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UNIVERSIDADE FEDERAL DE SANTA CATARINA CENTRO DE COMUNICAÇÃO E EXPRESSÃO DEPARTAMENTO DE LÍNGUA E LITERATURA ESTRANGEIRA Vanessa Luisa Hoffmann „PATCHWORKIDENTITÄTEN“ EINE ANALYSE DER LITERARISCHEN INSZENIERUNG VON HYBRIDITÄT UND TRANSKULTURALITÄT IN RUSSENDISKO UND SCHERBENPARK Trabalho de conclusão de curso da Universidade Federal de Santa Catarina para a obtenção do Grau de bacharel em Letras – Língua Alemã e Literaturas. Orientadora: Prof.ª Dr.ª Rosvitha Friesen Blume Florianópolis 2011

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UNIVERSIDADE FEDERAL DE SANTA CATARINA CENTRO DE COMUNICAÇÃO E EXPRESSÃO

DEPARTAMENTO DE LÍNGUA E LITERATURA ESTRANGEIRA

Vanessa Luisa Hoffmann

„PATCHWORKIDENTITÄTEN“

EINE ANALYSE DER LITERARISCHEN INSZENIERUNG VON HYBRIDITÄT UND TRANSKULTURALITÄT IN

RUSSENDISKO UND SCHERBENPARK

Trabalho de conclusão de curso da Universidade Federal de Santa Catarina para a obtenção do Grau de bacharel em Letras – Língua Alemã e Literaturas. Orientadora: Prof.ª Dr.ª Rosvitha Friesen Blume

Florianópolis

2011

Catalogação na fonte elaborada pela biblioteca da

Universidade Federal de Santa Catarina

A ficha catalográfica é confeccionada pela Biblioteca Central.

Tamanho: 7cm x 12 cm

Fonte: Times New Roman 9,5

Maiores informações em:

http://www.bu.ufsc.br/design/Catalogacao.html

Vanessa Luisa Hoffmann

„PATCHWORKIDENTITÄTEN“

EINE ANALYSE DER LITERARISCHEN INSZENIERUNG VON HYBRIDITÄT UND TRANSKULTURALITÄT IN

RUSSENDISKO UND SCHERBENPARK

Este Trabalho de Conclusão de Curso foi julgado adequado para obtenção do Título de “Bacharel em Letras – Língua Alemã e Literaturas”.

Florianópolis, 20 de junho de 2011.

________________________ Prof. ª Dr. ª Ina Emmel

Coordenadora da área de Alemão Banca Examinadora:

________________________ Prof.ª Dr.ª Rosvitha Friesen Blume,

Orientadora Universidade Federal de Santa Catarina

________________________ Prof. Dr. Werner Heidermann,

Universidade Federal de Santa Catarina

Ao meu eterno companheiro, Gustavo.

DANKSAGUNG

Mein herzliches Dankeschön geht an alle, die mich sowohl während des Studiums als auch bei der Erstellung dieser Abschlussar-beit unterstützt haben.

Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Betreue-rin, Prof.ª Dr.ª Rosvitha Friesen Blume, für die tatkräftige Unterstüt-zung, die hilfreichen Anregungen und den Enthusiasmus bei jedem Fort-schritt.

Ebenfalls ganz herzlich möchte ich mich bei meiner Dozentin Prof.ª Dr.ª Ina Emmel bedanken, ohne deren Hilfe und Verständnis ich nicht geschafft hätte, in diesem Semester fertig mit dem Studium zu werden.

Vielen Dank auch an meine Kommilitonen für die hilfreichen Tipps, die moralische Unterstützung und die schönen Momente in die-sen letzten Jahren.

Einen herzlichen Dank an meine Freunde, denn ihre Freundschaft hat mir immer viel Kraft und Mut eingeflößt, um die Widrigkeiten des Lebens zu überwinden.

Natürlich ganz besonders bedanke ich mich bei meiner Familie, die das alles ermöglicht hat und mir den Rücken immer gestärkt hat.

Zu guter Letzt bedanke ich mich bei meinem Verlobten Gustavo, dessen Unterstützung, Aufmunterung, Freude, Liebe und Zuneigung wesentlich für mein Leben sind.

“To cross a frontier is to be transformed.”

(Rushdie, 2003)

RESUMO

Através do método da Análise Literária Pós-colonial, este trabalho visa investigar as formas de produção literária de Hibridismo (H. Bhabha) e Transculturalidade (W. Welsch) – teorias que enfatizam as muitas ligações entre as culturas – nas obras Russendisko de Wladimir Kaminer e Scherbenpark de Alina Bronsky. Ambos os autores têm um histórico de migração e suas obras tratam dos problemas de integração dos imigrantes na sociedade alemã. Através da análise do foco narrativo e da constelação de personagens de ambos os romances, constata-se que os processos de hibridização de identidade, linguagem e cultura são elementos recorrentes nas narrativas, bem como a tentativa constante dos narradores de desconstruir estereótipos através do discurso e direcionar a atenção do leitor para a necessidade de uma revisão de conceitos acerca do que é ‘próprio’ e do que é ‘alheio’. Palavras-chave: Literatura, Análise Literária Pós-colonial, Hibridismo, Bhabha, Transculturalidade, Welsch, Russendisko, Kaminer, Scherbenpark, Bronsky.

KURZFASSUNG

Anhand der Methode der Postkolonialen Literaturanalyse wird in dieser Arbeit die literarische Inszenierung von Hybridität (H. Bhabha) und Transkulturalität (W. Welsch) – Theorien, die die vielfältigen Verflechtungen zwischen Kulturen betonen – in den Werken Russendis-

ko von Wladimir Kaminer und Scherbenpark von Alina Bronsky unter-sucht. Beide Autoren haben einen Migrationshintergrund und ihre Wer-ke handeln von der Problematik der Integration von Migranten in der Gesellschaft. Anhand der Analyse der Erzählperspektive und der Figu-renkonstellation der beiden Romane wird festgestellt, dass Hybridisie-rungsprozesse von Sprache, Identität und Kultur wiederkehrende Merk-male in den Handlungen sind, und dass die Ich-Erzähler dadurch ständig versuchen, Stereotype diskursiv zu dekonstruieren und Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit einer neuen Verhandlung angenommener Kon-zepte von ‚Eigenem’ und ‚Fremden’ zu lenken. Schlüsselwörter: Literatur, Postkoloniale Literaturanalyse, Hybridität, Bhabha, Transkulturalität, Welsch, Russendisko, Kaminer, Scherben-

park, Bronsky

INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ....................................................................17

1.1 THEMENEINGRENZUNG, PROBLEMSTELLUNG UND ZIELSETZUNG........................................................................... 17

1.2 HYPOTHESENBILDUNG ......................................................... 19 2 TEORETISCHER RAHMEN...........................................21 3 ANALYSE...........................................................................25

3.1 DIE METHODE .......................................................................... 25 3.2 AUTORENBIOGRAPHIEN ....................................................... 25 3.2.1 Alina Bronsky............................................................................. 26

3.2.2 Wladimir Kaminer .................................................................... 26 3.3 DIE LITERARISCHEN WERKE ............................................... 27

3.3.1 Bronskys Scherbenpark ............................................................. 27 3.3.2 Kaminers Russendisko ............................................................... 29 3.4 ANALYSE DER GEWÄHLTEN ROMANE.............................. 30 3.4.1 Die Erzählperspektive ............................................................... 30

3.4.1.1 Die Erzählperspektive in Scherbenpark.................................... 31

3.4.1.2 Die Erzählperspektive in Russendisko ...................................... 35

3.4.1.3 Zusammenfassung .................................................................... 38

3.4.2 Die Figurenkonstellation ........................................................... 38

3.4.2.1 Die Figurenkonstellation in Scherbenpark................................ 39

3.4.2.2 Die Figurenkonstellation in Russendisko .................................. 43

3.4.2.3 Zusammenfassung .................................................................... 48

4 SCHLUSSFOLGERUNGEN ............................................51

BIBLIOGRAPHIE..........................................................................55

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1. EINLEITUNG

1.1 THEMENEINGRENZUNG, PROBLEMSTELLUNG UND ZIELSETZUNG

Die Debatte um die wahre Identität der In- und Ausländer in Deutsch-land ist längst nicht mehr neu, doch immer noch sehr aktuell. Ständig wird nach den Grenzen und „Reinheitsgeboten“ von Sprache, Ethnie und Kultur gesucht, dennoch scheinen diese Grenzen immer schwerer definierbar zu sein. Historisch- und ökonomischbedingte Migrationspro-zesse, sowie das Phänomen der Globalisierung und die technologische Entwicklung von Kommunikationsmedien und Verkehrsmitteln haben zu dem Kenntnis-, Werterhaltungen- und Lebensformenaustausch zwi-schen den Menschen viel beigetragen. Aus der genauen Analyse dieser Phänomene und ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft ergab sich die Notwendigkeit, den üblichen Kulturbegriff zu hinterfragen, denn „die heutigen Kulturen entsprechen nicht mehr den alten Vorstellungen ge-schlossener und einheitlicher Nationalkulturen“, sondern sind „durch eine Vielfalt möglicher Identitäten gekennzeichnet und haben grenz-überschreitende Konturen“ (WELSCH 1995, S. 1). Diese Veränderun-gen werden von dem Begriff der Transkulturalität (ebd.) berücksichtigt und beschrieben. Nach der transkulturellen Ansicht sind die Kulturen „hochgradig miteinander verflochten“ (ebd.), weswegen diese Konzep-tion auf ein „vielmaschiges und inklusives, nicht auf ein separatistisches und exklusives Verständnis von Kultur“ (ebd.) zielt – denn die Berufung auf reine ethnische und kulturelle Identität produziert weltweit nicht selten Separatismen und Kriege. Durch den Begriff der Transkulturalität würde freilich keine globale, uniforme Weltkultur entstehen. Vielmehr würde sich nach Welsch eine transkulturelle Gesellschaft in Individuen äußern, die transkulturelle Elemente in sich tragen. Solche Kombination von verschiedenen „verti-kalen und horizontalen Elementen verschiedener Herkunft“ (WELSCH apud HÖPPNER 2010, S. 8) würde jedes Individuum transkulturell machen. Die daraus resultierende hybride Identität könnte nach Heiner Keupp auch als „Patchworkidentität“ bezeichnet werden, denn es würde um eine „aktive und oft sehr kreative Eigenleistung der Subjekte bei der Arbeit an ihrer Identität“ (KEUPP 2005, S. 3) gehen. Diese Patchwor-

