Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage...

118
Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) 2012 Dank gilt Stephan Friebel (IÖB) für die Aktualisierung der Übersicht zur curricularen Einordnung.

Transcript of Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage...

Page 1: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

Unterrichtseinheit „Globalisierung“

5. Auflage

Michael Koch

Katrin Eggert

(Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)

2012

Dank gilt Stephan Friebel (IÖB) für die Aktualisierung der Übersicht zur curricularen Einordnung.

Page 2: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Lehrerinnen und Lehrer,in Deutschland wird gerne geklagt. Meist zu viel. Über die wirt-schaftliche Lage im Allgemeinen, über die ganz persönliche Lage im Besonderen. Dabei haben gerade wir Deutschen keinen Grund, über schlechte Zeiten zu lamentieren. Eurokrise hin, Staatsverschuldung her. Im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn geht es uns bestens.

Beklagt werden allzu gern auch die Defizite unseres Bildungssys-tems. Die gibt es zweifellos. Aber die nach wie vor hervorragende schulische wie berufliche Bildung in Deutschland ist einer der Grün-

de dafür, dass es uns im internationalen Vergleich selbst in Krisenzeiten gut geht. Warum das so ist und wie es dazu gekommen ist, lässt sich nicht mit einem Satz erklären. Die

solide ökonomische Lage dieses Landes hat auf jeden Fall viel mit der erfolgreichen Globalisie-rung unserer Wirtschaft zu tun. Einen großen Teil unseres Wohlstandes haben wir schlicht der Tatsache zu verdanken, dass Menschen in anderen Ländern unsere Maschinen oder Autos kaufen.

Das ist keineswegs selbstverständlich, wie oftmals angenommen wird. Denn unsere Waren sind häufig teurer als Konkurrenzprodukte aus anderen Regionen dieser Welt. Trotzdem werden sie gekauft. Weil sie technisch besser, haltbarer oder einfach durchdachter sind. Und damit das so bleibt ist es wichtig, dass Deutschland in Bildung und Ausbildung investiert, um den hohen Quali-fikationsstandard zu halten. Der Staat ist nicht in der Lage, alles alleine zu stemmen. Die Wirt-schaft kann, und die Wirtschaft will unterstützend helfen. Zumal das Verständnis ökonomischer Zusammenhänge kein Thema für Experten, sondern Allgemeinbildung sein sollte. So gesehen kommt wirtschaftliche Bildung in unseren Schulen tatsächlich zu kurz.

Nicht Klage zu führen, sondern um Defizite zu beheben hat sich das Handelsblatt schon vor Jah-ren entschieden. Deshalb haben wir im Jahr 2003 die Initiative „Handelsblatt macht Schule“ gestar-tet. Unser Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler praxisnah an Wirtschafts- und Finanzthemen heran-zuführen und die Schwelle zwischen Schule und Wirtschaftswelt zu verringern. Die schwere Finanz-krise 2008 hat aber vor allem gezeigt, dass Ökonomie erklärungsbedürftig ist. Nur wer versteht, woran die Wirtschaft krankt kann auch Lösungen mitdiskutieren. Und Abstimmungen über Parla-mente in einer Demokratie wie der unseren sind auch immer Abstimmungen über ökonomische Richtungsentscheidungen. Demokratie ausüben heißt heute mehr denn je, Ökonomie begreifen.

Traditionelle Schulbücher können das nur in Grundzügen leisten. Aktualität ist in der notwen-digen Debatte über die Vor- und Nachteile der Globalisierung unersetzlich. Deshalb bieten wir Ihnen auch unsere fünfte aktualisierte Auflage des Unterrichtsbandes zum Thema Globalisierung als Hilfe an. Hier finden Sie Materialien zur Verflechtung der Weltwirtschaft, Auslöser und Folgen der weltweiten Vernetzung, zur neuen Rolle Asiens in der globalen Welt und über die Folgen der Finanzkrise für Banken und Realwirtschaft.

Unser Projekt „Handelsblatt macht Schule“ soll Ihnen helfen, den Schülerinnen und Schülern die Wirtschaft als spannendes Thema vorzustellen. Nicht als reinen Pflichtlernstoff. Dafür ist die Wirklichkeit viel zu interessant. Um auch weiterhin dieses Projekt auf Ihre Bedürfnisse abzustim-men, freuen wir uns, wenn Sie uns davon berichten, wie Sie mit den Materialien gearbeitet haben. Schicken Sie uns nicht nur Ihre Erfahrungen, sondern ermuntern Sie Ihre Schüler, uns Aufsätze, Ausarbeitungen und Analysen zu schicken. Wir veröffentlichen die interessantesten Arbeiten gern auf unserer Seite www.handelsblattmachtschule.de.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Herzlichst Ihr

Dieter FockenbrockChefkorrespondent Handelsblatt

Page 3: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

Wirtschaftswissen ist Alltagswissen

Wie funktioniert die Wirtschaft? Was hat Wirtschaft mit mir zu tun? Viele unserer ganz persön lichen Entscheidungen haben, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind, unmittelbaren Bezug zur Wirtschaft. Mit der Berufswahl treffen wir bereits eine Vorentschei-dung, welchen Platz wir künftig im Wirtschafts system einnehmen werden. Unseren Arbeitslohn – bei Kindern und Jugendlichen das Taschengeld – bringen wir durch den Kauf von Waren und Dienst-leistungen wieder in den Wirtschaftskreislauf ein. Das Kernprinzip

der Marktwirtschaft von Angebot und Nach frage wird durch unser Konsumverhalten bestimmt. In den Preisen und der Qualität erworbe ner Produkte spiegelt sich der Wettbe werb, in dem die Unternehmen stehen. In der Diskussion über Renten und Sozialleistun gen er kennen wir das Wechselspiel von Wirtschaftsleistung und staat licher Steuerung. Um eigenverantwort-lich über Vermögensbildung und private Vorsorge entscheiden zu können, beschäftigen wir uns mit Anlageformen, Zinsen und Renditen. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortset-zen: Selbstverständlich braucht jeder Bürger auch wirt schaft liche Kenntnisse, um als Wähler Parteiprogramme beurteilen zu kön nen. Aufgrund dieser Vielzahl ökonomischer Sachverhalte in unserem Alltag ist ökonomische Bildung unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung und als Orientierungswissen unerlässlich.

Das Unterrichtsmaterial, welches das Handelsblatt den Lehrkräften der Gymnasien und berufli-chen Schulen für den Wirtschaftsunterricht anbietet, füllt hier eine Lücke: Es ermöglicht eine systematische und tagesaktuelle Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Geschehen. Die Unterrichtsbände regen die selbstständige Meinungsbildung über unser Wirt schafts system und die handelnden Akteure an. Es ist dabei richtig, dem Thema Glo ba lisierung einen eigenen Unterrichtsband zu widmen, zeigt das doch die Bedeutung der weltweiten Vernetzung für Wirtschaft und Gesellschaft. Denn die Vorstellung, wir könnten uns für oder gegen die Globali-sierung entscheiden, ist irrig. Die Globalisierung ist vielmehr ein laufender Prozess mit weiter-hin mehr Chancen als Risiken.

Dass es dabei auch Rückschläge zu verkraften gilt und große Herausforderungen zu bewältigen sind, zeigt die europäische Finanzkrise. Sie ist ein anschauliches Beispiel, das deutlich macht, wie sehr Wirtschafts- und Finanzwelt weltweit miteinander verflochten sind.

Dem vielfältigen und interessanten Unterrichtsmaterial wünsche ich eine möglichst weite Verbreitung. Den Lehrerinnen und Lehrern wünsche ich bei der Gestaltung ihres Wirtschafts-unterrichts viel Erfolg.

Herzlichst Ihr

Prof. Dr. Hans-Heinrich Driftmann

Page 4: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

4

Ja, ich möchte das Handelsblatt 4 Wochen kostenlos und unverbindlich nutzen. Das Abonnement endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Bestellcoupon bitte in Druckbuchstaben ausfüllen und faxen an: 0211.887 3605. Oder per Post senden an: Handelsblatt GmbH, Postfach 9244, 97072 Würzburg.

Vorname, Name der Lehrerin/des Lehrers

Straße, Hausnummer (privat)

PLZ, Ort

Telefon* (privat) E-Mail-Adresse* (privat)

Datum Unterschrift

* Mit der Angabe meiner E-Mail-Adresse und Telefonnummer erkläre ich mich damit einverstanden, dass mich die Handelsblatt-Gruppe über interessante Produkte per E-Mail/telefonisch informiert. Sie können der Verarbeitung oder Nutzung Ihrer Daten für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung bei der Handelsblatt GmbH, Postfach 92 44, 97092 Würzburg, Telefon: 0 180 5.99 00 10 (0,14 €/Min. a. d. dt. Festnetz, Mobilfunkhöchstpreis 0,42 €/Min.), E-Mail: [email protected], widersprechen.

Ja, ich möchte das Handelsblatt als Klassensatz für mich und meine Schüler bestellen.

Bitte liefern Sie mir

(max. 35)

Exemplare ab

Datum

täglich

montags dienstags mittwochs donnerstags freitags

für einen Zeitraum von Wochen (maximal 4 Wochen)Vorname, Name der unterrichtenden Lehrerin / des unterrichtenden Lehrers

Unterrichtsfach

Schulart

Klassenstufe

Ort, Datum und Unterschrift der Lehrerin / des Lehrers

Name der Schule

Straße, Hausnummer

PLZ, Ort

Schulstempel

PA-H

BH

MS

KT2

PA-H

BH

MS

KP

2

Bestellcoupon

Page 5: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

5

Gliederung

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Zum Aufbau der Unterrichtseinheit „Globalisierung“: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

II. Curriculare Einordnung in den Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

III. Lehrerhandreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1. Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.1 Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.2 Erkenntnisleitende Interessen und Gründe für die Auswahl der Thematik . . . . . 18

1.3 Fachwissenschaftliche Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2. Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.1 Verortung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.2 Struktur der Unterrichtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.3 Informationen zu den Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Komplex 1 „Grundlagen“ (M 1 – M 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Komplex 2 „Chancen und Risiken der Globalisierung“ (M 11 – M 22). . . . . . . 30

Komplex 3 „Gestaltung der Globalisierung – Internationale Wirtschaftspolitik und Kooperationen“ (M 23 – M 36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Komplex 4 „Praxiskontakt Global Player“ (M 37 – M 40) . . . . . . . . . . . . . 38

3. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

IV. Verknüpfung mit wigy-Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

V. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

M 1 Globalisierung wohin man sieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

M 2 Der Sektor „Ausland“ und Gründe für Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . 49

M 3 Was ist Globalisierung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

M 4 Leitbilder der internationalen Wirtschaftspolitik: Freihandel vs. Protektionismus . 58

M 5 Was kann gegen Freihandel sprechen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

M 6 Abbau von Handelsbarrieren kommt nicht voran . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

M 7 Der weltweite Handel mit Gütern und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . 63

M 8 Verbindung von inländischer und ausländischer Wirtschaft . . . . . . . . . . . . 65

M 9 Gründe und Formen der Internationalisierung von Unternehmen. . . . . . . . . 66

M 10 Ursachen der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

M 11 Ein Sachverhalt, mehrere Sichtweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

M 12 Institutioneller Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

M 13 Hyundai startet in Europa einen neuen Angriff auf Volkswagen . . . . . . . . . . 73

M 14 Umzug nach Fernost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Page 6: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

6

M 15 Globaler Kampf um kluge Köpfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

M 16 Globalisierung gewinnt an Tempo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

M 17 Der Siegeszug der Megastädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

M 18 Next Eleven: Die zweite Reihe der Schwellenländer . . . . . . . . . . . . . . . . 82

M 19 Hungersnöte in Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

M 20 Wie kann Afrika gerettet werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

M 21 Globalisierung macht verwundbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

M 22 Pro und Contra Globalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

M 23 Weltwirtschaftsordnung: Bereiche und bedeutende Institutionen . . . . . . . . . 93

M 24 Welthandelsorganisation (WTO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

M 25 WTO in Aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

M 26 Ein Papagei namens Doha schwimmt tot im Genfer See . . . . . . . . . . . . . . 98

M 27 Pascal Lamy: „Die Welthandelsrunde ist nicht tot“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

M 28 Globales Handlungsfeld 1: Rahmenbedingungen für globale Finanzmärkte . . . 100

M 29 Bundesministerium der Finanzen: Finanzmarktregulierung – Wie geht’s voran? . 102

M 30 Schonfrist für Finanzkonzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

M 31 Der unaufhaltsame Aufstieg der Hedge-Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

M 32 EU: Widerstand gegen Börsensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

M 33 Globales Handlungsfeld 2: Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

M 34 Lauwarmer Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

M 35 Klimaexperte Ottmar Edenhofer: „Dieses Chaos ist ineffizient“ . . . . . . . . . 113

M 36 Polen lässt den Klimafahrplan der EU scheitern . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

M 37 Expertenbefragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

M 38 Pro- und Kontradiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Page 7: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

7

Einleitung

I. Einleitung

An der Globalisierung scheiden sich die Geister. Es gibt wenige Wirtschaftsthemen, die in der Öffentlichkeit so emotional diskutiert werden wie das Zusammenrücken der Weltwirtschaft. Und insbesondere in Zeiten von Finanzkrise und Klimawandel wird öffentlich und politisch heftig über die Wirkungen der Globalisierung in unserer Gesellschaft gestritten. Jeder hat eine Meinung dazu, es gibt „Befürworter“ und „Gegner“.

Das notwendige Grundlagenwissen über internationale Wirtschaftsbeziehungen, die komple-xen Zusammenhänge und Prozesse ist häufig jedoch mager. Die verbreitete Unwissenheit über globale Wirtschaftsprozesse trägt dazu bei, dass Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung brei-ten Raum greifen können und auf gedankliche Kurzschlüsse zurückgegriffen wird. Die Allge-meinbildende Schule hat hier einen wichtigen Beitrag zur Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler zu leisten. Sie soll dazu beitragen, dass Globalisierungsprozesse angemessen verstan-den und deren Chancen und Risiken vorurteilsfrei beurteilt werden können. Die zunehmende Internationalisierung der Weltwirtschaft hat ein verändertes Wirtschaften der Unternehmen sowie der privaten Haushalte zur Folge, sie verändert berufliche Qualifikationsprofile und führt zu modifizierten Denk- und Wahrnehmungsmustern. Betrachtet man die große Unkennt-nis über entsprechende Zusammenhänge bei Kindern und Jugendlichen und die damit einher-gehenden Vorurteile und Ängste in Bezug auf die Folgen der Globalisierung, ist dieses Thema zwingend Gegenstand des Wirtschaftsunterrichts, und zwar im Rahmen der Beschäftigung mit einem zentralen „Akteur“ in einer offenen Volkswirtschaft: dem Ausland. Dabei geht es selbst-verständlich nicht darum, vorgefertigte Meinungsbilder zu vermitteln. Vielmehr ist die fachli-che Grundlage zu schaffen, auf der überhaupt erst angemessen Meinungen gebildet werden können.

Page 8: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

8

Einleitung

Zum Aufbau der Unterrichtseinheit „Globalisierung“:

1. Im Rahmen dieser Unterrichtseinheit kann keine vollständige Konzeption für die unter-richtliche Behandlung des Themenbereiches „Globalisierung“ entwickelt werden. Aufgrund unterschiedlicher fachlicher Qualifikationen in der Lehrerschaft, der Verteilung von Inhal-ten der ökonomischen Bildung auf verschiedene Fächer sowie zumeist geringer Zeitdeputa-te ist es unrealistisch, dass Lehrkräfte die Unterrichtseinheit in toto durchführen werden. Es ist nur möglich, ausgewählte Aspekte aufzuzeigen und zu konkretisieren, die Hilfen für die schulische Vermittlung genereller Kompetenzen im Themenbereich „Globalisierung“ beinhalten.

2. Teil III, die Lehrerhandreichung, liefert Kompetenzformulierungen und Inhalte der Unter-richtseinheit, erkenntnisleitende Interessen und Gründe für die Auswahl der Thematik, den fachwissenschaftlichen Hintergrund sowie unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten. Die Schülermaterialien im Anhang werden kommentiert und sind mit Aufgabenvorschlägen ver-sehen. Die Autoren sind bei der Konstruktion der Unterrichtseinheit und der Zusammen-stellung des Materialienpools davon ausgegangen, dass in einem gewissen Rahmen auf Kenntnisse bzgl. ökonomischer Grundsachverhalte und Strukturen zurückgegriffen werden kann.

Die Unterrichtseinheit gliedert sich in vier Komplexe (auch: Unterrichtssequenzen):

■■ Komplex 1 „Grundlagen“

■■ Komplex 2 „Chancen und Risiken der Globalisierung“

■■ Komplex 3 „Gestaltung der Globalisierung – Internationale Wirtschaftspolitik und Kooperationen“

■■ Komplex 4 „Praxiskontakt Global Player“

Die Einheit enthält einen umfangreichen Materialienteil, der sich aus Grundlagenmaterialien sowie Artikeln und Grafiken des Handelsblatts zusammensetzt. Es ist nochmals darauf hinzu-weisen, dass das Materialienangebot nur eine Auswahl darstellt, aus der die Lehrkraft wählen kann.

Page 9: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

9

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

II. Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Ökonomische Bildung tritt in vielfältiger und häufig fragmentierter Weise in gymnasialen Lehr-plänen auf. Die folgende Übersicht zur Verortung des Themas „Globalisierung“ in den Lehrplä-nen des Ökonomieunterrichts oder affiner Fächer in den Bundesländern stellt dies dar. Eine kurze Erläuterung vorweg:

■■ Spalte 1: Da die Bundesländer für Inhaltsbereiche der ökonomi-schen Bildung unterschiedliche Ankerfächer haben oder integrati-ve Ansätze verfolgen, sind in der Tabelle die Fächer aufgeführt, in denen der Themenbereich „Globalisierung“ angesiedelt ist.

■■ Spalte 2: Es folgt die Angabe der Jahrgangsstufen. Hier ist so vor-gegangen worden, dass die genaue Zuordnung im Lehrplan über-nommen wurde. Die Bezeichnungen unterscheiden sich dahinge-hend, dass zum einen der Lehrplan in den genauen Ablauf der Kursstufe, also z. B. 12.2 oder 13.1 unterteilt wurde, zum anderen aber teilweise nur grobe Angaben wie „Oberstufe“ gemacht wur-den. Wo eine Unterteilung in Leistungskurs oder Grundkurs bzw. in grundlegendes und erhöhtes Anforderungsniveau klar zu erkennen war, ist dies in der Aufstellung berücksichtigt worden.

■■ Spalte 3: liefert mit der Nennung der Thematik bzw. des Inhalts-felds eine grobe Einordnung und Spalte 4 differenziert weiter.

Ein Zeitrichtwert für die unterrichtliche Realisierung des behandelten Themenkomplexes ist in dieser Analyse nicht berücksichtigt, da ein Hinweis auf ein Stundendeputat in den Lehrplänen selten gegeben wird.

Page 10: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

10

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Land Fach/ Fachverbund Jahrgang Thematik/Inhaltsfeld o. ä. Aspekte/Themen/Inhalte o. ä.

Bade

n-W

ürtt

embe

rg

Fächerverbund Geographie – Wirtschaft – Gemeinschafts-kunde

10 Globale Herausforderungen und Zukunftssicherung

Wirtschaftsordnung ■■ Wirtschaftskreislaufmodell, Wirtschaftsordnung und soziale Markt-wirtschaft

Wirtschaftspolitik■■ soziale Marktwirtschaft, wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, nationale und europäische Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Probleme unter Einbeziehung internationaler Verflechtungen

Berufs- und Arbeitswelt■■ Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital, Wandel in Berufs- und Arbeitswelt und wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge der eigenen Berufswahl

Gemeinschafts-kunde

Kursstufe (2stündig)

Weltwirtschaft und inter nationale Politik

Globalisierung der Weltwirtschaft W Internationale ArbeitsteilungW Wettbewerb internationaler VolkswirtschaftenPolitische Gestaltung der globalisierten WirtschaftW Europäische Wirtschafts- und WährungsunionW Internationale Organisationen

Kursstufe (4stündig)

Globalisierung und Strukturwandel

Globalisierung: Erscheinungsformen und DimensionenW Internationale ArbeitsteilungFaktoren der GlobalisierungGestaltungsmöglichkeiten nationaler und internationaler PolitikW Die Rolle der Nationalstaaten

Wirtschaft Kursstufe Weltwirtschaftliche Entwicklungsprozesse und ihre theoretischen Begründungen

Entwicklung des WelthandelsRahmenbedingungen und Ursachen für den weltwirtschaftlichen Strukturwandel (wirtschaftliche Globalisierung)W Aussagekraft theoretischer Erklärungsansätze für den internationalen Handel

Die Bundesrepublik Deutschland im europä ischen und internationalen Handel

Die Stellung der BRD im internationalen HandelW ZahlungsbilanzWechselkurse und WährungssystemeEuropäische Union im Spannungsfeld von Regionalisierung und Globalisierung

Weltwirtschaftliche Ordnung im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Regionalisierung

Welthandelsordnung und WeltwährungsordnungW Bedeutung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure für die weltwirtschaftliche OrdnungChancen und Risiken der GlobalisierungAnsätze zur Lösung globaler Probleme und ihre Beurteilung

Baye

rn

Wirtschaft und Recht

13 GK Maßnahmen der Wirtschaftspolitik

■■ Außenwirtschaftspolitik: Wechselkurssysteme■■ handelspolitische Ansatzpunkte: Zollpolitik, nicht-tarifäre Handels-hemmnisse, Kontingente

13 LK Außenwirtschaftspolitik ■■ Bedeutung der internationalen Wirtschaftsverflechtung für die Bundesrepublik Deutschland

■■ System fester und flexibler Wechselkurse■■ währungspolitisches und außenhandelspolitisches Instrumentarium

Berli

n

Sozialkunde 9/10 Internationale Politik Globalisierung, sowie deren politische und soziale Auswirkungen■■ internationale Institution, deren Aufgaben und Wirkungsbereiche■■ politische Umgangsregeln unter Staaten zur Friedenssicherung ■■ Weltwirtschaftsbeziehungen → Verknüpfung mit dem Themenfeld Wirtschaft und Arbeitsleben: Wirtschaftszusammenhang der Marktwirtschaft, rationales und effektives Handeln

Sozial-wissenschaft

Oberstufe(Qualifi-kations-phase)

Wirtschaftswelt: Ökonomie der Welt und Globalisierung

Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung■■ neue Informationstechnologien und Finanzmärkte■■ Fusionen und transnationale Unternehmen■■ Globalisierung als Vernetzung der postmodernen Welt

Staatenwelt: Völkerrecht und internationale Politik und Institutionen

Politische Dominanzstrukturen: Rolle der US, G7/G8, G77Weltwirtschaftsinstitutionen und -organisationen, IWF, Weltbank, WTO, OECD, UNCTAD

* W kennzeichnet die Wahleinheiten, die der Vertiefung und somit dem schüler- und handlungsorientierten Unterricht dienen

Page 11: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

11

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Land Fach/ Fachverbund Jahrgang Thematik/Inhaltsfeld o. ä. Aspekte/Themen/Inhalte o. ä.

Berli

n

Wirtschafts-wissenschaft

Kursstufe 11 bis 13

Gesellschaftsökonomi-sche Problemfelder in der Europäischen Union

Dimensionen der Globalisierung (Chancen und Risiken des Globalisie-rungsprozesses, z.B.: Auswirkungen auf die Wirtschaftssubjekte in der EU)

Politikwissen-schaft

Kursstufe 11 bis 13

Globales Wirtschaften contra nationale Politik

■■ Neoliberalismus und soziale Marktwirtschaft im Spannungsfeld internationaler Wirtschaftsentwicklungen

■■ Unternehmensverlagerungen■■ Deutschland als Wirtschaftsstandort

Bran

denb

urg

Politische Bildung Qualifika-tionsphase

Globalisierung ■■ Internationaler Handel■■ Institutionen und Akteure der Weltwirtschaft■■ Weltwirtschaftliche Herausforderungen und Konflikte

Internationale Politik Herausforderungen internationaler Politik, Akteure, internationales Recht

Wirtschafts-wissenschaft

Qualifika-tionsphase 13

Wahlpflichtthemen:1. EG und Europäisches Währungssystem (EWS)2. Ausgewählte Probleme der Weltwirtschaft

■■ Zu 2: ■■ Internationaler Währungsfonds und Unterorganisationen ■■ Wirtschaftstriade, Umstrukturierung im osteuropäischen Raum ■■ wirtschaftliche Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungs-ländern (Theorie der internationalen Arbeitsteilung; Realität des Welthandels (terms of trade))

■■ Merkmale und Probleme der Entwicklungsländer

Brem

en

Politik 13 Internationale Politik ■■ Macht und Ohnmacht in der internationalen Politik – politische, wirtschaftliche und kulturelle Asymmetrien

■■ Menschenrechte, soziale Sicherheit, nachhaltige Entwicklung – Nichtmilitärische Wege zu weltweiter Sicherheit

Wirtschaftslehre 13 Außenwirtschaftstheorie, Außenwirtschaftspo-litik, Währungspolitik, europäische Wirtschafts-beziehungen

■■ Theorie der absoluten und komparativen Kostenunterschiede zur Begründung von Außenhandelsbeziehungen

■■ Handelshemmnisse und ihre Wirkungen ■■ Theorie der Freihandelszonen und der Zollunion, Auf- und Abwertungen und ihre Konsequenzen für den Außenhandel

■■ Devisenverkehrsbeschränkungen und Konvertibilität der Währungen ■■ Geschichte der europäischen Integration, gemeinsame europäische Währung

Ham

burg

Gemeinschafts-kunde

12/13.1 GK Vertiefungsbereich 3: Globalisierung und Wirt-schaftsstandort Hamburg

■■ Wirtschaftliche Globalisierung■■ Verflechtung der Weltwirtschaft

12/13.4 GK/LK

Internationale Politik ■■ Grundfragen des guten Verhältnisses der Völker bzw. Staaten zueinan-der

■■ Regelung internationaler Beziehungen■■ Daten und Institutionen internationaler Politik

12/13.1 LK Vertiefungsbereich 3: Wirtschafts- und Finanzpo-litik unter Bedingungen der Globalisierung

■■ Verflechtung der Weltwirtschaft■■ staatliche Wirtschaftspolitik und Standortpolitik■■ Beeinflussung von Märkten und Globalisierungstendenzen

Wirtschaft Oberstufe Internationale Wirtschafts-beziehungen und Europa

■■ Merkmale der internationalen Wirtschaftsbeziehungen■■ Ambivalenzen des Globalisierungsprozesses■■ Europa im internationalen Wettbewerb■■ Stellung Deutschlands im internationalen Handel

Hes

sen

Politik und Wirtschaft

11.112.112.2

Wirtschaft und Wirtschafts-politikInternationale BeziehungenGlobalisierung Chancen, Probleme, Entwicklungschancen

Internationale Wirtschaftsbeziehungen (LK verbindlich, für GK fakultativ)■■ Die deutsche Außenpolitik nach der Wiedervereinigung: Neue Aufgaben, Erwartungen, Probleme

■■ Aktuelle internationale Konfliktregionen und die Möglichkeiten kollektiver Friedenssicherung

■■ Nationalismus und Fundamentalismus: Ursachen, Gefahren für den Frieden und die Menschenrechte

■■ Entwicklungs- und Schwellenländer und ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu den hochindustrialisierten Weltzentren

Fakultative Unterrichtsinhalte: Industrieländer – Entwicklungsländer■■ Weltwirtschaft und Globalisierung■■ Soziale Sicherungssysteme, Migration und deren Ursachen■■ Weltumweltpolitik (LK verbindlich, GK fakultativ)

Fakultative Unterrichtsinhalte:■■ Politik im Zeitalter der Globalisierung (LK verbindlich, GK fakultativ)■■ Kultur und Wissen

Page 12: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

12

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Land Fach/ Fachverbund Jahrgang Thematik/Inhaltsfeld o. ä. Aspekte/Themen/Inhalte o. ä.

Hes

sen

Wirtschaftswis-senschaften

Internationale Wirtschafts-beziehungenund die Wirtschaft der BRDInt. Wirtschaftsbeziehungen

■■ Wirtschaftliche Integration Europas – Welthandel und Weltwährungs-system, Globalisierung

■■ Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Zusammenhang

Chancen und Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Integration Europas

Mec

klen

burg

-Vor

pom

mer

n

Wirtschaft Qualifika-tionsphase

Ökonomische Herausforde-rungen und Problemfelder / Technik und Technologien

■■ Wirtschaftliche Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Vollen-dung der Europäischen Union

■■ Dimensionen der Globalisierung; Chancen und Risiken des Globalisie-rungsprozesses

Geschichte und Politische Bildung

Qualifika-tionsphase

Der Nord-Süd-Gegensatz, Probleme der Entwicklungs-länder und Schwerpunkte entwicklungspolitischer Zusammenarbeit

■■ Soziale, wirtschaftliche und finanzielle Krisenpotenziale in den Entwicklungsländern sowie Modelle und Ansätze zu ihrer „Entschärfung“ im Rahmen globaler Kooperation

■■ Ländergruppen und ihre Einstufungscharakteristika durch die UNO, Weltbank und WTO

■■ Formen und Risikopotenziale der Entwicklungshilfe

AWT 10 Internationale Wirtschafts-beziehungen

■■ Wirtschaftskreislauf■■ Ex- und Import in Deutschland■■ nationaler und internationaler Handel■■ Ursachen und Erscheinungsformen der Globalisierung■■ wirtschaftliche Integrationsstufen

Nie

ders

achs

en

Wirtschaftslehre Oberstufe WirtschaftspolitikGeld und Währung

■■ Welthandelsverflechtungen■■ Konzeptionen der Entwicklungspolitik■■ internationale Zahlungsabkommen

Politik-Wirtschaft als Ergän-zungsfach11.1

Die Bundesrepublik in der globalisierten Wirtschaft

■■ Chancen und Risiken der Globalisierung aus der Sicht unterschiedli-cher Akteure (Konsumenten, Arbeitnehmer, Unternehmer, Staat)

■■ Indikatoren und Ursachen der Globalisierung■■ Außenwirtschaftliche Leitbilder (Freihandel versus Protektionismus)■■ Die Auseinandersetzung um eine Welthandelsordnung am Beispiel der WTO

als Prü-fungsfach12.112.2

Internationale Sicherheits- und FriedenspolitikInternationale Wirtschafts-beziehungen

■■ Globale Ressourcen und Ressourcensicherung (insbesondere Konflikte und Abkommen am Beispiel von Energiearten und Emissionen)

■■ Möglichkeiten internationaler Institutionen und Organisationen (UNO, NATO, EU) zur Friedenssicherung und Konfliktbewältigung

■■ Verrechtlichung der internationalen Beziehungen (insbesondere Inter-nationaler Strafgerichtshof)

Weltwirtschaft zwischen Liberalisierung und Protektionismus:■■ Gründe für internationalen Handel und Entwicklungstendenzen des Welthandels

■■ Der Unternehmensstandort Deutschland im Rahmen der Globalisierung ■■ Devisenmarkt und Wechselkursbildung■■ Außenwirtschaftliche Leitbilder und Instrumente der Außenwirtschafts-politik

■■ Ansätze und Institutionen einer Weltwirtschaftsordnung

Nor

drhe

in-W

estf

alen

Sozialwissen-schaften

Oberstufe Globale politische Strukturen und Prozesse

■■ Erscheinungsformen und Ursachen■■ Muster politischer Antworten auf globale Prozesse■■ Ziele und Aufgaben internationaler Politik ■■ Rückwirkungen auf politische Entscheidungen im nationalen Rahmen

Erdkunde 11.1/2GK

Weltweite Verflechtungen in ihrer Bedeutung für regionale Prozesse

■■ Globale Verflechtung als Auslöser für Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft und in einem Herkunftsland der importierten Agrar-produkte

■■ Auswirkung von Standortverlagerungen eines Global Players auf Wert-vorstellungen anderer Kulturen

■■ Die Bedeutung des tertiären Sektors für die Wirtschaftskraft und die Arbeitsmarktsituation einer Region

■■ Bedingungsfaktoren von Wirtschaftsstandorten

12.1GK/LK

Räume unterschiedlichen Entwicklungsstandes im Globalisierungsprozess von Wirtschaft und Gesellschaft

■■ Industrie als Chance und Problem für Beschäftigung und Entwicklung■■ Einseitige Wirtschaftsstruktur als Ursache für die Abhängigkeit von Industrieländern

Geschichte 11 Wirtschaftsformen ■■ Wirtschaftsformen und ihre Auswirkungen

Page 13: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

13

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Land Fach/ Fachverbund Jahrgang Thematik/Inhaltsfeld o. ä. Aspekte/Themen/Inhalte o. ä.

Rhei

nlan

d-Pf

alz

Gemeinschafts-kunde

■■ Schwerpunkt Sozialkunde

■■ Schwerpunkt Erdkunde

13Internationale PolitikWeltwirtschaftliche Ver-flechtungen, Globalisierung

■■ Internationale Beziehungen im Umbruch ■■ Handlungsfeld Europa ■■ Globale Verflechtung und Verantwortung ■■ Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt■■ Auslandsverschuldung, Terms of Trade■■ Produktions- und Konsumtionsräume■■ Verlagerung von Standorten■■ Diskussion einer neuen Weltwirtschaftsordnung

Saar

land

Wirtschaftslehre Zwei- und vierstündi-ger G-Kurs

Europäische Integration Europäische Integration der Wirtschafts- und Währungspolitik

Erdkunde 11 GK Globale Verflechtungen und Abhängigkeiten in der einen Welt

■■ Klassifikationsmodelle und Staatengruppen■■ Strukturmerkmale von Entwicklungsländern■■ Entwicklungstheorien und Entwicklungsstrategien■■ Die Rolle der Agrarwirtschaft für den Entwicklungsprozess in der „Drit-ten Welt“

11 LK12 LK

Wirtschaftsräumliche Strukturen und Probleme in IndustrieländernGlobale Verflechtungen und Abhängigkeiten in der einen Welt

■■ Deutschland im Welthandel: Importabhängigkeit, Exportabhängigkeit, Standortnachteil

■■ Standortfaktoren im internationalen Wettbewerb: Infrastruktur, Lohn-kosten, Produktionskosten, Arbeitszeiten, Auslandsfertigung

■■ Strukturen der Weltwirtschaft■■ Stellung der Entwicklungsländer im Welthandel■■ Globalisierung in der Einen Welt

Politik 12 LK Grundlagen der Wirtschafts-politik der Bundesrepublik Deutschland

Die Bedeutung der Globalisierung für die Wirtschaftspolitik der Bundesre-publik Deutschland:Die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Handel, Chancen und Risiken der Globalisierung, z.B. Arbeitsplatzverluste, Protektionismus, Freihandel, weltweite Sozialstandards, Umweltprobleme

Sach

sen

Gemeinschafts-kunde/ Rechtserziehung/ Wirtschaft

1112

Internationale Politik in der globalisierten Welt Wirtschaft und Wirtschaftsordnung in der globalisierten Welt

■■ Die weltpolitische Situation des 21. Jahrhunderts■■ Sicherheits- und Außenpolitik der EU■■ Globale politische Strukturen und Prozesse■■ Konfliktregelungsmuster des 21. Jahrhunderts■■ Wirtschaftspolitische Handlungsoptionen Deutschlands■■ Der Wirtschaftsstandort Deutschland vor dem Hintergrund von Globali-sierungsprozessen

■■ Die Rolle Deutschlands im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion im Spannungsfeld von nationalen und supranationalen Interessen

Sach

sen-

Anha

lt

Wahlpflichtfach:Wirtschaftslehre

11/12 Wirtschaftspolitik ■■ Außenwirtschaftliche Aspekte der Weltpolitik■■ Komparative Kosten (Ricardo)■■ Theorie der internationalen Arbeitsteilung und Realität des Welthandels (terms of trade)

Sozialkunde 11/12 Wirtschaft: Globalisierung der MärkteInternationale Beziehungen

■■ Internationalisierung der Produktion und des Handels■■ Globalisierung der Wissensmärkte und Kapitalmärkte■■ Globalisierungsgegner und ihre Argumente■■ ökonomische Konzentration und Machtverlust der Politik: Primat der Ökonomie oder der Politik?

