Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von … · 2012-07-23 · Camerla und...

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Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 1998 Der Fürstabt von Pfäfers und seine Abtei Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.

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Untervazer Burgenverein Untervaz

Texte zur Dorfgeschichte

von Untervaz

1998

Der Fürstabt von Pfäfers und seine Abtei

Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.

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1998199819981998 Der Fürstabt von Pfäfers und seine AbteiDer Fürstabt von Pfäfers und seine AbteiDer Fürstabt von Pfäfers und seine AbteiDer Fürstabt von Pfäfers und seine Abtei Paul GubserPaul GubserPaul GubserPaul Gubser Gubser Paul: Es begann im Drachenloch. Mels 1998. Seite 59-70.

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Der Fürstabt von Pfäfers und seine AbteiDer Fürstabt von Pfäfers und seine AbteiDer Fürstabt von Pfäfers und seine AbteiDer Fürstabt von Pfäfers und seine Abtei

S. 59: Wie und wann das Kloster Pfäfers entstandWie und wann das Kloster Pfäfers entstandWie und wann das Kloster Pfäfers entstandWie und wann das Kloster Pfäfers entstand

Eine Legende erzählt, dass ein paar Waldarbeiter im Urwald bei Ragaz einige

Bäume fällten. Dabei verletzte sich ein Mann so sehr, dass sein Blut die

umliegenden Holzspäne rot färbte. Plötzlich erschien eine weisse Taube,

packte mit dem Schnabel einen blutigen Span und flog davon. Der heilige

Pirmin beobachtete dies und folgte neugierig dieser weissen Taube. Droben bei

Pfäfers, an der Stelle des heutigen Klosters, liess die Taube den Holzspan

fallen. Der heilige Pirmin fasste dies als Zeichen Gottes auf. Er kniete nieder

und betete lange. Dann stand er auf und errichtete an jenem Ort am Eingang

zum Taminatal eine erste kleine Einsiedlerhütte. Daraus entstand später das

Kloster Pfäfers. Wegen dieser Legende führen Bad Ragaz und Pfäfers in ihren

Gemeindewappen eine weisse Taube mit dem roten Holzspan.

Viele Geschichtsforscher bestehen aber darauf, dass das Kloster Pfäfers von

den Benediktinermönchen auf der Insel Reichenau als Zweigniederlassung

gegründet worden sei.

Der ehemalige Stiftsarchivar Franz Perret, St. Gallen, erklärte seinerseits, das

Kloster Pfäfers sei durch den Präses Viktor von Chur, den geistlichen und

weltlichen Machthaber in Rätien, gegründet worden.

Ganz klar lässt sich die Sache nicht mehr nachweisen. Fest steht nur, dass

dieses Benediktinerkloster zwischen 736 und 740 entstanden sein muss. Von

seinem Hochsitz aus kontrollierten die Klosterinsassen das ganze zu Füssen

liegende Tal mit der wichtigen Zubringerstrasse vom Walensee nach Chur, die

Abzweigung über die Luziensteig und den uralten Weg von Ragaz über Pfäfers

durch das Taminatal nach Vättis und über den Kunkelspass nach Reichenau.

Damit die Klostermönche ein gesichertes Einkommen hatten und unbesorgt ihr

beschauliches Leben führen konnten, schenkten der Präses Viktor und seine

Familienangehörigen dem neuen Kloster im Sarganserland und in Unterrätien

sehr viele Grundstücke mit den zugehörigen Leuten und dem nötigen Vieh

bestand. Damals kam das Kloster Pfäfers zu seinen ausgedehnten Besitzungen

in Ragaz, im Taminatal, in den Dörfern Mels, Riva (Walenstadt) und Quarten.

Alle Leute dieser Klostergüter mussten dem Gotteshaus in Pfäfers ihre

jährlichen Abgaben und Zinsen abliefern.