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karbeit könne „in seiner spezifischen Ästhetik farbig und bunt erschei-nen“ und “Bewunderung und Faszination auslösen“ (ebd., S. 4). Für die Literatur- und Kulturwissenschaft sind kulturelle Äußerungen und Veränderungen besonders in Gestalt künstlicher – sprich textueller und medialer – Repräsentation von großem Interesse. In dieser Hinsicht sind einige literarische Phänomene nicht außer Acht zu lassen; Beispiele dafür sind zeitgenössische literarische Werke, deren Autoren selber einen Migrationshintergrund haben und deren Handlungsablauf die Problematik der kulturellen Grenzen und der Identitätsfragen aufweisen. Alina Bronsky und Wladimir Kaminer sind solche Autoren, und ihre Werke Scherbenpark und Russendisko handeln von ausländischen Figu-ren, die sich mit Kultur- und Identitätsfragen konfrontieren. Scherbenpark von Alina Bronsky, in der zweiten Auflage im Jahr 2008 erschienen, zeigt die inneren Kämpfe der jungen Sascha nach der Suche ihrer eigenen Identität. Das Mädchen emigriert mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrem Stiefvater aus Russland nach Deutschland als sie noch zehn Jahre alt ist. Sie überwindet alle Integrationshindernisse wie z.B. mangelnde Sprachkenntnisse, doch trotzdem kann sie sich nicht voll-kommen integrieren. Die Familie der Siebzehnjährigen wird durch ein Verbrechen erschüttert, Grund warum sie ihren Stiefvater töten und ihrer Mutter ein Buch schreiben möchte. Sie lebt mit den Geschwistern und der sibirischen Großtante im Scherbenpark – „einem Hochhaus-Ghetto, in dem eigene Gesetze gelten, die sie mit wilder Entschlossenheit bricht“ (BRONSKY 2008). Und als sie die Liebe entdeckt tritt all das in den Hintergrund, doch bleibt sie, wie schon im Klappentext formuliert, eine „Pendlerin zwischen den Welten, in keiner ganz zu Hause, aber scharfzüngig und altklug genug, um sich zu behaupten“ (ebd.). Die Hauptfigur hat viel von dem eigenen Leben der Autorin, die ebenfalls in Russland geboren ist und die Jugend in Deutschland verbracht hat. Wladimir Kaminers Russendisko, veröffentlicht in der 14. Auflage im Jahr 2002, handelt von dem Alltag vieler Ausländer mit unterschiedli-chen Nationalitäten in Berlin. Mit leichtem Humor geht der Autor auf schwierige Fragen ein, wie z.B. Vorurteile und Ausländerfeindlichkeit. Seine eigene Biografie findet sich auch in dem Leben des Erzählers wieder: der Autor ist in Russland geboren und nach Deutschland in der Jugend emigriert, und die deutsche Sprache beherrscht er so gut wie seine eigene, das Russische. Sein Roman zeigt die kulturelle Diversität als etwas Positives und gleichzeitig sehr Reales – denn jeder Ausländer ist „ein Fremder, doch irgendwie einer wie du und ich“ (KAMINER 2002, S. 91).

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Diese Fälle von Autoren, die „eine Außensicht aus dem Inneren des Landes“ (DIEZ; VOIGT, 2010, S. 157) liefern und deren Bücher von ihrem Leben zwischen Kulturen geprägt sind, werden immer häufiger in Deutschland. Deshalb möchte ich das Phänomen der Transkulturalität in den Werken der oben genannten Autoren analysieren und daraus einige Parallele zu der Realität und der kulturellen Situation Deutschlands ziehen. Für diese Analyse werde ich mich eines der zentralen Paradigmen der Methoden der postkolonialen Literaturkritik bedienen, sprich der Theo-rie zur Hybridität, welche hauptsächlich von Homi Bhabha formuliert wurde. Diese Theorie betont die vielfältigen Verflechtungen zwischen Identität und Alterität und versucht, „die zentralen Elemente einer post-kolonialen Poetik zu identifizieren“, welche geeignet sind, „gegen he-gemoniale Darstellungspraktiken zu intervenieren und bipolare Gegen-sätze zwischen Eigenem und Fremdem zugunsten hybrider Konstellati-onen aufzulösen“ (NÜNNING 2010, S. 278). Die Wahl der postkolonialen Literaturkritik als methodischer Ansatz für diese Arbeit erfolgte aufgrund ihrer kontextbewussten Literaturanalyse und ihres Interesses an den „literarischen Konstruktionen von Eigenem und Fremdem“ (ebd., S. 272). In dieser Methode geht es nicht um die historische Zeit nach der Unabhängigkeit der Kolonien, sondern um eine moderne Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe und der aus dem hegemonialen Diskurs ableitenden Stigmatisierung kulturell Anderer. 1.2 HYPOTHESENBILDUNG Meine Hypothesen bezüglich des von mir gewählten Themas lauten wie folgt:

1. Die literarischen Werke Scherbenpark von Alina Bronsky und Russendisko von Wladimir Kaminer spiegeln das transkulturelle Umfeld des zeitgenössischen Deutschlands wider. 2. Die Figuren beider Romane weisen hybride Identitäten / “Patch-workidentitäten“ auf, was die Komplexität der Identitätsfragen in-mitten einer transkulturellen Realität reflektiert.

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2. THEORETISCHER RAHMEN Im Laufe der Geschichte ist die Literatur immer ein wichtiges Medium gewesen, das mit ihren Darstellungsverfahren „zu der Konstruktion, Reflexion und gegebenenfalls Transformation kultureller Wahrneh-mungsmuster und ihnen eingelassener Wertehierarchien“ (NÜNNING 2010, S. 272) beigetragen hat. Nicht selten kommen Machtbeziehungen zwischen (oder auch innerhalb von) Nationen, Ethnien und Kulturen in der Literatur vor, deren Wurzeln in der Geschichte des modernen euro-päischen Kolonialismus stecken (ebd., S. 273). Die Produktivität von Literatur für die Konstruktion und Reflexion solcher Stereotypisierung und Ideologien wird zunächst von Theorien und Methoden der postko-lonialen Literaturkritik analysiert, welche einen wichtigen Beitrag zu der literatur- und kulturwissenschaftlichen Textanalyse leisten. Die ersten theoretischen und methodischen Impulse für die postkolonia-le Literaturkritik kamen von Edward Said und seiner Studie Orientalism

(1978), in der er einen „vom Okzident entwickelten Diskurs über den Orient“ bezeichnet, „der auf selbstaffirmative Abgrenzung von einem negativierten Anderen zielt“ (SAID apud NÜNNING 2010, S. 275). In diesem Ansatz untersucht Said die Begriffe von kultureller Identität und Alterität. Die kulturelle Identität wäre die „kontrastive Gegenüberstel-lung eines ‚Anderen’“, indem „Alterität bzw. Fremdheit kein inhärentes Qualitätsmerkmal von Personen, Gruppen und Kulturen ist“, sondern „vielmehr bezeichnet sie eine kulturell bedingte Qualifizierung einer Beziehung“ (ebd.). Die kulturelle Alterität sei „als die Idee von einem realen oder auch bloß imaginierten Anderen“ zu verstehen, „die durch permanente Grenzziehungen in einem Spektrum fiktionaler und nicht-fiktionaler Texte immer wieder aufs Neue hervorgebracht wird“ (ebd.). Diese letzte Kategorie müsste für die kulturelle Stereotypisierung haf-ten, denn ihre ständige intermediale Wiederholung würde dazu beitra-gen, die Stereotype zu konventionalisieren. Nach Said sind also Stereo-type als wesentlicher Bestandteil des „kulturellen Imaginären“ zu konzi-pieren, welche „kollektive Denkweisen prästrukturieren und maßgebli-chen Anteil an der Realität politischer Machtverhältnisse bzw. interkul-tureller Kontakte haben“. (ebd.) Diese von Said präsentierten Konzepte und Methoden wurden von der postkolonialen Literaturkritik aufgegriffen und – „im Zuge ihrer An-wendung auf postkoloniale Literatur“ – in verschiedener theoretischer und methodischer Hinsicht weiterentwickelt (BHABHA apud NÜN-

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NING, S. 276). Einer von diesen Forschungssträngen entspricht den Arbeiten zu Hybridität von Homi Bhabha. Der Begriff der Hybridität, welcher in dem von H. Bhabhas „psychoana-lytisch und poststrukturalistisch inspirierte[n] Ansatz zum Schlüsselkon-zept“ avanciert, beleuchtet die „psychodynamische Komplexität der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Kolonisator und Kolonisier-tem“ und deckt „die vielfältigen transkulturellen Verflechtungen“ auf, die sich hinter der „Oberfläche vermeintlich homogener Systeme“ ver-bergen (BHABHA apud NÜNNING, S. 278). Dieser ursprünglich aus der Biologie stammende Begriff betont „gerade diese wechselseitige Durchdringung verschiedener, auch antago-nistischer Kulturen und Traditionen, und die damit ermöglichte Überwindung kultureller Gren-zen“ (ebd.). Nach Bhabha ist die Hybridität auf die „kontinuierliche Durchbrechung der Grenzen zwischen dominanter und dominierter Kul-tur zurückzuführen“, welche dazu beitragen könnte, „etablierte Konzep-te von Ethnizität, Gender, Klasse, Nation oder Generation neu zu ver-handeln“ (ebd.). Bhabha unterscheidet in seiner Theorie zwischen „cultural diversity“ und „cultural difference“. Die „kulturelle Diversität“ steht für ein multi-kulturelles Denken, welches den negativen Effekt hat, Ethnien und Kul-turen als Ganzheiten festzuschreiben, wodurch Grenzziehungen vollzo-gen werden. Auf der anderen Seite liegt die Betonung der „kulturellen Differenz“ auf gegenseitige Konstruktion und Prozessualität, wobei die Begegnung und Interaktion der Kulturen ihre Multidimensionalität und Vernetzung verdeutlicht werde (BHABHA apud RUTHERFORD 1990, S. 221). Die Betrachtung dieser kulturellen Differenz führt zu den Beg-riffen der Hybridität und dem damit verbundenen „third space“, dem Aushandlungsort, wo Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen und einem „nicht-souveränen Selbstbild“ („non-souvereign notion of

self“, ebd., S. 212) zusammen kommen und miteinander um Bedeutun-gen und Repräsentation streiten würden, und wobei neue Freiräume entstünden (ebd., S. 212). Für Bhabha heiße Hybridisierung nicht ein-fach Vermischen, sondern strategische und selektive Aneignung von Bedeutungen (ebd., S. 211). Von daher lassen sich „literarische Texte als ‚hybrid’ bezeichnen, die Überlappungen und Durchdringungen zwischen Kulturen inszenieren“ oder die z.B. „durch Verfahren der Intertextualität bzw. Interdiskursivi-tät gemeinhin kulturell getrennte Diskurse zusammenführen und auf diese Weise zu einer Auflösung fester kultureller Grenzen beitragen“ (NÜNNING 2010, S. 279).

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An dieser Konzeption von Auflösung fester kultureller Grenzen knüpft Wolfgang Welsch mit seiner Studie zur Transkulturalität an. Zunächst wehrt er sich gegen die Begriffe von Inter- und Multikulturalität: die Interkulturalität würde die Kulturen als Kugeln oder Inseln sehen – und nach dieser Vorstellung könnten sie sich nur „voneinander absetzen, sich gegenseitig verkennen, ignorieren, diffamieren oder bekämpfen, und nicht hingegen sich verständigen und austauschen“ (WELSCH 1995, S. 1). Dieses Konzept würde nur nach Wegen suchen, wie „die Kulturen sich gleichwohl miteinander vertragen“, doch versäumt es, „die Wurzeln des Problems anzugehen“ (ebd., S. 2). Auf der anderen Seite würde die Multikulturalität „die Probleme des Zusammenlebens verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft“ (ebd.) aufgreifen, doch es würde immer noch von der „Existenz klar unterschiedener, in sich homogener Kulturen“ (ebd.) ausgehen. Diese Idee entspreche im-mer noch dem traditionellen Kulturverständnis von Johann Gottfried Herder, der im 18. Jahrhundert Kultur durch drei Aspekte charakterisiert habe: ethnische Fundierung, soziale Homogenisierung und Abgrenzung nach außen (HERDER apud WELSCH 1995, S. 1). Diese Annahmen sind heutzutage unhaltbar geworden, da moderne Gesellschaften sich intern hochgradig differenziert aufzeigen. Für Welsch waren Kulturen durch Wanderungsbewegungen „immer schon länderübergreifend miteinander vernetzt“ (WELSCH apud HÖPPNER 2010, S. 8), denn die Lebensformen, die die Kultur charakte-risieren, würden nicht an den Grenzen der Einzelkulturen enden. An dieser Stelle zitiert Welsch den Philosoph Ludwig Wittgenstein, der einen pragmatischen Kulturbegriff entwickelt hat, welcher „von vorn-herein von ethnischer Fundierung und Homogenitätsansprüchen frei ist“ (WITTGENSTEIN apud WELSCH 1995, S. 3) – Wittgenstein zufolge würde Kultur dort vorliegen, „wo eine geteilte Lebenspraxis besteht“. Dieses Konzept würde mit mannigfaltigen Übergängen und Überschnei-dungen zwischen den Lebensformen rechnen, wobei es für das Indivi-duum mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen zur Aufgabe der Identitätsbildung werde, die „transkulturellen Komponenten miteinander zu verbinden“ (WELSCH 1995, S. 3). Die Entdeckung und Akzeptanz der „transkulturellen Binnenverfassung der Individuen“ wäre deshalb eine Bedingung, um „mit der gesellschaftlichen Transkulturalität zu-rechtzukommen“ (ebd.). Homi Bhabha und Wolfgang Welsch gehen also von der Annahme aus, dass zeitgenössische Kulturen intern weithin durch Hybridisierung ge-kennzeichnet sind. Die starre Vorstellung der Kulturen als reine Einhei-ten sieht über ihre konstante Evolution, welche unter direkten Einfluss

