieren, beschloss man, zunächst nur be-stimmte Arten von Krebserkrankungen in das Projektaufzunehmen: Lungenkrebs, Hautkrebs, Gastrointe-stinale Tumore (etwa Darmkrebs) und Hirntumore.Für welche Patienten der Palliativstation die Teilnahmeam BUKA-Projekt überhaupt infrage kommt, wirdin der regelmäßig stattfindenden interdisziplinärenTumorkonferenz entschieden, in der der Fall jedesKrebspatienten fächerübergreifend besprochen wird.

Nach den ersten Erfahrungen sind die Ergebnissedes BUKA-Projekts, das das Uniklinikum in Koo-peration mit der kanadischen University of Torontodurchführt und das von der Deutschen Krebshilfegefördert wird, „sehr erfreulich und erfolgverspre-chend“, sagt van Oorschot. „Zunächst einmal lautetdas Ergebnis der vorbereitenden Machbarkeitsstudiein der Strahlentherapie, dass ein solches Projekt über-haupt durchführbar ist“, so die Leitende Oberärztin.An der Machbarkeitsstudie haben sich mehrere Hun-dert Patienten beteiligt.

Um die besonderen Bedürfnisse von Palliativpa-tienten – meist ambulante Patienten – mit rezidivemoder metastasiertem Krebs zu erfassen, wählte manbeim BUKA-Projekt die Form des sogenannten Scree-nings. Dabei werden die Patientenbedürfnisse mittelseines Fragenkatalogs systematisiert. Als besonderspraktikabel hat es sich erwiesen, wenn die Patientendie Fragen nicht in Papierform, sondern auf einemTablet ausfüllen konnten. Patienten, die es wollen,können sich beim Ausfüllen von ihren Angehörigen

oder von der Studienassistentin unterstützen lassen.Die meisten beantworteten die Fragen am liebstenselber am iPad und nicht mit Papier und Stift.

„Am iPad brauchen Sie eine Viertelstunde bis20 Minuten“, so van Oorschot. Anders als in Kanadaund in den USA, erfolgt ein Screening in Deutschlandnoch nicht bei allen Krebspatienten. Die Beteiligungam BUKA-Projekt ist für die Patienten freiwillig, undselbst wer beim Screening mitmacht, muss nicht zuallen Fragen Angaben machen.

Bei den Fragen geht es etwa darum, welche kör-perlichen Beschwerden die Patienten haben und obsie unter psychosozialen Belastungen leiden. Ein mög-liches Mangelernährungsrisiko wird genauso abge-fragt wie grundsätzliche Aspekte, etwa ob der Patienteinen speziellen Informationsbedarf hat oder ob erspirituelle Angebote in Anspruch nehmen möchte.Fragen zielen ferner auf den Allgemeinzustand, aufdie Lebensqualität, aber auch darauf, wie man seineErkrankung selbst einschätzt. Außerdem geht es umAnzeichen von Angst und Depressivität.

Je nachdem, wie die Ergebnisse ausfallen und obsich aus ihnen aus interdisziplinärer Expertensichtein Handlungsbedarf ergibt, erfolgt die Rückmeldungan den Patienten und den behandelnden Arzt. DemPatienten und seinen Angehörigen werden dann bei

der BUKA-Beratung durch den PalliativmedizinischenDienst (PMD) Möglichkeiten weiterer Maßnahmenerläutert, in den Bereichen Psychoonkologie, Ernäh-rungsberatung, durch Sozialarbeiter und die pallia-tivmedizinische Beratung. Für den Arzt liefern dieErgebnisse des Screenings eine wesentlich bessereVoraussetzung für das Gespräch mit dem Patienten.Das ist auch ein großer Vorteil für den Patienten, des-sen Behandlung optimiert wird. „Das ist gerade dasGute an diesem Projekt, dass es ganz unmittelbar demPatienten zugute kommt“, sagt Psychologe Lukasczik.Van Oorschot meint, dass durch das Screening indirektauch ethisch diffizile Fragen zur letzten Lebensphaseeines Patienten thematisiert werden.