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In wenigen Jahrzehnten entwickelte sich das Kloster "Unserer Lieben Frau von

Pfäfers" (Muttergottes) zu einem geistigen, religiösen und kulturellen

Mittelpunkt in Unterrätien. Im Kloster Pfäfers lebten zeitweise bis zu 60

Mönche, die durchwegs aus Rätien stammten. Sie hielten sich an die Regeln

des heiligen Benedikt von Nursia (480-543), der um 529 auf dem Monte

Cassino (Italien) das erste Kloster seines Ordens gegründet hatte. Die

Hauptregel der Benediktinermönche hiess: «Bete und arbeite!»

Das Kloster Pfäfers, seine Mönche und die Gotteshausleute, die zu der Abtei

gehörten, standen lange Zeit unter dem Schutz der Viktoriden, der damaligen

mächtigen rätischen Herrscher.

Der Abt als geistlicher und weltlicher Herr und GebieterDer Abt als geistlicher und weltlicher Herr und GebieterDer Abt als geistlicher und weltlicher Herr und GebieterDer Abt als geistlicher und weltlicher Herr und Gebieter

Als Kaiser Karl der Grosse um 806 die Trennung der Grafschaft Churrätien

vom Bistum Chur veranlasste, kam unter anderem auch das Kloster Pfäfers in

den Besitz des Kaisers. Damit erlangte das Kloster die Immunität. Es wurde

reichsfrei und unterstand nur noch dem Kaiser. Der Abt und seine Abtei hatten

nun Anspruch auf den ausdrücklichen Schutz des Königs oder Kaisers.

Der Abt war von jetzt an weltlicher Herr und Gebieter über alle in seiner Abtei

niedergelassenen freien, halbfreien und leibeigenen Leute. In seinem ganzen

Klostergebiet war der Abt allein zuständig für das Hohe und Niedere Gericht.

Er durfte eigene Münzen schlagen und in Umlauf bringen. Er durfte die Abtei

nach seinem Willen und Gutdünken verwalten. Dabei brauchte er aber auch

den Rat und das Einverständnis seiner Mitbrüder im. Kloster, des sogenannten

Konventes. Als Herr und Gebieter musste der Abt auch für den Schutz von

Land und Leuten gegen äussere und innere Feinde und Gefahren sorgen.

Kaiser Karl der Grosse verschaffte dem Kloster Pfäfers auch die meisten

Kirchen und Pfarrpfründe in den Dörfern und Kirchhören des Sarganserlandes.

Das Kloster Pfäfers war im Besitz folgender Kirchen und Pfrundhöfe im

S. 60: Sarganserland: Pfäfers, Ragaz, Mels, Vilters, Wangs, Vättis, Valens,

Weisstannen, Walenstadt und Quarten. Damit war der Abt von Pfäfers zum

wichtigsten Kirchenbesitzer (Kollaturherr) in unserm Gebiet geworden.

Der Kollaturherr bestimmte, wer in der Gemeinde Pfarrer wurde. Dafür musste

er den Priester selber besolden und für alle Auslagen und für den Unterhalt

seiner Kirche aufkommen.

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Er hatte aber das Recht, von allen Christen in seiner Kirchhöri

(Kirchgemeinde) den grossen und kleinen Zehnten einzuziehen. Diese

Zehntabgaben an den Kirchenherrn wurden von den Weisungen Gottes an

Moses im Alten Testament abgeleitet:

«Alle Zehnten vom Boden, von der Saat des Bodens und von den

Baumfrüchten gehören Jahwe, sie sind Jahwe geweiht ... Und aller Zehnt von

den Rindern und dem Kleinvieh, von allem, was unter dem Hirtenstab

durchgeht, je das zehnte Stück, ist Jahwe geweiht!» (Moses III., Kap. 27, 30

und 32)

Der grosse Zehnten umfasste die Abgaben von allen Getreidearten, von den

Ackerfrüchten, vom Wein und von den Haustieren.