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der menschlichen Begegnung ist, hinweg. Daraus entstehen jede Menge Stereotypisierungen und Vorurteile, die von der postkolonialen Litera-turkritik negativ bewertet werden. Dabei wird ein interessantes Phäno-men der Literatur hervorgehoben und analysiert, wo AutorInnen mit einem Migrationshintergrund sich in kritischer Absicht mit dem „kolo-nialen Erbe und damit verbundenen Formen der Stereotypisierung“ (NÜNNING 2010, S. 271) auseinandersetzen, wobei sie „anhand der Erfahrungen ihrer fiktionalen Protagonisten neue Deutungsmuster [er-proben], die sich eurozentristischer Vereinnahmung entziehen“. Oft sind die kulturelle Marginalisierung sowie die daraus resultierende „Proble-matik der Selbstfindung und Fremdheitszuschreibung“ (ebd.) zentrale Themen der Werke. Deshalb möchte ich anhand einiger Analysekatego-rien der Narratologie die literarischen Verfahren analysieren, die in den Werken Scherbenpark von Alina Bronsky und Russendisko von Wladi-mir Kaminer zur Inszenierung von Hybridität und Transkulturalität bei-tragen.

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3 ANALYSE

3.1 DIE METHODE In dieser Analyse möchte ich mich besonders auf zwei Kategorien der Narratologie konzentrieren, um die literarische Inszenierung von Hybri-dität und Transkulturalität in den von mir gewählten literarischen Wer-ken zu untersuchen. Beide Kategorien sind die Erzählperspektive und Figurenkonstellation, welche im Folgenden ausführlicher dargestellt werden. Ebenfalls werden die theoretischen Ansätze von Homi Bhabha und Wolfgang Welsch über Hybridität und Transkulturalität das Funda-ment für meine Analyse bilden. Durch die Kombination von diesen methodischen Elementen möchte ich zunächst die literarischen Werke Scherbenpark und Russendisko darstellen, und anschließend die Insze-nierung der Konzepte von Hybridität und Transkulturalität an etwa zweiundzwanzig von mir gewählten Textauszügen beider Werken ge-nauer analysieren. Doch bevor ich mit der Analyse anfange, möchte ich einige relevanten biographischen Fakten über die Autoren Wladimir Kaminer und Alina Bronsky präsentieren. 3.2 AUTORENBIOGRAFIEN Für die postkoloniale Literaturkritik als eine kontextbewusste Methode ist die Biographie des Autors von großem Interesse (vgl. NÜNNING 2010, S. 271). Wie schon erwähnt, haben die Globalisierung und die zunehmenden Migrationen das Phänomen der ‚Entnationalisierung’ von Literatur ausgelöst. In Deutschland zum Beispiel werden in der Aktuali-tät viele bekannte Bücher von AutorInnen mit Migrationshintergrund auf Deutsch geschrieben. Bei Scherbenpark und Russendisko ist das der Fall; aus diesem Grunde erweisen sich die biographischen Daten beider Autoren als für die Analyse der Werke sehr wichtig. Die Geschichte des Buchs Scherbenpark sei erfunden und habe nichts mit dem wirklichen Leben von Alina Bronsky zu tun, doch trotzdem sind an vielen Passagen persönliche Erlebnisse der Autorin mit einge-

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flossen, denn – wie sie – kommt auch ihre siebzehnjährige Hauptfigur aus Russland. Wiederum werden an den Kämpfen der Hauptfigur des Romans bei der Bildung der eigenen Identität zwischen Sprachen und Kulturen auch die Kämpfe der Autorin – einer echten Migrantin – sicht-bar. Die Hauptfigur von Russendisko hat besonders viel von dem Leben des Autors: gleiche Herkunft, gleichnamige Familienangehörige, dieselbe Arbeitstätigkeit, usw. Jedoch erziele ich nicht, das Buch als rein auto-biographisch zu lesen, sondern die literarische Inszenierung von der Transkulturalität, welche anscheinend das Leben des Autors ebenfalls prägt, zu analysieren. Die Tatsache, dass es diese Ähnlichkeit zwischen Hauptfigur und Autor gibt, erlaubt uns ebenfalls einige Parallelen zwi-schen Fiktion und Realität zu ziehen und einen Blick auf die transkultu-relle Realität Deutschlands zu werfen. Im Folgenden werde ich die für diese Arbeit relevantesten Daten der Biographien beider Autoren darstellen. 3.2.1 Alina Bronsky Alina Bronsky (Pseudonym) ist 1978 in Jekaterinburg/Russland geboren und ist noch als Kind nach Deutschland immigriert, wo sie einige Jahre in einer Hochhaussiedlung für Russlanddeutsche gelebt hat. Ihre Eltern, russische Wissenschaftler, haben in Deutschland geforscht. Sie ver-brachte ihre Jugend in Marburg und Darmstadt, und heutzutage lebt sie mit ihrer Familie in Frankfurt. Sie studierte Medizin und hat als Werbe-texterin und Redakteurin bei einer deutschen Tageszeitung gearbeitet. Seit einigen Jahren ist sie ebenfalls Schriftstellerin, und Scherbenpark

ist ihre erste literarische Veröffentlichung. (Quelle: Webseite des Ver-

lags Kiepenheuer & Witsch) 3.2.2 Wladimir Kaminer 1967 in Moskau geboren und Sohn einer russisch-jüdischen Familie, immigrierte Wladimir Kaminer nach Deutschland als er bereits 23 Jahre alt war. Noch vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutsch-land (3.10.1990) erhielt er die deutsche Staatsangehörigkeit, und seit-dem lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin.

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In Russland absolvierte Kaminer eine Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk und studierte anschließend Dramaturgie am Moskauer Theaterinstitut. Heutzutage arbeitet Kaminer als Schriftsteller und Kolumnist und veröffentlicht regelmäßig Texte in vielen deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Seine Texte schreibt er immer auf Deutsch. Außerdem moderiert er die Sendung „Russendisko Club“ auf RBB Ra-dio Multikulti und ist ebenfalls für seine „Russendisko“-Abende als DJ sehr bekannt. (Quelle: Internationales Biographisches Archiv 39/2007

vom 29. September 2007) 3.3 DIE LITERARISCHEN WERKE Als Einleitung zu meiner Analyse möchte ich zunächst einen umfassen-deren Überblick über beide Werke geben. 3.3.1 Bronskys Scherbenpark Die siebzehnjährige Sascha erlebt eine Realität, die selbst für Erwachse-ne schwierig auszuhalten wäre: ihr Schwiegervater Vadim, ein Russe, ermordet wegen Eifersucht ihre Mutter Marina, die ebenfalls Russin ist, und deren Freund Harry, ein Deutscher. Mit Vadim hatte Marina noch zwei Kinder gehabt, Anton und Alissa, die bereits sechs und drei Jahre alt waren, als ihre Mutter starb. Einige Jahre davor waren sie zusammen aus Russland nach Deutschland ausgewandert und hatten seitdem in einer russischen Hochhaussiedlung in der Nähe von Frankfurt gewohnt, die sie Solitär nannten. Wegen ihrer Hochbegabung wurde Sascha in einem Elite-Gymnasium angenommen, obwohl sie kein Wort Deutsch konnte und ihre Familie sehr arm war. Bald wurde sie zur besten Schülerin ihrer Klasse, sogar im Fach Deutsch, doch trotzdem wurde sie immer komisch angestarrt. Als ihre Mutter von ihrem Stiefvater ermordet wird, erlangt ihre Familie eine traurige Berühmtheit, und sie schafft für sich zwei Lebensziele: sie will ihren Stiefvater töten und ihrer Mutter ein Buch schreiben. Die unstrukturierte Familie – Sascha, Anton und Alissa – bekommt die Verstärkung von der sibirischen Tante, Schwester von Vadim, der nun

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im Gefängnis sitzt. Maria ist eine liebvolle Frau, die die deutsche Spra-che nicht zu lernen schafft und deshalb sehr isoliert von der Gesellschaft bleibt, was ihr am schwersten in dem neuen Land fällt. Auch Sascha ist eine Einwanderin, die sich nirgendwo zu Hause fühlt. Sie ist ein anstrengendes Mädchen, das sich in diesem Umfeld und die-ser Realität behauptet. Sie beschreibt ihre Umgebung öfters verunsi-chert, denn sehr oft weiß sie selber nicht, was sie will und wo sie hinge-hört. Zufällig lernt sie den Journalisten Volker und seinen Sohn Felix kennen, die zu ihren Freunden werden und in deren Haus sie einige Tage wohnt, um ihrer eigenen Realität zu entfliehen. Durch die zwei Männer erkennt sie die Liebe zu einem Mann, doch sie kann sich nicht für einen der beiden Deutschen entscheiden, wobei sie auch eine Pendle-rin zwischen den Welten – zwischen zwei Realitäten, zwei Leben, zwei Männern – bleibt. Als sie herausfindet, dass ihr Stiefvater Vadim Selbstmord beging, wird sie ratlos. Ihn zu töten wäre für sie eine Art Katharsis, eine Befreiung von der subtilen Bedrohung der Umgebung, in der sie lebt. Und diese Katharsis versucht sie zu erleben, indem sie die Hochhaussiedlung, wo sie wohnt, wild steinigt. Doch sie wird von einem Stein, der zurückge-worfen wurde, am Kopf getroffen und bleibt tagelang bewusstlos im Krankenhaus. Als sie wieder zu Hause ist und die Chance hat, ein neues Leben anzufangen, entscheidet sie sich, dieser Welt wiederum zu ent-fliehen und hinter sich ihre Familie, den Journalisten Volker und seinen Sohn Felix – die Männer, die sie liebt – zu lassen. Für diese moderne Heldin, die eine sehr schwierige Geschichte hat und es schafft, dort zu überleben, wo es sogar vielen Erwachsenen nicht gelingen würde, sind Integration und Hybridisierung eine schmerzliche Erfahrung (vgl. SCHWEIGER 2008, S. 114), Grund weshalb sie eine „epistemologische Verunsicherung“ (ebd.) mit sich bringt. Sascha kon-frontiert sich mit der Problematik der Selbstfindung und der Fremd-heitszuschreibung (vgl. NÜNNING 2010, S. 271) in einer Umgebung, wo ständig Grenzen zwischen Kulturen, Sprachen und Nationalitäten gezogen werden. Der Eindruck von einer schmerzhaften Erfahrung wird auch von dem Romantitel vermittelt: Scherbenpark, ein Park – der das Leben durch die Natur symbolisiert – voller Scherben von zerbrochenen Idealen, zerbrochenen Träumen, zerbrochenem Herzen, zerbrochener Identität.

