UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm...

50
UNSICHTBARE KOSTEN UNGLEICHE VERTEILUNG ÖKOLOGISCHER RISIKEN IN DER GLOBALEN COMPUTERINDUSTRIE SOENKE ZEHLE, LOTTE ARNDT, SARAH BORMANN

Transcript of UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm...

Page 1: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

UNSICHTBARE KOSTENUNGLEICHE VERTEILUNG ÖKOLOGISCHER RISIKEN IN DER GLOBALEN COMPUTERINDUSTRIE

SOENKE ZEHLE, LOTTE ARNDT, SARAH BORMANN

Page 2: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

Impressum

Herausgeber: Weltwirtschaft Ökologie & Entwicklung e.V. (WEED e.V.)

Büro Bonn:Berta-von-Suttner-Platz 13D-53111 BonnTel: +49-(0)228 – 76 61 30Fax: +49-(0)30 – 69 64 70

Büro Berlin: Torstr. 15410115 Berlin Tel.: +49 – (0)30 – 2758-3163Fax: +49 - (0)30 – 2759-6928 [email protected] www.weed-online.org

www.pcglobal.org

AutorInnen:Soenke ZehleLotte ArndtSarah Bormann

Redaktion:Lotte ArndtSarah Bormann

Titelbild : Basel Action Network

Layout: WARENFORM kommunizieren & gestalten

Druck: PegasusDruck

Schutzgebühr: EUR 4,00 (zzgl. Versandkosten)

Bonn, August 2007

ISBN: 978-3-937383-50-7

Unsichtbare Kosten.

Ungleiche Verteilung ökologischer Risiken in der globalen Computerindustrie

PC global ist ein Projekt von WEED, das sich mit der Umwelt- und Entwicklungsdimension globaler Wertschöpfungsketten am Beispiel der Computerbranche beschäftigt. Es lenkt den Blick entlang der Wertschöpfungsketten der Computerbranche auf die Einbindung des globalen Südens in die hierarchischen Strukturen der Weltwirtschaft. Es fragt nach den Möglichkeiten der Solidarisierung zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen und Verringerung der Umweltbelastungen über Ländergrenzen hinweg. Weitere Informatio-nen finden sich unter www.pcglobal.orgDas vorliegende Arbeitspapier über ökologische und soziale Probleme der globalen Com-puterproduktion eröffnet eine Reihe: Drei weitere Papiere zu den Themen freiwillige Ver-haltenskodizes, öffentliche Beschaffung und Arbeitsbedingungen erscheinen in Kürze.

WEED dankt der Nordrhein-Westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung für die finanzielle Förderung dieser Publikation. Hier vertretene Standpunkte geben lediglich die Positionen der AutorInnen sowie von WEED wieder und stellen in keiner Weise die offizielle Meinung der NRW Stiftung für Umwelt und Entwicklung dar.

Page 3: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

Inhalt

1. Einführung .............................................................................................. 5

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken ........................................... 72.1. Umweltgerechtigkeit: Mehr als nur Öko ....................................................... 7

2.2. Alle Stufen der globalisierten Wertschöpfungskette einbeziehen .................. 9

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte ............... 123.1. Metallische Rohstoffe in der Computerproduktion ...................................... 12

3.1.1. Koltan: Stoffliche Basis der Wireless World ........................................ 13

3.1.2. Kupfer: Full Metal PC ....................................................................... 14

Umweltgerechtigkeit und neue Konzepte zur Ressourcennutzung

– Interview mit Michael Kuhndt (UNEP, WI) .............................................. 15

3.1.3. Goldene Zeiten? ................................................................................ 16

3.2. Initiativen und Regulierungen des Abbaus und Handels mit Rohstoffen ..... 17

3.2.1. Von der Zertifizierung zum fair gehandelten Metall? ........................ 18

3.2.2. Internationale Regulierungsansätze im Rohstoffbereich .................... 18

3.3. Rohstoffabbau und Umweltgerechtigkeit ................................................... 19

Solidarität statt Konkurrenz – Interview mit Angelika Thomas (IG Metall) ... 20

4. Der Produktionsprozess:sauber und sozialverträglich? .......................... 234.1. Globale High-Tech-Verschmutzung ............................................................. 23

4.2. Trauriger Tiger Taiwan ................................................................................ 24

4.3. Der unsichtbare Schmutz im Reinstraum - die Chipproduktion .................. 26

Umweltgerechtigkeit und die Europäischen Gewerkschaften

– Interview mit Tony Musu (ETUI-REHS) ................................................... 28

4.4. Die Produktion regulieren .......................................................................... 32

4.5. Regulierung auf europäischer Ebene ........................................................... 32

4.6. Umweltgerechtigkeit in der Produktion ...................................................... 33

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst ........ 355.1. Wiedergewinnung mit Fallstricken .............................................................. 35

5.2. Die informelle Schrott-Ökonomie ............................................................... 36

5.3. Ein wachsender Berg .................................................................................. 37

5.3.1. International: Das Baseler Übereinkommen ....................................... 37

5.3.2. Europäisch: WEEE und RoHS ............................................................ 38

5.3.3. National: Das Elektro- und Elektronikgesetz ..................................... 38

5.4. Gerechter Müllhandel? Entsorgung und Umweltgerechtigkeit ....................40

„Das ist ja wohl Schrott!“

– Interview mit Herrn Haß, Hamburger Wasserschutzpolizei ....................... 41

6. Ausblick und Forderungen ..................................................................... 43

Literatur ..................................................................................................... 46

Auswahl weiterer Organisationen ............................................................. 48

Page 4: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

Kästen

Das Maximum herausholen: Ressourceneffizienz .............................8

Umweltgerechtigkeit und die Vereinten Nationen .............................8

Giftige Stoffe .................................................................................25

Grüner geht’s nicht? Das Beispiel Apple ........................................31

Schaffen im Grünen - Initiativen zu Arbeit und Umwelt: .................34

Die Schlupflöcher stopfen: IMPEL-TFS ............................................39

Einen Schritt nach vorn: StEP ........................................................40

Abkürzungen:

BAN Baseler Action Network

BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

EITI Initiative für Transparenz in Rohstoffindustrien

ElektroG Elektroschrottgesetz

ETUC European Trade Union Council

EuP Direktive Energy Using Products Directive

ILO Internationale Arbeitsorganisation

IMPEL Zusammenschluss europäischer Umweltbehörden

ISO International Standard Organization

IT Informationstechnologien

LED Leuchtdioden

MP3 MPEG-1 Audio Layer 3

NGO Non-Governmental-Organisation

OECD Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit

REACH Registration, Evaluation and Authorization of Chemicals

RoHS Reduction of Hazardous Substances

StEP Solving the Ewaste Problem!

SVTC Silicon Valley Toxic Coalition

PC Personal Computer

UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen

UNO Vereinte Nationen

USB-Stick Tragbarer Speicher

WEEE Waste Electrical and Electronic Equipment

Page 5: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

51. Einführung

Computer, die Schlüssel zur scheinbar immateriellen Welt des Cyberspace, symbolisieren die Chancen der Globa-lisierung. Wissen, nicht Industrie, trei-be die stofflosen Datenströme der Netz-werkgesellschaft kabellos rund um den Globus. Vor den glänzenden Bildschir-men verarbeiten Beschäftigte in Groß-raumbüros die Informationsflut, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. So sieht das Bild der „Dienstleistungs-gesellschaft im Computerzeitalter“ aus. Real ist jedoch bereits der Produktions-prozess der Computer ressourceninten-siv, materialaufwändig, schmutzig und giftig. Gesundheits- und Umweltschutz wird bei der Rohstoffgewinnung für die Geräte mit Füßen getreten. Zudem enthalten Computer zahlreiche Gift-stoffe, die sowohl in der Produktion, als auch bei der Entsorgung Gesund-heit und Umwelt schädigen können. Nach vollendeter Nutzung ist die Ent-sorgungsfrage des schwer recycelbaren, toxischen Elektronikgeräts weitgehend ungelöst. Diese unsichtbaren Kosten der Computerbranche sind ungleich verteilt: So sind die AnwohnerInnen, die in unmittelbarer Nähe der Produk-tionsstätten leben und die in der Her-stellung Beschäftigten ungleich stärker von Belastungen durch Giftstoffe be-troffen. Global hängt die ökologische und soziale Belastung von der Stellung in der globalen Wertschöpfungskette ab. Immer neue Weltregionen werden auf unterschiedlichen Stufen in die ar-beitsteilige Wertschöpfungskette ein-gebunden: Angefangen mit der Roh-stoffgewinnung, über die verschiedenen

Produktionsprozesse einzelner Kompo-nenten in Zulieferunternehmen, ihrer Zusammensetzung in Endfertigungsbe-trieben bis zur Entsorgung.Trotz der gravierenden Belastungen durch die Computerindustrie assozi-ieren die meisten Menschen mit dem Computer nach wie vor ein sauberes High-Tech-Produkt. Kenntnisse über soziale und ökologische Probleme sind kaum verbreitet. Dem entsprechend ist auch der sozial und ökologisch un-bedenklich hergestellte PC noch Zu-kunftsmusik. Bislang fehlt die Forde-rung nach Elektronikprodukten, die unter sozial und ökologisch gerechten Bedingungen hergestellt und entsorgt werden. Handlungsbedarf auf Seiten der Markenhersteller ist folglich bislang kaum vorhanden. Die wenigen Initiati-ven seitens der Unternehmen begrenz-en sich häufig auf Imagekampagnen. Auf Seiten staatlicher Regulierung sind zwar in den letzten Jahren einige Initia-tiven angestoßen worden. Diese mögen erste Schritte sein, zu einer Lösung des Problems führen sie jedoch nicht. Ein Manko ist ihre begrenzte Reichweite – sie fokussieren häufig nur einen Aus-schnitt der Wertschöpfungskette und einen Teilbereich, ökologisch oder so-zial. Hinzu kommt, dass sie meist nur unzureichend den globalen Bezug her-stellen und es ihnen nicht gelingt, so-ziale und ökologische Probleme zusam-menzuführen. Gegen dieses Defizit soll in diesem Ar-beitspapier der aus der Praxis sozialer Bewegungen stammende Begriff der Umweltgerechtigkeit mit dem Blick auf

Das Bild einer entmateriali-sierten Netzwerkgesellschaft blendet die sozialen und ökologischen Kosten der Her-stellung und Entsorgung von Computern aus.

Page 6: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

6

1. Einführung

die Wertschöpfungsketten der globali-sierten Computerproduktion verbun-den werden. Der Begriff der Umwelt-gerechtigkeit zeigt den Zusammenhang zwischen den sozialen und ökologischen Konflikten entlang der Wertschöp-fungskette auf. Zugleich erlaubt eine Analyse entlang der Wertschöpfungs-kette die global ungleiche Verteilung sozialer und ökologischer Belastungen und Risiken zu fokussieren.

Das Arbeitspapier stellt beispielhaft zentra-le Stationen der Kette vom Rohstoffabbau über die Produktion bis zur Entsorgung vor. Dabei wird die Eignung entspre-chender Regulierungsansätze untersucht, diese Probleme zu überwinden. Der Fo-kus richtet sich auch auf soziale Initiati-ven und Kampagnen, die sich lokal und global für eine Verbesserung der von den schädlichen Nebenwirkungen der Com-puterindustrie Betroffenen einsetzen.

Initiativen und Kampagnen müssen die ganze Wert-schöpfungskette umfassen: Vom Rohstoffabbau bis zur Verschrottung.

Page 7: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

7

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken

Die Missachtung von Rechten und die Belastung der Umwelt hängen in der globalen Computerindustrie unmit-telbar zusammen. Dennoch verfolgen politische Akteure häufig entweder eine auf ökologische Risiken der Computer-produktion fokussierte Strategie oder sie befassen sich mit der Verletzung von Arbeitsrechten im Produktions-prozess. Kooperationen zwischen Ge-werkschaften, entwicklungspolitischen und gewerkschaftsorientierten Nichtre-

gierungsorganisationen (NGOs) sowie Umweltorganisationen finden selten statt. In diesem Arbeitspapier soll hin-gegen die Computerproduktion aus einer Perspektive analysiert werden, die soziale und ökologische Probleme zu-sammenführt, gemeinsame Handlungs-felder aufzeigt und den globalen Cha-rakter von Produktion und Entsorgung einbezieht. Dazu werden die Konzepte Umweltgerechtigkeit (2.1.) und globale Wertschöpfungskette (2.2.) verwendet.

2.1. Umweltgerechtigkeit: Mehr als nur Öko

Der Forderung nach ‚Umweltgerech-tigkeit‘ (environmental justice) liegt ein Verständnis von Umwelt zugrunde, das diese als einen sozial-ökologischen Raum denkt, in dem Menschen leben und ar-beiten. Umwelt ist also nicht ein von der Gesellschaft getrennter oder sogar ihr entgegen gesetzter Bereich, sondern sie wird von Menschen gestaltet. Diese müssen sich über verschiedene Formen ihrer Nutzung und deren Folgen immer wieder verständigen. Die Verteilung von Belastungen und Risiken findet über so-ziale Auseinandersetzungen statt, gesell-schaftliche Konflikte um die Verteilung von Ressourcen und Umweltrisiken sind dabei unvermeidbar. Gesellschaft und Natur sind also nicht getrennt voneinan-der zu denken.1

Soziale Ungleichheiten zwischen Nord und Süd spiegeln sich im gesellschaftli-chen Naturverhältnis wieder. In diesem Zusammenhang stellt der Begriff der Umweltgerechtigkeit die Forderung in den Vordergrund, sozial-ökologische Nachhaltigkeit im Sinne einer gerechten Verteilung von Umweltbelastungen und

-risiken weltweit herzustellen.Als soziale Praxis hat Umweltgerech-

tigkeit ihren Ursprung in Kampagnen der Bürgerrechtsbewegung in den USA sowie in sozialen Bewegungen Latein-amerikas. Der Begriff entstand als Reak-tion auf eine zunehmende Entpolitisie-rung von Umweltorganisationen in den USA, die in Folge des meist strategischen Umwelt-Engagement von Firmen (so genanntes Greenwashing) eintrat und als Reaktion auf die problematischen Naturvorstellungen der amerikanischen ‚wilderness‘-Tradition, deren Ziel der Schutz einer vermeintlich ‚unberührten‘ wilden Natur ist und die soziale Fragen ignoriert.

Die soziale Ökologie ergänzt die Be-wegungs-Perspektive der Umweltgerech-tigkeit durch die Entwicklung und Be-wertung konkreter Regulierungsalterna-tiven in Politik und Ökonomie.2 Diese politisch oft zurückhaltende Perspektive wird durch radikalere Ansätze ergänzt, die über die Grenzen marktwirtschaft-licher Theorien hinausgehen und ‚um-weltgerechte‘ Alternativen jenseits des

Umweltgerechtigkeit stellt die Forderung nach einer gerech-ten Verteilung von Umweltbe-lastungen weltweit.

Page 8: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

8

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken

Marktes aufzeigen können.3 Letztere Analysen setzten an den Grenzen der Ansätze der sozialen Ökologie an und weisen auf die Bereiche hin, in denen die Marktförmigkeit des Naturverhältnisses zu seiner sozialen Untragbarkeit führt.

Umweltgerechtigkeit bedeutet, die Frage nach Verfahrens- und Verteilungs-gerechtigkeit zu stellen. Das heißt, die Beteiligung an relevanten Planungen und Entscheidungen zu thematisieren und die Vorteile und Risiken von Prozes-sen, welche einzelne Gruppen zu tragen haben, herauszustellen. Im Einzelnen kann das bedeuten, zu untersuchen, ob die Zusammenarbeit zwischen Regie-rungen die Beteiligung nichtstaatlicher

Akteure, die eine ‚umweltgerechte‘ Lö-sung vor Ort vorantreiben wollen, un-terstützt oder verhindert? Zu analysie-ren, wie Entwicklungs- und Schwellen-länder in den relevanten internationalen Entscheidungsgremien vertreten sind? Oder wer die AkteurInnen sind, die ihre Interessen in der grenzüberschreitenden Verteilung der Umweltrisiken durchset-zen können? Der Fokus auf diese Fragen hebt die Perspektive jener hervor, die aus den Auseinandersetzungen um die Nut-zung und Lastenverteilung der Schäden ausgeschlossen werden und verdeutlicht damit die soziale Dimension ökologi-scher Konflikte.

Umweltgerechtigkeit und die Vereinten Nationen

Auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im September 2002 wurde der Marrakesch-Prozess für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster initi-iert. Der Prozess strebt eine sozial-ökologisch gerechte Verteilung von Umweltrisiken an. Die Federführung für die weltweiten Initiativen liegt bei der UN Abteilung für nachhaltige Entwicklung (DESA) und dem Umweltprogramm (UNEP). Die einzelnen Länder sollen im Rahmen des Prozesses Programme für eine grundlegende Verände-

Das Maximum herausholen: Ressourceneffizienz

Ein breites Akteursspektrum, das von Umweltgruppen bis zu Wirtschaftsverbänden reicht, befasst sich bereits seit einiger Zeit mit der effizienteren Verwendung von Rohstoffen.4 Dabei spielt das Interesse, Produktionskosten durch die Senkung der Materialkosten zu verringern, gerade für die beteiligten Unternehmen und Wirtschaftsforschungsinstitutio-nen, eine große Rolle. Ressourceneffizienz soll neben der Reduzierung des Rohstoffver-brauchs auch durch die angestrebte Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen erreicht werden. Sekundärrohstoffe sind die in Altgeräten enthaltenen Materialien, die durch Recyclingverfahren zurück gewonnen und im Rahmen einer ‚Kreislaufwirtschaft‘ wieder verwendet werden können. Angesichts steigender Rohstoffpreise wird dieses Feld nicht nur für Unternehmen interessant, sondern spielt ebenfalls in der entwicklungspolitischen Debatte eine zunehmende Rolle. Aber auch in den Industrieländern ist Ressourcenef-fizienz die neue Maxime. So verfolgt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die „Leitidee, ... dass sich Deutschland bis zum Jahr 2020 zur ressourceneffizientesten (großen) Volkswirtschaft der Welt und zum Vorreiter in der Eu-ropäischen Union entwickelt.“5 Effizienz durch geringeren Materialeinsatz und höhere Rückgewinnungsquoten wird damit ebenso zum Standortfaktor im globalen Wettbe-werb der Volkswirtschaften wie zum Thema der Globalisierungskritik. 6 Ansätze, die aus-schließlich die effizientere Nutzung von Ressourcen in den Blick nehmen, greifen jedoch zu kurz. Effizienzgewinne werden gerade bei elektronischen Geräten oder Komponenten vielfach durch höhere Stückzahlen mehr als ausgeglichen: Effizienz als isolierter Regulie-rungsansatz kann daher nur begrenzt als Lösung betrachtet werden. Wer zudem tech-nologischen Wandel zur zentralen Triebkraft der Veränderung erklärt, blendet die Rolle sozial-ökologischer Konflikte aus, die einen solchen Wandel vorantreiben. Nur wenn die Unvermeidlichkeit dieser Konflikte betont wird, lässt sich die Forderung nach Umwelt-gerechtigkeit als eine - auch durch Effizienzverbesserungen unterstützte - Änderung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse begreifen.

Umweltgerechtigkeit bedeu-tet nicht nur ‚Naturschutz‘, sondern verdeutlicht die soziale Dimension ökologischer Konflikte.

Page 9: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

9

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken

rung der Konsum- und Produktionsgewohnheiten entwickeln. Hervorgehoben werden dabei die Themen Energieverbrauch, effizientere Rohstoffnutzung sowie eine saubere-re Produktion - vor allem im Hinblick auf eine Reduzierung des Einsatzes giftiger Che-mikalien, verbesserte Transportsysteme und die Vermeidung von Abfall. In Deutsch-land findet ein begleitender ‚Dialogprozess zum nachhaltigen Konsum‘ statt. Auch nichtstaatliche Akteure wie Firmen, NGOs und wissenschaftliche Einrichtungen sind an diesen Gesprächen beteiligt.7

2.2. Alle Stufen der globalisierten Wertschöpfungskette einbeziehen

Bis in die 1970er Jahre verfügten nur wenige große Hersteller über alle not-wendigen Ressourcen, um ein komple-xes Produkt wie einen Computer her-zustellen. Heute findet die Wertschöp-fung in der Computerproduktion fast

ausschließlich in globalen Produktions-netzwerken statt. Ein Computer besteht aus zahlreichen Komponenten, die von einer Vielzahl von Unternehmen rund um den Globus produziert werden. Die Wertschöpfung beginnt bereits mit der

Eine Wertschöpfungskette auf schmalem Pfad… Foto: SACOM

Gewinnung der notwendigen Rohstoffe. Und auch nach abgeschlossener Nut-zung wird der Computer als Müll wie-der zu einer Ware, die zum Teil global gehandelt wird. Diese unterschiedlichen Stufen bilden die Wertschöpfungskette.

Die Konkurrenz der Unternehmen und Zulieferer untereinander bleibt trotz dieser Kooperationen entlang einer solchen Wertschöpfungskette bestehen. Dies trifft auch für große Zulieferer zu, die wiederum eigene industrielle Netz-werke aufbauen. Immer wieder steigen ehemalige Zulieferer zu eigenständi-

gen Unternehmen auf und verschärfen die Konkurrenz. Je nach Komplexität bzw. Standardisierungsgrad einzelner Komponenten werden Zulieferer über langfristige Verträge eingebunden oder aber Ressourcen und Teilprodukte über anonyme Spotmärkte bezogen. Unter-nehmen stehen oft gleichzeitig in einem Konkurrenz- und einem Kooperations-verhältnis zueinander.

Bei der Standortverlagerung spielen viele Faktoren eine Rolle: Auch wenn der Lohnanteil an den Stückkosten ge-rade bei hochwertigen Elektronikkom-

Die Computerproduktion fin-det in Wertschöpfungsketten rund um den Globus statt.

Page 10: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

10

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken

ponenten vergleichsweise niedrig ist, bleiben Lohnkosten ein entscheidender Faktor. Dazu kommen massive staatli-che Subventionen zur Schaffung von Industrie- und Technologiezentren, um neue Standorte für die Produktion zu erschließen.

Gerade wegen dieser Unübersichtlich-keit ist es unter dem Gesichtspunkt der Umweltgerechtigkeit notwendig, die ge-samte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen - denn da der Lebensweg ei-nes Computers global verläuft, sind auch die Risiken global verteilt. Markenher-

Eintönigkeit im Akkord. Foto: SACOM

steller aus den Industrieländern gehören weiterhin zu den Hauptverursachern der Schäden, während die Bevölkerungen der Länder Südostasiens, in denen ein großer Teil der Fertigung stattfindet und der afrikanischen Küste, an der tausen-de Tonnen illegal exportierten Elektro-schrotts8 angeliefert werden, zu den Ver-lierern gehören. Einige Schwellenländer übernehmen neben Produktions- auch Design- und Produktentwicklungsauf-gaben. Dennoch bleibt es bei der „klas-sischen“ Arbeitsteilung zwischen Nord und Süd: Während der Großteil der Computer nach wie vor in den Indus-trieländern verkauft und genutzt wird, kommt es durch die massiven Produk-tionsverlagerungen und die teils illegalen Entsorgungspraktiken zu gravierenden Verschmutzungen von Grundwasser und Böden in Asien und Afrika. Und während hohe Gesundheitsstandards an Produktions-Standorten wie Fujitsu-Sie-mens-Computers Augsburg weitgehend eingehalten werden, arbeiten gerade in den Werken von Zulieferern aus der

zweiten und dritten Reihe in China, Thailand, Malaysia etc. weiterhin tau-sende ArbeiterInnen ohne entsprechen-de Schutzmaßnahmen.