Zum kleinen Zehnten rechnete man bei uns die Abgaben von allen Äpfeln,

Birnen und andern Baumfrüchten sowie von Flachs und Hanf und von allen

ölhaltigen Samen wie Nüssen, Raps und Sonnenblumenkernen.

Ursprünglich wurde der Zehnte in Naturalgaben entrichtet, und zwar jeweils

am St. Martinstag, also am 11. November. Den Einzug und die Kontrolle über

die Zehntabgaben besorgte der Klostermeier oder eine vom Pfarrer bestimmte

Person.

Der Sohn und Nachfolger Karls des Grossen, Kaiser Ludwig der Fromme

(814-840), ordnete in den Jahren 818/819 an, dass in seinem Reich jede

Pfarrkirche eine Hube besitzen müsse. Das war ein Bauernhof mit Ackerland

(zirka 216 Aren) und mit genügend Wiesland für das Halten einiger Kühe und

Pferde. Diese Pfarrhube war steuerfrei.

Die Kirche und die zugehörige Hube bildeten die Pfarrpfrund. Sie gehörte dem

Kirchen- oder Kollaturherrn. Er wachte darüber, dass die Pfrundgüter nicht

geschmälert und vernachlässigt wurden. Nur mit seiner Einwilligung konnten

Pfrundgüter gekauft oder veräussert, verpachtet oder abgetauscht werden.

Zu den Pflichten des jeweiligen Pfarrers gehörten: - die Seelsorge im Dorf und

in der ganzen Kirchhöri - und die Bewirtschaftung und Pflege des Pfrundgutes.

Der Pfarrer konnte die Kirchenhube in seiner Freizeit selber bearbeiten, wie

dies in Walenstadt lange Zeit der Fall war. Fühlte er sich dazu nicht fähig,

konnte er die Pfrundgüter an einen Bauern verpachten. Der Ertrag oder der

Pachterlös von er Kirchenhube bildete mit einem Anteil aus dem Zehnten er

Kirchhöri den Lohn des Pfarrers.

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Die Abtei PfäfersDie Abtei PfäfersDie Abtei PfäfersDie Abtei Pfäfers

Zum Kloster Pfäfers gehörte ein geschlossenes Staatsgebiet, indem der

Fürstabt und der Mönchskonvent allein bestimmen konnten, was zu tun und zu

lassen war. Dieses Klostergebiet nannte man Abtei Pfäfers. Zu diesem

Herrschaftsgebiet gehörten:

- Das ganze Taminatal bis zum Kunkelspass mit den Dörfern Pfäfers, Valens,

Vasön, Vadura und Vättis samt allen zugehörigen Wäldern und Alpen,

- das halbe Calfeisental rechts der Tamina,

- das Dorf Ragaz mit Ausnahme der Herrschaft Freudenberg

- und die Baschärebene zwischen der Saar und dem Rhein.

Aber auch im übrigen Sarganserland war das Kloster Pfäfers reich an

verstreuten Grundstücken und an Einkünften:

In der Dorfgemeinschaft Mels hatte sich die Abtei Pfäfers viel Besitz und

Einfluss gesichert, dass sie dort eine eigene Meierei einrichten musste. Nach

einer Urkunde vom Mai 263 gehörten die Güter zu Amperdell, Baschär,

Camerla und Kestnenholz dem Kloster. Darauf lebten Grundhörige, also

Gotteshausleute. Sie unterstanden in der Niederen Gerichtsbarkeit dem

Klostermeier von Mels. Für Fälle des Hochgerichtes war für sie das

fürstäbtische Maigericht in Ragaz zuständig. Dieses führte an Stelle des Abtes

der jeweilige Graf der Landvogt von Sargans durch.

Einer der grössten Höfe des Klosters Pfäfers im Sarganserland war der Hof zu

Quarten. Er umfasste sehr viele Grundstücke mit den zugehörigen

Gebäulichkeiten in Quarten, Oberterzen, Unterterzen und Quinten. Viele dieser

Besitzungen waren irgendwann vom Bischof von Chur an die Benediktiner

von Pfäfers übergegangen. Andere waren von freien einheimischen Bauern

dem Kloster geschenkt worden, um sich und die Nachkommen in den Schutz

des Klosters zu stellen.