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3.3.2 Kaminers Russendisko Der Ich-Erzähler des Romans, dessen Name nicht verraten wird, erzählt seine Geschichte mit wenig Detailsorgfalt. Vielmehr beschreibt er die ihm umgebenen Fakten, die seine Weltsicht beeinflussen. Russendisko ist eine Geschichte von Bewegung und Begegnungen. Hin und her springt der Erzähler in Zeit und Raum und der Leser erfährt allmählich, dass die Hauptfigur ein Jude ist, der 1990 als Teil einer „aus der Sowjet-union geflüchtete[n] Volksminderheit“ (KAMINER 2002, S. 27) nach Ostdeutschland emigrierte und dort in einem großen Ausländerheim untergebracht wurde, und ab diesem Moment das Leben in Deutschland weiter aufgebaut hat. Noch während des Lebens hinter dem eisernen Vorhang hat der Erzähler die ‚große weite Welt’ bewundert. Seine Helden waren „jene, die es geschafft hatten, über die Grenze zu kommen“ (ebd., S. 50). Doch 1990 war es soweit, und mit seinem Freund Mischa emigrierte er nach Berlin, wo es am einfachsten war, als Russe reinzukommen. Später kamen ebenfalls seine Mutter und dann noch sein Vater dazu. Seine Mutter entdeckte dort das Wunder der Busreisen: mit dem Bus zu reisen gebe ihr „das Gefühl, auf einer weiten Reise zu sein“ und gleichzeitig „dem Zuhause irgendwie nahe“ zu bleiben (ebd., S. 34). Dem Vater war es dagegen sehr langweilig in dem neuen Land, und „die süßen Früchte des entwickelten Kapitalismus einfach zu genießen, war ihm zuwider“ (ebd. S. 31). Deshalb sehnte er sich nach neuen Aufgaben, „nach Verantwor-tung und Kampf um Leben und Tod“ (ebd.). So entschied er sich, einen Führerschein zu machen; doch ein Fahrlehrer schaffte es, dem Vater „die Führerschein-Idee endgültig auszureden“ (ebd., S. 32), so lebensge-fährlich wurde diese neue Aufgabe. Die Hauptfigur hatte es anfangs nicht leicht in Deutschland: er hat auf der Straße als Verkäufer gearbeitet und ein leeres Haus in Prenzlauer Berg bewohnt, wo damals das Wunder der Wende noch nicht vorbei war und viele Menschen ihre Häuser verlassen hatten, um nach Westen zu gehen. Irgendwann lernt der Erzähler seine aktuelle Ehefrau kennen – sie ist auch eine Russin, die nach Deutschland emigrierte. Später erfährt man, dass er nun als Rundfunkjournalist bei der russischen Sendung ‚Multikulti’ arbeitet und sich in der Gesellschaft mehr oder weniger integriert hat. Deutsch hat er auch sehr gut gelernt, doch trotzdem erlebt er immer wieder Vorurteile und Grenzziehungen, sowie auch andere Ausländer, denen er begegnet. Wie bereits erwähnt, geht es in dem Roman hauptsächlich um Begeg-nungen. Beginnend mit der Einwanderung bis ins Jahr 2000 entlarvt der

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Erzähler viele Irritationen, Unsicherheiten, Probleme, schwierige und glückliche Momente des menschlichen Alltags – seien diese Menschen In- oder Ausländer – , die er mit Humor und Ironie erzählt. Aus diesen Austauschprozessen ergibt sich ein Zwischenraum, ein third space wo Sprachen und Kulturen überlagert und die jeder Kultur inhärenten Am-bivalenz sichtbar werden (vgl. BHABHA apud SCHWEIGER 2008, S. 113). 3.4 ANALYSE DER GEWÄHLTEN ROMANE An dieser Stelle möchte ich zunächst meine Ausgangshypothesen wie-derholen:

1. Die literarischen Werke Scherbenpark von Alina Bronsky und Russendisko von Wladimir Kaminer spiegeln das transkulturelle Umfeld des zeitgenössischen Deutschlands wider. 2. Die Figuren beider Romane weisen hybride Identitäten / “Patch-workidentitäten“ auf, was die Komplexität der Identitätsfragen in-mitten einer transkulturellen Realität reflektiert.

In Hinblick auf diese Hypothesen habe ich als Ziel, wie bereits erwähnt, anhand einiger Textpassagen beider Werken die literarischen Darstel-lungsverfahren zu identifizieren, die durch eine veränderte Auffassung von kultureller Identität und Alterität die Hybridität und die Transkultu-ralität darstellen. Dafür habe ich zwei Analysekategorien der Narratolo-gie gewählt, welche hier im Licht der postkolonialen Literaturkritik untersucht werden sollen: die Erzählperspektive und die Figurenkonstel-lation. 3.4.1 Die Erzählperspektive Die Erzählperspektive gebe Aufschluss „über die ideologische Haltung, die in einem Text mehr oder weniger implizit vermittelt wird“ (HAUS-BACHER 2008, S. 67). Anders als die autoritäre Schreibweise des ko-lonialen Blicks, hätten die „Migrationstexte“ nicht mehr eine „Herrena-

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titüde“, sondern lösen sie diesen Blick „durch einen transkulturellen“ ab, „bei dem die AutorInnen Unsicherheiten und Irritationen zulassen, mög-liche Irrtümer und die Begrenztheit ihrer Erfahrung eingestehen“ (ebd.). Diese Fokalisierung verdeutliche das Gefühl der Stigmatisierung und Stereotypisierung und würde deshalb als „Mittel der Sympathielenkung“ eingesetzt und somit zu einem größeren gegenseitigen Verständnis zwi-schen den kulturellen Differenzen führen. 3.4.1.1 Die Erzählperspektive in Scherbenpark

Die Ich-Erzählsituation der Hauptfigur des Romans Scherbenpark, Sa-scha Naimann, lässt ihre Meinungen und Sichtweisen deutlich klar, genauso wie ihre Unsicherheiten und Irritationen gegenüber der Welt. Die Migrantin Sascha ist die beste Schülerin ihrer Klasse, spricht ein perfektes Deutsch und hat bereits die Hälfte ihres Lebens – sprich die Jugend – in Deutschland verbracht, und trotzdem fühlt sie sich eine Außenseiterin. Sie bleibt eine Pendlerin zwischen den Welten und ist in keiner ganz zu Hause, denn sie erlebt einen inneren Konflikt zwischen dem, was sie denkt, dass sie ist, und dem, was die Welt von ihr denkt. Folgende Passage illustriert diese inneren Unsicherheiten, die die Ich-Erzählerin bei der Konstruktion der eigenen Identität erlebt:

Wenn ich hier aufgewachsen wäre, wäre ich eine ganz andere geworden, denke ich. Ich würde mich nicht prügeln, und ich würde wahrscheinlich auch weniger gnadenlos büffeln, selbst die Sachen, die mich überhaupt nicht interessieren, die Geschichte des Mittelalters, zum Beispiel. Ich wäre zum Sie-gen geboren und müsste mich nicht so verzweifelt abstrampeln, um allen zu beweisen, dass ich auch wer bin. (BRONSKY 2008, S. 39)

Dieser Abschnitt verdeutlicht das von der Ich-Erzählerin erlebte Gefühl der Stigmatisierung, und weckt bei dem Leser möglicherweise ein Iden-tifizierungsgefühl und gleichzeitig mehr Verständnis zu dieser transkul-turellen Realität, die die Figur in dem Roman erlebt. Bei diesem Identitätskonflikt der Erzählerin meint sie mit dem Wort „hier“ anscheinend viel mehr als das Haus der deutschen Familie, in der sie sich gerade befindet. Es geht nicht nur um das Haus, oder das Stadt-viertel, oder ebenfalls das Land als geographische Orte, sondern um die

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soziale Bedeutung dieser Orte, wo ihre hybride Identität ihren Platz nicht findet. Das gleiche Gefühl der Ortlosigkeit vermittelt die Erzählerin öfters durch die Art und Weise, wie sie sich der deutschen Sprache bedient. Bemerkenswert ist z.B. das Phänomen in der Passage, wo die Hauptfi-gur von dem „blinde[n] Regen“ (ebd., S. 95) spricht:

’Das ist einfach ein blinder Regen’, sage ich. ‚Wie?’ ‚Blinder Regen. Kennen Sie den Ausdruck nicht?’ ‚Nein.’ ‚Das sagt man, wenn es regnet und gleichzeitig die Sonne scheint’. ‚Wo sagt man das?’ ‚Bei uns.’ (ebd.)

Diese wörtliche Übersetzung einer Russischen Redewendung kann als eine „Metapher fürs Hiersein und Nichthiersein“ (DIEZ; VOIGT 2010, S. 158) interpretiert werden, wobei das „hier“ in diesem Fall auch eine breitere Perspektive annimmt: denn ihre Heimat, ihr „bei uns“ ist eigent-lich ihre hybride Sprache. Sehr oft in der Erzählung übersetzt sie russi-sche Redewendungen ins Deutsche, um ihre Umgebung zu beschreiben. Daraus ergibt sich ebenfalls ein Zwischenraum (third space), ein Aus-handlungsort für die zwei verschiedenen Sprachen, wodurch neue Be-deutungen entstehen können. Die ganze Passage könnte also auch als eine Metapher für Hybridität gelesen werden: ein „blinder Regen“, we-der sonnig noch regnerisch, weder Russisch noch Deutsch, aber eine Mischung von allem, ein Mittelpunkt. Wie bereits erwähnt, ist der Prozess der Integration und Hybridisierung für Sascha schmerzhaft, da ihre Umgebung ziemlich bedrohend ist. Die folgende Passage zeigt, wie die Hauptfigur oft missverstanden wird und stets einen Konflikt mit den Erwartungen ihrer Mitmenschen erlebt:

Ich heiße Sascha Naimann. Ich bin kein Kerl, auch wenn das hierzulande jeder denkt, der mei-nen Namen hört. […] Sascha ist eine Kurzform von Alexander UND von Alexandra. Ich bin Ale-xandra. Mein Rufname ist Sascha, so hat mich meine Mutter immer genannt, und so will ich auch heißen. Wenn ich mit Alexandra angesprochen werde, reagiere ich nicht. (BRONSKY 2008, S. 9)

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Diese Passage verdeutlicht eine Identität, die in sich die Hybridität trägt – denn Sascha ist ein hybrider Name. Und die Hauptfigur möchte ge-nauso erkannt werden: als eine hybride Identität. Anderen Menschen gegenüber ist sie wenig gnädig, wenn sie ihre Position nicht verstehen:

Manchmal denke ich, dass ich nie wieder neue Menschen kennenlernen will, weil ich es satt ha-be, jedem das Gleiche von vorn zu erklären. Wa-rum ich Sascha heiße und wie lange ich schon in Deutschland lebe und warum ich so gut Deutsch kann […]. Ich kann Deutsch, weil mein Kopf voll ist mit grauer Substanz, die wie eine Walnuss aussieht […]. Außer Deutsch kann ich auch Physik, Che-mie, Englisch, Französisch und Latein. Wenn ich mal eine Zwei kriege, kommt der Lehrer zu mir und entschuldigt sich. (BRONSKY 2008, S. 10)