■■ Auswirkungen auf den „Standort Deutschland”■■ nationale Wirtschaftspolitik im Zuge der Globalisierung■■ Frieden und Sicherheit■■ Überwindung von Ungleichheit■■ Handlungsfeld Europa

Schl

esw

ig-H

olst

ein Wirtschaft/Politik 12

13Gewinner und Verlierer der GlobalisierungKonflikte und Kooperation in den internationalen Beziehungen

■■ ökonomische Dimension der Globalisierung■■ gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung■■ Globalisierung und politische Steuerung■■ Erscheinungsformen globaler Prozesse■■ Strukturen internationalen Handelns■■ Theorien und Handlungsnormen der internationalen Beziehungen■■ nationale Politiken im Spannungsfeld internationaler Beziehungen

Page 14: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

14

Curriculare Einordnung in den Bundesländern

Land Fach/ Fachverbund Jahrgang Thematik/Inhaltsfeld o. ä. Aspekte/Themen/Inhalte o. ä.

Thür

inge

n

Wirtschaft Recht 11/12 GK11/12 LK

AußenwirtschaftspolitikAußenwirtschaftspolitik

Chancen und Risiken der Globalisierung der Märkte, Binnenmarkt und Europäische Union, Zahlungsbilanz, Wechselkurssysteme, Währungs-politisches Instrumentarium, handelspolitische Ansatzpunkte

■■ Bedeutung der internationalen Wirtschaftsverflechtung■■ Gliederung der Zahlungsbilanz■■ System fester und flexibler Wechselkurse■■ Währungspolitisches Instrumentarium, außenhandelspolitisches Instrumentarium

■■ Weltwirtschaftliche Zusammenhänge, die sich je nach Aktualität ändern können, z. B.: Wechselkursproblematik und Verschuldungs-problematik

Page 15: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

15

Lehrerhandreichung

III. Lehrerhandreichung

1. Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

1.1 Kompetenzen

Die zu erwerbenden Kompetenzen beziehen sich auf drei Kompetenzbereiche: Fachwissen (Sach- und Analysekompetenz), Erkenntnisgewinnung (Methodenkompetenz) sowie Bewer-tung (Urteilskompetenz). Die Kompetenzbereiche lassen sich wie folgt beschreiben:

1. Fachwissen: Die Schülerinnen und Schüler verfügen über strukturiertes ökonomisches Wissen, welches ihnen das Wiedererkennen von wirtschaftlichen Strukturelementen und Prozessregeln in der Fülle der ökonomischen Phänomene ermöglicht.

2. Erkenntnisgewinnung: Die Schülerinnen und Schüler analysieren wirtschaftliche Phäno-mene mithilfe fachspezifischer Methoden und wenden fachspezifische Arbeitstechniken an.

3. Bewertung: Die Schülerinnen und Schüler bewerten ökonomische Handlungen und Sach-verhalte und reflektieren Wege des Erkennens und Urteilens.

Die im Folgenden aufgeführten Kompetenzkataloge stellen eine Auswahl dar und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

Page 16: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

16

Lehrerhandreichung

1. FachwissenDie Schülerinnen und Schüler ... Inhalte

1. erläutern den Begriff der Globalisierung und erfassen die Veränderungen, die mit einer zunehmenden Globalisierung einhergehen.

■■ Zunahme und Beschleunigung der Verflechtung internationaler Märkte für Güter, Dienstleistungen, Produktionsfaktoren und Finanzkapital

■■ Globale Verfügbarkeit und Vernetzung von Informationen

2. arbeiten die Ursachen der Globalisierung heraus. ■■ ökonomische,■■ politische,■■ technologische,■■ soziokulturelle Ursachen

3. erläutern die Erscheinungsformen der Globalisierung. ■■ Globalisierung auf Güter-, Arbeits-, Kapital- und Finanzmärkten

4. analysieren die wesentlichen ökonomischen Wirkungen der Globalisierung.

■■ Standortwettbewerb■■ kontroverse wirtschaftspolitische Konzepte■■ konkurrierende Leitbilder des internationalen Handels (Freihandel vs. Protektionismus)

■■ wachsende Gefahr globaler Krisen (vgl. Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ff.)

5. erschließen sich die Internationalisierungsmotive von Unternehmen.

■■ Erschließung neuer Märkte, Risikostreuung, Markt- und Kundennähe, Verbesserung der Kostensituation, Umgehung von protektionistischen Handelsbeschränkungen, Überwindung von Markteintrittsbarrieren usw.

6. erläutern, warum die Komplexität der globalen wirtschaftlichen Beziehungen internationale Kooperationen erforderlich macht.

■■ Zusammenarbeit von Regierungen und Nichtregierungs-Organisationen (NGOs)

■■ Internationale Organisationen (ILO, UNCTAD, OECD) und ihre Rolle bei der Gestaltung der Globalisierung (u. a. Global Governance)

7. denken in den Kategorien eines ökonomischen Verhaltensmodells.

■■ Präferenzen und Restriktionen für Unternehmen und Staaten im internationalen Handel

■■ Erklärungsansätze des internationalen Handels (klassische Außenhandelstheorie und ergänzende Ansätze)

■■ Leitbilder (Freihandel/Protektionismus) und Instrumente der Außenwirtschaftspolitik (insbesondere Handelshemmnisse)

8. denken in Kreislaufzusammenhängen und Interdependenzen.

■■ internationaler Handel vollzieht sich in Kreislaufprozessen (ökonomische Transaktionen zwischen den Akteuren auf internationaler Ebene)

■■ Verflechtungen der internationalen Wirtschaft

9. denken in Ordnungszusammenhängen. ■■ Rolle der nationalen Politik im Globalisierungsprozess ■■ Gestaltung der Weltwirtschaftsordnung im Rahmen von Welthandels- und Weltwährungsordnung (WTO, IWF, Weltbank usw.) und weiteren supranationalen Organisationen (s. 6.); supranationale Spielregeln auf allen Ebenen

10. denken in den Kategorien, die allen wirtschaftlichen Handlungen immanent sind.

■■ Bedürfnisse, Arbeitsteilung, Entscheidungen, Koordination, Risiko, Markt als Merkmale des internationalen Handels und der Globalisierung

Page 17: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

17

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

2. ErkenntnisgewinnungDie Schülerinnen und Schüler... Inhalte

1. erfassen Umfang und Formen des internationalen Handels / der Weltwirtschaft mithilfe der Analyse von Statistiken.

■■ Welthandelsströme■■ Arbeitskräftewanderung■■ Außenhandelsbilanzen■■ Direktinvestitionen■■ Lohnkosten■■ etc.

2. arbeiten mithilfe ausgewählter Methoden die Positionen unterschiedlicher Interessenvertreter in der Diskussion um Chancen und Risiken der Globalisierung für die verschiedenen Akteure in der Wirtschaft heraus.

■■ Expertenbefragung ■■ Pro- und Kontradiskussion■■ Debatte

3. wenden verschiedene Arbeitstechniken zur Erschließung der Prozesse der Globalisierung an.

■■ Denken in Modellen (Analyse von Entscheidungssituationen mithilfe des ökonomischen Verhaltensmodells, Analyse von ökonomischen Wechselbeziehungen mithilfe des Kreislaufmodells)

■■ Artikelanalyse■■ Informationsrecherche

3. BewertungDie Schülerinnen und Schüler... Inhalte

1. analysieren die Verflechtungen der internationalen Wirtschaft und beurteilen die damit einhergehenden Chancen und Risiken für die nationale Wirtschaft und die Europäische Union.

■■ institutioneller Wettbewerb (Druck zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mit allen Konsequenzen eines Strukturwandels)

■■ Einschränkung nationaler Politik durch die Einbindung in Integrationsräume oder Regeln der Weltwirtschaftsordnung

2. diskutieren die Vorteile und Nachteile der Globalisierung aus der Perspektive unterschiedlicher Akteure.

■■ z. B. Entwicklungschancen durch Öffnung der Märkte, Strukturwandel in Branchen ohne komparative Kostenvorteile, Gefahr der Vernachlässigung des Aufbaus eines institutionellen Rahmens bei der Liberalisierung von Märkten

3. werten die aktuellen Entwicklungen in der Welthandelsorganisation aus und diskutieren die Konsequenzen auf nationaler und internationaler Ebene.

■■ Doha-Runde und ihre Ziele■■ Gründe des Scheiterns eines neuen Welthandelsabkommens

■■ Folgen und Wege für die WTO-Mitgliedsstaaten

4. bewerten die aktuellen internationalen Anstrengungen zur Schaffung eines Handlungsrahmens für globale Finanzmärkte.

■■ Ursachen und Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ff.

■■ Maßnahmen zur Regulierung der globalen Finanzmärkte und Stand der Umsetzung

5. beurteilen die gegenwärtigen globalen Bemühungen für den Klimaschutz.

■■ Maßnahmen zum Schutz des Klimas (Klimaschutzabkommen usw.) und aktuelle Umsetzung

6. analysieren Lösungsvorschläge zu weiteren globalen Problemfeldern.

■■ z. B. Schaffung von globalen Sozial- und Umweltstandards, Unterstützung des Entwicklungsprozesses von Schwellen- und Entwicklungsländern, Möglichkeiten von Global Governance zur Gestaltung des Globalisierungsprozesses

Page 18: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

18

Lehrerhandreichung

1.2 Erkenntnisleitende Interessen und Gründe für die Auswahl der

Thematik

„Heute hängt unser aller Leben an der Weltwirtschaft: Wo ist das gewachsen, was Sie heute früh gegessen und getrunken haben, woher kommt das Öl, das Ihr Flugzeug oder Auto herge-trieben hat? Also muss ich von Weltwirtschaft reden, wenn ich die ökonomischen Probleme mit Blick auf die Zukunft behandeln will.“

(Karl Friedrich von Weizsäcker)

In der öffentlichen Diskussion wird die Thematik Globalisierung häufig nicht rational, sondern emotional diskutiert. Diskussionen über Globalisierungsprozesse sind häufig mit Vorurteilen und Ängsten besetzt. Solche Einschätzungen und Polarisierungen beruhen nicht selten auf geringen Kenntnissen über wirtschaftliche Sachverhalte. An diesem Zustand ist nicht zuletzt problematisch, dass Menschen dazu neigen, in den Bereichen besonders oft und radikal zu urteilen, in denen sie über die geringsten ökonomischen Kenntnisse verfügen. Gleichzeitig erfolgt selten eine Reflektion der Wirkungen des eigenen Verhaltens. Insofern besteht die Gefahr, dass die Entwicklung von Vorurteilen unterstützt wird und öffentliche Diskussionen über die Folgen der Globalisierung oft zu mehr Verwirrung bzw. Unsicherheit führen und keine Klarheit verschaffen. Es ist u. E. deshalb notwendig, sich vor einer Beurteilung sachlich angemessen mit den fachlichen Grundlagen des Globalisierungsprozesses auseinanderzuset-zen. Im Folgenden werden die wesentlichen erkenntnisleitenden Interessen zusammengefasst:

1. Die zunehmende Internationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft verändert struktu-rell auch die nationale Wirtschaft. Die Betrachtung wirtschaftlichen Handelns kann sich also nicht nur auf die Wirtschaft eines Landes beziehen, weil die nationale Wirtschaft auf vielfältige Weise mit den Volkswirtschaften anderer Staaten verknüpft ist und gegenseitige Abhängigkeiten bestehen.

2. Während in einer geschlossenen Volkswirtschaft die Entscheidungen der privaten Haushal-te, der Unternehmen und des Staates nur das inländische Wirtschaften beeinflussen, bedeu-tet eine offene Volkswirtschaft, dass Auslandsimpulse auf die inländische Wirtschaft ein-wirken. Diese Wirkungen können positiv oder negativ sein und gehen in jedem Fall mit Sou-veränitätsverlusten für die nationale Wirtschaftspolitik einher (vgl. z. B. die Handelspolitik in der Europäischen Union als gemeinsame Politik gegenüber den sog. Drittländern, d. h. jenen Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören).

3. Die Veränderungen von Im- und Exportbeziehungen haben unmittelbare Auswirkungen auf betriebliche Arbeitsplätze. Dies wiederum hat direkte Folgen für die Mitglieder der privaten Haushalte.

4. Eine rein ökonomische Betrachtung nationaler wirtschaftlicher Vorgänge ist nicht zielfüh-rend. Dies gilt in gleicher Weise für die Betrachtung internationaler Beziehungen. Die Welt-wirtschaft wird mehr und mehr zu einer politischen, ökologischen und ökonomischen Ein-heit, weil gegenseitige Abhängigkeiten bestehen und es für viele Länder lediglich noch eine scheinbare politische Handlungsautonomie gibt.

5. Die Komplexität der internationalen Wirtschaftsbeziehungen lässt erkennen, dass mit den Transaktionen auf Güter-, Arbeits-, Kapital- und Finanzmärkten nicht nur ökonomische, son-dern auch rechtliche, politische und kulturelle Grenzen überschritten werden.

Page 19: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

19

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

6. Globalisierungsprozesse können zur Folge haben, dass nationale Finanz- und Wirtschaftskri-sen Grenzen schnell überschreiten und weltweit ökonomische und gesellschaftliche Konse-quenzen auslösen (vgl. die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ff., die im US-amerikanischen Immobilienmarkt insbesondere durch fehlleitende politische Anreize ausgelöst wurde). In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass als Auslöser für Krisen nicht reflexhaft und ausschließlich ein Versagen der Märkte gesehen wird. Ziel des Unterrichts sollte viel-mehr eine genaue Analyse von Ursachen und Folgen entsprechender Krisen und die realisti-sche Einschätzung von Möglichkeiten zur Gestaltung einer „besseren“ Welt vor dem Hinter-grund allgegenwärtiger Dilemmastrukturen sein.

1.3 Fachwissenschaftliche Hinweise

Dimensionen des internationalen Handels Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen umfassen den Austausch von Waren und Dienst-leistungen sowie von Kapital und Arbeit. Die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft zeigt sich insbesondere in folgenden Bereichen:

■■ Die Bedeutung internationaler Gütermärkte (Export- und Import-märkte) steigt beständig. Die rasche Zunahme des internationalen Handels gilt als ein zentrales Element der globalisierten Wirt-schaft.

■■ Es erfolgt eine zunehmende Internationalisierung der Produktion. Sichtbarer Ausdruck dieser Erscheinung sind die weltumfassen-den wirtschaftlichen Aktivitäten der sogenannten multinationalen Unternehmen und die damit einhergehende Kapitalverflechtung z.B. der heimischen Industrie mit dem Ausland.

■■ Die Verflechtung der internationalen Finanzmärkte wird immer bedeutsamer. Die steigende Bedeutung internationaler Güter-märkte führt fast „zwangsläufig“ zu einem Anwachsen der Kapi-talströme.

■■ Internationale Migrationsprozesse haben zugenommen. In multi-nationalen Unternehmen und in der Wissenschaft ist ein zeitweili-ger Auslandsaufenthalt der Beschäftigten obligatorisch oder zumindest eine Schlüsselqualifikation für ein erfolgreiches Berufsleben. Quantitativ bedeutender sind die langfristigen Arbeitskräftewanderungen (Armutsmigration), die durch das Wohlstandsgefälle zwischen Industrieländern und armen Ent-wicklungsländern entstehen.

Der internationale Handel hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg stark ausgedehnt (vgl. im Fol-genden Kruber 2009, 7 ff.). Zentrale Katalysatoren dieser Entwicklung waren die Innovationen im Transport- und Kommunikationswesen sowie die fortschreitende Liberalisierung des Han-dels mittels internationaler Institutionen (z.B. WTO, IWF, Weltbank, ILO, UNCTAD). Seit 1950 nahm das nominale Welthandelsvolumen, das heißt die Summe des Warenwertes aller Güter, die weltweit zwischen den Ländern oder den Wirtschaftsräumen gehandelt werden, um mehr als das 60-fache zu. Wurden im Jahr 2000 weltweit Waren und Dienstleistungen im Wert von über 5,7 Billionen US-$ exportiert, waren es im Jahr 2010 bereits 15,2 Billionen US-Dollar.

Page 20: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

20

Lehrerhandreichung

In der Regel werden die am Welthandel teilnehmenden Länder in drei Gruppen klassifiziert:

■■ Industrieländer

■■ Schwellen- und Entwicklungsländer (inklusive der rohölexportie-renden Länder)

■■ Transformationsländer

Sie bilden die drei Pole des Welthandelsdreiecks. Der Anteil der jeweiligen Staatengruppen am Welthandel ist in den vergangenen Jahren relativ konstant gewesen. Der Welthandel wird von den Industrieländern dominiert. Sie tätigen über zwei Drittel des Welthandels, wobei das Hauptgewicht lediglich auf eine Gruppe von 10 bis 15 Staaten entfällt, an deren Spitze die USA stehen. Etwa die Hälfte des gesamten Welthandels wird zwischen den Industrieländern unterei-nander abgewickelt als sogenannter Intra-Gruppenhandel. Ein entscheidender Grund für die herausragende Stellung der Industrieländer im Welthandel liegt in ihrer diversifizierten Produk-tionsstruktur, die es diesen Ländern ermöglicht, die Vorteile internationaler Arbeitsteilung überproportional zu nutzen. Gleichzeitig profitierten die Industrieländer bisher davon, dass die Exportpreise für Fertigwaren, die den größten Teil ihres Außenhandelsvolumens ausmachen, in vielen Fällen schneller als die für Rohstoffe steigen. Demzufolge erhöhte sich der Wert des Handelsvolumens der Industrieländer verglichen mit den anderen Staaten überdurchschnitt-lich. Ferner fördern die regionalen Wirtschaftsintegrationen wie etwa die EU oder die NAFTA den Handel zwischen den Industrieländern.

Auf die Entwicklungsländer entfällt annähernd ein Viertel des Welthandelsvolumens. Es han-delt sich bei den Entwicklungsländern allerdings nicht um eine homogene Gruppe, sondern es sind unter diesem Terminus Staaten mit sehr unterschiedlicher Handelsstruktur zusammenge-fasst. Den größten Teil des auf die Entwicklungsländer entfallenden Welthandels leisten mit steigender Tendenz die sogenannten Schwellenländer (z. B. Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) sowie die Ölexportländer. Anteilsrückgänge mussten die übrigen Entwicklungslän-der hinnehmen, da die Entwicklung der Weltmarktpreise für die von ihnen überwiegend exportierten agrarischen und mineralischen Rohstoffe gegenüber dem allgemeinen Preisan-stieg zurückblieb.

Die Gruppe der Transformationsländer – ehemalige osteuropäische Staatshandelsländer – hat am Welthandel nur einen geringen Anteil. Allerdings ist zu erwarten, dass sich ihr außenwirt-schaftliches Gewicht im Zuge der Transformation ihrer Wirtschaftssysteme nach 1989 weiter vergrößern wird.

Deutschland rangiert nach den USA an zweiter Stelle unter den größten Handelsnationen. Der Export der Sachgüter und Dienstleistungen erreichte 2010 einen Wert von rund 950 Mrd. €. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) fand mehr als ein Drittel der in Deutschland erbrach-ten Wirtschaftsleistungen ausländische Abnehmer. Der hohe Exportanteil am Bruttoinlands-produkt (BIP) zeigt einerseits die gute Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Ande-rerseits ist er aber auch Indiz für eine empfindliche Auslandsabhängigkeit, die weit über jener anderer großer Industrienationen liegt. Aus der ähnlichen Warenstruktur der Im- und Exporte ist ersichtlich, dass heute der größte Teil des deutschen Außenhandels mit anderen Industrie-ländern getätigt wird. Internationale Arbeitsteilung erfolgt zunehmend mit vergleichbaren Waren innerhalb eines Sektors.

Page 21: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

21

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

Messkonzepte des Welthandels Die wirtschaftlichen Vorgänge einer Volkswirtschaft mit dem Ausland werden in der Zahlungs-bilanz erfasst. Diese registriert alle wirtschaftlichen Transaktionen, d.h. den Austausch von Gütern, Dienstleistungen und finanziellen Ansprüchen, die innerhalb eines Jahres zwischen Inland und Ausland vorgenommen werden. Grundsätzlich ist dabei zwischen dem Leistungs-verkehr und dem Kapitalverkehr mit dem Ausland zu unterscheiden. Definitionsgemäß halten sich beide Seiten der Zahlungsbilanz – die Ergebnisse des Leistungs- und des Kapitalverkehrs – die Waage.

Außenhandelsentwicklungen können ferner mit Hilfe der sogenannten Terms of Trade gekenn-zeichnet werden. Damit bezeichnet man das Tausch- bzw. Preisverhältnis zwischen Gütern oder Gütergruppen, wobei man sich z.B. auf das Verhältnis der – in Preisindizes dargestellten – Exportpreise zu den Importpreisen bezieht. Wenn die Exportpreise steigen und/oder die Importpreise sinken, „verbessern“ sich die Terms of Trade, im umgekehrten Fall „verschlech-tern“ sie sich. Veränderungen der Terms of Trade drücken somit aus, ob mit denselben Export-mengen mehr oder weniger Importgüter „bezahlt“ werden können.

Gründe und Erklärungsansätze internationalen Handels Eine Zusammenfassung wichtiger Erklärungsansätze des internationalen Handels werden im Material M 2 im Anhang vorgestellt. Diese umfassen:

■■ die klassische Außenhandelstheorie (Verfügbarkeit und Kostenun-terschiede)

■❚ Absolute Kostenvorteile (Smith)

■❚ Komparative Kostenvorteile (Ricardo)

■■ Ergänzungen und Weiterentwicklungen

■❚ Faktorproportionen-Theorem (Heckscher, Ohlin)

■❚ Produktlebenszyklustheorie (Hirsch)

■❚ Wettbewerbsmodell (Porter)

■❚ intraindustrieller Handel

Leitbilder der Außenwirtschaft Das Leitbild des Freihandels beinhaltet, dass im Interesse der Wohlstandssteigerung der inter-nationale Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr möglichst von allen Einschränkungen befreit werden muss, d.h. durch die außenwirtschaftlichen Maßnahmen keine Behinderung des freien Austausches von Gütern und Kapital erfolgen darf. Unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten entspricht die Freihandelsposition dem Leitbild der freien Marktwirtschaft, und damit wird der Entscheidungsfreiheit der einzelnen Wirtschaftssubjekte die oberste Priori-tät zuerkannt. Der Staat hat lediglich dafür zu sorgen, dass über ein entsprechendes Regelwerk diese Entscheidungsfreiheit für jedes Wirtschaftssubjekt gewährleistet bleibt.

Beim Protektionismus oder Außenhandelsmonopol wird hingegen vom Grundsatz der zentra-len Planung der außenwirtschaftlichen Beziehungen ausgegangen. Die individuelle Entschei-dungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte ist aufgehoben und eine staatliche Zentralstelle ist allein berechtigt, die außenwirtschaftlichen Beziehungen abzuwickeln und/oder eine Kontrolle über diese Beziehungen auszuüben. Beispielsweise kam es in der Zeit von 1914 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 fast zum Erliegen des Freihandels, da in vielen Ländern der Protektio-nismus im Vordergrund stand. Der Welthandel schrumpfte auf einen Bruchteil von vor 1914.

Page 22: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

22

Lehrerhandreichung

Tatsächlich findet man zu allen Zeiten eine Mischung beider im Prinzip gegensätzlichen Ord-nungsvorstellungen. Bis in die heutige Zeit hinein ist das Spannungsverhältnis zwischen Frei-handel und Protektionismus ein Kernpunkt von Meinungsverschiedenheiten in Wissenschaft, Politik und öffentlicher Meinung. Allerdings gibt es ernst zu nehmende ökonomische und poli-tische Argumente, die unter bestimmten Bedingungen für Beschränkungen des freien Handels sprechen, z.B. um einseitige nationale Produktionsstrukturen zu verhindern oder die Umwelt besser zu schützen.

Kaum ein Land wird bereit sein, einem völlig freien Welthandel zuzustimmen (vgl. im Folgen-den Kruber 2009, 42 ff.). Stattdessen soll durch Protektionismus (eine Politik der Einfuhrbe-schränkung und Exportförderung) oft die einheimische Wirtschaft unterstützt bzw. gegen bil-ligere ausländische Konkurrenz geschützt werden. Die grundlegenden Instrumente protektio-nistischer Maßnahmen setzen am Preis oder an der Menge an. Eine andere Einteilung unterscheidet tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse. Preispolitische Instrumente wir-ken über Verteuerung (Zölle) oder Verbilligung (Subventionen) von Importen bzw. Exporten, mengenpolitische Instrumente begrenzen erlaubte Ein- bzw. Ausfuhrmengen (Kontingente).

Formen wirtschaftlicher Integration Der Begriff wirtschaftliche Integration bezeichnet den Abbau von Beschränkungen des Han-dels-, Kapital- oder Personenverkehrs zwischen Staaten (vgl. im Folgenden Kruber 2009, 55 ff.). Globale Integration liegt vor, wenn alle Länder erfasst sind. Meistens bezieht sich der Begriff nur auf regionale Integration, wenn also eine Gruppe von Ländern Handelshemmnisse abbaut. Der Weg hin zu dem Ziel „Freihandel“ kann niemals in nur einem Schritt vollzogen werden. Dieser dynamische Prozess, die Entwicklung hin zum Freihandel, kann unterteilt werden in Integrationsstufen mit unterschiedlicher Intensität von Handelshemmnissen. Man unterschei-det sie anhand der Stärke des Abbaus von Barrieren für internationale ökonomische Aktivitäten zwischen den beteiligten Staaten sowie nach dem Ausmaß der Einführung koordinierender und kooperierender Elemente (Liberalisierungsinstrumente). Ausgehend von einer Situation mit hohen Handelshemmnissen zwischen Staaten, können verschiedene Formen der Integrati-on unterschieden werden, die sich stufenweise dem Freihandel annähern: Von der Präferenzzo-ne, über die Freihandelszone, die Zollunion, den Gemeinsamen Markt zur Wirtschafts- und Währungsunion.

Liberalisierung der Weltwirtschaftsordnung im Rahmen der WTO Die Welthandelsorganisation bzw. World Trade Organization (WTO) ist eine internationale Ins-titution mit dem Ziel, weltweit Handelshemmnisse abzubauen und unfaire Handelspraktiken zu unterbinden. Die Liberalisierung des Welthandels nach 1945 ist das Ergebnis der Bemühungen im GATT (der Vorläuferorganisation der WTO) und regionaler Integrationsfortschritte. Das All-gemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) ent-stand im Zuge der Bemühungen um eine neue Weltwirtschaftsordnung in der Nachkriegszeit (1948) als Instrument zur Liberalisierung des internationalen Handels. Das GATT hat drei grundlegende Prinzipien (Ausnahmen sind hier nicht berücksichtigt):

■■ Liberalisierung: Nichttarifäre Handelshemmnisse sind grundsätz-lich verboten; Handelsbeschränkungen sollen kontinuierlich abgebaut werden.

■■ Nichtdiskriminierung: Das Prinzip der Nichtdiskriminierung beinhaltet, dass es keine bilateralen Vereinbarungen mehr geben soll, es bezieht sich also auf die Meistbegünstigungsklausel: Jedem Staat ist der günstigste Zollsatz zu gewähren, der irgendeinem Drittland eingeräumt wird.

Page 23: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

23

Didaktische Struktur der Unterrichtseinheit

■■ Reziprozität: Der Abbau von tarifären und nichttarifären Handels-hemmnissen muss grundsätzlich gegenseitig sein. Gewährt ein Land also einem anderen Handelsvorteile, so muss dieses Land dem anderen dieselben Vorteile einräumen.

1995 wurde die WTO gegründet. Das GATT ist neben dem GATS (Agreement über den grenz-überschreitenden Verkehr mit Dienstleistungen) und TRIPS (Agreement über den Handel mit geistigen Eigentumsrechten) seither einer von drei Teilbereichen der WTO. Die WTO ist die rechtliche und institutionelle Basis des multilateralen Handelssystems und dient als Forum für kollektive Verhandlungen zur Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Ländern. Ihre Ziele bestehen darin, weltwirtschaftliche Konvergenz zu schaffen, ein umfang-reiches handelspolitisches Überwachungssystem bereitzustellen (welches auch umweltpoliti-sche Aspekte zunehmend berücksichtigt), eine integrierte Streitschlichtung zu gewährleisten und Maßnahmen zugunsten der ärmsten Länder zu berücksichtigen.

Der Begriff „Globalisierung“ Üblicherweise wird unter Globalisierung die Zunahme der Verflechtung internationaler Märkte für Güter, Dienstleistungen, Produktionsfaktoren und Finanzkapital verstanden. Hinzu kom-men in der Regel die globale Verfügbarkeit von Informationen, z.B. über das Internet, und die Problematik globaler Umweltaspekte.

Der Begriff der Globalisierung ist in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts zu einem Mode-wort avanciert. Die Karriere des Begriffs ist Reflex einer mit zunehmender Intensität geführten gesellschaftlichen Diskussion über Nutzen und Gefahren der Globalisierung. Dabei prallen zwei grundsätzlich verschiedene Ansichten aufeinander, die der Globalisierungsbefürworter und die der Globalisierungsgegner.

Die Globalisierungsbefürworter betonen die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung. Han-delsliberalisierung ist ein Vehikel zur Realisierung dieser Vorteile. Internationale Arbeitsteilung führt zur Spezialisierung der einzelnen Länder auf das, was sie am besten können, und führt daher zu Effizienzgewinnen. Staatliche Eingriffe in den internationalen Handel werden weitge-hend abgelehnt. Man vertraut auf die Selbstregulierungskräfte der Märkte. Einkommensun-gleichheiten, die Verarmung von Entwicklungsländern, die Verschärfung von Umweltproble-men und die Übernutzung von Ressourcen werden entweder als vorübergehendes Phänomen interpretiert oder auf andere Ursachen zurückgeführt, die mit der Globalisierung der Märkte direkt nichts zu tun haben.

Die Globalisierungsgegner sind genau genommen nicht gegen die Globalisierung an sich; sie stellen sich nur eine andere Art der Globalisierung vor. Sie vertrauen nicht auf die Selbsthei-lungskräfte der Märkte, sondern befürchten zunehmende Einkommensungleichheiten, sowohl in den einzelnen Ländern als auch im Vergleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie eine Erosion der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten und damit die Unterordnung der Demokratie unter das Diktat der globalen wirtschaftlichen Zwänge. Postuliert wird, dass durch die Globalisierung große Teile der Bevölkerung verarmen und gleichzeitig der sozialpoli-tische Handlungsspielraum des Staats eingeschränkt wird, da in einer globalisierten Welt die Reichen ihr Einkommen dem steuerlichen Zugriff entziehen können.

Diese unterschiedlichen Vorstellungen spiegeln sich auch in den favorisierten wirtschaftspoliti-schen Konzepten wider. Während die Globalisierungsbefürworter im Bereich der Handelspoli-tik ein weit gehendes Laissez-faire bevorzugen, sehen die Globalisierungsgegner starken inter-nationalen Koordinations- und Harmonisierungsbedarf und befürworten steuerliche Eingriffe in den internationalen Handel, vor allen Dingen im Bereich internationaler Finanztransaktio-nen (Rauscher 2010, 7 ff.).

Page 24: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

24

Lehrerhandreichung

Im Jahr 2001 startete die Doha-Liberalisierungsrunde der Wirtschafts- und Handelsminister der WTO-Mitgliedstaaten in Katar, die nach der Hauptstadt Doha benannt ist. Sie verfolgt seither das Ziel, die ärmsten Staaten stärker an der Globalisierung teilhaben zu lassen. Während die Entwicklungsländer vor allem eine Öffnung der Agrarmärkte in den USA und Europa erreichen wollen, geht es den Industrienationen um bessere Exportchancen für ihre Güter und Dienst-leistungen in die Märkte Asiens und Lateinamerikas.

Der Abschluss der Welthandelsrunde war für 2005 vorgesehen, aber alle Konferenzen und Ver-handlungen in den folgenden Jahren brachten nicht die erwünschte Annäherung. Die Wirt-schafts- und Handelsminister der WTO-Mitgliedstaaten konnten bisher keine Einigung hinsicht-lich der unfassenden Liberalisierung des Welthandels erzielen.

Page 25: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

25

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

2. Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

2.1 Verortung des Themas

Das Thema „Globalisierung“ ist in den Inhaltsbereich „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“ eingebettet. Die Konstrukteure der Unterrichtseinheit gehen davon aus, dass grundlegende Kenntnisse über weltwirtschaftliche Zusammenhänge bei den Schülerinnen und Schülern vor-handen sind. Insbesondere die Materialien von Komplex 1 vermitteln einige grundlegende und übergeordnete Einsichten, auf deren Basis eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Globali-sierung“ erfolgen kann.

2.2 Struktur der Unterrichtseinheit

Komplex 1 „Grundlagen“ (M 1 – M 10)

■■ Begriffsdefinition „Globalisierung“

■■ Ursachen der Globalisierung

■■ Zahlen und Fakten zum Welthandel

■■ Leitbilder der internationalen Handelspolitik: Freihandel vs. Protektionismus

■■ Internationalisierung von Unternehmen: Motive und Formen

Komplex 2 „Chancen und Risiken der Globalisierung“ (M 11 – M 22)

■■ Formen globalen Wettbewerbs

■■ Entwicklung der Globalisierung

■■ Chancen und Risiken der Globalisierung

■■ Ursachen und Lösungsansätze der Armutsproblematik in Entwicklungsländern

Komplex 3 „Gestaltung der Globalisierung – Internationale Wirtschaftspolitik

und Kooperationen“ (M 23 – M 36)

■■ Weltwirtschaftsordnung: Bereiche und Institutionen

■■ Welthandelsorganisation (WTO) und Welthandelsabkommen (Doha-Runde)

■■ Globales Handlungsfeld „Regulierung der Finanz- und Kapitalmärkte“

■■ Globales Handlungsfeld „Klimaschutz“

Komplex 4 „Praxiskontakt Global Player“ (M 37 – M 40)

■■ Vorstellung Praxiskontaktpartner

■■ Methodische Vorschläge

Page 26: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

26

Lehrerhandreichung

2.3 Informationen zu den Materialien

Hinweis:

Die dargestellte Materialiensequenz bedeutet keine zwingende Reihenfolge des Einsatzes im Unterricht. In Abhängigkeit von der methodischen Herangehensweise (z. B. im Rahmen von Projektarbeit), der individuellen Schwerpunktsetzung durch die Lehrenden und weiterer Einflussfaktoren sind sehr unterschiedliche Abfolgen denkbar. Das Materialienangebot stellt daher keine Aufforderung dar, einen aus-schließlich traditionellen Lehrgang durchzuführen, der ein „Abarbeiten“ aller Texte, Schaubilder, Grafiken etc. nahelegt. Ein allein materialien-gesteuerter Unter-richt ist von den Autoren nicht beabsichtigt; vielmehr soll der „Materialienpool“ flexibel aufgaben- und zielbezogen gehandhabt werden und nicht zuletzt den Ein-satz komplexer, aktiver Lehr- und Lernverfahren des Ökonomieunterrichts unter-stützen.

Komplex 1 „Grundlagen“ (M 1 – M 10)

M 1: Globalisierung wohin man sieht

Zum Start in die gesamte Einheit werden verschiedene Handelsblatt-Schlagzeilen aus einem vierwöchigen Zeitraum im Frühjahr 2012 vorgestellt, die die Bandbreite der politischen wie ökonomischen Prozesse der Globalisierung verdeutlichen. Hieran anknüpfend empfiehlt es sich, mithilfe des Analyserasters eine mehrtägige Zeitungsanalyse (z. B. als Hausaufgabe) anzu-schließen, um einen unterrichtlichen Einstieg über aktuelle Bezüge zu gewährleisten.