So ist es aus ihrer Sicht sinnvoll, wenn ein unheil-bar kranker Krebspatient in den letzten zwei Lebens-wochen nicht mehr chemotherapeutisch, sondern nurnoch palliativmedizinisch behandelt wird. „Denn danngeht es darum, in der verbleibenden Lebenszeit einmöglichst hohes Maß an Lebensqualität zu haben.“Grundsätzlich kann sich die Projektleiterin gut vor-stellen, dass das bis Oktober 2016 geförderte BUKA-Projekt danach in die Klinikroutine aufgenommen unddas Screening auf alle Krebspatienten angewandt wird.

Internet: www.palliativmedizin.ukw.de

Für mehr LebensqualitätDas BUKA-Projekt ist am Interdisziplinären Zentrum Palliativmedizin des Uniklinikums

angesiedelt und richtet sich an Patienten, bei denen der Krebs metastasiertoder nach einer Behandlung erneut ausgebrochen ist.

Das BUKA-Team (von links): Psychologe Dr. Matthias Lukasczik, Studienassistentin Sandra Radina undProjektleiterin Oberärztin Privatdozentin Dr. Birgitt van Oorschot

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015WILHELM SANDER-THERAPIEEINHEIT

Text: Frank Kupke, Foto: Uniklinik, Daniel Peter

Am Uniklinikum Würzburg (UKW) werdenjährlich über 700 Patientinnen und Pati-enten behandelt, die am Multiplen Myelom

erkrankt sind“, sagt Professor Dr. Hermann Einsele.Damit ist das UKW schon jetzt das größte Myelom-behandlungszentrum in Deutschland. Der Onkolo-ge und Hämatologe, Direktor der MedizinischenKlinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums,steht zusammen mit dem Leiter des SchwerpunktsHämatologie, Privatdozent Dr. Stefan Knop, einerneuen Einrichtung vor, die sich eine Verbesserungder Behandlungsmöglichkeiten von Patienten mitMultiplem Myelom zum Ziel gesetzt hat: die Wil-helm Sander-Therapieeinheit.

In Deutschland liegt die Zahl der Neuerkran-kungen im Jahr bei etwa fünf pro 100 000 Einwohnern,also kommen etwa 3000 Fälle bei Männern und rund2700 bei Frauen neu hinzu. Aufgrund dieser Zahlengehört die Krankheit zu den sogenannten SeltenenErkrankungen. Wie Einsele erläutert, handelt es sichbei dem Multiplen Myelom um eine Form des Lymph-knotenkrebses. Es ist eine bösartige Erkrankung derBlutplasmazellen im Knochenmark, die unter anderemfür das Immunsystem zuständig sind.

Die bösartigen Plasmazellen vermehren sich un-kontrolliert und bilden genetisch identische Klone,die wiederum die gleichen sogenannten monoklonalenAntikörper oder Bruchstücke von Antikörpern (beideswird als „Paraprotein“ bezeichnet) bilden. Zu denSymptomen des Multiplen Myeloms gehören – nebeneiner allmählichen Zerstörung des Immunsystems –Knochenmarksveränderungen und weitere Krank-heitsbilder, insbesondere, infolge des Knochenabbaus,

unerwartete Knochenbrüche, niedrige Hämoglobin-werte (landläufig als roter Blutfarbstoff bezeichnet)und dramatische Nierenschäden. Die Krankheit giltderzeit als unheilbar, allerdings haben sich in denvergangenen zehn Jahren Erfolge zumindest dahin-gehend eingestellt, dass es der Medizin gelingt, denKrankheitsverlauf zu verlangsamen.