Die Ich-Erzählerin möchte hier ganz bewusst Stereotypen gegenüber Migranten entstellen (vgl. SCHWEIGER 2008, S. 114): als Migrantin ist sie genauso fähig wie andere deutsche Schüler, und oft tragen ihre per-sönlichen Erfahrung in Russland zu ihren guten Leistungen bei. Sascha erzählt, dass sie in Deutschland am Anfang zwar kein Deutsch konnte, „aber die Zahlen natürlich trotzdem“ (BRONSKY 2008, S. 10), denn sie war in Russland „auf einem mathematischen Lyzeum“ (ebd.). Die Er-zählerin war sogar die Einzige in ihrer Klasse, „die mit den Worten Algebra und Geometrie etwas anfangen konnte“ (ebd.), während ihre Mitschüler beides „für Krankheiten gehalten“ haben (ebd.). Dieser Aus-schnitt hebt die Vorteile einer hybriden und transkulturellen Identität hervor, welche öfters die Gelegenheit hat, mehr Lebenserfahrung zu sammeln. Solche diskursive Dekonstruktion von Stereotypen ist in die-sem Fall nur möglich, weil es von der Perspektive einer Migrantin er-zählt wird und weil ihr Blick auf die Tatsachen ein transkultureller Blick ist. Die Kontrastierung zwischen den Welten, in denen die Hauptfigur sich bewegt, und welche durch strikte Grenzen immer wieder aufs Neue getrennt werden, ist ebenfalls ein wiederkehrendes Element in der Er-zählung. Die folgende Passage zeigt, wie die Erzählerin reagierte, als sie das Haus einer Mitschülerin besuchte:

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Keine Ahnung, was mich damals mehr erschüttert hat: die Ordnung in Melanies Zimmer oder die nach Politur riechenden Möbel, von denen ich früher gedacht hatte, dass sie nur im Katalog […] vorkommen, oder die Tatsache, dass im Wohn-zimmer an einem ovalen Tisch zu Mittag gegessen wurde und nicht in der Küche, oder die Bettwä-sche mit Pferden. Ich hatte nie zuvor bunte Bett-wäsche gesehen. Bei uns gab es nur weiße oder hellblau gemusterte, auf jeden Fall uralt und ver-waschen. (BRONSKY 2008, S. 13)

An dieser Stelle erkennt die Erzählerin eine andere Realität, die ihre eigene Weltsicht stark beeinflusst, wie sie selber später sagt: „Danach sah ich unsere Wohnung mit anderen Augen“ (ebd., S. 16). Diese Passa-ge symbolisiert die Hybridisierung ihrer Identität, denn sie überschreitet eine Grenze und erkennt eine andere Art und Weise zu leben, die ihr gefällt, und von der sie nur träumen kann. Die Erzählung aus ihrer eige-nen Perspektive macht dieses Phänomen der Hybridisierung an dieser Stelle besonders sichtbar. 3.4.1.2 Die Erzählperspektive in Russendisko

In Russendisko sind für den Ich-Erzähler die Phänomene der Hybridität und der Transkulturalität sehr klar an der Gesellschaft zu beobachten. Die Hybridisierung ist für ihn – im Gegensatz zu Sascha – ziemlich befreiend und lustvoll. Das Einzige, was ihn stört, ist die Ausländer-feindlichkeit, was sehr oft in seinen Kommentaren und Beobachtungen auftaucht. Doch der Erzähler hebt hervor, wie aus diesem Gefühl der Nichtanerkennung, welches von allen Ausländern geteilt wird, ein ande-res Phänomen entsteht, das ebenfalls zur Hybridisierung positiv beiträgt:

‚Wie heißt du?’, fragte ihn der Mercedesfahrer, ein Türke. ‚Salieri’, antwortete mein Freund. ‚Dachte ich mir gleich, dass du Ausländer bist’. Anstatt die Polizei zu rufen, brachte der Türke meinen betrunkenen Freund nach Hause und be-kam von dessen Frau, der französischen Schau-spielerin, hundert Mark für alles zusammen: für den Mann und den zerschlagenen Spiegel, was wirklich nicht viel war. Am nächsten Tag kam der

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Türke wieder. Es entwickelte sich eine Freund-schaft, und der Bruder der Frau, ebenfalls ein Franzose, will nun einen Film über diesen Zwi-schenfall drehen. So gibt die Mediendebatte ganz nebenbei vielen Menschen die Chance, sich neu zu sehen, nicht als Türke oder Russe oder Äthiopier, sondern als ein Teil der großen Ausländergemeinschaft in Deutschland, und das ist irgendwie toll. (KAMI-NER 2002, S. 74)

Diese Passage verdeutlicht wie die Grenzen zwischen den Kulturen und Nationalitäten öfters nicht so sehr zwischen Menschen bestehen, son-dern Konstruktionen sind, „die durch Gesetze als Ergebnis politischer Handlungen entstehen“ (vgl. SCHWEIGER 2008, S.121); denn viele Menschen aus verschiedenen Nationalitäten, die sich im Heimatland vielleicht nicht verstehen, fühlen sich in Deutschland als Teil der „gro-ßen Ausländergemeinschaft“ den anderen Ausländern irgendwie näher. Sobald dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Respekts ge-genüber der Differenz entsteht, sind die Menschen der Hybridisierung und dem transkulturellen Lernen offen. Die Überlappungen und Durchdringungen zwischen Kulturen werden immer als ein sehr positives Merkmal aus der Perspektive des Erzählers von Russendisko gesehen. Wie bereits erwähnt, geht es in der Erzählung oft um Bewegung und Begegnungen; so, dass der Erzähler die deutsche Hauptstadt Berlin eine „einzige Beziehungskiste“ nennt:

Es wird oft behauptet, Berlin sei die Hauptstadt der Singles. Die Bewohner lachen darüber. Nur einem oberflächlichen Journalisten, der irgend-welchen Statistiken mehr traut als seinen eigenen Augen, kann so etwas einfallen. Die Statistik lügt, sie hat auch früher immer gelogen. […] Berlin ist nicht eine Stadt der Singles, sondern eine Stadt der Beziehungen. Genau genommen ist die Stadt eine einzige Beziehungskiste, die jeden Neuan-kömmling sofort einbezieht. Alle leben hier mit allen. […] Wenn man sich Mühe gibt und die Be-ziehungen einer allein stehenden Person lange ge-nug zurückverfolgt, wird man bald feststellen, dass die Person mindestens indirekt mit der gan-zen Stadt verbandelt ist. (KAMINER 2002, S. 58)

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In diesem Beziehungsnetz gebe es anscheinend keine ethnischen Gren-zen, denn Berlin unterbringt sehr viele Ausländer. Dadurch würde der Erzähler die „Interdependenz und Verflochtenheit der Kulturen“ und der Individuen (WELSCH apud PAHOR 2008, S.128) hervorheben und versuchen, durch die „Beziehungskiste“ einen neuen Zwischenraum zu gestalten, der interkulturellen Austauschprozessen offen ist. Diese Pas-sage funktioniert ebenfalls als ein Mittel der Sympathielenkung, denn dadurch würde der Leser merken, dass letztendlich alle Menschen in Berlin „mindestens indirekt mit der ganzen Stadt verbandelt“ sind. Dass diese Tatsache positiv geschätzt wird, ist der Erzählperspektive zu dan-ken, welche die Welt aus einer transkulturellen Sicht betrachtet. Der Ich-Erzähler versucht auch durch seine Rede, die Teilnahme von Ausländern an verschiedenen kulturellen und akademischen Aktivitäten Deutschlands sichtbar zu machen, und somit auch die Aufmerksamkeit auf die transkulturelle Realität des Landes zu lenken:

Die sind doch überall, man erkennt sie ja nur nicht, weil sie die Deutschen so perfekt nachma-chen. Jedes Orchester in Deutschland hat einen bulgarischen Dirigenten, die gesamte Uniprofes-sorenschaft besteht hauptsächlich aus Bulgaren, dann gibt es noch den Stockhausenpreisträger, und zu guter Letzt das Bulgarische Kulturinstitut. Und wenn es um osteuropäische Intellektuelle geht, dann gibt es, verdammt noch mal, mich. (KAMI-NER 2002, S. 90)

Diese Passage war die Antwort auf die Frage, ob es überhaupt osteuro-päische Intellektuelle in Berlin gibt. Interessant ist, dass man diese Aus-länder, die überall sind, oft nicht erkennt – so der Erzähler –, weil sie „die Deutschen so perfekt nachmachen“. Wiederum wird hier die Mei-nung verteidigt, dass Intellektualität und Kompetenz keine Landes- und Kulturgrenzen kennen – ein erneuter Versuch, Stereotype zu dekonstru-ieren. Dieser Abschnitt offenbart auch, wie die deutsche Kultur intern weithin durch Hybridisierung gekennzeichnet ist, denn sogar in den hohen Ausdrücken von Kultur und Tradition sind transkulturelle Ein-flüsse vorhanden. Ein weiteres Mittel, das zu Dekonstruktion von Stereotypen in Russen-

disko verwendet wird, ist die Ironie; sie ist „die wichtigste diskursive Strategie des kolonialen Diskurses“ (HAUSBACHER 2008, S. 72). Der folgende Abschnitt erzählt von einer Passage, als der Erzähler als Schauspieler bei dem Film ‚Stalingrad’ arbeitet:

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Die Regieassistentin kommt und fragt, ob jemand bereit sei, seinen Hintern vor der Kamera zu ent-blößen, dafür gäbe es zusätzlich 250,- Mark. Die Russen genieren sich, der Bulgare auch. Nur der Deutsche ist bereit. Sein Hintern wird mit zwei Kameras gefilmt – von hinten und von der Seite. In der Szene geht es um Folgendes: Während sich die Mumien-Frau im Zelt mit Shakespeare in Love dem Rausch der Leidenschaft hingibt, haben die Kartenspieler draußen ihren eigenen Spaß. Der Verlierer muss fünf Kerzen mit einem Furz aus-blasen. So sind sie eben, die wilden russischen Sitten. Die 30 Soldaten sollen sich dabei wie ver-rückt amüsieren, aber alle schämen sich nur. (KAMINER 2002, S. 140)

Der Film, von dem hier die Rede ist, möchte ein Bild der Russen als wild und barbarisch vermitteln, und in der Realität ist doch nur der Deutsche, der diese Idee akzeptiert. Gleichzeitig schämen sich die Aus-länder, die die „wilden russischen Sitten“ inszenieren sollen. Diese Pas-sage perspektiviert also kritisch die Fremdwahrnehmungen der Deut-schen gegenüber den Russen und Osteuropäern. Ebenfalls wird hier die Aufmerksamkeit auf den Einfluss der Medien auf das kulturelle Imagi-näre gelenkt, denn wie bereits erwähnt können sie durch die Vermittlung von Stereotypen „kollektive Denkweisen prästrukturieren und maßgeb-lichen Anteil an der Realität politischer Machtverhältnisse bzw. inter-kultureller Kontakte haben“ (SAID apud NÜNNING 2010, S. 275). Auch als Mittel der Sympathielenkung berichtet der Erzähler in einer subtilen und auch teils kritischen Art von seinen inneren Unsicherheiten. Es wird erzählt, dass die Figur seit Jahren täglich in seinem russischen Lehrbuch Deutsches Deutsch zum Selberlernen aus dem Jahr 1991 liest. Das Lehrbuch sei „ein Trost für Geist und Seele“ (KAMINER 2002, S. 183):

Ich lese Deutsches Deutsch zum Selberlernen seit etwa acht Jahren und werde wohl noch weitere dreißig Jahre damit verbringen. Im Deutschen

Deutsch tut sich eine andere, eine beruhigend hei-le Welt auf. Den im Lehrbuch vorkommenden Leuten geht es saugut, sie führen ein harmoni-sches, glückliches Leben, das in keinem anderen Lehrbuch möglich wäre. (ebd., S. 184)