Analyse von Tageszeitungen und Bearbeitung des Arbeitsblattes

M 2: Der Sektor „Ausland“ und Gründe für Außenhandel

Den fachwissenschaftlichen Einstieg bildet die Auseinandersetzung mit dem erweiterten Wirt-schaftskreislauf in einer offenen Volkswirtschaft: Der Akteur „Ausland“ mit seinen Beziehun-gen zu den anderen volkswirtschaftlichen Akteuren wird dargestellt. Des Weiteren enthält das Material eine Zusammenstellung von volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Erklä-rungsansätzen zum internationalen Handel, die in Kurzform die klassische Außenhandelstheo-rie und Weiterentwicklungen umfasst.

Page 27: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

27

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

1. Beschreiben Sie die Verknüpfung des Akteurs „Ausland“ mit den anderen Akteuren einer Volkswirtschaft.

2. Stellen Sie in einer Synopse die klassische Außenhandelstheorie sowie deren Wei-terentwicklungen und Ergänzungen in ihrer grundlegenden Argumentation dar. Zeigen Sie dabei auf, inwieweit die modernen Erklärungsansätze eine Weiterent-wicklung des Theorems von Ricardo darstellen bzw. von diesem abweichen.

3. Analysieren Sie auf der Grundlage der vier Haupt- und zwei Nebenelemente in Porters „Wettbewerbsmodell“ die internationale Wettbewerbsfähigkeit ausgewähl-ter Branchen in Deutschland. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

M 3: Was ist Globalisierung?

Das Material liefert die Definition des Begriffes „Globalisierung“, wie er dieser Unterrichtsein-heit zugrunde liegt. Eine Begriffsklärung ist auch deshalb erforderlich, weil in der öffentlichen Diskussion um Formen und Auswirkungen der Globalisierung gestritten wird, dabei aber oft-mals unklar bleibt, was unter Globalisierung verstanden wird.

1. Fassen Sie die wesentlichen Auswirkungen der Globalisierung für die Akteure auf den unterschiedlichen Märkten zusammen.

2. Legen Sie dar, warum in den letzten Jahren die internationalen Finanztransaktio-nen schneller angestiegenen sind als der Austausch von Waren und Dienstleistun-gen.

3. Nehmen Sie Stellung zu folgender Aussage: „Mit Globalisierung wird die zuneh-mende Internationalisierung von Märkten beschrieben“.

M 4: Leitbilder der internationalen Wirtschaftspolitik: Freihandel vs. Protektionismus

M 5: Was kann gegen Freihandel sprechen?

M 6: Abbau von Handelsbarrieren kommt nicht voran

Der Außenwirtschaftspolitik von Staaten oder Staatengemeinschaften (z. B. der EU) liegt in der Regel ein Leitbild zugrunde, welches Einfluss auf die Ausgestaltung der internationalen Han-delsbeziehungen hat. Generell unterscheidet man das Leitbild des „Freihandels“ von demjeni-gen des „Protektionismus“. Das Material M 4 beschreibt diese Idealtypen, die in keiner Volks-wirtschaft in Reinform vorhanden sind, aber einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung internationaler Institutionen und Organisationen und die nationalen Wirtschaftspolitiken haben. Ergänzend findet sich hier ein kurzes Beispiel für die Existenz protektionistischer Maß-nahmen sowie den Streit hierüber (M 6).

Page 28: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

28

Lehrerhandreichung

1. Erklären Sie, was unter „Freihandel“ bzw. „Protektionismus“ verstanden wird. Ermit-teln Sie die wesentlichen Unterschiede.

2. Erläutern Sie, warum auf globaler Ebene i. d. R. das Leitbild des Freihandels gegen-über protektionistischen Ansätzen angestrebt wird.

3. Arbeiten Sie Situationen heraus, in denen der Einsatz ausgewählter protektionistischer Instrumente grundsätzlich sinnvoll sein kann.

4. Legen Sie anhand des vorgestellten Beispiels dar, inwieweit es nationalstaatliche Inter-essen an protektionistischen Maßnahmen gibt. Analysieren Sie die Motive der genann-ten Industrie- und Schwellenländer im vorliegenden Fall sowie die zum Einsatz kom-menden Instrumente.

5. Stellen Sie die Interessen der Europäischen Union gegenüber. Erschließen Sie die sich ergebenden Konfliktlinien.

6. Ermitteln Sie weitere Beispiele protektionistischer Strategien und führen Sie diese aus.

M 7: Der weltweite Handel mit Gütern

Der weltweite Handel mit Sachgütern stellt den Kern der Handelsbeziehungen dar, aber auch der Austausch von Dienstleistungen nimmt in den letzten Jahren stark zu. Das Material liefert anschauliche Grafiken zu den grundlegenden Entwicklungen der Welthandelsströme und der derzeitigen Kräfteverteilung im internationalen Wirtschaftsgeschehen.

1. Analysieren Sie die vorliegenden Grafiken und fassen Sie die wesentlichen Infor-mationen bzgl. der Struktur des Welthandels zusammen. Ergänzen Sie ggf. aktuelle Daten.

2. Verorten Sie die Stellung Deutschlands im internationalen Wirtschaftsgeschehen. Ermitteln Sie die wichtigsten Handelsbeziehungen.

3. Beschreiben Sie die sichtbar werdenden Kräfteverhältnisse von Industrie-, Schwel-len- und Entwicklungsländern. Erläutern Sie die in diesem Zusammenhang zu beobachtenden Entwicklungsprozesse der letzten Jahre.

M 8: Verbindungen von inländischer und ausländischer Wirtschaft

Page 29: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

29

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

M 9: Gründe und Formen der Internationalisierung von Unternehmen

Beide Materialien beleuchten die wesentlichen Motive und Formen internationaler Aktivitäten von Unternehmen. Gleichzeitig wird deutlich gemacht, dass die jeweils unterschiedlichen Rah-menbedingungen maßgeblich Einfluss nehmen und zu beachten sind, soll die Internationalisie-rung erfolgreich gestaltet werden.

1. Erklären Sie, was im Rahmen der Internationalisierung unternehmerischer Aktivi-täten unter der Faktorbewegung verstanden wird. Grenzen Sie diese zum klassi-schen Außenhandel ab.

2. Ermitteln Sie konkrete Beispiele für solche Faktorbewegungen.

3. Analysieren Sie ein international agierendes Unternehmen in Ihrer Region, bei-spielsweise durch eine Internetrecherche oder eine Expertenbefragung. Arbeiten Sie dessen wesentliche Motive und Zielsetzungen heraus.

4. Ordnen Sie das Unternehmen begründet einer Internationalisierungsart zu. Erschließen Sie weitere Beispiele für die anderen genannten Arten.

5. Stellen Sie konkrete Formen politisch-rechtlicher Normen und sozialer Beziehun-gen dar, denen sich deutsche Unternehmen im Ausland anpassen müssen.

M 10: Ursachen der Globalisierung

Zum Abschluss des Grundlagenkomplexes und zwecks Gestaltung des Übergangs zum nächs-ten Materialienteil werden die wesentlichen ökonomischen, technologischen, soziologischen und politisch-rechtlichen Ursachen der Globalisierung in einer Grafik und kurzen Texten zusammengefasst.

1. Stellen Sie jeweils ein eigenes Beispiel für die vier Ursachen der Globalisierung dar.

2. Ermitteln Sie Bereiche, in denen Ihrer Meinung nach in absehbarer Zeit Innovatio-nen entwickelt werden könnten, die eine weitere Verstärkung der Globalisierungs-prozesse mit sich bringen könnten.

3. Verdeutlichen Sie anhand von Beispielen, was mit folgender Aussage gemeint ist: „Im Bereich der technologischen Entwicklungen werden die Zeiträume einflussrei-cher Innovationen immer kürzer.“

Page 30: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

30

Lehrerhandreichung

Komplex 2 „Chancen und Risiken der Globalisierung“ (M 11 – M 22)

M 11: Ein Sachverhalt, mehrere Sichtweisen

Zum Einstieg in die Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der Globalisierung soll anhand kurzer Alltagsszenen verdeutlicht werden, dass die Beurteilung von Globalisierungs-prozessen und -folgen abhängig ist von der eigenen gesellschaftlich-ökonomischen Position, den individuellen Einstellungen und dem Grad der Betroffenheit. So kann beispielsweise die Abwanderung von Produktionsbetrieben ins Ausland aus Sicht der Arbeitnehmer negativ, aus der Perspektive der Nachfrager aufgrund der sinkenden Preise jedoch positiv bewertet wer-den.

1. Stellen Sie die unterschiedlichen Positionen einander in einem Schaubild gegen-über.

2. Ermitteln Sie ein weiteres Beispiel für einen vergleichbaren Prozess, der von unter-schiedlichen Akteuren unterschiedlich bewertet wird.

M 12: Institutioneller Wettbewerb

M 13: Hyundai startet in Europa einen neuen Angriff auf Volkswagen

M 14: Umzug nach Fernost

M 15: Globaler Kampf um kluge Köpfe

Bei der Auseinandersetzung mit den internationalen Wirtschaftsbeziehungen ist es wichtig zu erkennen, dass nicht Staaten, sondern Unternehmen miteinander Handel treiben und auf Märk-ten mit ihren Produkten in Konkurrenz zueinander stehen. Gleichzeitig konkurrieren sie auf anderen Märkten um den Zugang zu Faktoren wie Arbeitskräften, Rohstoffen oder Kapital. Zwi-schen den Staaten wiederum existiert ein Wettbewerb um Investitionen und Ansiedlungen (Stichwort: Standortwettbewerb).

Während M 12 diese Zusammenhänge grundlegend darstellt, liefern die folgenden Artikel Bei-spiele für den globalen Produkt- (M 13), den institutionellen (M 14) sowie den Faktorenwettbe-werb (M 14/M 15).

Page 31: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

31

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

M 12:

1. Nehmen Sie Stellung zu folgender Aussage: „Im Rahmen des globalen Handels ste-hen Länder mit ihren Produkten in Konkurrenz zueinander“.

2. Ermitteln Sie jeweils ein eigenes Beispiel für die drei Formen des globalen Wettbe-werbs.

M 13:

1. Erläutern Sie, inwieweit hier ein Beispiel für den Produktwettbewerb zwischen Unternehmen auf globaler Ebene vorliegt.

2. Erschließen Sie die Zielsetzungen, die das Unternehmen Hyundai auf dem deut-schen Markt verfolgt.

3. Analysieren Sie die hieraus resultierenden Folgen und Herausforderungen für den deutschen VW-Konzern.

4. Beschreiben Sie, mithilfe welcher Instrumente Automobilkonzerne generell versu-chen, sich im internationalen Wettbewerb durchzusetzen.

M 14:

1. Verorten Sie die im Artikel vorgestellten Internationalisierungsstrategien der deut-schen Chemiebranche in der Übersichtsgrafik von M 12. Begründen Sie Ihre Ent-scheidung.

2. Benennen Sie die zentralen Ziele, die die genannten Unternehmen mit der Verlage-rung von Unternehmensteilen ins Ausland verfolgen.

3. Diskutieren Sie, inwieweit hierdurch Standorte in Deutschland gefährdet oder gesi-chert werden. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

M 15:

1. Verorten Sie auch die in diesem Artikel vorgestellten Prozesse in der Übersichtsgra-fik von M 12. Begründen Sie Ihre Entscheidung.

2. Geben Sie die Einschätzungen des Handwerks-Präsidenten Otto Kentzler bzgl. der Notwendigkeit der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland in Deutschland wieder. Legen Sie dar, welche Schwierigkeiten er in diesem Zusammenhang kons-tatiert.

3. Setzen Sie sich mit der generellen Angebotssituation auf dem deutschen Markt für Fachkräfte auseinander. Überprüfen Sie, welche Rolle die Integration ausländi-scher Arbeitnehmer in Zukunft spielen wird.

Page 32: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

32

Lehrerhandreichung

M 16: Globalisierung gewinnt an Tempo/Welthandel: Studie sagt rasantes Wachstum voraus

M 17: Der Siegeszug der Megastädte

M 18: Next Eleven: Die zweite Reihe der Schwellenländer

Nach dem Einbruch des Welthandels im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2007 – 2009 war in den darauffolgenden Jahren eine deutliche Erholung der Weltkonjunktur zu erkennen. Entspre-chend positiv fallen im Jahr 2012 die Zukunftsprognosen (M 16) aus, wobei jedoch eine stellen-weise deutliche Gewichtsverlagerung der Staaten und Kontinente vorausgesagt wird.

Zunehmend größere Bedeutung fällt dabei den prominenten Schwellenländern insbesondere in Asien zu. Neben den Handelsbilanzen drückt sich dies insbesondere auch in der Entwick-lung der dortigen Handelsmetropolen und Megastädte aus, wie der Artikel in M 17 verdeutlicht.

Darüber hinaus zeigt sich, dass sich hinter den bekannten Wachstumstreibern wie China, Indi-en und Brasilien eine ganze Reihe weiterer Schwellenstaaten rasant entwickelt und in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Experten sprechen von den „Next Eleven“, die M 18 kurz vor-stellt.

M 16:

1. Fassen Sie die Prognosen bzgl. der weiteren Entwicklung des Welthandels zusam-men. Erschließen Sie die in diesem Zusammenhang relevanten Einflussfaktoren.

2. Ermitteln Sie die Wirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 auf den Welthandel. Untersuchen Sie, inwieweit diese bis heute Einfluss haben.

3. Analysieren Sie die vorausgesagten Veränderungen der Kräfteverhältnisse im internationalen Wirtschaftsgeschehen. Geben Sie dabei auch die Einschätzungen bzgl. der zukünftigen Position Deutschlands im weltweiten Geschehen wieder.

M 17:

1. Fassen Sie die Entwicklung der Handelsmetropolen und Großstädte in den wach-senden Schwellenländern zusammen. Erschließen Sie die zu erkennenden Trends.

2. Erklären Sie, inwieweit die Entstehung der Megastädte Ausdruck veränderter Kons-tellationen im globalen Handel ist.

M 18:

1. Legen Sie dar, was unter den BRIC-Staaten sowie den „Next Eleven“ verstanden wird.

2. Beschreiben Sie die in diesem Zusammenhang zu erkennenden Veränderungen der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen. Ermitteln Sie die Wirkungen und Heraus-forderungen für die deutsche und europäische Wirtschaft.

Page 33: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

33

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

M 19: Hungersnöte in Afrika

M 20: Wie kann Afrika gerettet werden?

Meldungen über Hungersnöte in Afrika schockieren regelmäßig und machen deutlich, dass ein Großteil dieses Kontinents von den Globalisierungsprozessen bis dato nicht profitiert (M 19). Eine tiefergehende Analyse macht dabei immer wieder die Vielfältigkeit und Interdependenzen der verantwortlichen Einflussfaktoren deutlich. Zugleich besteht hinsichtlich der im Rahmen der Weltgemeinschaft zu treffenden Entscheidungen und einzuleitenden Hilfsmaßnahmen wei-terhin Uneinigkeit.

M 19:

1. Ermitteln Sie Umfang und Folgen der letzten Hungerskatastrophen in Afrika.

2. Analysieren Sie die wesentlichen Ursachen der Hungersnöte. Unterscheiden Sie hierbei kurzfristig auftretende Phänomene von strukturellen Problemen.

M 20:

1. Setzen Sie sich mit der Diskussion um internationale Lösungsansätze auseinander. Arbeiten Sie hierzu die wesentlichen Einschätzungen der genannten Experten aus-einander und erschließen Sie deren unterschiedliche Positionen.

2. Diskutieren Sie folgende These: „Die zunehmende Globalisierung verschärft die Armutssituation in den afrikanischen Staaten“. Begründen Sie Ihre Einschätzung.

M 21: Globalisierung macht verwundbar

Die zunehmende Vernetzung der Welt auf allen Ebenen eröffnet viele Chancen und Möglichkei-ten, erhöht aber auch die Verwundbarkeit der Gesellschaften und Volkswirtschaften. Prozesse und Entwicklungen, die zu früheren Zeiten auf lokale oder nationale Ebenen begrenzt blieben, strahlen heute aus und zeitigen vielfältige Wirkungen rund um den Globus. Dabei kann es sich sowohl um die Ausbreitung von Krankheitserregern oder Computerviren, wie auch um die Auswirkungen von Preisentwicklungen auf internationalen Märkten handeln, wie die in diesem Material zusammengestellten Beispiele verdeutlichen.

1. Legen Sie die globalen Wirkungen der dargestellten Prozesse dar. Benennen Sie jeweils Auslöser und Betroffene.

2. Ermitteln Sie weitere Beispiele für die zunehmende „Verwundbarkeit“ von Gesell-schaften und Volkswirtschaften aufgrund der Globalisierungsprozesse.

M 22: Pro und Contra Globalisierung

Immer wieder kommt es zu Protestaktionen sogenannter Globalisierungsgegner, oftmals im Zuge großer politischer Gipfeltreffen. Diese stehen den Selbstregulierungskräften der Märkte skeptisch gegenüber und befürchten u. a., dass die Schere zwischen Arm und Reich immer

Page 34: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

34

Lehrerhandreichung

weiter auseinander geht, dass sozialstaatliche Errungenschaften und die Umwelt geopfert wer-den und dass immer weniger Großkonzerne und demokratisch nicht legitimierte internationale Institutionen Macht ausüben werden.

1. Ermitteln Sie im Rahmen einer Recherche die wesentlichen Kritikpunkte von Attac und anderen Globalisierungsgegnern an den zu beobachtenden Prozessen.

2. Arbeiten Sie heraus, inwieweit es sich bei der Gegenbewegung um eine eher homo-gene oder heterogene Sammlung von Gruppierungen handelt. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

3. Legen Sie dar, wie sich die Bedeutung des Begriffes „Globalisierung“ in den vergan-genen Jahrzehnten verändert hat

Komplex 3 „Gestaltung der Globalisierung – internationale Wirtschaftspolitik

und Kooperationen“ (M 23 – M 36)

M 23: Weltwirtschaftsordnung: Bereiche und bedeutende Institutionen

Standen im Komplex 2 die Ursachen, Erscheinungsformen und Wirkungen des Globalisierungs-prozesses im Fokus, so gilt es sich nun mit den Aspekten der Gestaltung der Globalisierung auseinanderzusetzen. Die zunehmende Vernetzung der Welt macht es auf immer mehr Feldern notwendig, nach länderübergreifenden Regelungen und Rahmenbedingungen für das wirt-schaftliche Geschehen zu suchen. Zum Einstieg liefern die beiden Grafiken eine Übersicht über die wesentlichen Handlungsfelder und Institutionen des weltpolitischen Geschehens.

1. Benennen Sie die Ihnen bekannten Institutionen der Weltwirtschaftspolitik und fassen Sie deren Funktion und Aufgaben kurz zusammen.

2. Ermitteln Sie im Internet weitere Informationen zu diesen sowie den Ihnen bislang nicht bekannten Institutionen.

3. Erklären Sie, weshalb sich die Weltpolitik lange gerade auf die Regelung der genannten Bereiche konzentriert hat. Erläutern Sie, inwieweit sich die Diskussi-ons- und Entscheidungsbereiche in den letzten Jahren erweitert haben.

M 24: Welthandelsorganisation (WTO)

M 25: WTO in Aktion

M 26: Ein Papagei namens Doha schwimmt tot im Genfer See

M 27: Pascal Lamy: „Die Welthandelsrunde ist nicht tot“

Im Rahmen der Gestaltung des weltwirtschaftlichen Geschehens nimmt die Welthandelsorga-nisation WTO eine zentrale Position ein (M 24). Ungeachtet der Tatsache, dass ihr mittlerweile

Page 35: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

35

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

mehr als 150 Staaten angehören, die sich hierüber dem Freihandel verpflichten, steht der Abbau von Handelsbarrieren weiterhin oben auf ihrer Agenda (M 25). Aufgrund vielfältiger Kontroversen und nationalstaatlicher Interessen konnte in diesem Zusammenhang das lange geplante und verhandelte Welthandelsabkommen (Doha-Runde) bis heute nicht verabschiedet werden. Und Experten sind skeptisch, ob dies überhaupt noch denkbar ist (M 26/M 27). Im Hinblick auf die Ermittlung der hierfür verantwortlichen Ursachen hilft das Analyseinstrument der Dilemmastrukturen.

M 24/M 25:

1. Fassen Sie die wesentlichen Informationen zur Welthandelsorganisation WTO zusammen. Erschließen Sie deren Stellung, Funktion und Zielsetzungen im welt-weiten Wirtschaftsgeschehen.

2. Ermitteln Sie mithilfe der Beispiele in M 24 ihre wichtigsten Aufgabengebiete. Stel-len Sie weitere aktuelle Beispiele für ihre Tätigkeiten und Entscheidungen zusam-men.

3. Erklären Sie, warum die meisten Staaten eine Mitgliedschaft in der WTO haben bzw. diese anstreben. Erläutern Sie die hiermit verbundenen nationalstaatlichen Motive.

M 26/M 27:

1. Arbeiten Sie Zielsetzungen und den Verlauf der Verhandlungen in der so genann-ten Welthandelsrunde heraus.

2. Beschreiben Sie ihren aktuellen Status. Geben Sie in diesem Zusammenhang die Einschätzungen von Experten bzgl. der Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen wieder.

3. Setzen Sie sich mit den Auswirkungen des Scheiterns der Verhandlungen für die Mitgliedsstaaten auseinander.

4. Untersuchen Sie die Ursachen der Verhandlungsschwierigkeiten. Erörtern Sie hier-zu mit Hilfe des Analyseinstrumentes der Dilemmastruktur, inwieweit einzelne (nationalstaatliche) Kosten-Nutzen-Kalkulationen die Vereinbarung kollektiv erwünschter Rahmenbedingungen verhindern.

M 28: Globales Handlungsfeld 1: Rahmenbedingungen für Finanzmärkte

M 29: Bundesministerium der Finanzen: Finanzmarktregulierung – wie geht’s?

M 30: Schonfrist für Finanzkonzerne

M 31: Der unaufhaltsame Aufstieg der Hedge-Fonds

Page 36: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

36

Lehrerhandreichung

M 32: EU-Widerstand gegen Börsensteuer

Ein zentrales Handlungs- und Entscheidungsfeld internationaler Wirtschaftspolitik ist derzeit die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die internationalen Finanz- und Kapitalmärkte. Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten eine schrittweise Deregulierung dieser Märkte erfolgte, führte die globale Finanzkrise seit 2007 zu einem breiten Umdenken bis hin zum Auf-kommen großer Protestbewegungen (Occupy).

Die aufgrund fehlender Beschränkungen möglich gewordenen Spekulationsexzesse sorgten am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts nicht für Verwerfungen in den genannten Märkten, sondern richteten weit in die Weltwirtschaft hinein Schaden an. Konjunkturelle Ein-brüche, steigende Arbeitslosenzahlen und staatliche Stützungsmaßnahmen der Bankensysteme in hohem Umfang waren die Folge. Eine genauere Analyse lässt dabei neben dem Versagen der Märkte auch ein solches staatlicher Bemühungen erkennen (vgl. Unterrichtseinheit „Unsere Wirtschaftsordnung“, S. 101 ff.). Fehlleitende Anreizsysteme ermöglichten überhaupt erst jene Formen der Spekulation, die zur Krisensituation führten, stellenweise wurden diese sogar aus nationalstaatlichen Interessen politisch forciert.

Angesichts der Verflechtungen der Finanz- und Kapitalmärkte und der hieraus resultierenden Interdependenzen der Handlungen der Marktakteure ist es unabdingbar, im Hinblick auf die Vermeidung vergleichbarer Entwicklungen in der Zukunft international gültige Regulierungen festzulegen. Die Analyse der bisherigen Verhandlungen und Entscheidungen in diesem Feld zei-gen jedoch, dass sich – ungeachtet des gemeinsamen Interesses an der Vermeidung zukünftiger Krisen – die Festlegung einheitlich gültiger Regelung aufgrund nationalstaatlicher Konkurrenz-situationen als kompliziert darstellt. Wie bereits im Falle der Analyse des Welthandelsabkom-mens und folgend der Klimapolitik kann die Nutzung des Analyseinstrumentes der Dilemma-strukturen sinnvoll sein, um die wesentlichen Ursachen der Probleme im Entscheidungspro-zess zu untersuchen. Die Schülerinnen und Schüler sollten herausarbeiten, inwieweit nationalstaatliche Interessen im Gegensatz zu kollektiven Zielsetzungen stehen und diese stel-lenweise verhindern.

1. Legen Sie dar, inwiefern die Frage der Regulierung der internationalen Finanz- und Kapitalmärkte zu einem zentralen Entscheidungs- und Handlungsfeld inter-nationaler Wirtschaftspolitik geworden ist. Benennen Sie die Gründe.

2. Erläutern Sie den in diesem Zusammenhang zu verzeichnenden Paradigmenwech-sel der Politik von der Deregulierung zur Regulierung der Märkte.

3. Erklären Sie, inwieweit die vergangene Finanzkrise nicht nur auf einem Versagen der Märkte, sondern auch auf einem Versagen staatlicher Institutionen fußte. Ver-deutlichen Sie Ihre Ausführungen anhand von Beispielen.

4. Diskutieren Sie, inwieweit es internationaler Abkommen und Vereinbarungen bedarf, sollen vergleichbare Krisensituationen in der Zukunft eingedämmt bzw. vermieden werden. Begründen Sie Ihre Einschätzungen, indem Sie u. a. die Wir-kungen rein nationalstaatlicher Entscheidungen in diesem Kontext analysieren.

5. Fassen Sie den Status der internationalen Regulierungsvereinbarungen zusam-men. Arbeiten Sie heraus, welche Entscheidungen bis dato getroffen wurden bzw. welche Vorschläge aktuell diskutiert werden.

6. Bewerten Sie die bisherigen Erfolge auf der Grundlage der vorliegenden Artikel.

Page 37: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

37

Unterrichtliche Realisierungsmöglichkeiten

7. Ermitteln Sie die wesentlichen Probleme und Konfliktlinien, die weitergehende Ent-scheidungen bislang verhindert haben. Untersuchen Sie hierbei die zugrundelie-gende Dilemmastruktur, in der nationalstaatliche Interessen mit kollektiven Ziel-setzungen in Konflikt geraten.

8. Setzen Sie sich mit den weiteren Aussichten bzgl. stärkerer Regulierungen der genannten Märkte auseinander. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

M 33: Globales Handlungsfeld 2: Klimaschutz

M 34: Lauwarmer Kompromiss

M 35: Klimaexperte Ottmar Edenhofer: „Dieses Chaos ist ineffizient“

M 36: Polen lässt den Klimafahrplan der EU scheitern

Stetiges Wirtschaftswachstum in der Welt sowie zunehmende Handelsbeziehungen sorgen für Wohlfahrtsgewinne rund um den Globus, verursachen aber gleichzeitig auch langfristige öko-logische Probleme. Insbesondere die Problematik des Klimawandels verdeutlicht dabei, dass es eine Entkopplung von Verursachern und Betroffenen gibt. Die Folgen der CO2-Emissionen bei-spielsweise bleiben nicht auf die Regionen beschränkt, in denen sie verursacht werden, son-dern zeitigen weltweite Probleme. Vielmehr ist zu erkennen, dass gerade die ärmeren, wenig industrialisierten Staaten besonders in Mitleidenschaft gezogen werden.

Klimapolitik ist deshalb nur international zu denken und zu organisieren. Wie in den zuvor behandelten Bereichen auch, stoßen dabei jedoch nationalstaatliche Interessen konflikthaft aufeinander und verhindern die Verabschiedung umfassender und global gültiger Regelungs-rahmen. Im Klimaschutz geraten dabei insbesondere ökonomische und ökologische Zielsetzun-gen immer wieder miteinander in Konflikt. Kein Industrie- und Schwellenland wird Auflagen akzeptieren, die die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen gefährden. Gleichzei-tig pochen die großen Schwellenländer immer wieder auf ihren wirtschaftlichen Nachholbe-darf und verweisen darauf, dass die heutigen Probleme weitgehend auf den Umweltverschmut-zungen der Industriestaaten der letzten Jahrzehnte basieren. Dem entsprechend konnten die bisherigen Klimagipfel kaum effiziente Ergebnisse erbringen (M 34 / M 35). Vielmehr zeigt sich, dass bereits im Rahmen der Europäischen Union die Verabschiedung gemeinsamer Positi-onen kaum zu bewerkstelligen ist (M 36).

1. Definieren Sie mit Hilfe der Übersichten in M 33 den Begriff des Klimawandels. Erläutern Sie dessen grundlegende Ursachen und Wirkungen.

2. Arbeiten Sie ebenfalls mit Hilfe der Grafiken heraus, inwieweit im Falle der Klima-schädigung eine Entkopplung von Verursachern und Betroffenen zu konstatieren ist.

3. Erörtern Sie, weshalb eine sinnvolle Klimaschutzpolitik nur auf internationaler Ebene erfolgen kann. Überprüfen Sie hierzu die Grenzen nationaler Entscheidun-gen und Maßnahmen.

4. Ermitteln Sie den Status der aktuellen Klimaschutzverhandlungen. Erklären Sie, inwieweit bzw. weshalb bis dato nur „lauwarme Kompromisse“ zu erreichen waren.

Page 38: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

38

Lehrerhandreichung

5. Erschließen Sie die wesentlichen Ursachen für die bescheidenen Verhandlungser-gebnisse. Verdeutlichen Sie am Beispiel Polens und anderer Staaten, wie national-staatliche Zielsetzungen gemeinschaftliche Beschlüsse erschweren bzw. verhin-dern.

6. Geben Sie die zentralen Einschätzungen und Bewertungen des Klimaexperten Ott-mar Edenhofer wieder.

7. Setzen Sie sich mit den Erfolgsaussichten der weiteren Klimaschutzverhandlungen auseinander. Begründen Sie Ihre Einschätzungen und diskutieren Sie mögliche Faktoren, die positive Entwicklungen fördern könnten.

8. Nehmen Sie Stellung zu folgender Aussage: „Deutschland sollte beim Klimaschutz radikal vorangehen, egal wie hoch die Kosten sind. Wenn die anderen Länder erst einmal sehen, was möglich ist, werden sie auch nachziehen.“

Komplex 4 „Praxiskontakt Global Player“ (M 37 – M 40)

M 37: Expertenbefragung

M 38: Pro- und Kontradiskussion

Die Materialen beschreiben den idealtypischen Ablauf der Methoden „Expertenbefragung“ und „Pro- und Kontradiskussion“ und liefern sowohl der Lehrkraft wie auch den Schülerinnen und Schülern jeweils Checklisten zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der genannten Methoden.

Page 39: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

39

Literaturhinweise

3. Literaturhinweise

Altmann, J. (2007): Wirtschaftspolitik. Eine praxisorientierte Einführung, 8. Auflage, Stuttgart: Lucius & Lucius

Brock, D. (2008): Globalisierung: Wirtschaft – Politik – Kultur – Gesellschaft, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Deutscher Bundestag (Hg.) (2002): Globalisierung der Weltwirtschaft (Schlussbericht der Enquete-Kommission), Opladen

Eggert, K./Kaminski, H./Koch, M. (2001): Popmusik und Ökonomie, ein Unterrichtsmodell für die Sekundarstufe II, hg. von Bertelsmann Stiftung u.a., Gütersloh: Bertelsmann Stiftung

Erf, C. (1999): Vertiefende Unterrichtseinheit „Globalisierung und Internationalisierung der Weltwirtschaft“, unveröffentlichtes Material im Schulprojekt „Wirtschaft in die Schule!“ (Bertelsmann Stiftung u. a.)

Feenstra, R. C./Taylor, A. M. (2011): International Economics, 2. Auflage, Worth Publishers

Fries, F. R. (2010): Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Norderstedt: Books on Demand GmbH

Gelbrich, K./Müller, S. (2011): Handbuch Internationales Management, München: Oldenbourg

Giese, E./Mossig, I./Schröder, H. (2011): Globalisierung der Wirtschaft, Stuttgart: UTB

Güida, J. J. (2007): Internationale Volkswirtschaftslehre: Eine empirische Einführung, Stutt-gart: Kohlhammer

Hofstede, G. J. (2011): Lokales Denken, globales Handeln: Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management, 5. Auflage, Bad Heilbrunn: Klinkhardt

Kaiser, F.-J./Kaminski, H. (2012): Methodik des Ökonomieunterrichts, 4. Auflage, Bad Heil-brunn: Klinkhardt

Kaminski, H. (1996): Ökonomische Bildung und Globalisierung, in: Unterricht Wirtschaft, H. 5, S. 3-10

Koch, E. (2006): Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Auflage, München: Vahlen

Krol, G.-J./Schmid, A. (2002): Volkswirtschaftlehre. Eine problemorientierte Einführung, 21., grundlegend überarbeitete Auflage, Tübingen: Mohr

Kruber, K.-P. (2009): Internationale Wirtschaftsbeziehungen, ÖBO-Baustein R01, 2. Auflage, Oldenburg (hg. v. Institut für Ökonomische Bildung) (nicht veröffentlicht)

Kruber, K.-P. (2009): Globalisierung der Wirtschaft – Von der Volkswirtschaft zur Weltwirt-schaft, in: May, H. (Hg.): Handbuch zur Ökonomischen Bildung, 9. völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, München/Wien: Oldenbourg.

Krugman, P. R./Ostfels, M. (2009): Internationale Wirtschaft: Theorie und Politik der Außen-wirtschaft, 8., aktualisierte Auflage, München: Pearson

Lemke, C. (2008): Internationale Beziehungen, 2. Auflage, München: Oldenbourg

Luckenbach, H. (2009): Grundlagen der internationalen Wirtschaftspolitik, München: Vahlen

Mayer, T./Meyer, R./Miliopolus, L./Ohly, H. P./Weede, E. (Hg.) (2011): Globalisierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Morasch, K./Bartholomae, F. (2011): Internationale Wirtschaft, Stuttgart: UTB

Page 40: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

40

Lehrerhandreichung

Niederberger, A./Schink, P. (Hg.) (2011): Globalisierung: Ein interdisziplinäres Handbuch; Stutt-gart: Metzler

Ohr, R. (Hg.) (2009): Internationalisierung der Wirtschaftspolitik, Berlin: Duncker & Humboldt

Rauscher, M. (2010): Globalisierung, ÖBO-Baustein R02, 2. Auflage, Oldenburg (hg. v. Institut für Ökonomische Bildung) (nicht veröffentlicht)

Rehbein, B./Schwengel, H. (2008): Theorien der Globalisierung, Konstanz: UKV

Rodrik, D. (2011): Das Globalisierungs-Paradox, München: Beck

Rübel, G. (2009): Grundlagen der monetären Außenwirtschaft, 3. Auflage, München: Olden-bourg

Samuelson, P. A./Nordhaus, W. D./Berger, R./Hilgner, B. (2010): Volkswirtschaftslehre. Das internationale Standardwerk der Makro- und Mikroökonomie, 4. Auflage, Landsberg: Moder-ne Industrie

Scherrer, C./Kunze, C. (2011): Globalisierung, Stuttgart: UTB

Schösser, H. J./Weber, B./Kaminski, H. (2001): Wirtschaft in der Schule, Gütersloh: Bertels-mann Stiftung

Schimmelfennig, F. (2008): Internationale Politik, Paderborn: Schöningh

Schirm, S. A. (Hg.) (2006): Globalisierung. Forschungsstand und Perspektiven, Baden-Baden: Nomos

Schumann, H./Grefe, C. (2008): Der globale Countdown. Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung – Die Zukunft der Globalisierung, Köln: Kiepenheuer & Witsch

Sperber, H./Sprink, J. (2007): Internationale Wirtschaft und Finanzen, München: Oldenbourg

Steffens, G. (2006): Politische und ökonomische Bildung in Zeiten der Globalisierung. Eine kri-tische Einführung, Münster: Westfälisches Dampfboot

Steinbach, J. (2009): Globalisierung, Berlin: LIT

Stiglitz, J. E. (2006/2008): Die Schatten der Globalisierung, 2. Auflage: Leipzig: Goldmann/ München: Pantheon

Thurow, L. (2004): Die Zukunft der Weltwirtschaft, Frankfurt/New York: Campus

Wagner, H. (2009): Einführung in die Weltwirtschaftspolitik, München: Oldenbourg

Weeber, J. (2011): Internationale Wirtschaft, 2. Auflage, München: Oldenbourg

Zywietz, T./Lau, A./Gäng, H (2010): Globalisierung zwischen Krise und Boom, Stuttgart: local global GmbH

Page 41: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

41

Verknüpfung mit wigy-Angeboten

IV. Verknüpfung mit wigy-Angeboten

Im Rahmen der Kooperation zwischen dem Handelsblatt und dem Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, in deren Rahmen die vorliegende Unterrichtseinheit entstanden ist, spielen die Angebote des wigy e. V. eine wesentliche Rolle.

wigy setzt sich als Initiative mit vielfältigen Angeboten und Aktivitäten dafür ein, die ökonomi-sche Bildung als Bestandteil eines modernen Inhaltsprofils allgemeinbildender Schulen in Deutschland zu verankern.

