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RESEARCH ARTICLE Untersuchungen zur Praxistauglichkeit von Instrumenten zur Verbesserung des Verbraucherschutzes der Chemikalien-Verordnung REACh aus Verbrauchersicht Marvin Kro ¨ckel Alexander Radzik Annemarie Schwarz Michael Seegmu ¨ller Thorsten Daubenfeld Received: 6 June 2013 / Published online: 21 August 2013 Ó Bundesamt fu ¨r Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 2013 Zusammenfassung Die REACh-Verordnung ver- pflichtet den Lieferanten eines Erzeugnisses, Verbrau- cher auf Anfrage u ¨ber die Anwesenheit von beson- ders besorgniserregenden Stoffen (SVHC) in dem in Verkehr gebrachten Erzeugnis zu informieren, wenn der Gehalt des Stoffes u ¨ber 0.1 % (w/w) liegt. Bei 142 angefragten Erzeugnissen wurde in nur 10 Fa ¨llen die Anwesenheit von SVHC angezeigt. Die betroffenen Hersteller arbeiten zum Teil aktiv an der Substitution dieser Stoffe durch weniger gefa ¨hrliche Alternativen. Von weiteren 68 Anfragen, in denen keine grund- sa ¨tzliche Informationspflicht bestand, wurde bei 44 Antworten nur in einem Fall die Anwesenheit einer SVHC angezeigt. Die Kommunikation von Informati- onen im Sinne der REACh-Verordnung entlang der Lieferkette scheint daher in Deutschland auf einem funktionsfa ¨higen Niveau etabliert zu sein. In 135 Fa ¨l- len antworteten Unternehmen, obwohl sie nicht zur Kommunikation verpflichtet gewesen wa ¨ren. Diese Unternehmen scheinen im Sinne einer ,,Corporate Social Responsibility‘‘ bemu ¨ht zu sein, fu ¨r den Verbraucher u ¨ber das gesetzlich erforderliche Maß hinaus Transparenz bezu ¨glich der vertriebenen Erzeugnisse zu schaffen. Es la ¨sst sich aber nicht aus- schließen, dass einzelne Unternehmen aus Gru ¨nden der Unsicherheit oder Unkenntnis der tatsa ¨chlichen Verpflichtungen im Einzelfall der Einfachheit halber sa ¨mtliche ihnen zur Verfu ¨gung stehende Informationen an ihre Kunden weiterreichen. Verbesserungsbedarf ergibt sich vor allem in der Information des Verbrauchers u ¨ber die ihm zur Ver- fu ¨gung stehenden Mo ¨glichkeiten: von 200 befragten Personen kannte niemand sein Anfragerecht, obwohl ein hoher Informationsbedarf hinsichtlich Inhalts- stoffen unterschiedlicher Konsumgu ¨ter festgestellt wurde. Schlu ¨ sselwo ¨rter REACh Á SVHC Á Chemikalien 1 Einleitung Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 regelt die Vorge- hensweise zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschra ¨nkung chemischer Stoffe (,,Registration, evaluation, authorization and restriction of Chemicals‘‘, REACh) (REACh-Verordnung 2006). Eines der vorran- gigen Ziele dieser Verordnung ist die Sicherstellung eines hohen ,,Schutzniveaus fu ¨r die menschliche Gesundheit und fu ¨r die Umwelt‘‘ (REACh-Verordnung 2006). Unter anderem wird im Rahmen der ,,REACh- Verordnung‘‘ die Verwendung und das in Verkehr bringen zur Verwendung von Stoffen mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften (,,substances of very high concern‘‘, SVHC) u ¨ber ein Zulassungsverfah- ren limitiert, wenn sie in den Anhang XIV der REACh- Verordnung aufgenommen worden sind. Als besonders besorgniserregend werden gema ¨ß § 57 der REACh- Verordnung Stoffe mit karzinogenen, mutagenen oder reproduktionstoxischen Eigenschaften (CMR-Stoffe), PBT-Stoffe (persistent, bioakkumulierend, toxisch), vPvB-Stoffe (sehr persistent und sehr bioakkumulie- rend) sowie endokrine (hormona ¨hnlich wirkende) Substanzen angesehen. Die Stoffe, welche diese M. Kro ¨ckel Á A. Radzik Á A. Schwarz Á M. Seegmu ¨ller Á T. Daubenfeld (&) Fachbereich Chemie & Biologie, Hochschule Fresenius, Limburger Str. 2, 65510 Idstein, Germany e-mail: [email protected] J. Verbr. Lebensm. (2013) 8:281–288 DOI 10.1007/s00003-013-0838-8 Journal fu ¨ r Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Journal of Consumer Protection and Food Safety 123

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RESEARCH ARTICLE

Untersuchungen zur Praxistauglichkeit von Instrumentenzur Verbesserung des Verbraucherschutzes derChemikalien-Verordnung REACh aus Verbrauchersicht

Marvin Krockel • Alexander Radzik •

Annemarie Schwarz • Michael Seegmuller •

Thorsten Daubenfeld

Received: 6 June 2013 / Published online: 21 August 2013� Bundesamt fur Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 2013

