Untersuchungen DAB Insel

63
Untersuchung des DAB+-Empfangs (indoor und outdoor) mit mobilen und portablen Receivern im Falle der lokalen Versorgung urban strukturierter Verbreitungsgebiete mit einem DAB+-Kleinleistungssender Ergebnisse des DAB+-Strahlungsversuches im Stadtgebiet Stuttgart vom 03.03. bis 09.04.2015 Release 1.4 Datum: 24.09.2015 Autor: R. Kretzschmann

Transcript of Untersuchungen DAB Insel

Page 1: Untersuchungen DAB Insel

Untersuchung des DAB+-Empfangs

(indoor und outdoor) mit

mobilen und portablen Receivern im Falle der

lokalen Versorgung urban strukturierter Verbreitungsgebiete

mit einem DAB+-Kleinleistungssender

Ergebnisse des DAB+-Strahlungsversuches

im Stadtgebiet Stuttgart

vom 03.03. bis 09.04.2015

Release 1.4

Datum: 24.09.2015

Autor: R. Kretzschmann

Page 2: Untersuchungen DAB Insel

Inhalt Seite

1. Executive Summary ......................................................................................................... 4

2. Dank an die Unterstützer des Projektes......................................................................... 5

3. Einleitung .......................................................................................................................... 5

4. Anmerkungen zum eingesetzten DAB+-Versuchs-Sender ........................................... 9

5. Untersuchungen im Gebäude Reinsburgstraße 27, Stuttgart .................................... 10

6. Störpegel im Indoor-Bereich ......................................................................................... 10

7. Störmodell für Indoor-DAB-Empfang ......................................................................... 13

8. Auswertung von Indoor-Empfangstests....................................................................... 14 8.1 Orientierende Feldstärke- und Dämpfungsmessungen im OG 5 (In- und Outdoor)........ 20

8.2 Realistische Gebäudedämpfungen ................................................................................... 21

9. Störstrahlung .................................................................................................................. 22

10. Statistisches Störmodell ................................................................................................. 23

11. Nutzfeldstärkeprognose und gemessene Feldstärken ................................................. 26

12. Vergleich der Nutzfeldstärken der betrachteten Senderstandorte an stationären Messpunkten ................................................................................................................... 28

13. Funkfeldverhältnisse im Versorgungsgebiet Stuttgart-Stadtmitte............................ 29

14. Mobile Feldstärkemessungen im Innenstadtbereich Stuttgart (Messstrecke 1) ...... 30 14.1 Auswertung der Testfahrt durch den Innenstadtbereich (Messstrecke 1) ........................ 32

14.2 Betrachtungen zu den Auswirkungen der Antennenhöhe auf die Versorgung ................ 35

15. Auswertung der Testfahrt im außerstädtischen Bereich (Messstrecke 2) ................ 36

16. Postprocessing der mobil aufgezeichneten Messdaten (Messstrecke 1 und 2) ......... 41

17. Diskussion der Ergebnisse des Prognosemodells – das Prognosedilema .................. 49

18. Einfluss von Reflexionen auf den DAB+-Empfang (Rayleigh-Kanal)....................... 50

19. Durchführung und Auswertung von Empfangstests .................................................. 51

20. Fehlerschutzmechanismen (Protection Level) bei DAB ............................................. 52

21. Auswirkung des Fehlerschutzes (Protection Level) auf die Empfangsergebnisse ... 53

Page 3: Untersuchungen DAB Insel

21.1 Auswertung von Empfangstests und Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen.............. 53

22. Ergebnisse der subjektiven Empfangstests in Relation zur prognostizierten Feldstärke........................................................................................................................ 54

23. Anmerkungen zur Mindestnutzfeldstärke................................................................... 56

24. Exkurs zum Thema Audioqualität und Datenraten ................................................... 56

25. Der DAB+-Fernempfang ............................................................................................... 57

26. Der DAB+-Empfang im Vergleich mit UKW.............................................................. 57

27. Die lokale DAB+-Versorgung mit Kleinleistungssendern – eine Bewertung ........... 60

28. Zusammenfassung und Empfehlungen ........................................................................ 60

Anlage 1: Abbildung Auswertung Empfangstests

Page 4: Untersuchungen DAB Insel

DAB-Strahlungsversuch der LFK

mit einem

Low Tower Low Power Sender

in Stuttgart

Untersuchungen zum DAB+-Empfang

1. Executive Summary

Im März 2015 führte die LFK in Stuttgart einen Strahlungsversuch mit einem DAB-Sender im Kanal 12A geringer Leistung (ERP: 200 Watt) und niedriger Antennenhöhe (71 m) durch. Angeregt wurde dieser Versuch durch ähnliche Vorhaben in der Schweiz sowie England und durch den Wunsch nichtkommerzieller Radioveranstalter in Baden-Württemberg nach digitalen Broadcast-Lösungen. Mit diesem Versuch wollte die LFK zum einen herausfinden, wie die subjektive Empfangbarkeit dieses Low Tower-Low Power-Senders im städtischen Umfeld bei unterschiedlichem Fehlerschutz ist. Zum anderen sollten Testpersonen die Empfangbarkeit dieses Senders absolut und im Vergleich zu den exponierten Stuttgarter Hochleistungssendern (ERP: 10 kW) Fernsehturm und Frauenkopf bewerten. Um die Empfangsqualität zu ermitteln, wurden objektive Messungen und subjektive Empfangstests mit handelsüblichen tragbaren DAB-Empfängern herangezogen.

Die wichtigsten Versuchsergebnisse sind:

1. Niedrige Senderstandorte in Verbindung mit Sendern geringer Leistung ( 200 W). bringen im Stadtgebiet im Umkreis von ca. 3 km um den Sender eine ausreichende DAB+-Versorgung in Gebäuden.

2. Bei der subjektiven Empfangsbeurteilung schneidet der Kleinleistungssender deutlich schlechter ab als die Hochleistungssender. Die Testpersonen bewerteten den Empfang des Kleinleistungssenders an 50 % der Testpunkte schlechter als den der Hochleistungssender – bei gleichem Fehlerschutz (EEP 3-A, r = ½).

3. Man made Noise führt innerhalb von Gebäuden zu großen Störfeldstärken (bis zu 50 dBμV pro Meter). Ursache hierfür sind vor allem elektronische Kommunikationsgeräte aller Art.

4. Für eine hohe Orts- und Zeitwahrscheinlichkeit für guten DAB-Empfang in Gebäuden sind sehr hohe Planungsfeldstärken (> 80 dBμV/m) im städtischen Bereich erforderlich. Gründe hierfür sind neben man made Noise die heute üblichen Wärmedämmungsmaßnahmen bei Fenstern und Wänden.

DAB-Sender geringer Leistung werden gegenwärtig sowohl überwiegend mit konventionellen Bauteilen als auch unter starker Verwendung von Software hergestellt. Die Software -basierten Lösungen führen zu etwas günstigeren Herstellungskosten. Bei einem Vergleich der Gesamtkosten einer Sendeanlage dürfen allerdings die Standortkosten nicht unberücksichtigt bleiben. Erschließungs- und Betriebskosten können die Beschaffungskosten des Sendeequipments übersteigen.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 4 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 5: Untersuchungen DAB Insel

2. Dank an die Unterstützer des Projektes

„Experĭentia est optĭma rerum magistra“ war das Leitmotiv bei der Durchführung des Strahlungsversuches, um zu einer vagen Bewertung der Qualität des DAB+-Empfangs unter den schwierigen Verhältnissen in urban strukturierten Verbreitungsgebieten und unter Verwendung von Sendern kleiner Leistung zu gelangen. Ermöglicht hat den von der Landesanstalt für Kommunikation initiierten und durchgeführten Strahlungsversuch in erster Linie die unkomplizierte Zusammenarbeit mit einer ganzen Reihe von Projektpartnern und Unterstützern. Zuvorderst sei an Herrn Prof. Dr. Andreas Steil von der Hochschule (HS) Kaiserslautern ein herzlicher Dank für die Bereitstellung des DAB+-Sendeequipments und die technische Unterstützung bei der Konfiguration und Inbetriebnahme durch Mitarbeiter seines Institutes, insbesondere durch Herrn Dipl. Ing. Mark Rosenbaum von der TU Kaiserslautern, gerichtet. Ermöglicht hat den Aufbau der portabel einsetzbaren DAB+/DRM+-Sendeinfrastruktur ein Kooperationsprojekt der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) mit der TU Kaiserslautern und mit Unterstützung der FH Kaiserslautern. Dass das Projekt zustande kam, ist nicht zuletzt der Initiative von Herrn Joachim Lehnert zu verdanken. Dafür und für die unentgeltliche Bereitstellung der portablen Sendeanlage für den Strahlungsversuch in Stuttgart ebenso ein herzliches Dankeschön an ihn.

Einen wesentlichen wenn nicht sogar den entscheidenden Projektbeitrag leistete der Südwestrundfunk, indem er für den Strahlungsversuch seine am Funkhaus in Stuttgart bereits montierte vertikal polarisierte Sendeantenne zur Verfügung gestellt hat und die Aufschaltung der Sendeanlage in seinen Räumen gestattete. Den Weg dazu bereitet hat der Leiter des Frequenzmanagements und Systemtechnik Herr Udo Klaus. Vielen Dank an alle beteiligten Mitarbeiter des SWR für die geleistete großzügige Unterstützung.

Nicht zuletzt geht ein Dank an die Bayerische Medien Technik GmbH für die messtechnische Unterstützung beim Strahlungsversuch. Herr Thorsten Stache hat mit seiner Messerfahrung wesentlich dazu beigetragen, eine große Menge an verwertbaren Messdaten für die hier gezeigten Auswertungen innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung stellen zu können.

3. Einleitung

Zu den derzeit häufig diskutierten Ideen gehört, mit preisgünstigen DAB+-Sendern kleiner Leistung eine lokal begrenzte Versorgung von urbanen Ballungsräumen herzustellen. Denkanstöße und Anregungen dazu geben neben entsprechenden Überlegungen in England aktuelle Entwicklungen in der Schweiz. Nachdem bis Ende 2012 dort bereits unterhalb zweier großräumig angelegter Bedeckungen regional gegliederte Plattformen in Genf, im Großraum Aargau-Zürich sowie in Bern und der Ostschweiz bereitstanden, sah das Konzept der als Netzbetreiberin konzessionierten Digris AG bis 2015 den zügigen Ausbau von kleinräumigen kostengünstigen Lokalversorgungsgebieten in weiteren größeren Agglomerationen der Schweiz vor. Wesentlich niedrigere Kosten im Vergleich zur Flächenversorgung macht das Senderkonzept sowohl für kommerzielle als auch nicht-kommerzielle Radios bzw. Webradios interessant. Die Digris AG setzt zur Kostensenkung auf softwaregestützte Technologien, wie "Software Defined Radio". Das OpenDigitalRadio.Org-Projekt entwickelt und stellt dafür Software-Module bereit, die als Opensource die gesamte DAB+-Übertragungskette mit den sog. ODR-mmb Tools1 abdecken. 1 ODR mmb = Opensource Digital Radio ursprünglich entwickelt von CRC (Communications Research Centre Canada), Kanada

Landesanstalt für Kommunikation Seite 5 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 6: Untersuchungen DAB Insel

Die in den Verbänden UNIKOM und ASROC organisierten nicht-kommerziellen Radios bzw. Webradios in der Schweiz sind im Verein LIMUS2 vereinigt, der seinerseits als Inhaber einer Funkkonzession einen Aktienanteil der Digris AG übernahm. Das erste LIMUS-Digris Ensemble in Genf läuft seit 1. Mai 2014 stabil mit 13 Programmen.

Die geschilderte Entwicklung in der Schweiz als auch entsprechende Überlegungen in England nähren auch in Deutschland die Hoffnung, mit als besonders preisgünstig eingeschätzten Kleinleistungssendern die Verbreitungskosten senken und in lokal-regionalen Versorgungsclustern so eine auf diesen Raum zugeschnittene Hörfunkveranstaltung ermöglichen zu können. Leistungsstarken DAB-Grundnetzsendern mit einigen Kilowatt Sendeleistung, in Gleichwellennetzen auf eine überwiegend landesweite Versorgung ausgerichtet, stünden dann Sender mit deutlich unter 0,5 kW Strahlungsleistung im städtischen Umfeld gegenüber. Mit einem Strahlungsversuch beabsichtigte die LFK im März 2015, ein solches Szenario unter realen Empfangsbedingungen zu erproben. Im Fokus stand zunächst weniger die eher subjektive Frage der Akzeptanz seitens der DAB-Radiohörer, die mit einer solchen Versorgung möglicherweise einhergehenden Nachteile in Kauf zu nehmen, sondern vielmehr die objektiven Befunde bei unterschiedlichen Empfangsszenarien. Zu erwarten waren bei einem Kleinleistungssender-Konzept in besonderem Maße deutliche Abstriche bei der sog. Indoor-Versorgung, die gerade im städtischen Umfeld und in den dort anzutreffenden Gebäuden eine Herausforderung darstellt.

Im Nachtrag sei auf das Ergebnis weiterer Recherchen zur Leistung der eingesetzten Sender in der Schweiz hingewiesen: Dort sind inzwischen die Sendeleistungen der „Kleinleistungssender“ durch bessere Endstufen auf weit über 1 kW bis zu 4 kW erhöht, die somit keine „Kleinleistungssender“ im eigentlichen Sinne mehr darstellen.

Losgelöst von der Erwartungshaltung der potenziellen DAB+-Hörer hinsichtlich der Empfangbarkeit lokaler Hörfunkangebote geht es im vorliegenden Messbericht in erster Linie um die Empfangsergebnisse, die unter den Bedingungen urbaner Versorgungsgebiete mit Kleinleistungssendern und unter den anzunehmenden Empfangsgewohnheiten der Hörer zu erwarten sind. Die übliche Empfangssituation sieht demnach so aus, dass der Hörer einen handelsüblichen portablen DAB+-Empfänger mit angebauter Teleskopantenne im Fachhandel erwirbt und Zuhause an einem Ort seiner Wahl aufstellt. Dort soll der Empfang dann ohne zusätzliche Anforderungen erfüllen zu müssen, auf einfache Weise funktionieren.

Der DAB+-Empfang ist nicht vergleichbar mit dem FM-Empfang. Für beide Systeme gelten völlig unterschiedliche charakteristische Systemeigenschaften. Empfindliche DAB-Empfänger sind in aller Regel noch imstande, völlig rauschfreie Audiosignale zu dekodieren, selbst dann, wenn Nutzfeldstärken und CNR-Werte vergleichsweise sehr gering sind.

Ein guter DAB-Empfänger kann bereits ab ca. 10 dBμV/m Signalfeldstärke unter günstigen Bedingungen (noch ausreichendes CNR vorausgesetzt) einen ETI-Datenstrom decodieren und daraus ein störungsfreies Audiosignal erzeugen. Diese Eigenschaft kommt DAB beim Mobilempfang zu Gute. Liegt das Nutzsignal auf einer störarmen Frequenz mit nur wenig Man Made Noise und homogener Feldverteilung, gibt es kaum noch Probleme mit zu geringen Feldstärken. Selbst fern ab gelegene DAB-Sender können so oft störungsfrei gehört werden.

2 LIMUS = Layer zur Innovation und Migration Urbaner Sendegebiete

Landesanstalt für Kommunikation Seite 6 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 7: Untersuchungen DAB Insel

Die vorstehend geschilderten Umstände erklären, weshalb der DAB-Empfang bei mobil durchgeführten Tests meist mit guten bis sehr guten Ergebnissen hervorsticht und die Berichterstatter zur Aussage führen, die DAB-Versorgung wäre deutlich besser als in der Versorgungsprognose berechnet. In Bezug auf die Inhouse-Empfangssituationen gilt dies jedoch so nicht. Eine durchgängig unterbrechungsfreie Mobilversorgung gibt noch lange keine Garantie auf einen zufriedenstellenden Empfang in Gebäuden. Die im Versuch gewonnenen Erfahrungen zeigen vielmehr, dass trotz gutem Mobilempfang nicht automatisch von einer guter DAB-Empfangbarkeit in Gebäuden mit Behelfsantennen an portablen Empfangsgeräten auszugehen ist. Die Ursache dafür liegt weniger in Mängeln bei der Empfindlichkeit der Empfänger, sondern vielmehr an der Störbelastung am Empfangsort und der hohen Signaldämpfung durch die Gebäude. Es nutzt also nichts, wenn der Empfänger mit guten Werten bei der Empfindlichkeit aufwartet, wegen hoher Störpegel des sog. Man-Made-Noise aber das Nutzsignal im Störbelag untergeht.

Wie enttäuschend die Situationen in Gebäuden sein können zeigen die dort durchgeführten Messungen und Empfangstests. Die Entwicklung bei den FM-Empfängern verleitet viele Hörer dazu, anzunehmen, das gute alte Radio würde immer und überall funktionieren. Tatsächlich ist auch das nicht der Fall. Meist ist der analoge FM-Empfang in Gebäuden unter Verwendung einer Behelfsantennen ebenfalls mit erheblichen Qualitätseinbußen verbunden, die von den allermeisten Hörern aber hingenommen und von vielen nicht einmal wahrgenommen werden.

Schon seit Beginn der Rundfunkübertragung sind die auftretenden Funkstörungen und ihre Mechanismen ein ständig in internationalen Institutionen wie dem CISPR3 und in der Normung behandeltes Thema. Es geht dabei darum, den Aufwand bei der Entstörung von Störquellen einerseits und andererseits den sendetechnischen Aufwand zur Erzeugung hoher Nutzfeldstärken, die maßgeblich zur störungsfreien Funkübertragung beitragen, in eine ausgewogene und volkswirtschaftlich vertretbare Relation zu bringen. Im weitesten Sinne geht es also dabei um Kompromisse. Für alle Funkübertragungssysteme lassen sich an Hand der genormten maximal zulässigen Störpotenziale Modellkonfigurationen für den störungsfreien Funkempfang herleiten (sog. Störmodelle). Diese Störmodelle sind in den einzelnen Frequenzbereichen und für die verschiedenen Rundfunksysteme in der Regel unterschiedlich und richten sich an der technischen Machbarkeit aus. Die Störmodelle für UKW und DAB unterscheiden sich schon durch ihre unterschiedlichen Frequenzbereiche und sind besonders wegen sehr verschiedener Systemanforderungen nicht direkt miteinander vergleichbar. Für den analogen als auch digitalen Rundfunk gehen die Störmodelle meist von der Verwendung einer Außenantenne zur Entkopplung des Nutzsignals im Funkfeld vom Störpotenzial der Störquellen in Gebäuden aus (Man Made Noise). Nur so gelingt es, einen störungsfreien Inhouse-Empfang zu gewährleisten, bei dem eine ausreichend dimensionierte Systemreserve für langzeitstabile Empfangsverhältnisse sorgt. Es mag sein, dass ein Empfang auch unter ungünstigeren Bedingungen z.B. ohne besondere Außenantenne möglich ist, einen rechtlichen Anspruch auf störungsfreien Empfang kann der Hörer daraus allerdings nicht ableiten. Treten bei DAB instabile Signalverhältnisse am Empfängereingang auf (z.B. durch ein zu geringes CNR), ist die Freude an dem System auch meist schon dahin. Ständige Programmunterbrechungen nerven selbst den gewogenen Hörer. Der Empfang mit portablen DAB-Empfängern mit angebauter Teleskopantenne funktioniert in Gebäuden mit geringen Nutzfeldstärken und einem hohen Man Made Noise nur wenn günstige Umstände zusammen kommen (eher zufällig). Von einer hohen Versorgungswahrscheinlichkeit an beliebig gewählten Empfangsorten selbst unter widrigen Bedingungen kann jedenfalls keine Rede

3 CISPR = Comité international spécial des perturbations radioélectriques

Landesanstalt für Kommunikation Seite 7 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 8: Untersuchungen DAB Insel

sein. Die Frustrationsrate ist so gesehen bei DAB gewiss etwas höher als es beim FM-Empfang unter vergleichbaren Pegelbedingungen im Grenzbereich bei geringer Systemreserve der Fall ist.

Zur Erläuterung der fundamentalen Zusammenhänge beim DAB-Indoor-Empfang dienen die in den nächsten Abschnitten vorgestellten Testergebnisse. Es handelt sich dabei einerseits um subjektive Empfangsbewertungen, die mit handelsüblichen portablen Empfängern durchgeführt wurden und andererseits um Auswertungen von stationären und mobilen DAB+-Versorgungsmessungen. Die methodisch sehr unterschiedlichen Ansätze und daraus gewonnenen Ergebnisse werden in Verbindung mit theoretischen Betrachtungen anhand von Modellen zur Plausibilitätsprüfung zusammengeführt. Als gemeinsame Referenzgröße für diese Triangulation soll die Feldstärkeprognose dienen, mit der üblicherweise die Versorgungsbeurteilung von Sendernetzen, bei UKW und DAB gleichermaßen, vorgenommen wird.

Zur realen Abbildung einer städtischen Versorgungssituation mit einem Kleinleistungssender erfolgte im Zeitraum vom 03.03. bis 09.04.2015 eine zeitlich befristete Versuchsabstrahlung mit einem überwiegend als SDR-Equipment4 ausgeführten DAB+-Sender am Standort Funkhaus des SWR unter Verwendung des Kanals 12A mit einer Strahlungsleistung von 200 Watt ERP ND. Den Sender stellte freundlicherweise die HS Kaiserslautern (Herr Prof. Steil), den Senderstandort einschließlich der Sendeantenne mit Rundstrahlung und einem Gewinn von 6 dBd der Südwestrundfunk (SWR) zur Verfügung. Weitere Informationen zum Sender selbst sind im Abschnitt „Anmerkungen zum verwendeten DAB+-Versuchs-Sender“ enthalten. Sender mit Strahlungsleistungen bis zu 1 kW gelten üblicherweise als sog. Kleinleistungssender.