Die Markenhersteller der Compu-ter stehen deshalb nach wie vor in der Verantwortung. Produktionsverlagerung kann nicht bedeuten, dass die Einhal-tung sozial-ökologischer Rechte einfach auf die Zulieferer abgewälzt wird. Das Gleiche gilt für die Entsorgung. Der Begriff der ‚erweiterten Unternehmens-verantwortung‘ (Extended Producer Re-sponsibility, EPR) spielt deshalb in vielen Kampagnen und Regulierungsansätzen eine zentrale Rolle und soll deutlich ma-chen, dass Unternehmen für die gesamte Wertschöpfungskette Rechenschaft able-gen müssen.

Nicht zuletzt werden mit der Forde-rung nach Umweltgerechtigkeit in glo-balen Wertschöpfungsketten auch Ver-braucherInnen angehalten, einen glo-balen Blick auf längst global hergestellte Produkte zu werfen. Die Arbeits- und Lebensbedingungen in einer peruani-

Auch nach Produktionsver-lagerungen müssen Marken-hersteller für die Einhaltung sozial-ökologischer Rechte und Standards bei ihren Zulieferern verantwortlich bleiben.

Page 11: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

11

2. Gesellschaft und Umwelt zusammen denken

Endnoten

1 Deshalb ist auch der Begriff der gesellschaftlichen Na-turverhältnisse hier von zentraler Bedeutung. „Weder kann Gesellschaft unabhängig von Natur themati-siert werden, da der soziale Prozess konstitutiv mit Natur vermittelt ist, noch erreicht der geschichtliche Prozess eine immer umfassendere Kontrolle von Na-tur. [...] Gesellschaft kann aus den Abhängigkeiten zur Natur grundsätzlich nicht entkommen, weil in den gesellschaftlichen Prozess immer materiell-stoff-liche Elemente eingehen und dieser damit auf den Stoffwechsel mit der Natur angewiesen ist. Die Ver-mittlung zwischen Natur und Gesellschaft ist jedoch nicht nur für die eine Seite, die Gesellschaft zentral, sondern berührt umgekehrt auch die Seite der Natur. Von menschlicher Aktivität unberührte Natur gibt es zu Anfang des 21. Jahrhunderts so gut wie nicht mehr.“ Vgl. Brand/ Görg, Postfordistische Naturver-hältnisse. Konflikte um genetische Ressourcen und die Internationalisierung des Staates, Münster 2003, 17f.

2 Becker/ Jahn (Hg.): Soziale Ökologie, 2006, S. 247.3 Altvater/ Mahnkopf: Grenzen der Globalisierung,

1999.

4 www.ressourcenproduktivitaet.de5 BMU: Initiative für Energie- und Ressourceneffizi-

enz, 19.12.2006.6 Auf EU-Ebene verfolgt die Europäische Umwelta-

gentur (EEA) bzw. das European Topic Centre on Ressource and Waste Management (ETC) das Thema. Auch die IG Metall engagiert sich in der aktuellen Debatte (http://www.wupperinst.org/up-loads/tx_wibeitrag/ressourceneff_brosch.pdf ) und in der Stellungnahme einer NGO-Koalition zum G8-Gipfel finden sich ebenfalls Forderungen zur Steigerung der Ressourceneffizienz (Glaubwürdig-keit der Mächtigen auf dem Prüfstand, www.venro.org/publikationen/archiv/g8_ngo_pospap_dt.pdf,

2007).

7 www.dialogprozess-konsum.de8 In diesem Papier wird aus Lesbarkeitsgründen der Be-

griff Elektroschrott verwendet, der dem englischen Begriff E-waste entspricht. Elektronikschrott wird mit unter diesen Oberbegriff gefasst. Zahlen bezie-hen sich auf beide Schrottklassen.

schen Gold- oder Kupfermine oder die Produktionsbedingungen in einem chi-nesischen Fertigungsunternehmen sind den wenigsten KäuferInnen eines Com-puters bei Media Markt bekannt. Es sind aber genau diese Rohstoffe, die in die Produktion des Geräts eingehen und es sind diese harten und häufig gesund-heitsschädigenden Arbeitsbedingungen,

in denen Computer hergestellt werden. Ein solches Bewusstsein der individu-ellen wie institutionellen (Behörden, Kommunen, Schulen) NutzerInnen, die zusammen eine beachtliche Nachfrage darstellen, ist wiederum ein zentraler Hebel zur Schaffung von mehr Umwelt-gerechtigkeit.

Page 12: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

12

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

Angetrieben wird dies durch bewusst geschaffene Kompatibilitätsprobleme (herstellerabhängige Systeme statt offe-ner Standards) und einen zunehmenden Trend zur Einweg-Elektronik. Mögliche Effizienzgewinne werden dadurch viel-fach wieder zunichte gemacht. Letztlich führt der Einsatz neuer Materialien und Verfahren, die zur Verbesserung der Res-sourceneffizienz verwendet werden, auch nicht automatisch zu einer Verringerung der Belastungen. Die Verkleinerung von Endgeräten und Komponenten ist im Gegenteil mit dem Einsatz immer sel-tenerer Stoffe und Materialkombinatio-nen verbunden, deren Gewinnung und Verarbeitung mit hohen sozial-ökologi-schen Kosten einhergeht.

Die folgenden Beispiele illustrieren beispielhaft den Umfang, indem die Computerproduktion auf klassische Rohstoffindustrien angewiesen bleibt. Im Anschluss daran wird auf unter-schiedliche Initiativen und Regulie-rungsansätze verwiesen und gefragt, was die Forderung nach Umweltgerechtig-keit für den Rohstoffabbau bedeutet.

Entgegen der weit verbreiteten An-nahme einer Entmaterialisierung ist die Herstellung von Computern sehr materialintensiv. Nach einer UN-Stu-die werden allein zur Herstellung eines Heim- oder Bürocomputers mehr als 240 kg fossiler Brennstoffe wie Öl und Kohle benötigt. Zudem bedarf es ca. 22 kg an chemischen Produkten und 1.500 Liter an Wasser, um einen Computer zu fabrizieren - der dann nach durch-schnittlich zwei bis drei Jahren wieder aus der Nutzung genommen wird.9 Des Weiteren zeichnen sich Computer durch eine große Vielfalt der verarbeiteten Stoffe aus. Oft sind sie nur in geringer Konzentration im Gerät enthalten und erschweren die sichere Entsorgung der Geräte ebenso wie eine effektive Rück-gewinnung von Einzelstoffen.

Auch die Hoffnungen auf geringeren Materialverbrauch aufgrund der Verklei-nerung der Geräte, wie z.B. Notebooks, bleiben unerfüllt. Die Stückzahlen stei-gen an und der Bedarf an Computern mit gleichzeitig immer kürzerer Verwen-dungsdauer nimmt kontinuierlich zu.

3.1. Metallische Rohstoffe in der Computerproduktion

Etwa die Hälfte der in einem durch-schnittlichen PC verwendeten Rohstoffe sind Metalle. Dazu gehören Kupfer, Alu-minium, Blei, Gold, Zink, Nickel, Zinn, Silber und Eisen sowie Platin, Palladium, Quecksilber und Kobalt. Hinzu kommen die chemischen Elemente Antimon, Arsen, Barium, Beryllium, Kadmium, Chrom, Selen und Gallium. Einige werden direkt als Bauteile verwendet, andere dienen der Herstellung von Komponenten wie Batte-rien, Chips oder Leiterplatten.10

Hier sollen beispielhaft die Rohstof-fe Koltan, Kupfer und Gold vorgestellt werden. Koltan steht für eine ganze Gruppe seltener metallischer Rohstoffe und ist nach einer Vielzahl internatio-naler Kampagnen vielleicht der bekann-teste ‚Konfliktrohstoff ‘. Kupfer wird gewählt, weil er nach wie vor einer der wichtigsten metallischen Rohstoffe der ‚Netzwerkgesellschaft‘ ist und zeigt, in welchem Ausmaß die Computer- bzw. die Elektronikproduktion im Allgemei-

Die Computerherstellung bleibt sehr materialintensiv. Effizienzgewinne durch Ver-kleinerungen werden durch hohe Stückzahlen wieder zunichte gemacht.

Die Abhängigkeit von Rohstof-fen zeigt, dass die Netzwerk-gesellschaft auf klassische Industrien angewiesen bleibt.

Page 13: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

13

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

nen den klassischen Rohstoffabbau an-treibt. Gold wird gewählt, weil es eines der wenigen Metalle ist, mit dem erste Versuche gemacht werden, über fairen Handel die Einhaltung sozial-ökologi-scher Mindeststandards bei der Gewin-nung zu unterstützen.

3.1.1. Koltan: Stoffliche Basis der Wireless World

Koltan (Kolombo-Tantalit) ist der in Teilen Afrikas gebräuchliche Be-griff für ein Kolumbit-Tantalit-Erz mit Niob und Tantalanteilen, aus dem u.a. das extrem hitze- und säureresistente Metall Tantal gewonnen wird. Daraus werden Elektronik-Bauteile wie Tantal-Elektrolytkondensatoren hergestellt, die in einer Vielzahl von elektronischen Geräten wie in Computern, Handys und Digitalkameras verwendet werden. Er liefert die materielle Grundlage ka-bellos funktionierender Kommunikati-onstechnologien.

Obwohl Koltan auch in Australien, Brasilien und Mosambik gefördert wird, haben v.a. die vergleichsweise geringen Koltan-Vorkommen in der zentralafri-kanischen Grenzregion Kongo-Ruanda Aufmerksamkeit erregt. Dort finanzier-ten sich während des Kongo-Krieges alle lokalen Kriegsparteien über den Koltan-Export über Ruanda und Uganda.11 Multinationale Unternehmen waren an der Förderung des Rohstoffs und damit an der Finanzierung der Bürgerkriegs-parteien aktiv beteiligt. Die ehemalige Bayer-Tochter Starck, die inzwischen an die Advent International und Carlyle Group verkauft wurde, ist nach eigenen Angaben der ‚bedeutendste Tantalher-steller der Welt‘. Das Unternehmen hat sich bei den Vereinten Nationen (UN) erfolgreich gegen einen kritischen Be-richt, der sich auch mit ihrer Rolle in der DR Kongo befasste, gewehrt. Zugleich hat Starck die Berichterstattung über eine Verwicklung der Firma in zweifel-hafte Rohstoffgeschäfte aber nie juris-tisch angefochten.

Das gut dokumentierte Beispiel der Konflikte um Koltan zeigt, dass die ver-meintlich entmaterialisierte Welt ver-netzter Computer zumindest indirekt an der Aufrechterhaltung von Kriegsökono-mien und der Verschärfung entsprechen-

der Ressourcenkonflikte beteiligt ist. Dies widerspricht dem vom entwicklungspoli-tischen Mainstream behaupteten unmit-telbaren Zusammenhang zwischen Roh-stoffexporten und Entwicklung.

Gerade im Bereich der Rohstoffe ist die Kontrolle der Gewinnungsprozesse sehr schwierig. In vielen Ländern gehört der Bergbau zu den in der Praxis kaum regulierten Industrien: Sofern nationa-le Gesetze bestehen, werden diese häu-fig unterlaufen, Schmiergeldzahlungen gehören zum Alltag. Die Regierungen tolerieren die Gesetzesbrüche oft auf-grund wirtschaftlicher Interessen der Staatsbeamten im Rohstoffsektor oder der Konkurrenz um ausländische Inves-toren. Die Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsrechten sowie Einbeziehung von Umweltauflagen lässt die Produk-tionskosten steigen und schränkt die Konkurrenzfähigkeiten auf den interna-tionalen Märkten ein. International gül-tige Gesetze, die die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards festschrei-ben, sind aufgrund der Intransparenz internationaler Rohstoffmärkte und den Geschäftsinteressen der Regierungen häufig schwer durchzusetzen.

Umso wichtiger sind gerade in diesem Bereich internationale Kampagnen und die Unterstützung lokaler Akteure durch soziale Bewegungen. Seit 2002 kommt nur noch wenig Koltan aus der DR Kon-go. Das den sozialen Bewegungen nahe stehende kongolesische Pole Institute geht davon aus, dass die internationa-le Neuorganisation des Koltanhandels auch auf die kritische Öffentlichkeit zu-rück zu führen ist. Diese wurde durch UN-Berichte und Kampagnen wie die Fatal Transactions Kampagne geschaf-fen, die auf die Finanzierung afrikani-scher Bürgerkriege durch den interna-tionalen Rohstoffhandel aufmerksam macht.

Der Erfolg dieser Kampagne ist al-lerdings begrenzt: Weiterhin fließen die Gewinne aus dem Bergbau in die Taschen der Bergbauunternehmen, die lokale Bevölkerung profitiert kaum von den Einnahmen.12 Kampagnen sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass Boykotte und die daraus folgende Ver-lagerung der Nachfrage nach kongolesi-schem Koltan zu plötzlichen Nachfrage-einbrüchen führen können und dadurch

Die Koltangewinnung in der DR Kongo zeigt, dass Roh-stoffexporte längst nicht immer entwicklungsförderlich sind.

Die Intransparenz der inter-nationalen Rohstoffmärkte erschwert der kritischen Öffentlichkeit zu kontrollieren, ob Firmen und Regierungen soziale und ökologische Stan-dards einhalten.

Page 14: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

14

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

vielfach auch die schlecht bezahlten Jobs der AnwohnerInnen entfallen, die ohne Einkommen zurückbleiben. Damit Bergbau entwicklungsfördernd wirkt, müssen die Unternehmen soziale und ökologische Rechte einhalten.

3.1.2. Kupfer: Full Metal PC

Ein normaler Desktop PC kann über 2 kg Kupfer enthalten.13 Als exzellen-ter Leiter wird Kupfer u.a. in Halblei-tern, Platinen und Kabeln verwendet. Kupfer ist nach Eisen und Aluminium in Deutschland wie auch weltweit der wichtigste metallische Rohstoff. Die steigende Nachfrage wird neben dem Bau vor allem durch die Elektro- und Elektronikindustrie verursacht, da für die Erneuerung und Ausweitung von IT-Infrastrukturen große Mengen an Kupfer benötigt werden. Die Dienst-leistungs-, Informations- und Netz-werkgesellschaft bleibt also extrem roh-stoffabhängig. Besonders durch die Ent-wicklung zum so genannten Pervasive Computing, der Verwendung von Chips und Elektronikkomponenten in vielen Geräten des täglichen Gebrauchs, steigt die Kupfernachfrage weiterhin an. Der Bedarf übersteigt seit Jahren die Primär-produktion und wird zusätzlich durch Vorräte und Sekundärproduktion, d.h. Recycling, gedeckt. Allerdings ist die Sekundärnutzungsquote nicht so hoch, wie zirkulierende Zahlen suggerieren. Bestehende Schätzungen beziehen sich oft statt auf den heutigen Kupferver-brauch und das reine Produktrecycling auf den Kupferverbrauch in der Vergan-genheit, der als (kleinere) Bezugsgröße dann die Recyclingquoten größer er-scheinen lässt. Die hohen Rohstoffpreise werden das Recycling von Kupfer aus Elektronikschrott aber attraktiver und effizienter machen.14

Kupferhaltige Erze werden u. a. in Chi-le, den USA, Kanada, Sambia, Kasachs-tan, Mauretanien und Polen abgebaut. Der Abbau von Kupfer führt weltweit zu lokalen Konflikten, da durch den Berg-bau häufig der lokalen Bevölkerung ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Zum Teil sind die dabei entstehenden Schä-den für Böden und Grundwasser, Flora und Fauna so weit reichend, dass ganze Gemeinden in Existenznöte geraten. Au-

ßerdem sind die Arbeitsbedingungen in den Kupferminen häufig durch Rechtlo-sigkeit, lange Arbeitstage und fehlende Gesundheitsvorkehrungen geprägt. Ar-beitsunfälle und Gesundheitsschäden, für die die internationalen Bergbauun-ternehmen nur selten haftbar gemacht werden können, sind die Konsequenzen. Da die Regierungen die Ansiedlung der Unternehmen in vielen Fällen begrü-ßen, um Investitionen anzuziehen und die Handelsbilanz auszugleichen, gera-ten die Gemeinden vielfach in Konflikt mit den staatlichen Behörden.

Folgende Beispiele illustrieren die Konflikte und problematischen Auswir-kungen:

- Das Beispiel Pascua Lama: Chile besitzt die größten Kupferreserven und ist der weltgrößter Kupfer-Produzent. In Chile formiert sich seit einigen Jah-ren Widerstand gegen ein gigantisches bi-nationales Abbauprojekt, das bereits vor Jahren im „Mining Integration and Complementation Treaty“ zwischen Chile und Argentinien zur Regelung des Rohstoffabbaus im andischen Grenzge-biet vereinbart wurde. Um große Gold-, Silber- und Kupfervorkommen im Ta-gebau abbauen zu können, sollten im Pascua-Lama Gebiet ursprünglich drei Gletscher ‚verschoben‘ werden. Obwohl der chilenisch-argentinische Vertrag von Juristen als verfassungswidrig bezeich-net wurde, gab die chilenische Um-weltbehörde 2006 dem Projekt ihren Segen. Sie untersagte aber den Abbau der Gletscher. Pascua Lama gilt als das umstrittenste Projekt der kanadischen Barrick Gold Corporation. Barrick plant dennoch, gegen Ende 2007 mit dem Ab-bau zu beginnen.

- Das Beispiel Panguna: Die Ver-schmutzung durch die bei der Bearbei-tung der Kupfererze entstehenden sau-ren Abwässer hat im Fall der Panguna-Mine auf der zu Papua-Neuguinea gehö-renden Pazifikinsel Bougainville einen intensiven Konflikt ausgelöst. Obwohl zahlreiche Bauern ihre Existenzgrund-lage durch die Vergiftung von Wasser und Böden verloren hatten, weigerten sich die australisch-britischen Betreiber, Entschädigungen zu zahlen oder die Schäden zu beseitigen. Der Konflikt es-kalierte und führte unter anderem zu ei-ner Besetzung und Stilllegung der Mine

Kupfer ist weltweit einer der wichtigsten metallischen Roh-stoffe. Der Bedarf übersteigt die Primärproduktion.

Die hohen sozial-ökologischen Kosten des Kupferbergbaus führen vielfach zu massiven Protesten der lokalen Bevöl-kerung.

Page 15: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

15

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

durch die „Bougainville Revolutionary Army“, die sich für die Unabhängigkeit Bougainvilles von Papua-Neuguinea einsetzte. Der blutige, zahlreiche weitere Spannungen aufgreifende Sezessions-krieg endete erst 1998 mit einem Waf-fenstillstand. Entgegen dem Wunsch von Aktionären, angesichts steigender Rohstoffpreise die Mine wieder in Be-trieb zu nehmen, soll diese auch weiter-hin geschlossen bleiben, um den labilen Frieden nicht zu gefährden.15

- Das Beispiel Intag: In Ecuador ver-sucht die kanadische Firma Ascendant, eine Kupfermine in der sensiblen Regen-wald-Region Intag gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. Umwelt-AktivistInnen haben allerdings die von Ascendant vorgelegte Umweltverträg-lichkeitsprüfung ebenso angefochten wie

die Rechtmäßigkeit der durch den Staat gewährten Extraktionsrechte. Diese Kon-zessionen hatte die Regierung ohne die in der Verfassung verankerte Rücksprache mit den betroffenen Gemeinden an den Konzern vergeben. Die AktivistInnen be-ziehen sich auf eine schon in den 1990er Jahren durch das japanische Unterneh-men Bishi Metals angefertigte Liste von Umweltrisiken, die mit der Einrichtung einer Kupfermine in der Regenwald-Re-gion verbunden wären. Diese Auflistung massiver Umweltschäden hatte damals dazu geführt, dass Bishi Metals die Regi-on verlassen und seine Konzessionen wie-der verkaufen musste. NGOs gehen davon aus, dass die neue Regierung unter Präsi-dent Rafael Correa nach einer Suspendie-rung der Tätigkeiten von Ascendant den Vertrag letztlich annullieren wird.16

Umweltgerechtigkeit und neue Konzepte zur RessourcennutzungInterview mit Michael Kuhndt UN Umweltprogramm UNEP und Wuppertal Institute Collaborating Cen-tre on Sustainable Consumption and Production CSCP

SZ: Entgegen der Hoffnungen, dass der Ressourcenverbrauch der IuK-Branche durch eine Miniaturisierung von Geräten und Komponenten sinken würde, steigt die Rohstoffnachfrage der Branche weiter an. Die Untersuchungen des Wuppertal Instituts zu Kupfer bieten einen ernüchternden Einblick in eine rohstoffhungrige Netzwerkgesellschaft. Wie wird sich die Ressourcenbilanz der IuK-Technologien entwickeln?MK: Bei einer solchen Betrachtung muss neben der Ressourcenbilanzen von Endge-räten auch der ressourcenintensive Betrieb dieser weltweiten Kommunikationsnetz-werke berücksichtig werden. Suchmaschinen sind aus dieser Perspektive Fabriken mit Kühltürmen für ihre Server, die kaum noch an die Dematerialisierungsversprechen der New Economy erinnern. Auch ist nach wie vor nicht sicher, dass eine Minitiaturi-sierung bei Endgeräten tatsächlich zu einer Verbesserung der Ressourcenbilanz führt. Die Verwendung immer seltenerer Metalle etwa lässt den ökologischen Rucksack eher wachsen. Die Erstellung umfassender Bilanzen wird aber durch die zunehmen-de Komplexität von Wertschöpfungsnetzwerken ebenso erschwert, wie die Auswahl entsprechender Partner zur Verbesserung von Ressourceneffizienz.

SZ: Welche Bedeutung kommt angesichts der verschärften Konkurrenz um Rohstoffe Initiativen zur Erlangung von Ressourcensicherheit zu?MK: Ob es wirklich sinnvoll ist, die Themen Ressourcen und Sicherheit zu verbinden, bleibt fraglich. Wenn deutsche Industrieverbände etwa eine sicherheitspolitische Flan-kierung des internationalen Rohstoffhandels fordern, geht es ja um eine sehr traditio-nelle Definition von Sicherheit, in diesem Fall um die Sicherung des nationalen Zugangs zu Ressourcen. Ob alternative Begriffe wie Umweltsicherheit oder menschliche Sicher-heit hier überhaupt in die Debatte eingeführt werden können, ist unklar.