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Schon der Titel des Lehrbuchs weckt sein Interesse: „Deutsches Deutsch“ würde den Wunsch äußern, die Sprache perfekt zu beherr-schen, vor allem ohne den russischen Akzent, was den Weg zur Integra-tion einfacher machen würde. Diese andere, beruhigend heile Welt sei eine Welt ohne Grenzziehungen, mit Frieden und gegenseitigem Ver-ständnis. Für den Erzähler ist dieses harmonische Leben in keinem an-deren Lehrbuch möglich – vielleicht weil seine hybride Identität sich in dem „hybriden“ Lehrbuch über das deutsche Deutsch aus russischer Sicht wieder findet. 3.4.1.3 Zusammenfassung Sowohl in Russendisko als auch in Scherbenpark wird die Geschichte aus dem Blickpunkt eines Migranten erzählt. Dadurch, dass die Perspek-tive des Erzählers subjektiv und auf das eigene Wissen beschränkt ist, sind die inneren Hybridisierungsprozesse und die selektive Aneignung von neuen Bedeutungen einfach zu verfolgen. Oft wird die Opposition zwischen kultureller Minderheit und Mehrheit literarisch inszeniert und „bipolare Gegensätze zwischen Eigenem und Fremden zugunsten hybrider Konstellationen“ (NÜNNING 2010, S. 278) aufgelöst, indem die Erzähler das Augenmerk auf die Verflechtun-gen zwischen Menschen und Kulturen richten. Auch etablierte Konzepte von Kultur, Sprache und Ethnie werden aus der Perspektive der hybri-den Identitäten der Erzähler ständig neu verhandelt (vgl. BHABHA apud NÜNNING, S. 278) und die Stereotype abgebaut. Diese Verhand-lung ist nur möglich, weil die Erzähler zur Überschreitung von kulturel-len Grenzen und zu der Bildung von Dritten Räumen – durch die Über-lagerung von Kulturen – bereit und offen sind. 3.4.2 Die Figurenkonstellation Auch die Ebene der Figuren sei „nie ideologiefrei gestaltet“ (HAUS-BACHER 2008, S. 68). Die Art ihrer Gestaltung erweist sich deshalb als sehr Relevant für die Analyse, wie z.B. ob sie „statisch oder mehrdi-mensional bzw. typisiert wirken“ (ebd.) oder ob eine „transkulturelle Interaktion für die Figuren überhaupt möglich bzw. wünschenswert ist“

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(ebd.). Auch Aspekte wie Stereotypisierung und Duplizität von Zeit und Raum, sowie die Rolle der Sprache bei der Identitätsbildung und der kulturellen Konstruktion sind für die Analyse von Merkmale der Hybri-dität und der Transkulturalität wesentlich. Ein interessantes Phänomen in Scherbenpark und Russendisko ist die Art und Weise, wie andere Figuren aus einem transkulturellen und hyb-riden Blickwinkel dargestellt und dynamisch konzipiert werden. Durch den inneren Monolog kann der Leser verfolgen, wie die Erzähler über Stereotypen bewusst werden und sie gleichzeitig bei der Interaktion dekonstruieren. 3.4.2.1 Die Figurenkonstellation in Scherbenpark

In Scherbenpark versucht die Hauptfigur die jeder Kultur inhärenten Ambivalenz und Hybridität sichtbar zu machen und gleichzeitig die möglichen gewohnten Sehweisen des Lesers auf die Individuen ver-schiedener Kulturen zu entstellen (vgl. SCHWEIGER 2008, S. 114). Ein gutes Beispiel ist die Passage, als die Erzählerin ihre Beobachtungen über ein Mädchen ihrer Klasse beschreibt:

Melanies Mutter stammte übrigens aus Ungarn. Ich war sehr überrascht, denn erstens hatte Mela-nie das nie erwähnt, und zweitens sah das Mädel so bilderbuchmäßig deutsch aus wie kein anderes Mädchen in meiner Klasse. Eben so, wie man sich als Ausländer eine junge Deutsche vorstellt, vor allem, wenn man das Inland noch nie betreten hat. (…) Wenn ich sie nicht leibhaftig erlebt hätte, würde ich bis heute nicht glauben, dass es so je-manden wirklich gibt. (BRONSKY 2008, S. 13)

Hier spricht die Erzählerin von einem Stereotyp über junge deutsche Frauen, das besonders im Ausland verbreitet ist: „frisch geschnittenes und ordentlich gekämmtes blondes Haar bis zum Kinn, blaue Augen, rosige Wangen (…)“ (BRONSKY 2008, S. 14). Doch sie verrät selber, dass, wenn man das Inland betritt, merkt, dass die Realität ganz anders ist. Die deutsche Ethnie ist auch durch Hybridisierung gekennzeichnet, nicht nur die Kultur. Und das Mädel, das so bilderbuchmäßig deutsch wie kein anderes Mädchen in Saschas Klasse aussieht, hat eine ungari-sche Mutter, die Deutsch mit Akzent spricht.

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Die Sprache und der Sprachwechsel sind auch sehr wichtige Merkmale der Identitätsbildung in Migrationstexte, sowohl im kulturellen als auch im biologischen Aspekt. Eine Sprache trägt in sich viele kulturelle und historische Merkmale, und jede Sprache sieht die Welt aus einem ande-ren Blickwinkel, der auf die Weltanschauung des Migranten auswirkt; ebenfalls verwandelt sich durch die Erfahrung in einer fremdsprachigen Umgebung auch der Sprachkörper (vgl. SCHWEIGER 2008, S. 115). Auf der Ebene der Sprache wird kulturelle Hybridität/Hybridisierung besonders deutlich, denn „sie vermag es, kulturelle Unentschiedenheit zum Ausdruck zu bringen bzw. zu verstärken und damit die Homogeni-tät und Eindeutigkeit einfordernde Umwelt zu irritieren“ (HAUSBA-CHER 2008, S. 71). Hybride Identitäten sprechen eine „durch Mischung und Heteroglossie gekennzeichnete Sprache“ (ebd.). Folgendes Beispiel aus Scherbenpark illustriert dieses Konzept:

‚Du redest so komisch.’ [Sascha:]‚Wieso, habe ich einen Akzent?’ ‚Was? Nein, natürlich nicht. Ich meine das, was du sagst. Ist ziemlich schräg.’ (BRONSKY 2008, S. 227)

Hierbei redet Sascha mit einem deutschen Jungen, der von ihrem Migra-tionshintergrund nichts weiß. Das Mädchen spricht ein akzentfreies Deutsch, doch trotzdem schwingt das Russische unter der deutschen Oberfläche mit. Die Sprache der Migrantin ist, genauso wie ihre Identi-tät, in einem fortlaufenden Transformationsprozess, „welcher Überset-zungs- und Handlungsspielräume zwischen den Kulturen und den Spra-chen freilegt“ (SCHWEIGER 2008, S. 117). Daraus entsteht eine neue, hybride Sprache, „welche ein Bewusstsein für die Instabilität von Identi-tät und für die Akzeptanz von Differenzen aufweist“ (ebd., S. 124). Der Kontakt mit der fremden Sprache ist der erste Schritt zur Integration und ein wichtiges Element zur Hybridisierung. Doch die Sprache ist nicht nur primär ein Mittel der Kommunikation, sondern auch ein „Werkzeug [gegenseitiger] kultureller Konstruktion, mit dessen Hilfe unsere wahre Identität und unser wahrer Sinn konstruiert werden“ (CHAMBERS apud HAUSBACHER 2008, S. 71). Viele Missverständ-nisse, die sich später in Stereotype und Vorurteile umwandeln, können aus dieser sprachlichen Blockade entstehen:

Meine Mitschüler haben mich am ersten Tag an-gestarrt, als wäre ich gerade aus einem Ufo geklet-

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tert. Sie stellten mir Fragen, die ich erst nicht ver-stehen konnte. Bald konnte ich sie verstehen, aber da dachten inzwischen alle, dass ich nicht an-sprechbar bin. Es hat gedauert, bis sie sich umge-wöhnt haben. (BRONSKY 2008, S. 12)

Es ist hier klar, dass die Interaktion der Hauptfigur mit den Mitmen-schen von ihr erwünscht ist, und dass transkulturelle Austauschprozesse wegen Stereotypisierung, Vorurteile und vor allem sprachlicher Barrie-ren nur langsam erfolgen. Besonders die kulturellen Vorurteile werden in den Gesprächen zwischen Sascha und anderen Menschen sichtbar, wie im folgenden Beispiel:

‚Ich werde niemals ausländisches Auto fahren.’ Ich richte mich aus. ‚Niemals? Kein Citroen, kein Volvo, kein Saab, kein Mazda?’ ‚Alles Schrott’, sagt er und verzieht angewidert das Gesicht. ‚Niemals.’ ‚Oh’, sage ich […]. ‚Du bist ein Nationalist.’ ‚Nenn es wie du willst. […] Ich hasse ausländi-schen Schrott.’ ‚Selbst Miele produziert seine Staubsauger inzwi-schen in Asien’, sage ich. ‚Miele? Nie im Leben! […] Scheiße.’ ‚Ich will ja nur sagen, es gibt doch inzwischen nur noch ausländischen Schrott.’ ‚Ja, leider’, sagt er betrübt. ‚Wir ersticken darin.’ ‚Wer – wir?’ ‚Wir Deutschen natürlich. Du und ich. Wir verlie-ren alles – unsere Wirtschaft, unsere Sprache, un-sere Gene.’ (BRONSKY 2008, S. 225)

Dieser Dialog deutet auf eine Stellungnahme des deutschen Gespräch-partners hin, welche über die Realität des Landes und die Effekte der Globalisierung hinweg sieht – denn die von ihm erwünschte Reinheit von Wirtschaft, Sprache und Genen hat es wahrscheinlich nie gegeben. Diese Passage ist beispielhaft für die Konzeption von Edward Said, dass Alterität bzw. Fremdheit „kein inhärentes Qualitätsmerkmal von Perso-nen, Gruppen und Kulturen ist“, sondern vielmehr „als die Idee von einem realen oder auch bloß imaginierten Anderen“ zu verstehen, „die durch permanente Grenzziehungen in einem Spektrum fiktionaler und nicht-fiktionaler Texte immer wieder aufs Neue hervorgebracht wird“ (SAID apud NÜNNING 2010, S. 275). Der junge Mann merkt im Ge-

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spräch überhaupt nicht, dass die Gesprächspartnerin ein russisches Mä-del ist, und sagt zu ihnen beiden sogar „wir Deutschen“ – „Du und ich“. Hierbei wird dargestellt, wie die starren und oft imaginären Prinzipien der nationalistischen Fremdheitszuschreibung nicht mit der Realität übereinstimmen. Durch diese Einstellung wird die Gelegenheit verpasst, den Wert der Hybridisierung zwischen Kulturen, Ethnien und Sprachen zu betrachten und zu schätzen. Aber nicht nur von Inländern wird Sascha missverstanden; auch von ihren Landsleuten, ihren Nachbarn, wird sie schief angesehen, weil sie auch ihnen nicht mehr gleich ist. Ihre hybride Figur findet auch „zu Hause“ keinen Platz:

Ich will auch etwas sagen, aber Vera aus dem fünften Stock […] stellt sich mir entschieden in den Weg. ‚Ihr habt hier schon genug Unheil angerichtet’, sagt sie. ‚Hau einfach ab, meine Goldene, ja? Geh hübsch vorbei, sag nichts, sprich uns nicht an, lass unsere Männer in Frieden, lass unsere Jungs in Frieden…’ ‚…ich? In Frieden? …’ frage ich, aber sie lässt sich nicht aus dem Takt bringen. (BRONSKY 2008, S. 264)

Wie schon erwähnt, erlebt Sascha die Hybridisierung als eine schmerz-hafte Erfahrung, bei der sie von der bedrohenden Umgebung nicht ver-standen wird. Dadurch wird ihre Integration in die Gesellschaft nur er-schwert, und sie sagt selbst, sie wird „wahrscheinlich immer allein sein“ (BRONSKY 2008, S. 283). Diese Figur zeigt, wie kompliziert „das Ankommen, Wegwollen, Angenommenwerden, Nichtange-nommenwerden“ (DIEZ; VOIGT 2010, S. 157) im Leben der Migranten in einer Gesellschaft ohne den Begriff von Transkulturalität ist. Sie weicht deshalb den Extremen aus: sie will weder Russin noch Deutsche sein; kann weder nur den einen noch den anderen Mann lieben. Diese Schwierigkeit bei der Integration wird in den letzten Passagen des Ro-mans sehr deutlich. Ihre Wohnung ist voll mit allen Menschen, die sie liebt: beide Geschwister, die sibirische Tante, der Journalist Volker und sein Sohn Felix. Doch sie fühlt sich trotzdem nicht zu Hause:

Ich habe hier nichts mehr zu tun. Ich habe das Ge-fühl, sie kommen auch ohne mich zurecht.

