Untersuchungen zum Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

12
Glasbau 2014. 1. Auflage. Herausgegeben von Bernhard Weller, Silke Tasche. © 2014 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2014 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Untersuchungen zum Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test Johannes Franz 1 , Jens Schneider 1 , Johannes Kuntsche 1 , Jonas Hilcken 1 1 Technische Universität Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, Franziska- Braun-Straße 3, 64287 Darmstadt, Deutschland Das Adhäsionsverhalten von Verbundglas ist eine wichtige Eigenschaft, die Aussagen bezüglich der Eignung der Folie für bestimmte Anwendungsfälle zulässt. Diese lässt sich mit dem sogenann- ten Through-Cracked-Tensile Test (TCT Test) untersuchen, bei welchem beide Glasscheiben eines VSG senkrecht zur Zugrichtung in der Mitte gebrochen und anschließend einem Zugversuch unter- worfen werden. Dadurch muss an der Bruchstelle die Zugkraft vollständig von der Zwischenschicht übertragen werden. Im Rahmen der durchgeführten Versuche wurden drei unterschiedliche Wegra- ten und drei Haftgrade (gering, mittel, hoch) geprüft. Ziel ist es, den Einfluss dieser Parameter auf das Delaminationsverhalten zwischen Folie und Glas zu ermitteln. Investigation of the post-breakage behavior of laminated glass: Through-Cracked-Tensile test. The adhesion behavior of laminated glass is an important property that allows conclusions about the suitability of the interlayer material for certain applications. This can be investigated by the Through-Cracked-Tensile test (TCT test). The TCT test is an uniaxial tensile test on laminated glass, in which both glass perpendicular to the tensile direction in the middle are broken. Therefore the interlayer must transfer the tensile at this region. In the scope of the performed TCT tests three displacement rates and three different adhesions grades (low, medium, high) were investigated. The aim of the tests is to determine the influence of these parameters on the behavior of the delam- ination between the interlayer and the glass. Schlagwörter: VSG, Adhäsion, Delamination, TCT Test, Energiefreisetzungsrate Keywords: laminated glass, adhesion, delamination, TCT test, energy release rate 1 Einleitung Verbundsicherheitsglas (VSG) besteht aus mindestens zwei Glasscheiben, die mit einer Folie als Zwischenschicht zu einem Paket zusammenlaminiert werden. Bei einem Bruch der Glasscheiben haften die Bruchstücke an der Folie und das Risiko von Schnitt- oder Stichverletzungen wird minimiert. Zusätzlich wird durch die Verbundwirkung eine Resttragfähigkeit der Glasscheiben ermöglicht. Üblicherweise werden derzeit im Bau- wesen Folien aus Polyvinylbutyral (PVB) eingesetzt. Das Adhäsions- bzw. Delaminationsverhalten der Folie zum Glas ist eine wichtige Ei- genschaft, die Aussagen bezüglich der Resttragfähigkeit unter verschiedenen Belastun- gen (Art, Dauer und Intensität) nach dem Bruch der Scheiben zulässt. Untersuchungen

Transcript of Untersuchungen zum Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Glasbau 2014. 1. Auflage.Herausgegeben von Bernhard Weller, Silke Tasche.© 2014 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2014 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Untersuchungen zum Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Johannes Franz1, Jens Schneider1, Johannes Kuntsche1, Jonas Hilcken1

1 Technische Universität Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, Franziska-

Braun-Straße 3, 64287 Darmstadt, Deutschland

Das Adhäsionsverhalten von Verbundglas ist eine wichtige Eigenschaft, die Aussagen bezüglich der Eignung der Folie für bestimmte Anwendungsfälle zulässt. Diese lässt sich mit dem sogenann-ten Through-Cracked-Tensile Test (TCT Test) untersuchen, bei welchem beide Glasscheiben eines VSG senkrecht zur Zugrichtung in der Mitte gebrochen und anschließend einem Zugversuch unter-worfen werden. Dadurch muss an der Bruchstelle die Zugkraft vollständig von der Zwischenschicht übertragen werden. Im Rahmen der durchgeführten Versuche wurden drei unterschiedliche Wegra-ten und drei Haftgrade (gering, mittel, hoch) geprüft. Ziel ist es, den Einfluss dieser Parameter auf das Delaminationsverhalten zwischen Folie und Glas zu ermitteln.

Investigation of the post-breakage behavior of laminated glass: Through-Cracked-Tensile test. The adhesion behavior of laminated glass is an important property that allows conclusions about the suitability of the interlayer material for certain applications. This can be investigated by the Through-Cracked-Tensile test (TCT test). The TCT test is an uniaxial tensile test on laminated glass, in which both glass perpendicular to the tensile direction in the middle are broken. Therefore the interlayer must transfer the tensile at this region. In the scope of the performed TCT tests three displacement rates and three different adhesions grades (low, medium, high) were investigated. The aim of the tests is to determine the influence of these parameters on the behavior of the delam-ination between the interlayer and the glass.

Schlagwörter: VSG, Adhäsion, Delamination, TCT Test, Energiefreisetzungsrate

Keywords: laminated glass, adhesion, delamination, TCT test, energy release rate

1 Einleitung

Verbundsicherheitsglas (VSG) besteht aus mindestens zwei Glasscheiben, die mit einer Folie als Zwischenschicht zu einem Paket zusammenlaminiert werden. Bei einem Bruch der Glasscheiben haften die Bruchstücke an der Folie und das Risiko von Schnitt- oder Stichverletzungen wird minimiert. Zusätzlich wird durch die Verbundwirkung eine Resttragfähigkeit der Glasscheiben ermöglicht. Üblicherweise werden derzeit im Bau-wesen Folien aus Polyvinylbutyral (PVB) eingesetzt.