SZ: Mit der Verlagerung der Produktion wird die tatsächliche Ressourcenbilanz vieler Produkte verschleiert. Lässt sich beziffern, in welchem Umfang hinter der Steigerung der Rohstoffnachfrage in zentralen Schwellenländern wie Indien oder China Produk-tionsverlagerungen stehen und damit die Konsum- und Produktionsmuster der klassi-

In Ecuador setzen sich Um-weltaktivistInnen gegen eine neue Mine im Regenwaldge-biet ein.

Page 16: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

16

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

schen Industrieländer auch weiterhin zentrale Faktoren in der Organisation internatio-naler Rohstoffflüsse bleiben? MK: Die Erstellung umweltökonomischer Gesamtrechnungen ist hochkomplex, zudem gibt es eine Vielzahl von Berechnungsansätzen. Das statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) bemüht sich um eine Harmonisierung und Standardisierung der Methoden zur Erfassung nationaler Stoffhaushalte. Aktuelle statistische Untersu-chungen der Europäischen Kommission zeigen eindeutig, dass Europäer in steigendem Umfang auf Rohstoffe aus Entwicklungsländern angewiesen sind und auch ein Teil der Nachfrage aus Schwellenländern, deren Produkte nach Europa exportiert werden, eigentlich ihnen zuzuordnen ist. Wichtig ist aber auch, transparente Stoffstrombilan-zen von Unternehmen zu erstellen, um beurteilen zu können, wie sich diese durch Outsourcing und Produktionsverlagerungen verändert haben. Komplexe Wertschöp-fungsketten erschweren wiederum die Erhebung solcher Daten und setzen einen Zu-griff auf Zulieferer voraus, der bei vielen Unternehmen gar nicht besteht. Ressourcen-bilanzen sollten zudem nicht nur für Produkte, sondern für Produktionsabläufe und damit Unternehmen berechnet werden. Japan ist hier Vorreiter, dort gibt es bereits eine Industrievereinigung zur Vereinheitlichung der Berichterstattung über Stoffströme in Unternehmen, ebenso ein Netzwerk zur Nachhaltigkeit bei der Beschaffung.17

SZ: Vielfach kommt es zu Selbstverpflichtungen von Unternehmen im Rahmen von Verhaltenskodizes. Die Einhaltung internationaler Kernarbeitsnormen hingegen ist kaum auf freiwilliger Basis vorstellbar. Gewerkschaften fürchten zu Recht, dass ver-bindliche Regelungen zunehmend durch Selbstverpflichtungen ersetzt werden. Wel-che Rolle können Zertifizierungs-Ansätze leisten, um neben der ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit von IuK-Produkten einzufordern?MK: Zertifizierungsinstrumente wie SA 8000 und ISO 26000, die die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards durch Unternehmen erfassen, sind zwar sinnvoll, aber bieten nicht mehr als eine Brücke zu umfassenden Veränderungen von Produktions-abläufen. Zertifikate können die Vergleichbarkeit von Unternehmen fördern, aber ob es tatsächlich ein Bekenntnis zu diesen Instrumenten in allen Unternehmensbereichen gibt, lässt sich kaum feststellen. Dazu kommt die Komplexität dieser Instrumente, die teilweise für Großunternehmen entwickelt wurden und mittelständische Unternehmen ohne entsprechende Kapazitäten überfordern.

SZ: Im Zuge sich verknappender Rohstoffe erhält Recycling in Industrieländern derzeit einen starken Auftrieb. Besteht diese Tendenz auch in Entwicklungs- und Schwellen-ländern?MK: Ja, auch in Entwicklungsländern wird die Vorstellung von Abfall als wichtigem Roh-stoff einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft immer wichtiger. Dazu gehören neue Konzep-te, neue Wachstumspotentiale, der Aufbau von entsprechendem Know-How auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, wie sie ja auch von der UN Initiative Solving-the-Ewaste-Problem (StEP) verfolgt wird. (vgl. Kasten S. 40) Bald wird eine kritische Masse an Volkswirtschaften erreicht, die Ansätze zur Kreislaufwirtschaft verfolgen. In China soll das Konzept der Kreislaufwirtschaft auf alle Gesellschaftsbereiche ausgedehnt werden. Dadurch wird sich die Debatte noch einmal grundsätzlich verändern, und Fragen nach der Nachhaltigkeit von Produktionsdesign werden in diesem Zusammenhang sicher neu und anders diskutiert werden. Unter Produktdesign ist die Entwicklung von Produkten zu verstehen, die durch geringen Ressourcenverbrauch in der Produktion, der Vermeidung giftiger Inhaltsstoffe und längere Lebenszyklen umweltfreundlicher zu entsorgen sind.

3.1.3. Goldene Zeiten?

In Elektronikbauteilen wird das hochleitende, korrosionsbeständige Gold u. a. für die galvanische Beschich-tung von Kontakten, als Bonddraht zum Anschluss integrierter Schaltkrei-

se oder Leuchtdioden (LEDs) und zur Aufbringung dünnster Metallschich-ten auf Basisträger verwendet. Ein einzelner PC enthält zwar nur wenige Gramm Gold, die Elektronikbranche

Page 17: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

17

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

Nahe am Abgrund… Rohstoffgewinnung im Tagebau Foto: G. Moons

ist aber mit etwa 10% der weltweiten Jahresproduktion derzeit der größte industrielle Goldabnehmer.18 Obwohl der Goldanteil in Elektronikbauteilen sinkt, wird Gold auf absehbare Zeit in vielen Bereichen der Elektronik uner-setzbar bleiben. Vorkommen befinden sich u.a. in Südafrika, Südamerika, den USA, Kanada, Russland, Ghana und Zimbabwe. Wie Kupfer kann auch Gold wieder verwendet werden, wird aber nach wie vor überwiegend in groß-flächigen Tagebau-Minen gewonnen. Hochtoxische Stoffe, die für die Arbei-terInnen wie für die AnwohnerInnen

eine große Gesundheitsbelastung dar-stellen, werden bei der Herauslösung des Goldes aus dem Gestein eingesetzt: Bei der Amalgamierung wird goldhalti-ges Gestein zermahlen, mit Wasser und Quecksilber vermischt und dann durch Destillieren des Quecksilbers circa zwei Drittel des Goldgehalts gewonnen. Der Rest wird in einem Laugungsverfah-ren unter Einsatz von Zyanid heraus-gelöst. Nach dieser Laugung bleiben hochgiftige Schlacken zurück, die oft Grundwasser und Flüsse auf Dauer ver-schmutzen.

3.2. Initiativen und Regulierungen des Abbaus und Handels mit Rohstoffen

Die globalisierte Computerproduk-tion ist ein Beispiel für die veränderte internationale Arbeitsteilung zwischen Nord und Süd. So exportieren mittler-weile Entwicklungsländer nicht mehr nur Rohstoffe, sondern auch High-Tech-Produkte. Dennoch sind nach wie vor gerade die ärmeren Entwicklungsländer in hohem Maß von den Exporten we-niger Rohstoffe abhängig. Obwohl der Rohstoffabbau in den Ländern häufig negative soziale und ökologische Folgen hat, sind bislang fair gehandelte Rohstof-fe eine Seltenheit. Ein Grund hierfür ist,

dass es viel schwerer ist, KonsumentIn-nen über die Abbaubedingungen der in Produkten enthaltenen Rohstoffe aufzu-klären, als über die Anbaubedingungen von Bananen oder Kaffee. Schließlich kaufen VerbraucherInnen im Super-markt weder Kupfer noch Blei, sondern ein Endprodukt wie z. B. den Computer, der diese Rohstoffe enthält. Ansätze und Möglichkeiten einer Regulierung des Rohstoffabbaus sowie die Frage, was die Forderung nach Umweltgerechtigkeit für den Rohstoffabbau bedeutet, soll im Folgenden diskutiert werden.

Gold wird unter Einsatz von Quecksilber und Zyanid ge-wonnen.

Die Abbaubedingungen von Computer-Rohstoffen sind für VerbraucherInnen schwer zu beurteilen.

Page 18: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

18

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

3.2.1. Von der Zertifizierung zum fair gehandelten Metall?

Derzeit sind die Hauptansatzpunkte zur Kontrolle des internationalen Roh-stoffhandels Transparenzinitiativen und Zertifizierungen. Ein Zertifikat beschei-nigt dem Rohstoff eine unproblematische Herkunft und bietet damit die Voraus-setzung, um trotz der Undurchsichtigkeit des internationalen Handels mit Rohstof-fen klare Kriterien einzuführen. Der erste Versuch, den internationalen Handel mit einem Konflikt-Rohstoff durch Zertifi-kate zu kontrollieren, ist das so genannte Kimberley-Abkommen. Im Rahmen des Kimberley-Prozesses verpflichten sich Diamantenindustrie sowie die Diaman-ten importierenden wie exportierenden Länder, keine Konfliktdiamanten mehr zu handeln. Konfliktdiamanten sind Dia-manten, aus deren Erlös bewaffnete Kon-flikte finanziert werden, wie z. B. Bürger-kriege in Liberia, Sierra Leone oder der Demokratischen Republik Kongo. Seit 2003 dürfen nur noch solche Diamanten gehandelt werden, für die das Ursprungs-land ein offizielles Zertifikat über seine Herkunft ausgestellt hat.

Die Welthandels- und Entwicklungs-konferenz (UNCTAD) sieht im Kimber-ley-Prozess ein mögliches Vorbild auch für andere Konfliktrohstoffe, wie z. B. die im Computer enthaltenen Rohstoffe Gold und Koltan.19 Diese optimistische Einstellung wird allerdings getrübt durch die bestehenden strukturellen Mängel. So ist z. B. bislang kein effektiver Überwa-chungsmechanismus geschaffen worden. Obwohl ein internationales Gremium überprüft, ob die teilnehmenden Staaten die Zertifikate korrekt ausstellen, häufen sich Fälle von Korruption, Schmuggel und gefälschten Zertifikaten. Zudem wird zwar in manchen Ländern nun der informelle Abbau unterbunden, aber für die hier tätigen Menschen werden keine alternativen Entwicklungsperspektiven aufgezeigt. Auch müssen jene Unter-nehmen, die vom Handel mit den Kon-fliktdiamanten profitierten, keine Ent-schädigungen zahlen. Als die EU 2007 den Vorsitz des Kimberley-Abkommen übernahm, kritisierte das Netzwerk Fatal Transactions, dass das Abkommen nur den Handel mit den Konfliktdiamanten, nicht aber ihre Produktion einbeziehe

und damit Menschenrechte und Arbeits-bedingungen bei der Zertifizierung bis-lang keine Rolle spielen.20

Eine mögliche Alternative zur nach-träglichen Zertifizierung von Rohstoffen, die allein auf den Handel beschränkt ist, ist das Beispiel Oro Verde (‚Grünes Gold‘) aus Choco in Kolumbien. Hier wird Gold nach strengen sozial-ökologi-schen Kriterien abgebaut und zertifiziert. Zu den wichtigsten AbnehmerInnen ge-hören Juweliere in Deutschland, Holland und England. Die ‘community mining’ Initiative hat erste Standards für den fai-ren Handel mit Edelmetallen entwickelt, die nicht-industriell abgebaut werden. Al-lerdings handelt es sich um Gold, das im kunsthandwerklichen Bereich verwendet wird. Die Initiative und ihr Dachverband, die Association for Responsible Mining, können dennoch als Vorbild dienen, um auch Gold, das in Elektronikprodukten wie Computern industriell verarbeitet wird, sozial-ökologisch verantwortlich abzubauen.21

3.2.2. Internationale Regulierungs- ansätze im Rohstoffbereich

Die hohe Konzentration im Rohstoff-sektor führt dazu, dass Zahlungsflüsse häufig schwer zu kontrollieren sind. Kor-ruption und die Umgehung geltender Umwelt- und Sozialvorschriften sind weit verbreitet: Internationale Rohstoffkäufer zahlen Schmiergelder, die in die Taschen der Regierungen der rohstoffexportieren-den Länder wandern. Genau an diesem Punkt setzen Transparenzinitiativen an. Sie versuchen, Staaten und Unternehmen zur Offenlegung ihrer Zahlungen bei Rohstoffkäufen zu verpflichten. Dabei verfolgen sie zum Teil recht unterschied-liche Ansätze:

Die Extractive Industries Transparen-cy Initiative (EITI) von der Weltbank setzt sich seit 2003 für die Offenlegung der Staatseinkommen und Zahlungen an Unternehmen aus Rohstoffeinnahmen ein. Um dies zu erreichen, werden Mul-tistakeholderprozesse zwischen Regie-rungen, Unternehmen und ausgewählten zivilgesellschaftlichen Vertretern in roh-stoffreichen Entwicklungsländern ini-tiiert. Bislang haben sich ca. 20 Staaten der Initiative angeschlossen: Einige west- und mitteleuropäische Länder nehmen

Transparenz- und Zertifizie-rungsinitiativen sind Haupt-ansatzpunkte zur Kontrolle des Rohstoffhandels.

Der Kimberley-Prozess soll zwar den Handel mit Kon-fliktdiamanten eindämmen, bietet aber keine alternativen Entwicklungsmöglichkeiten.

Page 19: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

19

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

als Financiers der Initiative teil. Länder in Osteuropa, Afrika, Lateinamerika, Osta-sien und der Pazifikregion implementie-ren die Transparenzvorgaben. Mit der Teilnahme an der Initiative verpflichten sich Regierungen, verlässlich und über-prüfbar zu handeln. Unternehmen, Käu-fer und Verkäufer werden aufgefordert, den Regierungen der Länder, in denen sie ansässig sind, Einsicht in ihre Zahlungen im Rohstoffbereich zu geben – allerdings freiwillig, vertraulich und nicht von einer breiten Öffentlichkeit prüfbar.

Transparenz im Rahmen der EITI be-ruht auf der Bereitschaft der teilnehmen-den Unternehmen, ihre Zahlungen offen zulegen. Eine verbindliche Regulierung ihrer Geschäftspraktiken und Offenle-gungspflichten sind dagegen nicht vor-gesehen. Zudem liegt der primäre Fokus auf der Herstellung von Transparenz in den Extraktionsländern, die zum über-wiegenden Teil in Afrika, Asien und Lateinamerika liegen. Nur zweitrangig sollen dann auch die Käufer – also über-wiegend die Unternehmen in den Indus-trieländern - ihre Zahlungen offen legen. Ausgeblendet wird dabei, dass es häufig genau die Konzerne aus Industrieländern sind, die die EITI als Partner wählt, die den Rohstoffabbau unter fragwürdigen Bedingungen betreiben, und dass die Weltbank diese Geschäfte durch die Fi-nanzierung von Infrastrukturprojekten und durch ihre Governance-Agenda flankiert. Der Ansatz der Transparenz geht zwar in die richtige Richtung. Im Rahmen der EITI wird jedoch die Kritik der Unternehmenspraktiken ausgeblen-det, während der Versuch, den Abbau der Rohstoffe in den Abbauländern zu kontrollieren, überwiegt. Die EITI be-wertet es als wichtiger, dass der reibungs-lose Ablauf des Geschäfts gewährleistet wird, als die Frage danach zu stellen, ob in bestimmten Konfliktregionen Roh-stoffabbau überhaupt entwicklungsför-derlich ist. Zusätzlich problematisch ist die Initiative, da Kooperation für Süd-

regierungen als Bedingung (so genannte Konditionalität) für die Weltbankkredit-vergabe verwendet wird. Das heißt, dass die Initiative von Anfang an auf einem Machtungleichgewicht zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern be-ruht. Dies ist ein zentraler Grund dafür, dass eine wirksame Kontrolle der Unter-nehmenspraktiken, die in die Förderung von Konfliktrohstoffen involviert sind, im Rahmen der Initiative unterbleibt.

Auch von zivilgesellschaftlicher Sei-te sind Transparenzinitiativen gestartet worden. So fordert die Kampagne Pub-lish-What-You-Pay von den rohstoffför-dernden internationalen Konzernen, ihre Zahlungen an Regierungen öffentlich zu machen. Sie setzt jedoch anders als die EITI auf die öffentliche Kontrolle der Staatshaushalte und versteht dies als einen ersten Schritt zu einer Demokra-tisierung und Umverteilung des Reich-tums. Der grundsätzliche Unterschied, den die aus 200 internationalen NGOs bestehende Kampagne im Vergleich mit der EITI aufweist, ist also der konzern-kritische Fokus und das Beharren auf der Verbindlichkeit der Verpflichtungen für Rohstoffkonzerne. So sieht Publish-What-You-Pay eine Verpflichtung für Unternehmen vor, ihre Zahlungen offen zu legen. Diese Forderung stößt nicht auf Zustimmung in den Unternehmenseta-gen, dennoch gibt es kleine Fortschritte. Manche Ölkonzerne veröffentlichten auf den Druck der Kampagne hin erste Zahlen. Im Rahmen der Initiative wur-de 2007 erstmalig ein Multistakeholder-Bord eingerichtet, dem neben Firmen auch zahlreiche NGOs angehören.

Zweifelsohne sind Transparenzinitia-tiven in ihrer Reichweite begrenzt. So-fern sie jedoch den Schwerpunkt auf die Zahlungen der Rohstoffunternehmen richten, können sie einen ersten wichti-gen Schritt auf dem Weg zu Demokra-tisierung und Befriedung rohstoffreicher Konfliktregionen darstellen.

3.3. Rohstoffabbau und Umweltgerechtigkeit

Die Forderung nach Umweltgerech-tigkeit in der Rohstoffgewinnung be-deutet, die vielen, sich überlappenden Sozial- und Umweltkonflikte im Berg-

oder Tagebau in den Blick zu neh-men.22 In vielen rohstoffreichen Regi-onen wird der Raum, indem Menschen arbeiten und leben, zugunsten kurzfris-

Die Weltbankinitiative EITI stellt den reibungslosen Ge-schäftsablauf, nicht die lokalen Entwicklungsziele in den Vordergrund.

Die NGO-Kampagne Publish-What-You-Pay setzt auf Trans-parenzpflichten für Unterneh-men und auf die öffentliche Kontrolle der Staatshaushalte.

Page 20: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

20

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

tiger Profitinteressen und des internati-onalen Rohstoffhandels zerstört, ohne dass die Menschen vor Ort an zentra-len Entscheidungen beteiligt werden. Die ‚Declarations of Oruro Gathering on Environmental Justice and Min-ing in Latin America‘ (Bolivien, 9.-11. März 2007) fasst diese Zusammenhän-ge wie folgt zusammen: „Bergbaukon-flikte beruhen oft auf einer Verletzung der Rechte lokaler Gemeinschaften, einschließlich der Zwangsumsiedelung und Kriminalisierung von Widerstand in der aktuellen Wachstumsperiode der Bergbauindustrien, in der zunehmend Rohstoffvorkommen in Quellgebieten wichtiger Flüsse ausgebeutet werden und damit die lokale Wasserversorgung gefährden“.23 Die an der Deklaration beteiligten Organisationen beklagen zudem niedrige Steuereinnahmen und den starken Druck auf die oft schwa-chen nationalen Umweltbehörden durch Bergbauunternehmen. Durch den Ein-satz auch illegaler Mittel schwächen sie die Demokratie und durch Schutz der Bergbauanlagen durch bewaffnete Ein-heiten tragen sie zu einer weiteren Mili-tarisierung regionaler Konflikte bei.

In den klassischen Bergbauländern Lateinamerikas werden die mit gigan-tischen Bergbauprojekten verbundenen Schäden und sozialen Verwerfungen daher nicht nur als sozial-ökologische Konflikte interpretiert, sondern unmit-telbar auf den überproportional hohen Ressourcenverbrauch der Industrielän-der zurückgeführt. Die sich so erge-bende ‚Umweltschuld‘ der Industrie-länder wird in Bezug zur bestehenden Auslandsschuld der Entwicklungs- und Schwellenländer gesetzt und erweitert

damit die (oft lokal begrenzte) Perspek-tive der Umweltgerechtigkeit um eine entwicklungspolitische Dimension.24 Die Berechnung solcher Umweltschul-den berücksichtigt zudem den ‚öko-logisch ungleichen Tausch‘, also das Missverhältnis zwischen ressourcenin-tensiven Primärgütern, die sich nur in sehr langen Zeiträumen regenerieren, und Gütern oder Dienstleistungen, die sehr viel schneller und mit weit weniger Ressourcenaufwand produziert werden können. Bei aller Schwierigkeit, diese Ressourcenflüsse zu berechnen, ist eine solche Verknüpfung auch deshalb sinn-voll, weil (wenig nachhaltiger) Ressour-cenabbau oft der Abzahlung bestehen-der Auslandsschulden dient. Der Abbau der ökonomischen Auslandschuld lässt also die ökologische Schuld weiter an-wachsen.25

Es ist wichtig, die asymmetrische In-tegration vieler Länder in globale Wert-schöpfungsketten einzubeziehen. Viele Regionen sind vor allem über die Ge-winnung von Rohstoffen in den Welt-handel eingebunden und einem Ent-wicklungsmodell verpflichtet, das eine nachhaltige, nicht einseitig auf den Roh-stoffexport ausgerichtete Entwicklung erschwert. Große, oft durch multinatio-nale Konzerne betriebene Abbauprojek-te sind zudem vielfach kaum in die Bin-nenökonomie integriert. Die Durchset-zung sozial-ökologischer Rechte, die den verschiedenen Bedingungen der jeweili-gen Rohstoffökonomien entsprechen, ist damit auch ein zentrales Element der Forderung nach Umweltgerechtigkeit in den Wertschöpfungsketten der globalen Computerproduktion.

Solidarität statt KonkurrenzInterview mit Angelika Thomas, Abteilung Wirtschaft-Technologie-Umwelt des IG Metall Vorstands

SZ: Debatten um die Verbindung von Arbeit und Umwelt, oft begrenzt auf lokale Auseinandersetzungen um betrieblichen Gesundheitsschutz, haben wieder Auftrieb bekommen. Auch die IG Metall engagiert sich in der Diskussion um Rohstoffeffizi-enz. Was ist neu im Vergleich zu früheren Auseinandersetzungen zu diesem Thema, an denen die IG Metall oder der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB beteiligt wa-ren?AT: Umweltpolitische Auseinandersetzungen im Allgemeinen werden ja zunehmend aufgeladen mit geopolitischen Bezügen, und auch die aktuelle Debatte um Arbeit und Umwelt steht im Kontext der Sicherheits- und Versorgungspolitik. Dies zeigt

In Lateinamerika protestieren zahlreiche Organisationen gegen die Zerstörung ihrer Dörfer aufgrund kurzfristiger Profitinteressen.

Der Ressourcenhunger der Industrieländer wird als ‚Umweltschuld‘ der Auslands-schuld der Entwicklungsländer entgegengesetzt.

Page 21: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

21

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

sich vor allem im Vergleich mit den Perspektiven der 80er und frühen 90er Jahre, die viel stärker durch den Begriff der Nachhaltigkeit geprägt und auch langfristiger ausgerichtet waren. Damalige Initiativen stellten die Frage des verantwortlichen Pro-duzierens in den Vordergrund. Heute geht es statt um Unternehmensverantwortung vor allem um Wettbewerbsvorteile in der globalen Ressourcenverteilung. Diese Ver-schiebung hat auch damit zu tun, dass Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftskri-se andere Nachhaltigkeitsszenarien (etwa in den Bereichen Mobilität, Wohnen und Konsum) in den Hintergrund gedrängt haben. Umso wichtiger ist es, die sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit auch in der aktuellen Debatte um Ressourceneffizi-enz zu betonen.

