Unternehmen Berufsrecht II Die rechtfertigen Sanktionen · Christian Wolf: Ja, aber doch ... Vis...

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46 JUVE Rechtsmarkt 07/15 JUVE: Sie kritisieren an dem Referenten- entwurf, dass er den Widerspruch zwischen dem Anwalt als unabhängigem Organ der Rechts- pflege und dem Anstellungsverhältnis nicht löst. Ist diese Unabhängigkeit aber nicht ohnehin längst Fiktion? Sie selbst verwenden warnend den Begriff „Mietmaul“ ... Christian Wolf: Ja, aber doch gerade als Beschrei- bung dessen, was ein Anwalt nie sein darf. Glaub- würdigkeit und Überzeugungskraft gewinnt ein Anwalt nur, wenn er mehr zu sagen hat als: „Aber das ist doch im Interesse meines Mandanten“. Im Übrigen feiern wir dieser Tage 800 Jahre Magna Charta und damit die Geburt des neuzeitlichen Rechtsstaats. Es sind die Rechtsanwälte, die tagtäg- lich als Organ der Rechtspflege den Zugang zum Recht sichern. Das ist nicht Fiktion, sondern Reali- tät. Ohne unabhängige Rechtsanwaltschaft wäre ein Rechtsstaat nicht denkbar, deshalb sind Rechts- anwälte wie Richter unabhängige Organe der Rechtspflege! Unterscheidet sich die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts von der Unabhängigkeit des Datenschutz- oder des Compliancebeauftragten im Gefüge eines Unternehmens? Ja. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass sowohl beim Datenschutz als auch bei Compliance Geschäftsleitungen in die Pflicht genommen wer- Die Schutzgüter rechtfertigen San ktionen Zur Person Prof. Dr. Christian Wolf (56), ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Prozess- und Anwaltsrecht sowie Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivil- prozessrecht an der Hannoveraner Leibniz Universi- tät. 2009/10 gehörte er darüber hinaus der Ethik- kommission der BRAK an. Er ist Mitherausgeber des Kommentars ‚Anwaltliches Berufsrecht‘. FOTO: WWW.ALEXANDERKLIETZ.DE Unternehmen Berufsrecht II Während sich die Verbände weitgehend darauf beschränken, sich mit dem vor- liegenden Gesetzesentwurf zur Änderung der BRAO zu befassen, denkt Berufs- rechtler Prof. Dr. Christian Wolf weiter. Er verlangt einen stärkeren Schutz für die künftigen Syndikusanwälte.

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46 JUVE Rechtsmarkt 07/15

JUVE: Sie kritisieren an dem Referenten­entwurf, dass er den Widerspruch zwischen dem Anwalt als unabhängigem Organ der Rechts­pflege und dem Anstellungsverhältnis nicht löst. Ist diese Unabhängigkeit aber nicht ohnehin längst Fiktion? Sie selbst verwenden warnend den Begriff „Mietmaul“ ...Christian Wolf: Ja, aber doch gerade als Beschrei­bung dessen, was ein Anwalt nie sein darf. Glaub­würdigkeit und Überzeugungskraft gewinnt ein Anwalt nur, wenn er mehr zu sagen hat als: „Aber das ist doch im Interesse meines Mandanten“. Im Übrigen feiern wir dieser Tage 800 Jahre Magna Charta und damit die Geburt des neuzeitlichen Rechtsstaats. Es sind die Rechtsanwälte, die tagtäg­lich als Organ der Rechtspflege den Zugang zum Recht sichern. Das ist nicht Fiktion, sondern Reali­tät. Ohne unabhängige Rechtsanwaltschaft wäre ein Rechtsstaat nicht denkbar, deshalb sind Rechts­anwälte wie Richter unabhängige Organe der Rechtspflege!

Unterscheidet sich die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts von der Unabhängigkeit des Datenschutz­ oder des Compliancebeauftragten im Gefüge eines Unternehmens?Ja. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass sowohl beim Datenschutz als auch bei Compliance Geschäftsleitungen in die Pflicht genommen wer­

Die Schutzgüter rechtfertigen

Sanktionen

Zur PersonProf. Dr. Christian Wolf (56), ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Prozess- und Anwaltsrecht sowie In haber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivil-prozessrecht an der Hannoveraner Leibniz Universi-tät. 2009/10 gehörte er darüber hinaus der Ethik-kommission der BRAK an. Er ist Mitherausgeber des Kommentars ‚Anwaltliches Berufsrecht‘.

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Unternehmen Berufsrecht II

Während sich die Verbände weitgehend darauf beschränken, sich mit dem vor­liegenden Gesetzesentwurf zur Änderung der BRAO zu befassen, denkt Berufs­rechtler Prof. Dr. Christian Wolf weiter. Er verlangt einen stärkeren Schutz für die künftigen Syndikusanwälte.

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den. Normadressat ist die Geschäftsleitung, sie hat dafür zu sorgen, dass der Datenschutzbeauftragte unabhängig tätig werden kann.

