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Dokumentation zum Projekt "Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord“ Stand: 14.09.2016 Öko-Institut: Christof Timpe Lothar Rausch SWM: Dr. Markus Henle

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Dokumentation zum Projekt

"Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord“

Stand: 14.09.2016

Öko-Institut:

Christof Timpe

Lothar Rausch

SWM:

Dr. Markus Henle

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ................................ ....................................................................... 1

Zusammenfassung ................................... ................................................................... 3

A Prämissen ......................................... ................................................................ 5

1 Energiepreis-Szenarien ...................................................................................... 5

1.1 Erläuterungen zu den Energiepreis-Szenarien ................................................... 6

1.2 Einordnung der Energiepreis-Szenarien ............................................................. 8

1.2.1 Steinkohle .......................................................................................................... 8

1.2.2 Erdgas ................................................................................................................ 9

1.2.3 CO2-Preise ......................................................................................................... 9

2 Energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen .................................................... 10

2.1 Kraftwerkpark in Deutschland und Europa ........................................................ 10

2.2 Weitere Festlegungen ...................................................................................... 11

3 Erzeugungsanlagen und Fernwärmenetz München .......................................... 11

3.1 Variante 1: Weiterbetrieb HKW Nord bis zum technisch-wirtschaftlichen Lebensdauerende ............................................................................................ 12

3.2 Variante 2: vorzeitige Stilllegung HKW Nord 2 .................................................. 12

3.3 Modernisierung HKW Freimann........................................................................ 12

3.4 Geothermie-Ausbau ......................................................................................... 13

3.5 Bestandsanlagen der Fernwärmeerzeugung .................................................... 14

3.6 Dampfnetzumstellung (DNU) ............................................................................ 14

3.7 Erlöse aus vermiedener Netznutzung und Regelenergie .................................. 14

3.8 Versorgungssicherheit der Fernwärme ............................................................. 15

4 Berechnungsverfahren ..................................................................................... 16

4.1 Delta-Betrachtung ............................................................................................ 16

4.2 Stützjahre ......................................................................................................... 16

4.3 Berechnungsjahre 2035ff.................................................................................. 17

4.4 Methodik – Ökonomische Bewertung ............................................................... 17

4.5 Methodik – Ökologische Bewertung ................................................................. 18

4.6 Exkurs: Emissionshandel.................................................................................. 22

B Ergebnisse ........................................ .............................................................. 24

1 Strompreisentwicklung ..................................................................................... 24

2 Ökonomische Bewertung.................................................................................. 24

2.1 Sensitivität „niedrige CO2-Preise“ ..................................................................... 26

2.2 Sensitivität „hohe CO2 Preise“ ......................................................................... 26

2.3 Kondensationsstromerzeugung ........................................................................ 27

3 Ökologische Bewertung .................................................................................... 30

3.1 Sensitivität „niedrige CO2-Preise“ ..................................................................... 31

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3.2 Sensitivität „hohe CO2-Preise“ .......................................................................... 32

3.3 Kondensationsstromerzeugung ........................................................................ 33

3.4 Exkurs: Differenzierung der CO2-Emissionen der von den SWM eingesetzten Brennstoffe nach Lieferländern ......................................................................... 35

3.5 Exkurs: Qualitative Bewertung der Emissionen an Luftschadstoffen aus dem HKW Nord 2 .............................................................................................................. 37

3.6 Fazit zur ökologischen Bewertung .................................................................... 38

4 Bewertung der Versorgungssicherheit .............................................................. 38

5 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................. 40

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Zusammenfassung

Im Jahr 2014 wurden die Stadtwerke München (SWM) durch die Landeshauptstadt München beauftragt, eine Untersuchung durchzuführen, wie ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung im Block 2 des Heizkraftwerks München Nord durchgeführt werden könnte und welche ökonomi-schen und ökologischen Effekte dies hätte. Die Stadtwerke haben das Öko-Institut gebeten, diese Untersuchung als externer Gutachter zu begleiten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen im Abschlussbericht Dokumentation zum Projekt "Untersuchung unterschiedlicher Sze-narien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord“ (im Folgenden kurz: Gut-achten 2015) vom 30.01.2015 vor.

Aufgrund der Entwicklungen im Energiemarkt soll in diesem neuen Gutachten überprüft wer-den, ob und wieweit die im Gutachten 2015 getroffenen Aussagen und Empfehlungen aus heutiger Sicht Bestand haben.

Hierzu wurden die Einschätzungen zu den Energiepreisen und Marktentwicklungen aktualisiert und die aktuellen Planungsstände für die Modernisierung des KWK-Anlagenparks, den Ge-othermie-Ausbau sowie die Dampfnetzumstellung im Münchner Fernwärmeversorgungssys-tem berücksichtigt. Die Methodik aus dem Gutachten 2015 wurde weitgehend übernommen.

Was sind die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchu ng?

Der Block 2 des Heizkraftwerks Nord ging im Jahr 1991 in Betrieb und koppelt Fernwärme aus. Im Vergleich zu anderen Kohlekraftwerken handelt es sich um einen relativ modernen Block, der den Vorteil der Kraft-Wärme-Kopplung nutzt.

Aus technischer Sicht kann die Anlage bis zum Jahr 2035 betrieben werden. Eine vorzeitige Stilllegung des Kraftwerksblocks, beispielsweise im Jahr 2020, wäre jedoch grundsätzlich möglich. Die ausfallende Wärmeerzeugung für das Münchner Fernwärmenetz würde in die-sem Fall durch andere Heizkraftwerke sowie durch Heizkessel ohne Stromerzeugung über-nommen, die alle mit Erdgas gefeuert werden. Die ausfallende Stromerzeugung würde zum größeren Teil durch andere Heizkraftwerke in München, zum kleineren Teil durch andere Kraftwerke im deutschen oder europäischen Strommarkt übernommen.

Durch die vorzeitige Stilllegung könnten die CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden: In Ab-hängigkeit von den unterstellten Rahmenbedingungen würde ein Betriebsende im Jahr 2020 über den Zeitraum bis zum Jahr 2035 zu einer gesamten Emissionsminderung von 8,2 bis 10,6 Millionen Tonnen CO2 (Vergleichswert aus dem Gutachten 2015: 5,7 bis 12,7 Millionen Tonnen CO2) führen. Bei einer Stilllegung im Jahr 2025 beträgt die Emissionsminderung 5,3 bis 7,5 Millionen Tonnen CO2. (Vergleichswert aus dem Gutachten 2015: 4,1 bis 9,6 Millionen Tonnen CO2).

Auf der anderen Seite würde eine vorzeitige Stilllegung des Heizkraftwerks Nord 2 erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die SWM verursachen. Unter den angenommenen Szenarien werden Betreiber von Kohlekraftwerken am Strommarkt trotz des fortschreitenden Ausbaus

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erneuerbarer Energien weiterhin Erträge erwirtschaften können. Die finanzielle Einbuße für die SWM beträgt über den Zeitraum bis zum Jahr 2035 zwischen 153 und 314 Millionen Euro (Vergleichswert aus dem Gutachten 2015: 340-600 Mio. Euro) bei einer Stilllegung im Jahr 2020 und zwischen 78 und 160 Millionen Euro bei einer Stilllegung im Jahr 2025 (Vergleichs-wert aus dem Gutachten 2015: 180-380 Mio. Euro). Berechnet wurde die Einbuße als entgan-gene Gewinne vor Steuern.

Die deutliche Reduktion der geschätzten Einbußen für die SWM gegenüber dem Gutachten 2015 wird durch aktuell niedrigere Projektionen für den Erdgaspreis und höhere Ansätze für die Kosten von CO2-Emissionsrechten verursacht.

Im Falle, dass die Klimaschutzpolitik sehr ambitionierte Ziele zur Minderung von Treibhausga-sen setzt und umsetzt könnte eine marktgetriebene Stilllegung von HKW Nord 2 bereits vor dem Jahr 2030 erfolgen.

Wie aus den Berechnungen des Gutachtens hervorgeht, führen mittels Marktinstrumente um-gesetzte ambitionierte Klimaschutzziele (z.B. hohe Preise von CO2-Zertifikaten im Emissions-handel) nicht per se zu einer marktgetriebenen Stilllegung des HKW Nord 2 bis zum Jahr 2025.

Die im Vergleich zum Gutachten 2015 deutlich geringeren finanziellen Einbußen für die SWM zeigen, dass eine künftige Entscheidung zur vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 in Ab-hängigkeit von der dann erwarteten Entwicklung der Energiepreise eine realistische Option sein kann.

Wie bei den CO2-Emissionen besteht auch bei den Kosten eine große Bandbreite in Abhän-gigkeit von den unterstellten Rahmenbedingungen am Strommarkt. Aufgrund der großen Bandbreite des finanziellen Schadens einer vorzeitigen Stilllegung für die SWM lässt sich in diesem Gutachten noch keine Aussage hinsichtlich eines sinnvollen Datums einer vorzeitigen Stilllegung treffen.

Insofern bestätigen sich die Ergebnisse des Gutachtens aus dem Jahr 2015 und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen des Münchner Stadtrats.

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A Prämissen Für Analysen zur vorzeitigen Stilllegung des HKW Nord sind grundlegende Annahmen zu tref-fen, die als Prämissen in die Berechnungen einfließen. Diese lassen sich grob kategorisieren in

• Energiepreis-Szenarien

• Energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen

• Annahmen zu Erzeugung und Fernwärmenetz München

Die Annahmen zu Energiepreisen sind relevant, um die Auswirkungen einer Stilllegung des HKW Nord 2 im Kontext des Münchner Versorgungssystems zu ermitteln.

1 Energiepreis-Szenarien

In den Energiepreis-Szenarien werden die Annahmen zu Energiepreisen und Emissionsprei-sen getroffen. Diese unterliegen im Wesentlichen geopolitischen Entwicklungen sowie Ent-wicklungen auf den Weltmärkten.

Für die durchzuführenden Berechnungen sollen folgende Energiepreis-Szenarien angesetzt werden.

Szenario 1 „niedrige Energiepreise“

2015 2020 2025 2030 2035

Steinkohle (MWh) 7,90 7,90 7,90 7,90 7,90

Erdgas (MWh Hu) 18,40 18,40 18,40 18,40 18,40

CO2-Emissionsrechte (EUR) 5,40 17,40 29,40 31,40 33,60

Szenario 1A „niedrige Energiepreise, CO2-Preise nie drig“

CO2-Emissionsrechte (EUR) 5,40 7,95 10,50 13,30 16,10

Szenario 1B „niedrige Energiepreise, CO2-Preise hoc h“

CO2-Emissionsrechte (EUR) 5,40 21,70 38,00 52,00 67,00

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Szenario 2 „hohe Energiepreise“

2015 2020 2025 2030 2035

Steinkohle (MWh) 7,90 9,15 10,40 10,80 10,80

Erdgas (MWh Hu) 18,40 21,70 25,00 25,00 25,00

CO2-Emissionsrechte (EUR) 5,40 17,40 29,40 31,40 33,60

Szenario 2A „hohe Energiepreise, CO2-Preise niedrig “

CO2-Emissionsrechte (EUR) 5,40 7,95 10,50 13,30 16,10

Szenario 2B „hohe Energiepreise, CO2-Preise hoch“

CO2-Emissionsrechte (EUR) 5,40 21,70 38,00 52,00 67,00

Alle Preisangaben verstehen sich in realen Preisen von 2015, bei Energieträgern bezogen auf den (unteren) Heizwert. Bei Bedarf wird zwischen den genannten Stützjahren linear interpo-liert.

Im Fokus der Betrachtungen liegen die beiden Szenarien „niedrige“ und „hohe“ Energiepreise. Sie werden jeweils durch Sensitivitäten „A“ und „B“ ergänzt, um zwei mögliche extreme Aus-prägungen in Bezug auf die EU-Klimapolitik – mit entsprechender Konsequenz für den CO2-Preis – zu betrachten.

