Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte...
Transcript of Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte...
Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
1799
General Suworow und sein Alpenfeldzug
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
- 2 -
1799 General Suworow und sein Alpenfeldzug Hans Stadler in: Vaterland Nr. 273 vom 24. November 1979. Seite 27.
Hundertachtzig Jahre ist es her, seit der russische General Suworow mit
einer grossen Armee in der kalten Herbst- und Vorwinterzeit vier
Alpenpässe überschritt, um dem französischen Feinde in der Umgebung
von Zürich, auf den Leibe zu rücken. Dem greisen Oberbefehlshaber ging
bereits damals ein legendärer Ruf voraus. Seine vornehme Gestalt und
seine selbstbewusste Art verfehlten auch den Eindruck auf das Volk nicht.
Suworow ging ein in die Geschichte der Innerschweiz, und seine
Gedenkstätten sind beinahe zahlreicher. als für jeden anderen Helden der
Alpentäler. Es gibt nicht nur an jedem Ort, wo er übernachtete, ein, wohl
geschütztes Suworowhaus. An verschiedenen Passübergängen erinnern
Inschriften an den Vorbeimarsch des russischen Heeres.
von Dr. Hans Stadler-Planzer, Attinghausen
In der Schöllenen findet sich ein gigantisches Monument zu Ehren des harten
Feldzuges. Das Frauenkloster Muotatal, wo der General kurze Zeit weilte und
wo das «Suworow-Zimmer» nicht nur den schweizerischen, sondern auch den
häufigen russischen Besuchern gezeigt wird, war lange Zeit eine Art
Pilgerstätte der mit alt Russland verbundenen Exil-Slawen. Gemälde neuerer
Künstler, wie etwa Wielands in der Kaserne Andermatt, halten das Gedächtnis
an Suworow wach, und Museen und Archive bewahren Erinnerungsstücke an
ihn, etwa Betten, in welchen er nächtigte, oder seine Schabracke, als grösste
Kostbarkeiten auf. Was hat es mit diesem Manne? Wie war es mit seinem
Alpenzug eigentlich bestellt.
Die Ausgangslage
Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution 1789 und dem kraftlosen
Frieden von Campo Formio, welcher den ersten Koalitionskrieg zwischen dem
revolutionären Frankreich und den monarchischen Staaten Europas beendete,
- 3 -
brach 1799 ein zweiter Koalitionskrieg aus. Österreich, Russland und England
kämpften gegen Frankreich auf drei verschiedenen Kriegsschauplätzen: in
Italien unter Suworow, in Zürich unter Korsakow und Hotze, im Rheingebiet
und den Niederlanden unter englischem Kommando. Während das nordische
Geschehen wenig Bedeutung hatte und in Italien von Suworow die
Entscheidung rasch zugunsten der Koalition erreicht wurde, konzentrierte sich
das Kriegsgeschehen mehr und mehr auf den schweizerischen
Kriegsschauplatz,
General Suworow wurde im Spätsommer 1799 der Befehl erteilt, sich mit
General Korsakow in Zürich zu vereinigen und das französische Heer unter
dem Kommando von General Massena zu schlagen. Es erstaunt nicht, dass der
«General Vorwärts» von den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der
Alpenüberquerung die kürzeste, nämlich diejenige über den Gotthard wählte.
Suworow beabsichtigte, so schnell als möglich Schwyz zu erreichen, sich hier
mit den österreichischen Truppen unter Hotze zu vereinigen, um anschliessend
in koordinierter Aktion mit Korsakow zusammen den Hauptschlag gegen den
vor Zürich lagernden Massena zu führen.
Der Marsch auf den Gotthard
Am 21. September 1799 marschierte Suworows Heer in Taverne, ab. Die
Soldaten hatten Biscuits für zehn Tage im Tornister. Erstes Ziel war der
Gotthardpass. Bereits am 23. September bezogen die Truppen in Airolo die
Angriffsgrundstellung, und in mörderischem Gefechte wurden am folgenden
Tage die französischen Stellungen genommen und der Gotthard erobert.
Auf dem Gotthard angekommen, begab sich der General sofort zum Hospiz,
um, die dort wohnenden Kapuziner ehrerbietig zu begrüssen. Die Szene ist im
bekannten Gemälde von Wieland, welches den grossen Speisesaal der Kaserne
Altkirch in Andermatt schmückt, festgehalten. Die Nacht verbrachte er in
Hospental.