Neben stationären Versorgungsmessungen an repräsentativen Messpunkten und mobilen Signalaufzeichnungen entlang ausgesuchter Messstrecken dienen messtechnische Untersuchungen im und am Dienstgebäude der LFK in der Reinsburgstraße 27, in 70178 Stuttgart, das sich in einer Entfernung von nur 3,75 km vom Standort des Testsenders in der Neckarstraße 230 (Funkhaus), 70190 Stuttgart entfernt befindet, als Datenbasis. Ein weiterer wichtiger Punkt und Informationsquelle sind Auswertungen einer Vielzahl von subjektiven Empfangstests, die Testhörer an zufällig ausgewählten Testpunkten im Versorgungsgebiet vornahmen. Testpunkte konnten sowohl in Wohnungen aber auch im Freien festgelegt werden. Alle gewonnenen Daten und Informationen sind als einzelne Mosaiksteinchen eines Gesamtbildes zu verstehen, das die Versorgungssituation im städtischen Umfeld (insbesondere bezüglich des Indoor-Empfangs) letztlich beschreiben und evaluieren hilft.

Nebenbei eignete sich die Versuchsabstrahlung als Nachweis dafür, dass es mit preisgünstigen SDR-Sendern in der Praxis möglich ist, zuverlässigen d.h. ausfallfreien 7x24-Sendebetrieb zu realisieren. Das Handling des Senders ist zwar noch verbesserungsfähig, machte aber dennoch beim Aufbau der Sendeanlage keine Probleme. Um auf eine Modulationszuführung verzichten zu können, spielte der Software-Multiplexer vorproduzierte Audioobjekte direkt von der Festplatte aus.

Mit der Durchführung der umfangreichen Messungen beauftragte die Landesanstalt für Kommunikation die Bayerische Medientechnik (BMT) in München, die dazu ihren eigenen Messwagen mit umfangreichem DAB/DAB+-Messequipment einsetzte.

4 SDR = Software Defined Radio, hier unter Verwendung von OpenSource-Software ODR mmb-Tools

Landesanstalt für Kommunikation Seite 8 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 9: Untersuchungen DAB Insel

4. Anmerkungen zum eingesetzten DAB+-Versuchs-Sender

Von Oktober 2013 bis August 2014 führte die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) ein Kooperationsprojekt mit der TU Kaiserslautern mit Unterstützung durch die FH Kaiserslautern zum Aufbau einer portabel einsetzbaren DAB+/DRM+-Sendeinfrastruktur mit einem kompaktem Multiplexgenerator und Sender für das VHF-Band III einschließlich einer Sende- Antenne durch.

Basis für den Aufbau war ein technisches Konzept aus der Schweiz für die DAB-Verbreitung von nichtkommerziellen Hörfunkprogrammen, das aus einer frei verfügbarer OpenSource-Software (mmbTools der CRC in Kanada in einer Weiterentwicklung zu den ODR-mmbTools von opendigitalradio.org) für den Multiplexgenerator (Multiplexer und Modulator) und einem günstigen Frequenzumsetzer (USRP der Firma ETTUS) besteht.

Zur leichten Transportierbarkeit sowie aus der Überlegungen heraus, den Sendeverstärker in der Nähe zur Antenne und den Multiplexgenerator in der Nähe der Audioquellen aufzubauen, wurden diese Systemkomponenten getrennt in zwei rollbaren Flightcases untergebracht, die über ein Ethernetkabel miteinander verbunden sind. Zur Stromversorgung genügt je eine haushaltsübliche Steckdose.

Der Multiplexgenerator wurde zusätzlich um die Software „Spark“ für die Ausstrahlung von DRM+ ergänzt. Mit diesen Erweiterungen war es erstmalig machbar, auch DRM+-Programme zur Demonstration dieses Systems in seiner Eignung für eine digitale Hörfunkversorgung, insbesondere für lokale Verbreitungsgebiete, über eine kompakte Sendeanlage auszustrahlen.

Mit den eingesetzten Bauteilen konnte gezeigt werden, dass ein standardkonformer 100 W-DAB-Sender mit Netto-Hardware-Kosten von ca. 10.000 € realisierbar ist. Durch Verzicht auf nicht zwingend benötigte Komponenten, z. B. hochwertige Audiointerfaces, lassen sich die Kosten im Bereich des Multiplexgenerators weiter senken, jedoch sind alternative minderwertige HF-Komponenten bei der VHF-Sendeeinheit zur Kostenminimierung kontraproduktiv, weil dadurch die Gefahr besteht, die erforderliche Qualität des Sendesignals nicht mehr zu erreichen (kritische Spektrumsmaske!).

Der Abschlussbericht des Projekts und eine Bedienungsanleitung zur Inbetriebnahme des Senders liegt seit November 2014 vor.

Zum Einsatz kam der Koffersender erstmals im April 2014 an der TU Kaiserslautern für das Veranstaltungsradio im Rahmen der „Nacht, die Wissen schafft 2014“, während des Symposiums am 3. Juli 2014 sowie im Dezember 2014 für ein weiteres Veranstaltungsradio der TU in Kaiserslautern. Weiterhin setzte die Landesanstalt für Kommunikation die Sendeanlage im Zeitraum vom 03.03. bis 09.04.2015 als Testsender für den hier beschriebenen Strahlungsversuch ein. Die Abstrahlung erfolgte über eine stationär montierte vertikal polarisierte VHF-Band III-Antenne mit Rundstrahlung und 6 dB Gewinn am Funkhaus des SWR, Neckarstraße im Dauerbetrieb (7x24).

Weitere Informationen zu den technischen Daten der Sendeanlage finden Sie hier:

http://technik.lfk.de/dab/strversuch/dab_strversuch_00.html

Landesanstalt für Kommunikation Seite 9 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 10: Untersuchungen DAB Insel

5. Untersuchungen im Gebäude Reinsburgstraße 27, Stuttgart

Das Testgebäude befindet sich im Stuttgarter Westen in der Reinsburgstraße. In Abbildung 11 ist der Standort des Gebäudes als Testpunkt TP1 eingezeichnet.

Im 5.OG des Gebäudes mit nahezu freier Sicht zum Sender fanden sowohl Messungen der Nutz- und Störpegel als auch subjektive Empfangstests statt. Als Messgerät kam ein portabler Spektrumanalysator der Firma Rhode & Schwarz FSH3 mit abgesetzter Dipolantenne (Schleifendipol mit 75 Ohm-Anpassung über Balun) zum Einsatz. Als DAB+-Testempfänger zur subjektiven Empfangsbeurteilung diente ein Sony XDR-S60DBP, auf dessen umgebautem Antenneneingang (auf F-Connector) eine Teleskopantenne aufgeschraubt wurde. Ein beabsichtigter Betrieb mit Dipolantenne und Dämpfungsglied zur Pegeleinstellung mit dem Ziel, die Systemreserve zu bestimmen, scheiterte, weil der Receiver auch die Mantelwelle auf dem Schirm des Anschlusskabels nach dem Balun als Empfangssignal verwertet (Antenneneingang undefiniert symmetrisch ohne Abschluss).

Die verwendete Messantenne, es handelt sich um ein von der Firma Conrad vertriebene DAB-Dipol-Antenne (Bestell-Nr. 549698), zeigte beim direkten Vergleich mit der Messwagenantenne FT01 der Firma Schwarzbeck gute HF-Eigenschaften. In der Horizontalebene liegt mit kaum relevanten Abweichungen Rundstrahlcharakteristik vor, so dass insgesamt in guter Näherung eine Dipolcharakteristik für diese Bezugsantenne angenommen werden kann. Als Antennenumrechnungsfaktoren ergaben sich messtechnisch im freien Strahlungsfeld im direkten Vergleich mit der Messwagenantenne FT01 gemessene frequenzabhängige Werte zwischen 11,8 und 12,5 dB, die der Umrechnung von Spannungen am Analysatoreingang auf Feldstärke zu Grunde gelegt sind (K-Faktor, Transducer-Faktor). Auf diesem Wege war es möglich, auf einfache und effiziente Weise die Feldverhältnisse (Nutz- und Störsignale) im Innen- und Außenbereich des Gebäudes durch eine orientierende Messung zu erfassen und zu protokollieren. Die Lage der Testpunkte im Gebäude geht aus den Abbildungen 6 bis 8 hervor. Die Ergebnisse der subjektiven Empfangstests sind ebenfalls in den Abbildung 6 bis 8 mit Symbolen visualisiert dargestellt bzw. die der Messungen (Feldstärken) in Tabelle 1 zusammengestellt.

Mit der verwendeten Messantenne gelang es zudem, die im Indoor-Bereich vorhandenen Störpotenziale aufzuspüren und deren Auswirkungen auf den DAB-Empfang zu untersuchen. Es fiel dabei auf, dass gerade dort, wo hohe Störpegel auftreten, es meist auch sinnvoll und naheliegend war, den DAB-Empfänger zu platzieren. Die viel störärmeren Bereiche unterhalb den Decken oder an den Fenstern, an denen gleichzeitig auch höhere Nutzfeldstärken herrschten, kamen in der Regel als Aufstellungsort weniger in Frage.

6. Störpegel im Indoor-Bereich

Es zeigte sich bei den Messungen, dass neben der Nutzfeldstärke und der Empfindlichkeit der Receiver das vorhandene CNR am Empfangsort ausschlaggebend für das Empfangsergebnis ist. Die festgestellten hohen Störpegel im Indoor-Bereich führen dazu, dass der DAB-Empfang häufig deshalb nicht möglich ist, weil die Störpegel zu hoch sind, um ein noch ausreichendes CNR zu gewährleisten. Mit Blick auf die auftretenden Störpegel ist anzumerken, dass besonders im VHF-Band III eine Kumulierung von Störstrahlungen unterschiedlichster Quellen, die in erster Linie im Indoor-Bereich betrieben werden, statt findet (hohes Man Made Noise). Jegliche Art kommunikationstechnischer Geräte, vom Telefon bis zum PC und vom Breitbandanschluss bis zur Satellitenanlage liefern Störbeiträge, die je nach spektraler Verteilung dem DAB-Empfang den Garaus machen können. Einige Landesanstalt für Kommunikation Seite 10 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 11: Untersuchungen DAB Insel

praktische Beispiele von gemessenen VHF-Spektren mit DAB-Nutzsignalen und Störpegeln im Bürobereich zeigen die Abbildungen 1, 2 und 3.

Als Quelle für Störstrahlungen sind weniger die Geräte selbst auszumachen als vielmehr deren Anschlusskabel, die oft als Antennen wirken und die Abstrahlung von Störenergie gerade im Band III begünstigen. Es brauchte keiner besonderen Suche, um Störfeldstärken von bis über 50 dBμV/m zu identifizieren (vgl. Abbildungen 2 und 3). Das sind immerhin Feldstärken, die das Nutzsignal des Testsenders auf Kanal 12A deutlich d.h. um ein Vielfaches übersteigen können.

Abbildung 1 zeigt die spektrale Darstellung der vier im Stadtzentrum Stuttgart empfangbaren DAB-Multiplexe mit vergleichsweise geringem Man Made Noise, wobei der ganz rechts abgebildete Nutzpegel auf Kanal 12A vom Testsender herrührt. Neben den Nutzpegeln fällt der ungleichmäßige spektrale Verlauf des Breitbandstörpegels und zweier Störpegel (fS1 und fS2) auf diskreten Frequenzen auf.

DAB Kanal 5C DAB Kanal 9D

DAB Kanal 11B

DAB Kanal 12A

Breitbandstörpegel

Störpegel fS2

Störpegel fS1

Abbildung 1: DAB-Nutzsignale im VHF-Band III, Messpunkt 1 in Zimmermitte gemessen mit R&S FSH3

Unter den Bedingungen nach Abbildung 1 konnte das DAB-Signal auf dem Kanal 12A augenblicklich d.h. zum Testzeitpunkt noch gut indoor empfangen werden. Trotzdem können sich die Maxima der Breitbandstörungen als auch die Störpegel auf diskreten Frequenzen fSn zeitabhängig verschieben und sich plötzlich auch beispielsweise im Nutzkanal 12A verstärkt ausbilden. Das kann dann bei dem um rund 20 dB gegenüber den Hochleistungssendern (Kanäle 5C, 9D und 11B) niedrigeren Nutzpegel auf Kanal 12A zu Ausfällen (Programmunterbrechungen) führen, was so auch nicht selten beobachtet wurde.

Tatsächlich hat sich bei Langzeitempfangsversuchen über viele Stunden herausgestellt, dass der DAB-Empfang auf Kanal 12A über einen ganzen Tag hinweg völlig störungsfrei möglich war, am nächsten Tag dann plötzlich unter unveränderten Bedingungen nur noch mit ständigen Unterbrechungen. Selbst beim Empfang der leistungsstarken Sender konnten Hörer solche zeitabhängigen Verschlechterungen des DAB-Empfangs mit Programmunterbrechungen an anderen Orten im heimischen Umfeld beobachten. Das bedeutet, dass ein momentan guter DAB-Empfang noch lange keine Gewähr für eine hohe Langzeitstabilität bietet. Ob solche langzeitstabilen Empfangsbedingungen gegeben sind, kann im Grunde nur mit Hilfe einer messtechnischen Untersuchung des Spektrums unter Verwendung eines Analysators am Empfangsort verifiziert werden.

Im Büroumfeld entstand der subjektive Eindruck, dass in den Abendstunden, wenn zunehmend die Bürokommunikationsgeräte (PCs usw.) außer Betrieb gingen, sich der DAB-Empfang deutlich verbesserte, zumindest aber merklich weniger Ausfälle auftraten. Die

Landesanstalt für Kommunikation Seite 11 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 12: Untersuchungen DAB Insel

Beobachtung führt zum Schluss, dass wohl weniger die Nutzfeldstärkeschwankungen allein dafür verantwortlich sind, sondern vielmehr eine starke Schwankung des CNR als Resultat von Nutz- und Störfeldstärkeänderungen innerhalb des Gebäudes. Übrigens haben die Messungen auch gezeigt, dass die Störpotenziale innerhalb des Gebäudes weit über den im Außenbereich gemessenen Werten liegen.

DAB Kanal 5C DAB Kanal 9D

DAB Kanal 11B

DAB Kanal 12A

Breitbandstörpegel

Störpegel fS2

Störpegel fS1

Abbildung 2: DAB-Nutz- und Störsignale im VHF-Band III, Messpunkt 3 gemessen mit R&S FSH3

Abbildung 2 zeigt beispielhaft ein Störerszenario, bei dem hohe Störpegel auf diskreten Frequenzen auftreten. Trotz der Störbelastung war ein DAB-Empfang mit gelegentlichen Aussetzern auf Kanal 12A noch möglich. Als Ursache der Störpegel auf den diskreten Frequenzen konnte ein Satelliten-Multiswitch ermittelt werden, dessen Störstrahlung sich über mehrere Räume ausbreitete, obwohl er in einem betonierten Technikraum mit hoher Schirmwirkung im Kern des Gebäudes an der Wand montiert war.

Einen Extremfall veranschaulicht Abbildung 3. In einem Abstand von ca. 0,5 Meter von einem Telefon SNOM 870 mit Touchscreen Monitor stieg der Störpegel breitbandig auf über 50 dBμV/m an. Das Signal des Testsenders auf Kanal 12A versank förmlich im Störnebel. Ein Empfang war bei Entfernungen von unter 2 Metern zum Störer nicht mehr möglich. Selbst auf Kanal 9D und 11B kam es bei sehr geringen Entfernungen (< 0,5 Meter) zum Telefon zu instabilen Empfangsverhältnissen (Kurzzeitaussetzer), die aber problemlos durch eine Änderung der Antennenausrichtung behoben werden konnten.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 12 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 13: Untersuchungen DAB Insel

DAB Kanal 5C DAB Kanal 9D

DAB Kanal 11B

Breitbandstörpegel

Abbildung 3: DAB-Nutz- und Störsignale im VHF-Band III, Messpunkt 3 gemessen mit R&S FSH3; Abstand zur Störquelle: <0,5 Meter

Zu den Spektrumsdarstellungen sei angemerkt, dass zur Messung von Störpegeln die nach CISPR 13/16 festgelegten Verfahren zu beachten sind. Eine Aussage, ob Grenzwerte überschritten werden, setzt voraus, dass Messungen und Bewertungen nach Maßgabe dieser Normen (CISPR, EN 55022:2010) erfolgen. Insoweit kann aus den Darstellungen 1 bis 3 keine Grenzwertüberschreitung abgeleitet werden. Eine überschlägige Rechnung zeigt, dass die festgelegten Grenzwerte mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesen Fällen noch eingehalten werden. Es geht lediglich darum, Störmechanismen beim Indoor-Empfang aufzuzeigen und keinesfalls um eine Störquellensuche.

Es sei ferner darauf hingewiesen, dass es für digitale Übertragungssysteme wie DAB+ keine festen Grenzwertfestlegungen für Störabstände, wie das bei analogen Übertragungssystemen üblich war, mehr gibt, weil die Robustheit dieser Systeme von sehr vielen systemspezifischen Parametern abhängt, die nicht mehr durch einen singulären Wert für einen Störabstand beschreibbar sind. Es obliegt dem Systembetreiber selbst, ausreichende Schutzabstände festzulegen und deren Einhaltung z.B. bei der Funknetzplanung sicherzustellen.

7. Störmodell für Indoor-DAB-Empfang

Aus den vorstehend gezeigten Störszenarien kann ein einfaches Störmodell hergeleitet werden, mit dem Rückschlüsse auf die benötigte Outdoor-Nutzfeldstärke gezogen werden können. Einen Anhaltspunkt für die im Indoorbereich von Einrichtungen der Informationstechnik verursachten Störstrahlung geben die in der EN 55022 festgelegten Grenzwerte (Abbildung 4), die als Berechnungsgrundlage der für einen guten DAB-Indoor-Empfang erforderlichen Nutzfeldstärken geeignet sind.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 13 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 14: Untersuchungen DAB Insel

Abbildung 4: Störstrahlgrenzwerte für Einrichtungen der Informationstechnik in 3 Meter Entfernung nach EN 55022 Class B (rote Kurve) und SchTSEV Anlage 2 (letztere Outdoor, grüne Kurve))

Ausgehend von einer max. Störfeldstärke von 40 dBμV/m, die in dieser Höhe zulässig und ohne Weiteres in Räumen auftreten kann, ergibt sich folgende „Worst Case“-Berechnung:

Störfeldstärkegrenzwert (Messung nach CISPR 13/16) 40 dBμV/m

Umrechnung Kanalbandbreite (120 kHz / 1.500 kHz) 11 dB

Störabstand (DAB) 15 dB

Gebäudedämpfung 30 dB

Outdoor-Feldstärke (in Bodennähe erforderlich) 96 dBμV/m

Das Ergebnis ist so zu interpretieren, dass erst Feldstärken ab 96 dBμV/m im Außenbereich des Gebäudes in repräsentativer Höhe gemessen in ungünstigen Fällen für einen wirklich stabilen DAB-Indoor-Empfang mit hoher Ortswahrscheinlichkeit ausreichen. Bei allen Pegelwerten unterhalb dieser Schwelle besteht eine mehr oder weniger größere Wahrscheinlichkeit, dass es zu Empfangsstörungen kommen kann. Bei den in Anwesenheit hoher Störpegel erforderlichen Eingangspegeln von deutlich über 40 dBμV spielt die Eingangsempfindlichkeit der Empfänger nur noch eine untergeordnete Rolle.

Abschläge (= niedrigere Versorgungsfeldstärken) wären denkbar bei geringeren Gebäudedämpfungen (< 30 dB), einer störfreieren Umgebung am Aufstellungsort des Receivers (keine störenden Geräte in unmittelbarer Nähe) und einer günstigeren Verteilung der Störenergie im Spektrum (relative Störfreiheit des Nutzkanals), so dass der Fehlerschutz eine effizientere Wirkung zeigt.

8. Auswertung von Indoor-Empfangstests

Das Testkriterium „störungsfreie DAB-Empfangbarkeit“ ist bei den im folgenden Abschnitt dokumentierten Empfangstests dann erfüllt, wenn bei einer mehrmaligen langsamen Drehung des Empfängers mit vertikal ausgerichteter Teleskopantenne in einer Höhe von ca. 1,60

Landesanstalt für Kommunikation Seite 14 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 15: Untersuchungen DAB Insel

Metern um den Testpunkt (Zimmermitte, Schnittpunkt der Diagonalen) mit einem Radius von ca. 0,6 Metern keine Unterbrechung des Empfangs auftritt. Analog dazu gilt für den FM-Empfang die in der Bewegung festgestellte schlechteste Empfangsqualität (Qualitätsstufen 1 – 5 nach ITU5). Die Testpunkte sind in den folgenden Abbildung 6 bis 8 im Stockwerksplan des Gebäudes (5. OG) eingezeichnet und die Ergebnisse farblich hervorgehoben.

Abbildung 5: Symbole zur Darstellung der Ergebnisse subjektiver Empfangstests

UEP 3

EEP 1A

EEP 2A EEP 3A

EEP 4A

DAB FM

Qualitätsstufen 1-5 hier: 3

1

2

3 4

5

Empfang störungsfrei

Kanal 9D

Kanal 5C

Kanal 11B

Empfang gestört

Die symbolischen Darstellungen der Empfangsergebnisse in Abbildung 5 haben folgende Bedeutung:

Bei DAB (linkes Symbol) sind die beim Strahlungsversuch auf dem Testkanal 12A verwendeten Signalcodierverfahren bzw. Protection-Level symbolisch dargestellt. Das obere Kreissegment symbolisiert den MPEG Layer II-encodierten Subchannel (MUSICAM) mit Error-Protectionlevel UEP 3 (Unequal Error Protection Level 3), die vier anderen Segmente die vier MPEG 4 HE AAC v2 encodierten Subchannel mit den Protection Leveln EEP 1A bis 4A (Equal Error Protection Level 1 – 4). Weitere Erläuterungen zum Fehlerschutz sind unter Punkt 18 „Fehlerschutzmechanismen“ zu finden. Eine dunkle Einfärbung (grün) steht jeweils für ein positives Testergebnis, hell (gelb) für gestörten Empfang bzw. nicht empfangbar.