1.1 Erläuterungen zu den Energiepreis-Szenarien

Szenario 1 „niedrige Energiepreise“

Steinkohle: real konstante Preise ab 2015

Erdgas: real konstante Preise ab 2015

CO2-Emissionsrechte: angelehnt an Netzentwicklungsplan (NEP) 2030 B/C

Szenario 1A „niedrige Energiepreise, niedrige CO2-Preise“

Steinkohle und Erdgas: wie in Szenario 1

CO2-Emissionsrechte: Angelehnt an das Szenario „konstante Energiepreise 2/2016“

Szenario 1B „niedrige Energiepreise, hohe CO2-Preise“

Steinkohle und Erdgas: wie in Szenario 1

CO2-Emissionsrechte: Angelehnt an das Szenario „Öko Institut 2016 hoch“

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Szenario 2 „hohe Energiepreise“

Steinkohle: Anstieg auf Wert des NEP 2030 B/C bis 2025, danach real kon-stant bei 10,80 EUR(2015)

Erdgas: Anstieg auf 25 EUR(2015) bis 2025 und danach real konstant

CO2-Emissionsrechte: angelehnt an NEP 2030 B/C (wie Szenario 1)

Szenario 2A „hohe Energiepreise, niedrige CO2-Preise“

Steinkohle und Erdgas: wie in Szenario 2

CO2-Emissionsrechte: Angelehnt an das Szenario „konstante Energiepreise 2/2016“ (wie Szenario 1A)

Szenario 2B „hohe Energiepreise, hohe CO2-Preise“

Steinkohle und Erdgas: wie in Szenario 2

CO2-Emissionsrechte: Angelehnt an das Szenario „Öko Institut 2016 hoch“ (wie Szena-rio 1B)

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1.2 Einordnung der Energiepreis-Szenarien

Im Folgenden werden Preisprojektionen verschiedener Quellen dargestellt, um die in diesem Gutachten festgelegten Preisszenarien entsprechend einzuordnen.

1.2.1 Steinkohle

Die Preise für Steinkohle sind als Grenzübergangspreis in EUR(2015)/MWh ausgewiesen. Die Sensitivitäten 1A und 1B sind hinsichtlich der Brennstoffpreise identisch mit Szenario 1, die Sensitivitäten 2A und 2B entsprechend identisch mit Szenario 2.

Szenario 1 liegt somit in der Mitte eines Korridors verschiedener Preisprojektionen, Szenario 2 tendiert eher zu den höheren Preisprojektionen.

Abbildung 1: Projektionen für den Preis von Steinkohle (in EUR (2015)/MWh)

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1.2.2 Erdgas

Die Preise für Erdgas sind als Grenzübergangspreis in EUR(2015)/MWh Hu (unterer Heizwert) ausgewiesen. Die Sensitivitäten 1A und 1B sind hinsichtlich der Brennstoffpreise identisch mit Szenario 1, die Sensitivitäten 2A und 2B entsprechend identisch mit Szenario 2.

Szenario 1 liegt tendenziell im unteren Preisbereich der verschiedenen Preisprojektionen, Szenario 2 liegt etwa im Mittel der dargestellten Preisprojektionen.

Abbildung 2: Projektionen für den Preis von Erdgas (in EUR (2015)/MWh Hu)

1.2.3 CO2-Preise

Die Preise für CO2-Emissionsrechte werden in EUR(2015)/t CO2 angegeben. Die Sensitivität A liegt im unteren Bereich der Bandbreite der dargestellten Preisprojektionen und unterstellt eine Entwicklung, in der der Emissionshandel auch längerfristig nur schwache Lenkungswirkung entfaltet. Die Sensitivität B hingegen liegt am oberen Rand der dargestellten Preisprojektionen und beschreibt eine Entwicklung, in der eine sehr ambitionierte Klima-schutzpolitik umgesetzt wird.

In der nachfolgenden Abbildung sind die Szenarien 1, 1A und 1B dargestellt. Die Projektionen der Szenarien 2, 2A und 2B sind hiermit deckungsgleich.

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Abbildung 3: Projektionen für den Preis von CO2-Emissionsrechten (in EUR (2015)/t CO2)

2 Energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen

In den energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden Annahmen getroffen, die den Kraftwerkspark in Deutschland und der EU betreffen. Zusammen mit den Energiepreis-Szenarien lassen sich daraus die fundamentalen Strompreise ermitteln.

2.1 Kraftwerkpark in Deutschland und Europa

Für alle Szenarien (abgesehen von der nachstehend genannten Ausnahme) wird ein einheitli-cher Kraftwerkspark in Deutschland und Europa zugrunde gelegt.

Dieser Kraftwerkspark orientiert sich in Deutschland an demjenigen des Netzentwicklungs-plans 2030, Szenario B gemäß des Entwurfs des Szenario-Rahmens vom Januar 2016.

Abweichend hiervon wird für die Szenarien 1B und 2B („CO2-Preise hoch“) in Deutschland der erneuerbare Kraftwerkspark des Netzentwicklungsplans (NEP) 2030, Szenario C verwendet. Dieser zeichnet sich gegenüber dem Szenario B durch einen größeren Zuwachs an erneuer-baren Energien aus.

Der europäische Kraftwerkspark entspricht in allen Szenarien einem geeigneten Szenario, dessen Ausgangsbasis auf einer kommerziell erhältlichen Kraftwerksdatenbank (Quelle: Ener-gy Brainpool, Berlin) basiert. Die Kraftwerkslebensdauern sind auf technisch-wirtschaftlich übliche Werte gesetzt.

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Ebenso wie in Deutschland befinden sich die Stromerzeugungsstrukturen in den europäischen Nachbarländern in einem Transformationsprozess. Für die weitere Entwicklung des Kraftwerk-sparks in den europäischen Nachbarländern wird angenommen:

• Zubau an erneuerbaren Energien: orientiert sich an den nationalen Aktionsplänen er-neuerbare Energien und an einer Zubau-Projektion des Beratungsunternehmens IHS Energy.

• Es findet ein langsamer Rückgang der Kernenergie in Frankreich statt. • In einigen Ländern (Großbritannien, Dänemark) kommt es zu vorgezogenen Abschal-

tungen von Kohlekraftwerken. Diese werden im Wesentlichen durch Gaskraftwerke und durch erneuerbare Energien ersetzt.

• In den östlichen Nachbarländern werden die z. T. deutlich überalterten Kohlekraftwerke sukzessive durch Neubauten ersetzt.

Für die Stützjahre der Szenarien, für die in den genannten Quellen keine Daten zu den Kraft-werksparken enthalten sind, werden geeignete Interpolationen gebildet.

2.2 Weitere Festlegungen

Für alle Szenarien wird die inländische Stromnachfrage aus dem Szenario B des NEP 2030 verwendet. Die Stromnachfrage im Ausland entspricht derjenigen in den o.g. europäischen Szenarien.

Für beide Szenarien werden eine KWK-Neuanlagenförderung, sowie ein Bonus bei gleichzei-tiger Stilllegung eines Kohle-HKW sowie eine KWK-Bestandsförderung gemäß aktueller Fas-sung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) unterstellt.

3 Erzeugungsanlagen und Fernwärmenetz München

Die Annahmen zu Erzeugung und Fernwärmenetz München sind relevant, um die Auswirkun-gen einer Stilllegung des HKW Nord 2 im Kontext des Münchner Versorgungssystems zu er-mitteln.

Hierzu wurden die aktuellen Planungsstände für die Modernisierung des KWK-Anlagenparks, den Geothermie-Ausbau sowie die Dampfnetzumstellung im Münchner Fernwärmeversor-gungssystem berücksichtigt. Im Rahmen jedes der vorstehenden Energiepreisszenarien wer-den für das Erzeugungssystem sowie des Fernwärmenetzes grundlegende Annahmen getrof-fen. Grundsätzlich werden zwei Varianten betrachtet:

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• Variante 1: Weiterbetrieb HKW Nord bis zum technisch-wirtschaftlichen Lebensdauerende

• Variante 2: vorzeitige Stilllegung HKW Nord 2 in 2020, 2023, 2025 oder 2030

3.1 Variante 1: Weiterbetrieb HKW Nord bis zum tech nisch-wirtschaftlichen

Lebensdauerende

• Betrieb des HKW Nord 2 bis zum Jahr 2034 (im Jahr 2035 wird das erste Jahr ohne

HKW Nord 2 abgebildet); in der Praxis wird eine Stilllegung von HKW Nord 2 voraus-sichtlich außerhalb der Heizperiode stattfinden.

• Modernisierung des HKW Freimann durch zwei neue Gasturbinen mit einer elektri-schen Leistung von je 55-65 MW und einer Wärmeleistung von je 60-70 MW (vgl. Ab-schnitt 3.3).

In Varianten mit Weiterbetrieb von HKW Nord 2 wird in einer separaten Auswertung der Kon-densationsbetrieb des HKW Nord 2 ausgewiesen (Anteil Strommenge, CO2, EUR).

3.2 Variante 2: vorzeitige Stilllegung HKW Nord 2

• Rechnungen im Münchner Anlagenpark-Modell erfolgen ohne HKW Nord 2 in den Jah-

ren 2020, 2023, 2025 und 2030 als das jeweilige Datum einer vorzeitigen Stilllegung (jeweils zum 01.01. eines Jahres).

• Maßnahmen zum Erhalt der Versorgungssicherheit der Fernwärme bei vorzeitiger Still-legung des HKW Nord 2 gehen in die Betrachtung mit ein. Hierfür wird ein vorgezoge-ner Bau von Erdgasheizwerken mit der erforderlichen Leistung angesetzt.

• Modernisierung des HKW Freimann durch zwei neue Gasturbinen mit einer elektri-schen Leistung von je 55-65 MW und einer Wärmeleistung von je 65-70 MW.

3.3 Modernisierung HKW Freimann

Unabhängig von der Zukunft des HKW Nord 2 wird für den Anlagenpark der SWM in München wird eine Modernisierung des HKW Freimann unterstellt. In der Studie 2015 wurde hingegen keine Modernisierung angenommen, da das damalige Kraft-Wärme-Kopplung-Gesetz (KWKG) noch keinen ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz gesetzt hat. Nach der Novellierung dieses Gesetzes erscheint eine Modernisierung aus heutiger Sicht auf Grundlage der aktuellen För-dersätze für KWK-Stromerzeugung wirtschaftlich darstellbar.

Die Rahmenbedingungen für die Inbetriebnahme und Betrieb dieser Anlage werden so ange-nommen, dass die Förderung des KWKG optimal ausgeschöpft wird. Dies bedeutet eine mög-

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liche Inbetriebnahme im Jahr 2020, so dass die Anlage in den Jahren 2020 bis ca. 2025 mit einer Förderung nach KWKG betrieben werden kann.

Die Anlage wird nach bisherigen Vorplanungen durch zwei Gasturbinen modernisiert. Sie wird eine elektrische Leistung von ca. 2 x 55-65 MW und eine Fernwärmeleistung von ca. 2 x 65-70 MW haben.

Die Größe der Anlage wird durch den Platz (günstige Nutzung des Bestandsgebäudes) und der Infrastruktur (Erdgas-Anschluss, elektrische Netzeinbindung) am Standort HKW Freimann auf diese Größenordnung begrenzt.

Eine größere Anlage würde erhebliche Kosten im Ausbau der Infrastruktur und einen Neubau des Gebäudes nach sich ziehen, so dass eine solche Variante aus heutiger Sicht nicht wirt-schaftlich realisierbar ist.

Es sei darauf hingewiesen, dass die modernisierte Anlage im Falle einer vorzeitigen Stillle-gung von HKW Nord 2 lediglich einen kleinen Teil der Wärmeleistung von HKW Nord 2 (550 MW) ersetzen kann.

3.4 Geothermie-Ausbau

Geothermie ist für die Münchner Fernwärme der wichtigste Beitrag zur Vision Erneuerbare Fernwärme 2040.

Aus Vorplanungen zur Dampfnetzumstellung hat sich eine starke wechselseitige Abhängigkeit zwischen der Dampfnetzumstellung und dem Geothermie-Ausbau gezeigt. So kann beispiels-weise der wirtschaftliche Endausbau der Geothermie erst dann erfolgen, wenn die Dampf-netzumstellung abgeschlossen ist.

Um in dieser Untersuchung die Auswirkungen einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 vom Geothermie-Ausbau zu entkoppeln wird sowohl für Variante 1 (Weiterbetrieb HKW Nord bis zum technisch-wirtschaftlichen Lebensdauerende) als auch für die Variante 2 (vorzeitige Stilllegung HKW Nord 2) ein Geothermie-Ausbau unterstellt, der seinen Abschluss ca. im Jahr 2032 hat.

Die aktuelle Planung sieht vor, bis 2025 insgesamt 5 Geothermie-Anlagen mit einer thermi-schen Gesamtleistung von ca. 115 MW (Planwert aus erwarteter Schüttung und Temperatur) in Betrieb zu nehmen. Weitere 6 geplante Geothermie-Standorte mit einer Leistung von zu-sammen ca. 150 MW (Planwert) werden bis ca. 2032 erschlossen (ca. 1 Anlage pro Jahr).

Dies setzt einen Abschluss der Dampfnetzumstellung im Jahr 2030 voraus.

Die kalkulatorische Nutzungsdauer von Geothermie-Anlagen wird mit 35 Jahren angesetzt.

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3.5 Bestandsanlagen der Fernwärmeerzeugung

Zu den übrigen Bestandsanlagen werden folgende Annahmen getroffen:

• Die thermische Abfallverwertung wird im HKW Nord 1/3 weiterbetrieben. Die Kesselan-lagen werden Mitte der 2020er Jahre erneuert und dabei an einen rückläufigen Bedarf an Verbrennungskapazitäten angepasst.