Durch die Wilhelm Sander-Therapieeinheit solldie Arbeit an Diagnose und Therapie vorangetriebenwerden. „Das ist in dieser Form bisher einmalig“, sagtEinsele. Den Namen hat die Therapieeinheit nachder Wilhelm Sander-Stiftung, die ihrerseits nach demFabrikanten Wilhelm Sander (1897-1973) benannt ist.Die Stiftung fördert die Würzburger Therapieeinheitüber einen Zeitraum von fünf Jahren mit drei Mil-lionen Euro.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

„Das Besondere ist das große interdisziplinäreSpektrum der beteiligten Fachabteilungen“, erläu-tert Einsele. In der Wilhelm Sander-Therapieeinheitarbeiten Hämatologie/Onkologie, Strahlentherapie,Nuklearmedizin, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie,Orthopädie, Immunologie und Pathologie zusammen.Außerdem wird auf eine psychoonkologische Mitbe-treuung großer Wert gelegt. Mit Blick auf die Zieleerläutert Einsele: „Es geht unter anderem darum, diecharakteristischen Veränderungen der Erbsubstanz inden Tumorzellen zu untersuchen.“

Ein Ziel der Wilhelm Sander-Therapieeinheit ist es,eine noch frühere Diagnose des Multiplen Myelomszu erreichen, weil das unter Umständen die Chancen

erhöht, die Erkrankung besser zu behandeln. Das istinsbesondere für eine möglichst erfolgreiche Strah-lentherapie von großer Wichtigkeit. Ferner sollen dieForschungen im Bereich der Zelltherapie vertieft wer-den. „Es geht ferner darum, ein Wiederauftreten derKrankheit außerhalb des Knochenmarks zu verhin-dern“, so Knop. Letztlich geht es nach Einseles Wortenauch darum, neue Medikamente zu entwickeln.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Wilhelm Sander-Therapieeinheit ein Netzwerk von Wissenschaftlernunterschiedlicher Disziplinen, die noch nicht untereinem Dach vereint sind.

Das hat zur Folge, dass der Patient für Arztge-spräche, Untersuchungen und Behandlungen, die inverschiedenen Kliniken und Fachabteilungen erfolgen,mitunter noch beträchtliche Wege zurücklegen muss.In Kürze wird die Therapieeinheit an einem gemein-samen Ort in Nachbarschaft des CCC Mainfrankenuntergebracht sein.

Ein Zentrum für den Kampfgegen das Multiple Myelom

Die Wilhelm Sander-Therapieeinheit des Universitätsklinikums Würzburg

Privatdozent Dr. Stefan Knop (links) und ProfessorDr. Hermann Einsele

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ELSE-KRÖNER-FORSCHUNGSKOLLEGGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Frank Kupke, Fotos: Jörg Fuchs, Daniel Peter

Um nachhaltige Forschung zu ermöglichen,ist es nötig, gerade jungen MedizinernStrukturen und Freiräume zu schaffen, in

denen sie, frei von Zwängen des Klinikalltags, wis-senschaftlich arbeiten können. Wenn solche Struk-turen für hochbegabte Nachwuchsmediziner vor-handen sind, kommt das nicht nur dem jeweiligenMediziner, sondern auch der Medizin als Wissen-schaft zugute, ist Dr. Dr. Andreas Beilhack über-zeugt, der der Koordinator des Else-Kröner-For-schungskollegs für interdisziplinäre translationaleImmunologie in Würzburg ist.

Das Würzburger Kolleg wurde als eines von dreifachübergreifenden Forschungs- und Ausbildungspro-grammen durch die Else-Kröner-Fresenius-Stiftunggefördert. Vor drei Jahren setzte sich der WürzburgerAntrag auf Förderung zusammen mit den Universitäts-kliniken Bonn und Ulm gegen 55 weitere eingereichteAntragsskizzen durch und erhielt bereits zu Beginneine Förderung von einer Million Euro für drei Jahre.