Das Adhäsions- bzw. Delaminationsverhalten der Folie zum Glas ist eine wichtige Ei-genschaft, die Aussagen bezüglich der Resttragfähigkeit unter verschiedenen Belastun-gen (Art, Dauer und Intensität) nach dem Bruch der Scheiben zulässt. Untersuchungen

242 Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

hinsichtlich des Resttragverhaltens im Rahmen eines Forschungsprojektes des Deut-schen Institut für Bautechnik (DIBt) haben gezeigt, dass der Through-Cracked-Tensile Test (TCT Test) ein geeignetes Verfahren zur Beurteilung des Delaminationsverhaltens darstellt [1]. Der TCT Test ist ein adaptiertes Versuchsverfahren des Zugscherversuchs, der zur bruchmechanischen Parameterbestimmung von geklebten Verbindungen ver-wendet wird. In [2] wurde der Zugscherversuch für die Bestimmung eines kohäsiven Stoffgesetzes des Verbundes von VSG modifiziert und zur numerischen Berechnung des Delaminationsprozesses zwischen Glas und Zwischenschicht herangezogen. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse von TCT Tests mit PVB als Zwischenmaterial präsentiert. Im Rahmen der durchgeführten Versuche wurden drei unterschiedliche Wegraten und drei Haftgrade (gering, mittel, hoch) geprüft. Zusätzlich wurden zwei Abmessungen der Probekörper-Breite untersucht. Ziel der Untersuchungen ist es, den Einfluss dieser Parameter auf das Delaminationsverhalten zwischen Folie und Glas zu ermitteln. Dieses kann als freigesetzte Energie während des TCT Tests in Form einer Energiefreisetzungsrate quantifiziert werden. Verschiedene Veröffentlichungen haben diese Delaminationsenergie mit unterschiedlichen Stoffgesetzen ermittelt ([3]–[5]). In diesem Artikel werden für die durchgeführten Versuche die Delaminationsenergie mit einem linear-elastischen Stoffgesetz berechnet. In Tabelle 1-1 ist eine Übersicht der veröffentlichen Energiefreisetzungsraten G für unterschiedliche TCT Versuche gege-ben. Die Energiefreisetzungsrate ist neben einer möglichen Klassifizierung der VSG-Zwischenschichten für weiterführende Finite Elemente Berechnungen mit Kohäsivzo-nen-Elementen verwendbar, mit welchen das Resttragverhalten von gebrochenem Ver-bundglas numerisch abgebildet werden kann.

Tabelle 1-1 Veröffentlichte Energiefreisetzungsraten

Quelle Wegrate [mm/min] Foliendicke [mm] G [J/m2] Stoffgesetz

Seshadri [3] 60,00 0,76 284-929 hyperelastisch

Butchart [4] 15,48 0,36 258 viskoelastisch

Ferretti [5] 15,60 1,52 692 linear-elastisch

2 Through-Cracked-Tensile Test

Der TCT Test ist ein uniaxialer Zugversuch an Verbundglas, bei welchem beide Glas-scheiben senkrecht zur Zugrichtung in der Mitte gebrochen sind. Dadurch muss an der Bruchstelle die Zugkraft vollständig von der Folie übertragen werden (siehe Bild 1-1). Je nach Haftgrad der Folie zum Glas stellt sich bei der Einleitung der Folien-Zugkraft in die Glasscheiben eine unterschiedliche ausgeprägte Delamination zwischen Folie und Glas ein. Eine größere Delamination führt zu einem höheren Verformungsvermögen ∆l des gebrochenen Verbundglases aufgrund der größeren Folienausgangslänge l0 bei gleichbleibender technischer Folien-Bruchdehnung ɛt,B:

3 Energiefreisetzungsrate

𝜀𝜀𝑡𝑡𝑡𝑡𝑡 = ∆𝑙𝑙𝑙𝑙0

= 𝛿𝛿𝑎𝑎 = 𝑑𝑑𝛿𝛿

𝑑𝑑𝑎𝑎 . (2.1)

In dieser Betrachtung bestimmt sich die technische Spannung zu

𝜎𝜎 = 𝑃𝑃𝐴𝐴0

= 𝑃𝑃𝑏𝑏𝑏 . (2.2)

Bild 1-1 Schematische Darstellung des TCT Tests und Versuchsaufbau

3 Energiefreisetzungsrate

Energiefreisetzungsrate

Der allgemeine kontinuumsmechanische Energiesatz unter einer quasistatischen Belas-tung besagt, dass die Änderung der inneren Energie in einem Körper ��� gleich der verrichteten Arbeit der äußeren Kräfte �� ist [6]. Es wird angenommen, dass die äuße-ren Kräfte ein Potential besitzen ��� � −��. Der Delaminationsprozess zwischen Glas und Zwischenschicht wird als irreversibler Bruchvorgang angenommen. Der Delamina-tionsprozess geht mit der Schaffung neuer Oberflächen einher, die im Folgenden in der freigesetzten Energie berücksichtigt wird. Damit lautet der Energiesatz bezogen auf das Flächeninkrement der Delamination ��

243Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

hinsichtlich des Resttragverhaltens im Rahmen eines Forschungsprojektes des Deut-schen Institut für Bautechnik (DIBt) haben gezeigt, dass der Through-Cracked-Tensile Test (TCT Test) ein geeignetes Verfahren zur Beurteilung des Delaminationsverhaltens darstellt [1]. Der TCT Test ist ein adaptiertes Versuchsverfahren des Zugscherversuchs, der zur bruchmechanischen Parameterbestimmung von geklebten Verbindungen ver-wendet wird. In [2] wurde der Zugscherversuch für die Bestimmung eines kohäsiven Stoffgesetzes des Verbundes von VSG modifiziert und zur numerischen Berechnung des Delaminationsprozesses zwischen Glas und Zwischenschicht herangezogen. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse von TCT Tests mit PVB als Zwischenmaterial präsentiert. Im Rahmen der durchgeführten Versuche wurden drei unterschiedliche Wegraten und drei Haftgrade (gering, mittel, hoch) geprüft. Zusätzlich wurden zwei Abmessungen der Probekörper-Breite untersucht. Ziel der Untersuchungen ist es, den Einfluss dieser Parameter auf das Delaminationsverhalten zwischen Folie und Glas zu ermitteln. Dieses kann als freigesetzte Energie während des TCT Tests in Form einer Energiefreisetzungsrate quantifiziert werden. Verschiedene Veröffentlichungen haben diese Delaminationsenergie mit unterschiedlichen Stoffgesetzen ermittelt ([3]–[5]). In diesem Artikel werden für die durchgeführten Versuche die Delaminationsenergie mit einem linear-elastischen Stoffgesetz berechnet. In Tabelle 1-1 ist eine Übersicht der veröffentlichen Energiefreisetzungsraten G für unterschiedliche TCT Versuche gege-ben. Die Energiefreisetzungsrate ist neben einer möglichen Klassifizierung der VSG-Zwischenschichten für weiterführende Finite Elemente Berechnungen mit Kohäsivzo-nen-Elementen verwendbar, mit welchen das Resttragverhalten von gebrochenem Ver-bundglas numerisch abgebildet werden kann.