Zusammenfassung Die REACh-Verordnung ver-pflichtet den Lieferanten eines Erzeugnisses, Verbrau-cher auf Anfrage uber die Anwesenheit von beson-ders besorgniserregenden Stoffen (SVHC) in dem inVerkehr gebrachten Erzeugnis zu informieren, wennder Gehalt des Stoffes uber 0.1 % (w/w) liegt. Bei 142angefragten Erzeugnissen wurde in nur 10 Fallen dieAnwesenheit von SVHC angezeigt. Die betroffenenHersteller arbeiten zum Teil aktiv an der Substitutiondieser Stoffe durch weniger gefahrliche Alternativen.Von weiteren 68 Anfragen, in denen keine grund-satzliche Informationspflicht bestand, wurde bei 44Antworten nur in einem Fall die Anwesenheit einerSVHC angezeigt. Die Kommunikation von Informati-onen im Sinne der REACh-Verordnung entlang derLieferkette scheint daher in Deutschland auf einemfunktionsfahigen Niveau etabliert zu sein. In 135 Fal-len antworteten Unternehmen, obwohl sie nicht zurKommunikation verpflichtet gewesen waren. DieseUnternehmen scheinen im Sinne einer ,,CorporateSocial Responsibility‘‘ bemuht zu sein, fur denVerbraucher uber das gesetzlich erforderliche Maßhinaus Transparenz bezuglich der vertriebenenErzeugnisse zu schaffen. Es lasst sich aber nicht aus-schließen, dass einzelne Unternehmen aus Grundender Unsicherheit oder Unkenntnis der tatsachlichenVerpflichtungen im Einzelfall der Einfachheithalber samtliche ihnen zur Verfugung stehendeInformationen an ihre Kunden weiterreichen.

Verbesserungsbedarf ergibt sich vor allem in derInformation des Verbrauchers uber die ihm zur Ver-fugung stehenden Moglichkeiten: von 200 befragtenPersonen kannte niemand sein Anfragerecht, obwohlein hoher Informationsbedarf hinsichtlich Inhalts-stoffen unterschiedlicher Konsumguter festgestelltwurde.

Schlusselworter REACh � SVHC � Chemikalien

1 Einleitung

Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 regelt die Vorge-hensweise zur Registrierung, Bewertung, Zulassungund Beschrankung chemischer Stoffe (,,Registration,evaluation, authorization and restriction ofChemicals‘‘,REACh) (REACh-Verordnung 2006). Eines der vorran-gigen Ziele dieser Verordnung ist die Sicherstellungeines hohen ,,Schutzniveaus fur die menschlicheGesundheit und fur die Umwelt‘‘ (REACh-Verordnung2006). Unter anderem wird im Rahmen der ,,REACh-Verordnung‘‘ die Verwendung und das in Verkehrbringen zur Verwendung von Stoffen mit besondersbesorgniserregenden Eigenschaften (,,substances ofvery high concern‘‘, SVHC) uber ein Zulassungsverfah-ren limitiert, wenn sie in den Anhang XIV der REACh-Verordnungaufgenommenwordensind.Alsbesondersbesorgniserregend werden gemaß § 57 der REACh-Verordnung Stoffemit karzinogenen, mutagenen oderreproduktionstoxischen Eigenschaften (CMR-Stoffe),PBT-Stoffe (persistent, bioakkumulierend, toxisch),vPvB-Stoffe (sehr persistent und sehr bioakkumulie-rend) sowie endokrine (hormonahnlich wirkende)Substanzen angesehen. Die Stoffe, welche diese

M. Krockel � A. Radzik � A. Schwarz � M. Seegmuller �T. Daubenfeld (&)Fachbereich Chemie & Biologie, Hochschule Fresenius,Limburger Str. 2, 65510 Idstein, Germanye-mail: [email protected]

J. Verbr. Lebensm. (2013) 8:281–288DOI 10.1007/s00003-013-0838-8

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Kriterien erfullen, sind jedoch nicht automatisch zu-lassungspflichtig, sondern mussen durch einen in derREACh-Verordnung festgelegten Prozess fur ein Zulas-sungsverfahren vorgeschlagen werden. Stoffe, welchedie Kriterien in § 57 erfullen und nach dem in § 59beschriebenen Prozess als SVHC ermittelt wurden,kommen auf eine sogenannte ,,Kandidatenliste‘‘.Basierend auf dieser Liste gibt die Europaische Chemi-kalienagentur (European Chemicals Agency, ECHA)nach entsprechender Prufung eine Empfehlung inRucksprache mit dem Ausschuss der Mitgliedsstaatenab, welche dieser Stoffe in den Anhang XIV der REACh-Verordnung aufgenommenwerden sollen. Erst mit derAufnahme in den Anhang XIV gilt die Verwendungoder das in Verkehr bringen zur Verwendung einesentsprechenden Stoffes als zulassungspflichtig.Gegenwartig befinden sich 144 Stoffe auf der Kandida-tenliste (ECHA-Kandidatenliste 2013) und 22 Stoffe sindim Anhang XIV der REACh-Verordnung aufgefuhrt(ECHA-Anhang 2013). Letztere umfasst beispielsweisekarzinogene Substanzen wie z.B. Cr(VI)-Verbindungenund als Weichmacher verwendete Phthalate wiebeispielsweise Dibutylphthalat (DBP) oder Bis(2-eth-ylhexyl)-phthalat (DEHP).