Gemeinsam mit engagierten Partnern und Förderern verfolgt wigy folgende Ziele:

■■ Verbesserung des unternehmerischen Denkens und der Ausbildungsfähigkeit der Schüle-rinnen und Schüler (z. B. mithilfe von Schülerfirmen).

■■ Unterstützung von Lehrkräften verschiedener Schulformen und Schulstufen durch Unter-richtsmaterialien und curriculare Konzepte sowie Best-Practice-Beispiele ihrer Kollegen (z. B. Schulversuche oder Unterrichtsprojekte).

■■ Unterstützung beim Aufbau systematischer Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte in der ökonomischen Bildung. Nähere Informationen finden Sie auch unter www.ioeb.de.

■■ Schaffung und Anpassung politischer Rahmenbedingungen für die Etablierung der ökono-mischen Bildung im allgemeinbildenden Schulwesen.

■■ Auf- und Ausbau eines Netzwerks von Schule, Wissenschaft, Wirtschaft und Bildungspolitik für einen stetigen Informations- und Kommunikationsaustausch in der ökonomischen Bildung.

Unter www.wigy.de werden rund 2000 Angebote für einen modernen und praxisorien-tierten Wirtschaftsunterricht aller Schulformen und Schulstufen bereitgestellt. Eine Such-funktion ermöglicht eine gezielte Materialienauswahl. Das Angebot an Arbeitsblättern, Unter-richtseinheiten, Übungsmaterialien usw. wird kontinuierlich erweitert.

Page 42: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

42

Verknüpfung mit wigy-Angeboten

Kennenlernen und MitmachenIm Portrait des wigy e. V. erfahren Sie mehr über die Geschichte und die Zielsetzungen des Vereins. Sie können hier den Vereinsvorstand sowie die Kooperationspartner des wigy e. V. kennenlernen und sich über eine Mitgliedschaft bei wigy informieren.

AktuellesHier finden Sie aktuelle Meldungen aus der ökonomischen Bildung und Hinweise zu Veranstal-tungen und neuesten Publikationen.

wigy für Lehrkräfte und ReferendareLehrkräfte und Referendare erhalten hier zahlreiche Angebote für einen modernen Wirt-schaftsunterricht. Dazu gehören Unterrichtseinheiten, Arbeitsblätter und multimediale Ange-bote, die für den direkten Einsatz im Unterricht bereits didaktisch aufbereitet sind.

wigy für SchulenUm das wirtschaftliche Grundwissen und die Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schü-ler zu fördern, erhalten die Schulen hier die Möglichkeit, nach speziellen Inhaltsbereichen für gewünschte Schulformen und Schulstufen auszuwählen.

Page 43: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

43

Verknüpfung mit wigy-Angeboten

wigy für Unternehmen/InstitutionenUnternehmen und Institutionen können mit wigy den Kontakt zu Auszubildenden und Mitar-beitern von morgen pflegen. Sie können vom Austausch mit anderen Unternehmen profitieren und ihrer sozialen Verantwortung Ausdruck verleihen.

wigy in den Bundesländernwigy engagiert sich bundesweit für die ökonomische Bildung. Neben einem umfangreichen Onlinepool für allgemeinbildende Schulen aller Bundesländer stellt wigy bereits für einzelne Bundesländer individuelle Angebote zur Verfügung. Neben den bestehenden Kooperationen mit Niedersachsen, Bremen und Hamburg können weitere Bundesländer diesem Beispiel fol-gen.

Onlinepool: UnterrichtsmaterialienHier finden Sie zahlreiche Materialien zur Gestaltung eines modernen Wirtschaftsunterrichts zu allen relevanten Inhaltsaspekten – vom einzelnen Arbeitsblatt über Stundenentwürfe bis hin zu komplexen Unterrichtseinheiten. Der Zugang ist auf die Mitglieder des wigy e. V. beschränkt.

Rund um den UnterrichtHier bietet wigy einen großen Fundus an Unterrichtsmaterialien, Methodenbeispielen und wei-teren Unterrichtshilfen für alle Schulformen.Dazu gehören auch Angebote, die durch die Kooperation zwischen dem Handelsblatt und dem Institut für Ökonomische Bildung entstanden sind. Diese Unterrichtseinheiten zu ausgewählten Themen wie „Innovationen“, „Unternehmen und Strukturwandel“ etc. können Sie sich hier als pdf-Dokument herunterladen oder als Printversion direkt beim Handelsblatt bestellen.

Handelsblatt macht SchuleIm Rahmen der oben beschriebenen Kooperation gelangen Sie von hier direkt zu den Angebo-ten von „Handelsblatt macht Schule“.

netz:werk/VeranstaltungenZur Förderung ökonomischer Grundbildung wird insbesondere der kontinuierliche Austausch zwischen Akteuren aus Schule, Wirtschaft und Wissenschaft vertieft. Die netz:werk Veranstal-tungen tragen dazu bei, den Informations- und Kommunikationsaustausch in der ökonomi-schen Bildung zu fördern.

Praxiskontaktewigy unterstützt seine Mitglieder bei Kontaktwünschen zwischen Schulen, Unternehmen und Verbänden, bei der Durchführung von Praktika sowie bei Fragen der Qualifizierung oder der schulischen Profilbildung.

Berufsorientierung und StudienwahlIn dieser Rubrik finden Sie Informationen rund um die „Berufsorientierung und Studienwahl“ in allgemeinbildenden Schulen. Neben fachwissenschaftlichen Beiträgen zur Diskussion vom Übergang von der Schule in das Berufsleben werden allgemeine Konzepte und curriculare Vor-gaben zur Berufsorientierung vorgestellt.

Page 44: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

44

Verknüpfung mit wigy-Angeboten

BibliothekIn der Bibliothek finden Sie ein Glossar mit wirtschaftlichen Grundbegriffen, interessante Materialien, Informationen über Neuerscheinungen und Anregungen rund um die ökonomi-sche Bildung. Die wigy-Bibliothek umfasst zudem eine umfangreiche Linksammlung und Medientipps.

KontaktAnregungen und Themenwünsche für neue Unterrichtsmaterialien, Informationen zu Schul-projekten oder Fragen zur wigy-Mitgliedschaft können Sie im Feedbackbereich mitteilen.

Login – MitgliederEinige Supportangebote stehen exklusiv wigy-Mitgliedern zur Verfügung. Ein persönliches Login ermöglicht den uneingeschränkten Zugriff auf alle wigy-Angebote.

In der Datenbank des wigy e. V. sowie unter www.handelsblattmachtschule.de finden sich im Archiv von „Wirtschaft aktuell im Unterricht“ über 1.600 für den Unterricht aufbereitete Handelsblatt-Artikel, beispielsweise die folgenden:

Stahlindustrie: Auf in die Schwellenmärkte (07.03.2012)Der Artikel fasst das aktuelle Geschehen auf dem globalen Markt für Stahl zusammen.

Die Schülerinnen und Schüler können insbesondere die aktuelle Entwicklung der Nachfrage sowie wesentliche Einflussfaktoren hierauf ermitteln. Gleichzeitig können sie die Stellung der deutschen Stahlindustrie in diesem Markt erfassen und sich mit den Internationalisierungsstra-tegien der Branche auseinandersetzen.

Griechenlands Wirtschaft: Fische, Tabak und Oliven (28.02.2012)Artikel und Grafiken analysieren die volkswirtschaftliche Struktur Griechenlands.

Die Schülerinnen und Schüler können diese u. a. herausarbeiten und mit jener Deutschlands vergleichen. Dabei können sie insbesondere die wesentlichen strukturellen Probleme des Lan-des ermitteln und im Anschluss die Erfolgsaussichten aktueller Rettungsmaßnahmen analysie-ren und bewerten.

Anti-Piraterie-Abkommen (ACTA): Pro und Contra (15.02.2012)Das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA sorgt derzeit für starke Kontroversen, wie die hier gegen-übergestellten Kommentare verdeutlichen.

Die Schülerinnen und Schüler sollen u. a. den Grundgedanken des Schutzes geistigen Eigen-tums im Rahmen marktwirtschaftlicher Ordnungen erfassen sowie Entstehung, Eckpunkte und Zielsetzungen des o. g. Abkommens ermitteln. Insbesondere sollen sie aber die hierüber ent-brannte Diskussion sowie die Argumente der Befürworter und Gegner einander gegenüberstel-len und bewerten.

Page 45: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

45

Materialien

V. Materialien

Der „Materialienpool“ in diesem Kapitel gibt Ihnen eine Auswahl an Texten, Schaubildern, Grafiken und Zeitungsartikeln. Sie können für Ihren Unterricht flexibel aufgaben- und zielbezogen darauf zurück-greifen. Gleichzeitig bieten sich Ihnen an verschiedenen Stellen Mög-lichkeiten des Einsatzes komplexer, aktiver Lehr- und Lernverfahren des Ökonomieunterrichts.

Die Materialien bieten Ihnen eine Auswahl an Artikeln zum Thema „Globalisierung“, die im Handelsblatt erschienen sind. Damit Sie das ganze Jahr lang auf aktuelle Handelsblatt-Artikel zurückgreifen kön-nen, haben wir in der Rubrik „Unterrichtsmaterial“ auf unserer Web-seite www.handelsblattmachtschule.de und der Internetpräsenz des wigy e.V. (www.wigy.de) den Bereich „Wirtschaft aktuell im Unter-richt“ eingerichtet. Dort finden Sie tagesaktuelle Handelsblatt-Artikel, die für den direkten Einsatz im Unterricht didaktisch aufbereitet wurden. Versehen mit Arbeitsanweisungen und Kompetenzformulie-rungen können Sie so auch „last minute“ einen spannenden Wirt-schaftsunterricht gestalten.

Übrigens: Das Handelsblatt zum Einsatz im Unterricht

Sie können Ihren Unterricht jetzt durch tagesaktuelle Handelsblatt-Ausgaben ergänzen und die Zeitung kostenlos als Klassensatz bestellen. Der Einsatz des Handelsblatts im Unterricht soll dazu beitragen, schon bei Jugendlichen Interesse und Verständnis für ökonomische Zusammenhänge zu wecken. Gleichzeitig fördert er die Medienkompetenz der Schüler. Die Klassensätze können Sie als Lehrer kostenlos unter www.handelsblattmachtschule.de/info für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen, täglich oder tageweise und in einer flexiblen Stückzahl bestellen.

Page 46: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

46

M 1

Globalisierung wohin man sieht

Abbau von Handelsbarrieren kommt nicht voran

Weltbank: Erfolg beim Kampf gegen Armut

Die Weltwirtschaft bestätigt ihren Aufwärtstrend

Airbus könnte Großauftrag aus China verlieren

Reiselust der Deutschen ist ungebrochen

Stahlindustrie: Auf in die Schwellenländer

EU-Staaten streiten um Klimaschutzziele

(Handelsblatt.com, 04.06.2011)

(Handelsblatt, 01.03.2012)

(Handelsblatt, 02.03.2012)

(Handelsblatt, 02.03.2012)

(Handelsblatt, 02.03.2012)

(Handelsblatt, 07.03.2012)

(Handelsblatt, 08.03.2012)

Page 47: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

47

M 1

Rohstoffe: Deutsche Industrie entdeckt Kanada

China mit hohem Handelsdefizit

BRIC-Staaten: Das Ende des weltweiten Turbo-Wachstums

Europas Luftfahrtmanager befürchten Handelskrieg

Widerstand gegen Börsensteuer

Klimawandel: Ernten weltweit in Gefahr

US-Paketdienst greift Deutsche Post in Europa an

(Handelsblatt, 09.03.2012)

(Handelsblatt, 12.03.2012))

(Handelsblatt, 13.03.2012)

(Handelsblatt, 13.03.2012)

(Handelsblatt, 14.03.2012)

(Handelsblatt, 19.03.2012)

(Handelsblatt, 20.03.2012)

Page 48: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

48

M 1

Zeitungsanalyse

Analysieren Sie eine Woche lang die Berichterstattung im Handelsblatt oder einer ande-ren überregionalen Tageszeitung. Ermitteln Sie aktuelle Entwicklungen im internationa-len Wirtschaftsgeschehen und sortieren Sie diese in der folgenden Matrix ein:

Meldung/Datum Kurzbeschreibung des Sachverhaltes ökonomische/politische Analyseaspekte

„Automobilmarkt: Rabattschlacht in China“ (21.03.2012)

Die Nachfrage nach Personenwagen in China sinkt derzeit. Deutsche Hersteller versuchen mit deutlichen Preisnachlässen ihren Marktanteil zu halten

■ internationaler Wettbewerb auf Gütermärkten

■ Export/Import

■ Internationalisierungsmotive und –strategien deutscher Unternehmen

Page 49: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

49

5

10

15

M 2

Der Sektor „Ausland“ und Gründe für Außenhandel

Alle ausländischen Anbieter und Nachfrager von Sachgütern und Dienstleistungen, die mit der inländischen Wirtschaft in Im- und Exportbeziehungen treten, werden unter dem Begriff Ausland zusammengefasst. Die Bezeichnungen Import und Export stehen für Geld- und Güterströme zwischen inländischer und ausländischer Wirtschaft. Im Wirtschaftskreislauf werden jedoch nicht die realen, sondern die monetären Ströme abgebildet. Deswegen verlaufen die Ausfuhren (Exporte) vom Sektor Ausland zum Sek-tor Unternehmen. Entsprechend verlaufen die Einfuhren (Importe) vom Sektor Unter-nehmen zum Sektor Ausland. Wenn die Exporte eines Landes höher ausfallen als die Importe, entsteht ein Exportüberschuss, auch positiver Saldo genannt. Die Folge für das Inland ist ein Überschuss an Devisen und damit eine Zunahme des Geldvermögens. Die Forderungen des Inlands gegenüber dem Ausland steigen daher. Übersteigen die Importe die Exporte, spricht man von einem Importüberschuss, auch negativer Saldo genannt. Die Folge sind wachsende Verbindlichkeiten gegenüber der ausländischen Wirtschaft.

Märkte

MärkteSachgüter,

Dienstleistungen,

Rechte

Wirtschaftsordnung/Weltwirtschaftsordnung

Page 50: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

50

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

M 2

Die klassische Außenhandelstheorie

Der internationale Handel ist bestimmt durch natürliche und kostenbedingte Gründe. Ein natürlicher Grund für internationalen Handel besteht dann für ein Land, wenn ein bestimmtes Gut im eigenen Land nicht existent ist oder durch das Fehlen eines oder mehrerer Produktionsfaktoren nicht produziert werden kann. Dabei spielt die Verteilung der Rohstoffe bzw. Energieträger auf der Welt eine entscheidende Rolle. Deutschland verfügt beispielsweise über keine Goldminen und auch Kiwis reifen unter den hiesigen klimatischen Bedingungen schlecht. Doch auch wenn bestimmte Güter im Land vorhan-den sind, gibt es Motive, die für den Import sprechen, so machen beispielsweise Kosten- und Preisvorteile ausländischer Anbieter diese Güter attraktiv. Das Traumauto kann man in Belgien eventuell viel günstiger erwerben als in Deutschland. Umgekehrt können Kos-tenvorteile im Inland Anreize für die ausländische Nachfrage darstellen. Kostenbedingte Gründe für internationalen Handel beziehen sich häufig auf günstigere Rohstoffpreise sowie billigere Halb- und Fertigprodukte.

Zwei wesentliche Motive für internationalen Handel sollen in einem kurzen Überblick angerissen werden:

Aus unterschiedlichen Gründen können Güter in einem Land nicht hergestellt werden: Notwendige Produktionsfaktoren, d.h. Natur, Arbeit, Wissen und Kapital fehlen, verfüg-bare Produktionsfaktoren werden ineffizient eingesetzt oder die Produktion bestimmter Güter im Inland wird durch äußere Einflüsse verhindert.

Natürlich stellt jedes Land Überlegungen an, wie der Gütermangel behoben werden kann. Zuallererst besteht die Möglichkeit, auf ein nicht verfügbares, aber entbehrliches Gut einfach zu verzichten. Ist das Gut nur zeitweilig nicht verfügbar, können auch Ein-sparungen weiterhelfen. Denkbar ist ebenso eine Ersetzung des Gutes durch ein anderes Produkt, indem dieses z.B. synthetisch hergestellt wird. Am naheliegendsten ist es jedoch, das benötigte Gut zu importieren. Bei fehlerhaftem bzw. gestörtem Einsatz von Produktionsfaktoren bedarf es vor allem politischer Ansätze, um Planungsdefizite zukünftig zu vermeiden. Wirtschaft vollzieht sich jedoch in Kreisläufen, und um eine ausgeglichene Handelsbilanz sicherzustellen, müssen im Gegenzug inländische Güter exportiert werden.

Nicht nur der Mangel an Produktionsfaktoren, auch eine Überversorgung mit Rohstof-fen, Halb- oder Fertigerzeugnissen stellt einen Grund für internationalen Handel dar. Ein Über angebot an Gütern in einem Land führt zu Überlegungen, wie man Überschüsse absetzen kann („vent-for-surplus“-Theorie = Ventil für Überschüsse). Als prominentes Beispiel seien die gigantischen Agrarüberschüsse der Europäischen Union z.B. an Getrei-de, Rindfleisch und Butter erwähnt, die, sofern sie nicht vernichtet werden, zu subventi-onierten Dumpingpreisen exportiert werden. Ein Überangebot an bestimmten Gütern entsteht in vielen Fällen durch bewusste Spezialisierung. Unternehmen produzieren über die Nachfrage im eigenen Land hinaus und benötigen den Weltmarkt als Ventil für ihre Überschussproduktion. Auf diese Weise können Kapazitäten ausgelastet und die Möglichkeiten der Kostendegression ausgenutzt werden. Problematisch für ein Land ist die Abhängigkeit von den Erlösen aus einigen wenigen Exportgütern. Dies kann ein Land zwingen, seine Exportgüter weit unter ihrem Wert zu ungünstigen Preisen auf dem Weltmarkt zu verkaufen, damit überhaupt Erlöse zurückfließen, Devisen eingenommen und dafür wiederum wichtige Güter eingeführt werden können.

Kosten- und Preisvorteile stellen einen weiteren Grund für den internationalen Handel dar: Bestimmte Produkte können im Ausland günstiger produziert werden als in Deutschland, umgekehrt bieten Kostenvorteile in Deutschland bei anderen Produkten

Page 51: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

51

70

75

80

85

90

95

100

105

110

115

120

M 2

einen Anreiz für die ausländische Nachfrage. Kostenunterschiede ergeben sich hinsicht-lich der Quantität und der Qualität der verfügbaren Produktionsfaktoren:

■ Umwelt/Boden: In welchem Ausmaß und in welcher Qualität stehen Bodenschätze, Rohstoffe und Energiequellen zur Verfügung? Welche Klimabedingungen herrschen, von welcher Qualität sind die Bodenflächen?

■ Arbeitskraft/Wissen: Welches Arbeitskräftepotenzial und welche Leistungsbereit-schaft ist vorhanden? Auf welche Weise kommen neue Informations- und Kommuni-kationstechnologien zur Anwendung?

■ Kapitalausstattung: Wie ist der technische Stand der Produktionsanlagen? Welche Investitionsbedingungen sind in einem Land gegeben?

Absolute Kostenvorteile

Klassischerweise liegt die Vorteilhaftigkeit des internationalen Handels in den absoluten Kostenvorteilen für die Länder, eine Begründung, die auf den Gründungsvater der Wirt-schaftswissenschaft, Adam Smith, zurückgeht. Er wollte aufzeigen, dass der Außenhan-del wie auch die Aufteilung der Arbeit auf die gesamte Völkergemeinschaft allen beteilig-ten Ländern Vorteile bringt. Wichtig ist dabei seiner Ansicht nach, dass jedes Land die Güter produzieren soll, die es billiger herstellen kann als das Ausland. Diese kostengüns-tig hergestellten Güter können dann gegen die Güter eines anderen Landes getauscht werden. Die Vorteile bestehen vor allem in der Spezialisierung eines Landes auf die Pro-duktion bestimmter Güter und den daraus resultierenden Handel, denn auf diese Art ist es dem Land möglich, die vorhandenen Arbeitskräfte produktiver einzusetzen. Würde jedes Land alle Güter selbst produzieren, um sich selbst zu versorgen, müssten die Arbeitskräfte eine Vielzahl von Gütern herstellen und für kein Gut könnte ein Kostenvor-teil erwirtschaftet werden. Der Außenhandel ermöglicht es den Ländern, über eine höhere Zahl von Gütern verfügen zu können als bei der reinen Selbstversorgung. Adam Smith war seiner Zeit durch die Etablierung der Außenhandelstheorie weit voraus. Die absoluten Herrscher seiner Epoche (dem 18. Jhdt.) waren überzeugt vom Merkantilis-mus, der auf weitgehender wirtschaftlicher Autonomie und der Selbstversorgung eines Landes beruht, um unabhängig von Importen aus anderen Ländern zu sein. Der Außen-handel des Merkantilismus war darauf ausgerichtet, auf Kosten anderer Länder zu gewin-nen. Adam Smith entwickelt in seiner Außenhandelstheorie jedoch den Ansatz, dass der Handel mit Gütern, auf deren Produktion sich ein Land spezialisiert hat, letztlich mehr Wohlstand für dieses Land generiert. Er sieht in der internationalen Arbeitsteilung die Möglichkeit einer Steigerung der internationalen Produktivität. Der Wohlstand eines Lan-des erreicht dann den höchsten Stand, wenn ein Land seine absoluten Kostenvorteile nutzt, in dem es sich auf die Produktion jener Güter spezialisiert, die es am kostengüns-tigsten herstellen kann. Ein absoluter Kostenvorteil kann sich jedoch ebenso ergeben, wenn man ein qualitativ gleichwertiges ausländisches Produkt (einschließlich Transport- und Zollkosten) kostengünstiger als das entsprechende einheimische Produkt erwerben kann. Um die Vorteile von Arbeitsteilung und Spezialisierung realisieren zu können, wird der internationale Handel gebraucht und gleichzeitig gefördert.

Komparative Kostenvorteile

Die Überlegungen von Adam Smith können jedoch nicht erklären, warum Länder Güter exportieren, die keine absoluten Preisvorteile besitzen. Eine Weiterentwicklung erfolgte durch David Ricardo, der eines der berühmtesten Theoreme der Wirtschaftswissen-schaften formuliert hat: jenes der komparativen Kostenvorteile. Es besagt, dass ein Land die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung für sich nutzen kann, indem es sich auf

Page 52: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

52

125

130

135

140

150

155

160

165

M 2

jene Güter spezialisiert, für die es komparative Kostenvorteile besitzt. Nach Ricardos Ansicht bestehen Gründe für einen Handel zwischen zwei Ländern, wenn ein Land A alle Produkte kostengünstiger herstellen kann als der Handelspartner Land B. Das Theo-rem der komparativen Kosten erklärt der amerikanische Nobelpreisträger für National-ökonomie, Paul A. Samuelson, an folgendem Beispiel:

„Ein Rechtsanwalt ist zugleich der beste Anwalt und der beste Schreibmaschinen-Schrei-ber seiner Stadt. Wird er sich nicht trotzdem auf seine Anwaltspraxis spezialisieren und das Maschine schreiben seiner Sekretärin überlassen? Er kann es sich nicht leisten, wert-volle Zeit, in der er als Anwalt tätig sein könnte, zu verlieren, um seine Schreibmaschi-nenarbeiten zu erledigen. Denn aus der Ausführung seiner Anwaltstätigkeit erzielt er einen erheblichen komparativen Vorteil, wohingegen er aus seinem Schreibmaschine schreiben zwar einen absoluten, aber keinen komparativen Nutzen zieht. Oder betrach-ten wir es mit den Augen der Sekretärin. Sie ist ihrem Chef in beiden Tätigkeiten unterle-gen. Doch ist ihr Nachteil im Schreibmaschine schreiben relativ am geringsten. So gese-hen, verfügt sie beim Maschine schreiben über einen komparativen Vorteil.“ (Quelle: Samuelson, P. A./ Nordhaus, W. D. (1998): Volkswirtschaftslehre, 15. A., Wien Ueberreuther, 778)

Das Ricardo-Theorem erfasst die Komplexität des internationalen Handels nicht vollstän-dig, dennoch ist seine grundsätzliche Bedeutung nicht zu unterschätzen.

Weiterentwicklungen und ergänzende Erklärungsansätze

(1) Faktor-Proportionen-Theorem (Heckscher/Ohlin)

Während das Ricardo-Theorem auf den Produktivitätsunterschieden, genauer auf der unterschiedlichen Arbeitsproduktivität basiert, haben die Schweden Heckscher und Ohlin untersucht, welchen Einfluss die Faktorausstattung eines Landes im Hinblick auf die komparativen Kostenvorteile hat: Je reichlicher ein Land mit einem bestimmten Fak-tor ausgestattet ist, desto relativ günstiger werden die Preise des Faktors sein. Es geht also nicht darum, welche Länder absolut gesehen über mehr Kapital oder mehr Arbeiter verfügen. Vielmehr kommt es auf das Verhältnis an, in dem diese Faktoren in den Län-dern vorhanden sind. Nach dem Heckscher-Ohlin-Theorem wird ein Land beispielsweise das kapitalintensivere Produkt exportieren, wenn Kapital relativ reichlich vorhanden ist, dagegen das arbeitsintensivste Produkt bei relativ reichlich vorhandenen Arbeitskräften. Die Faktorproportionen-Theorie beschäftigt sich mit den Proportionen, in denen unter-schiedliche Produktionsfaktoren in verschiedenen Ländern verfügbar sind und in der Produktion eingesetzt werden.

Alle bisherigen Ansätzen weisen als Gemeinsamkeit eine volkswirtschaftliche Perspekti-ve auf. Wir wissen aber: Nicht Länder, sondern Unternehmen treiben Handel. In den Abschnitten (2) und (3) werden zwei Ansätze der Betriebswirtschaftslehre vorgestellt, die die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung aus der Sicht von Unternehmen her-vorheben.

Page 53: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

53

170

175

180

190

195

200

205

M 2

(2) Produktlebenszyklustheorie (Vernon/Hirsch)

Wie ändern sich komparative Vorteile im Laufe der Zeit? Wie kann ein Land seine kom-parativen Vorteile beeinflussen und gestalten? Die Produktlebenszyklustheorie ist eine Weiterentwicklung des Faktorproportionen-Theorems und geht auf die Amerikaner Ver-non und Hirsch zurück. Diese Theorie geht davon aus, dass ein neues Produkt drei Lebensphasen durchläuft:

Umsatz

Zeit

Innovationsphase Ausreifungsphase Sättigungsphase

Innovationsphase (Einführung)

Ein neues Produkt wird zunächst nur auf dem heimischen Markt eingeführt und gewinnt langsam Marktanteile. Bei der Entwicklung eines neuen Produkts wird für die Überwindung technologischer Hindernisse relativ viel qualifizierte Arbeitskraft benö-tigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Großteil an neuen Produkten von amerika-nischen Firmen entwickelt und verkauft. Der große US-Markt bot amerikanischen Fir-men starke Anreize, neue Konsumprodukte zu entwickeln. Durch Überlegungen, wie die Produktion dieser Güter rationalisiert werden kann, konnten die anfänglich hohen Investitionen in die Arbeitskraft schnell durch eine immer kostengünstiger werdende Fertigung ausgeglichen werden.

Ausreifungsphase

In dieser Phase etabliert sich das Produkt am heimischen Markt. Das Produkt wird exportiert, auch im Ausland steigen seine Marktanteile. Da die Reifephase beim Aufbau der Produktionskapazität einen vergleichsweise großen Kapitaleinsatz auf hohem techni-schem Niveau fordert, steht die Produktmengenexpansion im Vordergrund. Hat das Pro-dukt dieses Stadium des Lebenszyklus erreicht, imitieren andere Unternehmen im In- und Ausland dieses Produkt in zunächst billigerer und weniger hochwertigen Qualität. Um den sogenannten Me-Too-Produkten, den Imitationen des ursprünglichen Produkts, entgegenzuwirken, kann das Unternehmen selbst mit der Errichtung zusätzlicher Pro-duktionsstätten im entwickelten Ausland reagieren und erreicht damit eine Verlänge-rung einer monopolähnlichen Marktstellung.

Sättigungsphase (Standardisierung)

Das Produkt entsteht in dieser Phase in Serienfertigung bzw. in standardisierter Massen-produktion. Der Kapitaleinsatz verringert sich, der Einsatz von qualifizierter Arbeitskraft ist im Gegensatz zu den vorangegangenen Produktionsphasen nicht mehr im gleichen Maß erforderlich. In dieser Phase haben geringer entwickelte Länder oftmals Wettbe-werbsvorteile. Sie produzieren kostengünstiger, und das kann dazu führen, dass das Innovationsunternehmen selbst nicht mehr konkurrenzfähig ist. Die Produktion wird z.B. in Entwicklungsländer verlagert.

Page 54: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

54

210

215

220

225

230

235

240

M 2

(3) Wettbewerbsmodell (Porter)

Michael Porter, Professor an der Harvard-Business-School, stellte Ende des 20. Jahrhun-derts die Frage, warum einige Länder in bestimmten Industriezweigen besonders erfolg-reich sind. Nach Porter gibt es gute und weniger gute Bedingungen für die Wettbe-werbsfähigkeit, wobei nicht die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, sondern die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen oder Branchen gemeint ist. Die „Diaman-tentheorie“ besagt, dass die Wettbewerbsfähigkeit von vier Haupt- und zwei Nebenele-menten der Gesamtwirtschaft eines Landes abhängt. Diese Elemente entscheiden darü-ber, ob Innovationen gefördert, neue Produktionsverfahren umgesetzt und Wissen und Fähigkeiten zügig verbreitet werden (vgl. Perlitz 2000, 159). Die vier Hauptelemente der Diamantentheorie sind

■ die Faktorausstattung (Menge und Qualität der Einsatzfaktoren, der Qualifikations-stand der Arbeitskräfte, die Infrastruktur usw.),

■ die Nachfragebedingungen (z.B. die Marktgröße, das Anspruchsniveau der Konsu-menten an Produkt- und Dienstleistungen),

■ verwandte und unterstützende Branchen (z.B. das Vorhandensein von Unternehmens-clustern, die evtl. auch international wettbewerbsfähig sind),

■ Unternehmensstrategien, Struktur und Konkurrenz (z.B. Anzahl der konkurrierenden Unternehmen, Intensität des Wettbewerbs in einer Branche, Struktur privater und staat licher Unternehmen).

Unternehmensstrategie,

Struktur und

Wettbewerb

verwandte und

unterstützende

Branchen

Zufall Staat

Nachfrage-

bedingungen

Faktor-

bedingungen

Zu diesen vier Hauptelementen kommen zwei Nebenbedingungen: der Zufall und der Staat. „Zufallsereignisse“ können für die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit außeror-dentlich wichtig sein (vgl. z.B. Entdeckungen, größere technologische Umbrüche in den Bereichen der Biotechnologie und Mikroelektronik, Auswirkungen von Erdölkrisen auf Preise, umfangreiche Verschiebungen auf den Weltfinanzmärkten, Kriege).

Die Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit scheitert allerdings, wenn staatliche Politik der einzige Ursprung eines Wettbewerbsvorteils ist: Der Staat kann bestenfalls die Chancen von Branchenunternehmen fördern, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, ihn aber selbst nicht schaffen.

Page 55: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

55

245

250

255

260

M 2

(4) Intraindustrieller Handel

Beim „intraindustriellen Handel“ findet Im- und Export mit ähnlichen oder gleichen Gütern zwischen sehr ähnlichen Ländern (Industrieländern) statt. Der intraindustrielle (auch: intrasektorale) Handel bestimmt etwa die Hälfte des gesamten Welthandels. Über den intraindustriellen Handel – die Automobilindustrie ist hierfür ein typisches Beispiel – lassen sich einige allgemeine Aussagen treffen. Die gehandelten Waren unterscheiden sich kaum im Hinblick auf die Kapital- und Arbeitsintensität, mit der sie hergestellt wor-den sind. Dies gilt ebenfalls für die Faktorproduktivitäten der Technologien, mit denen sie produziert worden sind. Die beteiligten Länder sind weiterhin auf einem vergleichba-ren technologischen Stand. Intraindustrieller Handel tritt hauptsächlich bei Produkten des verarbeitenden Gewerbes auf, sehr viel weniger bei Rohstoffen und Vorprodukten. Entsprechend ist intraindustrieller Handel bei Industrieländern stärker ausgeprägt als bei Entwicklungsländern. Ungleich entwickelte Länder betreiben eher interindustriellen Handel (Import und Export höchst unterschiedlicher Güter zwischen Ländern mit unter-schiedlichen Entwicklungsgraden). Der Handel der hochentwickelten Länder ist mit ca. drei Viertel des Gesamthandels in extremem Maße intraindustriell. Die hohe Bedeutung des intraindustriellen Handels hat v. a. zwei Ursachen:

■ Die Bedürfnisse und Wünsche der Konsumentinnen und Konsumenten werden immer spezieller und differenzieren sich weiter aus.

■ Technologische Entwicklungen ermöglichen mit wachsender Geschwindigkeit stetig neue Produktvarianten und Innovationen.

Page 56: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

56

5

10

15

20

25

30

M 3

Was ist Globalisierung?

Der Begriff „Globalisierung“ beschreibt deutlich mehr als den globalen Austausch von Waren und Dienstleistungen. Diesen gibt es praktisch solange man denken kann, man erinnere nur an die chinesische Seidenstraße oder an die Reisen von Marco Polo und Christopher Columbus. Den Begriff der Globalisierung benutzt man jedoch in der öffent-lichen Diskussion umfassend erst seit den 1980er Jahren.

Globalisierung betrifft fast alle Lebensbereiche: Konsum und Lebensformen, Politik, Recht, Technik. Um es mit Kurt Tucholsky zu sagen: „Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten“. Ob Finanzkrise, Schweinegrippe oder Computervirus… stets hat man es mit Prozessen zu tun, deren Ursprung zwar zu lokalisieren, deren Verbreitung in die Welt aber kaum aufzuhalten ist. Dies ist ein Merkmal der Globalisierung.

Es handelt sich also um Prozesse, die nationalstaatliche Grenzen überwinden, zur Aus-weitung und Intensivierung wissenschaftlich-technischer, ökonomischer, politischer und soziokultureller Beziehungen zwischen den Kontinenten führen und schließlich den gesamten Erdball umspannen. In wirtschaftlicher Hinsicht steht v. a. die zunehmen-de Schaffung globaler Märkte für Sachgüter, Dienstleistungen und Kapital über die Libe-ralisierung, Deregulierung und Verknüpfung der nationalen und regionalen Märkte im Vordergrund.

Das alles vollzieht sich in hohem Tempo. Denken Sie nur an die Entwicklungen in den letzten zehn Jahren, die durch das Internet ausgelöst wurden. Das Alltagsgeschehen ist hiervon maßgeblich betroffen: Neue Kommunikationsformen entstehen und lösen stel-lenweise alte ab, die Distribution von Produkten verändert sich und Informationen aus aller Welt stehen unmittelbar weltweit zur Verfügung.