Tabelle 1-1 Veröffentlichte Energiefreisetzungsraten

Quelle Wegrate [mm/min] Foliendicke [mm] G [J/m2] Stoffgesetz

Seshadri [3] 60,00 0,76 284-929 hyperelastisch

Butchart [4] 15,48 0,36 258 viskoelastisch

Ferretti [5] 15,60 1,52 692 linear-elastisch

2 Through-Cracked-Tensile Test

Der TCT Test ist ein uniaxialer Zugversuch an Verbundglas, bei welchem beide Glas-scheiben senkrecht zur Zugrichtung in der Mitte gebrochen sind. Dadurch muss an der Bruchstelle die Zugkraft vollständig von der Folie übertragen werden (siehe Bild 1-1). Je nach Haftgrad der Folie zum Glas stellt sich bei der Einleitung der Folien-Zugkraft in die Glasscheiben eine unterschiedliche ausgeprägte Delamination zwischen Folie und Glas ein. Eine größere Delamination führt zu einem höheren Verformungsvermögen ∆l des gebrochenen Verbundglases aufgrund der größeren Folienausgangslänge l0 bei gleichbleibender technischer Folien-Bruchdehnung ɛt,B:

3 Energiefreisetzungsrate

𝜀𝜀𝑡𝑡𝑡𝑡𝑡 = ∆𝑙𝑙𝑙𝑙0

= 𝛿𝛿𝑎𝑎 = 𝑑𝑑𝛿𝛿

𝑑𝑑𝑎𝑎 . (2.1)

In dieser Betrachtung bestimmt sich die technische Spannung zu

𝜎𝜎 = 𝑃𝑃𝐴𝐴0

= 𝑃𝑃𝑏𝑏𝑏 . (2.2)

Bild 1-1 Schematische Darstellung des TCT Tests und Versuchsaufbau

3 Energiefreisetzungsrate

Energiefreisetzungsrate

Der allgemeine kontinuumsmechanische Energiesatz unter einer quasistatischen Belas-tung besagt, dass die Änderung der inneren Energie in einem Körper ��� gleich der verrichteten Arbeit der äußeren Kräfte �� ist [6]. Es wird angenommen, dass die äuße-ren Kräfte ein Potential besitzen ��� � −��. Der Delaminationsprozess zwischen Glas und Zwischenschicht wird als irreversibler Bruchvorgang angenommen. Der Delamina-tionsprozess geht mit der Schaffung neuer Oberflächen einher, die im Folgenden in der freigesetzten Energie berücksichtigt wird. Damit lautet der Energiesatz bezogen auf das Flächeninkrement der Delamination ��

244 Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎

𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 = 0 . (3.1)

Der irreversible Bruchvorgang wird in der Bruchmechanik als Energiefreisetzungsrate 𝐺𝐺 definiert

𝐺𝐺 = 𝐺 𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 = 𝐺 𝑑𝑑𝑑

𝑏𝑏𝑑𝑑𝑎𝑎 = 𝐺 𝑑𝑑𝑑𝑖𝑖+𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎𝑏𝑏𝑑𝑑𝑎𝑎 , (3.2)

wobei 𝑑𝑑𝑎𝑎 der Rissfortschritt entlang der Rissfront ist.

Die Änderung der inneren Energie eines Körpers wird auch Formänderungsenergie oder Verzerrungsenergie genannt. Für elastische Materialien ist diese

𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎 = ∬𝜎𝜎(𝜎𝜎) 𝑑𝑑𝜎𝜎 𝑑𝑑𝜎𝜎 = 𝑏𝑏𝜎 𝑑𝑑𝑎𝑎 𝜎 𝜎𝜎(𝜎𝜎) 𝑑𝑑𝜎𝜎. (3.3)

Das äußere Potential ist die verrichtete Arbeit der äußeren Kräfte und lässt sich mit den Gleichungen (2.1) und (2.2) in der Form

𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎 = 𝐺𝑃𝑃𝑑𝑑𝑃𝑃 = 𝐺𝑃𝑃𝜎𝜎𝑑𝑑𝑎𝑎 = 𝐺𝜎𝜎𝑏𝑏𝜎𝜎𝜎𝑑𝑑𝑎𝑎 (3.4)

darstellen. Damit ergibt sich die Energiefreisetzungsrate nach Gleichung (3.2) für elasti-sche Materialien zu

𝐺𝐺 = 𝜎(𝜎𝜎𝜎𝜎 𝐺 𝜎𝜎𝜎(𝜎𝜎)𝑑𝑑𝜎𝜎) . (3.5)

In [3] sind die Energiefreisetzungsraten für unterschiedliche elastische Materialen dar-gestellt. Im Rahmen der hier untersuchten Versuche wurde von einem linear-elastischen Materialverhalten der PVB-Folien bis zum Erreichen des stationären Spannungs- und Dehnungsniveaus, die Voraussetzung für einen konstanten Delaminationsprozess sind, ausgegangen. Dann gibt es einen linearen Zusammenhang zwischen Spannung und Verzerrung, der durch das Hooke'sche Gesetz beschrieben wird:

𝜎𝜎 = 𝜎𝜎𝜎𝜎 . (3.6)

Dadurch lässt sich die Energiefreisetzungsrate vereinfachen zu

𝐺𝐺 = 12 𝜎𝜎𝜎𝜎𝜎 = 𝑃𝑃𝜎

2𝑑𝑑𝑃𝑃𝑑𝑑𝑎𝑎 . (3.7)

4 Versuche

4 Versuche

4.1 Versuchsdurchführung

Probekörper

Die untersuchten VSG-Probekörper aus 2 x 3 mm Floatglas mit einer 1,52 mm dicken PVB-Folie wurden mit drei unterschiedlichen Haftgraden (gering, mittel, hoch) von der Firma Trosifol hergestellt. Um die Haftgrade zu quantifizieren, wurde aus der identi-schen Folienrolle der TCT Proben und im selben Laminierungsprozess zusätzliche Pro-bekörper hergestellt, die einem Pummeltest unterzogen wurden. Der Pummeltest ist ein etablierter Versuch, der von den Herstellern für die Qualitätskontrolle der Folienhaftung nach dem Laminierungsprozess herangezogen wird. Dabei wird der Haftgrad auf einer Skala von 1 (geringe Haftung) bis 10 (hohe Haftung) eingestuft. In Bild 4-1 sind Ergeb-nisse des Pummeltests für die drei untersuchten Haftgrade dargestellt. Es ist ersichtlich, dass zwischen BG R10 (gering) und BG R15 (mittel) die Unterschiede in der Adhäsion nicht so groß sind, wie zu dem hohen Haftgrad BG R20. Um einen Einfluss der Probe-körperbreite bei dem TCT Test auf die Energiefreisetzungsrate zu untersuchen, wurden zwei verschiedene Breiten untersucht. Die Abmessungen der Proben und der Probenum-fang sind in Tabelle 4-1 dargestellt. Bild 4-2 zeigt einen Probekörper nach dem Brechen der oberen und unteren Glasscheibe. Hierbei wurde darauf geachtet, dass bei dem Bruchvorgang keine Delamination zwischen Folie und Glas auftrat.