Die Aufnahme eines Stoffes in die Kandidatenlistezieht zwar noch keine Zulassungspflicht fur die Ver-wendung des Stoffes nach sich, hat aber bereits furden Verbraucher unmittelbare und rechtliche Kon-sequenzen. Ein Verbraucher, der ein Erzeugnis (z.B.Spielzeug, Kleidung) erwirbt, hat gemaß § 33 (2) derREACh-Verordnung das Recht, auf Anfrage bei demLieferanten des Erzeugnisses zu erfahren, ob einerder in der Kandidatenliste aufgefuhrten Stoffe indiesem Erzeugnis in einer Massenkonzentration vonmehr als 0.1 % enthalten ist. Der Begriff ,,Lieferanteines Erzeugnisses‘‘ schließt dabei auch den Einzel-handel ein, der die entsprechenden Erzeugnisse inVerkehr bringt. Der Lieferant ist verpflichtet, demVerbraucher innerhalb von 45 Tagen eine entspre-chende Antwort zu erteilen, sofern sich der Stoffdarin befindet. Falls sich der Stoff nicht oder nur ineiner Konzentration unter 0.1 % im Erzeugnis befin-det, ist er gemaß der Verordnung nicht verpflichtet,eine entsprechende Anfrage zu beantworten. Gemaߧ 33 (1) sind alle Akteure der Lieferkette verpflichtet,Informationen bezuglich SVHC in einem Erzeugnisweiterzugeben. Der Akteur zu Beginn der Lieferkette(Produzent oder Importeur) tragt dabei in besonde-rem Maße die Verantwortung fur die Recherche unddie Informationsweitergabe bezuglich SVHC. Aberauch fur spatere Lieferanten in der Lieferkette ist dieVerpflichtung aus § 33 (1) nach Ansicht des REACh-Helpdesk nicht auf die alleinige Weitergabe der ihm

selbst von seinen Vorlieferanten ubermitteltenInformationen beschrankt. Sollten Informations-pflicht-auslosende Gehalte von SVHC im Erzeugnis inBetracht kommen und dem Lieferanten hierzu keineInformationen vorliegen, wird ihm die aktive Nach-frage beim Vorlieferanten empfohlen (im Zweifelsfall– und wenn zumutbar – auch unter Einbeziehungchemischer Analysen) (REACH-Helpdesk 2013).

Den Unternehmen der chemischen Industrie, die alsHersteller von Stoffen unmittelbar von der REACh-Verordnung betroffen sind, wurde im Rahmen des EU-weiten Vollzugsprojektes REACH-EN-FORCE I seitensder Uberwachungsbehorden insgesamt eine ,,guteEinhaltung der gesetzlichen Regelungen‘‘ sowie einenur ,,geringe Zahl gravierender Verstoße gegen dieRegistrierungspflicht‘‘ attestiert (BLAC (Bund/Lander-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit, Hrsg.)2010; BLAC (Bund/Lander-Arbeitsgemeinschaft Chemi-kaliensicherheit, Hrsg.) 2011). Eigene Untersuchungenzeigen ebenfalls, dass die REACh-Verordnung in denUnternehmen der chemischen Industrie insgesamtoperativ gut umgesetzt wird, obwohl diese Umsetzungaufgrund der hohen Komplexitat der Verordnungeinen hohen Zeit- und Kostenaufwand verursacht. Dassehen viele Unternehmen als Wettbewerbsnachteil an.Die Ziele der REACh-Verordnung selbst erachten abermehr als 90 % der befragten Unternehmen als erstre-benswert (Dapper 2012; Daubenfeld und Dapper 2012).Trotzdem ist die Umsetzung der Verordnung nochnicht durchgangig gewahrleistet. Das EU-weite Voll-zugsprojekt REACH-EN-FORCE II untersuchte vor allemdie Kommunikation entlang der Lieferkette. Dabeiwurde festgestellt, dass die Sicherheitsdatenblatter(SDB) als zentralesKommunikationsinstrument inmehrals 50 % der uberpruften Falle fehlerhaft waren (ECHA2012).

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage nachder Praxistauglichkeit der Informationspflicht vonLieferanten nach § 33 (2) der REACh-Verordnung alsInstrument zur Erhohung der Verbrauchersicherheit.Nach unserem Kenntnisstand gab es bislang nurwenige Untersuchungen bezuglich der Frage,inwiefern Lieferanten der Informationspflicht nach-kommen. Zum einen deutet eine Testanfrage desBUND bei 24 Handelsketten darauf hin, dass nicht nurin zahlreichen Erzeugnissen besorgniserregendeStoffe enthalten waren (in insgesamt 15 von 24 derangefragten Erzeugnisse, entsprechend 62,5 %), son-dern auch dass zahlreiche Unternehmen ihrerKommunikationspflicht nicht nachkommen: obwohl17 von 24 Unternehmen (71 %) der Unternehmen ant-worteten, gaben nur 5 von 24 (21 %) an, dass SVHC inihren Erzeugnissen enthalten waren. Eine geringere

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Rucklaufquote wird in einem zweiten Test von derDEKRA bei Testkaufen und –anfragen in 16 Fallenberichtet (DEKRA 2010). Hier wurden nur 6 von 16Anfragen beantwortet (37,5 %). Allerdings ist anzu-merken, dass in keinem der angefragten Erzeugnissedie Anwesenheit von SVHC seitens des Lieferantenangezeigt wurde.