Die Wirkungen der Globalisierung werden dabei unterschiedlich eingeschätzt und kont-rovers diskutiert. Immer wieder treffen Globalisierungsbefürworter auf Globalisierungs-gegner und werden die positiven den negativen Effekten entgegengehalten. Während beispielsweise die einen in der Globalisierung die Ursache vieler Armutsprobleme in der Welt sehen, verstehen die anderen die Globalisierung gerade als Instrument, Armut zu überwinden.

Quelle: unbekannt

Page 57: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

57

40

50

55

60

65

M 3

Die globale Aufspaltung von Produktionsprozessen

Globalisierung und Welthandel drücken sich nicht nur in Export- und Importquoten aus. Die Verlagerung von Unternehmen und Produktionsstätten ins Ausland sowie die globale Aufteilung von Produktionsprozessen sind wesentliche Charakteristika der globalen Ökonomie. Produziert wird dort, wo es am günstigsten ist. Und das gilt keineswegs nur für fertige Produkte, sondern bereits für Vorprodukte und kleine Komponenten alltägli-cher Güter. Der Grund liegt insbesondere in den sehr niedrigen Transportkosten bei Massengütern.

Globaler Wettbewerb

Auf Märkten für Güter und Dienstleistungen findet man heute vielfach internationalen Wettbewerb. Wichtig ist folgende Einsicht: Es sind Unternehmen, und nicht ganze Staa-ten, die internationalen Handel betreiben. Dies wird in den Medien häufig anders darge-stellt. Doch stehen im Zuge der Globalisierung auch Staaten zunehmend im internationa-len Standortwettbewerb.

Entwicklungen auf den globalen Kapitalmärkten

Der Abbau von Beschränkungen und Kontrollen im Kapitalverkehr in den 1970er Jahren und der rasante Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnolo-gien ermöglichen es Konsumenten und Unternehmen heute, ihr Kapital weltweit dort anzulegen, wo die höchsten Erträge erwartet werden. Kein anderer Bereich ist durch die Globalisierung so beschleunigt worden wie der internationale Kapitalverkehr, kein Gut so mobil wie Kapital. Gigantische Summen jagen täglich praktisch ohne Transaktions-kosten und Zeitverzögerung rund um die Welt, den höchsten Renditen hinterher. Insbe-sondere seit Mitte der 1980er Jahre hat der Kapitalexport stark zugenommen. Die inter-nationalen Wirtschaftsbeziehungen verlagern sich seitdem tendenziell vom Warenhandel zum Finanzhandel, die hier zu verzeichnenden Summen liegen somit um ein Vielfaches über denen des Handels mit Gütern und Dienstleistungen.

Die einzel- und gesamtwirtschaftlich positiven Effekte hieraus gehen allerdings mit hohen Risiken einher, wie spätestens seit der Finanzkrise 2007 ff. deutlich zu spüren ist.

Page 58: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

58

M 4

Leitbilder der internationalen Wirtschaftspolitik:

Freihandel vs. Protektionismus

Der Außenwirtschaftspolitik von Staaten oder Staatengemeinschaften (z.B. der EU) liegt in der Regel ein Leitbild zugrunde, welches Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der internationalen Handelsbeziehungen hat. Diese Leitbilder sind die des „Freihandels“ und des „Protektionismus“. Nachfolgend werden Idealtypen beschrieben, die in keiner Volks-wirtschaft in Reinform vorhanden sind. Die Leitbilder haben einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung internationaler Institutionen und Organisationen.

Freihandel

Freihandel meint, den internationalen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr von allen Einschränkungen und Behinderungen zu befreien. Grundlage ist die Idee des Wirt-schaftsliberalismus: Im uneingeschränkten Wettbewerb setzen sich danach die besten Güter und Produktionsmethoden durch, die freie Preisbildung nach Angebot und Nach-frage sorgt für den bestmöglichen Ausgleich zwischen den Interessen der Produzenten und Konsumenten und die Arbeitsteilung erhöht den Wohlstand der Länder. Obwohl jeder sein Eigeninteresse verfolgt, gewinnen alle (vgl. A. Smith). Ordnungspolitisch ent-spricht dieses Leitbild jenem der freien Marktwirtschaft, d.h. der Entscheidungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte wird oberste Priorität eingeräumt. Der Staat gewährleistet diese Entscheidungsfreiheit durch ein Regelwerk.

Protektionismus

Beim Protektionismus oder Außenhandelsmonopol wird vom Grundsatz der zentralen Planung der Außenwirtschaftsbeziehungen ausgegangen. Eine Entscheidungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte ist nicht gegeben und nur der Staat ist berechtigt, die außenwirt-schaftlichen Beziehungen abzuwickeln und zu kontrollieren. Generelles Ziel protektio-nistischer Maßnahmen ist der Schutz der einheimischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz. Zu diesem Zweck werden mit unterschiedlichen Instrumenten Ausfuhren erleichtert und Einfuhren erschwert.

Page 59: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

59

5

10

15

25

35

40

50

M 5

Was kann gegen Freihandel sprechen?

1. Vermeidung von einseitigen Produktionsstrukturen

Arbeitsteilung nach dem Prinzip der komparativen Kostenvorteile könnte dazu führen, dass ein Land sich auf nur ein Produkt spezialisiert, das zudem möglicherweise eine geringe Einkommenselastizität [Produkte die immer ungefähr gleich stark nachgefragt werden unabhängig davon, ob das Einkommen sinkt oder steigt] aufweist (beispielswei-se landwirtschaftliche Produkte). Auf längere Sicht würde diese Ausrichtung der Pro-duktion die Entwicklungschancen eines Landes beeinträchtigen. Die Sicherheit der Ein-nahmen aus Exportgeschäften wäre auf Dauer gefährdet, wenn die Spezialisierung zu einseitigen Produktstrukturen und damit zu einer unerwünscht starken Abhängigkeit von der Preisentwicklung auf Auslandsmärkten führt. So sind beispielsweise Länder, deren Ausfuhr sich auf ein Hauptprodukt (Kaffee, Baumwolle usw.) stützt, völlig von den Weltmarktpreisen abhängig, die zudem – abhängig von der Ernte – stark schwanken. Ein-kommensunelastische Produkte (z.B. landwirtschaftliche Güter, viele Rohstoffe) haben außerdem weniger wachstums trächtige Märkte im Vergleich zu Industriegütern oder Dienstleistungen.

2. Sicherung der Versorgung

Wenn ein Land im Zuge der Spezialisierung auf die Herstellung wichtiger Güter verzich-tet (z.B. landwirtschaftliche Produkte, Kohle als Energieträger), kann die Sicherheit der Versorgung in Krisensituationen gefährdet sein. Ebenso ist ein Staat im Falle der Ver-nachlässigung wichtiger Produktionen ausländischem Druck (Erpressung) ausgeliefert. Daher wird jedes Land ein gewisses Maß an Autarkie, also Unabhängigkeit von Einfuh-ren, anstreben. Dabei gilt es jedoch sehr sorgfältig zu prüfen, ob den hohen volkswirt-schaftlichen Kosten tatsächlich eine sichere Versorgung gegenübersteht.

3. Sicherung der Arbeitsplätze

Internationale Arbeitsteilung mit uneingeschränktem Freihandel kann Arbeitsplätze gefährden. Dies geschieht dann, wenn es sich um Wirtschaftszweige handelt, die einen relativen Preisnachteil haben. Ihr Output und ihre Beschäftigung gehen zurück. In die-sem Fall sind sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer betroffen, die sich dann häufig politisch organisieren, um dadurch institutionelle Regelungen (Schutzzoll, Subventio-nen) zum Schutz des Sektors durchzusetzen. Allerdings wird hierbei das Argument unberücksichtigt gelassen, dass Importschutz langfristig dem geschützten Sektor scha-det, da der fehlende Wettbewerbsdruck keine Anstrengung zur Kostensenkung und Qualitätsverbesserung der Produkte erzwingt. Auch werden volkswirtschaftliche Res-sourcen gebunden, die für andere Zwecke fehlen (z.B. Förderung der deutschen Stein-kohle versus Verbesserung des Bildungssystems).

4. Verbraucher- bzw. Umweltschutzgründe

Vorschriften für Gesundheits- und Umweltschutz sind notwendig und fördern Wohl-fahrt. Technische Normen bewirken Standardisierung sowie Rationalisierung, außerdem verbessern sie zusätzlich die Möglichkeit zu internationaler Arbeitsteilung. Werden sol-che Vorschriften jedoch diskriminierend in dem Sinne eingesetzt, dass ausländische Anbieter höheren Anforderungen unterliegen als einheimische, können sie zu Handels-hemmnissen werden und auf subtile Weise als protektionistisches Instrument genutzt

Page 60: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

60

60

70

80

85

M 5

werden. Die Übergänge zwischen legitimen Schutzzwecken (Gesundheit oder Umwelt-schutz) und protektionistischer Diskriminierung von Konkurrenten sind fließend.

5. Kurzfristig auftretende Zahlungsbilanzengpässe

Der Einsatz protektionistischer Maßnahmen kann das Ziel verfolgen, über die Drosse-lung von Importen eine Verminderung eines Leistungsbilanzdefizits herbeizuführen. Dies gilt jedoch allenfalls als kurzfristige Problembeseitigung. Eine Lösung des Leis-tungsbilanzproblems erfordert währungs- und strukturpolitische Maßnahmen, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft verbessern.

Quelle: Kruber, K.-P. (2004): Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Sekundarstufe II, Auflage

1 (Ökonomische Bildung kompakt 6), Westermann Verlag

Handelsbeschränkungen als Instrumente der Außenwirtschaftspolitik

Internationaler Handel ist stets auch internationale Wirtschaftspolitik. Interessenpolitik einzelner Länder und Machtverhältnisse in internationalen Institutionen spielen eine große Rolle. Dies zeigt sich an den zähen Verhandlungen, die über Handelsfragen geführt werden und oft zu faulen Kompromissen führen. Ergebnisse sind Quoten, Selbst-beschränkungen und sonstige protektionistische Maßnahmen, die Länder oder Branchen benachteiligen und so einen internationalen Wettbewerb verhindern. Hierfür steht ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung.

Tarifäre Handelshemmnisse

Zölle – die klassischen tarifären Handelshemmnisse – sind Abgaben, die beim grenz-überschreitenden Warenverkehr vom Staat erhoben werden. Zölle dienen dem Staat zum einen als Einnahmequelle, zum anderen ermöglichen sie den Schutz bestimmter nationa-ler Wirtschaftszweige. Unterschieden werden diese Abgaben auf Im- und Exporte nach der mit ihnen verbundenen Zielsetzung, nach der Bemessungsgrundlage (spezifische Zölle (z.B. 500 pro Tonne Bananen) und Wertzölle (z.B. 10% auf den Preis der Bananen an der Grenze) sowie entsprechend der „Bewegungsrichtung“ (Im- und Exportzölle) der Güter.

Page 61: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

61

90

95

105

M 5

Beispiel Agrarmarkt

Ein Beispiel für einen effizienten Schutzzoll findet sich im Agrarmarkt der Europäischen Union, denn hier werden die Landwirte durch Abschöpfungen vor Agrarimporten geschützt. Für Agrareinfuhren wird ein Mindestpreis (Schwellenpreis) festgelegt, der in der Regel über dem Weltmarktpreis liegt. Die Differenz zwischen Weltmarktpreis und Schwellenpreis muss ein Importeur als Abschöpfung an die EU bezahlen. Schwankungen der Weltmarktpreise haben also keinen Einfluss, da Einfuhren nicht billiger als zum vor-gegebenen Schwellenpreis auf den heimischen Markt kommen.

Eine Einfuhrbeschränkung ist auch durch Kontingente gegeben. Dabei handelt es sich um mengenmäßige, manchmal auch wertmäßige Einfuhrbeschränkungen zugunsten der heimischen Wirtschaft. Schließlich bestehen auch Ausfuhr- und Einfuhrverbote für bestimmte, „unerwünschte“ oder gefährliche Güter.

Nicht-tarifäre Handelshemmnisse

Besonders kreativ werden Länder, wenn es um den Einsatz nicht-tarifärer Handelshemm-nisse geht. Hier handelt es sich um mehr oder weniger versteckte Einschränkungen zum Schutz der eigenen Wirtschaft. Es sind Maßnahmen und Vorschriften, die mit protektio-nistischer Absicht erlassen wurden – von bis zu 1000 verschiedenen wird gesprochen. Immer dann, wenn eine heimische Branche in Bedrängnis gerät, wird der Ruf nach Schutzmaßnahmen laut. Es ist also eine Frage der Sichtweise, ob etwas ein Handels-hemmnis oder Schutz darstellt.

Page 62: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

62

M 6

Abbau von Handelsbarrieren kommt nicht voran

Ein Bericht der [EU-Kommission] stellt massive Hindernisse beim Zugang zu den Märk-ten von sechs strategischen Wirtschaftspartnern der EU heraus. Dies sind China, Indien, Russland, Japan und Mercosur (Brasilien/Argentinien) sowie die USA. Auf diese sieben Länder entfielen im vergangenen Jahr 45,7 Prozent des EU-Handels mit Waren und 44,8 Prozent der gewerblichen Dienstleistungen. Der Anteil der EU an ausländischen Direkt-investitionen in den Ländern lag bei knapp 48 Prozent.

Zwar gebe es vereinzelt Fortschritte bei der Beseitigung von Barrieren, sagt EU-Handels-kommissar Karel De Gucht. So fielen in Indien zum Beispiel die Ausfuhrbeschränkungen für Baumwolle. Und die USA verlängerten ihre umstrittene „Buy American“-Politik nach Auslaufen einer entsprechenden Gesetzgebung im September 2011 nicht. Zudem hat die Welthandelsorganisation WTO Chinas restriktiver Ausfuhrpolitik bei ausgewählten Roh-stoffen einen Riegel vorgeschoben.

Doch wichtige Auslandsmärkte geben Europas Unternehmen noch nicht den Zugang, den diese sich erhoffen. „Protektionismus ist eine ständige Bedrohung. Wir müssen noch aufmerksamer werden und uns noch stärker darum bemühen, die Offenheit der Märkte weltweit zu gewährleisten“, betont Kommissar De Gucht. Fakt ist: Fällt die eine Barriere weg, taucht an anderer Stelle eine neue auf. Unternehmen sehen sich sowohl durch Auf-lagen hinsichtlich des Inlandsanteils der Produktion diskriminiert wie auch durch über-zogene Normungsanforderungen und restriktive Verfahren im öffentlichen Beschaf-fungswesen. Weltweit gibt es heute mehr als 400 verschiedene Handelsbeschränkungen.

Deutschlands Wirtschaft nimmt zwar die kleinen Fortschritte zur Kenntnis. Entwarnung gibt sie aber nicht. „Ob es sich um argentinische Importlizenzen, brasilianische Import-steuer auf Fahrzeuge oder chinesische Exportverbote von Rohstoffen handelt: Gegen zunehmend unfaire Handelspraktiken müssen sich Bundesregierung und Europäische Kommission auf nationaler, EU- und internationaler Ebene entschlossen einsetzen“, for-dert der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier.

Quelle: Ludwig, T., Handelsblatt, Nr. 042, 28.02.2012, 15

Page 63: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

63

M 7

Der weltweite Handel mit Gütern und Dienstleistungen

165

138

108

180

308

177 184

168

108

198

134

148

123

128

85

98

79

88

53

85

Nordamerika956

Lateinamerika148

Europa3 998

Russland/GUS109

Afrika62

Nah-ost89

Asien/Pazifik2 464

+ 31,0 %

+ 30,6

+ 29,9

+ 26,7

+ 25,7

+ 22,6

+ 12,3

+ 21,7

Asien/Pazifik

GUS/Russland

Afrika

Lateinamerika

Nordamerika

Europa

Welt

330

416

413

801

524

808

471

Nahost

Globale Handelsströme

© Globus 4785

intraregionaler Handel (innerhalb der jeweiligen Region)

interregionaleHandelsströme (ab 50 Mrd. US-Dollar)

Anstieg der Exporte 2010 gegenüber 2009 in %

Warenhandel 2010 in Milliarden US-Dollar

Quelle: World Trade Organization

Quelle: Globus

Anteil amweltweitenExport in %

Anteil an derWeltbevölkerungin %

Anteil an der globalenWirtschaftsleistung*in %

10,0

28,3

8,5

4,3

1,7

4,6

4,9

1,9

17,8

Die Kraftzentren der Weltwirtschaft

19,9

*Bruttoinlandsprodukt Stand 2009 Quelle: IWF © Globus 4162

USA 20,4

Euro-Zone 15,1

China 12,6

Japan 6,0

Indien 5,1

Quelle: Globus

Page 64: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

64

M 7

600

800

1000

+ 95,5+ 132,8 + 129,9

+ 156,1 + 158,2 + 159,0+ 195,3 + 178,3

+ 138,7 + 154,9 + 158,1

2011 vorläufigrundungsbed. DifferenzQuelle: Stat. Bundesamt

Deutschlands Außenhandelin Milliarden Euro

© Globus 4787

Ausfuhr

Einfuhr

Handelsüberschuss

902,0

797,1

664,6

805,8769,9

734,0

628,1

575,4534,5518,5542,8

638,3 651,3664,5

731,5

786,3

893,0

965,2984,1

803,3

952,0

1 060,1

20112010200920082007200620052004200320022001

Quelle: Globus

Page 65: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

65

M 8

Verbindung von inländischer und ausländischer Wirtschaft

In Deutschland hängt jeder fünfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export ab. Dies betrifft auch jene Arbeitsplätze, die mit Zubehör, Material, Versicherungs- oder Trans-portleistungen zum Exportgeschäft beitragen. Insgesamt stellen ungefähr 7,4 Millionen Menschen Güter und Dienstleistungen für ausländische Märkte her. In den Bereichen Wasser-, Schienen- und Luftfahrzeuge, Metalle, Halbfertigprodukte, Büromaschinen, EDV-Geräte, Schifffahrt, Chemie, Nachrichtentechnik, Elektronik u.a. sind 75–90% der Erwerbstätigen für die Ausfuhr tätig. Hieraus leitet sich eine wesentliche Bedeutung des Außenhandels für die deutsche Wirtschaft ab: Sicherung und Ausbau von Arbeitsplätzen in der Exportwirtschaft.

Faktorbewegung

Außenhandel

inländischeWirtschaft

Abfluss (Zufluss)

von Direkt-

und Portfolio-

investitionen

Kooperationen,

internationale

Organisationen

Import/

Export von

Dienstleistungen

Import von

Vorprodukten

Emigration

(Immigration)

Technologie-

transfer

geleistete

(empfangene)

Zinszahlungen,

Übertragungen

Handel mit

Waren

Page 66: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

66

M 9

Gründe und Formen der Internationalisierung von Unternehmen

Beispiel Adidas, Hauptsitz: Herzogenaurach

Zentrale Einkaufs- undBeschaffungsorganisation(Asien)

StrategieplanungKoordination und Marketing:Herzogenaurach, Deutschland

Distribution/Vertrieb:Nordamerika

Distribution/Vertrieb:Afrika

Distribution/Vertrieb:Europa Einkauf: Asien

Produktion: China, Indo-nesien, Korea und Taiwan

Distribution/Vertrieb:Südamerika Distribution/Vertrieb:

Australien

Logistik: Hongkong

Gründe für eine Internationalisierung von Unternehmen:

1. Gründung eines Tochterunternehmens (greenfield start)

2. Sättigung des inländischen Marktes (Erschließung neuer Märkte),

3. Risikostreuung durch Einbezug zusätzlicher Märkte (Diversifikation),

4. Auslastung vorhandener Fertigungskapazitäten durch internationale Distribution (Kapazitätsauslastung),

5. Streben nach Markt- und Kundennähe (Service),

6. Verbesserung des Ansehens als einheimischer Produzent und Arbeitsplatzanbieter (Image),

7. Verbesserung der Kostensituation (günstigere Löhne, Materialien, Grundstücke – Unter nehmen nutzen Standortvorteile im Ausland),

8. Ausweichmöglichkeiten bei Währungsverschiebungen (Abrechnung in Landeswäh-rung),

9. Nutzung von fremdem Know-how (Synergiepotenziale),

10. Umgehung von protektionistischen Handelsbeschränkungen,

11. Überwindung von Markteintrittsbarrieren (Transaktionskosten!).

Quelle: vgl. Hofstede, G./Hofstede, G. J. (2011): Lokales Denken, globales Handeln –

Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management, 5. Auflage, München dtv, 452 ff.

Page 67: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

67

M 9

Arten von Internationalisierungen

Gründung eines Tochterunternehmens (greenfield start)

1. Übernahme im Ausland: Ein einheimischer Betrieb wird in seiner Gesamtheit von einem Käufer im Ausland aufgekauft.

2. Internationale Fusion: Ähnlich der Übernahme, aber die Partner sind ungefähr gleich groß und gleich bedeutend.

3. Aufbau eines gemeinschaftlichen Unternehmens durch zwei oder mehrere Partner (Joint-venture): Ein solches Unternehmen kann ganz von vorne, als „greenfield start“ beginnen, oder der einheimische Partner bringt einen Teil seiner Leute in das neue Unternehmen ein.

4. Zusammenarbeit mit einem ausländischen Partnerunternehmen für eine begrenzte Zeit: Die beteiligten Partner arbeiten bei bestimmten Produkten oder auf bestimmten Märkten zum gegenseitigen Nutzen zusammen.

Quelle: Hofstede, G. (2001): Lokales Denken, globales Handeln; München: DTV, 313 ff.

Unterschiedliche Rahmenbedingungen

internationalerWettbewerbsraum

internationalerPolitikraum

internationalerKulturraum

internationalerWährungsraum

Page 68: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

68

M 9

Wenn ein Unternehmen über Grenzen hinweg agieren will, muss es sich auf unter-schiedliche institutionelle Rahmenbedingungen einstellen. Es existieren z.T. sehr ver-schiedene politische, rechtliche, wirtschaftliche und soziokulturelle Ordnungen im Aus-land, deren Beachtung für den erfolgreichen internationalen Handel unbedingt erforder-lich ist. Zu den Rahmenbedingungen zählen u. a.

■ politische Risiken (Instabilität, Terrorakte, internationale Konflikte),

■ natürliche Gegebenheiten (klimatische und topografische Bedingungen, logistische Infrastruktur),

■ rechtlich-politische Normen,

■ soziale Beziehungen und Bindungen,

■ kulturell bedingte Wertvorstellungen (informelle Institutionen) und der

■ technologische Entwicklungsstand.

Drei Typen international tätiger Unternehmen

1. Das internationale Unternehmen betreibt selektive Auslandsgeschäfte. Im Mittel-punkt der Geschäftsstrategie steht die Konkurrenz auf dem Binnenmarkt.

2. Das multinationale Unternehmen ist mit Hilfe ausländischer Produktionsstätten und Tochtergesellschaften auf internationalen Märkten vertreten. Die Unternehmensfüh-rung ist weitgehend dezentral organisiert, damit die Tochtergesellschaften optimale Strategien entwickeln können.

3. Das globale Unternehmen (Global Player) will sich mit internationalen Produkten Welt markt anteile sichern. Strategische Planung und Koordination der Geschäftstätig-keit erfolgen zentral. Global Player standardisieren ihre Produkte weltweit, steuern Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Marketing zentral, kon-zentrieren Forschung und Entwicklung und Produktion auf wenige Länder, verlagern die Wertschöpfung im Produktionsbereich überwiegend in Länder mit niedrigem Lohn niveau.

Page 69: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

69

5

10

15

20

25

M 10

Ursachen der Globalisierung

Technologische Einflussfaktoren

Es liegt auf der Hand, dass technologische Erfindungen und Weiterentwicklungen star-ken Einfluss auf die Globalisierung haben. Der Welthandel profitiert maßgeblich von niedrigen Transportkosten bei Massengütern, die ohne die Erfindung und Etablierung des Schiffscontainers und moderner Informationstechnologien nicht realisierbar wären. Grundsätzlich lässt sich festhalten: „Erfindungen lassen die Welt schrumpfen“. Der Öko-nom Sir Alec Cairncross sprach in diesem Zusammenhang vom „Tod der Entfernung“. Konnte man beispielsweise 1840 mit einer Kutsche an einem Tag max. 384 km bewälti-gen, so waren es ab 1850 mit den Dampfloks schon max. 2.400 km. Mit heutigen Passier-flugzeugen wiederum legt man ca. 980 km in der Stunde zurück, d. h. max. 18.000 km am Tag. Hiermit steigen ohne Frage die Möglichkeiten der Reise und des Transportes von Gütern, gleichzeitig verändert sich aber auch die Betrachtung von der Welt. Und was die Übermittlung von Informationen angeht, so ist bezüglich des Weges von der Postkut-sche bis zum heutigen E-Mail-Verkehr per Mausklick und dem Twittern nicht nur auf-grund der Geschwindigkeiten, sondern auch angesichts der Quantitäten von einer ande-ren Dimension zu sprechen.

Politische Einflussfaktoren

Grundlage für die Globalisierung sind insbesondere auch politische Entwicklungen wie der Zusammenbruch der ehemals zentralverwaltungswirtschaftlichen Systeme in Osteu-ropa. Das Entstehen und die Erweiterung der Europäischen Union stellen ein besonders gutes Beispiel dar. Die größte Zahl der Exporte von Deutschland geht in die europäi-schen Nachbarstaaten. Grundlage hierfür ist der EU-Binnenmarkt, in dessen Grenzen Sachgüter und Dienstleistungen weitgehend unbeschränkt fließen können. Gleiches gilt

Page 70: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

70

30

35

40

45

50

55

M 10

für Arbeitnehmer, die nach dem Prinzip der – theoretisch (oder nahezu) – uneinge-schränkten Arbeitsplatzwahl agieren können. Die historische Dimension dieser Entwick-lung wird heute nur noch selten gewürdigt, ist aber angesichts der durch Feindschaft und Kriege charakterisierten Vergangenheit in Europa nicht hoch genug zu bewerten.

Ökonomische Einflussfaktoren

Ökonomische Einflussfaktoren hängen oft unmittelbar mit den politischen Prozessen zusammen. Denn dort, wo politische Rahmenbedingungen verändert werden, verändern sich auch die wirtschaftlichen Prozesse. Im Falle des Übergangs von den planwirtschaft-lichen zu den marktwirtschaftlichen Systemen in Mittel- und Osteuropa bedeutet dies konkret eine Öffnung gegenüber dem Welthandel und damit eine Ausweitung der Han-delsbeziehungen in diesen Ländern und Regionen. Auch die Entstehung neuer Wachs-tumszentren in Asien oder Südamerika kann hierzu gezählt werden. Neue Wachstums-märkte entstehen, aber auch eine veränderte Konkurrenzsituation für die Unternehmen der „alten“ Industriestaaten. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der zunehmenden weltpoliti-schen Relevanz dieser Staaten. Global relevante Entscheidungen werden immer seltener in der G8-, sondern immer öfter in der G20-Runde getroffen.

Soziokulturelle Einflussfaktoren

Schließlich spielen auch veränderte soziokulturelle Bedingungen eine wichtige Rolle, wobei diese stellenweise auch das Ergebnis der Globalisierung sind. Die Menschen wer-den mobiler, das Interesse an und die Tolerierung von anderen Kulturen nehmen zu. Par-allel gleichen sich Lebensstile, Konsumgewohnheiten und Wertvorstellungen an vielen Stellen an. Traditionelle kulturelle Barrieren werden abgebaut, „Weltoffenheit“ entwi-ckelt sich zusehends. Der moderne Bürger hört Musik, sieht Filme, liest Bücher aus aller Welt, reist im Urlaub ins Ausland oder arbeitet dort, konsumiert kulinarische Spezialitä-ten aus fernen Ländern und ist interessiert an den internationalen politischen und wirt-schaftlichen Entwicklungen.

Page 71: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

71

5

10

15

20

25

30

35

M 11

Ein Sachverhalt, mehrere Sichtweisen

Die Vor- und Nachteile eines freien Außenhandels werden von unterschiedlichen Perso-nen je nach ihrer beruflichen Stellung und Betroffenheit sehr unterschiedlich gesehen.

1. Beispiel:„Das mit den Importen in die Bundesrepublik geht schon in Ordnung“, sagt Karl Winter. „Natürlich kaufe ich deutsche Produkte, wenn der Preis stimmt, aber ich habe zu Hause drei Kinder und kann mein Geld nicht verschwenden. Diese Schuhe kommen aus Korea, diese T-Shirts kommen aus Hongkong. Und sie sind wirklich viel billiger als deutsche Produkte.“

2. Beispiel:Franz Müller hat seinen Job verloren, als die Schuhfabrik in der Stadt pleiteging. Einige bekamen noch Arbeit im Hauptwerk, das 200 Kilometer vom jetzigen Standort und Wohnort entfernt ist, aber die meisten Arbeitsplätze gingen verloren, weil sie nicht mit der Konkurrenz aus Ostasien mithalten konnten. Franz ist verbittert. Zwar hat er eine neue Arbeit bekommen, aber er erhält einen geringeren Stundenlohn. „Hätte die Regie-rung nicht den billigen Produkten aus Ostasien Tür und Tor geöffnet, hätte ich vielleicht noch meinen Job.“

3. Beispiel:Politiker: „Wenn wir erst anfangen, unsere Grenzen für ausländische Produkte zu schlie-ßen, dann ruhen sich unsere Firmen auf ihren Lorbeeren aus. Die Produkte werden zu teuer, weil es keine Konkurrenz gibt und der Zwang, wettbewerbsfähig zu bleiben, reicht nicht aus. Damit erweisen wir unserem Land insgesamt nur einen Bärendienst. Hinzu kommt, dass wir schließlich auch Produkte ausführen wollen. Wer kauft unsere Produkte, wenn wir selbst im Ausland keine kaufen wollen? Wir können doch nicht ein-seitig aus dem Ausland nur für uns Vorteile ziehen.“

4. Beispiel:Betriebsrat Uwe Pantel: „Mit den niedrigen Lohnkosten der Ostasiaten können wir doch überhaupt nicht konkurrieren. Und wenn wir die hohen Subventionen sehen, die der Staat dort noch zahlt, nein, dagegen kommen wir nicht an. Wir müssten unseren Zweig-betrieb schließen, um nicht das ganze Werk zu gefährden. Es ist schon bitter für uns als Betriebsrat, der ganzen Sache zustimmen zu müssen. Wie soll das noch weitergehen...?“

Page 72: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

72

5

10

15

20

25

M 12

Institutioneller Wettbewerb

Stellen wir uns nur zwei Länder A und B vor, in denen Produktionsunternehmen ver-gleichbare Güter herstellen.

Produkt-

wettbewerb

Institutioneller Wettbewerb

u. Standortwettbewerb

Faktorpreis-

wettbewerb

Inland

Regierung

Unternehmen

Arbeit Kapital

U1 U...U2

Ausland

Regierung

Unternehmen

Arbeit Kapital

U1 U...U2

Im internationalen Handel konkurrieren die Unternehmen mit ihren Produkten auf den Märkten, man spricht vom „Produktwettbewerb“. Hierbei spielt die Qualität und Ausge-staltung der Produkte eine wichtige Rolle, z. B. im Automobilmarkt. Eine entscheidende Komponente ist jedoch der Preis. Können die Unternehmen des Landes A ihre Produkte wesentlich günstiger anbieten als die Konkurrenten im Land B, so werden sie eine höhe-re Nachfrage generieren.

Ursache hierfür könnten z. B. niedrigere Herstellungskosten sein, weil etwa die Durch-schnittslöhne in Land A deutlich unter denjenigen des Landes B liegen. Die Unterneh-men des Landes B werden deshalb versuchen, ihre Produktion dorthin zu verlagern, wo die Löhne ein vergleichbares oder niedrigeres Niveau aufweisen. Es entsteht also zwi-schen den Unternehmen der Länder Wettbewerb um Produktionsfaktoren, wozu neben Arbeitskraft v. a. auch das Kapital zählt. Man spricht vom Faktorpreiswettbewerb.

Die Regierungen der beiden Staaten stehen diesem Wettbewerb nicht neutral gegenüber. Ihr Interesse ist es u. a., Produktionsstandorte soweit möglich im eigenen Land zu erhal-ten bzw. diese auszubauen. Dies schafft Arbeitsplätze und damit Wohlstand und sorgt für staatliche Einnahmen in Form von Steuern und Abgaben. Daher werden die Regie-rungen und politischen Entscheidungsträger versuchen, konkurrenzfähige Rahmenbe-dingungen für Unternehmen zu schaffen. Der Standortwettbewerb spielt wirtschaftspo-litisch eine große Rolle. Keine Unternehmenssteuerdebatte kommt beispielsweise ohne den Verweis darauf aus.

Page 73: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

73

5

10

15

20

25

30

M 13

Hyundai startet in Europa einen neuen Angriff auf Volkswagen

Der VW-Rivale will die Schuldenkrise nutzen, um den Marktanteil zu steigern. Gemeinsam mit der Schwestermarke Kia attackieren die Koreaner den Wolfsburger Konkurrenten. Der neue Angstgegner aus Asien wird immer stärker.

Der von Volkswagen als wichtiger Konkurrent ausgemachte koreanische Autohersteller Hyundai macht Druck. Der Konzern, der mit seiner Schwestermarke Kia, erstmals dieses Jahr auf Rang vier der absatzstärksten Automobilkonzerne aufsteigt, will in Europa im nächsten Jahr weiter angreifen. „Für das kommende Jahr haben wir uns vorgenommen, unseren Marktanteil von derzeit drei Prozent in Europa auf 3,5 Prozent zu erhöhen – und 2015 wollen wir dann fünf Prozent erreicht haben“, sagte der stellvertretende Europa-chef von Hyundai, Allan Rushforth, dem Handelsblatt. […]

Der Autokonzern aus Korea, der in den vergangenen Jahren fast unbemerkt zu einem Branchenriesen mit mehr als sechs Millionen verkauften Autos aufgestiegen ist […] bleibt dem Konkurrenten Volkswagen damit auf dessen wichtigen Heimatmarkt auf den Fersen. VW-Boss Martin Winterkorn hat Hyundai als gefährlichen Wettbewerber ausge-macht und war im Herbst auf der Autoshow IAA dabei gefilmt worden, wie er das neue Kompaktmodell Hyundai i30 anerkennend inspizierte – was sich zum Renner auf der Videoplattform Youtube entwickelte.

Hyundai nimmt das Interesse der Wolfsburger sportlich. „Natürlich freut es uns, dass ein wichtiger Wettbewerber sich von der Qualität unserer Autos beeindruckt zeigt“, sagte Rushforth. […] „Woran wir jetzt arbeiten wollen, ist vor allem die Wahrnehmung der Marke, das Image und unsere Reputation in Europa weiter zu verbessern – das sind aber mehr qualitative als quantitative Ziele.“ Auch bei der Modellplanung treten die Koreaner auf die Bremse. […] Der südkoreanische Konzern will im nächsten Jahr zudem deutlich mehr Geld in Forschung und Entwicklung investieren. Die Ausgaben würden um fast elf Prozent auf umgerechnet 3,4 Milliarden Euro steigen. Der Großteil der Investitionen soll in die Entwicklung umweltfreundlicher Technologie fließen. Zu der zweitgrößten Unter-nehmensgruppe des Landes gehören die Autobauer Hyundai Motor und Kia Motors.

Quelle: Herz, C., Handelsblatt.com, 29.12.2011

Page 74: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

74

5

10

15

20

25

30

35

40

M 14

Umzug nach Fernost

Immer mehr Chemiefirmen verlagern die Zentralen ganzer Geschäftsbereiche nach Asien. Sie wollen näher bei den Kunden sein.

Seit Jahresanfang wird bei BASF das Geschäft mit Pigmenten, Harzen und Dispersionen von Hongkong aus gesteuert. Das ist ein Novum für den Ludwigshafener Konzern: Zum ersten Mal wurde die Schaltzentrale einer der insgesamt 15 Unternehmensbereiche nach Fernost verlagert. Die Nummer eins der weltweiten Chemiebranche befindet sich in bes-ter Gesellschaft: In den vergangenen Monaten haben etliche Wettbewerber die Zentra-len einzelner Geschäftssparten in die asiatischen Boommärkte umgesiedelt.