Tabelle 4-1 Versuchsumfang

Haftgrad Aufbau [mm] Anzahl b = 30/50 mm [-] Länge [mm]

BG R10 (gering) 3/1,52/3 20/27 200

BG R15 (mittel) 3/1,52/3 20/27 200

BG R20 (hoch) 3/1,52/3 23/27 200

245Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎

𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 = 0 . (3.1)

Der irreversible Bruchvorgang wird in der Bruchmechanik als Energiefreisetzungsrate 𝐺𝐺 definiert

𝐺𝐺 = 𝐺 𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 = 𝐺 𝑑𝑑𝑑

𝑏𝑏𝑑𝑑𝑎𝑎 = 𝐺 𝑑𝑑𝑑𝑖𝑖+𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎𝑏𝑏𝑑𝑑𝑎𝑎 , (3.2)

wobei 𝑑𝑑𝑎𝑎 der Rissfortschritt entlang der Rissfront ist.

Die Änderung der inneren Energie eines Körpers wird auch Formänderungsenergie oder Verzerrungsenergie genannt. Für elastische Materialien ist diese

𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎 = ∬𝜎𝜎(𝜎𝜎) 𝑑𝑑𝜎𝜎 𝑑𝑑𝜎𝜎 = 𝑏𝑏𝜎 𝑑𝑑𝑎𝑎 𝜎 𝜎𝜎(𝜎𝜎) 𝑑𝑑𝜎𝜎. (3.3)

Das äußere Potential ist die verrichtete Arbeit der äußeren Kräfte und lässt sich mit den Gleichungen (2.1) und (2.2) in der Form

𝑑𝑑𝑑𝑎𝑎 = 𝐺𝑃𝑃𝑑𝑑𝑃𝑃 = 𝐺𝑃𝑃𝜎𝜎𝑑𝑑𝑎𝑎 = 𝐺𝜎𝜎𝑏𝑏𝜎𝜎𝜎𝑑𝑑𝑎𝑎 (3.4)

darstellen. Damit ergibt sich die Energiefreisetzungsrate nach Gleichung (3.2) für elasti-sche Materialien zu

𝐺𝐺 = 𝜎(𝜎𝜎𝜎𝜎 𝐺 𝜎𝜎𝜎(𝜎𝜎)𝑑𝑑𝜎𝜎) . (3.5)

In [3] sind die Energiefreisetzungsraten für unterschiedliche elastische Materialen dar-gestellt. Im Rahmen der hier untersuchten Versuche wurde von einem linear-elastischen Materialverhalten der PVB-Folien bis zum Erreichen des stationären Spannungs- und Dehnungsniveaus, die Voraussetzung für einen konstanten Delaminationsprozess sind, ausgegangen. Dann gibt es einen linearen Zusammenhang zwischen Spannung und Verzerrung, der durch das Hooke'sche Gesetz beschrieben wird:

𝜎𝜎 = 𝜎𝜎𝜎𝜎 . (3.6)

Dadurch lässt sich die Energiefreisetzungsrate vereinfachen zu

𝐺𝐺 = 12 𝜎𝜎𝜎𝜎𝜎 = 𝑃𝑃𝜎

2𝑑𝑑𝑃𝑃𝑑𝑑𝑎𝑎 . (3.7)

4 Versuche

4 Versuche

4.1 Versuchsdurchführung

Probekörper

Die untersuchten VSG-Probekörper aus 2 x 3 mm Floatglas mit einer 1,52 mm dicken PVB-Folie wurden mit drei unterschiedlichen Haftgraden (gering, mittel, hoch) von der Firma Trosifol hergestellt. Um die Haftgrade zu quantifizieren, wurde aus der identi-schen Folienrolle der TCT Proben und im selben Laminierungsprozess zusätzliche Pro-bekörper hergestellt, die einem Pummeltest unterzogen wurden. Der Pummeltest ist ein etablierter Versuch, der von den Herstellern für die Qualitätskontrolle der Folienhaftung nach dem Laminierungsprozess herangezogen wird. Dabei wird der Haftgrad auf einer Skala von 1 (geringe Haftung) bis 10 (hohe Haftung) eingestuft. In Bild 4-1 sind Ergeb-nisse des Pummeltests für die drei untersuchten Haftgrade dargestellt. Es ist ersichtlich, dass zwischen BG R10 (gering) und BG R15 (mittel) die Unterschiede in der Adhäsion nicht so groß sind, wie zu dem hohen Haftgrad BG R20. Um einen Einfluss der Probe-körperbreite bei dem TCT Test auf die Energiefreisetzungsrate zu untersuchen, wurden zwei verschiedene Breiten untersucht. Die Abmessungen der Proben und der Probenum-fang sind in Tabelle 4-1 dargestellt. Bild 4-2 zeigt einen Probekörper nach dem Brechen der oberen und unteren Glasscheibe. Hierbei wurde darauf geachtet, dass bei dem Bruchvorgang keine Delamination zwischen Folie und Glas auftrat.