In diesem Zusammenhang standen im Rahmenunserer Untersuchung vor allem zwei wesentlicheFragen im Vordergrund. Zum einen galt es zu klaren,inwiefern Verbraucher uber die ihnen durch die RE-ACh-Verordnung zugestandenen Rechte informiertsind und wie intensiv sie diese nutzen. Zum anderensollte im Rahmen einer Verbraucheranfrage mithoherer Stichprobenzahl als in vorherigen Studienuntersucht werden, ob Lieferanten der Informati-onspflicht nach § 33 (2) nachkommen und inwelchem Umfang SVHC in den angefragten Produk-ten angezeigt werden. Eine chemisch-analytischeUntersuchung der angefragten Produkte auf mogli-che SVHC wurde aufgrund des Umfangs der Anfragenicht durchgefuhrt.

2 Methoden

2.1 Verbraucherumfrage

Im Rahmen einer nichtreprasentativen Umfragewurden insgesamt 200 Personen (109 mannlich, 91weiblich) mit einem standardisierten Fragebogen zuihrem Einkaufsverhalten (bezuglich der Kontrollevon Inhaltsstoffen von Konsumgutern) sowie zuihrem Kenntnisstand uber das Thema REACh befragt.Das Altersspektrum der befragten Personen reichtevon \20 bis [60 Jahren. Der Fragebogen enthieltneben statistischen Angaben (Alter, Geschlecht) Fra-gen, welche den Kenntnisstand zum Thema REAChund zur Nutzung des im Rahmen der Verordnungfestgelegten Anfragerechtes ermitteln sollten. DieUmfrage erfolgte durch stichprobenartige Befragungvon zufallig ausgewahlten Passanten in einemEinkaufszentrum.

2.2 Verbraucheranfrage

Fur die Anfrage gemaß §33 (2) der REACh-Verord-nung wurde ein vorformulierter und standardisierterBrief, welcher auf dem REACh-Informationsportal desUmweltbundesamtes offentlich zur Verfugung steht(Umweltbundesamt 2013), verwendet. Der Anfrage-text wurde jeweils um das entsprechende Erzeugnis/Produkt erganzt. Insgesamt wurden 210 Anfragen

gestellt, wobei 68 davon bewusst keine auskunfts-pflichtigen Erzeugnisse im Sinne von § 33 (2) derREACh-Verordnung betrafen, um das Antwortver-halten fur diese Gruppe von Anfragen mit denender prinzipiell auskunftspflichtigen Erzeugnisse zuvergleichen.

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Verbraucherumfrage

Insgesamt 199 Personen beantworteten die Fragenach der Kontrolle von Inhaltsstoffen von Konsum-gutern. Ungefahr die Halfte davon (52 %) kontrolliertbeim Einkauf die Inhaltsstoffe von Konsumgutern.Weibliche Befragungsteilnehmer kontrollieren dabeiwesentlich haufiger (60 %) als mannliche Befra-gungsteilnehmer (45 %). Die Tendenz zur Kontrollevon Inhaltsstoffen nimmt mit dem Alter zu (Abb. 1),wobei diese Tendenz bei Frauen ebenfalls starkerausgepragt zu sein scheint. Bei den uber 60jahrigenwar die Tendenz leicht rucklaufig, blieb aber mit 56 %(mannliche Befragungsteilnehmer) bzw. 64 % (weib-liche Befragungsteilnehmerinnen) insgesamt aufeinem hohen Niveau im Vergleich zu den unter20jahrigen.

Dieses Resultat unterstreicht unserer Ansicht nachdas Interesse des Verbrauchers, uber chemischeInhaltsstoffe von Konsumgutern aller Art informiertzu werden. Umso uberraschender ist daher dasErgebnis, dass nur 2 der 200 Befragten (1 %) die

Abb. 1 Anteil der Befragten pro Altersgruppe und Geschlecht,die auf die Frage ,,Kontrollieren Sie beim Einkauf bewusst dieInhaltsstoffe von Produkten?‘‘ mit ,,Ja‘‘ antworteten (n = 199,schwarz: Anteil der mannlichen Befragungsteilnehmer, grau:Anzahl der weiblichen Befragungsteilnehmerinnen)

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Chemikalien-Verordnung REACh uberhaupt kann-ten. Von dem Recht, eine Anfrage nach § 33 (2)bezuglich SVHC in Erzeugnissen zu starten, wusstekeiner der Befragten. Dementsprechend hatte bis-lang auch keiner der Befragten eine entsprechendeAnfrage gestellt. Eine mogliche Erklarung hierfurkonnte sein, dass dem Verbraucher die Differenzie-rung zwischen der Informationspflicht bezuglichErzeugnissen nach § 33 (2) der REACh-Verordnung(und dem fur ihn damit verbundenen Anfragerecht)sowie sonstigen Konsumgutern wie z.B. Lebensmit-teln oder Kosmetika (welche keiner Informations-pflicht gemaß REACh-Verordnung unterliegen) nichtausreichend bekannt ist.