Entsprechend ist beim mittleren dreigeteilten Symbol jedem Kanal der Hochleistungssender (5C, 9D und 11B) ein Kreissegment zugeordnet. Bei FM sind die fünf Signal-Qualitätsstufen (nach ITU) als Kreissegmente veranschaulicht, die im Falle einer Überschreitung bzw. wenn sie mindestens zutreffend sind dunkel erscheinen (rechtes Symbol; grün bzw. bei Qualitätsstufe 1 rot eingefärbt). Je dunkler (grüner) die Symbole also optisch in der Gesamtschau erscheinen, um so besser ist der Empfang. In den Abbildungen 6 bis 8 selbst sind die in Abbildung 5 zur Erläuterung der symbolischen Bedeutung eingetragenen Beschriftungen weggelassen.

Die jeweils getesteten Services (Programme) ergeben sich aus dem verwendeten Auswertebogen für die subjektiven Empfangstests, der hier heruntergeladen werden kann:

http://technik.lfk.de/dab/strversuch/dab_strversuch_05.html.

5 Qualitätsstufen nach ITU: 1 = stark gestört, 2 = gestört, 3 = wahrnehmbare Störungen, 4 = geringfügige Störungen (hinnehmbar), 5 = störungsfrei (nahe an Studio-Qualität.)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 15 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 16: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Auswertung DAB-Indoor-Empfang im Gebäude Reinsburgstraße 27, 70178 Stuttgart, 5. OG

DAB-Empfang Sender Stuttgart Funkhaus Kanal 12 A

Abbildung 6: DAB-Empfang in Gebäuden (leistungsstarke Sender)

Signaleinfall

Signaleinfall

DAB K 12A FM 99,6 MHz

DAB K 5C

DAB K 9D DAB K 11B

1 2

3

4

5

6

7

89 101112

13

14 15 16 17

18

Reflexionsempfang Reflexionen von der Karlshöhe wirksam

Landesanstalt für Kommunikation Seite 16 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 17: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Auswertung DAB-Indoor-Empfang im Gebäude Reinsburgstraße 27, 70178 Stuttgart, 5. OG DAB-Empfang Sender Stuttgart Kanäle 5C, 9D und 11B

Signaleinfall

Signaleinfall

DAB K 12A FM 99,6 MHz

FM 99,2 MHz

DAB K 5C

DAB K 9D DAB K 11B

1 2

3

4

5

6

7

89 101112

13

14 15 16 17

18

Abbildung 7: DAB-Empfang in Gebäuden (leistungsstarke Sender)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 17 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 18: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Auswertung FM-Indoor-Empfang im Gebäude Reinsburgstraße 27, 70178 Stuttgart, 5. OG

FM-Empfang Sender Stuttgart-Münster 99,2 MHz (analoger Vergleichsempfang)

Abbildung 8: FM-Empfang in Gebäuden (leistungsschwacher FM-Vergleichssender 99.2 MHz, 300 W, FRS)

Signaleinfall

DAB K 5C

DAB K 9D DAB K 11B

1 2

3

4

5

6

7

89 101112

13

14 15 16 17

18

FM 99,2 MHz

Signaleinfall

DAB K 12A FM 99,6 MHz

Landesanstalt für Kommunikation Seite 18 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 19: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Als Testempfänger diente das Sony Digitalradio XDR-S60DBM mit angebauter Teleskopantenne. Die Entfernung vom Gebäude bis zum Sender beträgt ca. 3,75 km.

Die Empfangstest sind jeweils als Momentaufnahme zu betrachten. Besonders beim Empfang des DAB-Testsenders ist es so, dass der Empfang sogar über einige Stunden störungsfrei funktionieren kann, dann aber plötzlich am selben Ort unter scheinbar unveränderten Bedingungen massive Ausfälle auftreten. Letztendlich kann die Stabilität des DAB-Empfangs nur mit Hilfe einer eingehenden Spektrumsanalyse beurteilt werden. Die Feldverhältnisse unterliegen ständigen Änderungen und hängen u.a. auch stark davon ab, ob die Fenster geöffnet oder geschlossen sind. Allein geöffnete oder geschlossene Fenster können an einzelnen Orten zu Feldstärkeschwankungen von bis zu 30 dB führen.

Die leistungsstarken DAB-Kanäle 5C, 9D und 11B können im Testgebäude indoor gut empfangen werden. Trotz der hohen Gebäudedämpfung stellt der DAB-Empfang auf den genannten Kanäle für den Hörer einen Mehrwert gegenüber UKW dar.

Diese Erkenntnis gilt nicht für den leistungsschwachen Testsender. Der DAB-Indoor-Empfang ist im Testgebäude nur mit einer für Rundfunkverhälnisse geringen Ortswahrscheinlichkeit möglich (< 50 Prozent) und meist auch dann, wenn der Empfang momentan gut zu funktionieren scheint, nicht mit einer zufriedenstellenden Langzeitstabilität gesegnet. Ein Punkt, der besonders von den DAB-Hörern als schwerwiegender Mangel erachtet wird. Es fällt auf, dass die Eindringtiefe in das Gebäude bei DAB nicht besonders hoch ist und bezüglich dieser Eigenschaft der UKW-Empfang die Nase vorn hat (ist insbesondere den unterschiedlichen Frequenzen im VHF-Band geschuldet). Auch der FM-Indoor-Empfang des getesteten FM-Vergleichssenders Stuttgart-Münster, 99.2 MHz, 300 Watt, FRS zeigt deutliche Schwächen. Trotz der Mängel ist die Langzeitstabilität dennoch nach dem subjektiven Empfinden deutlich besser. Der Grund liegt in dem Umstand, dass Feldschwankungen beim FM-Empfang zu temporären Änderungen des audioseitigen SNR führen, die der Hörer in der Regel aber kaum registriert, Ausfälle bei DAB hingegen schon.

Die Empfangstests fanden auf einer mittleren Etage (E5) des 11-stöckigen Gebäudes statt. Weitere Tests über alle Etagen im Treppenhaus (E0 bis E11) ergaben, dass sich die Ortswahrscheinlichkeit mit zunehmender Geschosszahl (Höhe) auch subjektiv wahrnehmbar verbessert, umgekehrt in den unteren Geschossen aber deutlich verringert. Dieses Ergebnis ist physikalisch betrachtet plausibel, weil mit zunehmender Höhe auch die Feldstärke im Freien höhere Werte erreicht. In den Untergeschossen (UG 0, 1, 2) ist hingegen so gut wie kein DAB-Empfang möglich.

Die bei DAB im Testgebäude festgestellte geringe Eindringtiefe hat sich bei anderen ähnlichen Tests in Wohngebäuden in ähnlicher Weise bestätigt. Der Testsender konnte oft nur in der Nähe eines Fensters mit Ausrichtung zum Sender stabil empfangen werden. Mit größerem Abstand zum Fenster oder an Empfangsorten im Innenbereich der Wohngebäude bzw. in Bädern oder in den Kellergeschossen war meist kein Empfang möglich. Die leistungsstarken Sender waren dort hingegen in aller Regel wenn auch mit nur geringen Systemreserven empfangbar. Diese Erfahrung gibt Anlass zur Hoffnung, in vielen Fällen mit schlechtem Empfang mit Hilfe von abgesetzten Antennen (Zimmerantennen, kleine Außenantennen, ausgesucht günstiger Standort für den Receiver) doch noch eine Verbesserung bewirken zu können.

Beim Einsatz von aktiven Antennen (mit Antennenvorverstärker) muss beachtet werden, inwieweit die schlechte Empfangbarkeit überhaupt auf zu geringe Empfangspegel Landesanstalt für Kommunikation Seite 19 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 20: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

zurückzuführen ist. Ist das CNR nur wegen zu hohen Störstrahlpegeln zu gering, ist der Verstärkereinsatz unter Umständen sogar kontraproduktiv.

8.1 Orientierende Feldstärke- und Dämpfungsmessungen im OG 5 (In- und Outdoor)

In der folgenden Tabelle 1 sind die an insgesamt 17 Testpunkten gemessenen Fußpunktspannungen an einer Dipolantenne zusammengestellt (in dBμV). Es handelt sich um die Ablesewerte für folgende Messbedingungen: Messgerät: R & S FSH3, RBW: 300 kHz, Detektor: RMS, Messantenne: VHF-Dipol, vertikal, Antennenhöhe über Grund: 1,6 m). Die Testpunktbezeichnungen korrespondieren mit denen in den Abbildungen 6 bis 8. Die Werte (Signalpegel in dBμV) sind kanalbezogen angegeben (Spalten mit den Überschriften 5C, 9D, 11B, 12A). Die Störpegel N in der drittletzten Spalte ergeben sich rechnerisch aus den gemessenen Nutzpegeln für den Kanal 12A (in dBμV) abzüglich der Werte aus den CNR-Messungen (in dB) bzw. beim Messpunkt MP 4 als Ausnahme direkt als Messwert.

MP 5C 9D 11B 12A CNR (12A) N (12AA) Anmerkung

1 42,5 40,0 40,0 26,0 21,0 5,0 I 2 41,0 41,0 36,0 25,0 20,0 5,0 I 3 37,0 37,0 35,0 20,0 13,0 7,0 I 4 - - - - - 50,0 I Störpegel (Spaun)

5 72,0 60,0 60,0 50,0 50,0 0,0 O Galerie, outdoor

6 66,0 63,0 57,0 61,0 61,0 0,0 O Galerie, outdoor

7 55,0 57,0 52,0 50,0 50,0 0,0 O Galerie, outdoor

8 40,0 28,0 30,0 33,0 28,0 5,0 I 9 38,0 25,0 24,0 16,0 13,0 3,0 I

10 36,0 31,0 29,0 22,0 17,0 5,0 I 11 35,0 35,0 30,0 24,0 21,0 3,0 I 12 46,0 34,0 30,0 22,0 20,0 2,0 I 13 43,0 26,0 37,0 21,0 19,0 2,0 I 14 53,0 53,0 47,0 21,0 19,0 2,0 I 15 43,0 47,0 44,0 23,0 18,0 5,0 I 16 40,0 38,0 35,0 20,0 10,0 10,0 I 17 48,0 45,0 40,0 35,0 22,5 12,5 I 10 - 15 dB Raum 511 / IT

Tabelle 1: Messwerte Pegelmessung (Eingangsspannungen in dBμV RMS am Analysator R & S FSH3; Messbandbreite: 300 kHz RMS; I = indoor, O = outdoor))

Nach Auswertung der Messreihen über Mediane ergibt sich zunächst für die Differenz zwischen den In- und Outdoorwerten beim S/N (Kanal 12A) eine Differenz von 31 dB. Daraus ergibt sich, dass einerseits die Nutzpegel im Innenbereich (I) sehr stark abfallen und andererseits die Störstrahlung N deutlich zunimmt. Im Außenbereich (Outdoor) ist die Störstrahlung hingegen eher gering (= 0,0). In folgender Tabelle 2 sind die als Mediane aus den Messreihen bestimmten Feldstärkewerte (RMS nach Umrechnung über den K-Faktor der Antenne, Kabeldämpfung und Bandbreitenkorrekturfaktor[=+20 dB]) angegeben:

Landesanstalt für Kommunikation Seite 20 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 21: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Feldstärken (dBμV/m) Kanäle 5C 9D 11B 12A Median FLDST Outdoor (Messwerte MP 5,6,7) 86,0 80,0 77,0 70,0 Differenz (x - 12A) in dB 16,0 10,0 7,0 Median FLDST Indoor 61,0 57,0 55,0 42,0 Gebäudedämpfung 25,0 23,0 22,0 28,0

Tabelle 2: Berechnete Feldstärken, Pegeldifferenzen und Gebäudedämpfungen

Die aus den Leistungsdifferenzen und den unterschiedlichen Standorten der betrachteten Sender resultierenden Pegeldifferenzen (Hochleistungssender – Kanal 12A) liegen zwischen 7 und 16 dB. Der aus der Leistungsdifferenz der Sender berechnete Erwartungswert beträgt 17 dB (200 Watt zu 10 kW). Die Ursache für die gemessenen geringeren Differenzen liegen in erster Linie in den günstigeren Einstrahlverhältnissen in Bezug auf den Standort Funkhaus und das Gebäude (nahezu freie Sicht). Die Hochleistungssender (Standorte Fernsehturm und Frauenkopf) werden hingegen durch das Nachbargebäude (Allianz-Hochhaus) zusätzlich abgeschattet und erfahren dadurch eine etwas höhere Funkfelddämpfung (was sich indirekt als vermeintlich geringere Strahlungsleistung bzw. niedrigere Feldstärke niederschlägt).

Die gemessenen mittleren Gebäudedämpfungen im Testgebäude liegen im Wertebereich zwischen 22,0 und 28,0 dB (mittlere effektive Werte). Ausgehend von den gemessenen Maximal- bzw. Minimalwerten können auch Werte von deutlich über 30 dB für das Gebäude und für ungünstigere Raumlagen veranschlagt werden. Die Werte für die Hochleistungssender fallen außerdem etwas geringer aus, weil die gemessene Outdoor-Bezugsfeldstärke (gemessen auf der Galerie) durch die Abschattung des Nachbargebäudes in Richtung deren Senderstandorte (Fernsehturm, Frauenkopf) merklich verringert ist. Diese lokal stärkere Signaldämpfung wirkt sich nicht gleichmäßig auf die gesamte Etage aus und verringert so die messtechnisch bestimmte Gebäudedämpfung.

Die ermittelte Gebäudedämpfung entspricht damit ziemlich exakt den Dämpfungswerten, die in Datenblättern für Wärmeschutzverglasungen angeben werden (im Durchschnitt ca. 30 dB). Das Gebäude erhielt in jüngerer Vergangenheit eine neue Wärmeschutzverglasung. Werte weit unter 30 dB sind für Gebäude in städtischer Bebauung heute sicherlich nicht mehr repräsentativ. Eine Wärmeschutzverglasung gehört inzwischen zum Standard in der Bautechnik.

8.2 Realistische Gebäudedämpfungen

Bereits vor Jahren hat die LFK in einem anderen Gebäude (Rotebühlstraße 121, 70190 Stuttgart) Messungen der Gebäudedämpfung im VHF-Bereich (Kanal 11B) durchgeführt, die ebenfalls vergleichbare Werte um 30 dB für ein Gebäude mit ähnlicher Bausubstanz lieferten. Insoweit sind die hier vorgestellten aktuellen Untersuchungen lediglich eine Bestätigung für bereits bekannten Fakten.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 21 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 22: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Weitere Messergebnisse zur Gebäudedämpfung veröffentlichte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik 6 und hat dabei unterschiedliche Baumaterialien jeweils gesondert untersucht. Einige der veröffentlichten Dämpfungswerte sind in der folgenden Tabelle 3 für VHF-Frequenzen im Bereich zwischen 150 und 250 MHz und für vertikale Polarisation zusammengestellt:

Baumaterial a (dB)

Kalksandstein (Magnetit) als Feder-Nut-System ohne Vertikalvermörtelung 25 - 30

Kalksandstein (Magnetit) als planes Verbindungssystem 10 - 18

Standard Hochlochziegel 0 - 5

Beton mit Bewehrungsmatten als Boden-Decke-Element; nicht verschweißt 12 - 20

Beton als Wandausführung, doppellagige Bewehrung , untereinander verrödelt 20 - 25

dito mit Streckmetallverputzung oder vergleichbarer Metallverkleidung (Bleche) 40 - 50

Porenbeton aus Standardmaterial 5 - 10

Porenbeton mit leitfähigem Zuschlagstoff, Abschirmputz und Rippenstreckmetall 32 – 35

Gipskarton als Trockenbauwand mit Wärmedämmung 0

Gipskarton als Trockenbauwand mit Dampfsperre aus Aluminium 56 - 65

Gipskarton mit HF-Tapete > 80

Bitumenabdichtungssystem für Steildächer 30 - 32

Bitumenabdichtungssystem für Flachdächer 68 - 72

Tabelle 3: Dämpfungswerte für gängige Baumaterialien

Wie sich aus der Aufstellung der Dämpfungswerte in Tabelle 3 für verschiedene Baumaterialien ergibt, liegt das Gros der Werte in der Praxis zwischen 0 und 30 dB; sie können aber unter bestimmten Gegebenheiten, z.B. wenn Fassaden metallverkleidet sind, noch weit darüber hinausgehen und Werte bis über 60 dB erreichen. In Dachwohnungen im Trockenausbau (Gipskarton) und einer üblichen Isolierung mit einer Alufolien-Dampfsperre sind Dämpfungen von 60 dB die Regel (!).

9. Störstrahlung

Die auftretende Störstrahlung ist neben der Gebäudedämpfung der zweite entscheidende Faktor. Hohe Störpegel im Indoor-Bereich i.V. mit hoher Gebäudedämpfung können den DAB-Empfang empfindlich beeinträchtigen oder gar unmöglich machen, mehr noch als dies bei Verwendung unempfindlicher Receiver der Fall ist.

Entscheidend für einen stabilen DAB-Empfang ist, dass mit der am Aufstellungsort vorhandenen Restfeldstärke zeitkontinuierlich ein ausreichendes CNR sichergestellt ist. Es reicht dabei nicht, dass der Empfang an einem ausgesuchten Ort nur zu einer bestimmten Zeit zufällig möglich ist, vielmehr muss genügend Systemreserve vorhanden sein, um einen störungsfreien Empfang jederzeit und über lange Zeiträume am gleichen Ort genießen zu können. Bei den Empfangstests hat sich herausgestellt, dass der Indoor-Empfang zwar an einem bestimmten Ort (z.B. auf einem Wandregal) oft sogar über mehrere Stunden funktionierte, plötzlich aber am nächsten Tag am gleichen Ort unter sonst unveränderten Umgebungsbedingungen rein gar nichts mehr ging. Es wäre eine Zumutung für den Hörer,

6 BSI-TR-03209-2 Version 1.3 vom 30.04.2008

Landesanstalt für Kommunikation Seite 22 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 23: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

wenn er ständig mit dem DAB-Empfänger in seiner Wohnung herumrennen und nach neuen optimalen Plätzen für den Empfang suchen müsste. Im Ergebnis heißt das, dass akzeptable Empfangsbedingungen an jedem beliebigen Ort und zu jeder Zeit innerhalb eines Gebäudes oder Raumes herrschen müssen, was konkret eine Versorgungswahrscheinlichkeit nahe 100 Prozent erfordert. Die Erfahrung bei den Tests hat gezeigt, dass wenn die Ortswahrscheinlichkeit gering ist (z.B. um 50 bis 70 Prozent), auch die Zeitwahrscheinlichkeit zum Problem wird. Selbst nur gelegentliche Aussetzer nerven den DAB-Hörer mehr als häufigere kaum wahrnehmbare CNR-Verschlechterungen beim UKW-Empfang. Eine augenblicklich geringe Ortswahrscheinlichkeit ist erfahrungsgemäß auch ein Indiz für eine unzureichende Zeitwahrscheinlichkeit.

10. Statistisches Störmodell

Die beim Strahlungsversuch beobachteten Störeinflüsse werden im nächsten Schritt in ein realitätsnahes theoretischen Störmodell für den Indoor-Empfang umgesetzt, das den Grundsätzen der meisten Funkstörmodelle folgt. Der gewählt Ansatz sieht wie folgt aus:

Erforderliche Nutzfeldstärke (min, outdoor) = Störfeldstärke + Störabstand + Gebäudedämpfung (1)

Der Vorteil dieses theoretischen Modells ist, dass die Empfängereigenschaften ohne Belang sind, solange die angenommene Störfeldstärke über der Empfindlichkeitsschwelle des Receivers (abzgl. CNR) liegt, was nach den Beobachtungen beim Strahlungsversuch beim Indoor-Empfang sehr häufig wenn nicht sogar ausschließlich der Fall ist. Die Modellrechnung hat den Sinn, einen Anhaltspunkt für die zu erwartenden Testergebnisse und deren Bewertung zu geben.

Der zur statistischen Modellrechnung gewählte Ansatz geht von folgenden Überlegungen aus:

a) Die Störfeldstärke liegt im Mittel deutlich unterhalb des Grenzwertes nach EN 55022. Grenzwertüberschreitungen treten mit einer vergleichsweise geringeren Wahrscheinlichkeit (Ort und Zeit) auf (< 10 Prozent). Es wird von einer hohen Standardabweichung von 12 dB ausgegangen.

b) Die Gebäudedämpfung unterliegt ebenfalls einer hohen Standardabweichung (12 dB). Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion wird so bestimmt, dass deren Maximum in der Mitte des Wertebereiches von 0 bis 30 dB bei 15 dB auftritt (entsprechend der auf Grund von vorliegenden eigenen Messergebnissen und praktisch nachgewiesener Gebäudedämpfungen anzunehmenden Dichtefunktion). Demnach kommen niedrige Dämpfungswerte um 0 dB genauso häufig wie hohe Werte um 30 dB vor.

c) Die Gesamtwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Multiplikation der beiden Einzelwahrscheinlichkeiten aus betrachteten Störpegeln und Gebäudedämpfungen.

d) Die Mindestnutzfeldstärken (outdoor) ergeben sich aus der Berechnung nach (1) für beliebige Wahrscheinlichkeiten als Parameter. Als Wert für das CNR sind 15 dB veranschlagt.

e) Es wird rechentechnisch eine Normalverteilung unterstellt.

Der statistische Ansatz (Dichte- und Verteilfunktionen) des Störmodells ist in folgender Abbildung 9 graphisch dargestellt.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 23 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 24: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40

Abbildung 9: Statistisches Störmodell für den DAB-Indoorempfang

Wie sich aus dem Verlauf der Dichtefunktion der Gesamtwahrscheinlichkeit ergibt, sind für anzustrebende hohe Wahrscheinlichkeiten von über 80 Prozent entsprechend hohe Werte für die Gebäudedämpfung als auch die Störstrahlung anzunehmen, um daraus die erforderlichen Mindestnutzfeldstärke im Outdoor-Bereich zu berechnen. Die Ergebnisse einer solchen Berechnung für unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten zeigt die folgende Abbildung 10.

Zu beachten ist, dass die mit dem Störmodell ermittelten Mindestfeldstärken für den Außenbereich im urbanen Umfeld nicht mit den Prognosefeldstärken in 10 Metern Höhe identisch sind. Vielmehr handelt es sich dabei um die realen Feldstärken in der unmittelbaren Umgebung außerhalb der Gebäude in einer für den Empfang im Gebäude repräsentativen geringeren Höhe (z.B. 2 Meter über Grund bzw. EG-Höhe der Gebäude). Die Differenz zwischen realer Outdoor-Feldstärke und der Prognosefeldstärke (in 10 Meter Höhe) führt zu einem weiteren Zuschlag, wie sich aus den Messungen (vgl. Abschnitt 13 ff.) ergibt. Dieser Zuschlag ist in der Modellberechnung nicht berücksichtigt.