Tabelle 4-1 Versuchsumfang

Haftgrad Aufbau [mm] Anzahl b = 30/50 mm [-] Länge [mm]

BG R10 (gering) 3/1,52/3 20/27 200

BG R15 (mittel) 3/1,52/3 20/27 200

BG R20 (hoch) 3/1,52/3 23/27 200

246 Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Bild 4-1 Ergebnisse des Pummeltests: a) BG R10, Pummel: 3-4; b) BG R15, 4-6; c) BG R20, Pummel: 8-9

Bild 4-2 TCT-Probe: senkrecht zur Zugrichtung gebrochene Glasscheiben

Versuchsdurchführung

Die durchgeführten TCT Tests wurden mit drei unterschiedlichen Wegraten (6, 600 bzw. 60.000 mm/min) bei Raumtemperatur 22 °C im Rahmen einer Masterthesis durch-geführt [7]. Die Versuchsreihe der beiden langsamen Wegraten wurden mit einer Prüf-maschine Zwick 050 THW (50 kN) geprüft. Die Versuchsreihe mit der hohen Wegrate wurde mit einer Hochgeschwindigkeitsprüfmaschine Zwick HTM 5020 (50 kN) am Frauenhofer LBF getestet. Die Prüfungen wurden optisch aufgenommen und ausgewer-tet, um den Schlupf der Probenkörper in der Einspannung zu berücksichtigen und um die Delamination zwischen Folie und Glas zu bestimmen. Um die verschiedenen Ver-suchsreihen (Wegrate) und -serien (Haftgrad) in den Probenbezeichnung zu unterschei-den, wurde für die Versuchsauswertung eine einheitliche Probenbezeichnung nach Tabelle 4-2 gewählt.

4 Versuche

Tabelle 4-2 Probenbezeichnung

Probenbezeichnung: x.y.z

x: Wegrate [mm/min] y: Folienart (Haftgrad) [-] z: Breite [mm]

x [mm/min] y [-] z [mm]

1 6 1 BG R10 30mm 30

2 600 2 BG R15 50mm 50

3 60.000 3 BG R20

4.2 Versuchsergebnisse

Die Versuchsergebnisse sind in Bild 4-3 zusammengefasst. Aufgrund der Übersicht und des beobachteten Streubereichs hinsichtlich der maximalen technischen Spannung nach Gleichung (2.2) der einzelnen Serien wurde für jede Serie eine repräsentative Probe dargestellt. Es wurden solche Proben ausgewählt, die ein stationäres Spannungsniveau aufweisen, das Voraussetzung zur Ermittlung der Energiefreisetzungsrate ist. Die unter-schiedlichen maximalen Spannungen, je nach Adhäsionsgrad und Wegrate, machen einerseits den Einfluss der Adhäsion auf die benötigte Kraft zur Ermöglichung der Delamination deutlich. Andererseits ist auch die Ratenabhängigkeit der PVB-Folie zu erkennen, die bei einer höheren Wegrate aufgrund der erhöhten Steifigkeit des visko-elastischen Polymers eine größere Kraft zur Folge hat. Die Spannungs-Verformungs-Diagramme zeigen, dass die Spannungen nach willkürlichen Delaminationslängen wie-der ansteigen, was durch eine Bildauswertung vermutlich auf die Wiederanhaftung der Folie zum Glas im delaminierten Bereich zurückzuführen ist. Lediglich wenige Proben mit dem hohen Haftgrad BG R20 führten zum Versagen der Folie. Bei den anderen Proben konnte eine vollständige Delamination der Folie vom Glas beobachtet werden. Einen visuellen Eindruck des Delaminationsfortschritts beim TCT Test gibt Bild 4-4.

247Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Bild 4-1 Ergebnisse des Pummeltests: a) BG R10, Pummel: 3-4; b) BG R15, 4-6; c) BG R20, Pummel: 8-9

Bild 4-2 TCT-Probe: senkrecht zur Zugrichtung gebrochene Glasscheiben

Versuchsdurchführung

Die durchgeführten TCT Tests wurden mit drei unterschiedlichen Wegraten (6, 600 bzw. 60.000 mm/min) bei Raumtemperatur 22 °C im Rahmen einer Masterthesis durch-geführt [7]. Die Versuchsreihe der beiden langsamen Wegraten wurden mit einer Prüf-maschine Zwick 050 THW (50 kN) geprüft. Die Versuchsreihe mit der hohen Wegrate wurde mit einer Hochgeschwindigkeitsprüfmaschine Zwick HTM 5020 (50 kN) am Frauenhofer LBF getestet. Die Prüfungen wurden optisch aufgenommen und ausgewer-tet, um den Schlupf der Probenkörper in der Einspannung zu berücksichtigen und um die Delamination zwischen Folie und Glas zu bestimmen. Um die verschiedenen Ver-suchsreihen (Wegrate) und -serien (Haftgrad) in den Probenbezeichnung zu unterschei-den, wurde für die Versuchsauswertung eine einheitliche Probenbezeichnung nach Tabelle 4-2 gewählt.

4 Versuche

Tabelle 4-2 Probenbezeichnung

Probenbezeichnung: x.y.z

x: Wegrate [mm/min] y: Folienart (Haftgrad) [-] z: Breite [mm]

x [mm/min] y [-] z [mm]

1 6 1 BG R10 30mm 30

2 600 2 BG R15 50mm 50

3 60.000 3 BG R20

4.2 Versuchsergebnisse

Die Versuchsergebnisse sind in Bild 4-3 zusammengefasst. Aufgrund der Übersicht und des beobachteten Streubereichs hinsichtlich der maximalen technischen Spannung nach Gleichung (2.2) der einzelnen Serien wurde für jede Serie eine repräsentative Probe dargestellt. Es wurden solche Proben ausgewählt, die ein stationäres Spannungsniveau aufweisen, das Voraussetzung zur Ermittlung der Energiefreisetzungsrate ist. Die unter-schiedlichen maximalen Spannungen, je nach Adhäsionsgrad und Wegrate, machen einerseits den Einfluss der Adhäsion auf die benötigte Kraft zur Ermöglichung der Delamination deutlich. Andererseits ist auch die Ratenabhängigkeit der PVB-Folie zu erkennen, die bei einer höheren Wegrate aufgrund der erhöhten Steifigkeit des visko-elastischen Polymers eine größere Kraft zur Folge hat. Die Spannungs-Verformungs-Diagramme zeigen, dass die Spannungen nach willkürlichen Delaminationslängen wie-der ansteigen, was durch eine Bildauswertung vermutlich auf die Wiederanhaftung der Folie zum Glas im delaminierten Bereich zurückzuführen ist. Lediglich wenige Proben mit dem hohen Haftgrad BG R20 führten zum Versagen der Folie. Bei den anderen Proben konnte eine vollständige Delamination der Folie vom Glas beobachtet werden. Einen visuellen Eindruck des Delaminationsfortschritts beim TCT Test gibt Bild 4-4.