Nachdem die Befragten im Rahmen der Umfrageuber die REACh-Verordnung und ihre Rechte nach § 33(2) der Verordnung in Kenntnis gesetzt wurden, wareninsgesamt 53 % der Befragten bereit, eine entspre-chende Anfrage zu stellen. Auch hier zeigtenweiblicheBefragungsteilnehmerinnen (63 %) eine hohere Bereit-schaft als mannliche Befragungsteilnehmer (44 %), sichaktiv informierenzuwollen.Die fur eineentsprechendeAnfrage bei den Befragten am haufigsten genanntenProduktkategorien sind in Abb. 2 aufgefuhrt. Dabeifallt auf, dass nur 164 von insgesamt 367 Nennungen(45 %) solche Produktkategorien betreffen, welcheprinzipiell auskunftspflichtige Erzeugnisse im Sinnevon § 33 (2) der REACh-Verordnung beinhalten (Klei-dung/Textilien, Kinderspielzeug, Elektrogerate undMobel). Auch dieses Ergebnis deutet auf die zuvorgeaußerte Vermutung hin, dass dem Verbraucher dieDifferenzierung zwischen Erzeugnissen im Sinne derREACh-Verordnung sowie sonstigen Konsumgutern(z.B. Lebensmittel, Kosmetika) nicht ausreichendbekannt zu sein scheint.

Den Daten zufolge scheint fur die Teilnehmer/innen der Befragung eine andere Logik derDifferenzierung im Vordergrund zu stehen: die furden Verbraucher relevantesten Produktkategorien(Lebensmittel, Kleidung/Textilien, Kinderspielzeugund Kosmetika) scheinen vor allem diejenigen zusein, mit welchen sie unmittelbar und uber einenlangeren Zeitraum in direkten Kontakt kommen –unabhangig davon, ob fur die jeweiligen Produkteeine Auskunftspflicht nach § 33 (2) der REACh-Verordnung besteht oder nicht. So sind beispiels-weise Kosmetika und Lebensmittel gemaß § 2 (6) b)und § 2 (6) d) der REACh-Verordnung explizit vonder Auskunftspflicht nach § 33 (2) ausgenommen,da hierfur die Bestimmungen der Richtlinie 76/768/EWG (fur kosmetische Erzeugnisse) und derVerordnung (EG) Nr. 178/2002 (fur Lebensmittel)gelten.

3.2 Verbraucheranfrage

Zu den in der Verbraucherumfrage genannten Pro-duktkategorien (bis auf Medikamente, da diese nur ingeringem Umfang genannt wurden und nicht derAuskunftspflicht unterliegen) wurden Anfragen beiLieferanten entsprechender Produkte gemaß § 33 (2)gestellt (Abb. 3).

Von insgesamt 210 Anfragen betrafen 142 Erzeug-nisse im Sinne der REACh-Verordnung, die nach § 33(2) bei Vorliegen einer Konzentration an SVHC vonuber 0.1 % (w/w) auskunftspflichtig waren. Die großeAnzahl an Anfragen zu Elektrogeraten ist dadurchbedingt, dass in den entsprechenden ErzeugnissenWeichmacher (Phthalate) in den dazugehorigen PVC-haltigen Elektrokabeln vermutet wurden. Die ubrigen68 Anfragen betrafen nicht von § 33 (2) betroffeneProduktkategorien wie z.B. Lebensmittel oder Kos-metika (die ebenfalls bei der Verbraucherumfrage alsrelevant benannt wurden). Dieses Anfragemusterwurde bewusst gewahlt, um das Antwortverhaltender beiden Produktgruppen ,,von der REACh-Verordnung betroffene Erzeugnisse‘‘ (142 Anfragen)und ,,von der REACh-Verordnung nicht betroffeneErzeugnisse und Gemische‘‘ (68 Anfragen) zuvergleichen.

Innerhalb der erstgenannten Produktgruppewurden insgesamt 107 der 142 Anfragen (75 %)beantwortet. Bei 10 Erzeugnissen waren SVHC ent-halten, die im Anhang XIV der REACh-Verordnunggelistet werden (Tab. 1). Bei diesen 10 Erzeugnissen

Abb. 2 Anzahl der Nennungen auf die Frage nach den Produkt-kategorien, welche die Befragungsteilnehmer im Rahmen einerAnfrage nach § 33 (2) anfragen wurden (n = 200, Mehrfachnen-nungen waren moglich, weiße Balken: Produktkategorie, fur diekeine Auskunftspflicht nach § 33 (2) besteht, schwarze Balken:Produktkategorie, fur die Auskunftspflicht nach § 33 (2) besteht)

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wurde die Anfrage innerhalb der in der Verordnungfestgesetzten Frist von 45 Tagen beantwortet.

Die bei den Anfragen am haufigsten identifizierteStoffgruppe der SVHC waren Phthalate (BBP, DEHP,DBP und DIBP), die als Weichmacher in Elektroka-beln verwendet werden. Dieses Ergebnis ist nichtuberraschend, da auch ein Großteil der Anfragen aufdiese Produktkategorie gerichtet war. Im Zusam-menhang mit Weichmachern in Kabeln teilte uns einHersteller (dessen Netzkabel gegenwartig DEHPenthalt) mit, dass er derzeit dabei ist, PVC-freieNetzkabel zu entwickeln und zu zertifizieren, welchekein DEHP mehr enthalten. Dies konnten nacheigener Recherche beispielsweise Kabel mit einer

Ummantelung aus Polyethylen sein (Umweltbundes-amt 2007). Als alternative Weichmacher in PVC-Kabeln waren als Substitute die weniger gefahrlichenhohermolekularen Phthalate wie z.B. Diisono-nylphthalat (DINP), Diisododecylphthalat (DIDP)oder Bis(2-propylheptyl)phthalat (DPHP) denkbar(Markarian 2007).