• Das HKW Süd GuD 1 wird möglicherweise im Zeitraum 2023-2025 stillgelegt. Wesent-liche Einflussgröße ist die weitere Entwicklung der imissionsschutzrechtlichen Vorga-ben.

• Es wird davon ausgegangen, dass das HKW Süd GuD 2 nach derzeitigem Stand bis ca. 2035 in Betrieb bleiben kann.

• Die Lebensdauer von Heizwerken lässt sich durch verhältnismäßig geringe Investiti-ons- und Modernisierungsmaßnahmen weit verlängern, so dass in dieser Betrachtung keine besonderen Maßnahmen berücksichtigt werden.

3.6 Dampfnetzumstellung (DNU)

Das Konzept einer möglichst kostengünstigen Dampfnetzumstellung hängt von dem unterstell-ten Zeitpunkt der Stilllegung des HKW Nord 2 ab. Um in dieser Untersuchung die Auswirkun-gen einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 von der Dampfnetzumstellung zu entkop-peln, wird sowohl für Variante 1 (Weiterbetrieb HKW Nord bis zum technisch-wirtschaftlichen Lebensdauerende) als auch für die Variante 2 (vorzeitige Stilllegung HKW Nord 2) eine mög-lichst schnelle Umstellung des Dampfnetzes angenommen, die unter den angenommenen Randbedingungen aus heutiger Sicht das wirtschaftlichste und technisch/logistisch machbare Vorgehen ist. Für die Untersuchung wird angenommen, dass die Dampfnetzumstellung um das Jahr 2030 abgeschlossen werden kann.

Als Voraussetzung der DNU-Fortführung sind im Vorfeld verschiedene Maßnahmen erforder-lich. Hierbei sind besonders der Austausch der GfK-Rücklaufleitungen sowie die Beseitigung von Netzengpässen im umgestellten Netz hervorzuheben. Um die DNU wie geplant in 2022 beginnen zu können, haben die SWM bereits im Jahr 2013 mit diesen Maßnahmen begonnen.

3.7 Erlöse aus vermiedener Netznutzung und Regelene rgie Derzeit erhält HKW Nord 2 vom Verteilnetzbetreiber ein Entgelt für vermiedene Netznutzung. Diese Entgelte werden gewährt, da planbare Erzeugungsanlagen in der Lage sind Netzaus-baumaßnahmen zu vermeiden. Es zeichnet sich in der energiepolitischen Diskussionsprozess um ein neues Marktdesign ab, dass Bestandsanlagen im Zeitraum bis 2030 ein Entgelt für vermiedene Netznutzung erhalten, wenngleich die Erlöse nicht festgeschrieben, sondern langfristig sukzessive verringert werden sollen.

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In dieser Untersuchung orientieren sich die Ansätze für vermiedenes Netznutzungsentgelt am derzeit diskutierten Vorschlag, vom Jahr 2020 an eine Reduktion von jährlich 10% vorzuneh-men, so dass im Jahr 2030 keine Entgelte für vermiedene Netznutzung mehr gewährt werden.

Für Erlöse aus der Vermarktung von HKW Nord 2 in der Minutenreserve, Sekundärregelung und Primärregelung wird als konservative Abschätzung ein Betrag von ca. 1 Mio. EUR pro Jahr angenommen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer durchschnittlich vermarkte-ten Leistung von 10% der installierten Kraftwerksleistung von HKW Nord 2 (ca. 35 MW) multi-pliziert mit einem mittleren Leistungspreis (über alle Regelleistungs-Produkte) von 30.000 EUR/MW.

3.8 Versorgungssicherheit der Fernwärme

Eine Stilllegung von HKW Nord 2 zieht Änderungen im Besicherungs-Konzept der Fernwärme nach sich.

Im Wesentlichen muss in diesem Szenario Erzeugungsleistung hinzugebaut werden, um die Fernwärmeversorgung auch dann noch sicher zu stellen, wenn bei extrem hohen Wärmebe-darf, d.h. bei extrem niedrigen Temperaturen im Winter, Wärmeerzeugungsanlagen - insbe-sondere auch die größte Fernwärmeerzeugungseinheit - oder wichtige Verbindungstrassen ausfallen.

In der Studie ist berücksichtigt, dass im Jahr der vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 eine entsprechende Heizwerksleistung zugebaut werden muss. Die Höhe der jeweils zugebauten Leistung hängt beispielsweise von der Entwicklung des Fernwärmespitzenbedarfs (Höchstlast) sowie vom geplanten Geothermie-Ausbau ab.

Langfristig wird der Fernwärmespitzenbedarf im Bestand aufgrund von energetischen Sanie-rungen von Gebäuden und Kündigungen von Fernwärmeanschlüssen zurückgehen (Annah-men bewegen sich im Bereich von ca. 1,5%/a).

HKW Nord 2 ist mit 550 MW thermischer Leistung die größte Fernwärmeerzeugungseinheit. Wird HKW Nord 2 stillgelegt, entsteht aus der Anforderung der Fernwärmeversorgungs-sicherheit heraus ein Ersatzbedarf, der in folgender Tabelle zusammengestellt ist. Der Ersatz-bedarf wurde für die diskutierten Jahre der Stilllegung von HKW Nord 2 mit einem Rechenmo-dell bestimmt, das u.a. die hydraulischen Engpässe im Fernwärmenetz, die größte zu besi-chernde Erzeugungseinheit sowie die Spitzenlast berücksichtigt.

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Jahr der Stilllegung

Ersatzbedarf Investitionsbedarf

2020 320 MW ca. 42 Mio. EUR

2023 320 MW ca. 42 Mio. EUR

2025 311 MW ca. 40 Mio. EUR

2030 225 MW ca. 29 Mio. EUR

2035 180 MW ca. 23 Mio. EUR

Abhängig vom Jahr der Stilllegung fällt einmalig ein Ersatzbedarf im betreffenden Jahr an (z.B. bei Stilllegung in 2023 ein Ersatzbedarf von 320 MW). Pro MW Leistung wurde hier ein Richt-wert von 130.000 EUR Investitionskosten für ein Erdgas-Heizwerk angesetzt.

Der Ersatzbedarf für HKW Nord 2 fällt geringer aus als die Leistung von HKW Nord 2 und sinkt mit fortschreitenden Jahren, da der Geothermie-Anteil zunimmt und die Fernwärmelast lang-fristig etwas zurückgeht.

4 Berechnungsverfahren

Im Folgenden werden auf einige Sachverhalte eingegangen, die die Rechnungen und Model-lierung betreffen.

4.1 Delta-Betrachtung

Die Auswirkungen einer Stilllegung des HKW Nord 2 werden ermittelt, indem je Szenario je-weils eine Simulationsrechnung im „Kraftwerkparkmodell München“ in der Variante 1 (Weiter-betrieb HKW Nord 2 und in der Variante 2 (vorzeitige Stilllegung HKW Nord 2) durchgeführt wird.

Aus dem Vergleich der beiden Varianten 1 und 2 hinsichtlich energiewirtschaftlicher Kenngrö-ßen wie Stromerlöse, Brennstoffkosten, Kapitalkosten, CO2-Emissionen lassen sich die unmit-telbaren Auswirkungen einer vorzeitigen Ausstiegs aus der Kohleverbrennung auf die SWM ermitteln („Delta-Betrachtung“).

4.2 Stützjahre

Die Berechnungen zur Entwicklung der Strompreise und zum Einsatz der Anlagen der SWM wurden für die Stützjahre 2020, 2023, 2025, 2030 und 2035 durchgeführt. Die Szenarien bil-

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

17

den den Zeitraum von 2020 bis 2035 ab. Hierbei werden die Daten der Stützjahre wie folgt verwendet:

• Stützjahr 2020 für die Jahre 2020 und 2021,

• Stützjahr 2023 für die Jahre 2022 bis 2024,

• Stützjahr 2025 für die Jahre 2025 bis 2027,

• Stützjahr 2030 für die Jahre 2028 bis 2034 und

• Stützjahr 2035 für das Jahr 2035.

In den Varianten mit Weiterbetrieb von HKW Nord 2 ist 2034 das letzte Betriebsjahr. Das Jahr 2035 wird als erstes Jahr ohne Betrieb des HKW Nord 2 angesetzt. In der Praxis würde die Stilllegung von HKW Nord 2 voraussichtlich außerhalb der Heizperiode gelegt werden (z.B. Mai 2035) und nicht zu einem festen Stichtag 31.12. mitten in der Heizperiode.

Es werden analog zum Gutachten von Anfang 2015 in Abstimmung zwischen SWM und Öko-Institut eine ökologische und ökonomische Bewertung für den Zeitraum 2020 bis 2035 nach vergleichbarer oder verbesserter Methodik durchgeführt.

4.3 Berechnungsjahre 2035ff

Im Kraftwerkseinsatz-Modell für den Münchner Anlagenpark werden ab dem Jahr 2035 die Konfiguration des Erzeugungssystems sowie des Fernwärmenetzes im Falle einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 identisch abgebildet wie der Fall eines Betriebs von HKW Nord 2 bis zum technisch-wirtschaftlichen Lebensdauerende. Hinsichtlich der variablen Kosten und Erlöse sowie der Emissionen wird damit unterstellt, dass eine vorzeitige Stilllegung von HKW Nord 2 ab dem Jahr 2035 keine Auswirkungen mehr hat.

Unterschiede ergeben sich dann lediglich in den Kapitalkosten, da in den Fällen einer vorzeiti-gen Stilllegung von HKW Nord 2 ein anderer Investitionsbedarf (insbesondere auch in der zeit-lichen Abfolge) anfallen kann.

Der Kapitalkosteneffekt wird über die Berücksichtigung von Restwerten der entsprechenden Anlagen im Jahr 2036 berücksichtigt.

4.4 Methodik – Ökonomische Bewertung

Als wesentliche Kenngröße für die betriebswirtschaftliche Bewertung einer Entscheidung zur

vorzeitigen Stilllegung des Heizkraftwerks Nord 2 wurde der Barwert der relevanten Kosten

und Erlöse der SWM gebildet. Konkret wurde hierzu für die verschiedenen lokalen Szenarien

jeweils der Barwert im Falle eines vorzeitigen Ausstiegs mit demjenigen des Referenzfalls

(Betrieb bis zum Jahr 2035) im gleichen Rahmenszenario verglichen.

Für diese Berechnung wurden in jedem Szenario die relevanten Kosten und Erlöse für den

Zeitraum 2020 bis 2035 jahresscharf bestimmt. Berücksichtigt wurden hierbei die variablen

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

18

Kosten aller SWM-Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung (u.a. Brennstoffe und Kosten für

Emissionsrechte), die Fixkosten des HKW Nord 2 sowie die Investitionskosten für neue Ge-

othermie-Anlagen, ggf. erforderliche zusätzliche Heizwerke und den Rückbau des HKW Nord

2. Die Netto-Stromerzeugung in SWM-Anlagen abzüglich des Strombedarfs der jeweils zuge-

bauten Geothermie-Anlagen wurde in jedem Stützjahr stundenscharf mit dem im jeweiligen

Rahmenszenario angenommenen Börsenpreis zuzüglich weiterer Beiträge (Netznutzung,

EEG-Umlage) für Strom bewertet.

Andere Kosten und Erlöse der SWM, die sich aufgrund der getroffenen Annahmen zwischen

den Szenarien nicht unterscheiden, wurden nicht berücksichtigt, da sie aufgrund des jeweils

durchgeführten Vergleichs mit dem Referenzszenario (Betrieb des HKW Nord 2 bis 2035) oh-

ne Einfluss auf das Ergebnis wären. Dies betrifft z.B. die Erlöse der SWM aus dem Verkauf

von Strom und Wärme.

Aus den Zeitreihen der jährlichen Summen der relevanten Kosten und Erlöse wurde anschlie-

ßend für jedes Szenario der Barwert im Jahr 2015 bestimmt. Hierfür wurde ein Zinssatz von

real 5,5 % p.a. (entspricht beispielsweise nominal 7,0% p.a. bei einer unterstellten langfristi-

gen Inflationsrate von 1,5 % p.a.) verwendet.

Der betriebswirtschaftliche Effekt eines vorzeitigen Ausstiegs der SWM aus dem HKW Nord 2

ergibt sich dann durch einen Vergleich dieses Barwertes für einen Ausstiegszeitpunkt im

Rahmen eines Szenarios mit dem Barwert des entsprechenden Referenzszenarios (Betrieb

des HKW Nord 2 bis 2035). Diese Kennzahl kann als auf das Jahr 2015 abdiskontierte Verän-

derung des Gewinns vor Steuern im Zeitraum bis 2035 betrachtet werden.

4.5 Methodik – Ökologische Bewertung

Der Schwerpunkt der ökologischen Bewertung liegt auf der Veränderung der CO2-Emissionen

durch eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2. Ergänzend werden die Effekte der Luft-

schadstoffe aus dem Einsatz von Kohle auf die Stadt München diskutiert.