248 Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Bild 4-3 Spannungs-Verformungsverlauf von jeweils einer repräsentativen Probe

4 Versuche

4.3 Auswertung der Energiefreisetzungsrate

Das Delaminationsverhalten der untersuchten TCT Versuche wurde in Form der in Kapitel 3 vorgestellten Energiefreisetzungsrate 𝐺𝐺 quantifiziert. Voraussetzung hierfür ist ein stationäres Spannungs- und Dehnungsniveau, bei dem sich ein konstanter Dela-minationsprozess einstellt. Dies ist dann erreicht, wenn sich ein konstantes Lastniveau einstellt und die Delaminationsfläche in diesem Bereich linear mit der Wegrate zu-nimmt, so dass eine konstante Dehnung nach Gleichung (2.1) angenommen werden kann. Wie in Bild 4-4 zu sehen, ist die Voraussetzung eines stationären Spannungs- und Dehnungsniveaus in dem Bereich zwischen (b) und (c) gegeben. Die Bestimmung der Energiefreisetzungsrate erfolgte am Kraftmaximum vor Erreichen des stationären Last-niveaus. In diesem Bereich zeigt die Kraft-Verformungskurve im Bild 4-4, dass die Annahme eines linear-elastischen Materialverhaltens in diesem Bereich (a) bis (b) ge-rechtfertigt ist. Demnach sind für alle TCT Versuche, die ein ausgeprägtes stationäres Lastniveau aufweisen, die Energiefreisetzungsraten nach Gleichung (3.7) ermittelt wor-den.

Bild 4-4 Delaminationsprozess und Verformungsverhalten des TCT Versuchs

249Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Bild 4-3 Spannungs-Verformungsverlauf von jeweils einer repräsentativen Probe

4 Versuche

4.3 Auswertung der Energiefreisetzungsrate

Das Delaminationsverhalten der untersuchten TCT Versuche wurde in Form der in Kapitel 3 vorgestellten Energiefreisetzungsrate 𝐺𝐺 quantifiziert. Voraussetzung hierfür ist ein stationäres Spannungs- und Dehnungsniveau, bei dem sich ein konstanter Dela-minationsprozess einstellt. Dies ist dann erreicht, wenn sich ein konstantes Lastniveau einstellt und die Delaminationsfläche in diesem Bereich linear mit der Wegrate zu-nimmt, so dass eine konstante Dehnung nach Gleichung (2.1) angenommen werden kann. Wie in Bild 4-4 zu sehen, ist die Voraussetzung eines stationären Spannungs- und Dehnungsniveaus in dem Bereich zwischen (b) und (c) gegeben. Die Bestimmung der Energiefreisetzungsrate erfolgte am Kraftmaximum vor Erreichen des stationären Last-niveaus. In diesem Bereich zeigt die Kraft-Verformungskurve im Bild 4-4, dass die Annahme eines linear-elastischen Materialverhaltens in diesem Bereich (a) bis (b) ge-rechtfertigt ist. Demnach sind für alle TCT Versuche, die ein ausgeprägtes stationäres Lastniveau aufweisen, die Energiefreisetzungsraten nach Gleichung (3.7) ermittelt wor-den.

Bild 4-4 Delaminationsprozess und Verformungsverhalten des TCT Versuchs

250 Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Die Energiefreisetzungsraten der TCT Versuchsreihe mit 60.000 mm/min konnten nicht ermittelt werden, da die Delaminationsfront beim Erreichen des Kraftmaximums nicht eindeutig zu bestimmen ist. Zudem ist das Rauschen des Kraftsignals aufgrund der sehr hohen Geschwindigkeit so groß, dass die Kraft vor Erreichen des stationären Lastni-veaus nicht exakt bekannt ist. Aufgrund dessen sind die Energiefreisetzungsraten nur für die beiden TCT Versuchsreihen 6 und 600 mm/min bestimmt worden. Die Versuche haben gezeigt, dass der Einfluss der Probenbreite zu vernachlässigen ist. Die Proben-breite wurde für die weiteren Betrachtungen nicht mehr berücksichtigt. Die Ergebnisse sind in Bild 4-5 dargestellt. Die Energiefreisetzungsrate wurde getrennt nach den Para-metern Ratengeschwindigkeit und Haftgrad dargestellt. Bei der Versuchsreihe 2 (v = 600 mm/min) stellte sich fast immer ein stationäres Lastniveau im Gegensatz zur Versuchsreihe 1 (v = 6 mm/min) ein. Dadurch konnten hier mehr Probekörper ausge-wertet werden.

Bild 4-5 Mittlere Freisetzungsenergie G der TCT Versuche

5 Schlussfolgerung

Die durchgeführten Versuche zeigen, dass die Erhöhung der Wegrate um den Faktor 100 (von 6 mm/min auf 600 mm/min) eine Steigerung der Energiefreisetzungsrate um den Faktor > 3 bei den niedrigen Haftgraden zur Folge hat. Bei dem höchsten Haftgrad BG R20 ist eine Steigerung der Energiefreisetzungsrate um den Faktor > 2 zu beobach-ten. Somit kann von einer Wegratenabhängigkeit hinsichtlich der Energiefreisetzungsra-

6 Zusammenfassung und Ausblick

te ausgegangen werden, wie dies auch in früheren Arbeiten vermutet worden ist [4, 5], die Wegraten < 60 mm/min untersucht hatten. Die Energiefreisetzungsrate für die Weg-rate von 60.000 mm/min konnte nicht ausgewertet werden, jedoch zeigt der Spannungs-Verformungsverlauf in Bild 4-3, dass eine wesentlich höhere Spannung vor dem statio-nären Spannungsniveau im Vergleich zu den anderen beiden Wegraten erreicht wird. Dies lässt eine Steigerung der Energiefreisetzungsrate im Vergleich zu den geringeren Wegraten vermuten.

Die Auswertung der TCT Versuche zeigt die Abhängigkeit des Haftgrades auf die Energiefreisetzungsrate. Zwischen den Haftgraden BG R10 und BG R15 können nur geringe Unterschiede in der Energiefreisetzungsrate (ca. 5 %) festgestellt werden. Dies wird auch in dem geringen Pummelunterschied zwischen den beiden niedrigen Haftgra-de deutlich (siehe Bild 4-1), wenn zudem die subjektive Ausführung (Hammerschläge) und Beurteilung des Tests eine Rolle spielen [8]. Signifikanter ist der Unterschied zum hohen Haftgrad: Hier ist die Energiefreisetzungsrate um den Faktor 2-3 höher als beim geringen Haftgrad. Die Auswertungen der TCT Tests machen deutlich, dass das Dela-minationsverhalten verschiedener Haftgrade über die bruchmechanische Kenngröße der Energiefreisetzungsrate quantifiziert werden kann.