Einen weiteren Aspekt in diesem Zusammenhangstellt die Bezugsgroße fur die Festlegung der Grenzevon 0.1 % (w/w) im Falle eines komplexen Erzeugnisses(aus mehreren Erzeugnissen zusammengesetztesErzeugnis, z.B. ein Kabel, welches aus dem eigentli-chen Kupferdraht und der PVC-Ummantelungbesteht) dar. Im Leitfaden der europaischen Chemi-kalienagentur (ECHA) wird als Bezugsgroße daskomplexe Erzeugnis (also z.B. das komplette Kabel)angesehen und die Gesamtmenge der vorhandenenSVHC auf die Gesamtmasse des komplexen Erzeug-nisses bezogen (ECHA 2011). Dahingegen folgen einigeLander, darunter Deutschland, dem Ansatz ,,Einmalein Erzeugnis – immer ein Erzeugnis‘‘, wonach dieBezugsgroße fur die 0.1 % (w/w)-Schwelle auch inkomplexen Erzeugnissen das einzelne Erzeugnis (furdas Kabel also auch die separate PVC-Ummantelung)ist (REACh-Helpdesk 2012; Nationale Behorden 2013).

Das aufgefuhrte Beispiel der PVC-Kabel wie auchunsere Studien weisen darauf hin, dass im Zuge derEinfuhrung und Umsetzung der REACh-Verordnungoffenbar auch Innovationsprozesse in der chemi-schen Industrie (z.B. durch Substitution von SVHC)initialisiert werden (Dapper 2012; Daubenfeld undDapper 2012). Dabei ist zu beachten, dass im Rahmender REACh-Verordnung keine grundsatzliche Ver-pflichtung zur Substitution von SVHC besteht: selbstfur Stoffe im Anhang XIV besteht die Moglichkeit derZulassung. Als Ausloser der Innovationsprozesse wird

Abb. 3 Anzahl der Anfragen gemaß § 33 (2) in den einzelnenProduktkategorien (weiße Balken: Produktkategorie, fur diekeine Auskunftspflicht nach § 33 (2) besteht, schwarze Balken:Produktkategorie, fur die Auskunftspflicht nach § 33 (2) besteht,graue Balken: fur einen Teil der Produkte innerhalb der Produkt-kategorie besteht Auskunftspflicht nach § 33 (2))

Tab. 1 Ubersicht der SVHC,deren Gegenwart in denangefragten Erzeugnissen imRahmen derVerbraucheranfrage bestatigtwurde

Stoff Verwendungszweck Bespiele fur entsprechendeProdukte

Benzyl-butyl-phthalat (BBP) Weichmacher PVC-Netzkabel (z.B. in Druckern,Smartphones, Notebooks)

KabeltrommelBis (2-ethylhexyl)phthalat(DEHP)

Dibutylphthalat (DBP)

Diisobutylphthalat (DIBP)

Borsaure Vernetzungsmittel Fotopapier

Dinatriumtetraborat

Dinatriumtetraborat Flammschutzmittel Auffangvorrichtung fur Resttinte

Arsentrioxid Glasbearbeitung (Lautern) Herdplatte

1,2-Dimethoxyethan Elektrolytlosung Li-Ionen-Akkumulator

Kurzkettige chlorierteParaffine

Weichmacher/Flammschutzmittel

Kabel

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daher der von Unternehmen befurchtete Imagever-lust bei Weiterverwendung der SVHC vermutet.

Bezuglich der 35 Anfragen innerhalb der Produkt-gruppe ,,von der REACh-Verordnung betroffeneErzeugnisse‘‘, auf die im Rahmen der Studie keineAntwort erhalten wurde, kann keine Aussage getrof-fen werden. Es ist unklar, ob diese Erzeugnissetatsachlich keine SVHC enthalten (und somit keineInformationspflicht seitens des Lieferanten vorliegt),oder ob den angefragten Unternehmen die Informa-tion nicht vorliegt (trotz eines etwaigen Vorliegensentsprechender Substanzen). Wie das Informations-zentrum der Bundesanstalt fur Arbeitsschutz undArbeitsmedizin (BAuA) uns auf Anfrage mitteilte,,,mussen Firmen daher nicht auf Anfragen nach Arti-kel 33 antworten, wenn die fraglichen Erzeugnissekeinen Stoff der Kandidatenliste in Mengen von uber0.1 % (w/w) enthalten‘‘ (BAuA 2012). In einem solchenFall bestunde demnach fur den Verbraucher zunachstkeine unmittelbare Moglichkeit, zwischen der Abwe-senheit einer SVHC und einer dem Lieferanten nichtvorliegenden Information uber die mogliche Anwe-senheit einer SVHC zu unterscheiden. Hier sei abernoch einmal auf die Empfehlung hingewiesen, nachwelcher auch der Lieferant eine Verpflichtung zureigenenErmittlunghat. Er sollte eine aktiveNachfragebei seinem jeweiligen Vorlieferanten vornehmen, umsich bezuglich der Anwesenheit von SVHC zuerkundigen, gegebenenfalls unter Einbeziehung che-mischer Analysen (REACH-Helpdesk 2013).