Bayer beispielsweise hat im vergangenen Jahr den Sitz des Geschäfts mit Polykarbonaten – das sind Hartkunststoffe – von Leverkusen nach Schanghai verlegt und die Zentrale für das Geschäft mit Hausarztmedikamenten nach Peking. Der Schweizer Spezialchemieher-steller Clariant eröffnete im November das neue Headquarter seiner Textilchemiesparte in Singapur. Vom gleichen Standort steuert Lanxess seit 2010 sein Butylkautschukge-schäft.

Josef Packowski, Chef der auf die Chemiebranche spezialisierten Beratungsgesellschaft Camelot, sieht die Verlagerung der Geschäftsbereichszentralen nach Fernost als eine weitere Entwicklungsstufe in einem Langfristtrend. „Die Konzerne haben erkannt, dass sie die Produkte zunehmend auch vor Ort entwickeln müssen, um den Bedürfnissen der Abnehmer besser gerecht zu werden“, sagt er. Mit dem Wachstum der Industrie steigt in den Schwellenländern auch die Nachfrage nach immer höherwertigen Produkten. Dass Firmen ihre Produktionsstandorte wegen der geringeren Personalkosten in Länder mit niedrigerem Lohnniveau verlagern, sei die seit Jahren praktizierte Strategie, so Packows-ki: „Jetzt verlängern aber immer mehr Firmen ihre Wertschöpfungskette mit Blick auf die Nähe zum Markt und zum Kunden.“

BASF will mit seinen Rohstoffen zur Herstellung von Anstrichfarben oder Automobil- und Industrielacken unter anderem den stark wachsenden Fahrzeugmarkt in Fernost bedienen. Für die Sparte mit rund 3,2 Milliarden Euro Umsatz ist Asien die größte Wachstumsregion, aktuell macht der Geschäftsbereich rund 25 Prozent seines Umsatzes dort. Die neue Zentrale in Hongkong soll enger mit den Kunden zusammenarbeiten. Deren Bedürfnisse und Markttrends zu verstehen, sei ein ganz wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells, heißt es bei BASF. Aktuell berät das Unternehmen in China viele Kunden bei der Umstellung ihrer Systeme von lösemittel- auf wasserbasierte Lacke. Das Thema Nachhaltigkeit wird auch in Asien wichtiger.

Neben der größeren Nähe zum Kunden hat der Umzug nach Fernost aber auch eine wichtige politische Komponente. Insbesondere in China, wo der Staat durch die Fünf-jahrespläne massiv die Nachfrage steuert, wird die Ansiedelung eines Headquarters als größeres Bekenntnis zum Land gewertet als die reine Produktionsverlagerung. […]

Quelle: Telgheder, M., Handelsblatt, Nr. 013, 18.01.2012, 28

Page 75: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

75

M 14

n

i,e

e-te

e-n-

tt-nt-

n-nnt dass sie die

gmWkdMK

spggqTeddT

gladesh China In

100

90

80

70

60

50

40

302000 Jan.-Nov. 2011

in Mrd. US-Dollar

89,6

Quelle: Foreign Invest. BulletinHandelsblatt |

DirektinvestitionennachChina

Handelsblatt Nr. 013 vom 18.01.2012 © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 76: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

76

5

10

15

20

25

30

35

40

M 15

Globaler Kampf um kluge Köpfe

„Wir können nicht mit großen Scheinen winken“

Immer mehr Deutsche wandern aus. Nicht nur die Wissenschaft, sondern auch das Handwerk plagen inzwischen Nachwuchssorgen. Handwerks-Präsident Otto Kentzler fordert Betriebe auf, „wie die Löwen“ um Bewerber zu kämpfen.

Handelsblatt: Herr Kentzler, Immer mehr Deutsche wandern aus. Wie stark trifft der Wegzug von jungen Deutschen auch das Handwerk?

Otto Kentzler: Den „Brain-drain“ kennen wir nicht nur in akademischen Berufen. Gesel-len und Meister mit einer Ausbildung im deutschen Handwerk sind weltweit hoch ange-sehen. Die Nachbarstaaten innerhalb der EU werben seit Jahren intensiv um unsere gut ausgebildeten Fachkräfte. Aber auch deutsche Großunternehmen aus Industrie und Dienstleistung sind daran interessiert. Mein Appell an die Handwerksmeister: Wir haben im Handwerk keine Fachkräfte zu verschenken. Halten Sie diese Fachkräfte im Hand-werk – wir brauchen sie.

Was können sie tun, um die massive Abwanderung zu stoppen?

Mit großen Geldscheinen können und müssen Mittelständler nicht winken. Eine Unter-suchung hat ergeben, dass gut ausgebildete junge Leute im Handwerk bleiben, wenn das Team stimmt, also das Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten, und wenn sie berufliche Perspektiven erhalten. Daran arbeiten wir. Mit gezielter Weiterbildung nach dem Berufs-laufbahnkonzept des Handwerks können sie die Karriere-Leiter erklimmen oder sich auf die eigene Selbstständigkeit vorbereiten. Für Eltern engagieren sich immer mehr Betrie-be bezüglich Krippen- und Kita-Plätzen. Frauen finden gerade in kleineren Betrieben leichter flexible Einsatzmöglichkeiten – ob als Fachverkäuferin oder Managerin. Beides hilft, Familie und Beruf zu vereinbaren. […]

Warum gelingt es nicht, im Gegenzug mehr Handwerker aus dem Ausland nach Deutschland zu holen?

Aus den EU-Ländern arbeiten schon einige zehntausend als Handwerker in Deutschland, jedoch meistens als Selbständige. Bewerbungen von Facharbeitern, beispielsweise aus Spanien, wo viele Kräfte aus den Bauberufen keinen Job haben, sind willkommen. Bis-her waren jedoch vor allem die ausländischen Akademiker so mobil, dass sie sich in Deutschland bewerben.

Warum gelingen nicht mehr Einstellungen?

Bei der Einstellung sind die bisher unterschiedlichen Ausbildungsstandards ein Problem. Das neue Anerkennungsgesetz wird den Betrieben und den Bewerbern ab 2012 mehr Sicherheit geben. Wo es Qualifikationsdefizite gibt, wollen die Handwerkskammern künftig gezielt ein Angebot zur Nachschulung zum Gesellen oder Meister machen.

Quelle: Goffart, D., Handelsblatt.com, 22.12.2011

Page 77: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

77

45

50

55

60

65

70

75

80

M 15

Gebildet, jung – und heiß umworben

Weil Deutschland die Akademiker ausgehen, blicken Firmen zunehmend auf die emporstrebenden Schwellenländer Indien und China. Dort wartet eine junge, gut ausgebildete und karrierehungrige Elite auf ihre Chance.

[…] Die internationale Personalsuche wird für deutsche Konzerne, aber auch für den Mittelstand immer wichtiger – aus mehreren Gründen. Zum einen, weil Wachstums-märkte erschlossen werden wollen, allen voran Brasilien, Russland, Indien und China. Und dafür sind Experten aus vielen Bereichen gefragt: Marketing und Vertrieb, Finanzen und Verwaltung, aber auch Ingenieure und natürlich IT-Spezialisten. Außerdem sind qualifizierte Kräfte in Deutschland bald Mangelware: Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge werden wegen des demografischen Wandels – weniger Kinder, mehr Senioren – 2025 im Vergleich zu heute fast 3,5 Millionen Erwerbstätige fehlen.

Besonders große Sorgen bereitet der Anteil der Hochqualifizierten – bislang Garant für Innovationen „Made in Germany“. Doch ihre Zahl ist seit fünf Jahrzehnten kaum gewachsen. Wie aus dem aktuellen OECD-Bildungsbericht hervorgeht, erwarb in Deutschland vor 50 Jahren knapp jeder fünfte junge Erwachsene einen Hoch- oder Fach-hochschulabschluss beziehungsweise einen Meisterbrief. Aktuell liegt die Quote mit 25 Prozent nicht wesentlich höher.

Lag Deutschland einst im Mittelfeld jener 24 Länder, für die Daten vorhanden sind, so ist die Bundesrepublik inzwischen auf einen der untersten Plätze abgerutscht. Mit Besse-rung ist nicht zu rechnen – im Gegenteil. Setzen sich die Abschlussquoten der 25- bis 34-Jährigen fort, wird in Frankreich, Irland, Japan und Korea der Anteil der Hochgebilde-ten stärker ansteigen als in anderen OECD-Ländern. Deutschland indes wird weiter zurückfallen. „Der Fachkräftemangel ist die stärkste Bedrohung für Wohlstand und Wirt-schaft auf mittlere Sicht“, sagt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. […]

Deutsche Arbeitgeber müssen also Mitarbeiter anwerben, die sie bislang wenig beachtet haben. Ehrgeizige Berufseinsteiger aus den Schwellenländern haben meist mit Hilfe ihrer Eltern viel Geld in ihre Ausbildung gesteckt. Weil sich das für die ganze Familie auszahlen soll, zeigen sie sich äußerst flexibel und mobil bei der Stellensuche: Wo ein Spitzenangebot winkt, ziehen sie hin.

Wie global der Arbeitsmarkt geworden ist, belegt eine Studie der GfK, für die mehr als 30.000 Arbeitnehmer in 17 Ländern befragt wurden: Demzufolge würde bereits jeder dritte Hochschulabsolvent seine Heimat für ein gutes Jobangebot verlassen. Die Quote derjenigen Talente mit Doktor- oder vergleichbarem PhD-Titel liegt sogar noch höher. Studienleiterin Ingrid Feinstein sagt: „Der Umzug in ein anderes Land ist für viele kaum beängstigender als ein Wechsel des Arbeitgebers.“

Quelle: Obmann, C., Handelsblatt.com, 21.12.2011

Page 78: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

78

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

M 16

Globalisierung gewinnt an Tempo

Die Unternehmen lassen die Krise hinter sich und investieren wieder verstärkt im Ausland. Vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer locken immer mehr Kapital an.

International agierende Firmen fahren ihre grenzüberschreitenden Investitionen wieder hoch. In ihrem Weltinvestitionsbericht bewertet die Uno-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad) das Plus als Beleg für eine ausklingende Weltwirtschaftskrise. Die Globalisierung nimmt wieder an Fahrt auf. Gleichzeitig machen Entwicklungs- und Schwellenländer als Kapitalempfänger und Kapitalgeber immer mehr an Boden gut. Aber auch Deutschland mischt in dem Wettlauf um Investitionsstandorte ganz vorn mit.

Insgesamt erhöhten sich laut dem gestern in Genf vorgestellten Bericht die Auslandsin-vestitionen (Foreign Direct Investments, FDI) 2010 im Vergleich zum Vorjahr von 1 190 Milliarden US-Dollar auf 1 250 Milliarden. Damit folgen die FDI der weltweiten Industrie-produktion und dem Welthandel, die laut Uno bereits das Vorkrisenniveau erreicht haben.

Die Strategen in den Firmen hätten nach der Krise Mut gefasst und versuchten, Marktan-teile in fremden Regionen zu gewinnen, schreiben die Uno-Experten. Große Cash-Bestände in den Firmenkassen und steigende Börsenbewertungen könnten die Manager in den kommenden Jahren veranlassen, die FDI noch weiter zu erhöhen. […]

Allerdings warnen die Fachleute vor Euphorie. „Das Geschäftsumfeld nach der Krise ist noch immer von Unsicherheiten gekennzeichnet“, schreiben sie in ihrem Bericht. Eine Ausweitung der Schuldenkrise, steigende Inflationszahlen und eine konjunkturelle Über-hitzung in großen Schwellenländern führen sie als größte Risiken auf.

Die Zahlen der Uno belegen eindrucksvoll, dass immer mehr Investitionen in die Ent-wicklungs- und Schwellenländer fließen. Rund 640 Milliarden Dollar investierten auslän-dische Firmen im vergangenen Jahr in den aufstrebenden Ländern, die damit zum ersten Mal überhaupt das Ziel von mehr als der Hälfte aller grenzüberschreitenden Investitio-nen waren. Noch im Jahr 2007 war nur ein Viertel aller grenzüberschreitenden Investiti-onen in die Entwicklungs- und Schwellenländer geflossen.

Noch aber verteidigen die USA ihre Spitzenposition bei den Investitions-Empfängern: Die größte Volkswirtschaft der Erde war 2010 auch die attraktivste Volkswirtschaft für aus-ländische Investoren. […] Deutschland rangiert in der Tabelle auf Rang fünf: Ausländi-sche Unternehmen investierten rund 46 Milliarden Dollar in der Bundesrepublik.

Nicht alle Regionen profitieren gleichermaßen von fremden Investitionen. So fiel Afrika in der Gunst der Investoren zurück. Betrug die Summe der ausländischen Investitionen auf dem Kontinent 2009 rund 60 Milliarden Dollar, waren es 2010 nur noch 55 Milliar-den. Das meiste Geld floss in den Rohstoffsektor.

Insgesamt werden Entwicklungs- und Schwellenländer laut Uno auch als Investoren immer aktiver. Rund 30 Prozent aller ausländischen Investitionen kommen aus ihnen. Unter den aktivsten 20 Ländern befinden sich schon sechs Entwicklungs- und Schwel-lenländer. Das bedeutendste von ihnen ist China: Aus dem Reich der Mitte floss 2010 Kapital in Höhe von fast 150 Milliarden Dollar ins Ausland. China schob sich auf den zweiten Rang der globalen Investoren vor.

Page 79: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

79

55

60

65

70

75

80

M 16

Auf der Top-Position der Auslandsinvestoren behaupteten sich auch 2010 die USA. Ameri-kanische Firmen engagierten sich mit 330 Milliarden US-Dollar jenseits der US-Grenzen. Auf dem dritten Rang folgten deutsche Unternehmen. Siemens, Daimler und andere Fir-men gaben für Investitionen jenseits der deutschen Grenzen 105 Milliarden Dollar aus.

Quelle: Herbermann, J. D., Handelsblatt, Nr. 143, 27.07.2011, 14

Welthandel: Studie sagt rasantes Wachstum voraus

Eine Studie der Großbank HSBC sagt dem Welthandel für die nächsten 15 Jahre ein rasantes Wachstum voraus. 2014 werde die Weltwirtschaft ihre Schwäche überwinden und der Handel wieder an Fahrt aufnehmen, heißt es in der Studie des Instituts, das tra-ditionell stark im Asiengeschäft engagiert ist. In den nächsten fünf Jahren werde der glo-bale Warenaustausch um 3,8 Prozent pro Jahr expandieren, doch zwischen 2017 und 2021 werde sich das Wachstumstempo auf 6,2 Prozent im Jahr erhöhen. Bis 2026 sagen die Ökonomen der Bank für den Welthandel ein Wachstum von 86 Prozent voraus. Die stärkste Dynamik würden dabei China, Indien, Korea und Singapur entfalten. In Europa werde Polen die höchsten Wachstumsraten erreichen. Aber auch Länder wie Ägypten und Panama dürften stark von einer Brückenfunktion zwischen Regionen profitieren. Die Anteile alter Industrieländer am Welthandel werden hingegen laut HSBC teilweise deutlich abnehmen. Gut wird sich allerdings Deutschland schlagen, das laut Studie im Welthandel seinen dritten Platz behaupten wird. Bis 2019 werde der deutsche Außenhan-del sogar stärker zunehmen als der Welthandel. Im Durchschnitt sieht die HSBC für Deutschland ein jährliches Wachstum von 4,2 Prozent in den nächsten 15 Jahren voraus. Die größten Beiträge dazu werde der Handel mit China, Polen, Brasilien und dem Nahen Osten leisten.

Quelle: dih, Handelsblatt, Nr. 061, 26.03.2012, 13

fahrentionenonsbe-on fürd) daseltwirt-

mt wie-n Ent-

Kapital-ehr anscht ine ganz

gesternandsin-s, FDI)0 Milli-Damit

riepro-Uno be-n.

gende Inflationszahlen und eine konjunktu-relle Überhitzung in großen Schwellenlän-dern führen sie als größte Risiken auf.

kong) mit Investitionen in Höhe von 175 Milli-arden Dollar. Der langjährige Trend, in billigechinesische Massenproduktion zu investie-

g gnd

ord

n.

2 000

1 500

1 000

500

0

00

0

0

0

0

2000 2010

Schwellen- /Entwicklungsländeru. ehemaligeOstblockstaatenmachen 2010 51,6 %der ausländischenDirektinvestitionenaus.

ehemalige OstblockstaatenSchwellen- u. Entwicklungsländerentwickelte Länder

Welt gesamt

228USA

23Kanada

19Mexiko

26Irland

62Belgien

20Luxemburg

25Spanien

34Frankreich

48Brasilien

15Chile

46Großbrit.

46Deutschland

in Mrd. US-Dollar, 2010Direktinvestitionen

Handelsblatt | Quelle:Unctad

die Summe der ausländischen Investitionenauf dem Kontinent 2009 rund 60 MilliardenDollar, waren es 2010 nur noch 55 Milliarden.

p

106China

41Russland

69Hongkong

32Australien

39Singapur

13Indonesien

28Saudi-Arabien 25

Indien

Handelsblatt Nr. 143 vom 27.07.2011 © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 80: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

80

5

10

15

20

25

30

M 17

Der Siegeszug der Megastädte

Die Globalisierung geht mit einer rapiden Urbanisierung einher. In den Schwellen-ländern wachsen die neuen Wirtschaftsmetropolen heran.

Laut, schrill, bunt, lustig – so beschreibt der Chefrepräsentant des Chemiekonzerns BASF in Peking, Jörg Wuttke, Chinas Metropolen. Er kam 1982 das erste Mal nach Schanghai und lebt seit 1994 in Peking. Die beiden wichtigsten Zentren des Landes haben sich seit-her im Zeitraffer verändert. Ein Altstadtviertel nach dem anderen fällt, wird abgerissen und durch glasverkleidete Bürohochhäuser ersetzt. „Das ist so, als würden wir die Alt-stadt von Heidelberg platt machen, um Platz für Neubauten zu schaffen“, klagt Wuttke, der selbst aus dem deutschen Südwesten stammt. Einige Hundert Meter vom Pekinger BASF-Büro entfernt erstreckten sich früher kleine Straßen mit winzigen Imbissen und Restaurants. Jetzt liegen dort Botschaftsgebäude und neue Wohnblöcke. Doch dieser für das westliche Empfinden brutale Fortschritt hat auch sein Gutes: Die Infrastruktur hat sich dramatisch verbessert. Die Flughäfen Schanghai und Peking sind besser als die euro-päischen Hubs, es gibt Krankenhäuser auf Weltniveau, eine Shopping-Auswahl wie in Europa und vor allem in Schanghai auch einen effizienten Nahverkehr. Der Fortschritt einer Generation innerhalb weniger Jahre, sagt Wuttke.

Nicht überall geht es so rasch voran wie in China, doch vielreisende Manager erleben auf der ganzen Welt, wie die Metropolen in den Schwellenländern wachsen und sich nach und nach eine moderne Infrastruktur zulegen. Der Gegensatz zwischen Arm und Reich ist zwar oftmals krass, doch immer öfter finden sie unterwegs einen Standard vor, der ebenso gut oder sogar besser als zu Hause ist. Kein Wunder, dass ein Konzern wie Siemens seine Strategie darauf ausgerichtet hat, die wachsenden Metropolen der Schwel-lenländer auszurüsten – mit zuverlässiger Energieversorgung, leistungsfähigen Verkehrs-systemen und modernen IT- und Kommunikationsnetzen.

Der aktuelle Global Locations Trend Report von IBM zeigt, dass nach wie vor London die meisten Investitionen aus dem Ausland anzieht. Aber die asiatischen Business-Zentren Singapur, Schanghai und Hongkong holen bei der Zahl der Investitionsprojekte mächtig auf, dahinter folgen Dubai, Bangalore und Moskau. New York hält sich gerade noch auf Platz zehn. Nach der Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze stehen Manila, Schanghai und die indischen Städte Chennai und Bangalore ganz vorn. […]

Quelle: Mauer, S./Mayer-Kuckuk, F. u. a., Handelsblatt, Nr. 243, 15.12.2011, 28

Page 81: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

81

M 17

JBS

Nah

rung

smittel

(Fleisch)

BP Öl

Gazprom

Öl&

Gas

23,6

Mrd.€

224,4

Mrd.€

24,8

Mrd.€

Wipro

Tech

nologie

JBS

Nah

rung

smittel

(Fleisch)

BP Öl

Gazprom

Öl&

Gas

Wipro

Tech

nologie

5,2

Mrd.€

20,2

23,4

Mio.

8,6

8,6Mio.

13,7

13,8

Mio.

SãoPa

ulo

Lond

on

Moska

u

20,2

23,4

Mio.

8,6

8,6Mio.

13,7

13,8

Mio.

SãoPa

ulo

Lond

on

Moska

u

Zehn

Metropo

lenvo

nmorge

nEinw

ohne

rzah

lund

größ

terK

onzern

2010

2030

Einw

ohne

rinMillione

n

Umsatz

inMrd.Euro

Größtes

Unterne

hmen

in en in ch ur

nd öf-

rd zu n-

gie

ch-

el-

zu-

ng, te

-n

d ns

ass n-

er ur, er uf,

SAIC

Autom

obil

Internationa

lCo

ntaine

rTe

rminal

Services

Tran

sport

Wilm

arInternationa

lAgrar

China

Mob

ileTe

leko

m

Chen

nai

Petroleu

mÖl

Emaa

rProp

ertie

sIm

mob

ilien

34,1

Mrd.€

0,4

Mrd.€

54,2

Mrd.€

5,5

Mrd.€

2,5

Mrd.€

SAIC

Autom

obil

Internationa

lCo

ntaine

rTe

rminal

Services

Tran

sport

Wilm

arInternationa

lAgrar

China

Mob

ileTe

leko

m

Chen

nai

Petroleu

mÖl

Emaa

rProp

ertie

sIm

mob

ilien

23,0

Mrd.€

20,8

34,1

Mio.

4,6

5,5Mio.

7,1

8,3Mio.

2,4

3,4Mio.

7,2

10,9

Mio.7,6

11,3

Mio.

Man

ila

Sing

apur

Hon

gkon

gDub

ai

Bang

alore

Chen

nai

18,4

24,9

Mio.

Scha

ngha

i

20,8

34,1

Mio.

4,6

5,5Mio.

7,1

8,3Mio.

2,4

3,4Mio.

7,2

10,9

Mio.7,6

11,3

Mio.

Man

ila

Sing

apur

Hon

gkon

gDub

ai

Bang

alore

Chen

nai

18,4

24,9

Mio.

Scha

ngha

i Han

delsblatt|

Que

lle:D

emog

raph

ia

M C S z n r r u d d k la s G t E e C A b b K S t z u

Han

dels

blat

t Nr.

243

vom

15.

12.2

011

© H

ande

lsbl

att G

mbH

. Alle

Rec

hte

vorb

ehal

ten.

Zum

Erw

erb

wei

terg

ehen

der R

echt

e w

ende

n S

ie s

ich

bitte

an

nutz

ungs

rech

te@

vhb.

de.

Page 82: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

82

5

10

15

20

25

30

M 18

Next Eleven: Die zweite Reihe der Schwellenländer

Während das Wachstum in den BRIC-Staaten [Brasilien, Russland, Indien, China] nach-lässt, rückt die zweite Reihe der Schwellenländer ins Blickfeld. Schon jetzt tragen die Schwellenländer außerhalb der BRIC gut ein Viertel zum globalen Wachstum bei – 2050 werden es nach Schätzung der Investmentbank Goldman Sachs 40 Prozent sein.

In Asien arbeiten sich nach dem Muster, das Japan und Korea geprägt haben, immer mehr Staaten die Wertschöpfungskette hoch. Indonesien, nach Bevölkerungszahl das viertgrößte Land, wuchs zuletzt um mehr als sechs Prozent und wird nach Einschätzung von Goldman Sachs auch die nächsten zwei Jahrzehnte um mehr als fünf Prozent im Jahr zulegen. Ähnlich robust zeigt sich die Entwicklung etwa in Vietnam. Zu den „Next Ele-ven“ mit langfristig guten Aussichten zählt die US-Investmentbank in Asien auch noch die Philippinen, Pakistan und Bangladesch.

Auch bevölkerungsreiche Länder in Nahost wie Ägypten und Iran zählt Goldman Sachs zu dieser Gruppe, doch hier ist die politische Instabilität ein belastender Faktor. Das gilt auch für Nigeria, dem die Bankvolkswirte unter den „Next Eleven“ auf Jahrzehnte hin-aus Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent zutrauen. Für Enttäuschung sorgt dage-gen Südafrika, wo sich die Wachstumsrate auch wegen verschlechterter politischer Rah-menbedingungen auf drei Prozent verringert hat. Das ist zu wenig, um die Arbeitslosig-keit in einer stark wachsenden Bevölkerung zu senken.

Einen tiefen Absturz hat derzeit die Türkei zu verkraften, die sich am Südostrand Euro-pas zu einer regionalen Wirtschaftsmacht emporgearbeitet hat. Hier war das Bruttoin-landsprodukt zwei Jahre in Folge um mehr als acht Prozent gewachsen, bevor es im ver-gangenen Jahr auf weniger als drei Prozent abstürzte. Ökonomen fürchten, dass auf einen hitzigen Boom mit hohen Inflationsraten eine harte Landung folgt. Die Nähe zur Euro-Zone, die viele Jahre für die dynamische türkische Wirtschaft ein Vorteil war, erwies sich zuletzt als Belastung.

Quelle: Heilmann, D., Handelsblatt, Nr. 051, 13.03.2012, 7

Internationale Konjunktur-RundschauWirtschaftswachstum in %

’11’10 ’12

10,39,6 9,5

3,6

2,2 2,0

9,78,4 8,0

2,8 3,0 2,7

7,5

4,5 4,1

1,8 1,5 1,7

4,3

1,6 1,8

1,7 2,0 2,3

3,74,5 4,4

1,6 1,6 1,8

Quelle: IWF ausgewählte Länder, 2011 u. 2012 Projektionen © Globus 4049

China

Deutschland

Indien Brasilien Japan Russland

USA Eurozone Großbritannien Frankreich

’11’10 ’12 ’11’10 ’12 ’11’10 ’12 ’11’10 ’12

Quelle: Globus

Page 83: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

83

M 18

Page 84: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

84

5

10

15

20

30

35

40

45

50

M 19

Hungersnöte in Afrika

Hungersnot in Somalia ist offiziell beendet

Die Vereinten Nationen haben die Hungersnot in Somalia offiziell für beendet erklärt. Das Einsetzen der lang erwarteten Regenfälle, gepaart mit Fortschritten in der Landwirt-schaft und einer groß angelegten humanitären Hilfsaktion hätten zu einer deutlichen Verbesserung der Situation geführt, sagte der neue Generaldirektor der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), José Graziano da Silva, vor Journalisten in Nai-robi. Zuvor hatte er Teile Südsomalias bereist.

Die Organisation schätzt, dass die schlimmste Dürre seit 60 Jahren im vergangenen Jahr Zehntausende Menschenleben gekostet hat. Auf dem Höhepunkt der Krise seien 750.000 Menschen vom Hungertod bedroht gewesen. Im Sommer 2011 hatten die Vereinten Natio-nen in sechs Regionen im Süden und im Zentrum Somalias eine Hungersnot ausgerufen. Die Gebiete werden größtenteils von der radikalislamischen Miliz Al Schabaab beherrscht, die Hilfsleistungen westlicher Organisationen nur bedingt zulässt. Hunderttausende ver-zweifelte Somalier waren in die Nachbarländer Äthiopien und Kenia geflohen.

Jedoch warnte die FAO, dass die Situation in dem Krisenland weiterhin prekär bleibe. „Dürren können wir nicht vermeiden, aber wir können Maßnahmen ergreifen, damit aus ihnen künftig keine Hungersnöte mehr werden“, erklärte Graziano.

Quelle: Handelsblatt.com, 03.02.2012

In Afrika droht die nächste Hungersnot

In Afrika bahnt sich die nächste schwere Hungerkatastrophe an: Bis zu 14 Millionen Menschen in der dürregeplagten Sahelzone sind nach Befürchtungen der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften vom Tod durch Unterernährung bedroht. Die Zahl der Betroffenen in Niger, Tschad, Mali, Burkina Faso, Mauretanien und Senegal könnte laut Rotem Kreuz auf 23 Millionen anschwellen, falls die Weltgemeinschaft nicht schnell genügend Geld, Lebensmittel, Wasser und Medikamente gibt. In der Sahelzone macht vor allem die andauernde Trockenheit den Menschen zu schaffen.

Am Mittwoch richteten Uno-Organisationen in Rom einen Hilfsappell an die reichen Geberländer. „Die Chance, Millionen vor der Unterernährung zu retten“, werde immer kleiner, warnte die Direktorin des Welternährungsprogramms Josette Sheeran. Die geplanten Sahel-Hilfsaktionen werden 2012 nach Uno-Kalkulationen 720 Millionen Dol-lar kosten. Bis Mittwochmittag traf bei der Uno aber nur rund ein Viertel der benötigten Summe ein – schon im September hatte die Weltorganisation bei Geberländern die Alarmglocke geschlagen. Selbst wenn wir jetzt das gesamte Geld hätten, müssten die Menschen noch lange auf die Hilfe warten“, betonte Modibo Traoré, Uno-Hilfskoordina-tor für Niger. Für den Kauf der Lebensmittel und den anschließenden Transport in die Hungergebiete brauche die Uno zwei bis drei Monate – für viele akut Unterernährte ist das zu spät.

Während die Helfer ihre Augen jetzt auf die Sahelzone richten, hungern am Horn von Afrika noch immer Millionen Menschen. Die Krise im Osten Afrikas war im Sommer 2011 in den Schlagzeilen, dauert nach Berichten der Uno aber nach wie vor an.

Quelle: Herbermann, J. D., Handelsblatt, Nr. 034, 16.02.2012, 17

Page 85: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

85

5

10

15

20

25

30

35

M 20

Wie kann Afrika gerettet werden?

Rupert Neudeck: Den Kleptokraten nicht alles durchgehen lassen.

Die erste Frage, die wir uns angesichts der Hungerbilder hier in Europa stellen: Wie hät-ten wir das verhindern können? Wir, nicht etwa politische Eliten in Somalia oder in Kenia oder in Äthiopien. Ein angestaubter Trieb zwingt uns, für den Kontinent die Ver-antwortung zu übernehmen. Dabei wissen die Afrikaner natürlich, dass man gegen sol-che Naturkatastrophen Vorsorge treffen kann, dass man vernünftig dagegen arbeiten kann. Man kann das Wasser sammeln. Man kann in Zeiten des Überflusses Nahrungsmit-tel speichern. Eine Regierung, die diesen Namen verdient, tut das alles. Aber afrikani-sche Regierungen können sich auf die Schuldreflexe der Europäer und der sogenannten Geberländer der westlichen Welt verlassen. Sie müssen dafür nicht sorgen.

Nun bleibt die Nothilfe ein unverbrüchliches globales Gesetz. Und gewiss müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um den massenhaften Tod von Somalis im Lager Dadaab und anderswo zu verhindern. Aber zwischendurch muss man sich fragen, warum unsere Politik nicht eine klare Sprache spricht und auch die Afrikanische Union zur Mithilfe auffordert. […] Wir müssen uns klarmachen, dass wir den Völkern Afrikas keinen Gefallen tun, wenn wir ihren Kleptokraten alles durchgehen lassen. 1985 konn-ten wir bei der Hungersnot in Äthiopien noch Nahrungsmittel im Brotkorb Afrikas, in Simbabwe, einkaufen. Dort hungert mittlerweile die Bevölkerung, weil Staatschef Robert Mugabe mutwillig die eigene Landwirtschaft zerstört hat. Die Entwicklungshilfe für Regime, die sich nicht am Wohl ihrer Bevölkerung orientieren, sollte deshalb radikal gekürzt werden. Die Bundesregierung sollte sich auf zwei oder drei Länder konzentrie-ren und zu diesen intensive Beziehungen aufbauen. Das sollten Länder sein, die wir aus-wählen und die es wert sind, dass unsere wertvollen Steuergelder dort hingehen.

Justin Yifu Lin: Eine Strategie zur Industrialisierung Afrikas.

Die Hungersnot in Ostafrika zeigt einmal mehr, wie dringend die Menschen in Schwarz-afrika ihre übermäßige Abhängigkeit von kleinteiliger Landwirtschaft überwinden müs-sen. Die Länder müssen Wirtschaftszweige entwickeln, die genug Einkommen erwirt-schaften, dass auch eine lange Trockenheit nicht länger das Überleben großer Teile der Bevölkerung in Gefahr bringen kann.

In den vergangenen Jahren hat Afrika beträchtliche Fortschritte gemacht. Das Durch-schnittseinkommen ist gestiegen, die Armutsraten sind gesunken. Aber bei dem sehr niedrigen Lohnniveau dürfte ein Einkommenswachstum von zwei oder drei Prozent im

Page 86: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

86

40

45

50

55

60

65

70

75

80

M 20

Jahr nicht reichen, um die extreme Armut zu beseitigen. Afrika muss sich Wachstumsra-ten von acht Prozent oder mehr vornehmen. Möglich wäre das. Afrika hat ein riesiges ungenutztes Potenzial an Industrialisierung, die vom Privatsektor getrieben wird. Dieses Potenzial kann sich aber nur entfalten, wenn die Regierung den Prozess unterstützt und fördert. Sie muss helfen, die Probleme zu lösen, mit denen Industrie-Pioniere dort kon-frontiert sind, wo es noch keine Industriekultur gibt. Die gescheiterten Industrialisie-rungsversuche der Vergangenheit litten an einem Irrtum: Den Ländern wurde geraten, auf die fortgeschrittensten Wirtschaftszweige mit der höchsten Wertschöpfung zu zie-len. Ein Beispiel ist der Versuch, in Zaire eine Autoindustrie aufzubauen. Das setzte diese Länder in Wettbewerb mit den führenden Industrieländern. Bei den Bedingungen, die in ihren Ländern herrschten, konnten sie damit nicht erfolgreich sein.

Das Erfolgsrezept für Entwicklungsländer besteht darin, ihren Nachzüglervorteil zu nut-zen und diejenigen Wirtschaftszweige aufzubauen, die sich in etwas wohlhabenderen Ländern mit ähnlicher Wirtschaftsstruktur gut entwickelt haben. Die Bedingungen für den Erfolg einer solchen Strategie sind derzeit besser denn je: Je weiter Brasilien, Russ-land, Indien und vor allem China die industrielle Leiter nach oben steigen, desto mehr Stellen machen sie in der leichten, weniger anspruchsvollen Fertigung frei. Diese kann Afrika mit der richtigen Strategie an sich ziehen. Experimente in Tansania mit Industrie-parks sind vielversprechend. […] China hat gezeigt, dass es möglich ist.

James Shikwati: Afrika erstickt an ausländischen Experten.

Die Hungersnot am Horn von Afrika zeigt, wie falsch die Annahme ist, Afrikaner wür-den in einem „globalen Dorf“ leben. In Wirklichkeit hat ein internationales System die Afrikaner dazu verdammt, in einem „globalen Dschungel“ zu leben. Es schätzt nur die Ressourcen des Kontinents und lässt die afrikanische Bevölkerung außen vor. So muss-ten die Afrikaner die Deutungshoheit über Entwicklung und Lösungsansätze an Außen-stehende (insbesondere aus dem Westen) und die Natur abgeben. Eine unmenschliche Hungersnot ist die Folge.