Alle diese Gotteshausleute des Hofes Quarten unterstanden dem äbtischen

Meier, der im Meierhof zu Quarten sesshaft war. Als Stellvertreter des Abtes

war er Mittelsmann

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S. 61:

S. 62:

zwischen den Gotteshausleuten von Quarten, Oberterzen, Unterterzen und

Quinten und dem Abt und Konvent von Pfäfers.

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Er zog für das Kloster die Zehntabgaben aller Gläubigen und die Lehenszinsen

aller Grundhörigen ein. Er behielt einen Teil davon als Lohn für sich, und den

Rest führte er jeden Herbst nach Pfäfers.

An Stelle des Abtes führte der Meier von Quarten in seinem Gebiet das

Niedere Gericht über alle Gotteshausleute durch. Für Hochgerichtsfälle war

der ganze Hof Quarten mit Murg, Unterterzen und Quinten dem Stadtgericht

Walenstadt und dem Grafen von Sargans unterstellt. Diese Gerichte über

Leben und Tod mussten unter der Linde vor der Stadt Walenstadt durchgeführt

werden.

Ausserhalb des Sarganserlandes besass die Abtei Pfäfers noch weitere Güter,

Rechte und Einkünfte. Dieser Streubesitz reichte von Graubünden bis in die

Innerschweiz, ins Zürichbiet, in den Thurgau, ins Vorarlbergische, in den

Vintschgau und bis nach Schwaben. Die Inhaber dieser Klostergüter waren

verpflichtet, die jährlichen Abgaben ins Kloster Pfäfers zu liefern.

S. 63: Die Abtei PfDie Abtei PfDie Abtei PfDie Abtei Pfäfers und ihre Schirmherrenäfers und ihre Schirmherrenäfers und ihre Schirmherrenäfers und ihre Schirmherren

Als Landesfürst war der Abt höchster Richter und Feldherr in seiner Abtei.

Durch sein Gelübde, das er als Priester und Ordensmann abgelegt hatte, war es

ihm unmöglich, einem Mitmenschen durch ein Gerichtsurteil das Leben

abzusprechen oder gar selber in den Krieg zu ziehen, um andere Menschen zu

töten.

Die Äbte von Pfäfers waren darum gezwungen, die Militäraufgaben und das

Hohe Gericht für das ganze Klostergebiet einem Schirm- oder Schutzherrn zu

übertragen. Die weltlichen Grafen übernahmen nur zu gern solche

Schirmaufgaben über Abteien. Als höchste Richter in der Abtei konnten sie

dann die Hälfte der ausgefällten Gerichtsbussen selber einstreichen.

In der Blütezeit des Ritterstandes, als sich die Adeligen an die edlen

Versprechen hielten, die sie beim Ritterschlag beschworen hatten, drohte der

Abtei von ihrem Schutzherrn keine Gefahr. Aber später massten sich

habgierige gräfliche Schirmherren immer mehr Rechte und Aufgaben an, die

eigentlich dem Abte zugestanden hätten.

Als erster Schirmvogt über Pfäfers wird um 1160 der Freiherr Heinrich von

Wildenberg der jüngere erwähnt. Die Stammburg Wildenberg lag in Fellers

GR.

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Am 27. Februar 1209 liess sich Heinrich I. von Sax die Schirmvogtei über

Pfäfers gegen eine Pfandsumme von 300 Gulden übergeben. Die Vogtei über

Ragaz war dabei nicht inbegriffen.