Insgesamt 97 von 142 Antworten (68 %) innerhalbder Produktgruppe ,,von der REACh-Verordnungbetroffene Erzeugnisse‘‘ gehen uber die Anforderun-gen von § 33 (2) hinaus. Obwohl in 91 Fallen davonkeine SVHC in den Erzeugnissen angezeigt wurden(und damit keine Informationspflicht nach § 33 (2)seitens des Lieferanten bestand), wurde davon in 84Fallen die entsprechende Antwort innerhalb derfestgesetzten Frist zugestellt. In den ubrigen siebenFallen wurde die Frist uberschritten (was aufgrundder Nicht-Anwesenheit von SVHC keine rechtlichenKonsequenzen nach sich ziehen wurde). Bei denubrigen sechs Antworten konnte der Lieferant keineAuskunft erteilen, da die Anfrage in diesen Fallennicht prazise genug gestellt war.

Von den insgesamt 68 Anfragen der Produktgruppe,,von der REACh-Verordnung nicht betroffene Erzeug-nisse und Gemische‘‘, welche nach § 33 (2) REACh-Verordnung nicht auskunftspflichtig sind (auch wenndie Produkte SVHC in einer Massenkonzentration vonmehr als 0.1 % enthaltenwurden),wurden insgesamt44beantwortet (alle innerhalb der 45-Tage-Frist). DieseRucklaufquote von etwa 65 % liegt etwas geringer als

im Falle der ersten Produktgruppe. Nur in einem Fallwurde bei den Anfragen in dieser Produktgruppe dieAnwesenheit einer SVHC angezeigt. Dies betraf aller-dings nicht das angefragte Produkt selber, sondern einanderes vom angefragten Unternehmen vertriebenesProdukt. In besagtem Fall wurde uns vom Lieferantenohne Aufforderung eine Auflistung aller Produktezugesandt, welche SVHC enthalten.

Besonders erwahnenswert erscheint uns der uner-wartet hohe Rucklauf an Antworten auf die Anfrageninnerhalb der Produktgruppe ,,von der REACh-Verordnung nicht betroffene Erzeugnisse undGemische‘‘ (44) sowie der Produktgruppe ,,von derREACh-Verordnung betroffene Erzeugnisse‘‘, diekeine SVHC enthalten (91). Einem Großteil der Ant-wortschreiben ist keine explizite Begrundung fur dieBeantwortung der Anfrage zu entnehmen. Dennochlassen sich in einigen Schreiben entsprechendeBegrundungen finden, die drei unterschiedlichenMotivationen seitens der Unternehmen zugeordnetwerden konnen (Tab. 2). Zum einen kommunizierenUnternehmen im Sinne ihrer ,,Corporate SocialResponsibility‘‘ (CSR, unternehmerische Gesell-schaftsverantwortung), beispielsweise indem sie sichauf ihre Verantwortung als Markenartikler berufen.Zwei weitere aufgefuhrte Grunde betreffen dieTransparenz hinsichtlich der Prozesse (z.B. in derLieferkette) und hinsichtlich der Inhaltsstoffe in denangefragten Produkten. Hier wurden in Einzelfallendem Antwortschreiben sogar Untersuchungen vonunabhangigen Analytik-Instituten beigefugt, um dieUnbedenklichkeit des Erzeugnisses zu bescheinigen.Eine weitere mogliche Ursache fur dieses Antwort-verhalten konnte aber auch darin liegen, dassUnternehmen moglicherweise keine genaue Kennt-nis ihrer Verpflichtungen im Einzelfall besitzen unddaher vorsorglich samtliche Informationen zum

Tab. 2 Von angefragten Unternehmen aufgefuhrte Grunde furein Antwortschreiben auf die Anfrage, wenn gemaß § 33 (2)keine Informationspflicht bestand (rechte Spalte: Anzahl derUnternehmen, die den entsprechenden Grund aufgefuhrt haben,mehrere Anfragen bei einem Unternehmen wurden zu jeweilseiner Antwort pro Unternehmen zusammengefasst)

Corporate Social Responsibility

Verantwortung als Markenartikler 6

Kundenzufriedenheit/Qualitat/Sicherheit 4

Transparenz bezuglich Lieferkette

Strenge Uberwachung der Zulieferer 5

Hohe Liefer- und Produktsicherheit 4

Transparenz bezuglich Produktinhaltsstoffen

Produktprufung durch unabhangige Analytikinstitute 4

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jeweiligen Produkt zur Verfugung stellen. Damitwurden sie im Zweifelsfall der Kommunikations-pflicht gegenuber ihren Lieferanten gemaß § 33nachkommen, was jedoch nicht unbedingt mit einerbesseren Verstandlichkeit der weitergegebenenInformation auf Seiten des Kunden einhergeht. Sowurde einigen Antwortschreiben ein vollstandigesSicherheitsdatenblatt (SDB) beigefugt, welches aus-fuhrliche Informationen zu dem Produkt enthalt, furden durchschnittlichen Verbraucher jedoch nichtverstandlich ist. Hier sehen wir Optimierungsbedarfseitens der Hersteller von Stoffen und nachgeschal-teten Anwendern der Industrie, den Akteurenentlang der Lieferkette die relevanten Informationenin kompakter und auch fur den Verbraucherverstandlicher Weise zu kommunizieren.