Zu erkennen ist, dass Versorgungswahrscheinlichkeiten von bis zu etwa 70 Prozent mit vergleichsweise niedrigen Nutzfeldstärken (bis ca. 75 dBμV/m) respektive noch relativ niedrigen Sendeleistungen erzielt werden können. Wenn allerdings die für einen guten Indoor-Empfang vorausgesetzten hohen Versorgungswahrscheinlichkeiten von deutlich über 80 Prozent gefordert sind (entspricht gutem Indoor-Empfang; Deep Indoor), sind schon rein theoretisch überproportional höhere Feldstärken notwendig. Aus den eingangs berechneten 96 dBμV/m Mindestnutzfeldstärke im Außenbereich resultiert beispielsweise eine Indoor-Versorgungswahrscheinlichkeit von 94 Prozent, die in der Regel einen guten Empfang selbst bei höheren Gebäudedämpfungen und Störpegeln garantiert. Einige Zwischenwerte sind in Ergänzung der Abbildung 10 in der folgenden Tabelle 4 angegeben.

20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60Störstrahlung (dB

F(x) / f(x)

Gebäudedämpfung (dB)

μV/m)

Dichtefunktion Störstrahlung (x20)

Verteilfunktion Gesamtwahrscheinlichkeit

Dichtefunktion Gebäudedämpfung (x20)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 24 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 25: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

39,0

47,0

58,663,6

81,0

90,1

119,0

74,2

53,3

35,0

68,7

0

20

40

60

80

100

120

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Versorgungswahrscheinlichkeit (indoor) in Prozent

Min

dest

nutz

feld

stär

ke [d

BμV

/m]

Abbildung 10: Outdoor-Mindestnutzfeldstärken in Abhängigkeit der Indoor-Versorgungswahrscheinlichkeit

Versorgungswahrscheinlichkeit Mindestnutzfeldstärke7 Gebäudedämpfung8

50 Prozent 63,6 dBμV/m 14 dB 70 Prozent 74,2 dBμV/m 19 dB

80 Prozent 81,0 dBμV/m 23 dB

90 Prozent 90,1 dBμV/m 28 dB 95 Prozent 97,0 dBμV/m 31 dB

98 Prozent 105,0 dBμV/m 35 dB

99 Prozent 111,0 dBμV/m 38 dB 100 Prozent 119,0 dBμV/m 42 dB

Tabelle 4: Indoor-Versorgungswahrscheinlichkeit und Mindestnutzfeldstärke im Außenbereich

Aus der überproportionalen Zunahme der erforderlichen Mindestnutzfeldstärke für Versor-gungswahrscheinlichkeiten ab etwa 80 Prozent ist zu erkennen, dass es mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht möglich sein wird, mit DAB+-Kleinleistungssendern (< 100 Watt ERP) eine flächendeckende gute Indoor-Versorgung im VHF-Band III in einem mittel-großen städtischen Versorgungscluster sicherzustellen (Ausdehnung >5 km; Versorgungsqualität: deep indoor). Selbst unter den günstigsten Bedingungen (Freiraumausbreitung, keine topographischen und anderen Hindernisse) sind schon in 6,2 km Entfernung nur noch Versorgungswahrscheinlichkeiten (indoor) von grenzwertigen

7 gemessen als Nutzfeldstärke im Außenbereich der Gebäude in einer repräsentativen Höhe, z.B. EG-Höhe 8 zulässige nominale Gebäudedämpfung für störungsfreien DAB+-Empfang im Einzelfall

Landesanstalt für Kommunikation Seite 25 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 26: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

80 Prozent zu erwarten. Real liegen die Grenzentfernungen noch weit darunter, wie noch gezeigt wird.

Bei den Empfangstests im Testgebäude (Reinsburgstraße 27), das 3,75 km vom DAB+-Test-sender entfernt liegt, stellte sich auch mit 200 Watt Strahlungsleistung (ERP) keine wirklich gute Indoor-Vollversorgung heraus. Neben der hohen Gebäudedämpfung spielt dabei die gegenüber der Prognose gemessene geringere Feldstärke im Außenbereich (vgl. Tabellen 1 und 2) eine entscheidende Rolle (wegen teilweiser topo- und morphographischer Abschattungen). Wie in Tabelle 2 berechnet, liegt die gemessene Outdoor-Feldstärke um das Gebäude im Mittel bei nur rund 70 dBμV/m (Median; gemessener Höchstwert: 81 dBμV/m; Prognosewert: 87,5 dBμV/m) und führt mit dem vorgestellten statistischen Störmodell zu einer berechneten Versorgungswahrscheinlichkeit von lediglich 62,5 Prozent. Dieses Ergebnis deckt sich sehr gut mit den praktischen Empfangsbeobachtungen im Gebäude. Eine knapp über 60-prozentige Versorgungswahrscheinlichkeit wird unter den Gegebenheiten im Gebäude (tatsächliche Gebäudedämpfung ist etwas höher als in der statistischen Berechnung unterstellt) subjektiv als nicht mehr befriedigend empfunden (vgl. Abbildungen 6 bis 8).

11. Nutzfeldstärkeprognose und gemessene Feldstärken

Ein Vergleich der mit ChirPlus prognostizierten Nutzfeldstärken (RMS-Werte) in 10 Metern Höhe9 mit Messwerten an ausgesuchten Messpunkten, stationär gemessen mit Messantenne in einer Höhe von ebenfalls 10 Metern, führt zu folgenden Ergebnissen:

Messpunkt MP1 (Entfernung zum Sender: 3,09 km)

Ort: 70192 Stuttgart-Mitte Koordinaten: 48.792010, 9.161057 Straße: Robert-Bosch-Straße 43, Einmündung Anzengruberstraße

Prognosefeldstärke: 70 – 80 (73,6) dBμV/m Messwert: 72,0 dBμV/m

Messpunkt MP2 (Entfernung zum Sender: 5,4 km)

Ort: 70197 Stuttgart-West Koordinaten: 48.768059, 9.140458 Straße: Dantestraße 11

Prognosefeldstärke: 80 – 90 (84,3) dBμV/m Messwert: 71,5 dBμV/m

Lokale Abschattungen (Hochhaus, div. Gebäude) in Richtung Sender an der Beugungskante (negativer Einstrahlwinkel); Empfang über Reflexion aus anderer Richtung (Norden) mit höherer Feldstärke möglich (!)

Messpunkt MP3 (Entfernung zum Sender: 1,54 km)

Ort: 70192 Stuttgart-Cannstatt Koordinaten: 48.797690, 9.223295 Straße: Frachtstraße 16

Prognosefeldstärke: 90 – 100 (96,5) dBμV/m Messwert 86,2 dBμV/m

Feldstärke höhenabhängig und Signale aus mehreren Richtungen empfangbar (starke Reflexionen aus östlicher Richtung trotz insgesamt guter Messbedingungen; Abschattung durch Gebäude)

9 Prognose mit ChirPlus L&S VHF/UHF-Modell

Landesanstalt für Kommunikation Seite 26 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 27: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Testpunkt T1 (Gebäude LFK; Entfernung zum Sender: 3,75 km)

Ort: 70178 Stuttgart-Mitte Koordinaten: 48.770084, 9.166413 Straße: Reinsburgstraße 27

Prognosefeldstärke: 80 – 90 (87,5) dBμV/m Messwert: 81,0 dBμV/m (Höchstwert)

Max. gemessener Wert auf der Galerie im 5. OG in Richtung zum Sender; lokale Abschattungen (Gebäude) im Funkfeld zum Sender vorhanden; freie Sicht teilw. eingeschränkt.

Die folgende Abbildung 11 zeigt die Lage der Messpunkte.

3,0 km

MP 3

MP 1

MP 2 TP 1

FMT Frauenkopf

Fernsehturm S-Degerloch

Stuttgart-Funkhaus (SWR)

3,75 km

Feldstärke [dBμV/m]

Abbildung 11: Kartographische Darstellung der Nutzfeldstärkeprognose und Lage der Messpunkte (Karte:

OSM)

Die gemessenen und prognostizierten Werte stimmen eingedenk der Unwägbarkeiten bei der Prognose hinreichend gut überein. Durch die Morphographie (Bebauung mit lokal hochwirksamen Abschattungen) und durch topographisch bedingte Effekte (Reflexionen) weicht die tatsächliche Feldstärke (RMS-Werte) in städtischer Umgebung in der Regel von den Werten einer kleinräumigen Feldstärkeprognose in einem relativ großen Raster ohne

Landesanstalt für Kommunikation Seite 27 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 28: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Berücksichtigung der Morphographie mehr oder weniger stark ab. Die abgestrahlte Sendeleistung liegt in der Größenordnung des Vorgabewertes, wenngleich die praktisch gemessenen Feldstärken kaum die Prognosewerte erreichen oder übertreffen (was auf Grund der Messerfahrung unter den vorliegenden Umständen auch gar nicht zu erwarten war!).Bei einer Abstrahlung mit sehr flachen Winkeln (<< 2,5 Grad) über urbaner Umgebung, wie es beim Strahlungsversuch im untersuchten Gebiet meist der Fall ist, liegen die tatsächlichen Nutzfeldstärken in der gewählten Bezugshöhe (10 Meter) in der Regel immer weit unter den Erwartungswerten der Prognose (wg. der lokal wirksamen Abschattungen durch vorgelagerte Gebäude, die fast immer weit in die 1. Fresnelzone ragen). Eine sehr flache Einstrahlung in das urbane Versorgungsgebiet von einem relativ niedrigen Standort (< 100 m; Low Tower) ist aus diesem Grund äußerst nachteilig.

12. Vergleich der Nutzfeldstärken der betrachteten Senderstandorte an stationären Messpunkten

Ein Vergleich der gemessenen Nutzfeldstärken (vgl. folgende Tabelle 5) zur Prüfung der abgestrahlten Leistungen an den Senderstandorten Funkhaus (K12A), Fernmeldeturm (K 5C) und Fernsehturm (K 9D und K 11B) auf Plausibilität liefert keine Hinweise auf eine Abweichung von den realisierten und den Auswertungen unterstellten Sollwerten der abgestrahlten Leistungen (ERP: 200 Watt / 10 kW).

Messpunkt K 12A K 5C K 9D K 11B

MP 1 72,0 dBμV/m 3.090 m

99,0 dBμV/m 4.580 m

99,4 dBμV/m 4.550 m

101,0 dBμV/m 4.550 m

MP 2 71,5 dBμV/m 5.400 m

79,3 dBμV/m 4.840 m

81,5 dBμV/m 3.920 m

78,2 dBμV/m 3.920 m

MP 310 89,9/86,2 dBμV/m 1.540 m

98,1/96,1 dBμV/m 4.000 m

96,9/93,5 dBμV/m 5.190 m

97,0/94,4 dBμV/m 5.190 m

T111 81,0 dBμV/m 3.750 m

72,0 dBμV/m 3.000 m

60,0 dBμV/m 2.340 m

60,0 dBμV/m 2.340 m

Tabelle 5 : Gemessene Nutzfeldstärken in dBμV/m der DAB+-Sender an repräsentativen Messpunkten mit Angabe der Entfernungen zum Sender

Am Messpunkt MP 1 liegt die gemessene Nutzfeldstärke auf Kanal 12A ca. 14,2 dB unter dem Vergleichswert, der sich leistungs- und entfernungsbereinigt aus den gemessenen Nutzpegeln der Hochleistungssender ergibt. Der Messwert (72,0 dBμV/m) stimmt dennoch sehr gut mit der Prognose überein (73,6 dBμV/m), die eine topographisch bedingte zusätzliche Felddämpfung in ungefähr gleicher Höhe für den Sender Funkhaus am Messort ausweist. Zu den Hochleistungssendern besteht vom Messpunkt aus gesehen vollständig freie Sicht. Der Nutzpegel des Kanal 12A am Messpunkt MP 2 ist in Relation zu den Hochleistungssendern zwar hoch, erreicht dennoch nicht den Prognosewert (84,3 dBμV/m). Gründe hierfür sind hauptsächlich lokal wirksame Abschattungen in den Funkfeldern (keine freie Sicht zu den Sendern) und eine inhomogene Feldausbildung infolge starker Reflexionen. 10 Messwerte: Gemessen im höhenabhängigen Maximum (1. Wert) und mit Antennenhöhe 10 Meter über Grund 11 Messwerte nicht repräsentativ, weil bei K 12A günstigere Einstrahlbedingungen vorliegen (zusätzliche Dämpfung der Signale auf den Kanälen 5C, 9D und 11B wegen hohem Gebäude [Allianz-Hochhaus] im Funkfeld)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 28 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 29: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Am Messpunkt MP 3 liegen die gemessenen Nutzfeldstärken allesamt in der erwarteten Relation zueinander (mit nur geringen Abweichungen < 2 dB). Der Prognosewert auf Kanal 12A wird jedoch um ca. 6 dB verfehlt. Hier wirken sich die von starken Reflexionen geprägten inhomogenen Feldverhältnisse bei den Messungen nachteilig aus (stark ausgeprägte Höhenabhängigkeit der Feldstärke und abweichende Signaleinfallsrichtungen).

Wie die im Folgenden noch kommentierten Auswertungen von mobilen Messdaten zeigen, bestimmt die Morphographie (im Wesentlichen die Bebauung) des städtischen Umfeldes beim flacher einstrahlenden Sender Funkhaus sehr viel stärker als erwartet die Funkfelddämpfung und führt zu größeren Feldstärkeeinbußen im relativen Vergleich zu den beiden wesentlich steiler einstrahlenden Hochleistungssendern. Zu beachten ist ferner, dass sich bei den Hochleistungssendern Fernmeldeturm (Frauenkopf) und Fernsehturm zusätzlich bereits die Vertikaldiagramme der Sendeantenne auf die VRP auswirken können. Die realen Strahlungsverhältnisse sind in der folgenden Skizze verdeutlicht (Abbildung 12).

13. Funkfeldverhältnisse im Versorgungsgebiet Stuttgart-Stadtmitte

Wie in Abbildung 12 gezeigt, liegt beim Sender Funkhaus in Bezug auf den Empfangsort T1 (Reinsburgstraße 27, 70178 Stuttgart) sogar ein negativer Einstrahlwinkel von α = + 0,1 Grad vor, d.h. der Strahlungsvektor im Funkfeld verläuft nahezu parallel zur Horizontalen (leicht steigend). Im Gegensatz dazu beträgt der Einstrahlwinkel des Senders Fernmeldeturm Frauenkopf α = -6,7 Grad (mit positivem Vorzeichen), der des Senders Fernsehturm sogar -9,0 Grad. Der Richtungsvektor der Strahlung zeigt somit von „oben“ in das Versorgungsgebiet. Das Funkfeld weist im statistischen Mittel geringere Dämpfungen auf, weil weniger Hindernisse hineinragen.

TX Funkhaus Stuttgart Stadtmitte

TX Fernmeldeturm

Empfangsort T1

α = -6,7 (-9,0) Grad

H_NN: 283 m Ant_H: 30 m

α = + 0,1 Grad

H_NN: 235 m

Ant_H: 71 m TX Fernsehturm H_NN: 482 mAnt_H: 200 mD: 2.3240 m

H_NN: 463 mAnt_H: 200 mD: 3.000 m

Abbildung 12: Skizze Strahlungsverhältnisse (Signaleinfallswinkel) im DAB+-Versorgungsgebiet Stuttgart-Stadtmitte (Angaben: H_NN = Höhe über NN.; Ant_H = Höhe Antenne über Grund; D = Entfernung RX – TX; α= Einfallswinkel gegenüber der Horizontalen)

Die in der Skizze angegebenen Standorte sind in Abbildung 11 kartographisch dargestellt. Wie sich schon aus der praktischen Anschauung unschwer herleiten lässt, nimmt die morphographisch bedingte Dämpfung mit zunehmender Entfernung zum Sender und mit

Landesanstalt für Kommunikation Seite 29 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 30: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

flacher werdendem Einfallswinkel dramatisch zu. Zu erwarten ist unter diesen Umständen eine mit zunehmender Entfernung zum Sender größer werdende Differenz zwischen prognostizierten und real gemessenen Nutzfeldstärken. Die Größenordnung dieser Differenz ergibt sich aus der in den nächsten Abschnitten kommentierten Mobilmessungen.

14. Mobile Feldstärkemessungen im Innenstadtbereich Stuttgart (Messstrecke 1)

Einen entscheidenden Faktor bei der Rundfunkversorgung stellt neben anderen Einflüssen auch bei DAB+ die Höhe der Nutzfeldstärke dar. Eine übliche Vorgehensweise bei der Versorgungsanalyse im Rundfunk ist, die Höhe der Nutzfeldstärke mit geeigneten Modellen unter Verwendung von topographischen Daten und teilweise auch Morphodaten zu berechnen. Für hindernisfreie Umgebungsverhältnisse am Empfangsort liefern diese einfachen Berechnungsmethoden auf der Basis großer Raster von z.B. 200 m durchaus aussagekräftige Resultate. Als Höhe der Empfangsantenne bzw. der Höhe, in der sich die berechnete Feldstärke ausbildet, sind 10 Meter üblich. Praktisch ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, an repräsentativen Messpunkten die Ergebnisse mit Feldstärkemessungen zu verifizieren. Leider ist es in urbanen Versorgungsgebieten, die zudem in topographisch komplexer Umgebung liegen wie das in Stuttgart der Fall ist, so gut wie gar nicht möglich, solche repräsentativen Messpunkte überhaupt zu finden. Besonders unter den Verhältnissen im Innenstadtbereich von Stuttgart spielen zudem Reflexionen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Reflexionen führen zu einer inhomogen Feldausbildung im Raum und damit zu einer starken Ortsabhängigkeit durch Überlagerung verschiedener Signalkomponenten mit unterschiedlichen Laufzeiten und dadurch hervorgerufenen Phasenbezügen zueinander. Solche reflektierten Signalkomponenten können sowohl topographische als auch morphographische Ursachen haben und gegenüber dem direkt vom Sender einfallenden Signal sogar höhere Feldstärken erreichen. Erschwerend kommen lokale Abschattungen durch Gebäude und Beugungseffekte hinzu, die zusammen mit den Reflexionen dazu führen, dass sich die großflächig prognostizierte Feldstärke in 10 Metern Höhe in städtischer Umgebung so gut wie gar nie einstellt. Abweichungen von bis zu 10 dB können schon als erstaunlich gute Übereinstimmung gewertet werden. Genauso wenig hilfreich sind Prognosen für geringere Antennenhöhen (wie z.B. 1,5 Meter). Für die im Folgenden ausgewerteten Teststrecke im Innenstadtbereich (Messstrecke 1) beträgt der Unterschied der Prognosen für 1,5 und 10 Metern Antennenhöhen im Mittel nur 1,3 dB und ist für die weitere Betrachtung insoweit ohnehin vernachlässigbar. Meistens sind die prognostizierten Werte für die beiden genannten Höhen identisch oder es kommt zu Differenzen, die in Kenntnis der realen Wellenausbreitung unrealistisch sind. Ebenso führt ein kleineres Berechnungsraster (50 Meter) zu keiner qualitativ besseren Prognose.

Im Weiteren werden die Ergebnisse mobiler Feldstärkemessungen vorgestellt und diskutiert. Ziel ist es, die Feldverhältnisse im Versorgungsgebiet des Testsenders Funkhaus mit hohem Praxisbezug einschätzen zu können. Als Referenz dient trotz der erläuterten Unwägbarkeiten die Feldstärkeprognose im 200 Meter-Raster und in 10 Metern Antennenhöhe (hier mit ChirPlus berechnet12). Dies auch deshalb, um auf diesem Wege gewonnene Erkenntnisse in einen Bezug zu anderen Auswertungen, wie beispielsweise zur subjektiven In- und Outdoor-Empfangbarkeit (vgl. Abschnitt 18.), stellen zu können.

Den Verlauf der 1. Teststrecke durch den Innenstadtbereich zeigt Abbildung 13. Die Strecke wurde bewusst so gewählt, damit auftretende Effekte selektiv bei noch relativ hohen

12 mit Prognosemodell L&S VHF/UHF der Firma LS telcom AG, Lichtenau

Landesanstalt für Kommunikation Seite 30 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 31: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Feldstärken betrachtet werden können. Von wenigen Ausnahmen abgesehen liegt die prognostizierte Feldstärke des Testsenders in 10 Metern Höhe entlang der Fahrstrecke in einem Bereich zwischen 80 und 100 dBμV/m. Die georeferenzierte und interpolierte Feldstärkeprognosematrix (Export aus ChirPlus) ist der gezeigten Karte (Quelle: OSM) in der Abbildung 13 überlagert. Die hohen Prognosefeldstärken erscheinen zwar auf den ersten Blick als überaus üppig, angesichts der festgestellten hohen lokal wirksamen Signaldämpfungen für eine Postanalyse aber gerade noch hinreichend.

Feldstärke [dBμV/m]

[A] [1]

[2]

[3] [4]

[5] [6][7]

[8]

[9]

[10][11]

[12]

[B]

Abbildung 13: Messstecke 1 für mobile Versorgungsmessungen DAB+ Stadtmitte Stuttgart (Karte: OSM)

Die Prognosewerte der Feldstärkematrix wurden aus Darstellungsgründen mit einer gleitenden Mittelwertbildung auf die äquidistanten Messpunkte der Mobilmessung umgerechnet, was zu dem etwas stufigen Kurvenverlauf in Abbildung 16 führt. In der Kartendarstellung erfolgte hingegen eine Interpolation der Matrizenwerte, um eine optisch höhere Auflösung zu erhalten. Die eingeblendeten Quadrate symbolisieren die einzelnen Pixel

Landesanstalt für Kommunikation Seite 31 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 32: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

der ursprünglichen Prognoseberechnung auf Basis eines 200 Meter-Rasters mit ChirPlus. Die in Abbildung 13 in den eckigen Klammern angegebenen Zeichen stellen einen Bezug zur Beschreibung des Streckenverlaufs im folgenden Abschnitt 13.1 und zur Feldstärkeaufzeichnung in Abbildung 16 her.