Ein weiteres Ziel im Rahmen der TCT-Versuche ist die Abhängigkeit der Probenbreite zu untersuchen. Die Versuchsergebnisse in Bild 4-3 zeigen, dass es kein signifikanter Unterschied der untersuchten Probenbreiten bei gleicher Wegrate und Haftgrad vorhan-den ist. Infolgedessen wird von keinem Einfluss des Delaminationsvermögens auf die Probenbreite ausgegangen.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die hier vorgestellten Untersuchungen zeigen, dass eine Beurteilung des Adhäsionsver-haltens zwischen Folie und Glas mit dem TCT Test gemacht werden kann. Denn mit Hilfe des TCT Tests ist es möglich, unterschiedliche Haftgrade mit einer bruchmechani-schen Größe, der Energiefreisetzungsrate, zu quantifizieren. Dazu wurden drei ver-schiedene Haftgrade (gering, mittel, hoch) untersucht und die Energiefreisetzungsrate bestimmt. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Streuung der Energiefreisetzungsrate der untersuchten Haftgrade, was auf die unterschiedliche Bindung zwischen Folie und Glas bei gleicher Wegrate schließen lässt. Zudem wurden zwei unterschiedliche Pro-benbreiten untersucht. Dabei konnte kein Einfluss der Probenbreite auf die Energiefrei-setzungsrate festgestellt werden. Die Ratenabhängigkeit des PVB hat bei der Ermittlung der Energiefreisetzungsrate einen signifikanten Einfluss. Je größer die Wegrate desto größer die Energiefreisetzungsrate. Jedoch kann trotz der Ratenabhängigkeit zwischen den verschiedenen Haftgraden mit der hier vorgestellten Methode unterschieden wer-den.

251Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Die Energiefreisetzungsraten der TCT Versuchsreihe mit 60.000 mm/min konnten nicht ermittelt werden, da die Delaminationsfront beim Erreichen des Kraftmaximums nicht eindeutig zu bestimmen ist. Zudem ist das Rauschen des Kraftsignals aufgrund der sehr hohen Geschwindigkeit so groß, dass die Kraft vor Erreichen des stationären Lastni-veaus nicht exakt bekannt ist. Aufgrund dessen sind die Energiefreisetzungsraten nur für die beiden TCT Versuchsreihen 6 und 600 mm/min bestimmt worden. Die Versuche haben gezeigt, dass der Einfluss der Probenbreite zu vernachlässigen ist. Die Proben-breite wurde für die weiteren Betrachtungen nicht mehr berücksichtigt. Die Ergebnisse sind in Bild 4-5 dargestellt. Die Energiefreisetzungsrate wurde getrennt nach den Para-metern Ratengeschwindigkeit und Haftgrad dargestellt. Bei der Versuchsreihe 2 (v = 600 mm/min) stellte sich fast immer ein stationäres Lastniveau im Gegensatz zur Versuchsreihe 1 (v = 6 mm/min) ein. Dadurch konnten hier mehr Probekörper ausge-wertet werden.

Bild 4-5 Mittlere Freisetzungsenergie G der TCT Versuche

5 Schlussfolgerung

Die durchgeführten Versuche zeigen, dass die Erhöhung der Wegrate um den Faktor 100 (von 6 mm/min auf 600 mm/min) eine Steigerung der Energiefreisetzungsrate um den Faktor > 3 bei den niedrigen Haftgraden zur Folge hat. Bei dem höchsten Haftgrad BG R20 ist eine Steigerung der Energiefreisetzungsrate um den Faktor > 2 zu beobach-ten. Somit kann von einer Wegratenabhängigkeit hinsichtlich der Energiefreisetzungsra-

6 Zusammenfassung und Ausblick

te ausgegangen werden, wie dies auch in früheren Arbeiten vermutet worden ist [4, 5], die Wegraten < 60 mm/min untersucht hatten. Die Energiefreisetzungsrate für die Weg-rate von 60.000 mm/min konnte nicht ausgewertet werden, jedoch zeigt der Spannungs-Verformungsverlauf in Bild 4-3, dass eine wesentlich höhere Spannung vor dem statio-nären Spannungsniveau im Vergleich zu den anderen beiden Wegraten erreicht wird. Dies lässt eine Steigerung der Energiefreisetzungsrate im Vergleich zu den geringeren Wegraten vermuten.

Die Auswertung der TCT Versuche zeigt die Abhängigkeit des Haftgrades auf die Energiefreisetzungsrate. Zwischen den Haftgraden BG R10 und BG R15 können nur geringe Unterschiede in der Energiefreisetzungsrate (ca. 5 %) festgestellt werden. Dies wird auch in dem geringen Pummelunterschied zwischen den beiden niedrigen Haftgra-de deutlich (siehe Bild 4-1), wenn zudem die subjektive Ausführung (Hammerschläge) und Beurteilung des Tests eine Rolle spielen [8]. Signifikanter ist der Unterschied zum hohen Haftgrad: Hier ist die Energiefreisetzungsrate um den Faktor 2-3 höher als beim geringen Haftgrad. Die Auswertungen der TCT Tests machen deutlich, dass das Dela-minationsverhalten verschiedener Haftgrade über die bruchmechanische Kenngröße der Energiefreisetzungsrate quantifiziert werden kann.

Ein weiteres Ziel im Rahmen der TCT-Versuche ist die Abhängigkeit der Probenbreite zu untersuchen. Die Versuchsergebnisse in Bild 4-3 zeigen, dass es kein signifikanter Unterschied der untersuchten Probenbreiten bei gleicher Wegrate und Haftgrad vorhan-den ist. Infolgedessen wird von keinem Einfluss des Delaminationsvermögens auf die Probenbreite ausgegangen.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die hier vorgestellten Untersuchungen zeigen, dass eine Beurteilung des Adhäsionsver-haltens zwischen Folie und Glas mit dem TCT Test gemacht werden kann. Denn mit Hilfe des TCT Tests ist es möglich, unterschiedliche Haftgrade mit einer bruchmechani-schen Größe, der Energiefreisetzungsrate, zu quantifizieren. Dazu wurden drei ver-schiedene Haftgrade (gering, mittel, hoch) untersucht und die Energiefreisetzungsrate bestimmt. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Streuung der Energiefreisetzungsrate der untersuchten Haftgrade, was auf die unterschiedliche Bindung zwischen Folie und Glas bei gleicher Wegrate schließen lässt. Zudem wurden zwei unterschiedliche Pro-benbreiten untersucht. Dabei konnte kein Einfluss der Probenbreite auf die Energiefrei-setzungsrate festgestellt werden. Die Ratenabhängigkeit des PVB hat bei der Ermittlung der Energiefreisetzungsrate einen signifikanten Einfluss. Je größer die Wegrate desto größer die Energiefreisetzungsrate. Jedoch kann trotz der Ratenabhängigkeit zwischen den verschiedenen Haftgraden mit der hier vorgestellten Methode unterschieden wer-den.