Laut Beilhack, der die Forschergruppe für Experi-mentelle Stammzelltransplantation der MedizinischenKlinik und Poliklinik II und der Universitäts-Kin-derklinik des Uniklinikums Würzburg leitet, hat sichdas Würzburger Else-Kröner-Kolleg als sehr effek-tive Einrichtung erwiesen, um jungen Medizinern beiihrem Weg zum Clinician Scientist zu unterstützen.Die Nachwuchsmediziner befinden sich als Fellowsdes Forschungskollegs an der für die medizinischeForschung bedeutsamen Schnittstelle zwischen prä-klinischer und klinischer Medizin, der sogenanntentranslationalen Medizin. Über einen Zeitraum von dreiJahren werden die Stipendiaten gefördert. Die Medizi-ner profitieren von einer mindestens zwölfmonatigenexperimentellen Forschungsphase, einem begleitendenAusbildungsprogramm, inklusive Mentoring, und wer-den auch in klinische Studien einbezogen.

Die Antikörpertherapie

Nach der ersten erfolgreichen Förderphase unter-stützt die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung das Würz-burger Forschungskolleg für weitere drei Jahre. Es wirdneben dem Koordinator Beilhack vom Forschungs-kollegsprecher Professor Dr. Jörg Wischhusen geleitet,dem Chef der Experimentellen Tumorimmunologie ander Frauenklinik und Poliklinik des Uniklinikums. AmForschungskolleg beteiligen sich die Frauenklinik, dieKlinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologieund Allergologie, die Kinderklinik, die MedizinischeKlinik und Poliklinik I und II, das Institut für Virolo-gie und Immunbiologie, das Institut für Pathologie unddas Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Bio-medizin. Von jeder der acht Kliniken wird jeweils einNachwuchsmediziner als Fellow des Kollegs arbeiten.

Wie Beilhack erläutert, hat sich die Forschung desElse-Kröner-Kollegs für interdisziplinäre translationaleImmunologie in den vergangenen drei Jahren sehr be-

Strukturen für den NachwuchsDas Else-Kröner-Forschungskolleg am Uniklinikum hat sich als effektive Einrichtung erwiesen.

-währt und soll deshalb fortgesetzt werden. So konntenmit Blick auf den Würzburger Forschungsschwerpunktbedeutende Ergebnisse im Bereich der Immunologieund der Stammzellforschung für die Behandlung vonKrebserkrankungen erzielt werden. Dies gilt insbe-sondere für die Antikörpertherapie.

Antikörper können, wenn man sie einem Organis-mus zuführt, Abwehrreaktionen des Immunsystemsauslösen. Dabei binden Antikörper zum Beispiel andie Oberfläche von Krebszellen und signalisieren demImmunsystem, die Tumorzellen zu vernichten. Mitanderen Antikörpern können molekulare Bremsen desImmunsystems gelöst werden und so eine Immunat-

tacke gegen Krebszellen provoziert werden. Darüberhinaus gibt es Antikörper, die bei den Tumorzellen dieSelbstzerstörung auslösen – was auch vom Phänomendes sogenannten Programmierten Zelltods bekannt ist.

Beilhack bedient sich unter anderem bildgebenderVerfahren, mit denen sich am Computer die komplexenimmunologischen Prozesse darstellen lassen, die beider Gabe von Antikörpern im Organismus ablaufen.Bei der therapeutischen Zufuhr von Antikörpern giltes, eine genaue Balance der Reaktion auszutarieren.Ist diese Verfahrensweise sozusagen zu scharf einge-stellt, kann dies zu Abstoßungsreaktionen und starkenReaktionen des Immunsystems führen. Ist die Gabezu schwach, halten die Antikörper den Krebs nichtin seinem Wachstum auf.

„Im Else-Kröner-Forschungskolleg wollen wirzunächst einmal grundlegende Immunprozesse ver-stehen und über ein verbessertes Verständnis die-ser Abläufe Therapie und Diagnostik verbessern“,sagt Beilhack. Das sei für den medizinischen Fort-schritt wichtig und komme darüber hinaus auchdem Patienten zugute. „Forschende Ärzte bleibennicht nur am Puls der medizinischen Entwicklung,um diese zum Wohle der Patienten einzusetzen,sondern sie gestalten die Medizin der Zukunft.“

Internet: www.else-kroener-kolleg.ukw.de

Gute Ergebnisse gab es bei der Immunologie und der Stammzellforschung.