14.1 Auswertung der Testfahrt durch den Innenstadtbereich (Messstrecke 1)

In Abbildung 16 ist der Verlauf der Prognosefeldstärke, die in 2,1 Metern Höhe mobil gemessene Nutzfeldstärke und die Differenz aus Prognose und Messung entlang der etwa 11,8 km langen Teststrecke dargestellt. Die folgenden Erläuterungen zu den Messungen nehmen Bezug auf die am Kurvenverlauf in der Abbildung 16 angefügten durchnumerierten Markierungen (im Weiteren in rechteckigen Klammern angegeben) und zur vorstehenden Abbildung 13.

Die Messfahrt beginnt in der Reinsburgstraße 27 [A] und führt in Richtung Westen bis zur Schwabstraße. Der Testsender strahlt in diesem Abschnitt in einem relativ flachen Winkel von nur ca. 15 Grad und unter einem Einfallswinkel von ca. 0 Grad gegen die Horizontale in die offene und gerade verlaufende Straßenschlucht, woraus eine mäßig schwankende Nutzfeldstärke zwischen 60 und 70 dBμV/m resultiert. Deutlich erkennbar im Feldstärkeverlauf ist die Richtungsänderung nach dem Abbiegen in die Schwabstraße [1]. Die Feldstärke verringert sich erkennbar im Mittel um ca. 6 dB. Die Ursache liegt im Wesentlichen in der geänderten Einstrahlung in die engere Straßenschlucht der Schwabstraße, die nun nahezu quer (jetzt um 90 Grad zur Reinsburgstraße gedreht) zur Einstrahlung des Senders (Strahlungsvektor) verläuft. Unmittelbar nach dem Abbiegen in die Schwabstraße trat der erste Empfangsausfall wegen Synchronisationsverlust trotz hoher Restfeldstärke von ca. 60 dBμV/m auf. Anzunehmende Ursache hierfür ist, dass die direkte Signalkomponente vom Sender nun durch die Gebäude stark bedämpft wird und die reflektierten Signalanteile zwar zusammen eine hohe Restfeldstärke gewährleisten aber keinen wirklich konstruktiven Beitrag zur Empfangbarkeit leisten. Erst nach dem Abbiegen in die breitere vierspurige Rotebühlstraße verbessern sich die Empfangsverhältnisse merklich. Im weiteren Verlauf der Messstrecke entlang der Rotebühlstraße [2] in Richtung Hauptbahnhof steigt die Feldstärke kontinuierlich von 60 dBμV/m bis auf knapp 80 dBμV/m an. Nach dem Abbiegen auf den Arnulf-Klett-Platz sind die durch den Hauptbahnhof verursachten Abschattungen gut zu erkennen, die einen kleineren Feldstärkeeinbruch auf 70 dBμV/m bewirken [3]. Im weiteren Verlauf der Schillerstraße steigt die Feldstärke auf über 80 dBμV/m an und erreicht in Höhe des Schlossgartens einen Spitzenwert von ca. 85 dBμV/m [4]. Dazu trägt die jetzt relativ freie Einstrahlung des Senders über den Schlossgarten auf den Straßenverlauf bei. Nach dem Abbiegen in die Konrad-Adenauer-Straße fällt die Feldstärke wieder auf Werte um 65 dBμV/m ab [5]. Ursache hierfür sind die Einflüsse der Bebauung in der näheren Umgebung (Willy-Brandt-Straße), in der teilweise größere Bauwerke im direkten Signalpfad vom Sender zum Empfangsort eine freie Ausbreitung verhindern. Die Feldverhältnisse bleiben bis zum Charlottenplatz weitgehend unverändert. Die Messstrecke verläuft am Charlottenplatz im Weiteren rechts ab in die Planie und in den Schlossplatztunnel [6]. Im Tunnel kommt es bei einem Feldstärkeeinbruch auf weit unter 30 dBμV/m zu einem Totalausfall des DAB+-Empfangs auf Kanal 12A. Nach dem Schlossplatztunnel steigt die Feldstärke in der Schlossstraße wieder schnell auf Werte um 75 dBμV/m an, die sich im Verlauf der Messstrecke bis zum Berliner Platz und über die Fritz-Elsas-Straße bis zum Rotebühlplatz weiter unauffällig zeigen [7]. Im Verlauf der Paulinenstraße bis zum Österreichischen Platz führen hohe Gebäude (u.a. Gerber) zu lokalen Feldstärkeeinbrüchen

Landesanstalt für Kommunikation Seite 32 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 33: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

auf Werte um 50 dBμV/m [8]. Am Österreichischen Platz biegt die Messstrecke in die Hauptstätter Straße ein und führt dort weiter bis zum Charlottenplatz [9]. Die am Charlottenplatz gemessenen Werte stimmen mit den zuvor gemessenen Werten im Streckenabschnitt bei [5] überein (ca. 65 dBμV/m). Nach dem Abbiegen in die Charlottenstraße (rechts) kommt es durch topographisch bedingte Abschattungen (Uhlandshöhe) und solche durch hohe Gebäude zu Einbrüchen der Nutzfeldstärke auf Werte unter 50 dBμV/m. Der Versorgungsmangel setzt sich bis zum Olgaeck und im weiteren Verlauf der Messstrecke in der unteren Olgastraße fort (Streckenabschnitte zwischen [9] und [10]). Erst im weiteren ansteigenden Verlauf der Olgastraße erholen sich die Feldstärkewerte und erreichen in Höhe des Fangelsbachfriedhofes [10] wieder Werte bis zu 70 dBμV/m. Die Messstrecke verläuft vom Fangelsbachfriedhof weiter über die Filderstraße zum Marienplatz. Die Feldstärke sinkt dabei kontinuierlich von 70 dBμV/m auf knapp unter 50 dBμV/m [11] am Ende der Filderstraße (HsNr. 34) vor dem Marienplatz. Auf dem Streckenabschnitt vom Marienplatz bis zum Österreichischen Platz über die Hauptstätter Straße (Abschnitt [11] bis [12]) steigen die Messwerte wieder auf über 60 dBμV/m an. In der Paulinenstraße können nun vergleichbare Feldverhältnisse wie zuvor bei der Hinfahrt gemessen werden. Der Kurvenverlauf der Messwerte stellt sich hier abschnittsweise spiegelverkehrt dar (bei [12] und [8] zu erkennen). Bis zum Endpunkt der Messstrecke [B] in der Reinsburgstraße stagnieren die Messwerte bei ca. 60 dBμV/m.

Eine genauere Betrachtung der aufgezeichneten Messwerte lässt folgende Schlüsse zu:

1. Bei einer Einstrahlung des Testsenders unter flachen Winkel zum Verlauf der Straßenschluchten fallen die Feldstärkeeinbrüche deutlich geringer aus (Beispiel Rotebühlstraße, Schlossstraße). Hingegen sind relativ hohe zusätzliche Signaldämpfungen zu veranschlagen, wenn die Einstrahlung (Strahlungsvektor) horizontal betrachtet unter steilen Winkeln d.h. quer zum Straßenverlauf erfolgt (Beispiele: Schwabstraße, Arnulf-Klett-Platz, Paulinenstraße, Charlottenstraße). Die Differenz der zusätzlichen Signaldämpfung in beiden Fällen kann mit rund 10 dB veranschlagt werden.

2. Flache vertikale Signal-Einfallswinkel um 0 Grad (gemessen gegen die Horizontale), wie sie beim Strahlungsversuch vorlagen, führen schon in geringen Entfernungen zum Sender (auffällig schon ab ca. 4 km, Beispiel Marienplatz, Paulinenstraße) zu erheblichen zusätzlichen Signaldämpfungen in den Straßenschluchten, die ortsabhängig mit zusätzlich bis über 10 dB zu Buche schlagen.

3. Eine bestimmte Höhe der Nutzfeldstärke allein garantiert unter den gegebenen Feldverhältnissen (insbesondere Reflexionen) allein noch keinen störungsfreien DAB+-Empfang.

4. Feldstärken um 50 dBμV/m reichen im urbanen Umfeld mit ausgeprägten Reflexionen offenbar noch nicht aus, um Synchronisationsverluste beim Mobilempfang völlig auszuschließen. Das würde bedeuten, dass die tatsächliche Mindestnutzfeldstärke für die ausgewählte Messstrecke durchgängig mit > 50 dBμV/m zu veranschlagen wäre.

Unter Berücksichtigung der beiden ersten Punkte ergeben sich für die hier betrachtete Messstrecke Zusatzdämpfungen, die lokal unterschiedliche Werte zwischen 10 und 43 dB annehmen (siehe Differenzkurve in Abbildung 16) und bei einer prognosebasierenden Versorgungsbetrachtung als örtliche Abschläge von der berechneten Nutzfeldstärke in 10 Metern Höhe zu berücksichtigen wären. Im Ergebnis der Auswertung ist nur unschwer zu

Landesanstalt für Kommunikation Seite 33 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 34: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

erkennen, dass eine flächendeckende mobile DAB+-Stadtversorgung erst dann sichergestellt ist, wenn die notwendige Systemreserve aus dieser Betrachtung an jedem Ort des geplanten Versorgungsgebietes tatsächlich auch vorhanden wäre. Die Betrachtung zeigt ferner, dass die DAB+-Stadtversorgung (indoor, outdoor) mit den im Rundfunk üblichen Versorgungsprognosemodellen (fixe Antennenhöhe, weite Pixelraster) wenn überhaupt nur unzulänglich bestimmt werden kann. Notwendig wäre eine Berechnung mit exakten morphographischen Daten (Gebäudestruktur) in einem sehr kleinen Raster von nur wenigen Metern (z.B. 1 – 5 Metern) unter Verwendung komplexerer Simulationsmodelle für die elektromagnetische Strahlung. Die hier vorgestellten mobilen Messwerte basieren auf einer solchen engen Rasterung. Im Durchschnitt liegen dem auf äquidistante Messpunkte im 10 Meter-Abstand umgerechneten Feldstärkeverlauf Messungen im Abstand von deutlich weniger als 10 Meter zu Grunde. Die Umrechnung erfolgte lediglich aus Darstellungsgründen (Diagramm).

Der erforderliche örtliche Zuschlag bei der Bestimmung des Link-Budgets fällt im freien Gelände natürlich weit geringer aus bzw. beträgt dort sogar 0 dB (wie noch gezeigt wird). Dies erklärt auch, weshalb mit DAB+ oft außergewöhnliche Empfangsergebnisse beim Fernempfang erzielt werden können (Overspill), während der Ortsempfang des Senders im naheliegenden urbanen Umfeld insbesondere Indoor mit portablen Empfängern oftmals entgegen der Prognose unbefriedigend ist.

Ist der Mobilempfang bereits grenzwertig, kann in der näheren Umgebung auch kein guter Indoor-Empfang erwartet werden.

Eine Berechnung der erforderlichen Mindestnutzfeldstärke (Outdoor und Inndoor) für den Marienplatz, der nur rund 4,1 km vom Senderstandort entfernt liegt, führt beispielhaft zu folgendem Ergebnis:

Mindestfeldstärke Outdoor an der Empfangsantenne 50,0 dBμV/m (angenommen nach Messung am Empfänger bzw. Fahrzeugdach)

Erforderlicher lokaler Zuschlag Marienplatz (max. gemessen): 43,0 dB

Erforderliche Mindestnutzfeldstärke in 10 Metern Höhe 93,0 dBμV/m für guten Mobilempfang im Cluster Marienplatz (Prognose)

Gebäudedämpfung (max): 30,0 dB

Mindestnutzfeldstärke in 10 Metern Höhe für guten 123,0 dBμV/m Indoor-Empfang mit (sehr) hoher (Orts-) Wahrscheinlichkeit

Die Nutzfeldstärke nach der Prognose beträgt in 10 Metern Höhe rund 88 dBμV/m und ergäbe somit eine negative Versorgungsreserve (-5 dB). Zudem reicht die angenommene Mindestfeldstärke (50,0 dBμV/m) für einen ausreichend guten Mobilempfang unter den gegebenen Feldverhältnissen ebenfalls nicht aus. Die festgestellten Synchronisationsausfälle sind die Folge dieser akuten Versorgungsmängel, wie die Auswertung der CNR-Messungen deutlich macht (vgl. Abbildung 17).

Die flache Einstrahlung, starke Abschattungen und ausgeprägte Reflexionen mit dynamisch schnell wechselnden Best-Servern im Rayleigh-Kanal erfordern offenbar höhere Werte. Die

Landesanstalt für Kommunikation Seite 34 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 35: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

näheren Umstände und Sachverhalte dazu werden mit der Auswertung der 2. Messstrecke näher untersucht und dabei die Grenzbereiche der Empfangbarkeit ausgelotet.

Der Indoor-Empfang ist z.B. in Gebäuden am Marienplatz in Stuttgart nicht mehr mit hoher Versorgungswahrscheinlichkeit gewährleistet. Ferner zeigt die Berechnung, dass die Anforderungen an die Höhe der Nutzfeldstärke beim Mobilempfang im Vergleich zum Indoor-Empfang wesentlich geringer sind. Eine noch ausreichende Mobilversorgung impliziert nicht einen gleichermaßen befriedigenden Indoor-Empfang. Deshalb ist es auch nicht zulässig, aus guten Ergebnissen bei der Mobilversorgung auf eine insgesamt gute DAB+-Versorgung einschließlich des Indoor-Empfangs mit portablen Geräten schließen zu wollen oder Prognoserechnungen deshalb als zu pessimistisch zu erachten.

Ganz nebenbei zeigt die ebenfalls vorgenommene CNR-Messung und Auswertung den Vorteil der höheren Sendeleistung. Während auf Kanal 11B entlang der gesamten Teststrecke kein einziger Synchronisationsverlust (Kriterium: CNR-Messung ohne Ergebnis, d.h. hier aus graphischen Gründen 0 dB im Diagramm) zu verzeichnen ist, gibt es mindestens 7 solcher Ausfälle auf Kanal 12A, die vom Hörer jedenfalls als gravierende Empfangsstörungen (Aussetzer) wahrgenommen werden. Selbst im Schlossplatztunnel wäre der Kanal 11B mit einem ausreichend empfindlichen Empfänger höchstwahrscheinlich noch durchgehend empfangbar (ohne kostspielige Tunnelversorgung).

Auf 2,0 Prozent der 11,8 km langen Messstrecke (inkl. dem Schlossplatztunnel) kommt es wegen Synchronisationsverlusten zu Empfangsausfällen beim Mobilempfang (= rd. 250 Meter ohne Empfang). Damit gilt die ausgewählte Teststrecke zumindest abschnittsweise bezüglich des Mobilempfangs als nicht mangelfrei versorgt.

In Abbildung 18 sind die nachträglich aus dem entlang der Messstrecke 1 aufgezeichneten ETI-Datenstrom decodierten Audio-Services als Audiosignalverläufe über der Zeit dargestellt. Die jeweils über das selbe Zeitintervall des Audiosignals erstellten Tracks zeigen nach Kompensation des spezifischen Signaldelays anschaulich die Wirkung der Codierverfahren und des Fehlerschutzes. MUSICAM UEB PL3 und AAC EEP 1-A bis 3-A führen zu durchaus vergleichbaren Resultaten. Zwischen EEP 1-A, 2-A und 3-A sind keine signifikanten Unterschiede erkennbar, während EEP 4-A deutlich erkennbar ungünstiger abschneidet. Übrigens auch deutlich ungünstiger als MUSICAM UEP PL3. Die Ausfälle sind auf der Zeitachse farblich markiert. Das hier ausschnittsweise betrachtete Verhalten deckt sich im Übrigen sehr gut mit den im Abschnitt 16 vorgestellten Ergebnissen des Postprocessings.

14.2 Betrachtungen zu den Auswirkungen der Antennenhöhe auf die Versorgung

Das hier beim Strahlungsversuch gesehene Problem bei der gegen die Horizontalen gemessenen flachen vertikalen Einstrahlung in städtische Versorgungsgebiete ist im Übrigen nicht singulärer Art und so auch schon im Fall der Versorgung von Karlsruhe zu beobachten. Trotz ausgewiesener ausreichender Versorgung in der Prognose reklamieren DAB+-Hörer im Karlsruher Stadtgebiet allenthalben eine schlechte Versorgung insbesondere in Bezug auf den Indoor-Empfang mit portablen Geräten. Eine Verbesserung dieser Situation ist letztendlich nur möglich, indem der Signaleinfallswinkel gegenüber der Horizontalen deutlich erhöht wird. Dazu sind exponierte stadtnahe Senderstandorte erforderlich, die großflächig hohe Nutzfeldstärken von deutlich über 80 dBμV/m besser 90 dBμV/m erzeugen. Fern ab gelegene Standorte mit geringen effektiven Antennenhöhen erfüllen diese Voraussetzungen keinesfalls.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 35 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 36: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Die Erkenntnis führt zur Feststellung, dass mit vermeintlich preisgünstigen niedrigeren Senderstandorten und Sendern geringer Leistung (< 1 kW) keine ausreichende DAB+-Stadtversorgung hergestellt werden kann.

Um das bestehende Einstrahlproblem des Senders Funkhaus nochmals zu verdeutlichen, zeigt die folgende Abbildung 17 einen Vergleich des Feldstärkeverlaufs auf Kanal 12A mit dem des Kanal 11B. Den Kanal 11B strahlt ein leistungsstarker Sender (10 kW ERP) vom exponierten Standort Fernsehturm ab. Der Einstrahlwinkel gegen die Horizontale gemessen beträgt am Testpunkt T1 beachtliche 9 Grad (gegenüber nur ca. 0 Grad beim Sender Funkhaus).

Auf einem Teilabschnitt der Teststrecke zwischen Kilometer 9 und 10 (Filderstraße, Marienplatz; Länge: 1.000 m) betragen die gemittelten Nutzfeldstärken

auf dem Kanal 12A 54,3 dBμV/m bei 3,97 km mittlerer Entfernung zum TX

und auf dem Kanal 11B 82,0 dBμV/m bei 1,66 km mittlerer Entfernung zum TX

Die leistungs- und entfernungsbereinigte Differenz der normierten Feldstärken ergibt im analysierten Abschnitt einen Wert von +3,1 dB zugunsten des Senders Fernsehturm und würde eingedenk des möglichen Vertikaldiagramms der Sendeantenne um den Betrag der Vertikalabsenkung (VRP bei -10 Grad) noch darüber liegen. Eine analog durchgeführte Vergleichsrechnung für den Streckenabschnitt zwischen 3.000 und 4.000 Metern mit den höchsten Feldstärken des Senders Funkhaus (Hauptbahnhof, Schillerstraße) liefert +4,1 dB als Vorteil für den Standort Fernsehturm.

Konkret bedeutet das Ergebnis trotz der im Vergleich zu den übrigen Unwägbarkeiten bei der Feldstärkebestimmung relativ geringen Werten, dass von exponierten Standorten aus mit weniger Strahlungsleistung statistisch gesehen höhere Nutzfeldstärken mit homogenerer Feldverteilung im urbanen Versorgungsgebiet der Innenstadt erzeugt werden können. Das Resultat ist ein eindeutiger Versorgungsvorteil des exponierten Standortes, der sich besonders in den ausgewiesenen nur schwierig versorgbaren Teilbereichen in Stuttgart (wie z.B. am Marienplatz) überaus positiv auswirkt.

15. Auswertung der Testfahrt im außerstädtischen Bereich (Messstrecke 2)

Der Verlauf der Messfahrt ist angelegt, um die Qualität des Mobilempfangs abhängig von den verfügbaren Nutzfeldstärken beurteilen zu können. Die Messstrecke verläuft aus dem Bereich mit prognostizierten hohen Nutzfeldstärken von über 90 dBμV/m an der Benzstraße Einmündung Martin-Schrenk-Weg über die B 14 durch den Kappelbergtunnel bis zum B14/B29-Teiler und weiter über die B29 bis nach Winterbach (B29-Ausfahrt Winterbach). Abbildung 19 zeigt den Verlauf. Die prognostizierte Nutzfeldstärke fällt entlang dieser Strecke bis auf Werte unter 40 dBμV/m ab. Der Verlauf der prognostizierten Feldstärke ist in Abbildung 22 dargestellt. Zu beachten ist, dass die Prognose für eine Antennenhöhe von 10 Metern gilt, die Messung der Nutzfeldstärke jedoch in 2,1 Metern Höhe erfolgte (Dachantenne des Messwagens). Insoweit ist zu erwarten, dass die Messwerte bei vertikaler Polarisation bis zu etwa 6 dB unter der Prognose liegen. Im hindernisfreien Verlauf der Messstrecke zwischen 500 und 1000 Metern über die B14 erreichen die gemessenen Werte im Durchschnitt 83,2 dBμV/m während die Prognose einen Wert von 90,2 dBμV/m liefert (ebenfalls als Mittelwert über den ausgewerteten Streckenabschnitt in 10 Metern Höhe). Insoweit lagen die realen Feldverhältnisse beim Strahlungsversuch und die Prognose

Landesanstalt für Kommunikation Seite 36 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 37: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

eingedenk des zu berücksichtigenden Höhenabschlages sehr dicht beieinander (-7 dB). Der gemessene Maximalwert beträgt übrigens 86,2 dBμV/m, der nur 4 dB unter dem durchschnittlichen Prognosewert liegt. Daraus ist nebenbei zu folgern, dass der Testsender die erwartete Strahlungsleistung (200 Watt ERP) tatsächlich auch abgegeben hat.

Eine andere Plausibilitätsprüfung mit Hilfe des ebenfalls gemessenen Kanals 11B führt zu folgendem Ergebnis:

Feldstärke auf dem Kanal 12A 83,2 dBμV/m bei 4,61 km mittlerer Entfernung zum TX

und auf dem Kanal 11B 95,4 dBμV/m bei 7,29 km mittlerer Entfernung zum TX

Die entfernungsbereinigte Differenz zwischen beiden gemessenen Kanälen respektive Sendern (Funkhaus und Fernsehturm) beträgt 16,2 dB. Unter Berücksichtigung der möglicherweise etwas geringeren Strahlungsleistung des Senders Fernsehturm durch das VRP (Vertical Radiation Pattern) liegt man dem Erwartungswert von 17 dB (200 Watt/10 kW) sehr nahe.