Als Maßstab für die akzeptable Bandbreite von volkswirtschaftlichen Mehrkosten für Maßnah-

men zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen können die vermiedenen externen Kosten

(vermiedene Schadenskosten) aus globaler Perspektive herangezogen werden. Hierbei ist zu

berücksichtigen, dass diese über einen langfristigen Zeitraum auftretenden Schäden nur mit

erheblichen Unsicherheiten bewertet werden können. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr

2013 hat das Umweltbundesamt detaillierte Kostensätze zur Quantifizierung externer Umwelt-

kosten zusammengestellt, die neben Treibhausgas-Emissionen auch andere Umweltauswir-

kungen der Stromerzeugung und wichtiger Sektoren des Energieverbrauchs umfassen. Für

die Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen wird vom Umweltbundesamt (UBA) in dieser

Publikation als Maßstab für eine kurzfristige Sicht ein mittlerer Wert von 86 EUR (2015)/t CO2

empfohlen, mit einer Bandbreite für Sensitivitätsanalysen von 43 bis 129 EUR (2010)/t CO2.

Für den Zeithorizont bis 2030 wird ein mittlerer Wert von 156 EUR (2015)/t CO2 angegeben

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

19

und eine Bandbreite von 75 bis 231 EUR (2015)/t CO2.1 Diese Kennzahlen werden üblicher-

weise mit den volkswirtschaftlichen Kosten für die Vermeidung von Emissionen verglichen. Mit

den in Kapitel B5 ausgewiesenen Kosten einer Reduktion von CO2-Emissionen aus betriebs-

wirtschaftlicher Perspektive der SWM sind sie nur eingeschränkt vergleichbar.

Die Veränderung der CO2-Emissionen wurde durch einen Vergleich der Szenarien für die

Zeitpunkte einer vorzeitigen Stilllegung gegenüber dem Referenzszenario mit Betrieb des

HKW Nord 2 bis Ende 2034 bestimmt. Hierbei wurden in einem ersten Schritt die in den Sze-

narien ermittelten Brennstoffeinsätze in SWM-Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung mit

den Emissionsfaktoren für Kohle bzw. Erdgas multipliziert. Hierbei wird u.a. berücksichtigt,

dass im Falle einer Stilllegung von HKW Nord 2 die dort wegfallende Fernwärmeerzeugung

durch andere SWM-Anlagen mit entsprechenden Emissionen ersetzt werden muss.

In einem zweiten Schritt wurde der von den SWM in den Szenarien erzeugte Strom emissi-

onsseitig bewertet. Mit diesem Vorgehen wurde berücksichtigt, dass sich die Szenarien in Be-

zug auf die in den einzelnen Jahren erzeugte Strommenge unterscheiden. Die im HKW Nord 2

nach einer vorzeitigen Stilllegung entfallende Stromerzeugung wird im Rahmen der Optimie-

rung durch das Kraftwerkseinsatz-Modell der SWM zum Teil durch einen verstärkten Einsatz

anderer SWM-Anlagen ausgeglichen (dies betrifft im Wesentlichen das HKW Süd GuD2), die

verbleibende Strommenge muss durch Kraftwerke außerhalb Münchens ausgeglichen wer-

den. Analog zur Vorgehensweise bei der ökonomischen Analyse, bei der die gesamte Strom-

erzeugung in SWM-Anlagen mit dem Börsenpreis für Strom des jeweiligen Szenarios bewertet

wurde, wird daher bei der ökologischen Analyse die Stromerzeugung der SWM-Anlagen mit

einer Emissionsgutschrift bewertet.

Die hierbei verwendeten Emissionsfaktoren weisen aus, welche Emissionen in anderen Kraft-

werken durch eine Stromerzeugung in SWM-Anlagen im Jahresdurchschnitt vermieden wer-

den bzw. welche Emissionen zusätzlich entstehen, wenn die Stromerzeugung der SWM auf-

grund der Stilllegung des HKW Nord 2 zurückgeht. Hierfür wird derselbe Kraftwerkspark zu-

grunde gelegt, der auch für die Modellierung der Strompreisszenarien angesetzt wurde (vgl.

Kapitel A2).

Aufgrund der komplexen Abläufe im Strommarkt besteht allerdings eine Unsicherheit darüber,

welche Effekte eine Veränderung der Stromerzeugung in München auf den Betrieb anderer

Kraftwerke in Deutschland und in den angrenzenden Ländern haben könnte. Um diese Unsi-

cherheit abzubilden, wurden für die Bestimmung des Emissionsfaktors zur Bewertung des von

den SWM erzeugten Stroms zwei verschiedene Ansätze untersucht:

• Der „Merit-Order-Ansatz“ geht davon aus, dass durch eine Veränderung der Stromer-

zeugung in München jeweils das aktuell am Strommarkt preissetzende Kraftwerk ver-

drängt wird bzw. ein Kraftwerk mit ähnlichen Parametern in den Markt kommt. Hierzu

1 UBA (2013) Best-Practice-Kostensätze für Luftschadstoffe, Verkehr, Strom- und Wärmeerzeugung.

In dieser Studie werden die Bandbreiten für Schadenskosten in realen Preisen von 2010 angegeben. Für die Verwendung in dieser Studie wurden diese mit einem Deflator von 1,0763 auf Preise von 2015 umgerechnet.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

20

wurden die für die beiden Energiepreisszenarien und ihre Sensitivitäten ermittelten

Verläufe der Börsenpreise für Strom analysiert und jeder Stunde der betrachteten

Stützjahre die Emissionen eines typischen Kraftwerks mit den entsprechenden variab-

len Kosten zugeordnet (unterteilt nach erneuerbaren Energien und Kernenergie,

Braunkohle, Steinkohle und Erdgas). Diese stundenscharfen Emissionsfaktoren wur-

den dann mit dem zeitlichen Verlauf der Differenz der Stromerzeugung in München in

den Szenarien mit und ohne HKW Nord 2 gewichtet. Hieraus ergibt sich für jedes

Energiepreisszenario und jedes Stützjahr der Modellierung ein dynamisch ermittelter

Emissionsfaktor zur Bewertung der Stromerzeugung in München.

• Der „statische Ansatz“ basiert auf Emissionsfaktoren für den Verdrängungsmix aus ei-

ner geeigneten bundesweiten Studie zur Bewertung der emissionsseitigen Effekte der

Kraft-Wärme-Kopplung. Hierzu wurde das „Methodenpapier zur Bewertung von KWK-

Anlagen in mittelfristiger Perspektive bis 2030“ herangezogen, das das Öko-Institut im

Juli 2015 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt hat.2 In

diesem Papier wurden Emissionsfaktoren auf Basis der Szenarien für die Entwicklung

der Stromerzeugung in Deutschland im sog. Projektionsbericht 2015 der Bundesregie-

rung bestimmt.3 Diese Emissionsfaktoren wurden aus einem „fossilen Nicht-KWK-Mix

ohne Braunkohle“ bestimmt. Dahinter liegt die Annahme, dass KWK-Anlagen bis zum

Jahr 2030 weder Strom aus erneuerbaren Energien verdrängen, noch solchen aus

Kernenergie oder Braunkohle, weil diese Energieträger günstigere Grenzkosten der

Stromerzeugung aufweisen als fossil befeuerte KWK-Anlagen und von daher von einer

marginalen Veränderung bei der KWK-Stromerzeugung nicht betroffen sind. Zudem

wird angenommen, dass sich KWK-Anlagen nicht gegenseitig verdrängen. Das Metho-

denpapier berücksichtigt auch, dass es nach dem Jahr 2020 teilweise zu einer Ver-

drängung von Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energien kommen wird. Dies gilt

insbesondere für KWK-Anlagen, die mit keinen oder mit relativ kleinen Wärmespei-

chern ausgestattet sind und daher überwiegend wärmegeführt betrieben werden. Die

Fahrweise der SWM-Anlagen ist zwar wesentlich komplexer, kann aber im Rahmen

der Kategorien des Methodenpapiers am ehesten der „nicht strommarktorientierten Er-

zeugung mit saisonalem Betrieb“ zugeordnet werden. Für diese Anlagen geht das Me-

thodenpapier davon aus, dass im Jahr 2030 in 4% der Betriebsstunden auch Strom

aus fluktuierenden erneuerbaren Energien verdrängt wird.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Spannweite der mit diesen beiden Verfahren ermittelten

Emissionsfaktoren des Verdrängungsmixes.

2 Dieses Papier steht zum Download bereit unter http://www.oeko.de/oekodoc/2328/2015-497-de.pdf. 3 BMUB (2015): Projektionsbericht 2015 gemäß Verordnung 525/2013/EU zur Berichterstattung der

EU-Mitgliedsländer über die Treibhausgas-Emissionen.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

21

Abbildung 4: CO2- Emissionsfaktoren des Verdrängungsmixes für den von den SWM erzeug-ten Strom (jeweils als Jahresdurchschnitt der Stützjahre)

Zu erkennen ist, dass die Verdrängungsfaktoren recht nahe zusammen liegen und dass die

Faktoren nach dem statischen Ansatz etwas niedrigere Emissionsgutschriften ergeben als die

nach dem dynamischen Ansatz. Im Sinne einer konservativen Herangehensweise wurden für

die emissionsseitige Bewertung des von den SWM in den Szenarien erzeugten Stroms im

Rahmen dieser Studie die Verdrängungsfaktoren nach dem statischen Ansatz verwendet.

Die Emissionen aus den von den SWM eingesetzten Brennstoffen und die Gutschrift für den

erzeugten Strom wurden für jedes Jahr der Szenarien miteinander saldiert und die so berech-

neten jährlichen Emissionssalden über die Jahre bis 2035 addiert. Analog zum Vorgehen bei

der ökonomischen Analyse wurde anschließend für jedes lokale Szenario und die untersuch-

ten vorzeitigen Ausstiegstermine 2020, 2023, 2025 und 2030 jeweils eine Differenz der ge-

samten Emissionen des jeweiligen Ausstiegsszenarios bis zum Jahr 2035 im Vergleich zu den

Emissionen im zugehörigen Referenzszenario (Betrieb des HKW Nord 2 bis Ende 2034) ge-

bildet. Die so berechnete Reduktion der CO2-Emissionen durch eine vorzeitige Stilllegung des

HKW Nord 2 ist als Ergebnis in Kapitel B3 ausgewiesen.

Die Modellierung der ökologischen Effekte des Ausstiegs aus der Kohleverbrennung im HKW

Nord 2 wurde, wie hier dargestellt, auf die direkten Emissionen von CO2 beschränkt. In der

Gesamtbewertung sind grundsätzlich auch andere Treibhausgase sowie insbesondere die

lokalen Emissionen von Luftschadstoffen zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für das HKW

Nord wie auch für die Kraftwerke und Heizwerke, die im Falle einer Stilllegung des HKW die

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

22

Strom- und Wärmeerzeugung übernehmen müssten. Für die Treibhausgase können die direk-

ten Emissionen von CO2 als Leitparameter herangezogen werden.

Eine detaillierte Aufschlüsselung der Vorketten der CO2-Emissionen, etwa eine Differenzie-

rung nach Herkunft des Erdgases und der Steinkohle lässt sich nicht mit vertretbarem Auf-

wand vornehmen. Die CO2-Emissionen der Vorketten (Gewinnung und Transport der Brenn-

stoffe) werden in Kapitel B3.5 in vereinfachter Form bewertet und dargestellt.

4.6 Exkurs: Emissionshandel

Bei der Bewertung der Minderungen an CO2-Emissionen sind auch Interaktionen mit dem eu-

ropäischen Emissionshandelssystem (EU ETS) zu berücksichtigen. Das EU ETS legt Ober-

grenzen für die Treibhausgas-Emissionen der wichtigsten Industriesektoren in der EU fest;

hierzu gehört auch die Strom- und Fernwärmeerzeugung. Diese Grenzen sind durch den poli-

tisch festgelegten „linearen Reduktionsfaktor“ degressiv ausgestaltet, so dass die im EU ETS

erfassten Sektoren nach aktuellem Stand bis zum Jahr 2020 eine Reduktion ihrer Emissionen

um 21% gegenüber dem Jahr 2005 erreichen werden.4

Generell führt eine derartige Mengensteuerung von Emissionen für einen bestimmten Sektor

dazu, dass das Mengenziel nicht überschritten, aber im Regelfall auch nicht unterschritten

wird. Im Falle eines funktionierenden Emissionshandels wäre also damit zu rechnen, dass

eine Reduktion von CO2-Emissionen im Stromsektor aufgrund einer vorzeitigen Stilllegung des

HKW Nord 2 in München nicht zu einer Verringerung der insgesamt vom EU ETS erfassten

Emissionen führt. Aufgrund des Marktprozesses ist vielmehr zu erwarten, dass in einem der

anderen Industriesektoren entsprechend zusätzliche Emissionen entstehen, so dass auch im

Fall der vorzeitigen Stilllegung des HKW das Emissionslimit ausgeschöpft wird.