4 Zusammenfassung

Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dassVerbraucher ein hohes Interesse an Informationen zuInhaltsstoffen in Konsumgutern haben und dieseauch beim Einkauf kontrollieren. Hohes Interessescheint insbesondere bei Inhaltsstoffen zu Konsum-gutern zu bestehen, mit welchen Verbraucherunmittelbar und uber einen langeren Zeitraum inKontakt kommen. Andererseits besteht Informati-onsbedarf hinsichtlich der Verbraucherrechte nach §33 (2) der REACh-Verordnung, da keiner der von unsbefragten Verbraucher uber die ihm zustehendenRechte zur Durchfuhrung einer Verbraucheranfrageinformiert war. Ein moglicher Ansatz zur Verbesse-rung ware der aktive Hinweis auf Online-Portale wiez.B. die des Umweltbundesamtes, bei denen eineentsprechende Anfrage auch digital gestellt werdenkann (Umweltbundesamt 2013).

Bei der durchgefuhrten Verbraucheranfragewurden bei den nach § 33 (2) grundsatzlich aus-kunftspflichtigen Erzeugnissen insgesamt 107 von 142Anfragen (75 %) beantwortet, wobei in 10 Fallen dieAnwesenheit von SVHC im Erzeugnis angezeigtwurde. Bei den Produkten, die nach §33 (2) nichtgrundsatzlich auskunftspflichtig sind, wurden von 68Anfragen insgesamt 44 beantwortet (65 %), wobei innur einem Fall ein SVHC angezeigt wurde. DiesesResultat bewerten wir als sehr positiv, da es unsererAnsicht nach darauf hinweist, dass Unternehmen beider Produktion von Erzeugnissen bemuht sind, nachMoglichkeit keine SVHC zu verwenden. Allerdings istnicht auszuschließen, dass ein Teil der angefragtenErzeugnisse SVHC enthalten konnte, obwohl diese

nicht angezeigt wurden, da ahnliche Beobachtungenauch in einer fruheren Studie berichtet wurden(BUND 2010).

Der insgesamt hohe Rucklauf an Antworten in denFallen, in denen keine Informationspflicht seitens desLieferanten nach § 33 (2) vorlag, bewerten wir zumeinen als Beleg dafur, dass der Kommunikationspro-zess entlang der Lieferkette im Sinne von § 33 (2)insgesamt zufriedenstellend zu verlaufen scheint.Zum anderen zeigt das Ergebnis, dass Unternehmenuber die gesetzlichen Anforderungen hinaus im Sinneeiner ausgepragten ,,Corporate Social Responsibility‘‘eine transparente Kommunikationspolitik verfolgen,um Verbraucher uber die Inhaltsstoffe in den herge-stellten bzw. vertriebenen Produkten zu informieren.Dieses Beispiel unterstreicht aus unserer Sicht denhohen Stellenwert, den viele Unternehmen derVerbraucherinformation und demVerbraucherschutzim Sinne der REACh-Verordnung einraumen.Allerdings konnte die hohe Rucklaufquote auch aufdie Unsicherheit von Unternehmen bezuglich ihrerVerpflichtungen im Einzelfall zuruckzufuhren sein.Ein Indiz dafur waren die manchen Antwortenbeigefugten SDB, welche fur den durchschnittlichenVerbraucher unverstandlich und daher alsKommunikationsform dem Endkunden gegenuberungeeignet sind.

Die Praxistauglichkeit der Informationspflicht alsInstrument des Verbraucherschutzes im Sinne von§ 33 (2) der REACh-Verordnung wird damit ausSicht eines Verbrauchers basierend auf den von unserhaltenen Ergebnissen als insgesamt gut bewertet.Verbraucher sollten allerdings aktiver uber ihreRechte informiert werden. Hier ware unsererAnsicht nach eine ,,konsumentennahere‘‘ Kommu-nikation der dem Verbraucher zustehenden Rechtesinnvoll. Dazu eignen sich beispielsweise die Web-seiten der Verbraucherzentralen der Bundeslander(hier finden sich unter dem Suchbegriff ,,REACH‘‘gegenwartig noch sehr wenige und zuallgemeine Informationen). Andere mogliche Infor-mationskanale waren Publikationsorgane vonVerbraucherschutzorganisationen wie test (StiftungWarentest) oder das TUV Sud Journal (TUV Sud).Auch die Kommunikation in der Lieferkette sollteweiter optimiert werden. Hier ware eine bessereAbstimmung der kommunizierten Inhalte auf dieBedurfnisse des Verbrauchers wunschenswert. Sokonnten zum Beispiel statt der Ubermittlung einesvollstandigen SDB dem Verbraucher nur die imErzeugnis enthaltenen SVHC (mit Angabe der Kon-zentration) genannt werden.

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Page 8: Untersuchungen zur Praxistauglichkeit von Instrumenten zur Verbesserung des Verbraucherschutzes der Chemikalien-Verordnung REACh aus Verbrauchersicht

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