Die Betrachtungen der Nutzfeldstärke- und CNR-Messungen ergeben bis zum Kappelbergtunnel für den Kanal 12A keinerlei Auffälligkeiten. Hinter dem Kappelbergtunnel ändern sich die Feldverhältnisse dramatisch. Die Feldstärken auf dem Kanal 12A fallen zunächst auf Werte zwischen 40 und 45 dBμV/m und sinken weiter bis kurz vor Winterbach auf Werte zwischen 30 und 40 BμV/m. Die CNR-Messungen weisen auf dem gesamten Streckenabschnitt nach dem Tunnel zahlreiche Aussetzer (Synchronisationsverluste) auf. Der Mobilempfang ist unter diesen Umständen als unbrauchbar einzustufen. Damit ergibt sich eine Reichweite des Testsenders in Richtung Osten von nur 4,7 km (ab Senderstandort bis zum Kappelbergtunnel). Völlig anders sind die Verhältnisse auf dem Kanal 11B (Fernsehturm). Auf der gesamte Messstrecke von ca. 20 km Länge ist der DAB+-Empfang trotz der topographisch schwierigen Verhältnisse tadellos und wegen der im Remstal auftretenden starken Reflexionen wesentlich besser als der analoge UKW-Empfang auf den am gleichen Standort abgestrahlten FM-Frequenzen. Die Feldstärken liegen zumeist von wenigen kurzen Abschnitten abgesehen bei deutlich über 60 dBμV/m. Auch hier zeigen sich unübersehbar die Vorteile des höheren Standortes (Fernsehturm) und der höheren Sendeleistung.

Zur Frage ab welchen Feldstärken unter realen Bedingungen ein mobiler ungestörter DAB+-Empfang möglich ist, folgt im Weiteren eine statistische Auswertung der Feldstärke- und CNR-Messungen (Signal-Rausch-Verhältnis).

Zunächst muss vorausgeschickt werden, dass allein die Feldstärke noch keine Aussage zulässt, ob der DAB+-Empfang mit ausreichender Qualität möglich ist. Bedeutsamer ist die Höhe des CNR-Wertes. Dieser Wert steht zunächst in keinem unmittelbar linearen Verhältnis zur Feldstärke selbst, sondern variiert mit der Feldstärke abhängig von den örtlichen Signalverhältnissen (Störbelag [Man Made Noise], Reflexionen, destruktive Gleichwellenanteile). Prinzipiell führen höhere Nutzfeldstärken auch zu höheren CNR-Werten (vgl. dazu Abbildung 21).

Eine statistische Auswertung der gemessenen Wertepaare (Nutzfeldstärken und CNR) im Streckenabschnitt ab Kilometer 4,5 (etwa ab östlichem Portal des Kappelbergtunnels bis nach Winterbach) ergibt sich für ein angenommenes Auswertefenster für CNR-Werte zwischen 14 und 16 dB die in folgender Abbildung 14 gezeigte Häufigkeit der Feldstärken. Aus der Dichte der in den Wertepaaren vorkommenden gemessenen Feldstärkewerte lässt sich bestimmen,

Landesanstalt für Kommunikation Seite 37 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 38: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Feldstärken zum gewünschten CNR (hier 15 dB ±1 dB) führen. Der Auswertung liegen Feldstärkeklassen mit gerad- und ganzzahliger 2 dB-Rasterung zu Grunde (Beispiel: Unter der Angabe von 32 dBμV/m auf der Abszisse ist die Feldstärkeklasse von 30 bis 32 dBμV/m gemeint).

Ein Wert von 15 dB gilt anerkannter Maßen als ausreichender Wert für noch guten DAB+-Empfang (=Mindestnutzfeldstärke).

Messung

Prognose

Feldstärkeklassen [dVμV/m]

Häufigkeit

Abbildung 14: Häufigkeit der gemessenen und prognostizierten Nutzfeldstärken für einen CNR-Wert zwischen 14 und 16 dB (anerkannter Mindestwert für DAB+-Empfang)

Wie die Messauswertung zeigt, liegt das Gros der gemessenen Nutzfeldstärken in der Feldstärkeklasse zwischen 40 und 42 dBμV/m. Die Abweichungen zu größeren und kleiner Werten ist relativ gering. Mehr als 46 dBμV/m sind nicht erforderlich. Der ermittelte Wert liegt somit deutlich unter dem im Innenstadtbereich als notwendig erachteten Pegel für die Mindestnutzfeldstärke (ca. -10 dB).

Ein anderes etwas überraschendes Bild ergibt sich bei Betrachtung der Prognosewerte13. Diese schwanken zwischen 46 und 74 dBμV/m. Daraus folgt, dass auf dieser Basis (Prognoserechnung) für einen ausreichend guten Mobilempfang (ohne Aussetzer) in schwierigen topographischen Lagen, wie sie in Baden-Württemberg eben häufig vorkommen, von einer rechnerischen Mindestnutzfeldstärke für den Mobilempfang im freien Gelände von etwa 76 dBμV/m auszugehen wäre. Die Ursache hierfür ist hauptsächlich in der Ungenauigkeit der Prognoserechnung selbst zu suchen. Die hier im 50 Meter-Raster gerechnete Prognose, deren Verlauf ebenfalls in Abbildung 22 eingezeichnet ist, vermittelt einen Eindruck von den z.T. großen oft chaotischen Abweichungen von bis zu 30 dB zwischen Messung und Prognose. Die Häufigkeitsverteilung der Prognosewerte für ein CNR

13 gerechnet für eine Antennenhöhe von 10 Metern im 50 Meter-Raster mit dem L&S VHF/UHF-Modell

Landesanstalt für Kommunikation Seite 38 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 39: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

von 15 dB lassen Zweifel aufkommen, ob es überhaupt möglich ist, mit Hilfe der Prognoserechnung auf die Qualität des DAB+-Empfangs in schwierigen Versorgungsgebieten über längere Strecken von mehreren Kilometern zu schließen. Die rechnerische Systemreserve inklusive des Höhenausgleichs für die Messantenne wäre für die ganze untersuchte Teststrecke 2 ab Kilometer 4,5 bei der Prognose mit 29 dB (74 dBμV/m – 45 dBμV/m) zu veranschlagen, obwohl es auch Abschnitte gibt, entlang derer die gemessene Feldstärke über den Prognosewerten liegt (z.B. zwischen Kilometer 10 und 12 bei Weinstadt) und wo es deshalb keines Zuschlags zum Prognosewert bedarf.

Eine weitere statistische Auswertung analog zur Auswertung in Abbildung 14 für den Fall des Synchronisationsausfalls (CNR-Messung ohne Ergebnis; harter Systemausstieg) führt zu der in Abbildung 15 gezeigten Häufigkeitsverteilung der gemessenen Feldstärken.

Wie sich aus der Auswertung ergibt, treten nach den Messungen bei Feldstärken bis zu 40 dBμV/m am häufigsten Empfangsaussetzer (Synchronisationsverluste) auf. Ab einem angenommenen Mindestwert von 40 dBμV/m auf Antennenhöhe (hier in 2,1 Metern Höhe) ist nahezu ausfallfreier Empfang sichergestellt. Nach der Prognose für eine Antennenhöhe von 10 Metern wären als Mindesnutzfeldstärke dafür im Gros 54 dBμV/m zwar für die meisten Streckenabschnitte ausreichend, gewährleisten aber noch keinen vollständig ausfallfreien Empfang über die gesamte Strecke, weil dazu Prognose-Werte von etwas mehr als 70 dBμV/m Voraussetzung sind (Feldstärkeklasse 70 – 80 dBμV/m).

Messung

Prognose

Feldstärkeklassen [dVμV/m]

Häufigkeit

Abbildung 15: Häufigkeit der gemessenen und prognostizierten Nutzfeldstärken für den Fall des Ausstiegs des DAB-Empfängers (abrupter Synchronisationsverlust)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 39 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 40: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Beide unterschiedlichen Auswertungen (Abbildung 14 und 15) führen im Ergebnis zum nahezu gleichen Wert für die Mindesnutzfeldstärke bei der Prognose, wobei bei 75 dBμV/m nicht nur die Ausfallsicherheit sondern zudem ein Mindest-CNR von 15 dB mit hoher Ortswahrscheinlichkeit (nahe 100 Prozent) gewährleistet ist. Nach Prognoserechnung liegen die geforderten Versorgungsfeldstärken entlang der Teststrecke leider nicht durchgängig vor. Die Folgen sind hinlänglich dargelegt.

Im Übrigen ist entlang der untersuchten Teilstrecke ab Kilometer 4,5 nur auf 62,2 Prozent der Wegstrecke prinzipiell DAB+-Empfang auf dem Testkanal 12A möglich, auf dem Rest (37,8 Prozent) kann der DAB+-Hörer Ruhe genießen (Empfangsausfall wegen totalem Synchronisationsverlust). Hinzu kommen die Audio-Ausfälle wegen zu hoher Bitfehlerrate im Datenstrom bei bestehender Synchronisation, die stark abhängig vom Protection Level sind. Zu beachten ist, dass sich die Prozentwerte auf die gefahrene Wegstrecke beziehen, und nicht identisch mit den Werten der Ausfallanalyse auf Basis der postprozessierten Messdaten auf Zeitbasis sind. Die wegbezogenen äquidistanten Messdaten, wie sie in den Diagrammen dargestellt sind, ergeben sich durch Geo-Referenzierung der integrierten bzw. interpolierten zeitabhängigen Aufzeichnungen.

Es sei hier der Hinweis angebracht, dass die vorstehenden Betrachtungen zum Mobilempfang nicht generell sondern nur für die Verhältnisse entlang und in näherer Umgebung um die Messstrecke gelten. In urbaner Umgebung (vgl. hierzu die vorstehenden Betrachtungen zur Versorgung am Marienplatz) sind höhere Mindestnutzfeldstärken d.h. entsprechend höhere Reserven in Form von Zuschlägen im Link-Budget erforderlich (statt 29 dort 43 dB). Legt man als Mindestnutzfeldstärke an der Antenne die gemessenen 50 dBμV/m statt 35 dBμV/m (Raleigh-Kanal) zu Grunde und addiert die messtechnisch festgestellten 43 dB Zuschlag hinzu, ergibt sich eine erforderliche Mindestnutzfeldstärke nach der Prognose von nun 93 dBμV/m für guten Mobilempfang. Mit der prognostizierte Feldstärke (88 dBμV/m) ist die verbleibende Systemreserve im städtischen Umfeld aufgebraucht. Unter diesen kritischen Feldstärkeverhältnissen sind die kurzen Aussetzer (wegen Verlust der Synchronisation) beim Mobilempfang wie festgestellt plausibel und nicht auszuschließen (vgl. dazu Abbildung 17). Beide messtechnischen Betrachtungen zu den Messstrecken 1 und 2 führen in der Gesamtschau zu in sich stimmigen Ergebnissen.

Im Jahre 2013 veröffentlichte das DCMS (department for culture, media and sport, GB) in ihren „MINIMUM SPECIFICATIONS FOR DAB AND DAB+ PERSONAL AND DOMESTIC DIGITAL RADIO RECEIVERS“[1] zwei Berechnungsformeln zur Bestimmung der Mindestnutzfeldstärke für den störungsfreien DAB-Empfang im Gauß- und Raleigh-Kanal. Die Mindestfeldstärke errechnet sich demnach zu

FSGmin = 34.4 + 20log(F/220) [dBμV/m] und

FSRmin = 39.9 + 20log(F/220) [dBμV/m]

wobei F die Frequenz in MHz ist. Für den Kanal 12A ergeben sich damit aufgerundet 35 (für den Gauß-Kanal) und 40 dBμV/m (für den Raleigh-Kanal) als Werte für die Mindestnutzfeldstärke. Empfänger sollen unter diesen Bedingungen mit einer minimalen Eingangsleistung von –92,2 dBm ohne externe Antenne zufriedenstellende Empfangsergebnisse gewährleisten. Die Werte nach den Berechnungsformeln liegen unter den hier messtechnisch ermittelten Werten. Die Empfehlung verdeutlicht, dass bei Annahme eines Raleigh-Kanals abhängig von dessen Konfiguration (Fading-Verhalten) höhere Mindestnutzfeldstärken erforderlich sind. Darauf hinzuweisen ist, dass sich der Mindestwert weiter abhängig von der dynamischen Fadingcharakteristik des Raleigh-Kanals erhöhen kann.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 40 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 41: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Die vorstehende Berechnungsformel geht von einer Parametrisierung nach BS EN 62104:2007 entsprechend dem übernommenen internationalen Standard EN 50248-2001 (Eigenschaften von DAB-Empfängern) [2] aus. Wie sich aus der Abbildung 21 ergibt, liegen die gemessenen Nutzfeldstärken auf dem Kanal 12A nach dem Kappelbergtunnel zu meist unter dem Mindestwert von 40 dB dBμV/m.

16. Postprocessing der mobil aufgezeichneten Messdaten (Messstrecke 1 und 2)

Um über die Signalqualität beim mobilen DAB+-Empfang genauere Aussagen machen zu können, genügt die einfache Auswertung der Synchronisationsverluste in einem groben Raster (hier 10 bzw. 20 Meter) noch nicht. Dazu ist es erforderlich die kontinuierlich aufgezeichneten Audiodatenströme in einem Postprocessing auf der Basis einzelner Frames auszuwerten. Hintergrund ist, dass auch dann, wenn der Empfänger noch synchronisiert durch nicht korrigierbare Bitfehler kurzzeitig Aussetzer auftreten können, die nicht einmal unbedingt hörbar sind. Beeinflusst wird dieses Verhalten durch den Fehlerschutz, also dem eingestellten Protection Level. Nach Richtlinien von ARD/Deutschlandradio soll beim Mobilempfang mit dem Protection Level EEP 3-A je 100 Metern Fahrstrecke maximal 120 ms Audiosignalverlust auftreten, die kaum wahrnehmbar sind. Die festgestellten Ausfallzeiten beim Kanal 12A (schon allein durch Synchronisationsausfälle) sind entlang beider Messstrecken derart gravierend, dass schon ohne die Ergebnisse der Postprocessing-Analyse einzubeziehen feststeht, das dieses Qualitätskriterium bei Weitem mit der beim Strahlungsversuch hergestellten Versorgung in Stuttgart nicht erfüllt werden kann. Die Ausfälle dürften sich nach dem Qualitätskriterium umgerechnet auf max. 0,6 Prozent der 11,8 km langen Fahrstrecke aufsummieren (wenn jeder 100 Meter-Abschnitt 120 ms Ausfall bei konstanter Durchschnittsgeschwindigkeit aufweisen würde). Schon ohne Berücksichtigung der Ausfälle im Schlossplatztunnel liegt der durch Synchronisationsverluste gestörte aufsummierte Streckenanteil bei 0,9 Prozent. Hinzu kommen die vielen weiteren Kurzzeitausfälle durch Bitfehler, die hier noch gar nicht berücksichtigt sind.

In den beiden folgenden Tabellen (6, 7) sind die Ergebnisse des Postprocessings der während der Mobilmessungen (Messstrecken 1 und 2) aufgezeichneten Streamdaten auf Framebasis zusammengestellt.

Die Auswerteergebnisse (in Prozent) geben die aufsummierten Audioausfallzeiten in Bezug zur Gesamtzeit der Datenaufzeichnung entlang der Messstrecken wieder. Zu beachten ist dabei, dass beide Messstrecken durch Tunnels führen, die Totalausfälle und konzentrierte Bündelfehler im Übergangsbereich der Tunnelportale zur Folge haben.

Die der Durchfahrt durch den Schlossplatztunnel zuzuschreibenden Ausfälle bei Messstrecke 1 (Innenstadt) ergeben bereits den bei Kanal 11B berechneten Wert von 1,4 Prozent. Beim Kanal 12A kommen weitere Ausfälle außerhalb des Tunnels hinzu, die dazu führen, dass der Mobilempfang entlang der Messstrecke nicht mehr den dafür festgelegten Qualitätskriterien entspricht. Theoretisch müsste zu deren Erfüllung die maximale Ausfallzeit unter den 0,6 Prozent liegen. Die Prognosefeldstärken liegen entlang der Messstrecke bei über 70 dBμV/m, im Durchschnitt sogar bei rund 90 dBμV/m.

Fortsetzung Seite 47

Landesanstalt für Kommunikation Seite 41 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 42: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Wegstrecke [m]

Feldstärke [dBμV/m

Feldstärkeprognose

Feldstärkemessung

Schlossplatztunnel Differenz Prognose - Messung

Abbildung 16: DAB+ - Nutzfeldstärkemessungen in der Innenstadt Stuttgart (Messstrecke 1, Sender Funkhaus, Kanal 12A)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 42 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 43: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Feldstärke / CNR [dBμV/m / dB]

Wegstrecke [m]

Feldstärkemessung Kanal 11B

CNR-Messung Kanal 11B CNR-Messung Kanal 12A

Feldstärkemessung Kanal 12A Abbildung 17: Auswertung Feldstärke- und CNR-Messungen in der Innenstadt Stuttgart (Sender Funkhaus und Fernsehturm, Kanäle 12A und 11B im Vergleich)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 43 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 44: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Abbildung 18: Audiosignalauswertung, nachträglich decodiert aus dem mobil aufgezeichneten ETI-Datenstrom der Messstrecke 1 bei Abschnitt [11] Filderstraße, Marienplatz (vgl. Abbildungen 13 und 16; zwischen Kilometer 9,6 und 10,2).

Track 1: MUSICAM, UEP PL3; Track 2: AAC, EEP 1-A; Track 3: AAC, EEP 2-A; Track 4: AAC, EEP 3-A; Track 5: AAC, EEP 4-A

Landesanstalt für Kommunikation Seite 44 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 45: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

A

B

Kappelbergtunnel

Feldstärke [dBμV/m]

Abbildung 19: Lageplan Messstrecke 2 von Stuttgart-Bad Cannstatt, Benzstraße nach Winterbach, Ausfahrt B29 (Kartenlayer: OSM, Prognoselayer: ChirPlus-Matrix)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 45 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 46: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Kappelberg-Tunnel

Wegstrecke [m]

Feldstärke / CNR [dBμV/m / dB]

Abbildung 20: Auswertung Feldstärke- und CNR-Messungen entlang der B 14 und B 29 zwischen Stuttgart und Winterbach (Sender Fernsehturm, Kanal 11B)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 46 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 47: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Kappelberg-Tunnel

Wegstrecke [m]

Feldstärke / CNR [dBμV/m / dB]

Feldstärkemessung Kanal 11B

Feldstärkemessung Kanal 12A CNR-Auswertung Kanal 12A

CNR-Auswertung Kanal 11B

Abbildung 21: Auswertung Feldstärke- und CNR-Messungen entlang der B 14 und B 29 zwischen Stuttgart und Winterbach (Sender Fernsehturm und Funkhaus, Kanäle

11B und 12A)

Landesanstalt für Kommunikation Seite 47 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 48: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

K lb

Wegstrecke [m]

Feldstärke / CNR [dBμV/m / dB]

Feldstärkemessung Kanal 11B CNR-Auswertung Kanal 11B

Feldstärkeprognose Kanal 12A Feldstärkemessung Kanal 12A

CNR-Auswertung Kanal 12A

Abbildung 22: Auswertung Feldstärke-, CNR-Messungen und Prognosewerte entlang der B 14 und B 29 zwischen Stuttgart und Winterbach (Sender Fernsehturm und

Funkhaus, Kanäle 11B und 12A); die Prognosewerte wurden im 50 Meter-Raster berechnet.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 48 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 49: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

11B 12A/UEP 3 12A/EEP 1 12A/EEP 2 12A/EEP 3 12A/EEP 4

1,4 % 2,4 % 2,4 % 2,4 % 2,5 % 3,8 %

Tabelle 6: Postprocessingergebnisse Audioverluste in Prozent der Zeit (Messstrecke 1)

Die Ausfallzeiten entlang der Messstrecke 2, die allein bei der Durchfahrt durch den (unversorgten) Kappelbergtunnel entstehen, führen für sich betrachtet bereits zu knapp 5 Prozent Gesamtverlust. Beim Kanal 11B ist sicher anzunehmen, dass im Streckenverlauf außerhalb des Tunnels (ohne den Übergangsbereich um die Tunnelportale mit vielen Bündelfehlern) keine weiteren nennenswerten Audioverluste mehr auftreten und das Kriterium für den Mobilempfang (Ausfallzeit < 120 ms / 100 Meter) gut erfüllt werden kann.

11B 12A/UEP 3 12A/EEP 1 12A/EEP 2 12A/EEP 3 12A/EEP 4

5,12 % 26,2 % 23,9 % 25,0 % 30,0 % 54,2 %

Tabelle 7: Postprocessingergebnisse Audioverluste in Prozent der Zeit (Messstrecke 2)

Beim Kanal 12A hingegen erübrigt sich jede Diskussion über die Empfangsqualität. Der Mobilempfang ist schlicht unbrauchbar. Ausfallfreier Empfang ist lediglich auf dem kurzen Streckenabschnitt vom Startpunkt (A) bis zum Westportal des Kappelbergtunnels (Rampe) gewährleistet. Die Prognosefeldstärken in 10 Metern Höhe liegen hier zwischen 80 und 90 dBμV/m.

Die Auswerteergebnisse insbesondere für die Messstrecke 2 verdeutlichen sehr eindrucksvoll die Wirkung des Fehlerschutzes bei EEP. EEP 4-A fällt weit hinter UEP 3 (MUSICAM) zurück und empfiehlt sich vor diesem Hintergrund nicht.

Zu beachten ist, dass sich die vorgestellten Ergebnisse nur unter optimalen empfangstechnischen Voraussetzungen, wie sie bei den Messungen vorlagen, gelten. Mit weniger empfindlichen Receivern können sich spürbar schlechtere Empfangsresultate einstellen. Wie Empfängeruntersuchungen zeigen, streuen die Empfangsleistungen bei DAB+-Receivern in einem relativ weiten Bereich.