In diesem Kontext sind jedoch die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

• Der Emissionshandel ist bisher nicht anspruchsvoll genug ausgestaltet, um das von

der Bundesregierung beschlossene Ziel einer Minderung der Treibhausgasemissionen

in Deutschland um 40% bis 2020 zu erreichen.5 Die im Jahr 2010 festgelegten Emissi-

onsziele bis zum Jahr 2020 waren aus heutiger Sicht zu wenig ambitioniert.

• Der Emissionshandel entfaltet zudem derzeit keine ausreichende Lenkungswirkung.

Aufgrund eines starken Ausbaus der erneuerbaren Energien und einer niedrigeren

Stromnachfrage als erwartet lagen die tatsächlichen Emissionen in den vom EU ETS

erfassten Sektoren bereits 2015 auf dem Niveau des Zieljahres 2020. Es besteht zu-

dem ein hoher Überschuss an verfügbaren Emissionsberechtigungen, der neben den

genannten Effekten durch den umfassenden Einbezug von Emissionsreduktionszertifi-

katen aus dem Ausland (CDM/JI) entstanden ist. Die inzwischen eingeführte Marktsta-

bilitätsreserve und die bisher diskutierten Pläne zu weitergehenden Reformen des EU

4 Auf eine Darstellung vieler Details des EU ETS wird hier aus praktischen Gründen verzichtet.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

23

ETS sind jedoch nicht ausreichend, um das erhebliche Überangebot an Emissions-

rechten dauerhaft zu beseitigen und den Emissionshandel wieder voll funktionsfähig zu

machen.

• Der Emissionshandel ist weiterhin ein geeignetes Klimaschutz-Instrument, insbesonde-

re um ein CO2-Preissignal beim Einsatz von Kraftwerken zu geben. Als Anreiz für lang-

fristig wirksame Entscheidungen über Investitionen oder Stilllegungen von Kraftwerken

reicht der EU ETS jedoch nicht aus. Insofern sind im Sinne eines Policy Mix neben

dem Emissionshandel zusätzliche Instrumente oder Emissionsminderungsmaßnahmen

erforderlich, um die nationalen Emissionsreduktionsziele zu erreichen. Hierzu gehören

ggf. auch Entscheidungen zur Begrenzung der Betriebsdauer alter, ineffizienter Kraft-

werke. Um zu vermeiden, dass der Emissionshandel im Falle des Einsatzes solcher

Instrumente, wie oben dargestellt, einen Emissionsanstieg in anderen Sektoren ermög-

licht, ist es erforderlich, die Menge an Emissionszertifikaten entsprechend zu kürzen.

Solange der EU ETS keine angemessenen Preissignale für Klimaschutz-Maßnahmen gibt und

das Überangebot von Emissionsrechten fortbesteht, tritt die oben beschriebene ausgleichende

Wirkung des Handelssystems nicht ein. Eine Reduktion von CO2-Emissionen im Stromsektor

aufgrund einer vorzeitigen Stilllegung des HKW Nord 2 in München führt in diesem Fall zu

einer zusätzlichen Verringerung der Emissionen der vom EU ETS erfassten Sektoren.

In den in Kapitel A1 dargestellten Energiepreisszenarien 1 und 2 sowie den Sensitivitäten 1B

und 2B mit hohen CO2-Preisen wird implizit unterstellt, dass der Emissionshandel ab dem Jahr

2020 wieder funktionsfähig wird. Die Sensitivitäten 1A und 2A gehen dagegen davon aus,

dass der EU ETS auch über das Jahr 2025 hinaus durch erhebliche Überschüsse an Emissi-

onsrechten geprägt sein wird.

Unabhängig von den Effekten im EU ETS würde eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2

dazu beitragen, die nationalen Minderungsziele für Treibhausgase zu erreichen und würde es

auch der LH München deutlich erleichtern, ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen.

Die derzeitige Unsicherheit in Bezug auf die ausgleichende Wirkung des EU ETS ist bei der

Darstellung der Ergebnisse in Kapitel B3 durch eine separaten Zeile in Tabelle 3sowie durch

Schraffuren in Abbildung 11 ausgewiesen.

5 Die zentrale Bedeutung des EU-Emissionshandels zur Erreichung des deutschen Klimaziels in Höhe

von 40% bis 2020. Hermann, Cludius (Öko-Institut) 2014 www.oeko.de/oekodoc/2056/2014-631-de.pdf

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

24

B Ergebnisse

1 Strompreisentwicklung

Die Strompreise werden über ein Strommarktmodell der SWM ermittelt, welches den europäi-

schen Strommarkt modelliert. Eingangsgrößen sind die im Teil A genannten Annahmen zur

Entwicklung von Energiepreisen und den europäischen Strommarkt. Ein wichtiges Ergebnis

dieses Modells sind die ermittelten Großhandels-Strompreise, wie sie an den Börsen oder

außerbörslichen Handelsplätzen gehandelt werden. Auf Basis dieser Preise wird der Kraft-

werkseinsatz des Münchner Kraftwerkparks bestimmt. In Tabelle 1 sind die Strompreise für

die betrachteten Stützjahre als jeweiliger Jahresmittelwert (entspricht damit dem sogenannten

Base-Preis) aufgeführt.

Tabelle 1: Entwicklung der Strompreise Base (EUR2015)

2015 2020 2025 2030 2035Szenario 1 27,26 34,89 44,22 45,24 46,59Szenario 1A 27,26 28,36 30,98 33,78 36,92Szenario 1B 27,26 37,89 49,38 53,63 58,56Szenario 2 27,26 37,67 49,59 51,21 53,52Szenario 2A 27,26 31,24 37,03 41,19 45,40Szenario 2B 27,26 40,66 56,23 62,76 69,45

2 Ökonomische Bewertung In Abbildung 5 sind die Kosten einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 in Mio. EUR für die betrachteten Jahre einer Stilllegung in 2020, 2023, 2025 und 2030 für die Szenarien 1 und 2 aufgetragen. Die Werte sind berechnet als auf das Jahr 2016 abdiskontierter entgangener Gewinn vor Steuern.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

25

Abbildung 5: Barwert-Verlust bei einer vorzeitigen Stilllegung in den Szenarien 1 und 2

Die schraffierten Anteile in der Abbildung 5 zeigen den Anteil aus Systemdienstleistung (Re-gelenergie) und vermiedener Netznutzung gemäß Ansatz aus dem Abschnitt A3.7. Eine vorzeitige Stilllegung des Blocks Nord 2 bis zum Jahr 2025 führt in allen untersuchten Szenarien zu einer spürbaren finanziellen Einbuße der SWM. Es wird deutlich, dass der fi-nanzielle Schaden einer vorzeitigen Stilllegung mit fortschreitenden Jahren einer Stilllegung stetig kleiner wird. Liegen die Kosten einer Stilllegung im Jahr 2020 im Bereich 153 Mio. EUR (Szenarium 1) bis 246 Mio. EUR (Szenarium 2), sinken dieser Werte bei einer Stilllegung im Jahr 2030 auf 26 Mio. EUR (Szenarium 1) bis 48 Mio. EUR (Szenarium 2). Da die SWM davon ausgehen, dass HKW Nord 2 sein technisch-wirtschaftliches Lebensdau-erende im Jahr 2035 erreicht haben wird (Referenzfall), hat der finanzielle Schaden einer Still-legung im Jahr 2035 den Wert 0. Das Szenario 1 „niedrige Energiepreise“ führt im Vergleich zu Szenario 2 „hohe Energiepreise“ zu geringeren Kosten einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2. Eine wesentliche Ursache liegt in der Höhe des Erdgaspreises begründet: wird HKW Nord 2 stillgelegt, so muss ein großer Teil der Fernwärmeerzeugung auf Basis von erdgasgefeuerten Anlagen (KWK-Anlagen, Heizwerke) übernommen werden. Daher hat der Erdgaspreis einen großen Einfluss auf die Kosten der hier dargestellten Szenarien. Im Vergleich zum Gutachten 2015 führen die in diesem Gutachten getroffenen Annahmen zur zukünftigen Marktentwicklung zu deutlich geringeren Kosten einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2. Wesentliche Treiber dieser Unterschiede sind die in den Szenarien unterstellten Entwicklungen für die Preise von Erdgas und CO2, die deutlich von den Annahmen im Gut-achten 2015 abweichen.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

26

2.1 Sensitivität „niedrige CO 2-Preise“ Um unterschiedliche denkbare Intensitäten einer Klimaschutzpolitik zu betrachten, wurden zu den Szenarien 1 und 2 entsprechende Sensitivitäten betrachtet. Der Fall von wenig ambitionierten Klimaschutzzielen wird über geringe CO2-Preise abgebildet und in folgender Darstellung als Sensitivität A ausgewiesen.

Abbildung 6: Barwert-Verlust in der Sensitivität „niedrige CO2-Preise“ der Szenarien 1 und 2

Erwartungsgemäß zeigen die Sensitivitäten 1A und 2A („niedrige CO2-Preise“) deutlich höhere Kosten einer vorzeitigen Stilllegung, da diese Sensitivitäten Rahmenbedingungen abbilden, die für Steinkohle-Kraftwerke verhältnismäßig günstig sind. Dementsprechend verursacht eine vorzeitige Stilllegung von HKW Nord 2 höhere Kosten für die SWM.

2.2 Sensitivität „hohe CO2 Preise“ Ambitionierte Klimaschutzziele werden in dieser Untersuchung über hohe CO2-Preise abgebil-det und in folgender Abbildung als Sensitivität B dargestellt.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

27

Abbildung 7: Barwert-Verlust in der Sensitivität „hohe CO2-Preise“ der Szenarien 1 und 2

Unter Randbedingungen einer ambitionierten EU-weiten oder Deutschland-weiten Klima-schutzpolitik stellen sich die Kosten einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 deutlich geringer dar. Dies kann in den Jahren nach 2025 zu Situationen führen, in der eine marktgetriebene Stillle-gung von HKW Nord 2 erfolgt, d.h. das wirtschaftliche Lebensdauerende von HKW Nord 2 erreicht wird. Vorgaben auf EU- oder Bundesebene können demnach wirksame Instrumente bereitstellen, einen Ausstieg aus der Kohleverbrennung zu forcieren. Es wird aber auch deutlich, dass eine ambitionierte Klimaschutzpolitik per se keine vorzeitige Stilllegung von HKW Nord 2 im Zeitraum bis 2025 nach sich zieht.

2.3 Kondensationsstromerzeugung Im Gegensatz zur KWK-Stromerzeugung (d.h. Stromerzeugung mit gleichzeitiger Auskopp-lung von Fernwärme) steht die Kondensationsstromerzeugung (d.h. eine Stromerzeugung ohne gleichzeitige Auskopplung von Fernwärme). Diese Fahrweise ist für KWK-Anlagen mit Entnahmekondensationsdampfturbinen eine übliche Betriebsweise und trägt dazu bei, dass eine KWK-Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann. Die Rechnungen zeigen, dass im HKW Nord 2 in allen Szenarien und Sensitivitäten auch ein großer Teil Kondensationsstrom erzeugt wird. Dies trifft hauptsächlich für die Sommermonate zu, in denen der Fernwärmebedarf gering ist. In der Abbildung 8 ist dargestellt, welche Anteile der Stromerzeugung in den jeweiligen Fällen auf Kondensationsstrom- und KWK-Stromerzeugung entfallen. Demnach nimmt die Kondensationsstromerzeugung je nach Szenario und Sensitivität einen Anteil zwischen 35% und 50% ein.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

28

Abbildung 8: Stromproduktion aufgeteilt nach KWK- und Kondensations-Strom

794712 527

559

0

500

1.000

1.500

2.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Stromproduktion in KWK/KondensationSzenario 1

Sz 1 - Kondensation Sz 1 - KWK

743648

497

564

0

500

1.000

1.500

2.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Stromproduktion in KWK/KondensationSzenario 2

Sz 2 - Kondensation Sz 2 - KWK

817 843657 920

0

500

1.000

1.500

2.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Stromproduktion in KWK/KondensationSzenario 1 A

Sz 1A - Kondensation Sz 1A - KWK

791 800611

859

0

500

1.000

1.500

2.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Stromproduktion in KWK/KondensationSzenario 2 A

Sz 2A - Kondensation Sz 2A - KWK

682

566 378

223

0

500

1.000

1.500

2.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Stromproduktion in KWK/KondensationSzenario 1 B

Sz 1B - Kondensation Sz 1B - KWK

683572

440

340

0

500

1.000

1.500

2.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Stromproduktion in KWK/KondensationSzenario 2 B

Sz 2B - Kondensation Sz 2B - KWK

Welcher Kohleverbrauch anteilig dem Kondensationsbetrieb und anteilig dem KWK-Betrieb zugeordnet werden kann, ist in Abbildung 9 zu entnehmen. Dementsprechend entfallen zwi-schen 30% und 40% des Kohleeinsatzes auf die Kondensationsstromerzeugung. Aufgrund des höheren elektrischen Wirkungsgrads im Kondensationsbetrieb im Vergleich zu KWK-Betrieb – die ausgekoppelte Fernwärme geht als Abwärme nicht in die Berechnung ein - ist der Kohleanteil für Kondensationsstromerzeugung im Vergleich zum Strom-Anteil etwas geringer.