Kollegiaten des Else-Kröner-Forschungskollegs mitKoordinator Dr. Dr. Andreas Beilhack (ganz rechts)und Professor Dr. Jörg Wischhusen (links daneben)

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Frank Kupke, Fotos: Frank Kupke, Paul Dalton, Tomasz Jüngst

BIOFABRIKATION

Auf den ersten Blick wirkt das, was Profes-sor Paul Dalton in der Hand hält, wie diehauchzarte Lage eines Papiertaschentuchs.

Das wenige Quadratzentimeter große StückchenEtwas, das vom kleinsten Lufthauch bewegt wirkt,fühlt sich an wie feine Seide oder ein anderes Textil.Aber es ist etwas anderes, etwas ganz Besonderes.Das zeigt sich unter dem Mikroskop. Da offenbartsich eine mehrlagige quadratische Gitterstruktur, dieaus feinstem Gewebe hergestellt ist. „Die einzelnenFasern sind 100 Mal dünner als ein menschlichesHaar“, sagt Dalton.

Das Außergewöhnliche an diesem filigranenGewebe ist das Material: bioabbaubare und klinischzugelassene Polymere. Die Methode, um die Poly-mere – das sind chemische Stoffe aus Makromole-külen wie sie in der Natur beispielsweise in Seidevorkommen – in hauchzarte Fäden zu verwandeln,diese zu spinnen und schließlich in eine regelmäßigeGitternetzstruktur zu bringen, hat Dalton erfunden.Der 44-jährige Australier, der seit etwas mehr als einem

Jahr in Würzburg tätig ist, ist der derzeit deutsch-landweit einzige Professor für Biofabrikation. Beidem Verfahren, das Dalton entwickelt hat, werdenelektrische Felder an eine Polymerschmelze derartangelegt, dass sich dünne honigartige Fäden bilden,aus denen sich am 3-D-Drucker die gewünschtenGitterstrukturen herstellen lassen.

Dieses Melt Electrospinning Writing (MEW) istkeine Spielerei, sondern steht im Dienste der Medizin.Die beiden Labore von Dalton sind am Lehrstuhl fürFunktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheil-kunde des Universitätsklinikums Würzburg angesie-delt. Lehrstuhlinhaber Professor Dr. Jürgen Groll hatden Auf- und Ausbau des Forschungsbereichs vonDalton und seiner Studenten maßgeblich vorange-trieben, berichtet der Doktorand, WerkstoffingenieurGernot Hochleitner.

Die zarten Gebilde, an denen Dalton und seinWissenschaftsteam arbeiten, sollen – sofern die Ar-beiten weiterhin erfolgreich verlaufen – später einmalin der Regenerativen Medizin zum Einsatz kommen.Als Implantate könnten diese Gewebe aus Polymerendann zur Regeneration menschlichen Gewebes in ganzunterschiedlichen Bereichen des Körpers verwendetwerden. Dalton verzichtet bei seinem Verfahren kom-plett auf organische Lösungsmittel.

Dies ist Voraussetzung für ihre ihre große Band-breite an Anwendungsmöglichkeiten, etwa zur Re-generation von Haut, Muskeln, Nerven und Weich-gewebe. Mitentscheidend ist dabei, dass Hydrogele– Wasser enthaltende Polymere – durch die mittelsMEW hergestellten Gitterstrukturen so verstärktwerden konnten, dass sie in etwa die Festigkeit undFlexibilität menschlicher Knorpelmasse haben. Jetztgeht es darum, Verfahren zu entwickeln, bei denensich Zellen in diesem künstlichen Gewebe ansiedeln.Zum Einsatz kommen Körperzellen und Stammzellen,die das Potenzial in sich tragen, sich in ganz unter-schiedliche Zellarten zu entwickeln.