17. Diskussion der Ergebnisse des Prognosemodells – das Prognosedilema

Ein Schwachpunkt in Bezug auf die Beurteilung der DAB+-Versorgung ist die Genauigkeit der Prognoserechnung. Das verwendete Modell14 liefert teilweise Ergebnisse, die stark von der Realität abweichen. Die Abweichungen sind uneinheitlich und führen dazu, dass im Grunde gebietsabhängig d.h. clusterweise unterschiedliche Mindestnutzfeldstärken festgelegt werden müssten, um die Versorgung nicht schlechter als sie sich in der Realität zeigt, zu prognostizieren. Andererseits ist es so, dass im urbanen Umfeld ohne hohe Reserven im Link-Budget die Versorgungslagen viel zu optimistisch prognostiziert würden. Die bisher angewandten Prognoseverfahren sind nicht geeignet, die spezifischen Problemlagen bei der urbanen DAB+-Versorgung hinreichend aufzulösen. Dies liegt nicht unwesentlich daran, dass die Schwelle zwischen „Empfang möglich“ und „gestörtem Empfang“ bei DAB+ sich in einem sehr schmalen Feldstärkekorridor entscheidet und eine sehr genaue Feldbestimmung erfordert. Beim analogen FM-Empfang ist dieser Korridor sehr viel breiter, so dass sich eine

14 mit Prognosemodell L&S VHF/UHF der Firma LS telcom AG, Lichtenau

Landesanstalt für Kommunikation Seite 49 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 50: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Prognoseungenauigkeit im Gegensatz zu DAB+ hier in Bezug zum subjektiven Qualitätsempfinden nicht besonders dramatisch auswirkt.

Der Versuch, mit einem kleineren Rastermaß zu rechnen (50 Meter), um die Genauigkeit zu erhöhen, ist kontraproduktiv. Eine in sich methodisch ungenaue Prognosemethode wird nicht dadurch besser, indem sie in einem engen Raster öfters angewandt wird. Die Ergebnisse im 50 Meter-Raster weisen bei Weitem nicht die mit Messungen vergleichbaren homogenen Feldstärkeverläufe auf. Abbildung 22 veranschaulicht gut, wie unrealistisch sprunghaft sich die Prognosewerte im engen Raster ändern. Die Rechnung im 200 Meter-Raster liefert im Vergleich dazu homogenere Werte. Ebenso ist die Prognose für eine Antennenhöhe von 1,5 Meter nicht zielführend. Die Werte sind vielfach identisch mit den Werten für 10 Meter Antennenhöhe oder weisen unrealistische Feldstärkesprünge auf, die es so in der Realität niemals geben kann, insbesondere nicht bei Verwendung der vertikalen Polarisation, bei der die Höhenabhängigkeit der Feldstärke gegenüber Signalen mit horizontaler Polarisation erfahrungsgemäß praktisch deutlich geringer ausgeprägt ist.

18. Einfluss von Reflexionen auf den DAB+-Empfang (Rayleigh-Kanal)

Dem DAB+-System wird häufig als Vorteil zu Gute gehalten, es wäre gegenüber Reflexionen resistent und könnte sogar aus mehreren reflektierten Signalkomponenten oder solchen von Gleichwellensendern bei Einhaltung des Guardintervalls einen Systemgewinn erzielen. Diese Aussagen sind zwar im Prinzip richtig aber auch nicht uneingeschränkt zutreffend. Nach den Empfangsbeobachtungen beim Strahlungsversuch scheint es so zu sein, dass der Systemgewinn nur dann zu erzielen ist, wenn ein dominierendes Bezugsträgersignal permanent vorhanden ist. Bricht das Bezugssignal wegen lokaler Abschattungen unvermittelt ein, wie das im Verlauf der Messstrecke 1 beobachtet werden konnte, kommt es augenblicklich zu Empfangsaussetzern (Synchronisationsverlust im Datenstrom) selbst dann, wenn die Summenfeldstärke aus den verbleibenden Reflexionsanteilen noch 60 dBμV/m erreicht. Mehrere (reflektierte) schwachbrüstige Signale ersetzen also keinesfalls einen kontinuierlich präsenten dominierenden Best-Server bzw. sind dazu nicht gleichwertig. Ein möglicher Systemgewinn muss also immer in Relation zum Best-Server gesehen und bewertet werden. Der beobachtete Anstieg der erforderlichen Mindestnutzfeldstärken an der Empfangsantenne im realen Funkfeld (Rayleigh-Kanal) in Gebieten mit ausgeprägten Reflexionen weisen auf eine mögliche destruktive Wirkung eines Signalgemisches ohne ausgeprägten Best-Server oder schnell wechselnden Best-Servern hin, auch wenn das Guardintervall dabei nicht verletzt wird. Die Ursache für den Effekt liegt in der zeitlichen Positionierung des FFT Processing Windows. Um die meisten Signalanteile konstruktiv zu nutzen, orientiert sich in der Praxis der Startzeitpunkt für das FFT-Fenster in der Regel am Ende des zyklischen Präfixes des stärksten Empfangssignals.

Die Erkenntnis kann Auswirkungen auf die Sendernetzplanung haben. So könnte es u.U. nachteilig sein, ein kleines Versorgungsgebiet oder eines Teils davon mit zwei Gleichwellensendern versorgen zu wollen, die dort konkurrierende Best-Server darstellen. Insoweit wäre auf eine entsprechende Entkopplung der Sender zu achten, die z.B. unter Ausnutzung von topographischen Gegebenheiten und mit den Antennenpattern realisiert werden kann.

Die Beobachtungen lassen erkennen, dass die ursprüngliche DAB+-Sendernetzkonzeption mit wenigen Hochleistungssendern in einem weitläufigen Gleichwellennetz mit großen auf das Guard-Intervall ausgerichteten Senderabständen wohl die insgesamt besten

Landesanstalt für Kommunikation Seite 50 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 51: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Versorgungsergebnisse liefert (wegen der Best-Server-Problematik). Die in Abbildung 20 dargestellten und messtechnisch erfassten Versorgungsergebnisse für den vom Fernsehturm abgestrahlten DAB+-Kanal 11B bestätigen diesen Eindruck überzeugend.

19. Durchführung und Auswertung von Empfangstests

Ein wesentliches Ziel des Strahlungsversuches war es herauszufinden, was den Hörer beim DAB+-Empfang leistungsschwacher lokaler Versorgungssender mit einfachen preisgünstigen portablen Empfängern erwartet. Bei der Durchführung der Tests ging es bewusst nicht um technische Detailfragen des Empfangs, die die Probanden ohnehin überfordert hätten, sondern nur darum, ob vorzugsweise im Indoor-Bereich der Empfang der Testaussendungen störungsfrei möglich war oder nicht. Entsprechend einfach wurden die Auswertebögen zur Dokumentation der Ergebnisse gestaltet. Letzlich war am zufällig ausgewählten Empfangsort, vorzugsweise in Wohnungen, lediglich festzustellen, ob die fünf Testkanäle (Services) störungsfrei empfangbar waren oder nicht. Die Auswahl der Empfänger war wohl wissend, dass die Empfangsergebnisse geräteabhängig erheblich streuen können, nicht nach bestimmten Kriterien ausgewählt worden. Überwiegend kam das Gerät Sony Modell XDR S60DBP als Testempfänger zum Einsatz, wobei andere DAB+-Geräte nicht kategorisch ausgeschlossen waren. Der preisgünstige und relativ handliche portable Sony-Empfänger (Preis um 90 EUR) schneidet bei Empfängertests vergleichsweise gut ab, ist unkompliziert in der Bedienung und weist bei guten HF-Eigenschaften (überdurchschnittliche Empfindlichkeit) eine gute Klangqualität des akustisch wiedergegebenen Audiosignals auf, was in dieser Geräteklasse nicht selbstverständlich ist. Die verfügbaren fünf über getrennte Tasten abrufbaren Speicherplätze waren hervorragend geeignet, die fünf Testkanäle zu programmieren, um Verwechslungen der mit dem identischen Audiosignal encodierten fünf Subchannel im Test-Multiplex auszuschließen. Die fünf unterschiedlich encodierten Service Components (Servicekomponenten) erhielten zur Unterscheidung die Service-Namen FRS 1 bis FRS 5. FRS steht dabei für das Freie Radio für Stuttgart, das den Audio-Content freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat (Musikbeiträge aus der vorproduzierten und für die UKW-Verbreitung regulär verwendeten Endlos-Disc).

Die Tester waren angehalten, neben dem DAB+-Testsender am Standort Funkhaus drei weitere DAB+-Audio-Services und zwei UKW-Frequenzen zu empfangen und die Ergebnisse zu protokollieren. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Programme bzw. Sender:

DAB+ Kanal 5A Schlagerparadies (Bundes-Mux; Fernmeldeturm)

DAB+ Kanal 9D SWR 4 Ulm (Fernsehturm)

DAB+ Kanal 11B Schwarzwaldradio (Fernsehturm)

UKW 99,2 MHz Freies Radio für Stuttgart (Stuttgart-Münster)

UKW 99,6 MHz SWR 1 (Funkhaus)

Die beiden UKW-Frequenzen strahlen die angegebenen Programme mit einer zum DAB+-Testsender vergleichbaren Strahlungsleistung ab (99,2 MHz: Stuttgart-Münster, Standort nördlich vom Funkhaus, 300 Watt; 99,6 MHz, selber Standort wie Testsender; 500 Watt). Dadurch bietet sich die Gelegenheit, nebenbei die Qualität des DAB+-Empfangs mit der des UKW-Empfangs zu vergleichen. Die Beurteilung der Qualität des UKW-Empfangs erfolgte anhand der international eingeführten Bewertungsskala für Audiosignale von 1 bis 5 (1 = stark gestört, 5 = störungsfrei).

Landesanstalt für Kommunikation Seite 51 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 52: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Die Empfangsergebnisse für die drei leistungsstarken DAB+-Kanäle dienen hauptsächlich dazu, die Unterschiede zur städtischen Versorgung mit leistungsschwachen DAB+-Sendern zu analysieren.

Als noch störungsfrei galt der DAB+-Empfang an einem Testort, wenn wenigstens die Hälfte der Empfangsversuche, bei denen das Gerät an üblichen Plätzen in der Wohnung aufzustellen war, zu einem positiven Ergebnis führte (über 50 prozentige Ortswahrscheinlichkeit). Bei den Empfangstest hat sich herausgestellt, dass störungsfreier Empfang bei DAB+ keinesfalls nur ein Problem des Aufstellungsortes ist sondern vor allem auch eines der Zeit ist. So kommt es vor, dass der DAB+-Empfang über Stunden an einem bestimmten Ort einwandfrei funktioniert und plötzlich ohne Veränderungen an den Empfangsbedingungen vorgenommen zu haben, dort kein Empfang mehr möglich ist. Vermutlich sind die Ursachen in Störpotenzialen zu suchen, die zeitabhängig mit unterschiedlicher Intensität und Frequenzen in den Empfangskanal fallen. Zumindest besteht in einem konkreten Fall der Verdacht, dass sich der DAB+-Empfang immer nach der Inbetriebnahme von PC-Systemen und Monitoren im selben Raum dramatisch verschlechtert. Solche Phänomene können vom DAB+-Hörer ohne spezifischen HF-Kenntnisse kaum nachvollzogen werden, weil sie sich nicht wie das beim analogen Empfang der Fall ist, mit Störgeräuschen im Audiosignal bemerkbar machen. Mehrere Tester berichteten jedenfalls von zeitabhängigen Ausfällen, für die sie keine Erklärung finden konnten. Zur Ursachenforschung wäre es in diesen Fällen notwendig, mit Hilfe eines Spektrumanalysators das HF-Empfangssignal aufwändig zu analysieren. Nur so wäre es möglich, die beobachteten Empfangsstörungen bei DAB+ abschließend zu bewerten.

20. Fehlerschutzmechanismen (Protection Level) bei DAB

Der DAB-System-Standard [3] legt die Art und Weise fest, wie Services (Audio-Programme) unter Verwendung von MPEG Layer II (MUSICAM) als originärer Grundbaustein in das DAB-System eingebunden werden. Ergänzend dazu definiert der Standard ETSI TS 102 563 [4] wie mit MPEG 4 HE AAC v2 encodierte Audio-Programme als zusätzliche bzw. alternative Audio-Services in das System implementiert werden können und es zu DAB+ machen. Hinsichtlich des Fehlerschutzes verfügt DAB über einen Grundschutz, der für alle Services im MSC identisch ist und es in die Lage versetzt, eine begrenzte Anzahl von Fehlern zu korrigieren sowie eine Abschätzung über die Anzahl nicht korrigierbarer Fehler zu liefern. Das zusätzlich eingesetzte Interleaving mildert die häufig bei der Rundfunkübertragung auftretenden Bündelfehler ab. Selbst wenn die Grundfehlerschutzmechanismen an ihre Grenzen kommen, wirkt der explizit für MUSICAM eingeführte ungleichgewichtete Fehlerschutz, die sog. Unequal Error Protection (UEP) trotz auftretender Übertragungsfehler Ausfällen der Audiowiedergabe entgegen. UEP schützt, wie der Name verrät, nicht alle Bitgruppen im DAB-Datenrahmen gleichmäßig (um hohe Datenraten zu vermeiden). Die Schutzmechanismen sind so ausgelegt, dass bei massiv auftretenden Übertragungsfehlern die Audioübertragung nicht abrupt abbricht, sondern mit wenigen hochredundant geschützten Daten (die erste Bitgruppe mit Header, Bitzuweisungsinformationen und Informationen zu Skalenfaktoren und die vierte Gruppe mit den PAD und der zyklischen Blockprüfung –CRC) die Wiedergabe mit verminderter Qualität fortgesetzt werden kann. Zu hören ist in diesem Fall ein „Blubbern“.

Bei AAC-Services (DAB+) ist die UEP nicht einsetzbar. Statt dessen kommt ein gleichgewichtiger Fehlerschutz, Equal Error Protection (EEP) zur Anwendung, bei dem alle Datenbits mit derselben Redundanz versehen sind. Realisiert ist dieser Fehlerschutz mit einer Reed-Solomon-Codierung i.V. mit einem virtuellen Interleaver. Das Gesamtsystem ist in

Landesanstalt für Kommunikation Seite 52 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 53: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Abbildung 23 als Blockschaltbild dargestellt. Wie auch bei den Empfangstests festgestellt werden konnte, bricht die Audioübertragung abrupt ab, wenn ein massives Fehleraufkommen die Fehlerkorrekturmechanismen überfordern (hartes Ausstiegsverhalten).

Audio super framing

Reed solomon coder and

virtual interleaver

DAB main service

channel multiplexer

HE AAC v2 audio coder

Abbildung 23: Blockschaltbild der Implementierung des AAC-Audio-Coders als DAB-Service im MSC

21. Auswirkung des Fehlerschutzes (Protection Level) auf die Empfangsergebnisse

Beim Strahlungsversuch wurden insgesamt 5 Audio-Services im MSC mit unterschiedlichen Protection-Leveln konfiguriert, die nachstehend zusammengestellt sind:

1. DAB MUSICAM UEP Protection Level PL3, Coderate ca. 1/2

2. DAB+ AAC EEP Protection Level 1-A, Coderate 1/4

3. DAB+ AAC EEP Protection Level 2-A, Coderate 3/8

4. DAB+ AAC EEP Protection Level 3-A, Coderate 1/2

5. DAB+ AAC EEP Protection Level 4-A, Coderate 3/4

Die UEP bei der MUSICAM-Übertragung (UEP) wird am häufigsten mit dem Protection Level PL3 (von PL1 bis PL5) betrieben (= mittlerer Fehlerschutz), der auch hier beim Strahlungsversuch verwendet wurde.

Bei EEP kamen alle vier verfügbaren Protection Level (EEP 1-A – EEP 4-A) zum Einsatz. Eine Coderate von z.B. 1 /4 bedeutet, dass von angenommen 12 CUs im Subchannel 9 CUs allein für den Fehlerschutz gebraucht werden und nur 3 CUs effektiv für Nutzdaten zur Verfügung stehen (= höchster Fehlerschutz).

21.1 Auswertung von Empfangstests und Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen

Schon bei den ersten subjektiven Empfangstests stellte sich schnell heraus, dass sich mit dem Protection Level 4 (Ziffer 5) nur deutlich schlechtere Empfangsergebnisse erzielen lassen. Besonders beim Indoor-Empfang kommt es zu häufigeren Aussetzern oder es war schon gar kein DAB+-Empfang mehr möglich. Die Protection Level 1, 2 und 3 zeigen im Einzelfall hingegen ein kaum subjektiv unterscheidbares Verhalten. Lediglich durch die statistische Auswertung einer größeren Anzahl von Einzeltests lassen sich Unterschiede erkennen, wie im Folgenden noch gezeigt wird.

Ein subjektiver Vergleich der MUSICAM-Übertragung mit den DAB+-Subchannels ergab, dass die EEP-Protection Level 1 und 2 mit MUSICAM durchaus konkurrenzfähige Ergebnisse liefern, welche häufig sogar besser sind.

Der harte Ausstieg bei DAB+ stört im Grunde kaum, soweit die Protection Level 1 und 2 betrachtet werden. Durch die mit MUSICAM vergleichbare Empfangsleistung schneidet

Landesanstalt für Kommunikation Seite 53 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 54: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

DAB+ auch nach dem subjektiven Empfinden eher besser ab, weil dem Hörer das „Geblubbere“ im Grenzbereich bei mangelhafter Versorgung erspart bleibt. In gut geplanten Versorgungsgebieten sollte es solche problematischen Signalverhältnisse schon gar nicht geben. Am Rande eines Versorgungsgebietes ist es nahezu gleichgültig, ob sich der Empfangsausfall mit „Blubber“-Störungen kurz vorher ankündigt oder es gleich zu einem harten Ausstieg kommt. Im Praxistest hat sich gezeigt, dass oft nur wenige Hundert Meter zwischen dem Ausstieg von MUSICAM UEP 3 nach langem Geblubbere und DAB+/AAC EEP 1 mit hartem Ausstieg liegen. DAB+ erwies sich im Grenzbereich erstaunlich stabil.

Ein Blick auf die Auswerteergebnisse der durchgeführten Empfangstests bestätigt diese Einschätzung. Eine Auswertung über alle dokumentierten Empfangsbeurteilungen (indoor und outdoor) ist in der folgenden Tabelle 8 zusammengefasst. Der Auswertung liegen 111 wertbare Stichproben zu Grunde. Stichproben, die versehentlich außerhalb des prognostizierten Versorgungsgebietes gezogen wurden, blieben unberücksichtigt, um eine Verfälschung des Gesamtergebnisses zu vermeiden. Die in der Tabelle 8 zu den getesteten Kanälen (1. Zeile nach der Überschrift) angegebenen Prozentsätze beziehen sich auf positive Tests (Kriterium: „störungsfreier Empfang“) in Relation zur Gesamtzahl gewerteter Tests (Grundgesamtheit: 111 = 100 Prozent). Die Prozentsätze in der 2. Zeile nehmen Bezug auf den Kanal 11B (= 100 Prozent) bzw. auf den Kanal 12A EEP 3-A (= 100 Prozent) als Referenz. In der letzten Zeile ist bei allen Prozentangaben der Kanal 11B die Referenz.

5C 9D 11B 12A/UEP 3 12A/EEP 1 12A/EEP 2 12A/EEP 3 12A/EEP 4

92,8 % 93,7 % 97,3 % 55,0 % 62,2 % 54,1 % 47,7 % 36,0 %

95,4 % 96,3 % 100 % 115,3 % 130,4 % 113,4 % 100 % 75,5 %

95,4 % 96,3 % 100 % 56,5 % 63,9 % 55,6 % 49,0 % 37,0 %

Tabelle 8: Auswertung subjektiver Empfangsbeurteilungen von DAB-Kanälen beim Strahlungsversuch

Auch ohne detaillierte Analysen anstellen zu müssen wird deutlich, dass nur die Hochleistungssender (Kanäle 5C, 9D und 11B) wirklich gut empfangbar sind (Versorgungswahrscheinlichkeit p > 90 Prozent). Ebenso fällt die ausgeprägte Abhängigkeit der Empfangsergebnisse vom gewählten EEP-Protection Level des Kanal 12A-Kleinleistungssenders auf. Bei Verwendung des Protection Level EEP 4-A (Coderate ¾) verringert sich die Reichweite gegenüber Protection Level EEP 1-A (Coderate ¼) um beachtliche 42 Prozent. Ferner bestätigt die Auswertung die hohe Leistungsfähigkeit von DAB+/AAC im direkten Vergleich zu MUSICAM, sofern nur ein ausreichend hoher Fehlerschutz gewählt wird (EEP-Level <3). Mit dem EEP-Protection Level 1-A können sogar bessere Empfangsergebnisse erzielt werden als dies mit MUSICAM UEP 3 der Fall ist. Der Level 4 (EEP 4-A) ist hingegen unter den Bedingungen des untersuchten Versorgungsgebietes und den kennzeichnenden Merkmale des Senders nicht empfehlenswert.

22. Ergebnisse der subjektiven Empfangstests in Relation zur prognostizierten Feldstärke

Eine Geo-Referenzierung der Empfangsbewertungen mit der Feldstärkeprognose erlaubt es, in Verbindung mit einer differenziellen Wahrscheinlichkeitsrechnung für Feldstärkeklassen einen Bezug zwischen der Versorgungswahrscheinlichkeit und der erforderlichen Nutzfeldstärke (nach Prognose als Bezugsbasis) herzustellen. Das Ergebnis dieser Analyse für den Indoor-Empfang ist in Abbildung 24 mit dazugehöriger Trendlinie dargestellt.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 54 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 55: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Prognose-Nutzfeldstärke [dBμV/m]

Versorgungswahrscheinlichkeit [Prozent]

Werte nach Störmodell

Trendlinie

Auswertung

Indoor-Versorgungswahrscheinlichkeiten

Abbildung 24: Versorgungswahrscheinlichkeiten für Indoor-Empfang in Abhängigkeit der Nutzfeldstärke nach Prognose und subjektiver Empfangsbewertung (Ergebnisse des theoretischen Störmodells und der Empfangstests im Vergleich).

Bei den subjektiven DAB-Empfangstests gilt der DAB-Empfang als möglich, wenn ein positives Test-Resultat auf dem Kanal 12A wenigstens mit UEB PL3 sowie mit EEP 1-A bis EEP 3-A (UND-verknüpft) vorliegt. Bei den übrigen Kanälen entsprechend dem Empfangsergebnis auf den im Auswertebogen festgelegten Audioservices (vgl. Abschnitt 18).