Der Marsch durch Uri
Auf die Nachricht vom siegreichen Vordringen der Russen entsandte der
französische Divisionär Lecourbe, welchem das Kommando im Reusstal
- 4 -
zustand, starke Reserven ins Urserntal. Allein, die Lage war für sie
aussichtslos. Suworow hatte schon Hospental, den Oberalp und Andermatt in
seinen Händen. Den Franzosen blieb nur der Rückzug offen. Ein Teil flüchtete
sich über die Furka, ein Teil unter der persönlichen Führung Lecourbes zog
sich nachts über den Bäzberg nach Göschenen zurück, nachdem zuvor die
schweren Geschütze in die Reuss gestürzt worden waren.
In der Frühe des 25. September nimmt Suworow im Fluge das Urnerloch und
anschliessend unter heftigem gegnerischem Feuer die Teufelsbrücke ein. Am
gleichen Tage kann er noch bis Wassen vorstossen, wo er nächtigt. Die
Franzosen zogen sich überall zurück und zerstörten an Wegen und Stegen so
viel als möglich.
Am folgenden Tage kann das Heer, vom Feinde kaum behelligt, bis Altdorf
vorrücken. Der Einzug im Hauptflecken wurde zu einem kleinen Triumphzug
gestaltet. Der Urner Geschichtsschreiber Karl Franz Lusser überliefert: «Um
sechs Uhr abends desselben Tages (26. September 1799) hielt Suworoff, von
mehreren hundert Kosaken und vielem Fussvolk begleitet, in phantastischer
Kleidung, seinen Einzug in Altdorf. Er war im Hemde, mit offenem
schwarzem Camisol und an den Seiten offenen Hosen, in der einen Hand hielt
er ein Karbatsche, mit der andern gab er im Vorüberreiten, gleich einem
Bischof, den Segen und verlangte von dem ihm von dem Haus entgegen
gehenden Landammann Schmid den Friedenskuss und von dem denselben
- 5 -
begleitenden ehrwürdigen Pfarrer Ringold den Segen, den er in andächtiger
Verbeugung empfing. Sodann hielt er eine Anrede in ziemlich gebrochenem
Deutsch, worin er sich als Heiland und Erlöser der Welt verkündete, indem er
gekommen, dieselbe von den Ungläubigen und der Tyrannei zu befreien. Er
verlangte, geistliche und weltliche Personen sollten das Volk auffordern, sich
in Massen zu erheben und mit ihm auf Zürich zu ziehen, um diese Stadt zu
deblokieren, worauf Thaddäus Schmid mit einem bedenklichen Stillschweigen
antwortete.
In Altdorf begannen nun die Schwierigkeiten auf dem Marsche Suworows,
welche in der Folge nicht mehr abzureissen schienen. Hier musste er nämlich
feststellen, dass er mehr oder weniger in eine Sackgasse geraten war. Denn der
See war in den festen Händen des französischen Gegners, während sich der
schmale Fussweg über den Axen nach Sisikon und von hier über Morschach
nach Brunnen für eine militärische Verschiebung nicht eignete. So entschloss
sich Suworow, den Weg über den Kinzig einzuschlagen. In der Frühe des 27.
Septembers brach er auf und erreichte das Tal noch gleichentags, während der
Grossteil des Heeres unterwegs, wo er von der Dunkelheit überrascht wurde,
nächtigte. Phantastische Anekdoten umranken den Marsch über den Kinzig.
Hier sollen die Käsespeicher mit dem ganzen Sommernutzen geplündert
worden sein. Dort gingen sämtliche Alpgemächer in Flammen auf um die
frierenden Soldaten zu wärmen. Jene Ahnfrau soll gezwungen worden sein, ein
Rad einer Kanone auf den Pass zu schleppen. usw.
Muotatal - Tränental
In den letzten Septembertagen war Muotatal Schauplatz des bunten russischen
Heerlagers. Die schwache französische Besatzung war von den
vorausgeschickten Kosaken vernichtet worden. Der General nahm im
Frauenkloster Quartier. Die Chronik der damaligen Frau Mutter Walburga
Mohr berichtet uns genau über diese bewegten Tage im Tal.