SZ: Ein zentrales Argument der IG Metall für das Engagement im Bereich der Res-sourceneffizienz ist der (erhoffte) Zusammenhang zwischen Innovation und Arbeits-platzsicherung. Inwiefern ist dieses Versprechen im Bereich der Umweltpolitik ein-gelöst worden, und welche Widersprüche und Verwerfungen existieren in dieser Debatte aus Sicht der Gewerkschaften?AT: Die Gleichung Steigerung der Ressourceneffizienz gleich Arbeitsplatzsicherung ist sicher zu einfach. Es kann auch arbeitspolitisch problematische Auswirkungen geben, wenn z.B. die Erhöhung der Energieeffizienz durch die Ausweitung der Maschinen-laufzeiten verbessert wird, damit aber eine Zunahme von Schichtarbeit verbunden ist. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Effizienzdebatte helfen kann, eine einseitig auf Senkung der Lohnkosten fixierte Reformdiskussion zu ergänzen und auch auf das enorme Potential der Ressourceneffizienz als Faktor der Kostenersparnis zu verweisen. Obwohl ökologische und soziale Nachhaltigkeit nicht immer unmittelbar miteinander verknüpft werden können, lässt sich hier zeigen, wie über die Beteiligung an einer umweltpolitischen Debatte letztlich auch wieder mehr Raum für soziale Anliegen ge-schaffen werden kann.

SZ: Die aktuelle Debatte verweist immer wieder auf eine neue Ressourcengeografie - ehemalige Entwicklungs- und Schwellenländer sind zu zentralen Akteuren geworden und Süd-Süd Abkommen unter Schwellenländern vor allem zwischen den rohstoff-reichen Ländern Afrikas (Südafrika, Sambia, Demokratische Republik Kongo) und Lateinamerikas (Brasilien, Peru, Chile) und den großen Nachfragern Asiens (China, Indien, Indonesien, Malaysia) scheinen die klassischen Industrieländer ebenso aus-zuschließen wie die schwachen Volkswirtschaften vieler Entwicklungsländer. Das Feindbild China taucht immer wieder auf. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung, und wie positioniert sich die IG Metall in Bezug auf diese Debatte?AT: Die Gewerkschaften sehen die Widersprüche dieser Debatte und betonen daher statt eines Feindbilds China die Perspektive der internationalen Verteilungsgerechtig-keit. Diese betont das Recht auf Entwicklung und damit die Notwendigkeit, in den Industrieländern durch Innovation und höhere Ressourceneffizienz Raum zu schaffen für nachholende Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dazu kommt natürlich die Möglichkeit, dass entsprechend innovative Ansätze auch wiederum dem Ausbau und Erhalt zusätzlicher Arbeitsplätze dienen können. Außerdem sollte die Sorge um die enormen Nachfragesteigerungen im Zusammenhang mit massi-ven Produktionsverlagerungen gesehen werden. Wenn die Industrieländer große Teile ihrer Produktion in Entwicklungs- und Schwellenländern verlagern, wird sich zwangsläufig auch die Ressourcengeografie verändern. Diese Verschiebung dann aber ausschließlich im Sinne einer neuen Konkurrenz um Rohstoffe zu sehen, blendet die zentrale Rolle eben jener Unternehmen aus, die durch Verlagerungen einen Teil dieser Rohstoffnachfrage selbst zu verantworten haben. Statt das Feindbild China zu akzeptieren, sollte also vielmehr gefragt werden, wie viel der hohen Nachfrage auf Produktionsverlagerungen zurückgeht. Outsourcing und globale Produktions-netzwerke verschleiern die tatsächlichen Ressourcenbilanzen und machen Entwick-lungs- und Schwellenländer für einen gestiegenen Rohstoff- und Umweltverbrauch verantwortlich, der nach wie vor in hohem Maße mit den Konsum- und Produktions-mustern der Industrieländer zusammenhängt.

Page 22: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

22

3. Global Resourcing: Umweltschäden und Ressourcenkonflikte

SZ: Wie können soziale und internationale Belange in Dialogen für Ressourcenef-fizienz, an denen die IG Metall beteiligt ist, zur Sprache gebracht werden? Taugt der Effizienz-Dialog als Vehikel für eine umfassendere Auseinandersetzung mit der bereits im Nachhaltigkeitsgedanken enthaltenen Idee der Verteilungsgerechtigkeit?AT: Beide Dimensionen der Nachhaltigkeit sind zu betonen. Ressourceneffiziente Unternehmen sind nicht automatisch auch Vorreiter im Bereich der sozialen Nach-haltigkeit. Wir sind dagegen, beide Aspekte der Nachhaltigkeit ausschließlich im Rahmen der im Umweltbereich nach wie vor üblichen Selbstverpflichtungen zu be-rücksichtigen. Neue Ansätze im Umwelt- und Ressourcenmanagement dürfen nicht dazu führen, die verbindliche Anerkennung von Kernarbeitsnormen durch freiwillige Regelungen auszuhebeln. Soziale Normen können nicht auf Basis freiwilliger Verein-barungen umgesetzt werden. Die verbindliche Regelung sozialer Nachhaltigkeit ist wichtige Voraussetzung eines fairen Wettbewerbs, hier sind internationale Kernar-beitsnormen der kleinste gemeinsame Nenner.

SZ: Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 2001 hat den betrieblichen Um-weltschutz verstärkt zur Mitwirkungsaufgabe des Betriebsrats erklärt. Bietet dieser begrenzte Ansatz zur Verbindung von Arbeit und Umwelt eine Möglichkeit, deren Verhältnis in einem umfassenderen (internationalen) Zusammenhang neu zu be-stimmen?AT: Voraussetzung für die Nutzung der Potentiale der Ressourceneffizienz ist eine Innovationspolitik und Investitionsbereitschaft, die sich an den Anforderungen ei-ner langfristigen Unternehmensentwicklung orientiert, anstatt allein auf kurzfristige Renditeziele zu setzen. In diesem Zusammenhang spielt auch die betriebliche Mit-bestimmung eine wichtige Rolle. Hier können Beschäftigte die Debatte für mehr gesellschaftliche und unternehmerische Nachhaltigkeit in die Aufsichtsräte hinein-tragen, und durch ihr Engagement für soziale und ökologische Nachhaltigkeit die Unternehmensentwicklung mitgestalten.

9 Kuehr/ Williams (Hg.): Computers and the Environ-ment, 2003.

10 Grossmann: High-Tech-Trash, 2006, 17ff.11 Tegera et al.: The Coltan Phenomenon, 2002. 12 Johnson/ Tegera: Digging deeper: How the DR

Congo’s mining policy is failing the country, 2005.13 Bleiwas/ Kelly: Obsolete Computers, ‘Gold Mine,’ or

High-Tech Trash?, 2001.14 Lucas et al.: Das Rohstoffsystem Kupfer - Status

Quo, 2007.15 Böge: Friedenskonsolidierung auf Bougainville - eine

Erfolgsgeschichte“, 2006.16 Mychalejko: Ascendant Copper Corporation Meets

Resistance in Ecuador, 2006; Mining Watch Canada: Ascendant Copper Agrees to Curtail Activities in Ecuador, 2007.

17 WI/ CSCP: Dematerialisierung und Ressourceneffi-zienz in Japan, 2007.

18 World Gold Council: Industrial Applications – Elec-tronic Applications, 2007.

19 UNCTAD: Tackling the link between natural resources and conflict: Lessons from the Kimberly Process, 2006.

20 Fatal Transactions: Brief an die EU-Kommission, 09.01.2007, http://www.medico-international.de/kampagne/fatal/downloads/20070110_KPCS_let-ter_to_EC.pdf

21 www.communitymining.org22 Martinez-Alier: Mining conflicts, environmental ju-

stice, and valuation, 2001.23 www.miningwatch.ca/index.php?/bolivia/oruro_

delaration24 www.deudaecologica.org; www.relca.net/oca25 Schütz et al.: Globalisierung und die Verlagerung von

Umweltbelastungen, 2003.

Endnoten

Page 23: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

23

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

Nach der Ressourcengewinnung folgt die nächste Stufe der Wertschöpfung: der Produktionsprozess selbst. Compu-ter werden heute kaum noch von den bekannten Markenherstellern wie HP, Dell, Fujitsu-Siemens-Computers, App-le oder Acer gefertigt. Stattdessen ist die Produktion weitgehend an Kontraktfer-tiger ausgelagert, die wiederum über ei-gene Zulieferernetzwerke verfügen. Die

Produktion ist in hohem Maß gesund-heits- und umweltbelastend. Dabei sind die Folgen des hohen Ressourcenver-brauchs, der Wasserverschmutzung sowie der Verwendung toxischer Stoffe weltweit ungleich verteilt. Lokal sind es vor allem ArbeiterInnen und AnwohnerInnen in unmittelbarer Umgebung der Fabriken, die von den ökologischen Kosten der High-Tech-Produktion betroffen sind.

4.1. Globale High-Tech-Verschmutzung

Ein Computer bedarf nicht nur zahl-reicher Rohstoffe wie z. B. Gold oder Kupfer als Vorprodukte, auch der Pro-duktionsprozess selbst ist extrem ma-terialintensiv. Letztendlich werden viel mehr Rohstoffe über den Globus trans-portiert und verarbeitet, als sich dann in dem grauen Kasten auf dem Schreib-tisch wieder finden lässt. So entspricht die für die Herstellung eines PCs not-wendige Menge an Rohstoffen in etwa der Menge, die für die Herstellung eines durchschnittlichen Sportwagens not-wendig ist.26

In der Produktion ist zudem der Ver-brauch von Energie hoch und bedarf rund 535 Kilowattstunden pro Endgerät. Dies kommt in etwa dem Strombedarf der Nutzung eines Computers von acht Jahren gleich. Zwar wird die Herstel-lung immer energieeffizienter, zugleich verkürzt sich aber die Lebensdauer eines PCs und immer mehr Computer kom-men auf den Markt.

Ressourcenintensiv wird die Produk-tion auch durch den hohen Wasser-verbrauch insbesondere in der Chip-fertigung. Zusätzlich zu dem hohen Verbrauch ist ein weiteres Problem die

Verschmutzung von Wassers und Bö-den: Greenpeace entnahm an Standor-ten von Markenherstellern wie HP und Zulieferanten wie Solectron oder For-tune in China, Mexiko, den Philippinen und Thailand Proben von Grundwasser, Abfallwasser und Böden. An den Stand-orten findet Leiterplattenbestückung, Chipproduktion sowie die Endmonta-ge von PCs und anderen Elektronikge-räten statt. Die Ergebnisse zeigen eine teils sehr hohe Belastung durch Metalle wie u.a. Kupfer, Nickel und Blei sowie Rückstände von Lösungsmitteln und anderen giftigen Substanzen.27 Hiervon sind die in unmittelbarer Umgebung der Fabriken lebenden AnwohnerInnnen, meist die ArbeiterInnen und ihre Fa-milien, betroffen. Zudem kommen aber auch im Produktionsprozess selbst die Beschäftigten mit den giftigen Stoffen in Kontakt. Soziale Ungleichheit durch niedrige Löhne, starke Arbeitsbelastung und oftmals fehlende Interessensvertre-tung ist in der Branche gepaart mit einer zum Teil extrem gefährlichen Form der Gesundheitsbelastung. Dies ist jedoch nicht nur ein Phänomen in Entwick-lungsländern. Auch in der schottischen

An vielen Produktionsstandor-ten sind Böden und Grundwas-ser dauerhaft verschmutzt.

Soziale Ungleichheit und schwache Interessenvertre-tungen verstärken bestehende Gesundheits- und Umweltbe-lastungen.

Page 24: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

24

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

Chipproduktion oder der Produktion bei IBM in den USA wurden eine er-höhte Krebsgefahr sowie ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten nachgewiesen. In Thailand kommt es immer wieder zu gravierenden Gesundheitsschäden durch die IT-Produktion: So starben 1990/ 1991 vier Arbeiter einer Fabrik von Seagate, die Diskettenlaufwerke produziert. Bei weiteren 200 Arbeitern wurde eine Bleivergiftung festgestellt.28

In der Festplattenproduktion berich-ten heute ArbeiterInnen von Atembe-schwerden. Sie wissen weder über die Stoffe Bescheid, die die Beschwerden verursachen, noch werden die Folgen behandelt. Stattdessen müssen sie in der Regel ihren Job nach ca. sechs Jahren aufgeben, kehren wieder auf das Land

zurück und arbeiten als Bauern. Das thailändische Gesetz, wie das vieler an-derer Länder auch, garantiert den Arbei-terInnen nicht das Recht auf Informa-tion über gesundheitsschädigende Gifte am Arbeitsplatz und auch die Deklarati-on dieser Stoffe ist nicht gesetzlich vor-geschrieben. Folglich ist das „Recht zu Wissen“ sowohl für ArbeiterInnen, als auch für AnwohnerInnen eine wichtige Forderung. Sonst erfahren sie von der High-Tech-Verschmutzung häufig erst, wenn die Folgen ausbrechen. So blieb z. B. die taiwanesische Stadt Kaoshiung City im Jahr 2000 aufgrund illegaler Verschmutzung des Wassers durch die High-Tech-Industrie für zwei Tage von der Trinkwasserversorgung ausgeschlos-sen.

4.2. Trauriger Tiger Taiwan

Taiwan verfolgt seit den 1980er Jahren den Ausbau eines High-Tech-Sektors. Dabei setzt das Land einseitig auf Wirt-schaftswachstum und Erfolg, wogegen soziale und ökologische Fragen sowie Arbeitsrechte weitgehend ausgeblendet wurden. Die durch die Regierung ge-stützte und geförderte Dominanz des Sektors führte zu einem Schweigen be-züglich der negativen Auswirkungen. Dennoch gründeten sich Initiativen, die das Schweigen durchbrachen. Dazu zählt die 1992 gegründete Dachorgani-sation Taiwan Association for Victims of Occupational Injuries (TAVOI). Zu der Organisation gehört auch die 1998 gegründete „RCA Workers‘ Self-Help Group“ (RCA-WHSG). Sie vertritt ehemaliger ArbeiterInnen des US-ame-rikanischen Elektronikgeräteherstellers RCA, der bis 1992 in Taiwan produzier-te. Die Freisetzung zahlreicher krebser-regender Stoffe und ihre flächendecken-de Verbreitung durch das von der Firma verschmutzte Grundwasser führten zu zahlreichen Krebserkrankungen bei den ArbeiterInnen. Diese wurden weder von der Firma, noch von den zuständigen öf-fentlichen Behörden hinreichend aufge-klärt und behoben. Erst 1996 nach dem Tod von über 200 ehemaligen RCA-Be-schäftigten reagierte die taiwanesische Umweltbehörde EPA, deklarierte das Areal als verschmutzt und übernahm

Reinigungsarbeiten. Die Konzentration krebserregender Stoffe im Grundwasser war jedoch auch im Jahr 2000 noch sehr hoch. Nachforschungen zu den hohen Krebsraten wurden zudem dadurch er-schwert, dass RCA alle Daten der ehe-mals in der Fabrik Beschäftigten in die USA transferiert hatte.

Durch Öffentlichkeitsarbeit erreichte TAVOI die Verschärfung verschiedener Umweltgesetze in Taiwan. Sie bedient sich dabei einer ‚popular epidemiology‘, in der von der Verschmutzung Betrof-fene umfassende Datenerhebungen vor-nahmen: Die Wissenschaft wurde so in den Dienst sozialer Gerechtigkeit gestellt und ihre Methoden den Bedingungen angepasst. Anstatt auf ein vermeintliches ExpertInnenwissen zu setzen, das für die Organisation erstens unbezahlbar gewe-sen wäre und zweitens die Kenntnisse der ‚Grasswurzel-Forschung‘ nicht mit-bringen würde, verbanden die Aktivis-tInnen die Forderung nach Sozial- und Umweltgerechtigkeit mit einer Demo-kratisierung von ExpertInnenwissen.29

Ein anderes Beispiel ist das Netzwerk TEAN, das Taiwan Environmental Action Network, das sich u.a. mit dem 1980 gegründeten Hochtechnologie- und Wissenschaftspark ‚Hsinchu Sci-ence-Based Industrial Park‘ (HSIP) be-fasst: In diesem hatten sich 2003 knapp 350 Firmen mit insgesamt fast 100.000

In der Computerproduktion Beschäftigte werden häufig nicht über die Risiken gravie-render Gesundheitsschäden informiert.

Taiwanesiche Gewerkschafts- und Umweltorganisationen fordern diewachstumsgläubige IT-Branche heraus, die von Gesundheits- und Umwelt-schäden in der Computerpro-duktion nichts wissen will.

Page 25: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

25

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

Beschäftigten angesiedelt. Während der wirtschaftliche Erfolg groß war, waren die Folgen für Umwelt und Gesundheit fatal. Über die von AnwohnerInnen und Beschäftigten geäußerte Kritik an den sozialen und ökologischen Kosten der High-Tech-Industrie schwieg sich auch in diesem Fall die Öffentlichkeit aus. Für eine Organisierung erschwerend kamen die konstante Bedrohung durch die Verlagerung der Arbeitsplätze, die Einbindung der Beschäftigten durch Aktienoptionen und das Fehlen gewerk-schaftlicher Organisierung hinzu. Erst in Folge einer Reihe von Umweltkata-strophen gelang es zwei Jahrzehnte nach Einrichtung des HSIP, eine breitere öf-fentliche Auseinandersetzung anzusto-ßen. Auslöser hierfür waren ein Groß-brand in der Halbleiter-Firma Lien-Dian (UMC) 1997, massive Verletzungen be-stehender Umweltvorschriften und die Aufdeckung von starken Verschmutzun-gen der Flüsse in Nord-Taiwan im Jahr 2000. Letzteres wurde verursacht durch die illegalen Entsorgungspraktiken der Unternehmen. Es kam nun zur Über-nahme einer Teilverantwortung durch den Staat und eine öffentliche Debatte über Verschmutzung begann.

Allerdings wird bis heute von der Re-gierung der enorme Wasserverbrauch

durch die Industrie nicht in Frage ge-stellt. Nachdem seit 1995 durch Tro-ckenperioden mehrfach Engpässe im HSIP entstanden, entschloss sich die Regierung 2002 zu Notmaßnahmen, um dem Hochtechnologiepark zusätz-liches Wasser zur Verfügung zu stellen. Während der Trockenperiode lagen ca. 15000 Hektar Agrarland in der Hsin-chu-Region brach, dennoch erteilte die Regierung den Konzernen Ausnahme-genehmigungen. Statt Reis sollten Chips produziert werden. Zudem plante die Regierung, weil Wasser ein entscheiden-der Standortfaktor für die Industrie ist, zusätzliche Wasserlieferungen aus dem Ausland und große Infrastrukturprojek-te wie Staudämme und Entsalzungsan-lagen.

Für lokale Organisationen bleibt es schwer, Druck von unten zu organisie-ren, um eine strengere Regulierung des HSIP zu erreichen. AktivistInnen setz-ten auf Selbstorganisierung: Im Rahmen des 2001 gegründeten ‚Environmental Supervision Network‘ bilden Umwelt-wissenschaftlerInnen lokale Freiwillige aus. Internationale Kooperationen wie die zwischen TEAN und der US-NGO Silicon Valley Toxic Coalition (SVTC) unterstützen diese Prozesse.30

Giftige Stoffe31

BerylliumAls leichter und extrem guter Leiter wird Beryllium meist auf der Hauptplatine und in Verbindung mit Kupfer verwendet, um Kontakte und kleine Stecker zu verstärken. Be-rührungen mit dem Stoff treten im Produktionsprozess sowie bei der Bearbeitung von Elektronikschrott auf. Der Stoff ist krebserregend (v.a. Lungenkrebs) und löst zahlreiche Hautkrankheiten aus.

QuecksilberQuecksilber wird in Relays, Schaltern auf der Hauptplatine, in Batterien und Flachbild-schirmen verwendet. Quecksilber verbreitet sich besonders schnell, wenn es ins Wasser und von dort über Nahrung und Trinkwasser in den menschlichen Organismus gelangt. Es schädigt das zentrale Nervensystem und die Nieren.

Hexavalentes ChromDer Stoff verhindert die Zersetzung nicht-behandelter und galvanisierter Stahlplatten. Er wird einfach durch die Zellwände aufgenommen und kann irreversible Schäden in der Erbmasse DNA hinterlassen. Außerdem kann es starke allergische Reaktionen her-vorrufen, die sich durch Atemnot und Erstickungsgefahr äußern. Die EU-Richtlinie RoHs verbietet die Verwendung seit Juli 2006.

Selbstorganisierte Initiati-ven gewinnen Stärke durch Kooperation in internationalen Netzwerken.

Page 26: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

26

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

KadmiumKadmium wird in Widerständen in Chips, Halbleitern und ihren Kunststoffstabilisatoren sowie Röhrenbildschirmen verwendet. Viele Laptops sind mit aufladbaren Kadmium-Ni-ckel-Batterien ausgestattet. Kadmium kann irreversible Gesundheitsschäden hinterlassen und ist Krebs erzeugend. Auch kann es zu Nierenschäden und einer Veränderung der Knochstruktur führen. Die europäische Richtlinie RoHS untersagt die Verwendung von Kadmium in Neugeräten nach Juli 2006.

BleiVerwendung: Bis zu 3 ½ Kilo Blei können in einem Monitor und der Hauptplatine ent-halten sein. Blei kann Schäden im zentralen Nervensystem, dem Blutkreislauf, den Nieren und den Sexualorganen hinterlassen und schwere Schäden in der Gehirnentwicklung von Kindern bewirken. Auch kann es zu Entwicklungsschäden bei Föten führen. Blei in der Umwelt schädigt nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern kann durch Handkontakt in den mensch-lichen Organismus gelangen.

PVCMehr als 5 Kilogramm eines durchschnittlichen Computers bestehen aus Kunststoffen, den größten Anteil daran hat mit 26% PVC (Poly-Venyl-Chlorid), das v. a. in den Kabeln und dem Gehäuse verwendet wird. PVC entfaltet seine schädigende Wirkung vor allem, wenn es verbrannt wird und dabei Dioxin freisetzt. Wenn dieses eingeatmet wird, kann es zu Atemwegsproblemen führen.

BariumBarium wird in der obersten Schicht der Bildschirmröhre verwendet, um die Nutzer vor Strahlung zu schützen. Schon kurzer Kontakt mit Barium kann Schwellungen des Hirns, Muskelschwäche sowie Schäden an Herz, Leber und Milz bewirken. Auch kann es zu Bluthochdruck kommen.

Bromierter Flammschutz (BFS)Bromierter Flammschutz wird in den Kunststoffkomponenten im Inneren und Äuße-ren des Computers verwendet. Es wird angenommen, dass BFS eine Veränderung des Hormonhaushaltes bewirkt. So verlangsamt er wahrscheinlich das Wachstum und die sexuelle Entwicklung. Auch kann er zu Unfruchtbarkeit führen. Die EU-Richtlinie RoHS sieht Übergangsfristen für ein Verbot der Weiterverwendung von einigen Flamm-schutzmitteln vor.