Abbildung 9: Kohleeinsatz aufgeteilt nach KWK- und Kondensationsbetrieb

2.090 1.874 1.387

1.471

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Kohleanteil KWK/KondensationSzenario 1

Sz 1 - Kondensation Sz 1 - KWK

1.956 1.705

1.309

1.485

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Kohleanteil KWK/KondensationSzenario 2

Sz 2 - Kondensation Sz 2 - KWK

2.1502.218

1.7282.420

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Kohleanteil KWK/KondensationSzenario 1 A

Sz 1A - Kondensation Sz 1A - KWK

2.0832.106

1.6082.261

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Kohleanteil KWK/KondensationSzenario 2 A

Sz 2A - Kondensation Sz 2A - KWK

1.7951.490 995

587

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Kohleanteil KWK/KondensationSzenario 1 B

Sz 1B - Kondensation Sz 1B - KWK

1.796 1.5061.158

895

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

2020 2023 2025 2030

GW

h

Kohleanteil KWK/KondensationSzenario 2 B

Sz 2B - Kondensation Sz 2B - KWK

Würden die SWM als Alternative zu einer Stilllegung von HKW Nord 2 im Jahr 2020 vollum-fänglich auf Kondensationsstromerzeugung verzichten, liegt die finanzielle Einbuße im Bereich von 20-75 Mio. EUR. In der Abbildung 10 sind diese Beträge als hellblauer Anteil an der ge-samten Säule dargestellt. Unter Rahmenbedingungen der Sensitivität B („hohe CO2-Preise“) ist der wirtschaftliche Anreiz der Kondensationsstromerzeugung aufgrund hoher CO2-Preise gering und die finanzielle Ein-

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

29

buße eines Verzichts auf Kondensationsstromerzeugung dürfte in Richtung 20 Mio. EUR ten-dieren. Unter Rahmenbedingungen der Sensitivität A („niedrige CO2-Preise“) ist der wirtschaftliche Anreiz einer Kondensationsstromerzeugung entsprechend höher. Die finanzielle Einbuße ei-nes Verzichts auf Kondensationsstromerzeugung dürfte in Richtung 75 Mio. EUR tendieren.

Abbildung 10: Anteil des Kondensationsbetriebs am Barwertverlust einer vorzeitigen Stilllegung

Die Zahlenangaben in den vorangegangenen Grafiken sind in folgender Tabelle zusammen-gefasst.

Tabelle 2: Kosten sowie Reduktion des Kohleeinsatzes und der Stromerzeugung bei voll-ständigem Verzicht auf Kondensationsstromerzeugung

ab 2020 ab 2023 ab 2025 ab 2030Kosten Mio. EUR 39 31 26 13Kohle GWh 2.090 1.874 1.387 1.471Strom GWh 794 712 527 559

Kosten Mio. EUR 61 50 42 22Kohle GWh 2.150 2.218 1.728 2.420Strom GWh 817 843 657 920

Kosten Mio. EUR 20 14 10 3Kohle GWh 1.795 1.490 995 587Strom GWh 682 566 378 223

Kosten Mio. EUR 45 36 30 15Kohle GWh 1.956 1.705 1.309 1.485Strom GWh 743 648 497 564

Kosten Mio. EUR 75 62 52 28Kohle GWh 2.083 2.106 1.608 2.261Strom GWh 791 800 611 859

Kosten Mio. EUR 32 25 20 8Kohle GWh 1.796 1.506 1.158 895Strom GWh 683 572 440 340

Szenario 2

Szenario 2 A

Szenario 2 B

Szenario 1

Szenario 1 A

Szenario 1 B

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

30

3 Ökologische Bewertung

Wie bereits in der Studie aus dem Jahr 2015 ermittelt, führt eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen in der Stromerzeugung. Dies gilt für alle hier untersuchten Szenarien. Dieses Ergebnis erklärt sich dadurch, dass die Kraft-werke, deren Erzeugung im Strommarkt durch das HKW Nord 2 verdrängt wird, im Jahres-durchschnitt geringere CO2-Emissionen aufweisen als das Münchner HKW. Dabei handelt es sich zum einen um mit Erdgas betriebene Kraftwerke, aber auch um Kohlekraftwerke mit hö-herem Wirkungsgrad als er im Block Nord 2 erzielt werden kann. Zudem liegen die Emissio-nen des Münchner Erzeugungsmixes nach einer Stilllegung des HKW Nord 2 deutlich niedri-ger als vorher. Dies trägt ebenfalls wesentlich zu der insgesamt beobachteten Emissionsre-duktion bei.

In Abbildung 11 ist die erzielbare CO2-Reduktion durch eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 in den beiden zentralen Energiepreisszenarien dargestellt. Zu erkennen ist dabei, dass die erzielbare CO2-Reduktion im Szenario 2 mit höheren Energiepreisen um 30% bis über 40% größer ist als im Szenario 1 mit niedrigeren Energiepreisen. Der Grund hierfür liegt in einem deutlich unterschiedlichen Anlageneinsatz in der Variante mit Betrieb des HKW Nord 2 bis zum Jahr 2034: Im Szenario 1 mit niedrigeren Energiepreisen erzeugen die SWM deutlich mehr Strom aus Erdgas als im Szenario 2.

Offensichtlich ist, dass die erzielbare CO2-Einsparung abnimmt, je später das HKW Nord 2 stillgelegt wird, d.h. je näher die unterstellte Stilllegung an die ohnehin erwartete Abschaltung Ende 2034 heranrückt. Im Szenario 1 (niedrige Energiepreise) liegt die erzielbare Reduktion bei ca. 530 kt CO2 für jedes Jahr verringerte Laufzeit des Blocks. Im Szenario 2 (hohe Ener-giepreise) liegt dieser Wert bei ca. 730 kt CO2.

Abbildung 11: CO2-Reduktion bei einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 (Szenarien 1 und 2), ohne Ausgleich durch den Emissionshandel

¹) CO2-Einsparung entfällt, falls Ausgleich durch den Emissionshandel weiterhin erfolgt (siehe Tabelle 3)

1) 1) 1) 1)

1)

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

31

Tabelle 3 stellt die Bandbreite der erzielbaren Reduktion der CO2-Emissionen in verschiede-nen Kontexten dar.

Tabelle 3: Bandbreite der Reduktion der CO2-Emissionen für die untersuchten Stillle-gungszeitpunkte für den Block Nord 2

1) Ohne Berücksichtigung eines ausgleichenden Effekts durch den Emissionshandel bzw. im Fall, dass der Emissions-

handel so reformiert wird, dass nationale Politiken und Maßnahmen im Bereich der Stromerzeugung bei der Regulie-

rung der Menge der Emissionsrechte berücksichtigt werden.

2) Im Fall, dass der Emissionshandel nur insofern reformiert wird, dass die vorgegebene Menge an verfügbaren Emissi-

onsrechten wieder zu einer Knappheit im Markt führt, ohne Berücksichtigung von nationalen Politiken und Maßnahmen

im Bereich der Stromerzeugung bei der Menge der Emissionsrechte.

Wie im Kapitel A4.5 zur Methodik der ökologischen Bewertung bereits ausgeführt, sollte als

Maßstab für eine Entscheidung zum HKW Nord 2 in erster Linie der in Tabelle 3 hervorgeho-

bene Kontext auf Deutschland ohne Ausgleich durch den Emissionshandel herangezogen

werden. Sofern der Emissionshandel so reformiert wird, dass überschüssige Emissionsrechte

dauerhaft vom Markt entfernt werden, nationale (oder im Fall des HKW Nord 2 ggf. kommuna-

le) Politiken und Maßnahmen im Bereich der Stromerzeugung bei der Regulierung der Menge

der Emissionsrechte jedoch nicht berücksichtigt werden, kann es ggf. zu einem teilweisen o-

der sogar vollständigen Ausgleich der Emissionsreduktionen durch dem Emissionshandel

kommen.

Ebenfalls in Tabelle 3 ausgewiesen wird die Veränderung der Emissionen auf dem Gebiet der

Landeshauptstadt München in den verschiedenen Ausstiegsszenarien. Diese Darstellung soll-

te jedoch nicht zur Grundlage von Entscheidungen über den Betrieb des HKW gemacht wer-

den, da sie die Frage vernachlässigt, welche Emissionen der Ausfall eines Teils der Stromer-

zeugung der SWM außerhalb des Stadtgebiets verursacht.

3.1 Sensitivität „niedrige CO 2-Preise“

Nachfolgend sind die Auswirkungen eines energiepolitischen Umfelds dargestellt, in dem der

EU-Emissionshandel auch langfristig nicht reformiert und daher die Preise für die CO2-

Emissionsrechte dauerhaft niedrig bleiben (Sensitivitäten 1A und 2A zu den Energiepreissze-

narien).

Kontext Stilllegung 2020

Stilllegung 2023

Stilllegung 2025

Stilllegung 2030

München, ohne Ausgleich durch den Emissionshandel

Mio. t 13,9 - 15,4 10,7 - 12,0 8,7 - 9,9 4,6 - 5,7

Deutschland, ohne Ausgleich durch den Emissionshandel 1)

Mio. t 8,2 - 10,6 6,4 - 8,8 5,3 - 7,5 2,1 - 3,5

Europa, mit Ausgleich durch den Emissionshandel 2)

Mio. t ~0 ~0 ~0 ~0

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

32

Abbildung 12: CO2-Reduktion bei einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 (Sensitivitäten 1A und 2A mit niedrigen CO2-Preisen), ohne Ausgleich durch den Emissionshandel

Aus der Abbildung ist zu erkennen, dass eine solche Entwicklung nur im Falle niedriger Ener-giepreise (Szenario 1 bzw. Sensitivität 1A) zu einer deutlichen Veränderung führt. In diesem Fall steigt die durch die vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 erzielbare CO2-Reduktion deut-lich an und liegt oberhalb des entsprechenden Wertes im Energiepreisszenario 2 (hohe Ener-giepreise). Der wesentliche Grund hierfür ist, dass im Falle einer Kombination aus niedrigen Energiepreisen und niedrigen CO2-Preisen der Betrieb des mit Kohle gefeuerten HKW Nord 2 wirtschaftlich deutlich attraktiver ist als in den anderen Szenarien. Deshalb nimmt im Szenario 1A die im Zeitraum von 2020 bis 2034 eingesetzte Kohlemenge gegenüber dem Szenario 1 um ca. 30% zu. Korrespondierend hiermit nimmt der Einsatz der mit Erdgas gefeuerten KWK ab. Entsprechend größer ist das Potenzial zur CO2-Minderung, falls das HKW Nord 2 vorzeitig stillgelegt wird. Im Preisszenario 2 ist dieser Effekt deutlich weniger ausgeprägt.

3.2 Sensitivität „hohe CO 2-Preise“

Als zweite Sensitivität für das energiepolitische Umfeld wird der Fall betrachtet, dass die EU

eine sehr ambitionierte Klimaschutzpolitik entwickelt, in dem der Emissionshandel eine große

Rolle spielt und daher die Preise für die Emissionsrechte langfristig deutlich ansteigen (Sensi-

tivitäten 1B und 2B zu den Energiepreisszenarien).

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

33

Abbildung 13: CO2-Reduktion bei einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 (Sensitivitäten 1B und 2B mit hohen CO2-Preisen), ohne Ausgleich durch den Emissionshandel

Diese Abbildung zeigt, dass in beiden Sensitivitäten die durch die vorzeitige Stilllegung von HKW Nord 2 erzielbare CO2-Reduktion deutlich geringer ist als in den zugehörigen Basis-Energiepreisszenarien. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Betrieb des HKW Nord 2 auf-grund der massiv ansteigenden Kosten für die Emissionsrechte ökonomisch wesentlich unat-traktiver wird und die Einsatzmenge von Kohle deutlich reduziert wird (im Szenario 1B um ca. 30% gegenüber dem Szenario 1 und im Szenario 2B um ca. 18% gegenüber Szenario 2, je-weils im Zeitraum von 2020 bis 2034). Korrespondierend hiermit wird der Einsatz von Erdgas in den KWK-Anlagen der SWM erhöht und die CO2-Emissionen aus den SWM-Anlagen wer-den deutlich reduziert. Entsprechend kleiner ist das Potenzial zur zusätzlichen CO2-Minderung, falls das HKW Nord 2 vorzeitig stillgelegt wird.