Für eine Versorgungswahrscheinlichkeit von beispielsweise 80 Prozent Indoor-Empfang muss nach der Prognose eine Mindestnutzfeldstärke von 90 dBμV/m zur Verfügung stehen (senkrechte gestrichelte Linie in Abbildung 24). Im Diagramm sind zudem die Werte nach dem eingangs im Abschnitt 9 vorgestellten Störmodell zum Vergleich eingezeichnet. Dieses Modell liefert im Vergleich zur „realen“ Welt scheinbar optimistischere Ergebnisse. Der Grund liegt ganz einfach in der morphographisch bedingten zusätzlichen Signaldämpfung in der urbanen Umgebung, die anzusetzen ist, um von den Prognosewerten (in 10 Metern Höhe ohne Morphographie) auf die realen wirksamen Feldstärken im Außenbereich um die Gebäude (in städtischer Umgebung) zu gelangen. Wie sich aus dem Diagramm in Abbildung 24 herauslesen lässt, liegen diese Werte für die zusätzliche Signaldämpfung demnach ungefähr zwischen 10 bis 20 dB. Die in Abbildung 16 gezeigte Differenzkurve (Prognosewerte abzgl. Messwerte für Messstrecke 1 im Innenstadtbereich) weist eingedenk eines zu berücksichtigenden Höhenkorrekturfaktors (10/2,1 Metern) im Stadtbereich Werte zwischen 10 und weit über 20 dB aus (Maximalwert ca. 43 dB!). In freier Umgebung (vgl. Abbildung 22) sind die Zuschläge spürbar geringer und liegen bei –14 bis +20 dB). Insoweit weicht das eingangs vorgestellte theoretische Störmodell nicht besonders weit von den

Landesanstalt für Kommunikation Seite 55 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 56: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Ergebnissen der praktischen Empfangsbewertung unter den realen Feldverhältnissen beim Strahlungsversuch ab.

Wäre es möglich, die Feldstärke unter Berücksichtigung der Morphographie genauer zu prognostizieren, wären die Zuschläge natürlich geringer, wenn nicht sogar verzichtbar.

23. Anmerkungen zur Mindestnutzfeldstärke

Entgegen bisheriger Vorstellungen, entlehnt aus der Beschreibung konventioneller analoger Rundfunksysteme ist es bei DAB+ keineswegs so, mit festgelegten fixen Mindestnutzfeldstärken die Empfangbarkeit abschließend beurteilen zu können. Abhängig von der Konditionierung des Nutzfeldes und der Empfangsart (mobil, portabel, stationär) schwanken die erforderlichen Mindestnutzfeldstärken im Ergebnis der Messungen in einem weiten Bereich von ca. 20 dBμV/m (Gauß-Kanal) bis deutlich über 50 dBμV/m (für den komplexen Reighlay-Kanal). Die Feststellung führt dazu, dass es mit der bisherigen Methodik der Versorgungsberechnung kaum möglich sein wird, zu halbwegs realitätsnahen Prognosen bei DAB+ zu kommen. Schon die erhebliche Streuung der prognostizierten Feldstärken verbietet es, Aussagen zu kleinen Clustern eines Versorgungsgebietes zu machen. Notwendig wäre, die Feldstärke nicht nur als fixen Median zu prognostizieren und davon die Flächenabdeckung abhängig zu machen, sondern diesen Wert in einen Kontext der sich ausbildenden Feldverhältnisse einschließlich deren dynamischen Veränderungen zu setzen (komplexe Signalverhältnisse = hohe Nutzfeldstärke; Gauß-Kanal = niedrige Mindestnutzfeldstärke).

Nach dem aktuellen Stand der Feldstärkeprognose ist eine feldabhängige dynamische Anwendung von Mindestnutzfeldstärken nicht Stand der Technik. Vor diesem Hintergrund darf bezweifelt werden, ob die DAB+-Versorgung überhaupt prognosetechnisch beurteilt werden kann.

24. Exkurs zum Thema Audioqualität und Datenraten

Ein Vergleich der notwendigen Datenraten zwischen MUSICAM (DAB) und HE AAC v2 (DAB+) ist weniger eine Frage der technischen Festlegung, sondern hängt vor allem vom Anspruch an die Audioqualität und den zu übertragenden Audioinhalten ab. Vor der Einführung von DAB+ hat sich bei der Nutzung von MUSICAM in Deutschland eine Netto-Datenrate von 160 kbit/s etabliert, wobei oft auch noch 128 kbit/s akzeptiert werden. Um ähnliche Qualität mit HE AAC v2 zu erreichen, wird von etwa 80 kbit/s bzw. 72 kbit/s ausgegangen, wobei die Einschätzungen in der Praxis oft sehr variieren. HE AAC v2 ist sicherlich dazu geeignet, auch bei relativ niedrigen Bitraten noch akzeptable (aber nicht mehr unbedingt artefaktfreie) Audioübertragung zu ermöglichen. DAB+ wurde mit 80 kbit/s eingeführt und kann damit etwa doppelt so viele Audioprogramme in einem Ensemble übertragen wie das herkömmliche DAB-Übertragungsverfahren. Praktisch bedeutet das für DAB+ etwa 12 bis 18 Audioprogramme pro DAB-Ensemble. Umfangreiche praktische Erfahrungen sind in Testensembles ausgiebig gemacht worden. Dabei erreichte DAB+ eine höhere Akzeptanz. Positiv aufgefallen war bei den Benchmark-Tests, dass auch bei sehr niedrigem Empfangspegel die Audiosignale noch ohne hörbare Fehler decodiert wurden (unter günstigen Umständen noch mit Einganspegel von 10 dBμV bzw. Feldstärken um 20 dBμV möglich). Die Ergebnisse decken sich insoweit mit denen des Strahlungsversuches. Nach dem harten abrupten Systemausstieg ist bei DAB+ nichts mehr zu hören, weder rauscht (wie bei UKW) noch „blubbert“ es (wie beim MUSICAM-DAB) [5].

Landesanstalt für Kommunikation Seite 56 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 57: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

25. Der DAB+-Fernempfang

Versuche mit empfindlichen DAB+Empfängern ergaben, dass selbst mit nur noch 10 dBμV Antenneneingangsspannung ein störungsfreier DAB+-Empfang mit Spitzenreceivern möglich ist, wenn keine Störungen (Man-Made-Noise o.a.) und keine spektralen Deformationen des HF-Signals (durch Multipath-Ausbreitung; Rayleigh-Kanal) vorliegen. Beides kann mit einer guten stationären Antennenanlage (am besten über Dach) vermieden oder zumindest verringert werden. Selbst eine haushaltsübliche Band III-Antenne (VHF) und ein entsprechend empfindlicher Empfänger genügen also, um mit geringen Feldstärken ab etwa 20 dBμV/m DAB+-Signale respektive Programme zu empfangen. Zeitweise können über die troposphärische Ausbreitung im Band III Feldstärken in der genannten Größenordung und weit darüber von mehreren Hundert Kilometern entfernten Sendern erzeugt werden. DAB+ und die Frequenznutzung im Band III bieten also hervorragende Voraussetzungen für den Fernempfang. In Foren zeugen viele Berichte über erfolgreiche DAB+-Fernempfangsversuche über z.T. unglaubliche Entfernungen. Keine Empfangschancen gibt es hingegen, wenn...(siehe oben).

Gegenüber UKW kann DAB+ dank der hohen Empfangsleistung (geringere Empfängereingangspegel) im Prinzip mit viel besseren Ergebnissen aufwarten. Allerdings ist es so, dass Umstände eintreten können, die das Empfangserlebnis schnell trüben. Bedauerlich dabei ist (auch für das System DAB+ selbst), dass der Laie (Hörer) kaum in der Lage ist, die Ursachen von Empfangsstörungen selbst zu erkennen. Hinzu kommt, dass die Erwartungshaltung an den DAB+-Empfang im Indoor-Bereich mit portablen Geräten, die nur über eine angebaute Teleskopantenne verfügen, nicht uneingeschränkt erfüllt werden kann, weil das System dabei an seine Grenzen stößt. Wie gezeigt, sind dazu sehr hohe Nutzfeldstärken (Outdoor) Voraussetzung, die nur in geringen Entfernungen zum Sender angenommen werden können.

26. Der DAB+-Empfang im Vergleich mit UKW

Eine spannende Frage ist, welches der beiden Rundfunk-Systeme, der Versuchssender DAB+ oder die UKW-Sender 99,2 bzw. 99,6 MHz nun besser zu empfangen sind. Die Auswertung der Beurteilungen aus den Empfangstests führen zu den in den folgenden Diagrammen gezeigten Resultaten. DAB+ gilt als empfangbar, wenn die Protection Level EEP 1-A, 2-A und 3-A positive Ergebnisse aufweisen (mit UND-Verknüpfung). Bei UKW muss wenigstens bei der Signalbeurteilung die Bewertung „3“ (=wahrnehmbare Störungen) vorgelegen haben. Abbildung 25 zeigt die Auswertergebnisse für den Fall, dass beim Vergleich die UKW-Frequenz 99,6 MHz betrachtet wird. Diese Frequenz betreibt der SWR am gleichen Standort (Funkhaus), von dem aus auch der DAB+-Versuchssender abgestrahlt wurde.

In 34,2 Prozent der Fälle, also einem guten Drittel, kann DAB+ gut und UKW teilweise nur mäßig gut empfangen werden. Keinen brauchbaren Empfang, weder UKW noch DAB+, stellten die Tester in 28,4 Prozent der Empfangsversuche fest. Immerhin war mit einem Anteil von 23,4 Prozent der UKW-Empfang exklusiv noch dort möglich, wo DAB+- nicht mehr zu empfangen war. Umgekehrt war dies mit DAB+ nur in 13,5 Prozent der Fälle möglich. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die beim UKW-Empfang angenommene Bewertungsstufe „3“ sicher kein mit dem störungsfreien DAB+-Signal konkurrenzfähiges Qualitätsniveau darstellt. Trotzdem: Ein halbwegs noch möglicher Empfang ist immer noch besser als gar keiner.

Landesanstalt für Kommunikation Seite 57 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 58: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

28,8 %34,2 %

13,5 %23,4 %

UKW und DAB+ gleich gut empfangbar

UKW und DAB+ nicht empfangbar

UKW besser empfangbar

DAB+ besser empfangbar

UKW-Frequenz: 99,6 MHz

Abbildung 25: Vergleich der Empfangbarkeit UKW / DAB+; Frequenz 99,6 MHz Funkhaus, 500 Watt

Eine weitere verfahrenstechnisch identische Auswertung nun mit der Frequenz des Freien Radios für Stuttgart, 99,2 MHz, die Media Broadcast GmbH am höheren Standort Stuttgart-Münster (Kraftwerkskamin) betreibt, zeigt das nächste Diagramm in Abbildung 26.

In dem im Diagramm dargestellten Auswerteergebnis spiegelt sich die im Vergleich zur 99,6 MHz etwas geringere Interferenzbelastung der Frequenz 99,2 MHz und der höhere und damit deutlich bessere Senderstandort Stuttgart-Münster erkennbar wider. Das Ergebnis ist aus technischer Sicht insoweit plausibel. Im Übrigen wussten die Tester nichts von den hier dargestellten Hintergründen und beurteilten den Empfang insoweit ohne Voreingenommenheit. Der UKW Empfang legt gegenüber DAB+ weiter zu. Auch hier sei der Hinweis angebracht, dass die Audiosignalqualität beim UKW-Empfang natürlich nicht in allen Fällen mit dem Qualitätsstandard von DAB+ wirklich mithalten kann (Q > 2!).

Abbildung 26: Vergleich der Empfangbarkeit UKW / DAB+; Frequenz 99,2 MHz, S-Münster, 300 Watt

Um den Einfluss der Signalqualitätsbeurteilung beim Empfang der 99,2 MHz abschätzen zu können, geht die in Abbildung 27 wiedergegebene weitere Auswertung von einer höheren Mindeststufe bei der Qualitätsbeurteilung aus, nämlich mindestens 4 (=geringfügige

21,6 % 36,9 %

10,8 %

30,6 %

UKW und DAB+ gleich gut empfangbar

UKW und DAB+ nicht empfangbar

UKW besser empfangbar

DAB+ besser empfangbar

UKW-Frequenz: 99,2 MHz

Landesanstalt für Kommunikation Seite 58 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 59: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

hinnehmbare Störungen). Damit ist der UKW-Empfang eher mit der von DAB+ dem Hörer gebotenen Signalqualität vergleichbar.

27,7 % 28,6 %

19,6 % 24,1 %

UKW und DAB+ gleich gut empfangbar

UKW und DAB+ nicht empfangbar

UKW besser empfangbar

DAB+ besser empfangbar

UKW-Frequenz: 99,2 MHz Signalbewertung > 3

Abbildung 27: Vergleich der Empfangbarkeit UKW / DAB+; Frequenz 99,2 MHz S-Münster, 300 Watt

Die nun unterstellte höhere Signalqualität beim UKW-Empfang wirkt sich erkennbar auf die Einschätzung der Empfangbarkeit der betrachteten Systemvarianten aus. Verlangt der Hörer ein qualitativ gutes und ungestörtes Audiosignal (Q = 4, 5), ist die UKW-Reichweite gegenüber DAB+ nicht mehr besonders viel besser. Beide Systeme liegen so gesehen nur 4,5 Prozentpunkte auseinander. Würde man bei UKW die vergleichbare Audioqualität, die DAB+ bietet, verlangen (ausschließlich Qualitätsstufe 5), wäre jedenfalls DAB+ eindeutig im Vorteil.

Die Auswertung zeigt anschaulich, dass es letztendlich auf den Hörer selbst ankommt, welche Qualitätsmaßstäbe er anlegt und von welchen Reichweiten ein Veranstalter abhängig davon bei seiner Zielgruppe ausgehen kann. Die Betrachtung zeigt ferner, dass es beim UKW-Empfang keinen harten Ausstieg des Systems gibt, der eine restriktive nicht überwindbare Reichweitenbegrenzung darstellt, wie das bei DAB+ der Fall ist. Dadurch bietet das FM-System den Vorteil, auch weit unterhalb der Schwelle für den im eigentlichen Sinne „störungsfreien“ Empfang (audioseitiges CNR >= 50 dB) relativ brauchbare Empfangsergebnisse zu erzielen (bis zur FM-Schwelle mit audioseitigem CNR << 50 dB). Audioseitige CNR von 20 bis 30 dB halten viele Hörer durchaus noch für ausreichend, zumal da nicht bei allen Empfangssituationen, z.B. wenn Nebengeräusche im Raum vorliegen, die HiFi-Qualität im Fokus steht. DAB+ bietet diesen Vorzug systembedingt nicht.

Im Grunde sind die Ergebnisse nicht überraschend. Sie veranschaulichen nur das, was in Kenntnis der Merkmale beider Systeme zu erwarten war.

Fazit: Ob nun UKW oder DAB+ im Vergleich besser abschneiden, ist nur eine Frage der Qualitätsansprüche und des Standpunktes. Einen wirklich erkennbaren versorgungstech-

Landesanstalt für Kommunikation Seite 59 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 60: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

nischen Benefit bietet DAB+ für die lokale Versorgung unter der Annahme der haushalts-üblichen Empfangssituationen15 mit Kleinleistungssendern jedenfalls nicht.

27. Die lokale DAB+-Versorgung mit Kleinleistungssendern – eine Bewertung

Eine eigenständige DAB+-Versorgung mit einem Kleinleistungssender auf einem niedrigen Standort ist über kurze Entfernungen von wenigen Kilometern im unteren einstelligen Bereich möglich (mit 200 Watt Strahlungsleistung ist bis zu Entfernungen von 3 km zum Sender von gutem Inhouse-Empfang auszugehen). Beim Strahlungsversuch reichte die Versorgungskapazität des Senders nicht aus, um den ganzen Innenstadtbereich von Stuttgart abzudecken und dort eine befriedigende Mobilversorgung bzw. einen brauchbaren Indoor-Empfang zu gewährleisten. Die Nutzfeldstärken eines Senders unterliegen im städtischen Umfeld hohen zusätzlichen Dämpfungen, so dass Prognosefeldstärken (in 10 Metern Höhe) von mindestens 80 dBμV/m, besser 90 dBμV/m im Band III flächendeckend notwendig sind, um Versorgungswahrscheinlichkeiten (Orts- und Zeitwahrscheinlichkeiten) für den Indoor-Empfang im erwarteten Maße zu erzielen (>50 Prozent der Orte und > 99 Prozent der Zeit ). Unter diesen Umständen ergeben sich mit Sendern kleiner Leistung unter 1 kW eher kleinteilige städtische Versorgungscluster, wie sie üblicherweise beim Mobilfunk anzutreffen sind. Eine flächendeckende Versorgung mit mehreren DAB+-Sendern in kleinen aneinander gereihten Funkzellen im Gleichwellenbetrieb bedarf einer sorgfältigen Netzplanung, um destruktive gegenseitige Beeinflussungen zu vermeiden (Best-Server-Problem). Ob sich mit einer kleinzelligen Netzplanung mit mehreren Sendern ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber einer Versorgung mit nur einem Sender höherer Leistung (>1 kW) an einem exponierten Standort z.B. am Rande des gewünschten lokalen Verbreitungsgebietes erzielen lässt, muss fraglich bleiben.

Der Strahlungsversuch hat gezeigt, dass ein DAB+-Kleinleistungssenderkonzept mit Strahlungsleistungen von weniger als 1 kW an niedrigen Standorten (Antennenhöhe <100 Meter) zur lokalen Versorgung eines urbanen Raumes mit komplexer topographischer Struktur, wie es das Stadtgebiet von Stuttgart gut repräsentiert, nicht ausreicht.

28. Zusammenfassung und Empfehlungen

Im Ergebnis des Strahlungsversuches hat sich herausgestellt, dass mit einem DAB+-Kleinleistungssender (200 W) an einem weniger exponierten Senderstandort (hier Funkhaus des SWR) keine adäquate Versorgung im Verbreitungsgebiet Stuttgart hergestellt werden kann. Adäquat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass in Bereichen außerhalb des im vorstehenden Abschnitt angegebenen Versorgungsradius die Inhouse-Versorgung und die Mobilversorgung den allgemein angenommenen und anerkannten technischen Qualitätsmaßstäben nicht genügt. Besonders wenn sich den Hörern Vergleichsmöglichkeiten in Form leistungsstarker DAB+-Ortssender mit 10 kW Strahlungsleistung und guter Empfangbarkeit bieten, wie es bei den Empfangstests stets der Fall war, führt an dieser Erkenntnis kein Weg vorbei. Die erforderlichen hohen Nutzfeldstärken stellen sich nur in verhältnismäßig kleinen Clustern um den Sender ein (bei 200 Watt Strahlungsleistung in einem Radius von ca. 3 bis 4 km um den Sender).

Ein Konzept mit Senderleistungen zwischen 1 und 2 kW an exponierten Standorten könnte hingegen mit rund 10 dB höheren Feldstärken bei wesentlich homogenerer Feldverteilung im 15 Empfang ohne besondere Antennen; z.B. mit Teleskopantenne am Gerät

Landesanstalt für Kommunikation Seite 60 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 61: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

geplanten Verbreitungsgebiet die festgestellten Mängel beheben. Eine steile Einstrahlung in das geplante Verbreitungsgebiet und klare Best-Server-Verhältnisse tragen mit dazu bei, eine gute DAB+-Versorgung in urbanen Versorgungsclustern zu gewährleisten, wie die Empfangstests als auch Messungen zeigten. Unter Einsatz hoch effizienter Linearendstufen mit Ausgangsleistungen bis 500 Watt und Sendeantennen in der Gewinnklasse bis 6 dB erscheint es mit moderner Sendertechnik (SDR) machbar, noch verhältnismäßig preisgünstige DAB+-Sendeanlagen aufzubauen, die bei Verwendung eines hohen Fehlerschutzes (EEP 1-A) möglicherweise zur städtischen Lokalversorgung ausreichend sind. Der Vorschlag deckt sich insoweit auch mit der recherchierten Erkenntnislage in der Schweiz, wo inzwischen Strahlungsleistungen bis zu 4 kW bei den Lokalsendern zum Einsatz kommen.

Die sich aus einem solchen Senderkonzept ergebende Kostensituation bedarf einer gesonderten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, aus der sich die Rahmenbedingungen einer lokalen Netzplanung ergeben (bspw. Anzahl möglicher Senderstandorte). Immer steht ein alternativer Planungsansatz unter den wirtschaftlichen Benchmarks der leistungsfähigeren DAB+-Sendernetze mit Hochleistungssendern und sollte diese Kosten deutlich unterschreiten.

R. Kretzschmann

Stuttgart, 24.09.2015

Landesanstalt für Kommunikation Seite 61 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 62: Untersuchungen DAB Insel

DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Quellenverzeichnis

[1] MINIMUM SPECIFICATIONS FOR DAB AND DAB+ PERSONAL AND DOMESTIC DIGITAL RADIO RECEIVERS, Digital Radio Action Plan Report des DCMS (GB); veröffentlicht Juni 2013

[2] Eigenschaften von DAB-Empfängern; Deutsche Fassung EN 50248:2001; Ersatz für DIN EN 50248:1998-07

[3] Radio Broadcasting Systems; Digital Audio Broadcasting (DAB) to mobile, portable and fixed receivers; ETSI EN 300 401

[4] Digital Audio Broadcasting (DAB);Transport of Advanced Audio Coding (AAC) audio; ETSI TS 102 563

[5] Wikipedia, Thema:Digital Audio Broadcasting http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Audio_Broadcasting

Landesanstalt für Kommunikation Seite 62 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann

Page 63: Untersuchungen DAB Insel

Anlage 1 DAB+-Strahlungsversuch Stuttgart

Empfang störungsfrei Empfang gestört / nicht empfangbar

Abbildung A1: Auswertung der Indoor-Empfangstests, Kanal 12A mit AAC EEP 3-A Audioservice

Landesanstalt für Kommunikation Seite 63 / 63 Datum: 24.09.2015 Technische Abteilung Bearbeiter: R. Kretzschmann