4.3. Der unsichtbare Schmutz im Reinstraum - die Chipproduktion

Die oben benannten Probleme ei-ner hohen Ressourcenaufwendung und High-Tech-Verschmutzung treffen insbesondere auch auf die Chip- bzw. Halbleiterproduktion zu. Die Mikro-chips sind sozusagen die „Gehirne“ ei-nes Computers. Neben Prozessor und Speicherbauelementen sind ca. 75 Mi-krochips in einem PC enthalten.

Für ihre Herstellung bedarf es Silizi-um, das aus Quarzsand gewonnen wird. Im Vergleich zu anderen Rohstoffen ist der Abbau wenig umweltschädlich. Al-lerdings ist die Herstellung des für die

Chipproduktion benötigten hochreinen Siliziums energie- und materialintensiv. Zunächst wird durch ein Hochtempe-ratur-Schmelzverfahren aus Quarzsand Roh-Silizium gewonnen. Durch die Zugabe von Fremdelementen, die so genannte Dotierung, und verschiedene Kristallzuchtverfahren wird dann in ei-nem nächsten Schritt aus dem Roh-Sili-zium das hochreine Silizium hergestellt. Aus diesen Kristallen entstehen dann in mehreren Veredelungsschritten die in der Chipproduktion verwendeten Wafer – also Siliziumscheiben. Diese Wafer

Die Mikrochipproduktion ist hoch material- und energie-aufwändig.

Page 27: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

27

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

Kaum zu sehen, und doch hochgiftig Foto: SACOM

bilden die materielle Grundlage für die Herstellung von Computerchips. Die Mikroelektronik, zu der z.B. der Arbeits-speicher eines PCs gehört, ist zusammen mit der Solarindustrie der größte Silizi-um-Abnehmer.32 In Deutschland werden Wafer von der Firma Wacker Chemie im bayerischen Burghausen produziert, die über einen Weltmarktanteil von knapp 20% verfügen.

Die Waferscheiben sind Ausgangsma-terial um in so genannten Reinsträumen der Halbleiterfabriken, wie dem deut-schen Unternehmen Infineon oder dem in Dresden ansässigen US-amerikani-schen Unternehmen AMD, Mikrochips herzustellen. Die Reinsträume (Eng-

lisch: clean room) werden so bezeichnet, weil sie sich durch einen sehr geringen Anteil in der Luft schwebender Partikel auszeichnen. Sie haben den Charakter einer ‚chemischen Fabrik‘, so der ehe-malige Intel-Forschungsleiter Gerald Marcyk. Hochtoxische Elemente wie Arsen oder Phosphor werden in diesen Räumen verwendet, um die Eigenschaf-ten halbleitender Materialien zu ver-ändern. Lösungsmittel werden auf die Silizium-Wafer gesprüht, um Verunrei-nigungen zu entfernen.33 Ein Teil der in der Chipproduktion verwendeten Stoffe taucht zwar im Endprodukt nicht auf, stellt aber eine Belastung für Beschäf-tigte und Umwelt dar. Folgen sind eine

erhöhte Krebsgefahr, Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und ein erhöhtes Ri-siko Fehlgeburten, Kopf- und Muskel-schmerzen zu erleiden. Bislang beschrän-ken sich die veröffentlichten Studien zu diesem Thema weitgehend auf das Sili-con Valley – die US-amerikanische Ge-burtsstätte der Halbleiterindustrie. Da-gegen sind die Auswirkungen vor allem in Asien weitgehend unerforscht und die Wiederholung der gleichen Gefahren wie im Silicon Valley ist höchst präsent. Mittlerweile hat aufgrund der Verlage-rung die Produktion in Asien (v. a. Tai-wan, Malaysia, Südkorea, Singapur und zunehmend auch China) den Marktan-

teil der USA bereits übertroffen. Gerin-gere Umweltauflagen und Gesundheits-standards sind ein Standortvorteil. Ein weiterer ist, dass Krankheiten als Folge der Halbleiterproduktion in Asien von der Öffentlichkeit vergleichsweise unbe-obachtet sind.34

Neben den Auswirkungen auf die Ge-sundheit von AnwohnerInnen und Ar-beiterInnen verschlingen Chipfabriken gigantische Energie- und Wassermengen. So erhalten z.B. die Dresdner Chipfabri-ken den Strom von eigenen, benachbar-ten Kraftwerken. Sie sind 30 Megawatt stark und produzieren den Strombedarf einer ganzen Stadt. Für die Säuberung

Die ‚Reinsträume‘ der Chip-produktion gleichen chemi-schen Fabriken.

Vor allem an asiatischen Standorten werden Gesund-heitsrisiken in der Chipproduk-tion kaum untersucht.

Page 28: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

28

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

der Siliziumwafer wird technisch aufbe-reitetes Reinstwasser benötigt. Die zen-trale Ressource Wasser gilt schon länger als “Flaschenhals” in der Halbleiterpro-duktion. Noch 2002 ergab eine Umfrage der Semiconductor Industry Associati-on (SIA) einen durchschnittlichen Ver-brauch von 175 Millionen kWh sowie 1,6 Milliarden Liter Wasser pro Jahr und Fabrik.35 Da ohne Wasser nichts läuft, gehörten in der Vergangenheit umfang-reiche Wassersubventionen zu den Anrei-zen und unterstützenden Maßnahmen, die Firmen von Städten und Kommunen bei der Ansiedlung von Halbleiterpro-duktion verlangten. Mehrfach wurden um den Komponentenproduzenten die Ansiedlung an einem bestimmten Stand-ort schmackhaft zu machen, die Rechte und Nutzungsmöglichkeiten von Land und Ressourcen für die AnwohnerInnen hinten an gestellt. Ein drastisches Beispiel deckte die Umweltorganisation South-West-Organizing-Project (SWOP) auf. Die US-Firma Intel verließ in den 1990er Jahren das Silicon Valley und verlager-te ihr Werk ausgerechnet in den trocke-nen Südwesten der USA. Dort empfing der Konzern Intel nicht nur staatliche Wassersubventionen, sondern die gefor-derte Wassermengen in der Region wur-de durch die Aberkennung historischer

Wasserrechte indigener Gruppen von der Kommune bereitgestellt.36

Viele Kommunen sind zu solch einer Subventionierung weder bereit, noch tatsächlich in der Lage. In einigen Fäl-len ist daher die Aufbereitung von Was-ser ein Mittel, um den Standortnachteil der Wasserknappheit zu verringern. Der ressourcenarme Stadtstaat Singapur setzt z. B. im Rahmen seiner nationalen Wasserstrategie technisch aufbereitetes Brauchwasser (so genanntes ‚NEWater‘) als Ergänzung zu Wasserimporten, Re-servoirs und Meerwasserentsalzung ein, um die Kosten der lokalen Halbleiter-produktion zu senken und zudem an-dauernde, auch durch eine expandieren-de Halbleiterproduktion verstärkte Res-sourcenkonflikte mit dem Nachbarstaat Malaysia zu entschärfen.37

Betrachtet man die allgemeine Ten-denz, steht bei der Entwicklung neuer Produktionsverfahren schon aus Kos-tengründen zunehmend die Verbesse-rung der Ressourceneffizienz im Vor-dergrund. Sowohl aufgrund steigender Stückzahlen, als auch wegen häufiger Verlagerungen der ressourcenintensiven und gesundheitsgefährdenden Produk-tionsschritte in Entwicklungsländer ist diese aber mit Umweltgerechtigkeit nicht gleichzusetzen.

Umweltgerechtigkeit und die Europäischen GewerkschaftenInterview mit Tony MusuEuropäisches Gewerkschaftsinstitut für Forschung, Bildung und Arbeits- und Gesundheitsschutz (ETUI-REHS)

SZ: Befasst sich das Europäische Gewerkschaftsinstitut mit dem Thema Arbeit und Umwelt in der globalisierten Computerproduktion? TM: Wir verfolgen das Ziel, in ganz Europa hohe Standards für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz durchzusetzen. Das gilt auch für die Computerproduk-tion. ETUI ist die Nachfolgeorganisation des ehemaligen Europäischen Gewerk-schaftsbüros für Gesundheit und Sicherheit, das 1989 durch den Europäischen Ge-werkschaftsbund gegründet wurde. Wir unterstützen mit unseren Ergebnissen die Gewerkschaftsvertreter des Beratenden Ausschusses für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz in Luxemburg und der Europäischen Agentur für Sicherheit und Ge-sundheit am Arbeitsplatz in Bilbao. ETUI führt eigene Forschungsvorhaben durch in Bereichen wie Gesundheit am Arbeitsplatz, Ergonomie, mentale Arbeitsbelastungen und beruflichem Stress. Wir haben zudem eigene Expertennetzwerke zu gefährlichen Substanzen aufgebaut, die sich mit deren Klassifikation, Risikoabschätzungen und dem Aufstellen von Grenzwerten für die Belastung am Arbeitsplatz beschäftigen.

SZ: Welchen Gefahren sind ArbeiterInnen in der Produktion ausgesetzt? TM: Das hängt von den Produktionsstandorten ab. Die Mikroelektronikindustrie beschäftigt weltweit etwa eine Million ArbeitnehmerInnen. Die Technologien sind

Der enorme Wasserverbrauch von Chip-Fabriken kann lokale Ressourcenkonflikte verschärfen.

Page 29: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

29

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

auf hochintensive, komplexe chemische Prozesse angewiesen. Die Industrie kann vor allem für ArbeitnehmerInnen gefährlich sein, die in Indien, China, Kalifornien, aber auch Schottlands ‚Silicon Glen‘ Leiterplatten, Computer, und Chips herstel-len.

SZ: Wie sehen die Risiken in Europa aus?TM: In Europa begann die kritische Auseinandersetzung mit den Gesundheitsrisi-ken im Elektroniksektor in Schottland. Das Unternehmen National Semiconductor UK ließ sich in Inverclyde in der Nähe von Glasgow nieder und hatte damit Zugriff auf einen Pool von Arbeitnehmerinnen, die von einer ländlichen patriarchalen Kul-tur geprägt waren und auch keine Tradition der gewerkschaftlichen Organisation hatten. Nachdem mehrere ihrer Warnungen ignoriert wurden , trafen sich in den frühen 90ern eine Handvoll schottischer Gewerkschaftsaktivistinnen mit hochran-gigen Vertretern der britischen Aufsichtsbehörde für Gesundheit und Sicherheit. Sie berichteten von den Fruchtbarkeitsproblemen und den Fehlgeburten, die bei in der Halbleiterindustrie beschäftigten Frauen aufgetreten waren. Einer Umfrage unter fünf englischen Halbleiterherstellern zur Folge, stellt die Arbeit in Reinsträumen keinerlei Risiken für schwangere Frauen dar. Dem widersprechend hatten drei vorhergegangene US-Studien allerdings den Nachweis erhöhter Fehl-geburtsraten unter Frauen, die in Reinsträumen arbeiten, erbracht. 1996 bekam die Gewerkschaft dann auch Beschwerden von Arbeitnehmern, die über Gesundheits-probleme berichteten und diese auf ihren beruflichen Umgang mit Chemikalien zurückführten. Die Fallzahl stieg plötzlich auf 60. Die Betroffenen waren nicht in der Lage, die fraglichen Chemikalien zu benennen, und kannten oft nur die Mar-kennamen, unter denen diese Produkte vertrieben wurden.

SZ: Was unternahm die Gewerkschaft?Die Gewerkschaft beschloss daraufhin, zur Unterstützung der Betroffenen die Gruppe ‚Phase 2‘ einzurichten. Dies wiederum rief die Medien auf den Plan, wor-auf die britische Gesundheitsbehörde mit der Einleitung der ersten wirklich unab-hängigen Untersuchung der Halbleiterindustrie reagierte. In dieser Zeit sammelte Phase 2 Informationen von über 200 ArbeitnehmerInnen. Die Gruppe wurde un-terstützt durch einen amerikanischen Arbeitsmediziner und Netzwerke, die sich schon in den 70er Jahren im Silicon Valley organisierten. Zusammen riefen sie die ‚Internationale Kampagne für verantwortungsbewusste Technologie‘ (Internatio-nal Campaign for Responsible Technology, ICRT) ins Leben, die in ganz Schottland Treffen veranstaltete. Eine kleine Zahl von AkademikerInnen half ihnen dabei, die naturwissenschaftlichen Begrifflichkeiten zu entschlüsseln und selbst zu verwen-den. VertreterInnen der lokalen Gesundheitsbehörden waren an diesen Ergebnis-sen aber nicht interessiert. Erst 2001 erkannte die Gesundheitsbehörde an, dass in der Halbleiterindustrie verschiedene Krebserkrankungen nachweislich häufiger auftreten. Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft sind jetzt davon überzeugt, dass diese stark erhöhten Krebsraten ohne ihre von den Medien und unabhängi-gen Experten unterstütze Kampagne nie an die Öffentlichkeit gelangt wären. Der Einsatz vieler krebserregender Stoffe wäre auch weiterhin unreguliert und unkon-trolliert. Sie glauben auch, dass die Behörde für Gesundheit und Sicherheit in ihrer Rolle als Kontrollinstanz versagt hat. Die Industrie wollte v.a. die Vorkommnisse herunterspielen und die Ergebnisse der Kampagne in Frage stellen.

SZ: Was ist derzeit das wichtigste europäische Regulierungsvorhaben, das den Be-reich der Computerproduktion betrifft?TM: Vor allem die Auseinandersetzung mit REACH (Registration, Evaluation and Authorization of Chemicals), der neuen EU-Richtlinie zum Umgang mit Chemikali-en spielt für Gesundheits- und Sicherheitsfragen im Bereich der Computerprodukti-on eine wichtige Rolle. Hier haben wir auch die Position des Europäischen Gewerk-schaftsbundes miterarbeitet. REACH bezieht sich auf alle Industriebereiche, die mit der Herstellung oder Nutzung von Chemikalien zu tun haben. Die sich aus REACH

Page 30: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

30

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

ergebenden Verpflichtungen betreffen nicht nur die Hersteller selbst, sondern auch Nutzer wie den chemikalienintensiven Elektroniksektor. SZ: Was sind die Ziele von REACH?TM: REACH verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll ein hohes Maß an Gesundheits-schutz und Umweltschutz sichergestellt werden. Andererseits geht es aber auch darum, die Effizienz des europäischen Markts in diesem Bereich zu verbessern und die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Chemieindustrie zu steigern. Die 30.000 Stoffe, um die es geht, müssen dann bei einer noch einzurichtenden Europäischen Chemikalien-Agentur registriert werden, bevor sie hergestellt oder in die EU importiert werden dürfen. Hersteller oder Importeure müssen Informatio-nen zu den toxikologischen und ökotoxikologischen Eigenschaften einzelner Stoffe einreichen, ihre mögliche Verwendung beschreiben und Untersuchungen zur Ab-schätzung chemischer Risiken für Gesundheit und Umwelt durchführen. Das Kern-stück der REACH-Reform besteht darin, die Industrie zu diesem Risikonachweis zu verpflichten. Umfassende Dokumentation zur sicheren Verwendung einzelner Stof-fe müssen eingereicht werden, bevor diese Stoffe vermarktet werden dürfen. Die andere wichtige Neuerung besteht darin, dass die Verwendung der gefährlichsten Stoffe - etwa die in der Elektronikproduktion eingesetzten krebserregenden Stoffe - genehmigungspflichtig wird.

SZ: Wie effektiv sind diese Ansätze in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheit der in der Computerproduktion Beschäftigten?TM: Nach einer Gewerkschafts-Studie, die durch die Universität Sheffield durchge-führt wurde, wird REACH dazu beitragen, jedes Jahr 50.000 Fälle berufsbedingter Atemwegserkrankungen und 40.000 Fälle berufsbedingter Hauterkrankungen zu vermeiden. Diese Zahlen beziehen sich auf alle Sektoren einschließlich der Elek-tronikbranche. Dies summiert sich in zehn Jahren zu einer Gesamtersparnis von 3,5 Milliarden Euro für die EU-25 (einschließlich der Neumitglieder), die auch den Sozialversicherungssystemen zu Gute kommen. Bei den ArbeitnehmerInnen steigt die Lebensqualität durch geringere Gesundheitsbelastungen und Unternehmen werden krankheitsbezogene Produktivitätsverluste vermeiden.

SZ: Welche Positionen nehmen Unternehmen etwa aus dem Bereich der Halblei-terfertigung ein?TM: Die REACH-Debatte drehte sich v. a. um die Kosten, die für die Industrie mit der Umsetzung verbunden sind. Seit der Veröffentlichung des Chemikalien-Weiß-buchs der Europäischen Kommission 2001 hat sich die Industrie beklagt, dass die Reform zu bürokratisch und zu teuer sei und unmittelbar zu Produktionsverlage-rungen und dem massiven Abbau von Arbeitsplätzen führen würde. Diese Strategie hat sich ausgezahlt, denn die letztlich beschlossene REACH-Version ist im Vergleich zur ursprünglichen Vorlage stark verwässert worden. Die Anforderungen an die Industrie sind stark reduziert worden, von 12,9 Milliarden an direkten (auf 11 Jahre verteilten) Kosten auf 2,3 Milliarden. Mit diesem Sieg noch nicht zufrieden, hat die Industrie ihre eigenen Folgekostenschätzungen in den Prozess eingebracht, die um das 30 bis 100-fache über den von der Europäischen Kommission vorgelegten Zahlen liegen. Obwohl diese Studien aufgrund ihrer unklaren Methodologie und Voreingenommenheit stark kritisiert wurden, haben sie dennoch dafür gesorgt, dass der Eindruck entstanden ist, REACH würde die europäische Chemieindustrie stark benachteiligen. Die Arbeitgeberverbände (UNICE und CEFIC) haben sich bei der Kommission erfolgreich dafür eingesetzt, anhand von Fallbeispielen weitere Studien zu den Folgekosten durchführen zu lassen. Damit sollte der Kritik an den vorgelegten Studien begegnet werden, ohne dabei ihre politischen Prioritäten auf-zugeben. Um in diesen von der Industrie geförderten und durchgeführten Studien ein Min-destmaß an Transparenz und Glaubwürdigkeit zu gewährleisten, ist eine Stakehol-der-Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die auch Gewerkschaften und NGOs mit einbezieht. Diese sollen den Prozess überwachen. Die Ergebnisse der neuen Studie

Page 31: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

31

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

zeigen, dass die ursprünglichen Untergangsszenarien der Industrie unbegründet waren. Die Kosten und Auswirkungen von REACH bleiben überschaubar. SZ: Kann betrieblicher Gesundheitsschutz eine integrative Rolle in der Annähe-rung von Organisationen aus den Bereichen Arbeit und Umwelt spielen? TM: Umweltfragen und betrieblicher Gesundheitsschutz stehen in einem engen Zusammenhang. Gewerkschaften werden sich in Zukunft zweifellos stärker mit diesen Themen beschäftigen. SustainLabour ist durch eines der spanischen Mitglie-der der ETUC Arbeitsgruppe zur nachhaltigen Entwicklung eingerichtet worden. Ein konkretes Ziel der Gewerkschaftsbewegung ist zum Beispiel die Erweiterung der Zuständigkeiten betrieblicher Sicherheitsbeauftragter, um sich auch mit Um-weltfragen beschäftigen zu können.

Grüner geht’s nicht? Das Beispiel Apple

So progressiv das Image des Computerherstellers Apple auch ist: Von einer sozial und ökologisch verantwortungsbewussten Produktion ist das Unternehmen weit entfernt. Der Computerhersteller geriet 2006 in die Kritik, nachdem die britische Zeitung Mail on Sunday einen Bericht über die Arbeitsbedingungen beim iPod-Zulieferer Foxconn veröffentlichte. Mit Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden sowie Löhnen unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns würde in der Produktion des hippen iPods nicht nur gegen chinesisches Arbeitsrecht, sondern auch gegen den Electronic Industry Code of Conduct (EICC) verstoßen. Sowohl Foxconn, als auch Apple sind Mitglieder des EICC und ver-pflichten sich damit freiwillig zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards. Als Reaktion auf die Vorwürfe entsandte Apple flugs ein Team nach China und erstellte einen Gegenbericht, der die bekannt gewordenen Verletzungen des EICC vor allem im Bereich Überstunden aber bestätigte.38 Apple hat diesen Bericht bislang nicht durch unabhängige Beobachter verifizieren lassen. Aber nicht nur bei den Arbeitsrechten fällt das Unternehmen weit hinter sein progres-sive Image zurück: Apple verwendet in weit stärkerem Maß als manche Konkurrenten toxische Inhaltsstoffe. So enthalten die Geräte des Herstellers zahlreiche Giftstoffe, darunter Chrom und bestimmte Arten bromierter Flammschutzmittel. Diese sind durch die europäische Richtlinie RoHS, die die zulässigen Maximalkonzentrationen gefähr-licher Stoffe festlegt, verboten. Trotzdem ließen sich im Apple MacBook Pro genau diese verbotenen Stoffe nachweisen. Auch PVC, das zwar nicht verboten ist, jedoch zu den gefährlichen Stoffen gerechnet wird, ist in dieser Mac-Generation enthalten. Der Konkurrent HP überbot allerdings Apple noch in der Verwendung schädlicher Substan-zen: Im Laptop-Modell Pavillion dv 4000 Series fand Greenpeace bei einer Untersu-chung 2006 den verbotenen Stoff Blei. Die durch die giftigen Stoffe entstehenden Belastungen sind vielfältig. Schon im Pro-duktionsprozess werden ArbeitnehmerInnen mit diesen Stoffen kontaminiert. Und durch ihr Vorhandensein werden die Produkte zum Ende ihres Lebenszyklus zu Son-dermüll.Bislang bot Apple kaum verbindliche Zusagen in Bezug auf die Verbesserung der Um-weltbilanz seiner Produkte. 2007 überraschte Apple-Chef Steve Jobs mit der werbe-wirksamen Ankündigung, eine Reihe toxischer Stoffe aus der Produktion nehmen zu wollen bzw. bereits genommen zu haben.39 Mehr als eine PR-Aktion wird daraus aller-dings erst, wenn Apple tatsächlich Taten folgen lässt. Denn häufig zeigt sich, dass es dem Unternehmen in erster Linie um die Erhaltung seines sauberen Images geht: Rasch erwies sich, dass Apple die eigentlich selbstverständliche Einhaltung neuer Richtlinien für die schadstoffreduzierte Elektronikproduktion als eigene Öko-Offensive vermark-tet.40 Hinzu kommt, dass Apple zur Frage des Umgangs mit dem Export von Elektro-nikschrott beharrlich schweigt.41

Page 32: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

32

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

4.4. Die Produktion regulieren

Die Bedingungen in der Computer-produktion werden bis heute primär durch nationales Arbeitsrecht reguliert. Häufig ist diese Form der Regulierung unzureichend. Gründe hierfür sind die Aushebelung von Rechten in Export-produktionszonen, der geringe gewerk-schaftliche Organisierungsgrad und damit eine fehlende Gegenmacht und Kontrollinstanz im Betrieb sowie der Standortwettbewerb, der ein globales Unterbieten auf Kosten sozialer und ökologischer Rechte anheizt. Obwohl die Notwendigkeit einer verbindlichen Regulierung auf internationaler Ebene allgegenwärtig ist, mangelt es hier noch an konkreten Ansätzen, die die Grenzen

der Freiwilligkeit bestehender Initiativen überwinden.