Ziel ist es, eine sichere Methode zu entwickeln, beider sich die natürlichen Zellen in einer hohen Rate indas künstliche Gewebe einbetten. Wie Dalton berich-tet, gab es bereits erfolgreiche Versuche, bei denen dieZellen mit dem Gewebe interagierten und sich in demPolymer-Gewebe wohlzufühlen schienen.

Hauchzarte Gewebe fürdie Regenerationsmedizin

Der in Würzburg forschende Materialwissenschaftler Paul Daltonist deutschlandweit der einzige Professor für die sogenannte Biofabrikation.

Bevor es erreicht ist, dass die Werkstoffentwick-lung so weit fortgeschritten ist, dass mit MEW undHydrogelen hergestellte Implantate in der Regenera-tionsmedizin automatisch verwendet werden können,braucht es nach Einschätzung von Dalton sicher nocheinige Zeit. „Ich rechne mit einem Zeitraum von mehrals zehn Jahren“, sagt der Wissenschaftler, der aufseinem Feld weltweit in vorderster Linie forscht. „ImMoment ist das noch Zukunftsmusik“, so Dalton.

Um die Forschung voranzutreiben, ist er – nebender rein wissenschaftlichen Tätigkeit – derzeit damitbeschäftigt, einen Masterstudiengang für jenen Bereichaufzubauen, in dem er und seine Mitarbeiter in Würz-burg forschen: Biofabrikation. Der Masterstudiengangstartet bereits im nächsten Wintersemester. Vorgese-hen ist, jeweils fünf Studenten pro Jahr zuzulassen.Das viersemestrige Studium wird an der Fakultät fürChemie und Pharmazie der Universität Würzburgangesiedelt sein und zugleich eine enge Anbindung andie Medizinische Fakultät haben. Im Zentrum stehendie von Dalton entwickelten Fertigungsverfahren am

3-D-Drucker, um Zellen und neue Materialien in ge-webeartigen Strukturen anzuordnen. Zu den Inhaltendes Studiengangs gehören deshalb die Bereiche Chemiesowie neue Herstellungstechniken und -verfahren.Außerdem besteht (im zweiten und dritten Semester)die Möglichkeit für ein Auslandspraktikum (inklusiveStipendium) an zwei australischen Universitäten.Der Australien-Aufenthalt wird im Rahmen desAustauschprogramms der Europäischen Union fürbis zu fünf ausgewählte Studenten pro Jahrgang fürzehn Monate gefördert.Zulassungsvoraussetzung zum MasterstudiengangBiofabrikation ist ein erfolgreicher Abschluss einesBachelorstudiums sowie fachspezifische Studien-nachweise, über die im Internet informiert wird:http://biofabdegree.net/E-Mail: [email protected]. Dalton (l.) und Doktorand Gernot Hochleitner

Herstellung der Polymere am 3-D-Drucker

„Im Momentist das noch

Zukunftsmusik.“

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BIOFABRIKATIONGESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Ein Gewebegerüst wird mittels Melt Electrospinning Writing (MEW) hergestellt.

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GESUNDHEITSMAGAZIN DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS WÜRZBURG AUSGABE 3/2015

Text: Uniklinik, Foto: Thomas Obermeier

TERMINE

Die Uniklinik auf derMainfrankenmesse

Hentschel-Benefizkonzert mit Patiententag zum Thema Schlaganfall

Das Uniklinikum präsentiertsich gemeinsam mit derUniversität Würzburg in

zwei Hallen mit nahezu täglich wech-selndem Programm auf der Mainfran-kenmesse (26.9. bis 4.10.): in Halle 1-2und im GesundheitsPark in Halle 13.