Muotatal wurde für Suworow zu einem Tränental. Denn hier musste er die
Schreckensnachricht von der Niederlage General Korsakows in Zürich
vernehmen. Massena war inzwischen zum Angriff übergegangen und trug den
Sieg davon. Dadurch zerschlugen sich alle Pläne Suworows, und der Sinn der
- 6 -
strapazenreichen Verschiebung über die Alpen war in Frage gestellt. Zudem
geriet Suworow im engen Tal, welches leicht im Tobel bei der Stossseilbahn
abgeriegelt werden konnte, in eine gefährliche Lage.
Der General musste deshalb erneut seinen Plan ändern. Er entschloss sich,
nicht mehr nach Schwyz vorzustossen, eine Vereinigung mit dem von den
Franzosen ebenfalls geschlagenen Hotze war ohnehin nicht mehr aktuell,
sondern über den Pragel nach Glarus zu gehen.
Suworows Beurteilung der Lage war richtig. Kaum war er am 29. September
in Muotatal aufgebrochen, um über den Pragel Glarus zu erreichen, hatte sich
seine im Tal zurückgelassene Nachhut eines massigen Angriffes der Franzosen
zu erwehren, General Massena beabsichtigte, unter seiner persönlichen
Führung dem Heer Suworows den, entscheidenden Schlag zu versetzen. Das
hätte dem ehrgeizigen französischen Offizier gepasst, den nie geschlagenen
alten russischen Bären in die Knie zu zwingen. Doch so leicht ging dies nicht.
- 7 -
Am 1. Oktober stellte sich die russische Nachhut den Franzosen, und in einer
kurzen, aber heftigen Schlacht wurden diese in die Flucht und ins Verhängnis
getrieben. Beim Flaschenhals talausgangs, wo nun die heute noch bestehende
Holzbrücke den Ausgang nach Buchholz öffnete, kam es zur Katastrophe. Die
in unordentlicher Hast davoneilenden Franzosen wurden von den
nachdrängenden Russen abgeknallt oder in den gähnenden Schlund mit der
schäumenden Muota gedrängt. 3500 Franzosen kamen um, und weitere 1200
wurden gefangen. Grosse Mengen an Material und Munition blieben im Tal.
Säbel und Gewehre schmücken heute noch manches alte Bauernhaus.
All diese Ereignisse vermochten dein Tale in späterer Zeit den Nimbus einer
russisch-vaterländischen Stätte zu verleihen. Lange Zeit war Muotatal das
Ausflugsziel altgesinnter Russen, wo sie den Spuren ihres grossen Generals
und der tapferen Soldaten nachgehen konnten, wo russische Tugend einen
unbeachteten Sieg über die revolutionären Franzosen errang.
Pragel, Panixer und Kisten
Nach der Bereinigung der Lage im Muotatal zog auch die Nachhut über den
Pragel und vereinigte sich in Glarus mit dem Hauptheere. Nun wagte es
Suworow nicht mehr, mit dem geschwächten und ermüdeten Heer den geraden
Weg über den Walensee nach Sargans einzuschlagen, weil diese Positionen
von den Franzosen fest gehalten wurden. Die Pässe ins Bündnerland, der
Panixer und der Kisten, waren die einzigen Auswege. Am 4. und 5. Oktober
ging der Marsch, der nun fast einer Odyssee glich, weiter. Der Gang über die
bereits tief verschneiten Bergwege bei entsprechend tiefen Temperaturen
kostete vielen Erschöpften das Leben. Am 10. Oktober war die gesamte Armee
im Rheintal wieder versammelt. Suworow hatte von Taverne bis hieher 3800
Mann oder den sechsten Teil der Armee verloren. Der greise Heerführer war
aber immer noch zuversichtlich. Sofort brach er nach Feldkirch auf, um sich
mit den vertriebenen Resten der Armee Korsakows zu vereinigen und doch
noch einen Angriff gegen die Franzosen zu wagen.
- 8 -
- 9 -
Von der Diplomatie überrollt
Dieser letzte Plan kam nicht mehr zur Ausführung. Suworow wurde nicht im
Felde geschlagen, sondern am grünen Tisch. Der Zar trat, von der
französischen Verhandlungskunst umgarnt, von der Koalition zurück Er
beorderte Suworow nach Leningrad zurück. Hier fiel er in Ungnade. Es war für
ihn der grösste Schlag. Rasch griff ihn das Alter an. Und kurze Zeit später
starb er. Nicht, einmal ein Staatsbegräbnis hatte der neue Zar für den
verdienten Heerführer übrig. Die Geschichte aber hat das Leben und das Werk
des russischen Generals aufgenommen und überliefert.
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 04/2012
- - - - - - - -