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(…) Ich will nicht das Meer sehen und auch nicht die Berge. Ich will irgendwohin, wo viele Leute sind und wo es keinem auffällt, so wie ich im Moment aussehe. (…) Berlin ist toll, aber ich will ausnahmsweise nicht alles um mich herum verstehen. (BRONSKY 2008, S. 284)

Dieser Abschnitt verdeutlicht, wie die Hauptfigur ein Mittelding zwi-schen den Extremen sein möchte, und sich deshalb in einer Welt voller klar abgesteckten Grenzen nicht wiederfindet. 3.4.2.2 Die Figurenkonstellation in Russendisko

Der Ich-Erzähler von dem Buch Russendisko nennt dem Leser seinen eigenen Namen nie – er nennt sich einfach „ich“. Er ist auch ein Migrant aus Russland, der schon als Erwachsener nach Deutschland – bzw. Ber-lin – immigriert und dort sein Leben weiter aufbaut. Während er seine eigene Geschichte und alltägliche Situationen beschreibt, erzählt er ebenfalls von dem Leben anderer Menschen – hauptsächlich Migranten – denen er in Deutschland begegnet. Die Menschen, die er beschreibt, sind ein klares Muster für Hybridisierung der eigenen Identität und die transkulturelle Interaktion. Ein sehr interessantes Beispiel für diese Phänomene ist die Passage, als der Ich-Erzähler verschiedene Restaurants besucht und eine kulturelle Entdeckung macht:

‚Hören die Türken immer nachts bulgarische Mu-sik?’ Ich wandte mich mit dieser Frage Kitup, der in Moskau Anthropologie studierte und sich in Fragen volkstümlicher Sitten gut auskennt. (…) ‚Das sind keine Türken, das sind Bulgaren, die nur so tun, als wären sie Türken’, erklärte mir Ki-tup, der auch ein wenig bulgarisches Blut in sei-nen Adern hat. (…) ‚Der Konsument ist daran gewöhnt, dass er in einem türkischen Imbiss von Türken bedient wird, auch wenn sie in Wirklich-keit Bulgaren sind’, erklärten uns die Verkäufer. (KAMINER 2002, S. 97)

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Gleich am nächsten Tag bestätigt der Ich-Erzähler seine These, dass in Berlin nichts echt sei, denn „jeder ist er selbst und gleichzeitig ein ande-rer“ (ebd., S. 98):

Ich bildete mir ein, die Bulgaren dort wären in Wirklichkeit Türken. Doch dieses Mal waren die Bulgaren echt. Dafür entpuppten sich die Italiener aus dem italienischen Restaurant nebenan als Griechen. Nachdem sie den Laden übernommen hatten, waren sie zur Volkshochschule gegangen, um dort Italienisch zu lernen, erzählten sie mir. Der Gast erwartet in einem italienischen Restau-rant, dass mit ihm wenigstens ein bisschen Italie-nisch gesprochen wird. Wenig später ging ich zu einem ‚Griechen’, mein Gefühl hatte mich nicht betrogen. Die Angestellten erwiesen sich als Ara-ber. (ebd., S. 98)

Von Tag zu Tag erfuhr der Erzähler mehr:

In der Sushi-Bar auf der Oranienburger Straße stand ein Mädchen aus Burjatien hinter dem Tre-sen. Von ihr erfuhr ich, dass die meisten Sushi-Bars in Berlin in jüdischen Händen sind und nicht aus Japan, sondern aus Amerika kommen. (…) Die Chinesen aus dem Imbiss gegenüber von mei-nem Haus sind Vietnamesen. Der Inder aus der Rykestraße ist in Wirklichkeit ein überzeugter Tunesier aus Karthago. Und der Chef der afro-amerikanischen Kneipe mit lauter Voodoo-Zeug an den Wänden – ein Belgier. (KAMINER 2002, S. 98)

Diese transkulturelle Interaktion der Individuen aus verschiedenen Her-künften, bei der Sprache und Kochgewohnheiten übernommen werden, verdeutlicht ein klares Bild der hybriden Identitäten, die sich mit Frag-menten anderer Kulturen ständig neu bilden. Außerdem ist hierbei klar zu beobachten, dass die Essgewohnheiten und Interessen der Bevölke-rung in Berlin – In- oder Ausländer – sehr mannigfaltig und „hybrid“ sind. Jedoch ist es ebenfalls merkwürdig, dass hier von keinem deut-schen Restaurant die Rede ist. Und der Ich-Erzähler beschäftigt sich anschließend mit der Frage, wer „die so genannten Deutschen“ seien, „die diese typisch einheimischen Läden mit Eisbein und Sauerkraut

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betreiben“ (KAMINER 2002, S. 99). An dieser Stelle taucht eine Grenzziehung auf, denn der Erzähler stößt „auf eine Mauer des Schwei-gens“ (ebd.), wo keine Interaktion entsteht. Beachtenswert ist die Tatsache, dass die Arbeit an der Identität dieser Individuen aus einer strategischen und selektiven Aneignung von Be-deutungen entsteht, wodurch deutlich wird, dass die transkulturelle Hybridisierung keine einfache Vermischung ist. Es geht wirklich um eine aktive und kreative ‚Patchworkarbeit’ der Subjekte. Der Arbeitsum-feld und die Arbeitstätigkeit bilden hier das „third space“, den Aushand-lungsort wo verschiedene Menschen Raum schaffen für neue Einstel-lungen (BHABHA apud RUTHERFORD 1990, S. 211). Ebenfalls interessant ist dieser Textauszug, weil es um die Teilhabe von Migranten an Erwerbsarbeit geht, denn diese Tätigkeit bestimmt die soziale Position von Menschen in der Gesellschaft. Die Suche nach Erfüllung von den Erwartungen der Kunden hängt mit der gewünschten sozialen Anerkennung zusammen und spielt deshalb eine wichtige Rolle bei der Identitätsarbeit. In Russendisko ist auch das Thema Stereotype sehr wiederkehrend. Die imaginären Konstrukte (vgl. SAID apud NÜNNING 2010, S. 275) der Menschen gegenüber Minderheiten werden durch ironische Kommenta-re und Bemerkungen des Erzählers diskursiv dekonstruiert. Folgende Passage kann das Gesagte gut illustrieren:

‚Merkwürdig’, sagte die Schauspielerin, ‚seit fünf Jahren lebe ich in Deutschland, drei Theater-inszenierungen habe ich bereits mitgemacht, und jedes Mal musste ich den Teufel spielen.’ ‚Beru-hige dich, Marie-Helene’, sagte der Regisseur, streichelte ihr über den großen Hintern und lächel-te milde, ‚das hat absolut nichts damit zu tun, dass du zufällig schwarz bist.’ (KAMINER 2002, S. 148)

Es wird von einer schwarzafrikanischen Schauspielerin erzählt, die in einem Berliner Theater arbeitet. Ihre Aufstellung als Teufel deutet auf Vorurteile hin, die tief in dem sozialen Erbe der Gesellschaft stecken, wie die Verknüpfung von Schwarzem, Bösem und Teuflischem, die im Imaginären der Menschen durch die intermediale Wiederholung – wie z.B. in Theaterstücken – eingeprägt wird und keinen Bezug zur Realität hat.

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Ein weiterer Aspekt dieser Passage ist die Respektlosigkeit des Regis-seurs gegenüber der Frau und die sexuelle Konnotation seines Verhal-tens, als er über ihren Hintern streichelt. In diesem Benehmen stecken noch kolonialistische Gedanken von Superiorität und Besitz, die eben-falls von der Periode des Kolonialismus geerbt wurden. Die Sprache ist auch ein wichtiges Merkmal für die Darstellung transkultureller Interaktion in dem Werk von Kaminer. Für den Erzähler ist klar, dass Missverständnisse auf der Sprachebene zu Stereotypisie-rungen führen können, wie im folgenden Beispiel deutlich ist:

Nachdem sich bereits mehrere Leute die Aufnah-me angehört haben, kann ich nunmehr sagen: Der russische Telefonsex und wahrscheinlich auch der türkische hat eine noch größere Wirkung, wenn man die Sprache nicht versteht. Dann merkt man nämlich nicht, wie hinterhältig die Russen in Wahrheit sind – in diesem Fall, wie die Mädels sich verstellen. Es sind sogar großenteils ausge-bildete Schau-spielerinnen unter ihnen. (KAMI-NER 2002, S. 76)

Hier spricht der Erzähler über russischen Telefonsex, der in Berlin auch unter anderen Nationalitäten bekannt ist. Nach seinen Experimenten – er hat es aufgenommen und an Bekannte weiter gegeben – hat er gemerkt, wie die Barriere der Sprache auch eine Barriere für die realistische Schätzung der persönlichen Eigenschaften der Menschen ist. Die russi-schen Frauen von dem Telefonsex seien eigentlich sehr hinterhältig, und der internationale Gast würde sich unter die für ihn bedeutungslose Stimme nur das vorstellen, was er möchte. Auf der anderen Seite ist die eigene Muttersprache auch für den Erzäh-ler etwas Heimisches, weil sie auch das gegenseitige Verständnis und die Zustimmung einschließt:

Ein Arzt, der den Russen genehm ist, muss die Furcht des Patienten vor seiner Krankheit teilen, ihn trösten, ihm Tag und Nacht beistehen, sich al-le Geschichten über seine Frauen, Kinder, Freun-de und Eltern anhören und mit der Diagnose, die sich der Kranke selbst stellt, möglichst einver-standen sein. Ganz wichtig ist auch: er muss gut Russisch können, sonst kann er die Tiefe des Lei-dens nicht nachvollziehen. Deswegen suchen sich die kranken Russen stets einen russischen Doktor.