Sicher ist im globalen Dschungel nur, wer dessen Tiere, Vegetation und Landschaft, aber auch dessen Bedrohungen kennt. Zu diesen Bedrohungen gehören die Abhängigkeiten von Geldgebern und deren geopolitische Interessen. Während wohlhabende Nationen, die die Gesetze des „Dschungels“ verstehen, Maßnahmen ergriffen haben, um ureigene Interessen zu sichern, irren die Afrikaner schlecht ausgestattet durch den Dschungel. Industriestaaten machen sich die Marktkräfte zu eigen, um Produktivität und Wohlstand zu stärken. Sie drängen auf offenen Handel, um Nahrungsmittelsicherheit voranzutrei-ben. Sie tauschen Informationen über Marktbedingungen aus. Das regt Produktivität und intelligente Investitionsentscheidungen an, solange Finanzierer und Innovatoren, Versi-cherer und Politiker über die richtigen Informationen verfügen.

Afrikas Geldgeber benutzen die Entwicklungshilfen als Werkzeug, um Marktsignale in ihrem Sinne arbeiten zu lassen. Sie beeinflussen die „mentale Software“, indem sie etwa ein Bildungssystem aufrechterhalten, das nicht auf Afrikas Prioritäten ausgerichtet ist und Unterlegenheit erzeugt. Entwicklungshilfe finanziert Regierungssysteme, die Inter-essen von Eliten auf Kosten der Bürger in den Vordergrund stellen. Sie erhält ein System,

Page 87: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

87

85

90

95

M 20

das den Kontinent zum Rohstoffexporteur degradiert – in einer Ökonomie der Ausgren-zung.

Afrika darf die Beeinflussung und Nutzung der Marktkräfte nicht länger anderen über-lassen. Der Kontinent soll im Jahr 2020 ein Bruttoinlandsprodukt von 2,6 Billionen Dol-lar und eine Kaufkraft von 1,4 Billionen Dollar auf die Waage bringen. Höchste Zeit, die Kraft des eigenen Marktes zu nutzen.

Afrikaner müssen aber auch lernen, die Ursachen der Hungersnöte beim Menschen zu suchen, nicht in der Natur. Der Kontinent erstickt an ausländischen Experten, die dem Gras erklären wollen, wie es zu wachsen hat. Afrikaner müssen den Diskurs über ihre Herausforderungen schon selbst führen. Sie müssen Bildungsstrategien umsetzen, weil eine Armee schlecht informierter Individuen Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut nicht bekämpfen kann. Politiker sollten regionale Infrastruktur in ihre Entwicklungskonzepte einbeziehen, auf afrikanische Investoren setzen statt nur auf ausländische. Sie müssen den informellen Sektor und die Untergrundwirtschaft abschaffen. Darüber hinaus ist wichtig, dass die Afrikaner selbst die Bedingungen für das Zusammenwirken ihres tradi-tionellen Wirtschaftssystems mit der Weltwirtschaft setzen.

Quelle: Hoppe, T./Häring, N./Drechsler, W., Handelsblatt, Nr. 157, 16.08.2011, 16

Eritrea

Äthiopien

Somalia

Kenia

472 US$

342 US$

280 US$

875 US$

7 585 US$

Deutschland: 43 205 US$

Bruttoinlandsproduktpro Kopf

K i Südafrika

SOMALIA

DSCHIBUTI

ERITREA

ÄTHIOPIEN

KENIA

kaum Probleme

Hungersnot

Handelsblatt Nr. 157 vom 16.08.2011 © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Handelsblatt | Quellen: OCHA, IWF, HB-Research

Page 88: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

88

5

10

15

20

25

35

40

M 21

Globalisierung macht verwundbar

Wegen EHEC-Warnung: Gemüsehändler klagt auf Schadenersatz

Wegen der Warnung vor spanischen Gurken in der EHEC-Krise hat ein spanischer Gemü-seproduzent Klage gegen die Stadt Hamburg eingereicht. Die Firma Frunet fordert 2,3 Millionen Euro Schadenersatz. Eine entsprechende Klageschrift der Firma Frunet sei diese Woche bei der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) eingegan-gen, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Sie lehnte das Anliegen aber als unbegründet ab. «Die BGV weist diese Forderungen zurück, da die Warnung vor Gurken des Unterneh-mens notwendig und richtig war.» Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hatte im Mai auf dem Höhepunkt der EHEC-Epidemie in Deutschland öffentlich vor dem Verzehr von Gurken und anderem Rohgemüse gewarnt, nachdem Hamburger Behörden EHEC-Keime auf Import-Gurken der Firma Frunet festgestellt hat-ten. Daraufhin brach deren Absatz ein. Bei weiteren Labortests stellte sich heraus, dass es sich bei dem EHEC-Bakterienstamm auf den spanischen Gurken nicht um jenen han-delte, der die akuten, in vielen Fällen lebensgefährlichen Infektionen auslöste. Als wahr-scheinliche Quelle für diesen ermittelten die Behörden später ägyptische Bockshorn-kleesamen, aus denen essbare Sprossen gezogen worden waren. […]

Im Mai und Juni 2011 war es vor allem in Norddeutschland zu einer Welle von schweren EHEC-Infektionen gekommen, die von einer aggressiven krankmachenden Variante des Darmbakteriums Escherichia coli ausgelöst wurde. Die sogenannten EHEC-Keime son-dern im menschlichen Verdauungstrakt Gifte ab. Viele Patienten litten unter der beson-ders gefährlichen Komplikation hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS). Dem für Krankheitsbekämpfung zuständigen Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge erkrankten fast 4000 Menschen an EHEC oder HUS. 50 davon starben.

afp, Handelsblatt.com, 22.12.2011

Der Computerwurm Stuxnet pflanzt sich fort

Offiziell heißt er „Duqu“, doch IT-Sicherheitsexperten verschiedener US-Firmen haben ihn längst „Son of Stuxnet“ getauft. Denn der jetzt entdeckte bösartige Computervirus ist in seiner hohen Komplexität nur mit jener aggressiven Angreifersoftware „Stuxnet“ vergleichbar, die 2010 Tausende von Rechnern in 155 Staaten paralysiert hatte – darunter eine Atomanlage in Iran. Die US-Sicherheitsfirma Symantec schlug gestern Alarm: „Die Autoren von ,Duqu‘ sind brillant!“ Unternehmen müssten sich weltweit vorsehen und neu wappnen: „Duqu“, so Symantec, sei für Industriespionage und Angriffe gegen Kont-roll- und Steuerungssysteme in Industrieanlagen ausgelegt. […] Im Unterschied zu Stux-net ist Duqu nicht zur Zerstörung konzipiert, sondern zur Ausspähung. Doch mit den so abgeschöpften Informationen über Sicherheitslücken könnten Angreifer später Produkti-onsstätten, Verkehrsknotenpunkte oder auch Kernkraftwerke attackieren. […]

Quelle: Scheidges, R., Handelsblatt, Nr. 203, 20.10.2011, 20

Page 89: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

89

50

55

60

65

70

75

80

M 21

Getreide-Markt: Die Rohstoff-Zocker

Der Protest, er wächst täglich: Rund 165.000 Menschen haben inzwischen eine Onlinepetition unterzeichnet, die die Finanzindustrie zum Ausstieg aus spekulativen Geschäften mit Lebensmitteln auffordert. Adressat des Aufrufs ist Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der auch Vorsitzender des weltweiten Bankenverbands IIF ist. Die Akti-visten machen Geldhäuser und Börsen für die enorm gestiegenen Preise für Grundnah-rungsmittel verantwortlich – und damit für die Welthungerkrise der Jahre 2007 und 2008. Innerhalb von zwei Jahren hatten sich damals die Preise für Weizen, Mais und Reis mehr als verdoppelt. Zwar fielen sie danach wieder, doch heute liegen sie erneut auf einem gefährlich hohen Niveau. Weltweit hungern jetzt eine Milliarde Menschen, schät-zen die Vereinten Nationen.

Doch was ist dran an dem Vorwurf, die Finanzinvestoren hätten Spekulationsblasen erzeugt und Hungersnöte mit verursacht? Mehrere Forscherteams haben jetzt Studien vorgelegt, die die Spekulanten in Erklärungsnöte bringen. So kommen drei Volkswirte der Universität Münster zu dem Schluss: Spekulanten haben den Weltmarkt für Getreide in den vergangenen zehn Jahren deutlich instabiler und schwankungsanfälliger gemacht. Die Ökonomen Philipp Adämmer, Martin Bohl und Patrick Stephan werteten die Börsenkurse für Weizen und Mais der letzten 25 Jahre aus. Der Anteil der Akteure, die nur aus Spekulationszwecken auf dem Markt agieren, ist in dieser Zeit deutlich gestiegen. Parallel dazu wichen die Preise immer häufiger von dem fundamental gerecht-fertigten Wert ab, der durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. „Unsere Ergebnisse zeigen genau an den Zeitpunkten Spekulationsblasen, wo man sie erwartet hätte“, sagt Patrick Stephan – 2008 und 2011, den Jahren mit besonders hohen Nahrungsmittelprei-sen. […]

Als eigene Anlageklasse haben sich Rohstoffe erst im vergangenen Jahrzehnt etabliert. Beliebt sind sie bei Investoren vor allem deshalb, weil sich ihre Preise meist unabhängig von Aktien und Anleihen entwickeln. Anleger können so ihre Risiken besser streuen. Traditionell nutzen Produzenten und Lebensmittelhändler Warentermingeschäfte, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern: Ein Landwirt kann sich bereits im Frühjahr mit dem Händler auf den Preis seiner Ernte einigen und hat Planungssicherheit. Heute handeln auch Spekulanten mit diesen Finanzprodukten – sie sind nicht an der Ware inte-ressiert, sondern wollen an Preisschwankungen verdienen. Die gehandelte Menge an Getreide ist so um ein Vielfaches höher als die Ernte.

Quelle: Müller, H. C., Handelsblatt.com, 20.02.2012

Page 90: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

90

M 21

ger, gewöhnt an Anrdlnst-

hn-neneasürro-en

n-enat.enndrnn,n, ob Dürren oder

zusammen. DadurFamhigu

ExPr„WAgScfaDWTanagufüerw

bank rechnet erst f

Handelsblatt Quelle:

WeizenUS-Cents je Bushel

643,00

Bloomberg

2.1.’09 5.1.’12

Handelsblatt Nr. 005 vom 06.01.2012 © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 91: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

91

5

10

15

20

M 22

Pro und Contra Globalisierung

Die Befürworter der Globalisierung beziehen sich auf die Funktionsfähigkeit der Märkte und die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung. Man unterstützt das Grundprinzip des Freihandels, ist also weitestgehend gegen staatliche Eingriffe in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und sieht die Globalisierung der Märkte als eine Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und zukünftigen Wohlstand in Industrie- und Entwicklungs-ländern.

Kritiker der Globalisierung stehen den Selbstregulierungskräften der Märkte skeptisch gegenüber. Sie befürchten u. a., dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht, dass sozialstaatliche Errungenschaften und die Umwelt geopfert wer-den und dass immer weniger Großkonzerne und demokratisch nicht legitimierte inter-nationale Institutionen Macht ausüben werden. Kritiker sehen einen internationalen Koordinations- und Harmonisierungsbedarf, insbesondere im Bereich des internationa-len Kapitalverkehrs. Insgesamt geht es um die Angst vor der Dominanz kapitalistischer über demokratische Prinzipien.

Wie sich die Diskussion um die Wirkungen der Globalisierung verändert hat und welche Schritte zu einer organisierten Globalisierungsgegnerschaft geführt haben, verdeutlicht die folgende Auflistung:

Globalisierung: Vom Hoffnungsträger zum Schreckgespenst

■■ Optimistischer Start: Anfang der 90er tauchte das Schlag-wort auf: Globalisierung. Die Märkte im Osten öffnen sich, neue Technologien transportieren Informationen um die Welt, Kapital wird mobiler. Die Globalisierung verspricht neue Märkte, kurze Wege, große Chancen.

■■ Erste Kritik: Schon 1997 wurde der Begriff in Deutschland fast Unwort des Jahres. Mit der wirtschaftlichen Vernet-zung wurde die nördliche Hemisphäre stärker auf Proble-me wie Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Überbe-völkerung aufmerksam. Eine-Welt-Organisationen und christliche Gruppen kritisierten, dass die Globalisierung dies verstärke.

■■ Finanzkrise: Die Kritik erhielt Nahrung durch eine Serie von schweren Finanzkrisen: Mexiko 1994, Asien 1997, Russ-land 1998, Brasilien 1999. Als Schuldige machten Kritiker internationale Spekulanten und ihr Kapital aus.

■■ Handelspolitik: Für Unmut sorgte die liberale Handelspoli-tik der Welthandelsorganisation. Beim WTO-Gipfel 1999 in Seattle erreichte der Protest seinen gewaltsamen Höhe-punkt.

■■ Attac: Was Seattle für die US-Globalisierungskritiker war, wurde zwei Jahre später Genua für die Europäer. Ein 1998 in Frankreich gegründetes Grüppchen namens Attac und weitere globalisierungskritische Organisationen riefen zu Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Italien auf. Zwar

Page 92: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

92

M 22

lehnten die Europäer die gewalttätigen Krawalle, bei denen ein Demonstrant erschossen wurde, ab, zeigten aber Sym-pathie für die Ziele der Bewegung.

■■ Vielfältige Ziele: „Auch wenn die Gründe unterschiedliche sind, Globalisierungskritik ist kein nationales Phänomen“, sagt Protestforscher Dieter Rucht, Leiter der Forschungs-gruppe Zivilgesellschaft am Wissenschaftszentrum Berlin. In der nördlichen Hemisphäre geht es vor allem um die Abwanderung von Produktionsstätten ins Ausland. Dage-gen wehren sich nigerianische Stämme gegen Ölmultis, südamerikanische Zucker- und Baumwollbauern protestie-ren gegen die hoch subventionierte Konkurrenz aus dem Norden und Europa. Darin liegt heute das Hauptproblem der Globalisierungskritiker: die Interessenlage ist gespalten und die einst geschlossene Anti-Front von Seattle und Genua zerbröselt.

Quelle: Bonse, E., Handelsblatt, Nr. 236, 06.12.05, 6

Page 93: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

93

M 23

Weltwirtschaftsordnung: Bereiche und bedeutende Institutionen

• Handelspolitik(Sachgüter, Dienstleistungen und geistiges Eigentum)

• Investitionspolitik

• Entwicklungshilfe- politik

• Wechselkurspolitik

• Kapitalverkehrspolitik

BIZ = Bank für Internationalen Zahlungsausgleich; IWF = Internationaler Währungsfonds;

UNCTAD = United Nations Co-operation on Trade and Development

Welthandelsorganisation (WTO)

Page 94: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

94

5

10

15

20

M 24

Welthandelsorganisation (WTO)

In den vergangenen Jahrzehnten hat der Austausch von Waren rund um den Globus enorm zugenommen. Dabei sind vielfältige Verflechtungen zwischen den Staaten ent-standen. Ermöglicht wurde dies erst durch die Öffnung von Grenzen und den Abbau von Handelshemmnissen. Es gibt verschiedene Organisationen, die sich um die Förderung weitgehend ungehinderter internationaler Wirtschaftsbeziehungen und die Festlegung notwendiger, international gültiger Regeln bemühen.

Die Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) ist eine Sonderorganisa-tion der Vereinten Nationen (UN) und weltweit die bedeutendste Institution, die Regeln für internationale Handelsbeziehungen festlegt. Derzeit gehören ihr über 150 Mitglied-staaten an, die über 90 Prozent des Welthandels abwickeln. Ziel der WTO ist die Erleich-terung des Handels durch unparteiliche Vorgaben und Streitschlichtung bei Handelskon-flikten. Zudem wird die Integration der Entwicklungsländer in den Welthandel ange-strebt. Im Jahr 1995 ist die WTO aus dem GATT, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen von 1947, hervorgegangen.

Die Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation WTO

Quelle: WTO (2010)

Anteil an denWelt-Exporten

2009 in %

153 Mitglieder

© Globus3936

41

Europa

Asien

Nordamerika

Südamerika

Naher OstenGUSAfrika

296

643

11

31 Länder mitBeobachterstatus

Quelle: Globus

Das Vertragswerk sieht unter anderem vor, dass Handelsvorteile allen Mitgliedern in glei-cher Weise gewährt werden müssen und kein Mitgliedstaat benachteiligt werden darf. Ausländische Produkte sind so zu behandeln wie vergleichbare inländische Produkte. Weiterhin dürfen keine geheimen Abkommen getroffen werden.

Page 95: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

95

25

30

M 24

Einheitliche Rahmenbedingungen für den weltweiten Handel oder gar eine globale Wirt-schaftsordnung zu schaffen, ist eine schwierige Aufgabe. Staaten haben sehr unter-schiedliche Ausgangsvoraussetzungen (z. B. Wirtschaftsordnung, politisches System, kul-tureller Hintergrund) und verfolgen stets eigene Interessen und Ziele. Kooperative Zusammenarbeit wird dadurch oft erschwert. Neben der WTO sind auch der Internatio-nale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank zentrale Institutionen der Weltwirtschaft. Die Erfolge dieser Institutionen werden unterschiedlich beurteilt. Die folgende Tabelle enthält Argumente, die in Diskussionen um die Arbeit der WTO von Kritikern und Befürwortern angeführt werden:

Argumente für und gegen die Arbeit der WTOPro Contra

■■ Umfassendes Regelwerk sorgt für Transparenz.

■■ Formale Gleichstellung aller Mitglieder.

■■ Handelserleichterungen gelten für alle Mitglieder gleichermaßen.

■■ Entwicklungsländer mit wenig Marktpotenzial müssen nicht einzeln mit anderen Staaten verhandeln.

■■ Technologische Entwicklungen werden gefördert.

■■ Arbeitsplätze werden geschaffen.

■■ Handelsstreitigkeiten werden durch die WTO geschlichtet.

■■ Steigerung des weltweiten Handels durch den Abbau der Handelsbarrieren, erweitertes Produktangebot, fallende Preise für Importgüter.

■■ Übermacht der Industrieländer; Entwicklungs- und Schwellenländer haben nur bedingt Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen.

■■ Fehlende Kontrolle der Entscheidungen der WTO.

■■ Hoher bürokratischer Aufwand.

■■ Handel in dieser Form führt zu starken Abhängigkeiten.

■■ Ohne hohe Zölle auf Importe haben Entwicklungsländer kaum die Möglichkeit, eine stabile eigene Industrie aufzubauen.

■■ Da Umweltschutzmaßnahmen häufig als Handelshemmnis eingestuft werden, würde der aktive Naturschutz behindert werden.

■■ In Hochlohnländern wie Deutschland steigt die Zahl der Arbeitslosen im Niedrig-Lohn-Sektor.

Page 96: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

96

5

10

15

20

25

30

35

40

M 25

WTO in Aktion

China provoziert Industriestaaten

Im Streit um die restriktive Ausfuhrpolitik Chinas bei Seltenen Erden bilden die USA, die EU und Japan nun eine gemeinsame Front. In Washington verschärfte Präsident Barack Obama den Ton gegenüber China und in Brüssel sagte der EU-Handelskommissar Karel de Gucht, „Chinas Verhalten schadet den europäischen Unternehmen und den Verbrau-chern“. Peking mache keinerlei Anstalten, seine bereits von der Welthandelsorganisation WTO kritisierte Politik zu überdenken. „Dies lässt uns keine andere Wahl, als die WTO anzurufen“, erklärte Kommissar de Gucht.

Aus der Produktion hochtechnologischer Produkte sind die Seltenen Erden nicht wegzu-denken. Ohne sie liefen keine Windräder, keine Hybrid-Autos, und es gäbe weder Plas-ma-Bildschirme noch LED-Anzeigen oder Smartphones. China beherrscht den Weltmarkt für Seltene Erden. Sein Anteil an der Produktion liegt bei bis zu 97 Prozent. […]

Nach Auffassung von Beobachtern nutzt China seine dominante Marktstellung seit lan-gem aus. […] Die Regeln der WTO schreiben jedoch den freien Zugang zu Rohstoffen vor und verbieten Quoten oder ähnliche Handelsbarrieren. Bei seinem Beitritt zur WTO 2001 hatte sich China verpflichtet, keine Ausfuhrzölle auf seine Rohstoffe zu verhängen. Den Schwenk im Jahr 2009 begründete Peking damit, die Umwelt und die Ressourcen schützen zu wollen. […]

Quelle: Ludwig, T./Mayer-Kuckuk, F./Ziener, M., Handelsblatt, Nr. 053, 14.03.2012, 16

Boeing zieht vor der WTO den Kürzeren

Die Welthandelsorganisation bekräftigt ihr Urteil gegen den US-Flugzeugbauer Boeing, milliardenschwere Subventionen zu Unrecht erhalten zu haben. Die Berufungsinstanz der WTO bestätigte gestern weitgehend ihre Entscheidung vom Frühjahr 2011. Demnach hat Boeing mindestens 5,3 Milliarden Dollar (vier Milliarden Euro) an unrechtmäßigen Beihilfen von der öffentlichen Hand erhalten. Der amerikanische Konzern habe sich vor allem mit Hilfe von Forschungs- und Entwicklungsgeldern der Luft- und Raumfahrtbe-hörde Nasa sowie Steuervergünstigungen wettbewerbswidrige Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschafft, so die Kritik der Welthandelsorganisation.

Seit mehr als sechs Jahren halten sich die Flugzeugbauer Airbus und Boeing gegenseitig vor, illegale Staatsbeihilfen erhalten zu haben und noch zu erhalten. Beide Seiten muss-ten seitdem immer wieder Niederlagen einstecken, konnten aber auch Punktsiege verbu-chen. Vor zwei Jahren hatte die WTO ein vergleichbares Urteil gegen den europäischen Boeing-Rivalen Airbus gesprochen. Beobachter gehen davon aus, dass eine Beilegung des Streits noch Jahre dauern wird. Das freut die Konkurrenz.

Quelle: Ludwig, T., Handelsblatt, Nr. 052, 13.03.2012, 26

Page 97: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

97

50

55

60

65

M 25

18 Jahre bis zum Freihandel

Nach „ewigen“ Verhandlungen will die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) am heutigen Freitag den Beitritt Russlands endlich absegnen. Noch umfasst der Handelsklub 153 Mitglieder. Binnen sechs Monaten muss die neue russische Duma die Aufnahmedokumente ratifizieren – und bis zum Beginn des Sommers wird der weltgröß-te Staat am WTO-Tisch sitzen. […]

18 Jahre hat Russland um die Beitrittsbedingungen gefeilscht, länger als jedes andere WTO-Mitglied. Bis Herbst diesen Jahres hatten die Unterhändler um Vize-Wirtschaftsmi-nister Maxim Medwedkow 100 bilaterale Abkommen ausgehandelt. Selbst Georgien, mit dem Russland 2008 Krieg führte, gab am Ende seinen Widerstand auf. Trotzdem sind die Gefühle in Russland gemischt. Präsident Dmitrij Medwedjew begrüßte den WTO-Bei-tritt, der „die russische Wirtschaft moderner und entwickelter“ mache. Doch hinter den Kulissen beklagen sich russische Unternehmer, sie seien auf freien Handel noch nicht vorbereitet. […]

Für russische Unternehmen ist dennoch bald die Zeit vorbei, in der man sich auf staatli-che Hilfen verlassen konnte. Sie müssen eigene Strategien entwickeln, neue Märkte erschließen und vor allem die Produktion modernisieren. „Vielen Firmen wird der WTO-Beitritt das Genick brechen“, sagt ein russischer Unternehmer. Auf deutsche Investoren, die bereits in Russland aktiv sind, kommt auch eine Menge Arbeit zu: Mit dem Fall der Zollschranken geraten die Kalkulationen gründlich durcheinander. Von der Preispolitik bis hin zur Expansionsstrategie ändert sich alles. […]

Quelle: Herbermann, D./Brüggmann, M., Handelsblatt, Nr. 244, 16.12.2011, 20

Page 98: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

98

5

10

15

20

25

30

35

40

M 26

Ein Papagei namens Doha schwimmt tot im Genfer See

Die zehnjährigen Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen sind gescheitert. Damit wurde die Chance auf ein kostenloses Konjunkturprogramm vergeben.

Als der britische Premierminister David Cameron im Januar auf dem Weltwirtschaftsfo-rum in Davos zusammen mit Kanzlerin Merkel einen letzten Versuch unternahm, die festgefahrene Welthandelsrunde wiederzubeleben, wählte er einen drastischen Ver-gleich: „Die Leute denken, das hier ist der tote Papagei von Monty Python“, sagte der Brite und versicherte, dass die Doha-Runde stattdessen quicklebendig sei. Cameron spiel-te auf den bekannten Sketch der Komikergruppe an, in dem ein Tierhändler beharrlich leugnet, dass der auf dem Käfigboden liegende Vogel tot ist. Inzwischen wissen wir, dass Doha genauso mausetot ist wie der Papagei.

Dieser Befund ist eigentlich keine Überraschung. Mehr als zehn Jahre wird über den Abbau von Handelshemmnissen verhandelt, seit drei Jahren liegt die Doha-Runde am Sitz der Welthandelsorganisation WTO am Genfer See auf der Intensivstation. Trotz der Lip-penbekenntnisse auf jedem Weltwirtschaftsgipfel hat kaum noch jemand mit einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen gerechnet. Dennoch können wir nicht mit einem Achselzucken zur Tagesordnung übergehen. Dazu ist der freie Welthandel gerade in Zeiten leerer Staatskassen zu wichtig. Und dazu spiegeln sich im Scheitern von Doha all jene Mängel, an denen die Weltwirtschaft derzeit krankt.

Cameron, Merkel & Co. hatten für ihren Wiederbelebungsversuch extra eine Studie anfertigen lassen: Ein zusätzliches Handelsvolumen von 360 Milliarden Dollar pro Jahr würde demnach der Abbau von globalen Marktschranken bringen. Ein riesiges Konjunk-turprogramm, das die Steuerzahler keinen Cent kostet. Dass die Staatschefs aus Nord und Süd diese Chance dennoch nicht ergriffen haben, sagt viel über den Zustand der Welt. US-Präsident Obama hat es in seiner Amtszeit nicht einmal geschafft, eine einzige bedeutende handelspolitische Rede zu halten. Freihandel ist für ihn nur dann gut, wenn er hilft, die amerikanischen Exporte zu verdoppeln. Aufstrebende Schwellenländer wie China und Indien reagieren darauf nicht minder egoistisch und nehmen den Kollaps der Doha-Runde billigend in Kauf. Die Führung, zu der Amerika nicht mehr fähig ist, sucht man bei den neuen Handelsmächten vergeblich. Stattdessen setzen alle Seiten auf bilate-rale Handelsabkommen, die den globalen Freihandel aushöhlen.

Und auch Exportvizeweltmeister Deutschland will das Führungsvakuum nicht füllen. Seit ihrem Auftritt in Davos hat man von Merkel zum Thema Freihandel nichts mehr gehört. Selbst der Versuch von WTO-Chef Pascal Lamy, die ausgehandelten 80 Prozent des Doha-Abkommens zu retten und so den Ärmsten der Armen bessere Exportchancen zu gewähren, droht am Widerstand der USA zu scheitern. Wie heißt es doch so treffend bei Monty Python: „The parrot is dead.“

Quelle: Riecke, T., Handelsblatt, Nr. 116, 17.06.2011, 14

Page 99: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

99

5

10

15

20

25

35

40

45

50

M 27

Pascal Lamy: „Die Welthandelsrunde ist nicht tot“

Pascal Lamy ist Chef der Welthandelsrunde. Mit dem Handelsblatt sprach er über den globalen Freihandel, Exportbeschränkungen und über die Gründe, warum der Euro für Deutschland so besonders wichtig ist.

[…] Handelsblatt: Bilaterale Handelsabkommen sind deshalb in Mode, weil die Doha-Runde faktisch gescheitert ist. Was können Sie bis zum Jahresende überhaupt noch erreichen?

Pascal Lamy: Es gibt keinen Friedhof für internationale Verhandlungen. Solche Gesprä-che sterben nie. Doha ist festgefahren, aber die Welthandelsrunde ist nicht tot.

Was ist der Grund für das Koma?

Die Welt hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verändert. Seit der Finanz-krise spielen die Schwellenländer eine wesentlich größere Rolle in der Weltwirtschaft. Als wir 2001 mit den Doha-Gesprächen begannen, dominierte der Westen. Heute ist China der Maßstab für die sich entwickelnden Länder. Zugleich ist die Arbeitslosigkeit im Westen stark gestiegen. Das hat dort den Eindruck vermittelt, dass die Beschäftigung nur deshalb so schwach ist, weil die Schwellenländer so stark wachsen.

Gibt es da einen Zusammenhang?

Nein, das ist ein zeitlicher Zufall. Aber die öffentliche Wahrnehmung insbesondere in den USA ist eine andere. Die Arbeitslosigkeit wird China angelastet.

Wie hat das die Doha-Runde belastet?

Es gibt nicht mehr die gleiche Partnerschaft wie vor der Krise. Als wir den Doha-Prozess starteten, ging es darum, den Entwicklungsländern zu helfen. Und zwar durch eine stär-kere Integration in den Welthandel. Heute stellen viele Industrieländer das infrage und wollen das Verhandlungsmandat ändern.

Inwiefern?

Es geht darum, ob Länder wie China, Indien und Brasilien noch immer als Entwicklungs-länder betrachtet und behandelt werden können. Diese Debatte findet aber nicht statt.

Zurück zu unserer Frage: Was können Sie unter diesen Vorzeichen noch erreichen?

Wir versuchen gerade einen Teil aus dem Verhandlungspaket herauszulösen, um wenigs-tens den ärmsten Ländern zu helfen.

Das sind aber nicht 80 Prozent des Gesamtpakets, von denen Sie immer sprechen?

Nein, das ist nur ein kleiner Teil davon. Aber wir haben enorme Probleme, selbst dieses kleine Baby zur Welt zu bringen. […]

Kann die WTO so weitermachen, ohne dass die Institution selbst beschädigt wird?

Wenn wir bei Doha nicht weiterkommen, leidet auch die WTO als Organisation. Aber die WTO ist mehr als nur die Doha-Runde. So haben wir zum Beispiel Chinas Exportrest-riktionen für Rohstoffe als illegal verurteilt. Die Aufgabe der WTO ist es, Regeln zu set-zen, diese zu implementieren und durchzusetzen und den Welthandel zu fördern. Nur einer dieser vier Motoren läuft nicht. Die Frage ist, wie lange die WTO nur mit drei Motoren vorankommen kann.

Quelle: Riecke, T./Herbermann, J. D., Handelsblatt.com, 23.07.2011

Page 100: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

100

5

10

15

20

M 28

Globales Handlungsfeld 1:

Rahmenbedingungen für globale Finanzmärkte

Die globale Finanzkrise zeigt: Die komplexen und zunehmenden Verknüpfungen bergen zahlreiche Risiken und Gefahren. Entwicklungen auf nationaler Ebene (hier im US-Immobilienmarkt 2001 ff.) zeigen deshalb immer öfter nachhaltige Wirkungen auf inter-nationaler Ebene und in anderen Staaten.

Roger Schmid, 2008 (www.karikatur-cartoon.de)

Diese Auswirkungen wiederum sind keineswegs auf die Finanzwelt beschränkt. Viel-mehr resultieren hieraus weltwirtschaftliche Probleme mit Auswirkungen auf den inter-nationalen Handel, die Arbeitsmärkte, die Staatshaushalte usw.

Die Frage nach den „Schuldigen“ ist dabei nur auf den ersten Blick einfach zu beantwor-ten: jene Institutionen und Akteure, die in der Suche nach dem größten Gewinn den Crash verursacht haben, also Immobilienhändler in den USA, Banken, Kreditinstitute, Fonds, Versicherungen etc. in der gesamten Welt. Es ist jedoch auch zu fragen, welche Rolle die von den Staaten gesetzten „Spielregeln“ hatten und haben. Ökonomen erklären das Verhalten der Menschen insbesondere durch die herrschenden Anreizstrukturen. Je nachdem, wie die Rahmenbedingungen gestaltet sind, werden sich die Akteure im Wirt-schaftsgeschehen im Bestreben, ihren eigenen Nutzen zu vergrößern, unterschiedlich verhalten. Festzuhalten ist: Viele Handlungen und Transaktionen an den Finanzmärkten, die am Ende zur Katastrophe geführt haben, waren nicht illegal. Offensichtlich waren die „Spielregeln“ nicht angemessen, um „Spielzüge“ zu vermeiden, die schlussendlich

Page 101: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

101

25

30

35

M 28

das gesamte „Spiel“ gefährden. Zum Marktversagen gesellt sich somit auch ein Versagen staatlicher Institutionen.

Dabei wird auf globaler Ebene schon länger über international gültige Regelungen für die Kapital- und Finanzmärkte diskutiert.

Der enorme Umfang der Verwerfungen hat in diesem Jahr generell zur Einsicht geführt, dass es einer verbesserten staatlichen Überwachung der Märkte bedarf, um entsprechen-de Prozesse in Zukunft zu vermeiden. Deren Umsetzung steht allerdings noch aus und scheint mit der derzeit zu beobachtenden Erholung der Märkte eher wieder unwahr-scheinlicher zu werden.

Quelle: Horsch, Handelsblatt, Nr. 180, 16.09.08, 1

Page 102: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

102

5

10

20

30

35

40

45

50

M 29

Bundesministerium der Finanzen:

Finanzmarktregulierung – Wie geht’s voran?

Die Finanzkrise hat tiefe Spuren im Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger hinterlassen. Für die Bundesregierung ist klar: Die Finanzmärkte brauchen wieder einen festen Rah-men. Die Krise war auch das Ergebnis eines weltweiten Wettbewerbs der Deregulierung der Finanzmärkte. Die Lehre aus dieser Krise ist, dass der Primat der Politik wieder Vor-fahrt haben muss. Das erklärte Ziel der Regierungen insbesondere aus den Industrie- und Schwellenländern mit den größten Finanzplätzen ist, dass kein Akteur, kein Produkt und kein Markt künftig ohne Regulierung sein dürfen. Das Leitbild dieser Bundesregie-rung ist die Soziale Marktwirtschaft. Sie bildet das Fundament bei der Erarbeitung eines umfassenden Konzeptes einer Finanzmarktregulierung.

Viel getan – viel zu tun

Einigen mag es jedoch erscheinen, als ginge es zu langsam mit den Reformen voran. Die zahlreichen Maßnahmen und politischen Handlungsebenen erschweren den Überblick. Was kann ein Staat alleine leisten? Welche Regulierungen sind nur international durch-zusetzen und weltweit wirksam? Fest steht, dass man den Problemen der globalen Finanzmärkte nur mit international abgestimmten Maßnahmen begegnen kann – und die politischen Prozesse sich international teilweise lange hinzuziehen scheinen. Doch man ist auf gutem Weg: Viel wurde bereits erreicht. Was auf europäischer Ebene und in Deutschland schon umgesetzt wurde, kann sich auch im Vergleich mit der Finanzmarkt-reform der USA, die stark in den Medien hervorgehoben wurde, mehr als sehen lassen.

Welche Vorhaben sind aktuell auf der G20 Agenda?

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise wurden auf den vergangenen G20-Gipfeln umfangreiche Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte beschlossen. Das Financi-al Stability Board (FSB) wird den Stand der Umsetzung der folgenden, bereits beschlosse-nen Maßnahmen überprüfen und regelmäßig berichten.

Dieses betrifft zum Beispiel die neuen internationalen Eigenkapitalstandards für Banken (Basel III), die Stärkung der OTC-Derivatemärkte, die Verringerung der Nutzung exter-ner Ratings für regulatorische Zwecke, die Verbesserung der Vergütungsstandards sowie die Verbesserung des internationalen Informationsaustauschs und der Kooperation im Bereich der Finanzmarktregulierung.

So beschäftigt sich ein Projekt mit Lösungsmöglichkeiten für das Problem des Ausfalls systemrelevanter Finanzinstitutionen. Hierbei geht es vorrangig um die Identifikation global systemrelevanter Banken, deren Zusammenbruch den gesamten Finanzmarkt in Mitleidenschaft ziehen könnte, Instrumente für die Stärkung der Verlusttragfähigkeit die-ser so genannten G-SIBs sowie darum, wenn nötig, ihre geordnete – auch grenzüber-schreitende – Abwicklung zu ermöglichen.