3.3 Kondensationsstromerzeugung

In Kapitel B2.3 wurde erläutert, welche Anteile des Kohleeinsatzes im HKW Nord 2 auf die

Erzeugung von Strom im Kondensationsbetrieb der Anlage entfallen. Für eine emissionsseiti-

ge Bewertung dieses Betriebsmodus‘ wurden die aus dem Einsatz dieser Kohlemengen ent-

stehenden CO2-Emissionen berechnet. Von diesen Emissionen wurden dann die Emissionen

subtrahiert, die sich aus den im Kondensationsmodus erzeugten Strommengen und den in

Kapitel A4.5 beschriebenen statischen Emissionsfaktoren des Verdrängungsmixes Strom er-

geben.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Emissionen der Erzeugung von Kondensationsstrom im HKW

Nord 2 in allen Jahren des betrachteten Zeitraums (2020 bis 2034) höher liegen als die Emis-

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

34

sionen des Verdrängungsmixes. Dementsprechend würde ein Verzicht auf die Erzeugung von

Kondensationsstrom im HKW Nord 2 zu einer Emissionsreduktion führen.

Die nachfolgende Tabelle zeigt das Ergebnis dieser Berechnung. Dabei ist zum einen zu er-

kennen, dass sich der Umfang der Erzeugung von Kondensationsstrom zwischen den Preis-

szenarien 1 und 2 kaum unterscheidet. Dementsprechend ist die CO2-Reduktion bei Verzicht

auf diesen Betriebsmodus in beiden Szenarien ähnlich groß. Deutlich sind dagegen die Unter-

schiede in den Sensitivitäten zum CO2-Preis: Bei niedrigen CO2-Preisen (Szenarien 1A und

2A) ist der Kondensationsbetrieb des HKW Nord 2 in deutlich mehr Stunden des Jahres wirt-

schaftlich als in den zugehörigen Referenzszenarien 1 und 2. Umgekehrt reduziert ein hoher

CO2-Preis die Stunden mit Kondensationsbetrieb des HKW Nord 2 bereits deutlich, so dass

durch einen Verzicht auf diesen Modus eine deutlich geringere Einsparung realisiert werden

kann.

Tabelle 4: CO2-Reduktion bei vollständigem Verzicht auf die Erzeugung von Kondensati-onsstrom im HKW Nord 2 ab einem Stichjahr, ohne Ausgleich durch den Emis-sionshandel

In der nachfolgenden Abbildung wird die CO2-Reduktion bei Verzicht auf die Erzeugung von

Kondensationsstrom als Teil der gesamten CO2-Reduktion bei einer vorzeitigen Stilllegung

des HKW Nord 2 ausgewiesen. Hierbei ist zu erkennen, dass der Verzicht auf den Kondensa-

tionsbetrieb nur einen kleineren Teil der im Falle einer Stilllegung der Anlage möglichen CO2-

Reduktion ausmacht. Dieser Anteil liegt in den meisten Fällen zwischen 15 und 20%.

ab 2020 ab 2023 ab 2025 ab 2030

Szenario 1 (niedrige Energiepreise) kt 1.199 1.061 954 568

Szenario 1 A (Sensitivität: niedrige CO2-Preise) kt 1.804 1.657 1.533 951

Szenario 1 B (Sensitivität: hohe CO2-Preise)

kt 625 510 425 229

Szenario 2 (hohe Energiepreise) kt 1.097 973 878 526

Szenario 2 A (Sensitivität: niedrige CO2-Preise) kt 1.678 1.540 1.424 888

Szenario 2 B (Sensitivität: hohe CO2-Preise) kt 772 659 574 320

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

35

Abbildung 14: Aufteilung der CO2-Reduktion bei einer vorzeitigen Stilllegung von HKW Nord 2 nach Anteilen für Kondensationsstromerzeugung und KWK-Betrieb, ohne Ausgleich durch den Emissionshandel

1.1991.061

954

568

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000

kt C

O2

CO2-Reduktion bei Exit Nord 2Szenario 1

Sz 1 - Kondensation

Sz 1 - KWK1.804

1.6571.533

951

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000

kt C

O2

CO2-Reduktion bei Exit Nord 2Szenario 1A

Sz 1A - Kondensation

Sz 1A - KWK

625510

425 2290

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000

kt C

O2

CO2-Reduktion bei Exit Nord 2Szenario 1B

Sz 1B - Kondensation Sz 1B - KWK

1.097973

878

526

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000

kt C

O2

CO2-Reduktion bei Exit Nord 2Szenario 2

Sz 2 - Kondensation

Sz 2 - KWK1.678

1.5401.424

888

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000

kt C

O2

CO2-Reduktion bei Exit Nord 2Szenario 2A

Sz 2A - Kondensation

Sz 2A - KWK

772659

574

320

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000

kt C

O2

CO2-Reduktion bei Exit Nord 2Szenario 2B

Sz 2B - Kondensation Sz 2B - KWK

3.4 Exkurs: Differenzierung der CO 2-Emissionen der von den SWM

eingesetzten Brennstoffe nach Lieferländern

Im Rahmen dieser Studie werden nur die direkten Emissionen aus den Prozessen zur Ener-

gieumwandlung bewertet, im Wesentlichen sind dies die Verbrennungsprozesse fossiler

Brennstoffe. Im Zusammenhang mit dem Abbau, der Aufbereitung und dem Transport fossiler

Brennstoffe kommt es jedoch zu weiteren Emissionen, die als der Verbrennung vorgelagerte

Emissionen entlang der Prozesskette bezeichnet werden. Bei Kohle handelt es sich hierbei

vor allem um die Emissionen aus Grubengas beim Abbau der Kohle sowie die Emissionen des

Transports von der Mine bis zum Kraftwerk in München, ggf. einschließlich des Seetransports

bei Importen aus Übersee. Bei Erdgas sind insbesondere die Leckagen bei der Förderung und

der Energieaufwand für die Kompressoren der Ferngasleitungen relevant. Hierbei kann unter-

schieden werden zwischen den Emissionen an CO2 sowie den gesamten Emissionen an

Treibhausgasen, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten (CO2e), die neben CO2 unter anderem

Methan umfassen.

An dieser Stelle soll mit einer kurzen Analyse dargestellt werden, wie groß der Einfluss dieser

vorgelagerten Prozesse auf die Ergebnisse der ökologischen Bewertung ist und welche Effek-

te die Beschaffung von Kohle aus verschiedenen Förderländern durch die SWM auf die indi-

rekten Emissionen hat. Als Grundlage für diese Analyse dienen Daten aus dem GEMIS-

Modell6 sowie grobe Abschätzungen des Öko-Instituts.

In den Jahren 2010 bis 2015 haben die SWM Kohle mit wechselnden Anteilen aus verschie-

denen Förderländern bezogen, darunter europäische Länder sowie Länder in Übersee. Inso-

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

36

fern können diese Jahre als gut repräsentativ für die Spannweite des Einflusses der Vorketten

auf die Emissionen aus der Verwendung von Kohle aus verschiedenen Förderländern ange-

sehen werden.

Für die direkten CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle wurde im Rahmen dieses

Gutachtens ein Emissionsfaktor von 330 kg CO2 pro MWh Brennstoff angesetzt. Bei Einbezug

weiterer Treibhausgase steigt dieser Wert geringfügig auf 335 kg CO2e pro MWh Brennstoff.

Die vorgelagerten Emissionen lagen in diesem Zeitraum bei durchschnittlich 29 kg CO2 pro

MWh Brennstoff (bzw. bei Einbezug weiterer Treibhausgase bei 51 kg CO2e pro MWh Brenn-

stoff). Dementsprechend lag die Summe aus direkten und vorgelagerten Emissionen in diesen

sechs Jahren durchschnittlich bei 359 kg CO2 bzw. 386 kg CO2e pro MWh Brennstoff.7

Die Höhe dieser gesamten Emissionen ist nur in geringem Umfang von der Herkunft der ein-

gesetzten Kohle abhängig. Dies zeigt die nachfolgende Grafik, in der die prozentuale Abwei-

chung der gesamten Emissionen der Jahre 2010 bis 2015 von den angegebenen Durch-

schnittswerten dargestellt ist.

Abbildung 15: Abweichung der Summe aus direkten und vorgelagerten Emissionen je Ener-gieeinheit Kohle vom Durchschnittswert der Jahre 2010 bis 2015

Die Darstellung zeigt, dass die gesamten Emissionen je Energieeinheit Kohle innerhalb dieses

Zeitraums bei CO2 um knapp 4% und bei den gesamten Treibhausgasen um gut 7% ge-

6 Globales Emissions-Modell integrierter Systeme, Version 4.94,

Website: http://www.iinas.org/gemis-de.html. 7 Zum Vergleich: Bei Erdgas können direkte CO2-Emissionen von 201 kg/MWh und direkte Treib-

hausgas-Emissionen von 202 kg CO2e/MWh angesetzt werden. Die vorgelagerten CO2-Emissionen betragen hier je nach Herkunftsland zwischen 20 und 30 kg/MWh. Bei den gesamten Treibhausga-sen liegt der Aufschlag für die indirekten Emissionen bei 33 bis 62 kg CO2e/MWh und damit deutlich höher als beim CO2. Dies liegt im Wesentlichen an den Methanverlusten entlang der Pipelines. (Alle Zahlen beziehen sich auf den unteren Heizwert des Gases.)

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

37

schwankt haben. Der Einfluss der Lieferländer die Höhe der klimarelevanten Emissionen aus

dem Einsatz von Kohle ist daher als gering anzusehen.

3.5 Exkurs: Qualitative Bewertung der Emissionen an Luftschadstoffen aus

dem HKW Nord 2

Kohlekraftwerke stoßen neben den global wirkenden Treibhausgas-Emissionen auch Luft-schadstoffe aus, die lokal oder regional schädigende Wirkung haben. Hierbei sind Stickstoff-oxide (NOx), Schwefeloxide (SOx), Staub und das Schwermetall Quecksilber (Hg) besonders relevant. Allerdings sind bei den Stickstoffoxiden und beim Staub wie auch bei Kohlenmonoxid (CO) nicht Kraftwerke die Hauptverursacher, sondern der Straßenverkehr und Heizungsanla-gen.

Das HKW Nord verfügt über moderne Abgasreinigungsanlagen, die einen Großteil der Schad-stofffracht aus den Abgasen entfernt. Gemäß den Umwelterklärungen des SWM Geschäftsbe-reichs Versorgung und Technik und einem aktuellen Gutachten des Ifeu-Instituts für die SWM wurden im HKW Nord 2 in den vergangenen Jahren folgende Schadstofffrachten freigesetzt:

Tabelle 5: Schadstofffrachten aus dem Betrieb des HKW Nord 2

2012 2013 2014

Stickstoffoxide (NOx) t 1.220 1.355 1.163

Schwefeloxide (SOx) t 169 204 158

Staub t 25,9 31,2 48,2

Quecksilber (Hg) kg k.A. k.A. 7,2

Zu den gravierenden Problemen mit zu hohen lokalen Stickoxid-Belastungen, wie sie in Mün-chen ähnlich wie in anderen Großstädten auftreten, trägt das HKW Nord 2 nur zum kleinen Teil bei. Entscheidend sind hier die Emissionen aus dem Straßenverkehr.8 Dennoch würde eine Reduktion der Stickoxid-Emissionen am Standort Unterföhring dazu beitragen, die Belas-tung in der Region München zu verringern.

Quecksilber ist ein Schwermetall, das für Menschen bereits in sehr geringen Konzentrationen zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Die Kohle- und Müllverbrennung gelten als wich-tigste Quellen für die Emission von Quecksilber in die Luft in Deutschland. Allerdings entsteht die Belastung von Menschen durch Quecksilber in Deutschland vor allem über den Verzehr von belastetem Fisch und durch Zahnfüllungen aus Amalgam.

8 So stellt die Regierung von Oberbayern in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt

München fest, dass ca. zwei Drittel der lokalen NO2-Immissionsbelastung am hoch belasteten Messpunkt in der Landshuter Allee vom lokalen Verkehr verursacht werden.

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

38

Eine aktuelle Studie des Ifeu-Instituts für die SWM hat die Emissionen an Quecksilber aus den drei Blöcken des HKW Nord analysiert.9 In der Studie wurde festgestellt, dass Block 2 den aktuell geltenden Grenzwert für die Konzentration des Schwermetalls im Abgas deutlich unter-schreitet. Dies gilt auch für den ab 2019 geltenden, verschärften Grenzwert. Das HKW Nord 2 ist demnach eines der deutschen Steinkohlekraftwerke mit den geringsten Quecksilber-Konzentrationen im Abgas. Der Beitrag des HKW Nord (Block 2 plus Müllverbrennung) an der Quecksilberdeposition in München war demnach im Jahr 2014 mit ca. 2,3% sehr gering. Aller-dings fordern verschiedene Akteure, darunter das Umweltbundesamt, die Grenzwerte für Quecksilber im Abgas von Kraftwerken drastisch weiter abzusenken. So gilt in den USA seit April 2015 ein sehr geringer Grenzwert von 1,5 µg/Nm³ Abluft. Dieser Grenzwert wurde vom HKW Nord 2 im Jahr 2014 knapp eingehalten, in den Vorjahren lagen die Emissionen über diesem Wert. Sollte der Empfehlung des UBA entsprochen werden, so müssten die SWM ggf. weitere Minderungsmaßnahmen ergreifen.