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Er lässt sich überall leicht finden. (KAMINER 2002, S. 164)

Ein interessantes Merkmal dieser Passage ist, dass der russische Doktor gut Russisch sprechen muss, um die „Tiefe des Leidens“ nachvollziehen zu können. Somit wird implizit der Wunsch vermittelt, verstanden zu werden und über die inneren Unsicherheiten und Ängste sprechen zu können, was der Migrant oft in der Fremdsprache nicht schafft. Deshalb wird für ihn die Sprache zur Heimat, nicht nur weil sie vertraut ist, son-dern weil man selber durch diese Sprache als vertraut auf anderen Men-schen wirken kann. Begriffe wie ‚interkulturelle Interaktion’ und ‚Integration’ werden eben-falls von dem Ich-Erzähler kritisiert, wie z.B. in der Passage, wo er eine Spielbank in Berlin beschreibt, welche manchmal „wie eine Sondersit-zung der UNO1“ (KAMINER 2002, S. 80) aussieht. Dort seien sogar „weit mehr Nationen vertreten als bei einer gewöhnlichen UNO-Sitzung“ (ebd.) und an jedem Tisch würde verhandelt, „welches System am besten funktioniert“ (ebd.). Doch alle Nationen wollen ihre Geheim-nisse nicht preisgeben und die Systeme vermischen sich nicht – alles im Namen des Wettbewerbs und des Gewinns. Diese interkulturelle Inter-aktion fördert keinen Dritten Raum, wo neue Systeme entstehen können und die kulturelle Hybridisierung erfolgen kann. Deshalb müssen einige Nationen weithin verlieren, damit andere gewinnen. Das Interesse der Nationen an das System der anderen ist ebenfalls nicht sonderlich groß, wie im folgenden Beispiel dargestellt wird:

Die Deutschen gehen ins Kasino, weil sie weltof-fen und neugierig sind. Dort lernen sie die Syste-me anderer Nationen kennen, die sie im Grunde aber auch nicht sonderlich interessieren. (KAMI-NER 2002, S. 82)

Diese Einstellung kann als eine Verhinderung im Weg der Hybridisie-rung interpretiert werden, denn eine bewusste Aneignung von den Wer-ten anderer Menschen kann nicht erfolgen, wenn man diese Werte nicht anerkennt. Der Glaube, dass das Eigene auch das absolut Beste ist und weder verändert noch verbessert werden kann, stellt eine Blockade für die transkulturelle Entwicklung der Menschen dar. Der Ich-Erzähler kritisiert diese Haltung, indem er die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Nationen lenkt: 1 United Nations Organisation.

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Einmal, es war lange nach Mitternacht, ging im Kasino das Licht aus. Alle Systeme wurden durcheinandergebracht, die Spieler aller Nationen fluchten, jeder in seiner Sprache. Es hörte sich wie der letzte Tag von Babylon an. In diesem Moment ist mir klar geworden, dass all diese Menschen, wie unterschiedlich sie auch waren, nur das eine wollten: Strom. (KAMINER 2002, S. 82)

In dieser Passage ist die Meinung vertreten, dass alle Menschen aus verschiedenen Nationen sowohl etwas zu lernen als auch zu lehren ha-ben, und dass die Hybridisierung ihrer „Systeme“ nur Gewinne bringen könnte. Ebenfalls ist hiermit die Ansicht vertreten, dass alle Menschen im Grunde nur „das eine“ wollen, und zwar glücklich und in Ruhe le-ben. Obwohl die Hybridisierung für die Hauptfigur in Russendisko leicht und lustvoll vorkommt, ist für ihn der Prozess der Integration nie vollkom-men. Die Gesellschaft, in der er sich befindet, hat auch keinen Begriff von Transkulturalität und bereitet Schwierigkeiten für seine hybride Identität. In dem letzten Kapitel erzählt er, warum er „immer noch kei-nen Antrag auf Einbürgerung gestellt“ (ebd., S. 189) hat. Er habe es zwar schon drei Mal versucht, doch scheiterte immer an irgendeinem bürokratischen Problem. Beim letzten Mal habe er alle Papiere sorgfäl-tig vorbereitet – der handgeschriebene Lebenslauf, all die Gründe für seine Einreise nach Deutschland, der große Fragebogen mit seinen wirt-schaftlichen Verhältnissen –, und plötzlich passierte ihm etwas auf dem Weg: seine Papiere fielen aus der Mappe und landeten in einer nassen Grube. „Ich werde wohl nie die Einbürgerung bekommen“, sagt er, „aber wozu auch?“ (KAMINER 2002, S. 192). An dieser Stelle erkennt der Erzähler, dass er nie ein Deutscher sein wird, zumindest nicht für die deutschen Verhältnisse. Dennoch empfindet er das nicht (mehr) als Ka-tastrophe. Offensichtlich hat er sich mit seiner hybriden Identität ausge-söhnt. 3.4.2.3 Zusammenfassung Durch die Auseinandersetzung mit der Figurenkonstellation beider Wer-ken ist zu beobachten, dass die Figuren gemischt und mehrdimensional sind, und durch mehrere Merkmale, wie z.B. biographischer Hinter-

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grund, Herkunft, sozialen Status, Verhalten gegenüber anderen Figuren, usw. bestimmt werden können. Sie werden „häufig bastardisiert und entwurzelt dargestellt“ (HAUSBACHER 2008, S. 68) und ihre Sprache ist durch Heteroglossie gekennzeichnet. Ihnen ist die Möglichkeit der kulturellen Grenzüberschreitungen sehr offen und ihre Interaktion eröff-net stets einen Dritten Raum für Austausch- und Hybridisierungsprozes-se. Durch die Begegnungen der Figuren wird ebenfalls versucht, kultu-relle Stereotype diskursiv zu dekonstruieren. Diese literarisch dargestell-ten Subjekte zeigen vor allem, dass Fremde etwas ist, „was man in sich trägt“ (DIEZ; VOIGT 2010, S. 158) und nichts was von außen kommt. Doch die Integration ist für alle Figuren ein eckig und sperriges Wort, was verletzen kann (ebd., S. 157) – ein Werkzeug, das man benutzt, um „eine Gesellschaft zusammen-zuschrauben“ (ebd.), ohne Differenzen zu berücksichtigen.

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4. SCHLUSSFOLGERUNGEN Mein Ausgangspunkt für diese Arbeit war die Überschneidung zwischen den Theorien von Wolfgang Welsch zur Transkulturalität und von Homi Bhabha zur Hybridität. Beide Autoren gehen von der Annahme aus, dass moderne Gesellschaften und Kulturen durch Hybridisierung gekenn-zeichnet sind. Sie verteidigen also eine Konzeption von Auflösung fester kultureller Grenzen, welche zu einem inklusiven statt einem separatisti-schen und exklusiven Verständnis von Kultur beitragen würde. Im Hin-blick auf diese Theorien legte ich als Ziel für meine Arbeit die Analyse der literarischen Inszenierung der Phänomene der Transkulturalität und der Hybridität in den Werken Scherbenpark von Alina Bronsky und Russendisko von Wladimir Kaminer fest. Beide Autoren haben selber einen Migrationshintergrund und ihre Werke handeln von der Problema-tik der kulturellen Grenzen und der Identitätsfragen im Leben eines Migranten in Deutschland. Bezüglich dieses Themas formulierte ich die Hypothesen, dass die von mir gewählten Werken – Scherbenpark und Russendisko – das transkul-turelle Umfeld des zeitgenössischen Deutschlands widerspiegeln, und dass die Figuren beider Romane hybride Identitäten – oder auch „Patchworkidentitäten“ (KEUPP 2005) – aufweisen, was die Komplexi-tät der Identitätsfragen inmitten einer transkulturellen Realität reflek-tiert. Als methodischer Ansatz für diese Analyse wählte ich die postkoloniale Literaturkritik, weil sie eine kontextbewusste Methode für die Literatur-analyse ist und eine „moderne Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe und den aus dem hegemonialen Diskurs ableitenden Konstruktio-nen von Eigenem und Fremdem“ (NÜNNING 2010, S. 278) vorschlägt. Um diese Methode anzuwenden wählte ich zwei Analysekategorien der Narratologie, die Erzählperspektive und die Figurenkonstellation, wel-che sich für die Ziele dieser Arbeit als sehr geeignet zeigten, denn durch sie konnte ich die innere Beziehung der Ich-Erzähler zu sich selbst, zu den anderen Menschen und zu der Umwelt ziemlich genau beobachten. Durch diese Kategorien konnte ich also die Haltung der Erzähler gegen-über der Gesellschaft, die Vermittlung ihrer Unsicherheiten und Hybri-disierungsprozesse, die Art und Weise, wie die Figuren interagieren, wie Identität und Alterität konstruiert werden, wie Stereotypisierung vor-kommt usw. sehr gut verfolgen.

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Während der Analyse habe ich feststellen können, dass Hybridität und Transkulturalität wiederkehrende Merkmale der Werke sind. Die Ich-Erzähler versuchen ständig, Stereotype diskursiv zu dekonstruieren; durch ihre Handlungen zeigen sie, wie die Identitätsbildung ein durch-gehender Prozess ist, bei dem Fragmente aus verschiedenen Kulturen übernommen werden – eine Patchworkarbeit. Die zunehmenden Migra-tionen und die Globalisierung tragen dazu bei und machen diesen Pro-zess der Hybridisierung unvermeidlich. Die hybriden Identitäten ver-deutlichen ebenfalls wie die Hybridisierung durchaus bereichernd für alle Seiten ist und Gewinne bringen kann, und wie die Erschaffung eines Dritten Raumes zwischen Kulturen und Sprachen die Türen für das gegenseitige Verständnis der Menschen eröffnen kann. Die Beschreibung der Erlebnisse der Hauptfiguren bei dieser transkultu-rellen Identitätsbildung ist so tiefgründig, dass ich daraus schließen kann, dass diese Figuren viel von den persönlichen Erfahrungen der Autoren – die selbst Migranten sind – in sich tragen. Beide Texte han-deln außerdem von sehr ähnlicher Problematik, was das Verhältnis der Figuren zu der Gesellschaft und zu dem Thema der Integration anbe-langt – sie zeigen, wie der Integrationsprozess für ihre hybriden Identitä-ten nie abgeschlossen ist, weil die traditionelle Gesellschaft keinen Platz für sie schafft. Deshalb schließe ich daraus, dass die Handlungen beider Werken das transkulturelle Umfeld des zeitgenössischen Deutschlands in gewissem Maße widerspiegeln und eine Bewusstmachung dieses existierenden Phänomens schaffen. Im Hinblick auf diese Feststellungen komme ich zu dem Schluss, dass sich meine Ausgangshypothesen für diese Arbeit bestätigen. Das Erzählen vom Leben zwischen Kulturen ist ein sehr aktuelles Phä-nomen in der deutschen Literatur, das hohe Anerkennung verdient und eine gute Rezeption des deutschen Publikums hat. Es gibt immer mehr gute deutsche Romane, die von Migranten geschrieben werden und ein Auge für die Problematik der gesellschaftlichen Integration dieser Gruppe haben, was ein neues Forschungsfeld für die Literaturanalyse eröffnet. Diese Arbeit leistet einen Beitrag zu der Bekanntmachung dieses Phänomens für das brasilianische deutschsprachige Publikum, u. a. besonders für die brasilianischen Studenten der germanistischen Lite-ratur. Gleichzeitig trägt diese Analyse dazu bei, die Aufmerksamkeit genau dieses Publikums auf die Notwendigkeit zu lenken, angenomme-ne Begriffe von Kultur, Ethnie, Sprache sowie auch Stereotype zu über-prüfen. Einen weiteren Beitrag dieser Analyse könnte im Bereich Deutsch als Zweit- und Fremdsprache geleistet werden, vor allem bei der Auseinan-

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dersetzung mit deutscher Landeskunde, denn die literarischen Werke zeigen eine breitere Dimension von dem kulturellen Reichtum Deutsch-lands, welcher von einer Vielfalt einzelner Kulturen beeinflusst wird. Die kurze Zeit, die ich zur Verfügung hatte, um diese Arbeit zu schrei-ben, sowie meine beschränkten Sprachkenntnisse haben es mir nicht erlaubt, eine tiefgründigere Analyse des Themas durchzuführen. Es gibt noch zahlreiche Aspekte, die in dieser Analyse miteinbezogen werden könnten, und mit denen ich mich nicht auseinandergesetzt habe, wie z.B. Symbolik, Genderfragen, Intertextualität, Rezeptions- und Wirkungsäs-thetik usw. Als Weiterführung für diese Arbeit hätte ich als Vorschlag eine tief-gründigere Erforschung der Beziehung von Sprache und Identität in den gewählten Werken, was sicherlich interessante Ergebnisse erhalten wür-de. Ein weiterer Vorschlag wäre die Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern Literatur zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen kann.

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