Unser Interview Наше интервью...24 deutsch-russischer Kurier 7/2013Unser Interview...

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24 DEUTSCH-RUSSISCHER KURIER 7/2013 Unser Interview Наше интервью Erleichterungen für Russlanddeutsche beim Zuzug Als erster stellvertretende Vorsitzender der Ar- beitsgruppe Vertriebene und Flüchtlinge der CDU/CSU-Fraktion arbeitete er maßgeblich an der kürzlich geänderten Fassung des Bundes- vertriebenengesetzes mit. Der Rechtsanwalt Ste- phan Mayer sitzt für die CSU im Bundestag und ist Innen-, rechts- und sportpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe. Als das Schönste an sei- ner Arbeit als Bundestagsabgeordneter gibt er auf seiner Webseite an, dass man Menschen in teilweise schweren und existentiellen Situationen ganz konkret und unbürokratisch helfen kann. Als Lebensmotto nennt er: Carpe diem! Nutze den Tag! Wir konnten ihn zum geänderten Bun- desvertriebenengesetz befragen. Deutsch-Russischer Kurier: Herr Mayer, Sie ha- ben bei den Beratungen zu den Änderungen zum Bundesvertriebenengesetzes mitgewirkt. Können Sie uns Ihren Beitrag dabei schildern? Stephan Mayer, MdB: Mit der Bundestagskollegin Gisela Piltz von der FDP habe ich das Gesetz maßgeblich mit voran und dann in der letzten Sitzungswoche auch zum Abschluss gebracht. Die Initiative und Ausgestaltung der Regelungen für die Novellierung des Bundesvertriebenengesetzes haben wir in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern erarbeitet. Wenn man so etwas beeinflussen kann und dazu beitragen kann, dass humanitäre Unzulänglichkeiten vermieden werden, dann gibt das schon eine gewisse Zufriedenheit.“ Deutsch-Russischer Kurier: Wann rechnen Sie, dass die vom Bundestag beschlossenen Änderungen des Bundesvertriebe- nengesetzes durch die Unterschrift des Bundespräsidenten in Kraft treten? Stephan Mayer, MdB: Ich hoffe und gehe davon aus, dass die Änderungen noch im August 2013 in Kraft treten können. Deutsch-Russischer Kurier: Können Sie unseren Lesern kurz die Erleich- terungen im geänderten Bundesvertriebenengesetz darstellen? Stephan Mayer, MdB: Geändert wurden im Wesentlichen zwei zentrale Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes: Für den Nachweis zur deutschen Volkszugehörigkeit wurden erhebliche Be- weiserleichterungen und Vereinfachungen beim Nachweis der Sprachqua- lifikation beschlossen. Darüber hinaus wurde die Härtefallregelung für die nachträgliche Miteinbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid gelockert. Deutsch-Russischer Kurier: Wer kann mit Aussicht auf Erfolg erneut einen Aufnahmeantrag stellen? Sind neue Aufnahmeanträge auch möglich bei bis- lang rechtskräftig abgelehnten Aufnahmeanträgen? Stephan Mayer, MdB: Neue Aufnahmeanträge können nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen beim Bundesverwaltungsamt in Köln gestellt werden. Das Recht auf Antragstellung ist nicht durch einen bereits zuvor gestellten, aber abgelehnten Antrag verwirkt. Voraussetzung ist allerdings, dass die erneute Antragstellung auch unter die geänderten gesetzlichen Vor- schriften fällt.

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  • 24 deutsch-russischer Kurier 7/2013

    Unser Interview Наше интервью

    Erleichterungen für Russlanddeutsche beim ZuzugAls erster stellvertretende Vorsitzender der Ar-beitsgruppe Vertriebene und Flüchtlinge der CDU/CSU-Fraktion arbeitete er maßgeblich an der kürzlich geänderten Fassung des Bundes-vertriebenengesetzes mit. Der Rechtsanwalt Ste-phan Mayer sitzt für die CSU im Bundestag und ist Innen-, rechts- und sportpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe. Als das Schönste an sei-ner Arbeit als Bundestagsabgeordneter gibt er auf seiner Webseite an, dass man Menschen in teilweise schweren und existentiellen Situationen ganz konkret und unbürokratisch helfen kann. Als Lebensmotto nennt er: Carpe diem! Nutze den Tag! Wir konnten ihn zum geänderten Bun-desvertriebenengesetz befragen.

    deutsch-russischer Kurier: Herr Mayer, Sie ha-ben bei den Beratungen zu den Änderungen zum Bundesvertriebenengesetzes mitgewirkt. Können Sie uns Ihren Beitrag dabei schildern?

    Stephan Mayer, MdB: Mit der Bundestagskollegin Gisela Piltz von der FDP habe ich das Gesetz maßgeblich mit voran und dann in der letzten Sitzungswoche auch zum Abschluss gebracht. Die Initiative und Ausgestaltung der Regelungen für die Novellierung des Bundesvertriebenengesetzes haben wir in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern erarbeitet. Wenn man so etwas beeinflussen kann und dazu beitragen kann, dass humanitäre Unzulänglichkeiten vermieden werden, dann gibt das schon eine gewisse Zufriedenheit.“

    deutsch-russischer Kurier: Wann rechnen Sie, dass die vom Bundestag beschlossenen Änderungen des Bundesvertriebe-nengesetzes durch die Unterschrift des Bundespräsidenten in Kraft treten?