Neues aus der KrankenversorgungInformationen zu vielen Gesund-heitsthemen, Demonstrationen undGesundheits-Checks stehen im Mittel-punkt des Auftritts der Uniklinik aufder Messe. Außerdem informieren dieKrankenpflegeschule, die Diätschule,die MTA-Schule und die OTA-Schuleüber ihre Ausbildung. Die neue Aka-demie des Uniklinikums stellt ihr be-rufsgruppenübergreifendes Fort- undWeiterbildungsprogramm vor. Außer-dem gewährt die Lehrklinik der Me-dizinischen Fakultät Einblicke. ZweiMitarbeiter der Uniklinik beteiligen sicham „Science Slam“. Bei dem Kurzvor-tragsturnier am 2. Oktober ab 19 Uhrgewinnt derjenige Referent, dem es ge-lingt, seine wissenschaftlichen Inhaltemöglichst unterhaltsam zu vermitteln.Desweiteren werden Informationen zuPrävention durch ausgewogene Ernäh-rung und richtige Bewegung angebo-ten, wie auch Hör- und Lungenfunk-tionstests. Das Zentrum für Seltene

Erkrankungen und die interdisziplinäreBiomaterial- und Datenbank stellen sichvor, das Netzwerk Hoffnung bietet eineStammzell-Typisierung an. Am 1. und2.10. gibt es einen Bewegungsparcours,und die Handballer der DJK RimparWölfe trainieren an diesen Tagen auf derMesse und geben Autogramme.

AusstellungsstartFür einen künstlerischen Blickwinkelauf die klinische Forschung sorgt einevom Verein „Hilfe im Kampf gegenKrebs e.V.“ organisierte Benefiz-Fo-toausstellung. Die Würzburger Foto-grafen Norbert Schmelz und ChristophWeiß stellen am letzten Messetag, Sonn-tag, 4. Oktober, in Halle 1 Großfoto-grafien aus. Anschließend werden dieWerke ab Freitag, 9. Oktober, in derGalerie „Gabriele Müller“ (Theaterstra-ße 18, Würzburg) zu sehen sein – bevorsie zugunsten eines Forschungsprojektsdes Uniklinikums verkauft werden.

MessedatenVon Samstag, 26.9., bis Sonntag,4.10.2015, ist die Mainfranken-messe täglich von 9.30 bis 18 Uhrgeöffnet. Details zum Programmdes Uniklinikums gibt es unterwww.ukw.de (unter dem Stichwort„Aktuelles“)

Patientag zum SchlaganfallAm Sonntag, 11. Oktober, findetim Zentrum Innere Medizin (ZIM,Haus A3, Ebene 0) der WürzburgerUniklinik von 10.45 bis 14 Uhr einPatiententag zum Thema Schlaganfallstatt. Unterstützt von der Hentschel-Stiftung „Kampf dem Schlaganfall“

für Innere Krankheiten / Kardiologie /Diabetologie / Angiologie und Orthopädie

AHB- und Reha-KlinikAkad. Lehreinrichtung der Julius-Maximilians-Universität

Würzburg - Bereich Rehabilitation

ChefärzteDr. med. Wolfgang ReifFA für Orthopädie / Neurochirurgie

Dr. med. Gerhard-W. SchmeislFA für Innere Medizin / AngiologieDiapetologe DDG

Die Deegenbergklinik bietet eine umfassende, fachübergreifende Rehabilitation /Anschlussheilbehandlung von Patienten mit Herz- und Kreislauferkrankungen,Diabetes sowie mit Zustand nach Operation an der Wirbelsäule und an denGelenken (Endoprothesen).

Ärztlicher DirektorProf. Dr. med. Peter DeegFA für Innere Medizin / Kardiologie

Burgstraße 21 · 97688 Bad Kissingen · (0971) 821-0 - Fax (0971) 821-8460e-mail: [email protected] · Internet: www.deegenberg.de

gibt es Fachvorträge zum neues-ten Stand in der Forschung und inder Therapie des Schlaganfalls. Von11 bis 12 Uhr steigt ein Benefiz-konzert des Chores „Sotto Voce“zugunsten der Hentschel-Stiftung

Weitere Infos: [email protected]