Seit 1997 bereitet die EU-Kommissi-on auf der Grundlage des „Grünbuchs“ eine Reihe von Richtlinien vor, die auch die Computerindustrie betreffen. Das Schlagwort heißt integrierte Produkt-politik. Umweltauswirkungen sollen über den gesamten Entstehungsprozess und die Lebensdauer eines Produkts berücksichtigt werden. Obwohl diese Richtlinien soziale Auswirkungen nicht berücksichtigen und einen rein umwelt-politischen Ansatz verfolgen, wird sich z. B. die Reduzierung toxischer Stoffe dennoch auf die Arbeitsbedingungen auswirken.

Tabelle 1: Umweltbeeinflussende Richtlinien der EU:

Richtlinie Stand Hauptinhalt

WEEE wirksam verstärktes Recycling, Materialökonomie

RoHS wirksam Reduzierung von Schadstoffen

EuP in Arbeit Reduzierung des Energieverbrauchs in der Wertschöpfungskette

REACH wirksam bessere Chemikalienkontrolle

4.5. Regulierung auf europäischer Ebene

Während die Richtlinie WEEE und RoHS am Problem des Elektroschrotts ansetzen, geht es bei den Richtlini-en EuP und REACH primär um die umweltschonendere Gestaltung der Produktion und der Nutzung der Ge-räte.

Die EuP-Rahmenrichtlinie (2005/32/EC - Energy Using Products Directive), häufig auch Eco-Design-Richtlinie ge-nannt, soll 2007 verabschiedet werden. Ziel der Richtlinie ist es sowohl bei der Produktion als auch in der Nutzung von energiebetriebenen Produkten, den Ver-brauch von Energie zu reduzieren. Hier-in kommt der Ansatz der integrierten Produktpolitik zum Ausdruck. Vorbe-reitende Studien befassen sich mit ein-zelnen Produkten, darunter auch PCs und Bildschirme.42

Die Umsetzung der Richtlinie soll auf einem Mix aus freiwilligen Selbst-verpflichtungen von Unternehmen und gesetzgeberischen Maßnahmen basie-ren. In Zukunft sollen die Hersteller und Importeure, z. B. von Computern, ein ökologisches Profil ihrer Produkte veröffentlichen. Für welche Produkte allerdings verbindliche Detailrichtlini-en entwickelt werden und bei welchen Produkten freiwillige Vereinbarungen seitens der Industrie ausreichend sind, steht bislang noch nicht fest. Hiervon wird allerdings maßgeblich der Erfolg der Richtlinie zur Reduzierung von En-ergie in der Produktion und Nutzung abhängen.

Auch die 2007 in Kraft getretene Verordnung zur Registrierung, Bewer-tung, Zulassung und Beschränkung

In der EU soll eine ‚integrierte Produktpolitik‘ die gesamte Entstehung und Lebensdau-er von Elektronikprodukten berücksichtigen.

Die Erfolge der EU-Regulie-rungen müssen sich erst noch erweisen.

Page 33: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

33

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

chemischer Stoffe (englisch: REACH – Registration, Evaluation and Au-thorisation of Chemicals) betrifft die Computerindustrie. REACH refor-miert das alte europäische Chemika-lienrecht und reguliert die Erfassung und Kontrolle chemischer Stoffe, die in der EU hergestellt werden oder in die EU importiert werden. Erstmals sol-len rund 30.000 chemische Stoffe auf ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit hin überprüft werden, al-lerdings erst ab einer Jahresproduktion von einer Tonne. Giftige Stoffe sollen zum Teil ersetzt werden. Die Neuerung von REACH ist, dass nicht mehr die Regulierungsbehörden, sondern von nun an die Hersteller und Importeure die Beweislast über die Sicherheit der Chemikalien erbringen müssen.

Betroffen wird hiervon die Mikroelek-tronikindustrie sein, also auch Hersteller von Wafern und Mikrochips, wie sie in Computern verwendet werden. In der Mikroelektronik werden nach Schätzun-gen zwischen 1500 und 2000 Chemika-lien in Bauelementen und Leiterplatten verwendet. Vertreter der Industrie be-klagen die Offenlegung von Angaben zu Einzelstoffen als Verlust an Schutz von branchenspezifischem Wissen. Auch die Suche nach etwaigen Ersatzstoffen, wie z.B. Weichmacher für die Kabelisolie-rung oder chemische Stoffe in der Wa-ferproduktion, wird keinesfalls begrüßt. Wie auch die Umkehr der Beweislast kostet dies Geld und wird deshalb als Benachteiligung gegenüber außereuro-päischen Anbietern kritisiert.

4.6. Umweltgerechtigkeit in der Produktion

REACH und EuP sind sinnvolle Re-gulierungsansätze, jedoch in ihrer Wir-kung begrenzt. An der EuP ist die große Bedeutung der freiwilligen Selbstver-pflichtung zu kritisieren. Zudem ist ihre Reichweite auf die Senkung des Energie-verbrauchs der Produkte begrenzt. Ein Manko bei der REACH-Verordnung ist die Beschränkung auf chemische Stoffe, die in der EU hergestellt oder importiert werden. Ein z. B. aus Malaysia impor-tierter Mikrochip, zu dessen Produkti-on verbotene chemische Stoffe verwen-det werden, die jedoch im Endprodukt nicht enthalten sind, ist von REACH ausgenommen.

Außerdem macht der REACH-Kom-promiss infolge eines intensivem Lob-bying von Seiten der chemischen In-dustrie einige Zugeständnisse: Z. B. wurden die Sicherheitsanforderungen für krebserregende Stoffe und Stoffe, die Geburtenfehler auslösen können oder fortpflanzungsgefährdend sind, herabgesetzt. Auch müssen für impor-tierte Stoffe, von denen weniger als 10 Tonnen pro Jahr importiert werden, nun keine aussagekräftigen Sicher-heitsdaten vorgelegt werden. Aus Ver-braucherperspektive ist zu bemängeln, dass keinerlei Etikettierungspflicht für Endgeräte besteht. Zudem reduziert REACH das Problem auf die bloße

Verwendung der Stoffe, wogegen der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nicht einbezogen wird. Die hohe ge-sundheitliche Belastung in der Comp-uterindustrie geht zwar primär auf den Einsatz hoch toxischer Stoffe zurück. Dazu kommt allerdings, dass durch die vielfach praktizierte Aushebelung gewerkschaftlicher Organisierung und des Rückgriffs auf weibliche und mi-grantische Arbeitskräfte bewusst eine „schwache“ Belegschaft geschaffen wird. Damit fehlt ein wichtiger Hebel zu Einhaltung betrieblichem Gesund-heits- und Umweltschutzes.

Betrachtet man den Produktionspro-zess von Computern aus der Perspektive der Umweltgerechtigkeit, wird der be-triebliche Gesundheits- und Umwelt-schutz zum wichtigen Ausgangspunkt für eine weitergehende Verflechtung sozial- und umweltpolitischer Anliegen. Die Verknüpfung von Ökologie und Ar-beitsrechten ist im Produktionsprozess selbst angesiedelt. Allerdings werden häufig Ökologie und Arbeitsrechte ge-geneinander ausgespielt. Gewerkschaf-ten lassen sich oft zu schnell von der problematischen Argumentation ein-nehmen, dass Umweltschutz letztlich auf Kosten von Arbeitsplätzen und da-mit Kosten der ArbeitnehmerInnen um-gesetzt wird.43

Die Neuordnung des EU-Chemikalienrechts betrifft auch die chemieintensive Elektronikproduktion.

Die EU hat dem Einfluss der Industrielobby wenig ent-gegenzusetzen und setzt in zentralen Bereichen weiterhin auf Selbstverpflichtungen.

Starke Gewerkschaften bleiben ein wichtiger Hebel zur Ein-haltung betrieblichen Gesund-heits- und Umweltschutzes.

Page 34: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

34

4. Der Produktionsprozess: sauber und sozialverträglich?

Schaffen im Grünen - Initiativen zu Arbeit und Umwelt:

- „SustainLabour – International Foundation for Sustainable Development“ ist ein inter-nationales Gewerkschaftsnetzwerk, das sich seit 2004 für ein sozial faires und ökolo-gisch nachhaltiges Entwicklungsmodell einsetzt.

- Auf europäischer Ebene existiert das „European Work Hazards Network“ (EWHN), das sich aus ArbeiterInnen, AktivistInnen, ExpertInnen und JournalistInnen zusam-mensetzt. Es trifft für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen ein und befasst sich insbesondere mit Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz.

- In Deutschland gibt es neben der 1990 gegründeten Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE (Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie) den gewerkschaftlichen In-formationsdienst Oeko-Works, der über betrieblichen Umweltschutz informiert.

- In den USA gründete sich 1982 die Silicon Valley Toxic Coalition, um sich gegen die Vergiftung des Grundwassers durch Schadstoffe aus der Elektronikproduktion zu weh-ren. Die SVTC versteht sich als eine Arbeit, Gemeinde und Umwelt Koalition. Der Gegenüberstellung der Unternehmen, Arbeitsplätze versus Umweltschutz, begegnen sie mit einer Allianz mit der Arbeiterbewegung und verweist auf die doppelte Belas-tung der High-Tech-ArbeiterInnen in der Gemeinde und in ihrem Job. Als Antwort auf die Globalisierung der High-Tech-Industrie gründet die SVTC gemeinsam mit anderen Organisationen Ende der 1990er Jahre das internationale Netzwerk, die International Campaign for Responsible Technology ICRT.44

26 Wolschk, hier zitiert nach Frauenhofer Institut: Öko-logischer Vergleich von PC und Thin Client Arbeits-platzgeräten, 2006, S. 21.

27 Greenpeace International: Cutting Edge Contamina-tion, 2007.

28 Foran/ Sonnenfeld: Corporate Social Responsibility in Thailand`s Electronics Industry, S. 74.

29 Ku: Human Lives Valued Less Than Dirt, 2006.30 Chang et al.: Breaking the Silicon Silence, 2006.31 Basel Action Network: Exporting Harm, 2002.32 Williams: Forecasting material and economic flows

in the global production chain for silicon, 2003.33 Brumfiel: Semiconductor industry: Chipping in,

2004.34 LaDou zitiert nach Tenenbaum: Short-Circuiting

Environmental Protections?, 2003.

35 Worth: Achieving sustainability in the semiconduc-tor manufacturing industry, 2006.

36 SNEEJ/ CRT: Sacred Waters: Life-Blood of Mother Earth, 1997.

37 Kloepper: Eine kostbare Ressource mit Konfliktpo-tential: Wasser in Südostasien, 2006.

38 http://www.apple.com/hotnews/ipodreport39 www.apple.com/hotnews/agreenerapple/40 www.greenpeace.org/international/news/tasty-apple-

news-020507/greenpeaceonjobsstatement41 www.ban.org/ban_news/2007/070502_apples_envi-

ronmental_commitments.htm42 www.ecocomputer.org43 Goodstein: The Trade Off Myth: Fact and Fiction

about Jobs and the Environment, 1999.44 www.ewhn-riga.org; www.oeko-works; www.svtc.org

Endnoten

Page 35: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

35

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

Am Ende der Wertschöpfungskette steht die Entsorgung der Computer, die nach einer Nutzungsdauer von durch-schnittlich nur zwei bis drei Jahren außer Betrieb genommen werden. Sie tragen zu einem wachsenden Müllpro-blem bei. Insgesamt ist Elektro- und Elektronikschrott einer der am schnells-ten anwachsenden Teile des weltweiten Abfallaufkommens. Pro EU-BürgerIn

und Jahr fallen zwischen 4 und 20 kg Elektroschrott an.45 Genauere Schätzun-gen werden dadurch erschwert, dass eine Vielzahl von Altgeräten in den Haus-halten nur zwischengelagert ist und erst mit Verzögerung von den kommunalen Wertstoffhöfen registriert wird. Die Entsorgung und Wiederverwertung die-ser großen Mengen bleibt ein unbewäl-tigtes Problem.

5.1. Wiedergewinnung mit Fallstricken

Die Altgeräte sind begehrter Schrott, denn sie enthalten recht große Mengen an Metallen. Diese können nach ihrer Wiedergewinnung als so genannte Se-kundärrohstoffe weiterverwendet wer-den. Röhrenbildschirme enthalten z.B. circa 250 Gramm Kupfer sowie mehrere Gramm Silber und Gold. Mit dem An-stieg der Rohstoffpreise wird die Ent-wicklung preisgünstiger Wiedergewin-nungsverfahren der Rohstoffe in den nächsten Jahren an Bedeutung gewin-nen. Zudem wird die Computerproduk-tion zunehmend auch auf das Recycling seltener Stoffe angewiesen sein. Indium ist zum Beispiel ein Nebenprodukt des Zinkabbaus und wird in Flachbildschir-men verwendet. Aufgrund seiner Selten-heit ist es inzwischen teurer als Silber. Es wird aber bislang nur in wenigen Fab-riken in den USA, Belgien und Japans zurück gewonnen. Die Rückgewinnung der Rohstoffe ist in Anbetracht der öko-logischen Zerstörung und sozialen Aus-wirkungen des Rohstoffabbaus durchaus begrüßenswert. Entscheidend ist aller-dings, unter welchen Bedingungen die Rückgewinnung stattfindet. Während das Recycling in Anlagen in Europa ho-

hen Sicherheitsstandards genügt, bleibt die informelle Rückgewinnung, wie sie in vielen Ländern Afrikas und Asiens stattfindet, mit hohen Gesundheits- und Umweltbelastungen verbunden.

Auch technisch stellt Elektroschrott die Entsorgung vor große Herausforde-rungen: Kurze Produktzyklen und neue Materialkombinationen erschweren die Entwicklung sicherer Verwertungs- und Recyclingverfahren. Diese bleibt hinter der Geschwindigkeit der Innovation im-mer neuer Produkttypen zurück. Eine umfassende Wiederverwertung von Fernsehglas aus klassischen Bildröhren ist z. B. erst seit kurzem möglich, Röh-renbildschirme sind aber bereits vielfach durch LCD- und Plasma-Bildschirme vom Markt verdrängt worden (auch wenn weltweit weiterhin ein großer Markt für Röhrenbildschirme besteht). Für die neuen Bildschirme werden Recyclinglösungen gerade erst entwi-ckelt.46 Geht es um die Wiedergewin-nung wertvoller Rohstoffe, investieren Unternehmen in die Entwicklung neuer Technologien. Für die umweltfreundli-che Entsorgung nicht mehr verwendba-ren Mülls hingegen kann die Weiterent-

Elektroschrott ist der am schnellsten wachsende Teil des weltweiten Abfallaufkommens.

Kurze Produktzyklen und neue Materialkombinationen erschweren die Entwicklung sicherer Verwertungsverfah-ren für die in Elektroschrott enthaltenen Stoffe.

Page 36: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

36

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

wicklung von Entsorgungsverfahren nur durch gesetzliche Vorschriften erreicht werden. Letztlich werden daher nur eine Verlängerung der Nutzungsdauer und nachhaltige Bauweisen (‚Eco-Design‘) eine Elektronikschrott-Krise verhindern können.

Die Diskussion um die Rückgewin-nung der Rohstoffe, so wie sie sich be-reits gegenwärtig entwickelt, hat jedoch zwei Gesichter: Neben dem Hinweis, dass Wiederverwertung sozial und öko-logisch sinnvoll ist, entwickelt sich eine Kritik am (illegalen) Export von Elek-troschrott, die hervorhebt, dass Europa sich den Verlust dieser Rohstoffe nicht leisten könne. Wegen der steigenden

Rohstoffpreise müssten die Unterneh-men weit stärker als bislang auf die Wie-dergewinnung von Sekundärrohstoffen achten. Diese Argumentation befördert zwar eine höhere Sekundärnutzungs-quote. Zugleich aber zeichnet sich die Gefahr eines verschärften „Rohstoffnati-onalismus“ ab, der die ökologischen und sozialen Argumente für Wiederverwer-tung in den Dienst des ökonomischen Interesses günstiger Rohstoffpreise für den europäischen Standort stellt. Diese Logik steht den Entwicklungsinteressen vieler Entwicklungs- und Schwellen-länder entgegen, da es ihren Bedarf an preisgünstigen Rohstoffen nicht einbe-zieht.47

5.2. Die informelle Schrott-Ökonomie

Für die Menschen gefährlich ist die Rückgewinnung von Rohstoffen vor allem in der sich ausbreitenden infor-mellen Schrott-Ökonomie. Diese exis-tiert nicht nur in Entwicklungslän-dern. Auch in Deutschland sammeln Schrotthändler kaputte Computer und Monitore, denn das Ausschlachten von Elektroschrott bietet eine, wenn auch giftige und prekäre, Einkommensquelle. Erst 2006 wurde in Pinneberg eine sol-che informelle „Recycling-Firma“ ent-deckt. Hier zerlegten die Arbeiter ohne Schutzbrillen und Schutzmasken alte PC Monitore mit Akkuschraubern und Hämmern. Das mit Schwermetallen wie Arsen, Kadmium und Quecksilber belastete gebrochene Glas lagerte in der Halle in Pappkartons.48

Ein Großteil des informellen Recyc-ling findet allerdings bislang im globa-len Süden statt und zwar vornehmlich in Afrika oder Asien. 80% des in den USA gesammelten Elektroschrotts wird in Asien in einfachen, gefährlichen und umweltverschmutzenden Verfahren wiederverwertet. Und trotz EU-Regulie-rungen, die den Export von unbrauch-barem Elektro- und Elektronikschrott verbieten, wird davon ausgegangen, dass dies auch mit einem großen Teil des eu-ropäischen Elektroschrotts geschieht. Umschlagplatz für den deutschen und auch europäischen Export des Compu-terschrotts ist der Hamburger Hafen, aus dem v. a. alte Monitore nach Nige-

ria, Pakistan, Indonesien, China oder Indien verschifft werden. In Südostasien findet die Rückgewinnung der Rohstof-fe unter einfachsten Bedingungen statt: Kabel werden verbrannt, um Kupfer zu gewinnen. Metalle aus Hauptplatinen werden über Bunsenbrennern heraus ge-schmolzen, Monitore mit Hämmern zer-trümmert. Die ArbeiterInnen atmen die freigesetzten giftigen Dämpfe ein, tragen den toxischen Staub in ihrer Kleidung in die Wohnhäuser und trinken häufig das durch Schwermetalle vergiftete Grund-wasser. Viele wissen nicht einmal um die Gefährdung, der sie täglich ausgesetzt sind. Oft wird das Risiko aber auch aus Mangel an Alternativen in Kauf genom-men. Im Gegensatz zu Asien landet in Nigeria ein Großteil des Elektroschrotts auf wilden Deponien, die das Grundwas-ser verschmutzen oder wird unter freiem Himmel verbrannt, wodurch toxische Chemikalien wie Dioxine und Schwer-metalle freigesetzt werden. Offiziell sol-len nur brauchbare Geräte als „Second-Hand-Computer“ exportiert werden und dazu beitragen, die „digitale Kluft“ (Di-gital Divide) zu überbrücken. Tatsächlich sind jedoch große Anteile dieser Export unbrauchbar. So schätzt Oboro, Assis-tant General Secretary der Computer and Allied Products Dealers Association of Nigeria (Capdan), dass etwa 75% des importierten Materials, das fast zur Hälf-te aus Europa stammt, bereits bei seiner Ankunft unbrauchbar ist.49

Neben dem ökologischen Inte-resse an der Rückgewinnung, steht zunehmend eine verschärfte Rohstoffkon-kurrenz.

Die informelle Verwertung und der illegale Export stellen die zentralen Probleme im welt-weiten Umgang mit Elektro-schrott dar.

In Afrika und Asien herrscht die informelle Verwertung vor.

Page 37: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

37

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

5.3. Ein wachsender Berg

Elektroschrott ist eine ebenso gefähr-liche wie wertvolle Ware, die global ge-handelt wird. Eines der größten Schlupf-löcher bestehender Abfallregulierung bleibt die Möglichkeit, als „Re-Use“ de-klarierten Elektroschrott zu exportieren. Laut IMPEL-TFS, einer Arbeitsgruppe der europäischen Umweltbehörden, ist die Hälfte aller Abfallexporte illegal.50 Regulierung auf nationaler, europäi-scher und globaler Ebene setzen auf eine Eindämmung des illegalen Handels mit Elektroschrott und in geringerem Maß auch auf Prävention.

5.3.1. International: Das Baseler Übereinkommen

Die wichtigste internationale An-strengung zur Regulierung von Abfal-lexporten ist das Baseler Übereinkom-men über die Kontrolle der grenzüber-

schreitenden Verbringung von gefähr-lichen Abfällen vom 22. März 1989. Das Übereinkommen ging aus einer Kontroverse über illegale Abfallexpor-te in Entwicklungsländer hervor. Es legt fest, welche Abfälle als gefährlich einzustufen sind, und verbietet den Ex-port gefährlicher Abfälle. Damit soll im Interesse eines besseren Gesundheits- und Umweltschutzes der Handel mit gefährlichem Müll reduziert werden. Angesichts des wachsenden Elektro-nikmüllbergs in Asien und Afrika wur-de 1995 u.a. auf Druck afrikanischer Länder ein Zusatz (Basel Ban Amend-ment) beschlossen, der den Export von Elektroschrott von OECD- in Nicht-OECD Länder verbietet. Dieser Zusatz ist noch nicht in Kraft getreten, wird aber von der EU schon berücksichtigt.

Ein grundsätzliches Problem des Ba-seler Übereinkommens ist seine Nicht-

Computerschrott in Lagos, Nigeria Foto: Basel Action Network

anerkennung durch die USA. Obwohl sie nicht beitreten wollen, nehmen sie dennoch an den Vertragsstaatenkon-ferenzen teil und versuchen dort, jede Verschärfung zu unterbinden. Die Vertragsstaaten begegnen dem mit einer „weichen Lösung“. Zusammen mit Handyherstellern riefen sie eine „Mobile Phone Partnership Initiative“

(MPPI) ins Leben. Deren Projektgrup-pen veröffentlichten erste Richtlinien zu Wiederverwertung, Rücknahme, Export und Design.51 Für den Umgang mit Computern bzw. Möglichkeiten zur Wiederverwertung sind ähnliche Partnerschaftsinitiativen geplant. Das NGO-Netzwerk BAN (Basel Action Network) kritisiert den MPPI-Prozess,

Trotz strenger Auflagen ist circa die Hälfte der Elektro-schrottexporte aus der EU illegal.

Multilaterale Prozesse zur Abfallkontrolle wie das Basler Abkommen werden durch die USA aktiv geschwächt.