Durch die strengeren Regulierungsmaßnahmen vergrößert sich die Gefahr der Abwan-derung in das so genannte Schattenbankensystem. Um tatsächlich alle Akteure, Märkte und Instrumente einer angemessenen Aufsicht und Regulierung zu unterwerfen und ein Ausweichen in den nicht oder schwach regulierten Bereich zu vermeiden, soll auch hier die Aufsicht und Regulierung verbessert werden.

Page 103: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

103

55

M 29

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Verbesserung der Überwachung von system-weiten Risiken, die so genannte makro-prudenzielle Aufsicht. Diese wird bereits durch die regelmäßig von FSB und IWF durchgeführten „Frühwarnübungen“ gestärkt. Die G20 arbeiten weiter daran, die Kenntnis von Marktakteuren, Produkten und Entwicklungen zu verbessern, um künftig Krisen frühzeitig erkennen und besser reagieren zu können.

Quelle: http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Buergerinnen__und__Buerger/Gesell-

schaft__und__Zukunft/finanzkrise/20100730-Finanzmarktregulierung.html, 17.06.2011

Page 104: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

104

10

15

20

25

30

35

40

M 30

Schonfrist für Finanzkonzerne

29 globale Banken müssen künftig mehr Eigenkapital vorhalten. Doch

sie haben damit bis 2019 Zeit.

Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben bei ihrem Treffen in Cannes entschieden, welche Banken zu wichtig sind für das Finanzsystem – und deshalb künftig unter genauer Beobachtung der Aufseher stehen werden. Insgesamt sind 29 Kre-ditinstitute auf der Liste der sogenannten „G-Sifis“ („global systemically important finan-cial institutions“) zu finden, darunter auch Deutsche Bank und Commerzbank. Diese Banken müssen auch strengere Kapitalvorschriften erfüllen, allerdings können sie sich damit viel Zeit lassen.

„Das sind Mindestvorschriften.“ Die betroffenen Finanzkonzerne müssen künftig unter anderem einen zusätzlichen Eigenkapitalpuffer ansparen, der zwischen einem und 2,5 Prozentpunkten liegt im Vergleich zu kleineren Kreditinstituten. Entwickelt hatten die-sen Plan der Finanzstabilitätsrat (FSB) und der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht. „Wir erachten das als Mindestvorschriften“, sagte Svein Andresen, Generalsekretär des FSB. Doch erst ab 2016 müssen die Banken damit beginnen, ihr Eigenkapital aufzusto-cken; 2019 sollen sie damit fertig sein. Die Commerzbank wird einen Prozentpunkt bis maximal 1,5 Prozentpunkte zusätzlich an Eigenkapital zurücklegen müssen, heißt es in Unternehmenskreisen; die Deutsche Bank dürfte zwei Prozentpunkte drauflegen müs-sen. Zu den Banken, die am meisten für Krisen zurücklegen sollen, gehören der Nach-richtenagentur Reuters zufolge Citigroup, HSBC, JP Morgan, BNP Paribas und die Royal Bank of Scotland. Es sei notwendig, dass die Finanzkonzerne künftig stärker reguliert würden, sagte Jürgen Stark, Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) am Frei-tag auf einer Veranstaltung in Frankfurt.

Bis Ende des nächsten Jahres müssen die Großbanken zudem einen Plan vorlegen, wie sie im Falle einer neuerlichen Krise ohne Schaden für das gesamte Finanzsystem abgewi-ckelt oder mit dem Geld ihrer Aktionäre und Gläubiger gerettet werden können. Die G20 wollte demonstrieren, sagt Richard Reid vom International Centre for Financial Regulati-on (ICFR), dass bei zukünftigen Krisen nicht mehr sämtliche Kosten am Steuerzahler hängen blieben.

Nach wie vor nicht beantwortet ist allerdings, wie sich die Schattenbanken, also Hedge-Fonds, die mittlerweile rund 60 Billionen Dollar kontrollieren, künftig beaufsichtigen lassen. Konkrete Pläne gibt es hier noch nicht. Dabei sei Eile geboten, sagte Heinrich Haasis, Chef des deutschen Sparkassenverbandes (DSGV). Sonst würden immer mehr Geschäfte in diesen undurchsichtigen Markt abwandern.

Quelle: Panster, C., Handelsblatt, Nr. 215, 07.11.2011, 33

Page 105: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

105

M 30

g

Systemrelevante Banken (alphabetisch sortiert)

Bank of America

Bank of NY Mellon

Bank of China

Banque Populaire

Barclays

BNP Paribas

Citigroup

Commerzbank

Credit Agricole

Credit Suisse

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Nordea

RBS

Santander

Société Générale

State Street

Sumitomo Mitsui

UBS

Unicredit

Wells Fargo

21

22

23

24

25

26

27

28

29

Dexia

Deutsche Bank

Goldman Sachs

HSBC

ING Bank

JP Morgan Chase

Lloyds

Mitsubishi UFJ

Mizuho

Morgan Stanley

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

DerClub der Bankriesen

Quelle: eigene RechercheHandelsblatt

Sie sich bitte an [email protected] Nr. 215 vom 07.11.2011 © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 106: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

106

5

10

15

20

25

30

35

40

45

M 31

Der unaufhaltsame Aufstieg der Hedge-Fonds

Die weltweite Spekulationsindustrie boomt. Hedge-Fonds-Manager werden in diesem Jahr erneut ein Volumen von mehr als zwei Billionen Dollar investieren – ein neues Allzeithoch. Alle Regulierungsversuche der Politik sind bisher gescheitert.

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wandte sich Angela Merkel beschwörend an die Regierungschefs der 20 größten Industriestaaten. „Jedes Finanzmarktprodukt, jeder Finanzplatz und jede Finanzinstitution muss Regeln unterworfen werden, und zwar welt-weit“, so die Bundeskanzlerin im September 2009 unmittelbar vor dem G20-Gipfel in Pittsburgh. Nie wieder sollten Finanzspekulanten die Weltwirtschaft in den Abgrund stürzen dürfen.

Gut zwei Jahre und vier G20-Gipfel später ist die Welt von einer effektiven Regulierung der sogenannten Schattenbanken weit entfernt: Hedge-Fonds und ausgelagerte Zweckge-sellschaften von Banken verfügen nach Schätzung des Baseler Financial Stability Boards über mehr Finanzkraft als je zuvor. Rund 60 Billionen Dollar sind außerhalb des regulä-ren Banksystems angelegt.

Entgegen der ursprünglichen Zielsetzung hat die Politik die Aktivitäten der Hedge-Fonds nicht zügeln können. Die Fonds, die mit riskanten Wetten möglichst hohe Renditen erzielen wollen, werden in diesem Jahr so viel Geld einsetzen können wie noch nie. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die Mittelzuflüsse 2012 um 13 Prozent auf dann 2,3 Billionen Dollar steigen werden. Das bisherige Hoch aus dem Jahr 2007 lag bei 2,2 Billio-nen Dollar. […]

Hedge-Fonds-Manager wie der legendäre Investor George Soros spekulieren mit speziel-len Finanzinstrumenten auf steigende oder fallende Kurse von Aktien, Anleihen, Devisen oder auch Rohstoffe. Da sie wie auch andere Akteure der Schattenbankenwelt nicht sel-ten mit Kredithebeln arbeiten, kann ein Scheitern ihrer Wetten zu Ansteckungseffekten führen, die „am Ende das ganze Finanzsystem gefährden“, warnt Otmar Issing, früher EZB-Chefvolkswirt und heute Leiter der Kommission zur Finanzregulierung, in einem Handelsblatt-Gastbeitrag. Issing fordert „eine systemische Risikoabgabe, vergleichbar der deutschen Bankenabgabe“, für alle Schattenbanken. Außerdem plädiert er dafür, bei der EZB eine Institution anzusiedeln, die sich der „Überwachung des systemischen Risikos“ widmet.

Diese Überwachung ist schon deshalb erforderlich, weil inzwischen zunehmend institu-tionelle Investoren wie Banken, Versicherer und Pensionsfonds das Geld ihrer Kunden den Hedge-Fonds anvertrauen. Die britische Bank Barclays erwartet, dass die Hälfte der diesjährigen Nettozuflüsse der Hedge-Fonds von institutionellen Investoren stammt. Dadurch steigt das systemische Risiko für alle.

Die Europäische Union hat das Problem erkannt, ist aber weitgehend machtlos. Denn der größte Finanzplatz Europas liegt in London. Dort aber werden Hedge-Fonds-Manager nicht reguliert, sondern hofiert.

Quelle: Brackmann, M./Münchrath, J., Handelsblatt, Nr. 043, 29.02.2012, 1

Page 107: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

107

M 31

D ie Bezeichnung Hedge-Fonds-Manager mag Jim Rogers nicht besondersDabei war er sogar ein Pionier, de

bereits im Jahr 1970 die Hedge-Fonds-Szenbetrat und zusammen mit dem UngarGeorge Soros den Quantum Hedge Fungründete. Etwa ein Jahrzehnt später stieer aus Quantum aus – mit einem fantastschen Gewinn von mehr als 4 000 Prozent

Ende der 90er-Jahre dann nahm Rogerswieder als einer der ersten Großinvestoren, neue Geschäftsfelder ins Visier. Ereiste durch die Welt und erkannte, dass lukrative Geschäfte künftig in den EmerginMarkets – vor allem China – winken. Rogererkannte auch, dass Investoren Rohstoff

E r ist das Gesicht einer ganzen BrancheDenn immer, wenn in der Öf-fentlichkeit über Hedge-

Fonds diskutiert wird, fällt zuerstder Name George Soros. Und dies,obwohl der gebürtige Ungar heutefast nur noch in beratender Funktionaktiv ist und sich überwiegend da-rum kümmert, sein eigenes Vermö-gen zu verwalten.

Schon früh hat der heute 81-Jäh-rige die Chancen erkannt, die we-nig regulierte und ineffiziente Fi-nanzmärkte risikofreudigen Anle-gern bieten. So agierte sein Quan-tum Fonds, den er zusammen mit

JimRogers: GroßEr betrat als einer der Ersten dieHedge-Fonds-Szene und erkanntwie kaum ein anderer, welch guteGeschäftsperspektiven dieSchwellenländer bieten.

5% derBefragten0 bis 5 Prozent

2% derBefragten15 bis 20 Prozent

23% derBefragten10 bis 15 Prozent

69% derBefragten5 bis 10 Prozent

Verwaltetes Vermögen der Hedge-Fonds

2 260Mrd. US$

1143 Pkt.

1999

Renditeerwartungen von Hedge-Fonds-Investoren

’05 ’10’00 2012

inMrd. US-Dollar

Credit-Suisse-Umfrage untermehr als 600 Investoren

Anteilege

rund

et

Renditepro Jahr

2500

2000

1500

1000

500

0

Hedge-Fonds

3.Q.20119 800

1999 2011

Absolute Zahl

12 000

10 000

8 000

6 000

4 000

2 000

0

HFRX Global Hedge Fund Index

April 2003 Feb. 2012

Hedge-Fonds-Index in Punkten

1400

1300

1200

1100

1000

Handelsblatt | Quellen:HFR, Deutsche Bank, Bloomberg, TheCityUK

Hedge-Fonds-Markt GeorgeSoros: VeSeit er gegen das britische Pfundspekulierte, sind Politiker auf dieInvestorenlegende nicht gut zusprechen. Manche geben ihm gardie Schuld für die Asienkrise.

Handelsblatt Nr. 043 vom 29.02.2012 © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten.Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 108: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

108

5

10

15

20

25

30

35

M 32

EU: Widerstand gegen Börsensteuer

Mehrere Länder torpedieren Schäubles Pläne für eine Abgabe auf

Finanzgeschäfte.

Die rasche Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer wird immer unwahrscheinlicher. Gestern haben sich die Finanzminister der 27 EU-Staaten nicht auf einen einheitlichen Weg verständigen können. Auch ein Vorpreschen der Euro-Gruppe ist offenbar vom Tisch. „Es gibt erhebliche Zweifel daran“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach dem Treffen. So haben sich Italien, Finnland und Luxem-burg dagegen ausgesprochen. Wir arbeiten an einer gemeinsamen Position“, sagte Bun-deskanzlerin Angela Merkel am Abend nach einem Treffen mit Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Dieser bekräftigte seine Position, dass die Steuer möglichst in allen 27 EU-Staaten eingeführt werden sollte. Nach Angaben Merkels gibt es noch großen Diskussi-onsbedarf. Das bedeutet im Klartext, dass das vor allem von Deutschland und Frank-reich vorangetriebene Projekt wohl kurz vor dem Scheitern steht. […]

Die EU, das zeigte sich gestern, ist bei dem Thema tief gespalten. Hinter Deutschland und Frankreich stehen sieben weitere Staaten. Sie könnten zwar den Weg der verstärk-ten Zusammenarbeit beschreiten und sich untereinander auf die Steuer verständigen. Das gilt jedoch als unrealistisch. Wenn überhaupt, müssten alle 27 EU-Staaten mitziehen, verlangte Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden. Das jedoch scheitert am strikten Veto mindestens aus Großbritannien. Die konservative Regierung von David Cameron fürch-tet um den Finanzplatz London. Auch Schweden ist gegen die Steuer; dort hat man in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit einer Börsensteuer gemacht und sie wieder abgeschafft. Die Folgen einer solchen Abgabe seien höhere Kosten bei der Aufnahme von Krediten für Betriebe und Regierungen, sagte Schwedens Finanzminister Anders Borg: „Das ist nicht gut für das Wachstum.“ Bedenken haben auch Irland und die Nieder-lande. In der EU müssen Steuerfragen einstimmig beschlossen werden. Frankreich hat beschlossen, ab August im Alleingang eine Börsensteuer einzuführen.

Befürworter der Finanztransaktionssteuer sehen sie als probates Mittel, um Spekulations-auswüchse an den Finanzmärkten zu bremsen. Mit den Einnahmen ließen sich zudem künftige Rettungsmaßnahmen von Banken mitfinanzieren. Gegner der Steuer kritisieren, die Geldinstitute würden künftig dort ihre Geschäfte tätigen, wo keine Steuer anfalle. […]

Kampf gegen Spekulation

Ursprung: Die Idee einer Finanztransaktionssteuer geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Er brachte schon 1972 eine Steuer auf Börsengeschäfte ins Gespräch. Die Steuer soll spekulative Aktivitäten weniger attraktiv machen.

Hoffnung: Die EU-Kommission geht davon aus, dass das lukrative Geschäft mit dem Hochgeschwindigkeitshandel infolge der Abgabe wegbrechen würde. Dabei werden Papiere oft mit einer minimalen Marge verkauft. Gewinne entstehen jedoch durch die Masse. Dieses Geschäftsmodell wäre hinfällig, weil der Steuersatz die Gewinne pro Order wohl übersteigen dürfte. In Deutschland macht dieser Handel mehr als 40 Pro-zent der Wertpapierumsätze aus.

Quelle: Ludwig, T./Riedel, D., Handelsblatt, Nr. 053, 14.03.2012, 12

Page 109: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

109

5

10

15

20

25

M 33

Globales Handlungsfeld 2: Klimaschutz

Umweltverschmutzung ist in vielen Fällen ein globales Problem, das entsprechend inter-nationaler Entscheidungen und Regelungen bedarf. In Zeiten eines umfassenden Klima-wandels wird dies besonders deutlich. Verursacht wird dieser rund um den Erdball, allerdings v. a. in den Industrie- und den großen Schwellenländern. Zunehmendes welt-weites Wachstum drückt sich dabei u. a. in der Erhöhung der emittierten Schadstoffmen-gen aus. Die Auswirkungen der Verschmutzung sind mittlerweile überall zu spüren und enorm, man spricht von „externen Effekten“. Die Notwendigkeit zügigen politischen Handelns ist mittlerweile weitgehend unumstritten.

Nationale Maßnahmen sind hierbei grundsätzlich sinnvoll, allerdings werden sie stets nur eingeschränkte Wirkungen entfalten können. Hätte Deutschland z. B. 2008 sämtli-che CO2-Emissionen vermieden, so hätte dies einer Einsparung von ca. 4% des Gesamt-volumens in der Welt entsprochen.

Ursache dafür, dass der Abschluss international gültiger Klimaabkommen bislang nur sehr eingeschränkt erfolgt ist, ist die zugrunde liegende „Dilemmastruktur“: Alle Staaten haben ein Interesse an der Erhaltung der Umwelt, in der konkreten Situation sind sie aber nicht gewillt, hohe oder gar höhere Kosten als andere zu tragen. So könnten sich z. B. strengere Umweltauflagen als negativ für die Wettbewerbsposition der einheimi-schen Unternehmen im internationalen Wettbewerb erweisen, mit Folgen für die Volks-wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Insbesondere die wachsenden Schwellenländer wollen – verständlicherweise – nicht auf Wachstum verzichten, um v. a. von den Industriestaa-ten verursachte Probleme zu beheben.

Die Top-10der Klima-Sünder

Quelle: IEA, Germanwatch © Globus 3288

21,0

16,5

20,1

1China

19,918,7

4,6

2USA

5,5

2,6 2,1

3Russland

4,66,6

17,0

4Indien

2,83,8

1,2

6Deutschland

1,83,0

0,9

8Großbritannien

2,0 1,70,5

7Kanada

4,35,9

1,9

5Japan

0,71,71,7

9Südkorea

1,10,91,6

10Iran

So viel Anteil haben diese Länder...(in %)

...am weltweiten CO²-Ausstoß

...am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (Wirtschaftsleistung)

...an der Weltbevölkerung

Quelle: Globus

Page 110: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

110

M 33

Kyo

to-P

roto

koll

un

d K

lima-

nd

erS

taat

en m

it de

n gr

ößte

n en

ergi

ebed

ingt

en C

O2-

Em

issi

onen

im J

ahr

2009

in M

illio

nen

Tonn

en

© G

lobu

s46

12

Gro

ßbr

itann

ien

Süd

kore

a

Kan

ada

Iran

Deu

tsch

land

Japa

n

Rus

slan

d

Indi

en

Chi

na*

US

A

Que

lle: U

NF

CC

C, I

EA

ratif

izie

rtni

cht

ratif

izie

rtbi

sher

kei

neTe

ilnah

me

US

AA

fgh

anis

tan

Wes

t-sa

har

a

683

2 M

io. t

*ohn

e H

ongk

ong

Sta

nd O

ktob

er 2

011

(Ver

änd

eru

ng

geg

enü

ber

199

0 in

%)

Die

US

A s

ind

das

einz

ige

Indu

strie

land

, da

s di

e R

atifi

zier

ung

able

hnt:

Das

Kyo

to-P

roto

koll

wur

de 1

997

vere

inba

rt u

nd is

t im

Feb

ruar

200

5 in

Kra

ft ge

tret

en. D

anac

h ve

rpfli

chte

nsi

ch d

ie te

ilneh

men

den

Sta

aten

, die

Em

issi

on v

on s

echs

Tre

ibha

usga

sen

(u.a

. Koh

lend

ioxi

d) b

is 2

012

wel

twei

t um

min

dest

ens

fünf

Pro

zent

im V

ergl

eich

zu

1990

zu

senk

en.

519

5 (+

6,7

)

158

6 (+

172

,3)

153

3 (-

29,

7)

109

3 (+

2,7

)

750

(- 2

1,1)

533

(+ 1

97,0

)

521

(+ 2

0,4)

516

(+ 1

24,8

)

466

(- 1

5,2)

(+ 2

08,9

%)

Quelle: Globus

Page 111: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

111

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

M 34

Lauwarmer Kompromiss

In letzter Minute verhinderten die Teilnehmer ein Scheitern des

Weltklimagipfels in Durban. Doch die Resultate sind allenfalls ein

kleiner Schritt im Kampf gegen die Erderwärmung.

Der Klimagipfel in Durban hat sich am Sonntag auf die Grundzüge eines weltweit gülti-gen Klimaschutzabkommens verständigt. Gegen vier Uhr am Morgen einigten sich die Unterhändler aus 194 Staaten auf ein Kompromisspaket. Es soll erstmals alle großen Kli-masünder in die Pflicht nehmen. Allerdings bleiben große Schlupflöcher für die Schwel-lenländer. Der 17. Weltklimagipfel, der ursprünglich am vergangenen Freitag enden soll-te, stand in seiner Verlängerungsphase am Wochenende kurz vor dem Scheitern. Erst in einer informellen Runde unter südafrikanischem Vorsitz gelang es Vertretern aus 30 Staaten, auf drei wichtigen Feldern Lösungen zu finden.

Erstens verständigten sich die Kyoto-Staaten darauf, das Kyoto-Protokoll ab 2013 weiter-zuführen. Die erste Verpflichtungsperiode läuft Ende 2012 aus. Sie schreibt einer Reihe von Industriestaaten rechtlich verbindlich vor, ihre CO2- Emissionen zu senken. Im ers-ten Halbjahr des kommenden Jahres wollen sich die zu Emissionsreduktionen verpflich-teten Staaten auf die Ziele einer zweiten Verpflichtungsperiode verständigt haben. Wel-che Zeitspanne die zweite Periode umfassen wird, ist noch nicht klar. Sie könnte 2013 beginnen und 2017 oder 2020 enden. Die Relevanz des Kyoto-Protokolls hat allerdings stark abgenommen: Lange vor der Konferenz in Durban hatten mit Kanada, Japan und Russland drei große Treibhausgasemittenten erklärt, sie stünden für eine zweite Ver-pflichtungsperiode nicht zur Verfügung. Die verbliebenen Staaten stehen nur für 15 Pro-zent der weltweiten Emissionen.

Aus Sicht der Europäer war es daher besonders wichtig, über das Kyoto-Protokoll hinaus andere große Klimasünder verbindlich auf Emissionsreduktionen einzuschwören. Dieser zweite Verhandlungsstrang brachte allerdings nur ein wachsweiches Resultat: Bis 2015 soll ein entsprechendes Abkommen erarbeitet werden und bis 2020 durch ein „Verfah-ren mit Rechtskraft“ umgesetzt werden. Wie verbindlich diese Regel sein wird, ist jedoch noch unklar. […]

Umweltminister Röttgen (a. D.) bezeichnete das Ergebnis von Durban als „großen, weg-weisenden Erfolg für den Klimaschutz“. Man habe jetzt „das Fundament und die Dyna-mik dafür, ein internationales Klimaschutzabkommen zu erreichen, das erstmalig für alle gilt“. Südafrikas Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane, die mit ihrer Beharrlich-keit einen harten Konflikt zwischen Indien und der EU über die Verbindlichkeit des künftigen Weltklimavertrags in letzter Minute gelöst hatte, sprach sogar von einem „his-torischen Meilenstein“.

Umweltschutzorganisationen und Wirtschaftsvertreter sind deutlich zurückhaltender. Die Beschlüsse seien ein „löchriger Rettungsschirm fürs Klima“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundesverbandes Umwelt- und Naturschutz (BUND). Greenpeace sprach von einer „großen Enttäuschung“. Es bestehe die Gefahr, dass der Kompromiss lediglich zu einem lose bindenden Abkommen führen werde, sagte der Leiter der Inter-nationalen Klimapolitik von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser.

Auch die Wirtschaft reagierte enttäuscht. Der große Wurf für den globalen Klimaschutz sei misslungen, da offenbleibe, wie verbindlich ein künftiges Abkommen aussehen werde, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI),

Page 112: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

112

55

60

65

70

75

M 34

Utz Tillmann. „Für die deutsche Chemieindustrie reicht das nicht. Sie braucht ein Abkommen mit gleichen Rahmenbedingungen für alle großen Verursacher von Treib-hausgasen, um Chancengleichheit zu gewährleisten“, sagte Tillmann. Nach Ansicht der Rückversicherung Munich Re hat der Gipfel von Durban „ein enttäuschendes Ergebnis gebracht, das der dramatischen Lage des Weltklimas nicht gerecht wird“. Nach Durban rücke effizienter Klimaschutz noch weiter in die Zukunft. […]

Als härtester Verfechter einer möglichst unverbindlichen Formulierung für die Umset-zung eines internationalen Klimaschutzabkommens hatte sich im Laufe der letzten Stun-den des Verhandlungsmarathons Indien erwiesen. Umweltministerin Jayanthi Natarajan wandte sich gegen Vorwürfe, ihr Land habe den Gipfel an den Rand des Scheiterns getrieben. Man habe viel Flexibilität bewiesen und lasse sich nicht einschüchtern und an den Pranger stellen. „Was ist das Problem, eine Option mehr aufzunehmen?“ fragte sie mit Blick auf die Aufweichung. Ihr Land sowie China und die USA lehnten bisher ver-bindliche Abkommen komplett ab.

Der dritte Verhandlungsstrang in Durban betrifft den „Green Climate Fund“. Die Indust-riestaaten hatten sich bereits beim Klimagipfel in Kopenhagen 2009 dazu verpflichtet, den ärmsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll den Ländern helfen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, etwa durch den Bau von Dämmen. Außerdem soll es eingesetzt werden, um die Erderwärmung zu bekämpfen, beispielsweise durch eine Umstellung von fossilen auf regenerative Energien. In Durban verständigte sich die Staatengemeinschaft auf die Architektur des Fonds, der bereits ab dem kommenden Jahr arbeitsfähig gemacht werden soll.

Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 240, 12.12.2011, 13

Quelle: Handelsblatt, Nr. 240, 12.12.2011, 8

Page 113: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

113

5

10

15

20

25

30

35

40

45

M 35

Klimaexperte Ottmar Edenhofer:

„Dieses Chaos ist ineffizient“

Was hat der Klimagipfel in Durban gebracht? Welche Aufgaben kommen auf die Europäer zu? Darüber sprach Handelsblatt-Korrespondent Klaus Stratmann mit dem Chefökonomen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer.

Handelsblatt: Herr Edenhofer, wie bewerten Sie das Ergebnis des Klimagipfels von Durban?

Ottmar Edenhofer: Es ist mehr dabei herausgekommen als erwartet. In Durban hat sich die Staatengemeinschaft auf gemeinsame Schritte in einem globalen Rahmen verstän-digt. Dieser Ansatz ist neu.

Werden die Maßnahmen ausreichen, um die erforderlichen Emissionsreduktionen zu erreichen?

Nein, das ist eindeutig nicht der Fall. Den Scheitelpunkt der Emissionen wird man so nicht bis 2020 erreichen. Dabei wäre das zur Vermeidung des gefährlichen Klimawan-dels dringend erforderlich.

Das neue internationale Abkommen, das alle Staaten einbindet, soll durch ein „Ver-fahren mit Rechtskraft“ umgesetzt werden. Ist das nicht etwas zu unverbindlich?

Ich denke: Nein. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass der internationale Prozess eine Form und eine Richtung bekommen hat. Wir haben jetzt die Chance, mit allen Staaten über konkrete Ziele zu reden. Das gibt, so zwiespältig das Ergebnis von Durban auch ist, Anlass zur Hoffnung.

Die Freude darüber, dass man weiter verhandeln kann, rettet das Klima allerdings nicht.

Das stimmt. Die Beschlüsse auf UN-Ebene allein sind zunächst einmal nur Papier – es kommt jetzt darauf an, sie mit Leben zu füllen. Hierbei ist es aus meiner Sicht auch unverzichtbar, dass etwa die G20-Staaten parallel zum UN-Verhandlungsprozess bei einer Reduktion der Emissionen die Initiative ergreifen. Wir brauchen dringend ein Sig-nal zusätzlich zu den hoffentlich kommenden völkerrechtlich verbindlichen Regeln. Am Ende kommt es darauf an, 20 große Länder zusammenzuführen, die für 80 Prozent der weltweiten Emissionen stehen. Die Europäer könnten dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie den Beweis antreten, dass sich Wirtschaftswachstum und Dekarbonisierung – die Energiewende weg von Kohle und Öl – nicht ausschließen. Wir müssen verhindern, dass in Asien und Afrika in den nächsten zehn Jahren beim Bau von Kraftwerken oder Städten Infrastrukturen geschaffen werden, die eine Trendumkehr bei den Emissionen auf Jahrzehnte hinaus blockieren.

Für wie effizient halten Sie die Klimagipfel?

Dieses Chaos gerade am Ende der Gipfel wirkt ineffizient. Natürlich dienen diese Mara-thonverhandlungen dazu, den Druck für einen Abschluss zu erhöhen. Aber statt um das beste Ergebnis geht es dann manchmal vielleicht nur noch um irgendein Ergebnis. Man sollte die Struktur dieser Gipfel und der einzelnen Verhandlungspakete überdenken. Es steht zu viel auf dem Spiel – das lässt sich nicht als großer Basar organisieren.

Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 240, 12.12.2011, 13

Page 114: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

114

M 36

Polen lässt den Klimafahrplan der EU scheitern

Polen hat den EU-Klimafahrplan für die kommenden Jahrzehnte am Freitag gegen die Wand fahren lassen. Am Widerstand Warschaus scheiterte auf einem Umweltminister-treffen in Brüssel die Festlegung auf die nächsten Schritte, mit denen die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent bis zum Jahr 2050 erreicht werden soll. Deutschland hatte mit einer Reihe anderer Länder für eine Festlegung auf konkrete Meilensteine gepocht, wie sie von der Kommission vorgeschlagen worden waren. Doch Polen ließ sich nicht umstimmen, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Der Streit wird nun auf dem nächsten EU-Gipfel im Juni zur Chefsache.

Das Scheitern ist eine Schlappe für Umweltminister Norbert Röttgen a. D. (CDU) und EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Beide hatten dafür gekämpft, dass für 2020 ein Reduktionsziel von 25 Prozent vereinbart wird. Nach Berechnungen Hedegaards wäre das wegen der Wirtschaftskrise ohne zusätzliche Anstrengungen möglich. Auch für die Jahre 2030 und 2040 sollten Etappenziele vereinbart werden. Denn nur so sei auch das Fernziel von minus 80 bis 95 Prozent bis zur Jahrhundertmitte erreichbar.

Trotz seiner isolierten Position ließ sich Warschau aber nicht umstimmen. Polen will jedes weitere Vorpreschen der EU stoppen und erst auf verbindliche Zusagen der ande-ren Großverschmutzer wie China und die USA warten. Greenpeace reagierte empört. Das Land „bekräftigt sein Image als überholte Wirtschaft, die den Fortschritt auf einem ganzen Kontinent aufhält“, erklärte Greenpeace-Klimasprecher Joris den Blanken. Euro-pa müsse sich dringend von teuren Öl- und Kohleimporten befreien, die die Wirtschaft belasteten und das Klima schädigten.

Quelle: dapd, Handelsblatt.com, 09.03.2012

Page 115: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

115

M 37

Expertenbefragung

Definition

Eine Expertenbefragung ist ein wesentliches Mittel zur Informationsbeschaffung. „Experte bedeutet, dass jemand in den Unterricht kommt, der über seine Tätigkeit, sei-nen Arbeitsalltag berichtet und so gesehen im Wirtschaftsunterricht zum Fachmann für die Praxis wird.“ (Wolf 1991, 47)

Verlaufsstruktur

1. VorbereitungEs werden Absprachen über die Ziele und Durchführung der Befragung getroffen. Für die Befragung, die entweder in der Schule oder am Wirkungsort des Experten, z. B. in einem Unternehmen, stattfinden kann, werden Fragen ausgearbeitet. Festgelegt werden weiterhin Aufgabenverteilung und Arbeitstechniken. Für die Befragung muss des Weite-ren eine Interviewtechnik gewählt werden:

■■ strukturiertes Interview: Reihenfolge und Formulierung der Fragen werden genau festgelegt. Vorteil: Das Interview läuft planmäßig ab, aber: eine Vertiefung oder Ausweitung der Diskussion ist kaum möglich.

■■ teilstrukturiertes Interview: Wichtige Inhalte und die Reihenfolge der Fragen werden z. B. in Form eines Leitfadens festgelegt. Vorteil: Die Anwendungs- und Umsetzungs-möglichkeiten können flexibel gehalten und entsprechend der jeweiligen Situation eingebracht werden.

■■ unstrukturiertes Interview: Das Ziel der Befragung wird festgelegt, Reihenfolge und Einzelfragen bleiben offen. Vorteil: Diskussionen können entstehen, die zusätzliche Informationen liefern, aber: Es besteht die Gefahr, dass sich Abweichungen zur ursprünglichen Zielsetzung ergeben.

Page 116: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

116

M 37

2. DurchführungBei der Durchführung der Befragung muss eine spätere Präsentation der Ergebnisse u. U. schon vorbereitet werden (z. B. durch Fotos, Filmbeitrag, MP3).

3. AuswertungNotizen und Aufzeichnungen werden in Reinschrift gebracht und zusammengefasst. Mögliche Fragestellungen für eine differenzierte Auswertung:

■■ Welche objektiven Sachinformationen wurden gegeben?

■■ Welche Aussagen waren personen- bzw. interessengeleitet?

■■ Welche Aussagen stellen die subjektive Meinung des Experten dar?

Die Ergebnisse werden diskutiert und möglicherweise präsentiert, z. B. in Form einer Dokumentation, Webseite, eines Beitrags in der Schülerzeitung. Die Ergebnisse der Befragung werden in den unterrichtlichen Zusammenhang eingebettet.

Quelle: in Anlehnung an: Kaiser, F.-J./Kaminski, H. (2012): Methodik des Ökonomieunter-

richts, 4. vollständig überarbeitete Auflage, Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 256 ff.

Page 117: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

117

M 38

Pro- und Kontradiskussion

Definition

Der Sinn einer Pro- und Kontradiskussion ist es, sich über einen strittigen Gegenstand Klarheit zu verschaffen, indem man sich mit unterschiedlichen Positionen zu einer bestimmten Thematik auseinandersetzt. Eine Pro- und Kontradiskussion kann sowohl innerhalb des Kurses als auch unter Einbeziehung von Experten, Vertretern unterschied-licher Positionen, durchgeführt werden.

Verlaufsstruktur

(1) Planung

Der Ablauf der Diskussion muss sorgfältig geplant werden:

■■ Woher kommen die Experten, wie viele sollen eingeladen werden?

■■ Welche Zeit steht den Experten zur Verfügung?

■■ Wer stellt Fragen?

■■ Wer fasst zusammen?

■■ Wer ist das „Publikum“?

Damit eine mögliche Meinungsänderung nach der Diskussion deutlich gemacht werden kann, muss festgelegt werden, wie die Meinung des Publikums / der Zuhörer vorher abgefragt wird.

■■ Was wird an Technik, z. B. Mikrophonen, gebraucht?

■■ Soll die Diskussion (z. B. auf Video) aufgezeichnet werden?

Page 118: Unterrichtseinheit Globalisierung 2012€¦ · Unterrichtseinheit „Globalisierung“ 5. Auflage Michael Koch. Katrin Eggert (Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky

118

M 38

(2) Absprachen mit den Experten

Mit den Experten müssen vorher Termin, Dauer und Inhalt der Diskussion abgesprochen werden (telefonisch, schriftlich oder persönlich).

(3) Informationsbeschaffung

■■ Alle Teilnehmer sollten sich über Bücher, Broschüren, Internet etc. auf die Diskus-sion vor bereiten.

■■ Der Diskussionsleiter muss inhaltlich gut auf das Thema vorbereitet sein, um zusam-menfassen und interessante Fragen stellen zu können.

(4) Vorbereitung der Diskussion

Der Raum muss für die Diskussion vorbereitet werden:

■■ Technische Hilfsmittel wie Mikrophone oder Beamer müssen bereit gestellt werden.

■■ Die Teilnehmer an der Diskussion müssen gut zu sehen sein.

■■ Wie werden die Abstimmung und ihr Ergebnis gezeigt?

(5) Durchführung

Es findet eine zweite Abstimmung statt, mit der sich Meinungsveränderungen bei den Teilnehmern erkennen lassen. Eine inhaltliche Auswertung der Diskussion muss den-noch erfolgen.

Quelle: in Anlehnung an: Kaminski, H. (Hrsg.) (1998): Praxis Arbeit/Wirtschaft Gesamtband,

Braunschweig: Westermann, 274 f.