252 Resttragverhalten von Verbundglas: Through-Cracked-Tensile Test

Der Vorteil gegenüber dem Pummeltest ist die objektive Bestimmung des Adhäsions-verhaltens. Der Pummeltest beruht auf einer Einstufungsskala des Haftgrades (von ge-ringer bis sehr hoher Haftung), die keine mechanische oder materialspezifische Kenn-größe darstellt. Der Nachteil des TCT Tests liegt in dem höheren Aufwand zur Bestim-mung der Energiefreisetzungsrate. Zudem ist es nicht immer möglich, alle durchgeführ-ten TCT Versuche adäquat auszuwerten, da sich unter Umständen kein stationäres Kraftniveau, das Grundvoraussetzung für die Ermittlung der Energiefreisetzungsrate ist, einstellt.

Der Ursprung der freigesetzten Energie aus dem TCT-Test muss noch eingehender untersucht werden: Setzt sich die freigesetzte Energie ausschließlich aus dem tangentia-len Lösen der Bindung von Folie zu Glas (Bruchmechanik: Modus II) zusammen oder sind auch Anteile aus dem Lösen der Folie in Normalenrichtung (Modus I) und Rei-bungseffekte zwischen Glas und Folie vorhanden? Um dies zu beantworten werden an der TU Darmstadt numerische Berechnungen durchgeführt, welche die unterschiedli-chen Haftrichtungen (Modus I und Modus II) in Form von kohäsiven Stoffgesetzen zwischen Folie und Glas berücksichtigen.

7 Literatur

[1] J. Schneider and J. Franz, “Untersuchungen zum Resttragverhalten von Verbundglas,” in 2. Darmstädter Ingenieurkongress, 2013, pp. 419-424.

[2] Y. Sha, C. Y. Hui, E. J. Kramer, P. D. Garrett, and J. W. Knapczyk, “Analysis of adhesion and interface debonding in laminated safety glass,” J. Adhes. Sci. Technol., pp. 49-63, 1997.

[3] M. Seshadri, A. Jagota, S. J. Bennison, and S. Saigal, “Mechanical behaviour in tension of cracked glass bridged by an elastomeric ligament,” Acta Mater., vol. 48, no. 18–19, pp. 4577-4588, 2000.

[4] C. Butchart and M. Overend, “Delamination in fractured laminated glass,” in engineered transparency international conference at glasstec, 2012, pp. 249-257.

[5] D. Ferretti, M. Rossi, and G. Royer-Carfagni, “Through Cracked Tensile Delamination Tests with Photoelastic Measurements,” in Challenging Glass 3, 2012, pp. 641-652.

[6] D. Gross and T. Seelig, Bruchmechanik - Mit einer Einführung in die Mikromechanik, 4th ed. Springer-Verlag, 2006.

[7] P. Sternberg, “Untersuchungen des Delaminationsverhaltens von Polyvinylbutyral”, unveröffentlicht, Technische Universität Darmstadt, 2013.

[8] M. Hark, “Ansätze zur Quantifizierung des Pummel-Tests”, unveröffentlicht, Technische Universität Darmstadt, 2012.

Untersuchung der zyklischen Ermüdung von thermisch vorgespanntem Kalk-Natron-Silikatglas

Jonas Hilcken1, Kaja Boxheimer1, Jens Schneider1, Johann-Dietrich Wörner1,2, Johannes Franz1

1 Technische Universität Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, Franziska-

Braun-Str. 3, 64287 Darmstadt, Deutschland

2 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Linder Höhe, 51147 Köln, Deutschland

Bauteile, die zeitlich veränderlichen und periodisch wiederkehrenden Lasten ausgesetzt sind, müs-sen häufig auch hinsichtlich ihres Ermüdungsverhaltens eingestuft und bemessen werden. Im Glas-bau fehlen hierzu noch Grundlagen auf der Widerstandsseite, da das zyklische Ermüdungsverhal-ten von Glas für Anwendungen und Einwirkungen im Bauwesen bisher wenig untersucht wurde. Im vorliegenden Beitrag werden die bruchmechanischen Grundlagen der Ermüdung von thermisch vorgespanntem Glas erläutert, die Ergebnisse von Dauerschwingversuchen bei verschiedenen Frequenzen und Umgebungsbedingungen an thermisch vorgespannten Gläsern (ESG) vorgestellt und mit einem numerischen Modell zur Simulation des Risswachstums unter zyklischer Belastung verglichen.

Investigation of the cyclic fatigue of tempered soda lime silica glass. Structural components subjected to fluctuating and cyclic loading have to be classified and designed considering cyclic fatigue. For the design of glass elements in structural engineering, fundamental knowledge about the resistance of glasses exposed to cyclic loading is limited. This article explains the fatigue of tempered glass and presents the results of cyclic loading tests at different frequencies and envi-ronmental conditions of tempered glass. The results are compared to a numerical model to simulate crack growth under cyclic loading.

Schlagwörter: thermisch vorgespanntes Glas, ESG, zyklische Ermüdung, Kalk-Natron-Silikatglas

Keywords: tempered glass, cyclic fatigue, soda lime silica glass

1 Einleitung

Fassadenscheiben und konstruktive Glasbauteile unterliegen verschiedenen zeitlich veränderlichen und periodisch wiederkehrenden Belastungen. Bei der Bemessung [1] von Bauteilen aus Einscheibensicherheitsglas (ESG) und Teilvorgespanntem Glas (TVG) werden bisher weder statische noch zyklische Ermüdungseffekte berücksichtigt. Die zyklische Ermüdung von thermisch vorgespanntem Kalk-Natron-Silikatglas ist experimentell bisher noch nicht untersucht worden. Um die Anforderungen an die Zu-verlässigkeit von periodisch belasteten Bauteilen aus thermisch vorgespanntem Glas sicherstellen zu können, wurde im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsge-meinschaft (DFG) geförderten Forschungsvorhabens die Festigkeit und das Material-