Page 38: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

38

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

weil er zunächst ohne die Beteiligung von NGOs und VertreterInnen der Ent-wicklungsländer zustande kam. BAN verweist darauf, dass die USA MPPI-Partner drängen, im Falle von Mobilte-lefonen das Basler Übereinkommen zu ignorieren.52 Auf der letzten Vertrags-staatenkonferenz stand auch das The-ma Elektroschrott im Vordergrund. Zudem wurde in der “Nairobi Erklä-rung“ gefordert, dass Hersteller Alt-geräte zurücknehmen müssen und so die Ausfuhr toxischen Elektroschrotts nach Afrika eingedämmt wird. Gegen Widerstand der USA wurden Vertrags-staaten zu engerer Zusammenarbeit auch im Bereich des nachhaltigen Pro-duktdesigns aufgefordert.53

5.3.2. Europäisch: WEEE und RoHS

In der EU wird die Entsorgung und Verwertung von Altgeräten durch die 2003 in Kraft getretene Richtlinie WEEE - Waste Electrical and Electronic Equipment (2002/96/EG) geregelt. Ziel der Richtlinie ist die Verringerung des Elektroschrotts sowie die Förderung ei-ner umweltverträglichen Entsorgung. Dies soll u.a. dadurch erreicht werden, dass die Importeure und Hersteller zur Rücknahme von Altgeräten verpflichtet werden.54 Die WEEE-Richtlinie ist in Deutschland wie auch RoHS durch das Elektro- und Elektronikgesetzt in nati-onales Recht umgesetzt.

Wie auch die WEEE-Richtlinie be-handelt die EU-Richtlinie RoHS (Re-duction of Hazardous Substances), die im Jahr 2003 verabschiedet wurde, das Problem eines ständig wachsenden Abfallbergs von Wegwerfelektronik. Allerdings setzt RoHS auf Prävention und reduziert die gefährlichen Stoffe in den Produkten. Giftstoffe wie Queck-silber, Cadmium, Blei, Chrom VI so-wie bromierte Flammschutzmittel wie PBB und PBDE stellen auch bei ge-trennter Sammlung von Elektro- und Elektronikschrott hohe Risiken für Gesundheit und Umwelt dar. Im Rah-men der Richtlinie werden Maximal-konzentrationen für diese Inhaltsstoffe festgelegt, die in Einzelstoffen nicht überschritten werden dürfen. Japan hat die EU-Vorgaben von Anfang an un-terstützt. In China wird 2007 ein der

RoHS-Richtlinie vergleichbares Gesetz in Kraft treten und in Korea, Kanada und Australien bestehen ähnliche Ge-setzesvorhaben.

Mittelfristig wird RoHS die Toxizität von Elektroschrott senken, macht aber zahlreiche Ausnahmen. So sind medi-zinische Geräte, Überwachungs- und Kontrollinstrumente, die Autoelektro-nik, der militärische Bereich sowie die Herstellung von Ersatzteilen für älte-re Geräte vorerst ausgenommen. Des Weiteren darf Blei in vielen Bereichen bis 2010 verwendet werden. Außerdem fällt Blei neben Bildröhren hauptsäch-lich in Akkus an, deren Produktion je-doch nicht durch RoHS geregelt wird. Ein weiteres Problem ist, dass alterna-tive, z. B. bleifreie, Fertigungsverfahren nicht unbedingt umweltverträglicher sein müssen als die Verfahren, die sie ersetzen.

Ähnlich wie es bei der REACH-Ver-ordnung für außereuropäische Produkte gilt, ist es ein zentrales Manko, dass nur das Endprodukt in den Blick genommen wird. Stoffe, die zwar im Produktions-prozess zum Einsatz kommen, aber nicht Bestandteil des Endproduktes sind, wer-den von der Verordnung grundsätzlich nicht erfasst.

5.3.3. National: Das Elektro- und Elektronikgesetz

Die Umsetzung der beiden Richt-linien WEEE und RoHS erfolgte in Deutschland mit der Verabschiedung des Gesetzes über das Inverkehrbrin-gen, die Rücknahme und die umwelt-freundliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten – kurz ElektroG genannt. Das Gesetz, das 2005 in Kraft trat, verbietet das Überschreiten be-stimmter Mengenangaben für die von RoHS festgelegten toxischen Stoffe. Zudem fordert es die Hersteller auf, be-reits durch eine entsprechende Konzep-tion der Produkte die umweltfreund-liche Demontage und Verwertung der Altgeräte zu vereinfachen. Dies bleibt allerdings ein Appell. Ausführlicher sind dagegen die Entsorgung und das Recycling der Altgeräte geregelt. Neu ist, dass die Importeure und Hersteller nun zur Rücknahme der Geräte ver-pflichtet sind.55

EU-Regulierungen: zahlreiche Verbesserungen sind notwendig.

Page 39: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

39

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

Konkret gestaltet sich dies wie folgt: VerbraucherInnen geben auch weiterhin ihre alten Elektro- und Elektronikgerä-te bei den kommunalen Wertstoffhöfen ab. Dort werden die Geräte nach fünf unterschiedlichen Gerätegruppen sor-tiert und in Containern gesammelt. Die Hersteller sind nun für die Rücknahme verantwortlich. Allerdings nimmt z. B. Fujitsu-Siemens-Computers nicht nur die eigenen Geräte zurück. Statt-dessen ist jedes Unternehmen in der Stiftung Elektro-Altgeräte-Register (EAR) registriert und übernimmt für die anfallenden Altgeräte gemäß seines Marktanteils die Kosten. Folglich ist es auch nicht Fujitsu-Siemens-Compu-ters, sondern ein Logistikunternehmen, das den Container am Wertstoffhof ab-holt und dann die Produkte dem Re-cycling zuführt. Diese Verfahrensweise ist zweifelsohne praktikabel. Allerdings bietet sie keinen Anreiz dafür, dass die Hersteller ihre Produkte nachhaltiger gestalten. Kritisch ist des Weiteren, dass funktionierende Geräte in den Containern und beim Transport zer-stört werden und folglich nur noch der Gewinnung von Sekundärrohstoffen, nicht aber dem Re-Use zugefügt wer-den können. Deshalb ist auch das Ver-schwinden kleiner Sozialbetriebe, die Second-Hand-Computer ausstatten, zu befürchten.56 Wichtig wäre, dass die Geräte bereits bei der Annahme auf den Wertstoffhöfen auf Funktionstüchtig-keit geprüft werden und bereits dann entschieden wird, ob sie recycelt oder wieder verwendet werden sollen.57 Da dies in den meisten Kommunen nicht der Fall ist, unterstützt das neue Gesetz zwar die Gewinnung von Sekundärroh-stoffen, nicht aber die Vermeidung von

Elektro- und Elektronikschrott.Eines der größten Defizite ist jedoch,

dass das neue Gesetz den Export von Elektroschrott in Nicht-OECD-Län-der nicht unterbinden konnte. Die Frage nach der Lücke im System wird zwar vielseitig diskutiert, die Antwort ist jedoch bislang ungeklärt. Gängig ist die Erklärung, dass für den Export von Elektroschrott kleine Schrotthändler verantwortlich sind. Diese kaufen Alt-geräte auf dem Flohmarkt, annoncieren und holen sie privat ab, stehen vor den Wertstoffhöfen oder nehmen einfach mit, was BewohnerInnen auf die Straße stellen. Ohne Zweifel gibt es mittlerwei-le auch in Deutschland einen wachsen-den informellen Müllhandel und Dieb-stähle auf den Wertstoffhöfen nehmen aufgrund der steigenden Rohstoffpreise zu. Ob damit allerdings Exportmengen von z. B. 2000 Monitoren zu erklären sind, ist höchst fragwürdig. Dies würde allerdings bedeuten, dass das ElektroG nicht wirklich funktioniert. Denn dann würden die exportierten Altgeräte ent-weder vom Wertstoffhof, beim Trans-port oder beim Recyclingunternehmen verschwinden. Neben dieser Lücke ist ein weiteres Defizit, dass zunächst ein-mal klar definiert werden müsste, wann ein Produkt eine Ware und wann Ab-fall ist. Die fehlenden Abgrenzungsk-riterien begünstigen den Export von Abfall in Entwicklungsländer. Eine Empfehlung der EU macht zwar hierzu entsprechende Vorschläge, schafft aber noch keine verbindlichen Standards.58 Des Weiteren ist die Forderung des NGO-Netzwerks BAN sinnvoll, dass Altgeräte vor dem Transport getestet und entsprechende Begleitdokumente erstellt werden.59

Die Schlupflöcher stopfen: IMPEL-TFS

1992 schlossen sich europäische Umweltbehörden im IMPEL-Netzwerk zusammen und gründeten eine Arbeitsgruppe zum Thema „Trans-Frontier Shipments“ (IMPEL-TFS). Die Arbeitsgruppe überprüft stichprobenartig europäische Seehäfen und deckt den Export von Elektroschrott auf. IMPEL-TFS will zur besseren Kontrolle eine Datenbank aufbauen sowie die Zusammenarbeit mit Nicht-OECD-Ländern verstärken.60

Die mangelnde Unterschei-dung zwischen Altgeräten und Abfall begünstigt illegale Ex-porte. Gerätetests sind bislang nicht vorgeschrieben.

Page 40: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

40

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

Einen Schritt nach vorn: StEP

Die internationale Partnerschaft „Solving the eWaste-Problem“ (StEP) ist seit 2007 unter dem Dach der UN aktiv. Initiiert durch die United Nations University, das UN-Umwelt-programm (UNEP) und die UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) verfolgt StEP die folgende Ziele: Erhöhung der Lebensdauer von Computern und anderer elektronischer Gebrauchsgegenstände, Verminderung der Umweltverschmutzung bei Entsorgung bzw. Recycling, Verbesserung der Wiederverwertung zunehmend wertvoller Bestandteile des Elektronikschrotts. Mitglieder aus Industrie, Forschung, Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen überprüfen im Auftrag der EU u.a. die mögliche Weiterentwicklung der WEEE-Richtlinie. Sie vergleichen die nationale Umsetzung der Direktive und untersuchen die bestehenden Recycling-Ansätze in den USA.

5.4. Gerechter Müllhandel? Entsorgung und Umweltgerechtigkeit

Vor einigen Jahren geriet der damali-ge Weltbankökonom Larry Summers in die Kritik, als er in angeblich ironischer Absicht argumentierte, dass der Transfer toxischer Abfälle in ‚statistisch unterver-

schmutzte‘ Regionen letztlich aus der Lo-gik des Welthandels folgt und demzufolge nicht zu beanstanden sei.61 Der Zynismus dieser Aussage besteht darin, die rein wirt-schaftlichen Effizienzinteressen europäi-

scher und US-amerikanischer Unterneh-men über die sozial-ökologischen Folgen des Schrottexports zu stellen.

Dies bedeutet aber auf der anderen Seite nicht, dass Regierungen und Nut-zerInnen in Entwicklungsländern kein

Der weltweite Weg des Schrotts Grafik: Le Monde diplomatique

Interesse an wieder verwendbarer Alte-lektronik hätten. Große Unterschiede in der technologischen Ausstattung bedeu-ten, dass Altgeräte noch einer verlänger-ten Nutzungsdauer entgegensehen oder wichtige Ersatzteile für Gerätegeneratio-

Bei der Frage nach ‚fairem‘ Handel mit Altgeräten und Elektroschrott geht es neben dem Zugang zu Sekundärroh-stoffen v. a. um die Verteilung von Gesundheits- und Um-weltrisiken.

Page 41: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

41

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

„Das ist ja wohl Schrott!“Der Hamburger Hafen als Umschlagplatz von Elektronikschrott

Im Hamburger Hafen kommen nicht nur Waren aus aller Welt an, sondern der Hafen ist auch Umschlagplatz für Altgeräte und Müll aus ganz Europa. Im Februar 2007 begleitete das PC Global Filmteam die Hamburger Wasserschutzpolizei bei einer Inspektion von Containern. Dabei zeigte sich, dass das in Europa geltende Verbot Elektronikschrott in Nicht-OECD-Länder zu verschiffen, unterwandert wird. Einige Wochen nach dem Interview erhielt das PC Global Filmteam die Information, dass die Ladung mit kaputten Monitoren nach Indonesien verschifft wurde. Das Interview führte die Filmemacherin Alexandra Weltz.

Interview mit Herrn Haß von der Hamburger Wasserschutzpolizei: Wir haben hier neun Container angehalten. Diese enthalten ungefähr 2000 ge-brauchte Monitore aus der BRD, die nach Indonesien verschifft werden sollen. Sie sind als Gebrauchtware deklariert, doch aus zurückliegenden Fällen ist bekannt, dass die Exporteure zwar sagen, dass die Geräte im Bestimmungsland wieder aufgearbei-tet und weiterhin als Monitore genutzt werden sollen. Dies ist aber häufig keines-wegs der Fall und das kann man schon hier am Zustand der Geräte erkennen.

AW: Um welche Indizien handelt es sich?Haß: Die Geräte sind in einem sehr schlechten Zustand. Zum Teil sind sie auch sehr alt. Schauen Sie in diesen Container: Sie sehen hier circa 2000 gebrauchte Monitore, ohne Polsterung in großen Plastiksäcken gestapelt. Bei vielen sind bereits die Kabel abgeschnitten. Bei anderen fällt das Gehäuse ab, hier z.B. ist das Gehäuse geplatzt. Das ist ja wohl Schrott! Keines dieser Geräte kann in Asien weiter verwendet werden. Und dabei ist noch nicht einmal einbezogen, dass die Monitorstapel im Container kippen können, sobald etwas Seegang aufkommt. Dieser Container ist zum Beispiel ungewöhnlich wenig beladen, mit viel Spielraum zwischen den Säcken. Wenn sie umkippen, sind sie vollständig zerstört.

AW: Was war in den Unterlagen über den Inhalt des Containers angegeben?Haß: Der Exporteur hat in der Handelsrechnung angegeben, es handele sich um „funktionstüchtig getestete“ Monitore. Hier ist deutlich sichtbar, dass es sich um eine falsche Angabe handelt.

AW: Woher stammen die Geräte?Haß: Das Aussehen der Geräte deutet darauf hin, dass sie nicht – wie oft gesagt wird – vom Flohmarkt oder einer Altgerätesammlung stammen. Dort werden Geräte in so einem schlechten Zustand nicht angeboten. Das deutet schon eher darauf hin, dass

nen liefern können, die in den Industrie-ländern längst aus der Nutzung genom-men wurden. Zentral ist hierbei die Frage nach der Verteilung von Umweltrisiken – der Verteilungsgerechtigkeit. Neben der Verteilung von Gesundheits- und Umweltrisiken geht es beim Handel mit Elektroschrott durchaus auch um den Zugriff auf Rohstoffe. Schwellenlän-der wie China und Indien produzieren inzwischen selbst wachsende Mengen an Elektroschrott. Gleichzeitig besteht bei ihnen Interesse am Ausbau lokaler Strukturen zur Rückgewinnung von Se-kundärrohstoffen. Die Rolle Chinas im

Zusammenhang mit aus Deutschland exportiertem Elektroschrott beunruhigt also nicht nur das Ministerium für Ent-wicklung und Zusammenarbeit, sondern auch das Wirtschaftsministerium sowie Industrieverbände. Diese fürchten die wachsende Konkurrenz aus dem Süden und versuchen, die günstigen Rohstoff-quellen für die eigene Industrie abzusi-chern. Das Ministerium für Wirtschaft (BMWI) und einige Industrieverbände denken bereits laut über eine sicherheits-politische Flankierung des internationa-len Handels mit Primär- und Sekundär-rohstoffen nach.

Page 42: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

42

5. Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Entsorgungsfrage ist ungelöst

die Monitore schon für die Entsorgung vorgesehen waren. Die kommen von einem Großentsorger, einem Recyclingbetrieb etwa. Die waren schon auf dem Wege der Entsorgung in Deutschland und sind dann auf eine unbekannte Weise in die Hände eines Exporteurs gekommen. Es wäre interessant zu wissen, woher diese Mengen an Altgeräten stammen.

AW: Was geschieht mit diesen Geräten, wenn sie in Indonesien ankommen?Haß: In einem zurückliegenden Verfahren wurde uns berichtet, dass die Geräte zer-legt worden sind. Die Gehäuse wurden zu Granulat geschreddert. Die Platinen, so-weit sie brauchbar waren, wurden nach China exportiert. Einige Bildröhren waren noch brauchbar und wurden aufpoliert. Doch viele waren nicht mehr in funktions-tüchtigem Zustand. Obwohl diese mit Schwermetallen belastet sind, wurden sie vor Ort auf dem Firmengelände der Verwertungsgesellschaft vergraben. Das eigentliche Interesse besteht an den Edelmetallen in den Geräten: Bei diesen Containern handelt es sich um ungefähr fünf Tonnen Schrott. Das bedeutet 250 Kilo Kupfer, ein Pfund Silber und 800 Gramm Gold.

AW: Welche Probleme entstehen durch den Export?Haß: Die Geräte enthalten jede Menge Schwermetalle, wie Kadmium und Blei. Ge-rade die Beschichtung der Bildröhren ist in hohem Maße toxisch. Nicht umsonst sind diese Geräte als gefährliche Abfälle eingestuft und ihr Export in Nicht-OECD-Länder ist verboten. Viele dieser Stoffe werden freigesetzt, wenn die Edelmetalle in Heim-arbeit zurück gewonnen werden. Und genau das geschieht z.B. in Indonesien: Ein Hinterhof, zahlreiche Personen, die die Metalle in offenen Säurebädern aus dem Gehäuse lösen, Teile des Plastiks werden geschreddert, andere im offenen Feuer ver-brannt. Die gesundheits- und Umweltbelastungen sind enorm hoch. Dennoch wird das immer wieder gemacht, da der Export von Elektroschrott für die Unternehmen billiger ist, als die Entsorgung vor Ort. Sogar, wenn die Geräte so platzraubend ge-stapelt sind, wie diese hier.

AW: Wie gehen Sie nun weiter vor?Haß: Wir werden die Unterlagen, die Zollpapiere und unsere Photos zusammen mit einem Bericht an die Behörde weiterleiten und die muss entscheiden, ob es sich um Abfall handelt oder nicht. In einem Fall wie diesem sollte die Behörde für Stadtent-wicklung und Umwelt der Stadt Hamburg sich die Container auch selbst ansehen. Stellt diese fest, dass es sich um Abfall handelt, so ist der Export illegal. Dann muss der Inhalt der Container auf Kosten des Exporteurs rückgeführt und ordnungsgemäß entsorgt werden. Die Entsorgung muss dann nachgewiesen werden. Sollte die Be-hörde bezweifeln, dass es sich um Schrott handelt, steht dem Export nichts im Weg. Es bleibt aber noch der Weg zur Staatsanwaltschaft.

45 Widmer et al.: Global perspectives on e-waste, 2005.46 www.activedisassembly.com/projects/eu/public.htm47 WI: Rohstoffmanagement und nachhaltige Ent-

wicklung, 2007.48 Polizei schließt illegalen Recycling-Betrieb, in:

Hamburger Abendblatt 2.2.2006.49 BAN: The Digital Dump: Exporting Re-Use and

Abuse to Africa, 2005. 50 Isarin: IMPEL-TFS Project Reports that Half of All

Waste Shipments Are Illegal, 2006.51 www.basel.int/industry/mppi.html52 www.basel.int/meetings/cop/cop8/docs/i03a1e.

pdf>, <http://ban.org/Library/BNNR1.pdf53 <http://ban.org/cop8/COP8BANReport.pdf>,

<http://ban.org/cop8/CRP24.pdf

54 www.bmu.de/abfa l lwir t schaf t /downloads/doc/5582.php>, <http://www.stiftung-ear.de

55 www.bmu.de/abfa l lwir t schaf t /downloads/doc/5582.php

56 Bulling-Schröter et al.: Defizite der Elektroaltgeräte-Entsorgung, 2006.

57 DUH: Ein halbes Jahr Elektro-Gesetz – Umsetzung in Landeshaupt- und Großstädten, 2006.

58 EU-Commission: Correspondents‘ Guidelines No 11, Subject: Shipments of Waste Electrical and Elec-tronic Equipment (WEEE), 2006.

59 BAN: Preventing the Digital Dump: Ending ‘Re-Use’ Abuse, 2006.

60 www.bipro.de/waste-events/ship/data.htm61 http://ban.org/whistle/summers.html

Endnoten

Page 43: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

43

6. Ausblick und Forderungen

6. Ausblick und Forderungen

Computer sind im 21. Jahrhundert zu alltäglich verwendeten Gegenständen geworden. Ihre Herstellung und Entsor-gung bleibt jedoch hochproblematisch. Soziale und ökologische Lasten sind in der globalen Wertschöpfungskette höchst ungleich verteilt. Dies wurde in der vorliegenden Broschüre für die Stu-fen der Rohstoffgewinnung, der Produk-tion und der Verschrottung beispielhaft dargestellt.

Dagegen wurde nicht berücksichtigt, wie die Ware zum Kunden gelangt: Ne-ben dem Direktvertrieb durch die Her-steller spielt der Einzelhandel hier eine zentrale Rolle. In Deutschland verfügt dieser aufgrund des starken Konzentra-tionsprozesses über eine große Einkaufs-macht. Media Markt z. B. hat eigene Produktdesigner, die bei den Marken-herstellern ein neues Modell in Auftrag geben. Nicht zuletzt sind aber auch bei

Ökologisch- und sozial faire Computer für alle! Foto: Asia Monitor Ressource Center, Hongkong

Media Markt die Arbeitsbedingungen nicht gerade rosig. So ist der Elektro-Discounter, der Teil der Metro AG ist, deutschlandweit für sein aggressives Vorgehen gegen die Gründung von Be-triebsräten bekannt.

Auch die Nutzung von Computern wurde hier nur kurz angeschnitten. Computer sind Stromfresser. Gesund-

heitliche Probleme wie Haltungsschä-den, Sehnenscheidentzündungen und Sehstörungen können an Computerar-beitsplätzen insbesondere bei extensiven Überstunden auftreten. Computer, die uns global vernetzten und zum Syno-nym der immateriellen Welt geworden sind, sind tatsächlich materialintensiv, giftig in der Produktion, werden zum

Gegenwärtig sind soziale und ökologische Kosten in der globalen Wertschöpfungskette höchst ungleich verteilt.

Page 44: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

44

6. Ausblick und Forderungen

Abschließend sollen nun einige zentrale Forderungen zusammengefasst werden, die sich auf Regulierungen, das Verhalten von Unternehmen als auch auf zivilgesellschaftliche Strategien beziehen. Um den gesamten Lebenszyklus von Computern sozial-ökologisch fair zu gestalten, fordern wir:

- Zertifizierung von Rohstoffen: Zertifikate für Rohstoffe sind ein sinnvolles Instrument, das sich allerdings nicht nur auf den Handel beziehen darf, sondern auch die Bedin-gungen in der Produktion mit berücksichtigen muss. Wichtig ist hier des Weiteren ein unabhängiges Monitoring.