… aber wird das nicht durch den Status des Rechtsanwalts impliziert?Nein, denn Adressat des anwaltlichen Berufsrechts ist nur der Syndikusrechtsanwalt, nicht das Unter­nehmen. Dies bringt den Syndikusrechtsanwalt in die Zwickmühle. Einerseits muss er das Berufsrecht beachten, hat aber anderseits im Unternehmen nicht die Stellung und die Macht, die Voraussetzun­gen hierfür zu schaffen. Eine Verletzung des anwalt­lichen Berufsrechts durch den Syndikusrechts­anwalt ist aber für die Unternehmensleitung nach dem Referentenentwurf sanktionslos.

Sie schlagen Kriterien vor, die die Unabhängig­keit per se beschädigen, darunter eine „falsche“ Berichtslinie und eine allzu variable Vergütung. Halten Sie es für realistisch, solche Eingriffe in die Unternehmensautonomie durchzusetzen?Die Vorschläge sind notabene der Institutsvergü­tungs­Verordnung und der MARisk entnommen, also in der Unternehmenspraxis bereits eingespielt. Außerdem besteht die Unternehmensautonomie nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Wenn der Gesetzgeber diese Vorschläge übernimmt, wer­den sie in den Unternehmen umgesetzt. Im Übrigen sollte man die Bedeutung dieses Themas für die Unternehmen nicht überbewerten.

Inwiefern überbewerten?Nach wie vor wird es möglich sein, als Jurist seinen Arbeitgeber rechtlich zu beraten, ohne sich als Syn­dikusrechtsanwalt zuzulassen; Paragraf 3 und 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG werden ja nicht geändert. Wenn ich z.B. Rupert Stadler, CEO von Audi wäre, hätte ich ohnehin ganz erhebliche Schwierigkeiten zu verstehen, warum meine exzellenten Ingenieure, die diese hervorragenden Autos konstruieren, mit denen Audi sein Geld verdient, wie alle anderen Ar­beitnehmer auch in die gesetzliche Rentenversiche­rung einzahlen müssen und nur eine ganz kleine Gruppe von Mitarbeitern, die Juristen, ein Privileg hat. Schließlich lautet das Motto von Audi Vorsprung durch Technik, nicht Vorsprung durch Recht.

Sie verpflichten den Syndikus, organisatorisch dafür zu sorgen, dass er seine berufsrechtlichen Pflichten als Anwalt erfüllen kann. Spiegelbild­lich muss der Arbeitgeber gewährleisten, dass er das kann. Wie stellen Sie sich eine Kontrolle in den Unternehmen vor?In allen Unternehmen, die nach Paragraf 316 HGB einen Wirtschaftsprüferbericht vorzulegen haben,

werden schwerwiegende und systematische Ver­stöße in den Prüfbericht nach Paragraf 321 Abs. 1 S. 3 HGB wohl aufzunehmen sein. Darüber hinaus werden solche Verstöße, wie bislang auch, häufig genug dadurch bekannt, dass Personen, die von der Berufsrechtsverletzung betroffen sind, diese zur Anzeige bringen.

An was für Situationen denken Sie dabei? Stellen Sie sich vor, ein Syndikusrechtsanwalt berät in einer Sache sowohl die Muttergesellschaft als auch eine Entwicklungs­GmbH, an der die Mutter mit 51 Prozent und die Entwicklungsingenieure mit 49 Prozent beteiligt sind. Wenn das Ganze zulasten der Entwicklungs­GmbH schief geht, ist es nahelie­gend für die Minderheitsgesellschafter, den Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zur Anzeige zu bringen.

Unternehmern, die die organisatorischen Voraussetzungen für ihre Syndizi nicht schaf­fen, droht ein Bußgeld. Wegen Organisations­verschulden wird belangt, wer eine berufsrecht­liche Pflichtverletzung des Syndikus zulässt. Wer einen Syndikus zum Pflichtverstoß ver­leitet, soll sich sogar strafbar machen. Schießt das nicht über das Ziel hinaus? Ich empfehle zunächst nur die Lektüre von Saliger/v. Saucken, Wirtschaftsstrafrecht. Auf 1.178 Seiten werden dort die wichtigsten Paragrafen des Wirt­schaftsstrafrechts inklusive der Ordnungswidrigkei­ten abgedruckt. Dort findet sich eine Vielzahl buß­geldbewährter, rein formaler Ordnungsvorschriften. Hier aber geht es um den Schutz eines für den Rechtsstaat schlicht konstitutiven und überaus sen­siblen Rechtsguts, nämlich das Vertrauen der Bevöl­kerung in die Rechtsanwaltschaft und die Funkti­onsfähigkeit des Rechtsstaats. Schutzgüter, die allemal die Sanktionen rechtfertigen.

Aber im Berufsrecht ist eine solche Regelung schon systemfremd...Ein wichtiger Teil meines Vorschlags wäre schon heute Gesetzeslage, wenn ein Verstoß gegen die an­waltlichen Berufspflichten eine Ordnungswidrig­keit wäre. Paragraf 130 OWiG greift nur deshalb nicht, weil er als Anknüpfungstat eben eine Ord­nungswidrigkeit oder Straftat fordert und wir bei Pflichtverletzungen des anwaltlichen Berufsrechts mit dem anwaltsgerichtlichen Verfahren einen ganz eigenen Sanktionskatalog haben, der aller­dings keinen geringeren Sanktionsrahmen zur Ver­fügung stellt, denken Sie nur an den Ausschluss aus der Anwaltschaft.

Das Gespräch führte Astrid Jatzkowski.

Sanktionen

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