    Stephan Mayer, MdB: Ich hoffe und gehe davon aus, dass die Änderungen noch im August 2013 in Kraft treten können.

    deutsch-russischer Kurier: Können Sie unseren Lesern kurz die Erleich-terungen im geänderten Bundesvertriebenengesetz darstellen?

    Stephan Mayer, MdB: Geändert wurden im Wesentlichen zwei zentrale Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes: Für den Nachweis zur deutschen Volkszugehörigkeit wurden erhebliche Be-weiserleichterungen und Vereinfachungen beim Nachweis der Sprachqua-lifikation beschlossen. Darüber hinaus wurde die Härtefallregelung für die nachträgliche Miteinbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid gelockert.

    deutsch-russischer Kurier: Wer kann mit Aussicht auf Erfolg erneut einen Aufnahmeantrag stellen? Sind neue Aufnahmeanträge auch möglich bei bis-lang rechtskräftig abgelehnten Aufnahmeanträgen?

    Stephan Mayer, MdB: Neue Aufnahmeanträge können nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen beim Bundesverwaltungsamt in Köln gestellt werden. Das Recht auf Antragstellung ist nicht durch einen bereits zuvor gestellten, aber abgelehnten Antrag verwirkt. Voraussetzung ist allerdings, dass die erneute Antragstellung auch unter die geänderten gesetzlichen Vor-schriften fällt.

  • deutsch-russischer Kurier: Die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes kann für eine wieder stärkere Zuwanderung von Spätaussiedlern führen. Wie stark prognostizie-ren Sie die Zuwandererzahlen pro Jahr? Wie groß schätzen Sie das Gesamtpotential der Zuwanderung aufgrund des geänderten Bundesvertriebenengesetzes ein?

    Stephan Mayer, MdB: Die Zuwanderung durch Spätaussiedler hat in den vergange-nen Jahren deutlich abgenommen. Kamen im Jahr 2004 beispielsweise noch annähernd 60.000 Spätaussiedler nach Deutschland, waren es in den vergangenen drei Jahren je-weils nur noch knapp über 2.000. Es bleibt daher abzuwarten, ob die beschlossenen Änderungen tatsächlich wieder zu einem leichten Anstieg führen werden. Sie sollen auf jeden Fall einen neuen Impuls setzen und für mehr Einzelfallgerechtigkeit sorgen.

    deutsch-russischer Kurier: Fürchten Sie nicht erneut Probleme für die Integration dieser Leute? (Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die Menschen kommen hier nicht zu-recht, Kulturschock usw.)

    Stephan Mayer, MdB: Durch die neuen gesetzlichen Grundlagen zur Verbesserung bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen und die im großen Umfang zur Verfü-gung gestellten Mittel für Integrationsmaßnahmen finden Spätaussiedler hervorragende Bedingungen in Deutschland vor. Zudem suchen Unternehmen in vielen Regionen qualifizierte Fachkräfte, die gerade auch über Erfahrungen mit Russland/Osteuropa verfügen.

    deutsch-russischer Kurier: Wo sehen Sie derzeit die Hauptprobleme bei der Gruppe der Spätaussiedler und Kontingent-flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland?

    Stephan Mayer, MdB: Die größte Herausforderung ist sicherlich die soziale Integration und das Zurechtfinden in einem neuen Land. Daher wirken sich fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache oftmals überproportional stark aus.

    deutsch-russischer Kurier: Kann es in absehbarer Zeit auch für jüdische Kon-tingentflüchtlinge entsprechende Erleichterungen bei der Zuwanderung geben?

    Stephan Mayer, MdB: Es ist davon auszugehen, dass in der kommenden Legisla-turperiode die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes erneut Gegenstand von Verän-derungen sein werden. Im Zuge dessen wird auch der Bedarf von Erleichterungen für jüdische Kontingentflüchtlinge zu prüfen sein.

    deutsch-russischer Kurier: Was unternimmt die Politik gegen die wachsende Altersarmut, die insbesondere viele Migranten betreffen wird?

    Stephan Mayer, MdB: Dieses Thema ist uns sehr wichtig. So setzen wir uns beispielsweise dafür ein, dass die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, schrittweise verbessert wird. Im Rahmen der Lebensleistungsrente soll die Leistung von Menschen, die Kinder erzogen oder/und Angehörige gepflegt haben, in besonderem Maße in der gesetzlichen Rente honoriert werden. Unser ist Ziel ist, dass diejenigen, die jahr-zehntelang in den Generationenvertrag eingezahlt und vorgesorgt haben, im Alter eine auskömmliche Rente haben und nicht auf die Grundsicherung mit der damit verbundenen Bedürftigkeitsprüfung angewiesen sind.

    deutsch-russischer Kurier: Wo sehen Sie die Gründe, dass derzeit die meisten Asylanten aus Russland kommen?

    Stephan Mayer, MdB: Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei den Asylbewerbern aus Russland wohl zu einem großen Teil um Flüchtlinge aus Tschetschenien, die vor der schwierigen Situation in ihrem Land fliehen. Zu einem großen Teil werden sie aber auch durch illegale Schleusungen und mit fal-schen Versprechungen nach Deutschland gelockt.

    Das Interview führte Reinhold Schütt

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