- Zulassung freier Gewerkschaften: ArbeiterInnen in der Produktion müssen, wie in den ILO-Kernarbeitsnormen festgehalten ist, über ein uneingeschränktes Recht auf Assoziationsfreiheit und Kollektivverhandlungen verfügen. Dies ist eine zuverlässigere Auskunft als jede Form eines externen Monitorings.

- Verbot giftiger Stoffe: Irgendwann wird jeder Computer zu Schrott. Schrott-Exporte können zwar eingeschränkt werden, informelles Recycling wird jedoch in Anbetracht einer weltweiten Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältsnisse bei gleichzei-tig steigenden Rohstoffpreisen nicht verschwinden. Deshalb müssen giftige Stoffe in Computern so weit wie möglich verboten werden. Wenn nicht-toxische Stoffe in der Herstellung verwendet werden, sinken damit auch die mit einer Entsorgung verbun-denen Gesundheits- und Umweltbelastungen. Dabei müssen alle Stoffe berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob sie im Endprodukt oder im Produktionsprozess zum Einsatz kommen. Zentraler Mechanismus sind hier entsprechende Weiterentwicklun-gen von RoHS und REACH.

- Recht auf Wissen über die Verwendung toxischer Stoffe: ArbeiterInnen, die beim Ab-bau von Rohstoffen, in der Produktion und in der Verschrottung mit toxischen Stoffen in Berührung kommen, müssen uneingeschränkt über die Verwendung und potenzi-ellen Auswirkungen dieser Stoffe informiert werden. Dies ist grundlegende Vorausset-zung eines effizienten Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz.

- Rechenschaftspflicht von Unternehmen: Unternehmen müssen eine Rechenschafts-pflicht über die ökologischen und sozialen Bedingungen entlang der gesamten Wert-schöpfungskette haben. Dies bezieht neben den Produktionsbedingungen auch die Verwendung von Rohstoffen und die Verschrottung der Produkte mit ein.

Teil unter Sweatshop-ähnlichen Bedin-gungen produziert und verursachen ei-nen stetig wachsenden Müllberg. Nichts desto trotz sind Computer eine groß-artige technologische Errungenschaft. Folglich geht es nicht darum, Computer abzuschaffen, sondern die globale Wert-schöpfungskette eines Computers sozial und ökologisch zu gestalten.

Aus Perspektive der KonsumentInnen gibt es allerdings ein zentrales Defizit: Es mangelt an Alternativen. Ein sozial und ökologisch zertifizierter Computer ist nicht in Sicht.62 Der Dachverband der europäischen Konsumentenorganisatio-nen (International Research Consumer and Testing, IRCT) veröffentlichte zwar auf der Grundlage von Studien der nie-derländischen NGO SOMO eine ver-gleichende Tabelle von Computermar-ken wie HP, Apple, Sony u. a. Die Gren-zen dieses Ansatzes werden aber schnell deutlich: Selbstverpflichtungen und

soziale Unternehmensverantwortung im Sinne von Transparenz, Multistake-holder-Dialogen und Verhaltenskodizes werden überbewertet. So erhält z. B. HP als allgemeine Beurteilung ein zufrieden stellend bis gut, obwohl die Ergebnisse von Studien vor Ort als ein ungenü-gend in die Bewertung eingehen.63 Ein solches Unternehmensranking birgt die Gefahr, Unternehmen vorschnell ein „sauberes“ Image zu bescheinigen, wäh-rend gleichzeitig fundamentale Verlet-zungen von Arbeitsrechten in der Pro-duktion an der Tagesordnung bleiben. Der brancheneigene Electronic Industry Code of Conduct, der arbeitsrechtliche Mindeststandards zum Teil unterhalb der internationalen Kernarbeitsnormen festlegt, hat bislang zu keinen wesent-lichen Verbesserungen geführt. Derzeit ist fragwürdig, inwiefern dieser Prozess überhaupt positive Veränderungen be-wirken wird.

Glaubwürdige Ansätze zur so-zial-ökologischen Zertifizierung sind derzeit nicht in Sicht.

Selbstverpflichtungen und Bran-chenkodizes reichen nicht aus.

Page 45: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

45

6. Ausblick und Forderungen

- Soziale und ökologische Verantwortung öffentlicher Beschaffer: Nicht nur Unter-nehmen sind für die Verletzung ökologischer und sozialer Rechte in den Wertschöp-fungsketten zur Rechenschaft zu ziehen. Auch dem öffentlichen Beschaffungswesen kommt hier eine Verantwortung zu. Schwierig ist dies insofern, weil bislang kein fair gehandelter Computer existiert. Nichts desto trotz sollten öffentliche Einrichtungen ihre Einkaufsmacht nutzen und in Ausschreibungen für Computer soziale und ökolo-gische Kriterien einbeziehen.

- Informationspflicht zu Inhaltsstoffen und Produktionsbedingungen: Markenherstel-ler und Einzelhandelsunternehmen müssen einer Informationspflicht gegenüber Ver-braucherInnen erfüllen, damit diese sich informieren können, welche Stoffe und Ma-terialien in die Herstellung eines Computers (direkt oder indirekt) einfließen, und unter welchen Bedingungen der Computer hergestellt wurde.

- Prävention geht vor – Lebenszyklen verlängern: Bevor der Müll entsteht, müssen Al-ternativen entwickelt werden. Hierzu zählen die Förderung von ReUse, die Entwick-lung von Computern, die einfach und kostengünstig nachzurüsten sind, und der Zu-gang zu Ersatzteilen auch für ältere Modelle.

- Nutzung Freier Software: Die Verwendung freier Software mit bescheidenen Hard-ware-Anforderungen kann vielfach die Nutzung proprietärer Software mit hohen Hardware-Anforderungen ersetzen. Dadurch kann die Nutzungsdauer von Compu-tern verlängert werden. Die meiste freie Software folgt zudem dem Gebot der Ab-wärtskompatibilität - neue Anwendungen können alte Dateien öffnen und auch in alten offenen Formaten abspeichern. Dagegen verfolgt proprietäre Software oft auch bewusst eine Politik der proprietären Formate, die die Bearbeitung von Daten nicht nur auf eine bestimmte Anwendung, sondern auch auf eine bestimmte Version dieser Anwendung festlegen.

- Die Frage nach ökologischen Auswirkungen darf sich nicht auf die Kritik an exter-nalisierten Kosten beschränken: Es geht nicht nur darum, dass Unternehmen öko-logische und soziale Kosten auslagern und diese von der gesamten Gesellschaft ge-tragen werden müssen. Es geht vor allem auch darum, dass diese Kosten weltweit und innerhalb von Gesellschaften sozial ungleich verteilt sind. Die Verletzung von Ar-beitsrechten, die massive Verschmutzung an Produktions- und Entsorgungsstandorten sowie die unwiederbringliche Ausbeutung endlicher Rohstoffvorkommen lassen sich nicht über Preisanpassungen allein verändern. Das Auseinanderdividieren sozialer und ökologischer Rechte ist hier kontraproduktiv. Umweltrechte dürfen kein Einsatz beim Standortpocker sein.

- Klare Unterscheidung von Altware und Schrott: Eine Unterbindung der Exporte von Elektroschrott bedarf einer klaren Abgrenzung, nach welchen Kriterien ein Computer als Altware oder als Schrott einzustufen ist. Die Empfehlung der EU bietet hierfür eine erste Grundlage, muss allerdings verbindlich in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Dies schließt eine Überprüfung und Zertifizierung der Second-Hand-Computer ein.

62 Manhart/ Grießhammer: Soziale Auswirkungen der Produktion von Notebooks, 2006.

63 www.oekumenischekampagne.ch/cms/index.php?id=118

Endnoten

Page 46: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

Bulling-Schröter, Eva et al. (Fraktion DIE LINKE): Defizite der Elektroaltgeräte-Entsorgung, Kleine Anfrage, Nr. 16/3276, 07.11.2006.

Altvater, Elmar/ Mahnkopf, Birgit: Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft. Münster 1999.

BAN: Exporting Harm. The High-Tech-Trashing of Asia, 2002.

BAN: The Digital Dump: Exporting Re-Use and Abuse to Africa, 2005.

BAN: Preventing the Digital Dump: Ending ‚Re-Use‘ Abuse, 2006.

Becker, Egon/ Jahn, Thomas (Hg.): Soziale Ökologie. Grundzüge einer Wissenschaft von den gesellschaftlichen Naturverhältnissen. Frankfurt a.M./New York 2006.

Bleiwas, Douglas/ Kelly, Thomas: Obsolete Computers, ‚Gold Mine,‘ or High-Tech Trash? Resource Recovery from Recycling,“ U.S. Geological Survey Fact Sheet 2001, http://pubs.usgs.gov/fs/fs060-01.

BMU: Initiative für Energie- und Ressourceneffizienz: Schlüssel für einen ökologischen New Deal, 19.12.2006.

Böge, Volker: Friedenskonsolidierung auf Bougainville - eine Erfolgsgeschichte, Friedens Forum 3, 2006, www.friedenskooperative.de/ff/ff06/3-67.htm.

Brand, Ulrich/ Görg, Christoph: Postfordistische Naturverhältnisse. Konflikte um genetische Ressourcen und die Internationalisierung des Staates, Münster 2003.

Brumfiel, Geoff: Semiconductor industry: Chipping in. Nature 431, 2004, S. 622-623.

DUH: Ein halbes Jahr Elektro-Gesetz – Umsetzung in Landeshaupt- und Großstädten (>500.000 EW), 21.12.06, www.green-electronics.info.

EU-Commission: Correspondents‘ Guidelines No 11, Subject: Shipments of Waste Electrical and Electronic Equipment (WEEE), 2006.

Foran, Tiran/ Sonnenfeld, David A.: Corporate Social Responsibility in Thailand`s Electronics Industry, in: Smith, Ted; Sonnenfeld, David A.; Pellow, David Naguib: Challenging the Chip, Philadelphia 2006, S. 70-82.

Frauenhofer Institut: Ökologischer Vergleich von PC und Thin Client Arbeitsplatzgeräten, Studie, Dezember 2006.

Greenpeace International: Cutting Edge Contamination, 2007, www.greenpeace.org/inter-national/news/electronics-production-toxic080207.

Goodstein, Eban S.: The Trade Off Myth: Fact and Fiction about Jobs and the Environment. Washington, D.C., 1999.

Grossmann, Elizabeth: High Tech Trash. Digital Devices, Hidden Toxics and Human Health, Washington 2006.

Isarin, Nancy: IMPEL-TFS Project Reports that Half of All Waste Shipments Are Illegal“. INECE Newsletter 13, Dez. 2006, www.inece.org/newsletter/13/regional_europe.html#2.

Johnson, Dominic/ Tegera, Aloys: Digging deeper: How the DR Congo‘s mining policy is failing the country“. Pole Institute 2005, www.pole-institute.org/documents/regards15.doc.

Kloepper, Yvonne: Eine kostbare Ressource mit Konfliktpotential: Wasser in Südostasien. südostasien 1/2006 Energie und Rohstoffe in Südostasien, S. 11-17.

Ku, Yu-Ling: Human Lives Valued Less Than Dirt: Former RCA Workers Contaminated by Pollution Fighting Worldwide for Justice (Taiwan), in Smith, Ted et al. 2006, S.181-90.

Kuehr, Rüdiger/ Williams, Eric (Hg.): Computers and the Environment: Understanding and Managing their Impact. Dorddrecht 2003.

Lucas, Rainer, et al. : Das Rohstoffsystem Kupfer - Status Quo, Perspektiven und Hand-lungsbedarf aus Sicht einer nachhaltigen Ressourcenpolitik“. Wuppertal Institut 2007, www.ressourcenproduktivitaet.de.

Manhart, Andreas/ Grießhammer, Rainer: Soziale Auswirkungen der Produktion von No-tebooks: Beitrag zur Entwicklung einer Produktnachhaltigkeitsanalyse (PROSA). Freiburg, Ökoinstitut 2006.

Literatur

Page 47: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

47

Martinez-Alier, Joan: Mining conflicts, environmental justice, and valuation, Journal of Hazardous Materials 86, 1-3, 2001, S. 153-170.

Mining Watch Canada: Ascendant Copper Agrees to Curtail Activities in Ecuador, 2007, www.miningwatch.ca/index.php?/ascendant/ascendant_signs.

Mychalejko, Cyril: Ascendant Copper Corporation Meets Resistance in Ecuador, Upside Down World 2006, http://upsidedownworld.org.

Schütz, Helmut/ Moll, Stephan/ Bringezu, Stefan: Globalisierung und die Verlagerung von Umweltbelastungen: Die Stoffströme des Handels der Europäischen Union, 2003, www.wupperinst.org/globalisierung/pdf_global/umweltbelastungen.pdf.

SNEEJ/ CRT: Sacred Waters: Life-Blood of Mother Earth – Four Case Studies of High-Tech Water Resource Exploitation and Corporate Welfare in the Southwest, 1997.

Tegera, Aloys/ Mikolo, Sofia/ Johnson, Dominic: The Coltan Phenomenon: How a rare Mineral has Changed the Life of the Population of war-torn North Kivu in the East of the Democratic Republic of Congo. Pole Institute 2002, www.pole-institute.org/documents/coltanglais02.pdf.

Tenenbaum, David J.: Short-Circuiting Environmental Protections. Environmental Health Perspectives 111.5, Mai 2003, www.ehponline.org/members/2003/111-5/focus.html.

Chang, Shenglin/ Chiu, Hua-Mei/ Tu, Wen-Ling: Breaking the Silicon Silence: Voicing Health and Environmental Impacts within Taiwan`s Hsinchu Science Park, in: Smith, Ted et al. 2006, S. 170-180.

UNCTAD: Tackling the link between natural resources and conflict: Lessons from the Kim-berly Process. Expert Meeting on FDI in Natural Resources, 2006, www.unctad.org/sec-tions/wcmu/docs/com2em20p0010_en.pdf.

WI: Rohstoffmanagement für nachhaltige Entwicklung: Elemente einer umweltschonenden friedens- und entwicklungsfördernden Rohstoffpolitik, Fachworkshop 10.-11.05.2007, www.wupperinst.org/uploads/tx_wibeitrag/rohstoffm_progr.pdf.

WI/ CSCP: Dematerialisierung und Ressourceneffizienz in Japan: Voranalyse von ausge-wählten Ansätzen und Instrumenten, 2007, www.ressourcenproduktivitaet.de.

Widmer, Rolf, et al.: Global perspectives on e-waste. Environmental Impact Assessment Review 25.5, Juli 2005, S. 436-458.

Williams, Eric D.: Forecasting material and economic flows in the global production chain for Silicon. Technological Forecasting and Social Change 70.4, 2003, S. 341-357.

World Gold Council: Industrial Applications – Electronic Applications, 2007, www.gold.org/discover/sci_indu/indust_app/electronic_apps.html.

Worth, Walter F.: Achieving sustainability in the semiconductor manufacturing industry“. Micro Magazine 6.3, März 2006, www.micromagazine.com/archive/06/03/worth.html.

Page 48: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

48Asia Monitor Resource Center (AMRC) <http://www.amrc.org.hk>

Die 1976 gegründete NGO AMRC macht sich für Arbeitsrechte, Gleichberechtigung und aktive Beteiligung der Beschäftigten in der Bildung demokratischer, unabhängiger Ge-werkschaften in Asien stark. U. a. forscht sie zu den Arbeitsbedingungen in der Elektronik-industrie und befasst sich mit Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Basel Action Network (BAN) <http://www.ban.org>BAN engagiert sich für die Eindämmung des globalen Handels mit toxischen Abfällen. Der Name des Netzwerks bezieht sich auf die Basler Konvention von 1994. BAN überwacht deren Umsetzung und dokumentiert Verletzungen. Zu den aktuellen Kampagnen gehö-ren das E-Waste Stewardship Project (der Elektroschrott-Export gerade aus den USA soll durch Unternehmensverantwortung und grünes Design ersetzt werden), die Zero Mercury Campaign (Unterstützung eines internationalen Quecksilberverbots) und die Basel Ban Ratification (Umsetzung des Baseler Übereinkommens durch die USA).

Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) <http://www.somo.nl>Good Electronics Network <http://www.goodelectronics.org>

SOMO ist eine niederländische Forschungseinrichtung, die sich seit 1973 mit den Unter-nehmenspraktiken multinationaler Konzerne vor allem in Entwicklungsländern befasst. Seit einigen Jahren forscht SOMO zur Elektronikindustrie und erstellte zahlreiche Studien zu dem Thema. Das internationale Netzwerk GoodElectronics ist bei SOMO angesiedelt.

Computer Take Back Campaign (CTBC) <http://www.computertakeback.com>Im Sinne des Prinzips der erweiterten Unternehmensverantwortung, durch das Unterneh-men für den gesamten Lebenszyklus der von ihnen hergestellten Produkte verantwortlich gemacht werden, soll die Nachhaltigkeit der Herstellung und Nutzung von PCs erreicht werden. Die drei zentralen Forderungen der Kampagne sind: Rücknahme durch die Unter-nehmen, eine saubere Produktion und Wiederverwertung.

Greenpeace International - Guide to Greener Electronics <http://www.greenpeace.org/international/press/reports/guide-to-greener-electronics>

GP International veröffentlicht seit 2005 regelmäßige Ranglisten von Computerherstellern, die auf einer Bewertung der Angaben zu ihren jeweiligen Produktionspraktiken beru-hen. GP bewertet nur Selbstverpflichtungen, die über gesetzliche Mindestanforderun-gen hinausgehen, und stellt aufgrund eigener Analysen zur Ersetzbarkeit von toxischen Inhaltsstoffen bestimmte Mindestforderungen auf, anhand derer die Angaben der Firmen bewertet werden. Durch gelegentliche Stichproben werden Informationen etwa zur Ver-wendung toxischer Inhaltsstoffe überprüft und die Unternehmen ggf. herabgestuft.

ReUse <http://www.reuse-computer.de>Der ReUse-Computer Verein fördert die Wieder- und Weiterverwendung gebrauch-ter, aber qualitativ hochwertiger EDV und IT-Hardware und will damit einen Beitrag zu Umweltschutz, Ressourcenschonung und nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung leisten. Der Verein geht auf ein Forschungsprojekt der Technischen Universität Berlin zurück.

Students and Scholars against Corporate Misbehaviour (SACOM) <http://www.sacom.hk>

SACOM ist eine Hongkonger NGO, die sich v. a. gegen Arbeitsrechtsverletzungen durch Unternehmen auf dem chinesischen Festland engagiert. SACOM führt eigene Studien durch und startet Kampagnen, u.a. auch zu den Arbeitsbedingungen bei Zulieferern der Computerhersteller.

Silicon Valley Toxics Coalition (SVTC) <http://www.etoxics.org>Die 1982 in den USA gegründete SVTC organisiert High-Tech-ArbeiterInnen, Gewerk-schafterInnen, UmweltschützerInnen und AnwohnerInnen. Sie ist heute einer der zentra-len Akteure in lokalen und globalen Kampagnen zum Thema Umweltgerechtigkeit in der Elektronikindustrie. SVTC veröffentlicht eigene Studien und organisiert Kampagnen. SVTC ist Mitgründer der internationalen Kampagne International Campaign for Responsible Technology.

Auswahl weiterer Organisationen

Page 49: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

NEUERSCHEINUNGEN:

Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklungweed wurde 1990 gegründet und ist eine unabhängige Nichtregierungsorganisation. Wir sind mit dem Ziel angetreten, in der Bundesrepublik Deutschland mehr Bewusstsein für die Ursachen der weltweiten Armuts- und Umweltprobleme zu schaffen. weed engagiert sich in nationalen und internationalen Netzwerken und führt Organisationen und Initiativen in Nord und Süd zusammen.

Themenschwerpunkte:• Internationale Verschuldung, Entschuldungs - ini tiativen und die Rolle Deutschlands• IWF und Weltbank: Politik, Projekte und Programme• Reform und Demokratisierung der internatio nalen Finanzmärkte• Internationale Handelspolitik und WTO• Nord-Süd-Politik der Europäischen Union• Internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik

Die Instrumente unserer Arbeit:• Wir erstellen Recherchen, Hintergrundmateri- alien und Arbeitspapiere, z.B. den periodisch

erscheinenden » weed-Schuldenreport «.• weed führt Kampagnen durch, informiert poli tische Entscheidungsträger und interve- niert in politische Entscheidungsprozesse.• Wir wollen Bewusstsein schaffen durch die Veranstaltung von Seminaren, Workshops und Tagungen. Wir kooperieren intensiv mit Medien und betreiben Öffentlichkeitsarbeit.• weed arbeitet in nationalen und internatio- nalen NRO-Netzwerken mit.

Schreiben Sie uns oder rufen Sie einfach an:weedTorstr. 154, D-10115 BerlinTel.: +49 - (0)30 - 27 58 - 21 63Fax: +49 - (0)30 - 27 59 - 69 28

weedBertha-von-Suttner Platz 13, D-53111 BonnTel.: +49 - (0)228 - 766 13 - 0Fax: +49 - (0)228 - 766 13 - [email protected]

weed bewegt – bewegen Sie weed!

Unterstützen Sie die Arbeit von weed und spenden Sie:Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 100 205 00)Konto-Nr. 3220600oder online spenden unterwww.weed-online.org/about/spenden/index.html

Werden Sie Mitglied:Einfach das Formular zum Beitritt unterwww.weed-online.org/about/join.html ausfüllen.

Bestellungen: weed, Torstr. 154, 10115 Berlin, Tel.: +49 - (0)30 - 27 58 - 21 63, Fax: +49 - (0)30 - 27 59 - 69 28 oder www.weed-online.org/publikationen/bestellung, Email: [email protected]

Sie riefen Dienstleistungen und es kamen Migranten

Die Regelung der Arbeitsmigration im Rahmen des GATS

Autorin: Sarah Bormann

Schutzgebühr EUR 5,00 (Mitglieder EUR 4,00), zzgl. Versand

Aus dem Inhalt: • Arbeitsmigration als Gegenstand globaler Handelspolitik

• Dienstleistungsbeschäftigte im globalen Wettbewerb

• Unternehmenslobby für die Liberalisierung der ‚GATS-Migration’

• Ökonomische Entwicklung durch ‚GATS-Migration’? Entwicklungsländer zwischen Brain Drain und Brain Gain

• Arbeitnehmerperspektive in Nord und Süd

• Gegenkräfte und politische Forderungen

Bonn, 2005

Der Vorschlag eines `Model Interna-tional Agreement on Investment for Sustainable Development´ des IISD.

Autor: Nikolai Fichter

44 S., Schutzgebühr EUR 3,00 (Mitglieder EUR 2,00), zzgl. Versand

Aus dem Inhalt: • Das internationale Investitonsregime und zukunftsfähige

Entwicklung

• Der Status Quo und seine Schwächen

• Der Vorschlag des International Institute for Sustainable Development

• Die Zukunft des Investitionsregimes

Berlin, November 2006

Investitionspolitik für zukunftsfähige Entwicklungzukunftsfähige Entwicklung

Page 50: UNSICHTBARE KOSTEN · SVTC Silicon Valley Toxic Coalition PC Personal Computer UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNO Vereinte Nationen ... USA, die in Folge des meist strategischen

ISBN: 978-3-937383-50-7