3.6 Fazit zur ökologischen Bewertung

Im Mittelpunkt der ökologischen Bewertung steht die Auswirkung einer vorzeitigen Stilllegung

des HKW Nord 2 auf die CO2-Emissionen unter Einbezug der sich in diesem Fall verändern-

den Stromerzeugung in den Kraftwerken der SWM. Hierzu wurde festgestellt, dass die vorzei-

tige Stilllegung von HKW Nord 2 zu einer deutlichen Emissionsreduktion führen kann, sofern

diese nicht durch den EU-Emissionshandel ausgeglichen wird. Dieses Ergebnis ist robust über

alle betrachteten Energiepreisszenarien und deren Sensitivitäten hinweg.

Zur Belastung mit Luftschadstoffen im Ballungsraum München trägt das HKW Nord 2 nur un-

tergeordnet bei. Die Hauptverursacher sind der Straßenverkehr und Heizungsanlagen. Unab-

hängig hiervon würde eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 auch zu einer - wenn auch

geringfügigen - Entlastung der Immissionssituation im Großraum München führen.

4 Bewertung der Versorgungssicherheit

München hat eine sehr hohe Strom-Versorgungssicherheit, nicht zuletzt auf Grund der

Schwarzstart- und Inselnetzfähigkeit.

Bei einem deutschland- und/oder europaweiten Stromausfall besteht durch die Inselnetzfähig-

keit die Möglichkeit die Stromversorgung ohne Stromlieferung aus dem europäischen Ver-

bundnetzes weiterhin sicher aufrechtzuerhalten. Alle denkbaren Folgeschäden durch einen

langfristigen Stromausfall können vermieden werden, insbesondere auch an und in kritischen

9 Ifeu-Institut (2016): Bewertung der Emissionen von Quecksilber aus dem Heizkraftwerk Nord. Studie

im Auftrag der SWM Services GmbH, München

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

39

Infrastrukturen. Die Inselnetzfähigkeit beschreibt die Fähigkeit einer sicheren und unabhängi-

gen Stromversorgung eines begrenzten Versorgungsgebietes, z.B. München, Berlin etc.

Die Inselnetzfähigkeit von München stellt einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen dar und

hat entscheidende Vorteile für das Netz der SWM und die gesamte TenneT-Regelzone. Wich-

tige Voraussetzung für das Konzept Inselnetzfähigkeit ist u. a. eine stetig verfügbare ausrei-

chende Einspeiseleistung aus sicheren, stabilen und regelbaren Erzeugungseinheiten wie im

HKW Nord 2 mit ca. 340 MW. Darüber hinaus leistet das HKW Nord 2 u. a. auf Grund seiner

Schwarzstartfähigkeit einen entscheidenden Beitrag zu dieser hohen Versorgungssicherheit.

In einer von den SWM beauftragten Studie zum Thema „Bewertung von Vorsorgemaßnahmen gegen langdauernde Stromausfälle“ durch die Firma E-Bridge werden u. a. die Bedeutung und der Nutzen der durch die SWM ergriffenen Maßnahmen unter Ausnutzung der Inselnetz- und Schwarzstartfähigkeit der im Verteilnetz der SWM angeschlossenen Erzeugungsanlagen sowie die Auswirkungen von Versorgungsunterbrechungen beschrieben. 10

In den Szenarien mit Stilllegung von HKW Nord 2 sind im Bereich der Versorgungssicherheit Strom keine adäquaten Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt worden. Alle Stilllegungs-Szenarien gehen daher mit einem Verlust an Versorgungssicherheit der Stadt München im Falle eines weiträumigen Stromausfalls in Deutschland einher. Falls dies kompensiert werden soll, würden entsprechende zusätzliche Kosten entstehen.

Generell sind die Wertbeiträge des HKW Nord 2 aus der Versorgungssicherheit Strom bezie-hungsweise der Verlust dieser Wertbeiträge im Falle einer Stilllegung nicht in die Berechnun-gen und ökonomische Bewertung eingegangen. Nachfolgende Auflistung zeigt jedoch eine hohe Relevanz des Themas Versorgungssicherheit:

• Stilllegungs-Szenarien nehmen einen Verlust der Inselnetzfähigkeit in Kauf

• Ohne den Beitrag von HKW Nord 2 wird ein Netzwiederaufbau deutlich erschwert.

• Die SWM-Infrastruktur spart sich über 10 Mio. EUR pro Stunde vermiedener Versor-gungsunterbrechung (Qualitätselement der Anreizregulierung)

• Der wirtschaftliche Schaden für den Wirtschaftsstandort München dürfte bei einer Ver-sorgungsunterbrechung jedoch schnell in zweistellige Millionenbeträge gehen.

• Darüber hinaus leistet das HKW Nord 2 einen wichtigen Beitrag für eine sichere Stromversorgung in Süddeutschland.

Die Versorgungssicherheit im Bereich der Fernwärme hingegen läßt sich durch den Bau von Heizwerken gewährleisten. Dies ist in der ökonomischen Bewertung bereits enthalten (siehe Abschnitt A3.8).

10 Quelle E-Bridge - Studie: „Bewertung von Vorsorgemaßnahmen gegen langdauernde Stromausfälle“

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

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5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 würde zu erheblichen Emissionsreduktionen im Bereich der Stromerzeugung führen, zugleich aber für die SWM erhebliche betriebswirtschaft-liche Nachteile mit sich bringen. In Tabelle 6 sind die Ergebnisse zusammengefasst.

Der finanzielle Schaden für die SWM ist ausgedrückt als Minderung des Gewinns vor Steuern im Zeitraum bis 2035 und wurde als Barwert auf das Jahr 2016 umgerechnet.

Tabelle 6: Zusammenfassung zur ökologischen und ökonomischen Bewertung

Kontext Stilllegung 2020

Stilllegung 2023

Stilllegung 2025

Stilllegung 2030

Reduktion CO2-Emissionen in München, ohne Ausgleich durch den Emissionshandel

Mio. t 13,9 - 15,4 10,7 - 12,0 8,7 - 9,9 4,6 - 5,7

Reduktion CO2-Emissionen in Deutschland, ohne Ausgleich durch den Emissionshandel 1)

Mio. t 8,2 - 10,6 6,4 - 8,8 5,3 - 7,5 2,1 - 3,5

Reduktion CO2-Emissionen in Europa, mit Ausgleich durch den Emissionshandel 2)

Mio. t ~0 ~0

~0 ~0

Finanzieller Schaden der SWM bei einer Stilllegung von HKW Nord 2

Mio. € 153 - 314 106 - 216 78 - 160 26 - 53

1) Ohne Berücksichtigung eines ausgleichenden Effekts durch den Emissionshandel bzw. im Fall, dass der Emissions-handel so reformiert wird, dass nationale Politiken und Maßnahmen im Bereich der Stromerzeugung bei der Regulie-rung der Menge der Emissionsrechte berücksichtigt werden.

2) Im Fall, dass der Emissionshandel nur insofern reformiert wird, dass die vorgegebene Menge an verfügbaren Emissi-onsrechten wieder zu einer Knappheit im Markt führt, ohne Berücksichtigung von nationale Politiken und Maßnahmen im Bereich der Stromerzeugung bei der Menge der Emissionsrechte.

Im Vergleich zu den Ergebnissen der Studie von 2015 haben sich die Schätzungen zum finan-ziellen Schaden für die SWM um etwa 50% reduziert. Grund hierfür sind die aus heutiger Sicht niedriger angesetzten Preisentwicklungen für Erdgas und die höher angesetzten Preise für CO2.

Dem finanziellen Schaden für die SWM steht eine erhebliche Reduktion von CO2-Emissionen gegenüber. Wie in Kapitel B3 beschrieben, ist bei der Reduktion von CO2-Emissionen der Be-zug auf den räumlichen Kontext zu beachten:

Beschränkt man sich bei der Betrachtung der CO2-Reduktion auf München, so wirkt die Stillle-gung von HKW Nord 2 unmittelbar aufgrund der Einsparung von Steinkohle und ihres nur teil-weisen Ersatzes durch Erdgas. Diese Betrachtung berücksichtigt jedoch nicht, dass ein Teil der fehlenden Strommenge des HKW Nord 2 dann von anderen Stromerzeugungsanlagen

Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung am Standort Nord

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außerhalb Münchens erzeugt werden muss. Der Effekt der Produktionsverlagerung findet sich im deutschlandweiten Kontext wieder.

Daher sollte die Veränderung der Emissionen in München nicht ausschlaggebend für die öko-logische Bewertung einer Entscheidung zur Stilllegung von HKW Nord 2 sein.

Die Ergebnisse zur Emissionsreduktion bei Betrachtung der Bilanz in Deutschland ohne Aus-gleich durch den Emissionshandel liegen etwa in der gleichen Höhe wie in der Studie von 2015. Aufgrund der gewählten Annahmen für die Szenarien und die Verwendung eines stati-schen Emissionsfaktors für den Verdrängungsmix Strom hat sich die Bandbreite der Schät-zungen deutlich reduziert.

Wie in Kapitel A4.5 ausgeführt, kann sich im europäischen Kontext je nach konkreter Wirk-samkeit des Emissionshandels aber auch ein deutlich geringerer CO2-Einsparungseffekt ein-stellen – möglicherweise auch bis zum Wert Null.

Eine Größe, die die ökonomische und ökologische Bewertung einer Stilllegung von HKW Nord 2 auf eine Kennzahl verdichtet, sind die spezifischen CO2-Vermeidungskosten für die SWM. Zur Orientierung können die spezifischen Kosten der CO2-Vermeidung für die SWM aus den Ergebnissen ermittelt werden. Diese liegen bei einer Stilllegung im Jahr 2020 in den beiden zentralen Preisszenarien bei 19 bis 23 EUR/t CO2 bei einer Stilllegung im Jahr 2020 und sin-ken auf 12 bis 14 EUR/t CO2 bei Stilllegung im Jahr 2030. Unter Berücksichtigung der Sensiti-vitäten zur Entwicklung der CO2-Preise liegt die Spannweite der Vermeidungskosten bei 10 bis 35 EUR/t CO2.

Diese Kennzahl beschreibt die spezifischen Kosten der in dieser Studie ausgewiesenen Emis-sionsvermeidung aus betriebswirtschaftlicher Sicht der SWM. In einer volkswirtschaftlichen Perspektive würden Kosten und Nutzen anders bilanziert. Daher sind die genannten Kosten der CO2-Vermeidung für die SWM nicht mit volkswirtschaftlichen Vermeidungskosten ver-gleichbar. Es kann aber festgehalten werden, dass die SWM unter den getroffenen Annahmen durch eine vorzeitige Stilllegung des HKW Nord 2 zu den oben angegebenen betriebswirt-schaftlichen Kosten dazu beitragen könnten, globale volkswirtschaftliche Schadenskosten in Höhe von ca. 160 EUR/t CO2 im Jahr 2030 zu vermeiden.11

Aufgrund der großen Bandbreite des finanziellen Schadens einer vorzeitigen Stilllegung für die SWM lässt sich in diesem Gutachten keine Aussage hinsichtlich eines Datums einer vorzeiti-gen Stilllegung treffen. Insofern bestätigt sich das Gutachten aus dem Jahr 2015.

Die in dieser Studie ermittelten, im Vergleich zum Gutachten von 2015 deutlich geringeren Werte für den finanziellen Schaden der SWM und die CO2-Vermeidungskosten zeigen jedoch, dass in Abhängigkeit von der erwarteten Entwicklung der Energiepreise eine vorzeitige Stillle-gung von HKW Nord 2 möglich werden könnte.

Im Falle, dass die Klimaschutzpolitik sehr ambitionierte Ziele zur Minderung von Treibhausga-sen setzt und sich diese in erheblich ansteigenden Kosten für die Emissionsrechte nieder-

11 Vgl. hierzu die zu Beginn des Kapitels A4.5 zitierten Bandbreiten nach einer Schätzung des Umwelt-

bundesamtes.

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schlagen, wie sie in den entsprechenden Sensitivitäten zu den Preisszenarien unterstellt wur-de, könnte im Zeitraum um das Jahr 2030 eine marktgetriebene vorzeitige Stilllegung von HKW Nord 2 erfolgen.