Die Schirmvögte bedrängten in den folgenden Jahrzehnten die Pfäferser Äbte

auf schamlose Weise, statt dass sie ihre Aufgabe als Schutzherren ausgeführt

hätten. Um das Jahr 1213 riet der Meier des Klosterhofes von Ragaz dem Abt

Konrad II. von Zwiefalten (1202-1220), er solle in der Nähe des Klosters eine

feste Burg erbauen lassen, die in Kriegszeiten den Klosterinsassen und

Gotteshausleuten als Zufluchtsort dienen könnte. Der Abt war einverstanden

und übertrug dem Meier den Bau der Burg auf Wartenstein. Für die Baukosten

kam das Kloster auf.

Als die Feste Wartenstein vollendet war, setzte sich ausgerechnet jener Meier

von Ragaz darin fest, der dem Abt die Errichtung dieser Anlage angeraten

hatte. Er weigerte sich, die Burg dem Abt zu überlassen. Schliesslich wandte

sich der geprellte Abt an seinen Schirmherrn, Heinrich von Sax. Ihm gelang es,

den widerspenstigen Meier von Ragaz zu ergreifen und so die Herausgabe der

umstrittenen Burg zu erzwingen.

Statt nun die Feste Wartenstein dem Kloster Pfäfers zu übergeben, zog

Heinrichs Sohn Albert II. von Sax darin ein. Er plagte und erpresste nun

seinerseits den Abt und das Kloster Pfäfers auf alle erdenkliche Arten. Er

scheute sich nicht, Abt Konrad sieben Wochen lang gefangen zu halten, nur

weil dieser nicht bereit war, ihm die Burg Wartenstein als Eigentum oder als

Lehen zu übertragen.

Als aber Albert II. von Sax vernahm, dass der Abt und der Konvent von

Pfäfers ihn beim deutschen Kaiser Friedrich II. (1210-1250) verklagt hatten

und die Burg Wartenstein und die Schutzvogtei Pfäfers zurückverlangten,

verpfändete er um 1219 die Vogtei und die Burg widerrechtlich an Heinrich

von Falkenstein um den bescheidenen Betrag von 70 Mark Silber.

Kaiser Friedrich II. stellte der Abtei Pfäfers im Jahre 1221 eine Urkunde mit

goldenem Siegel aus. Darin versprach er dem Kloster seinen besonderen

Schutz und nahm gleichzeitig den Herren von Sax die Schutzvogtei über die

Abtei Pfäfers weg.

Da sich Albert II. von Sax am kaiserlichen Hof für seine Vergehen gegenüber

dem Abt von Pfäfers entschuldigte, durfte er die Schutzvogtei Pfäfers wieder

übernehmen und weiterhin behalten.

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Nach seinem Tode kaufte Heinrich von Wildenberg die Schutzvogtei aus dem

Pfand von Heinrich von Falkenstein zurück und übertrug sie seinem Neffen

Heinrich II. von Sax, einem Sohne Alberts II. von Sax.

Im Jahre 1257 verkaufte Albert III. von Sax dem Abt Rudolf von Bernang

(1253-1263) und seinem Konvent von Pfäfers die Burg Wartenstein und die

Schutzvogtei über Pfäfers, Valens, Vättis und Untervaz für 300 Mark Silber.

In der kaiserlosen Zeit (1254-1273) war die Abtei Pfäfers wie andere

Klosterstaaten durch das unter den Rittern geltende Faustrecht besonders

gefährdet. In den damals herrschenden Wirren brauchte das Kloster dringend

einen starken und wohlgesinnten Schirmherrn.

Im Jahre 1261 stellte Abt Rudolf III. von Bernang das Kloster Pfäfers mit

seinem gesamten Besitz unter den Schutz und Schirm des Grafen Heinrich von

Wildenberg des älteren. Zur grösseren Sicherheit schloss der vorsichtige Abt

Rudolf mit dem Grafen Heinrich von Wildenberg einen genauen Vertrag über

die Aufgaben des Schirmvogtes von Pfäfers ab.

Heinrich von Wildenberg erhielt die Burg Wartenstein und die Schutzvogtei

über die gesamte Abtei Pfäfers, dafür gelobte Graf Heinrich:

S. 64: - die Burg Wartenstein und alle Besitzungen des Klosters gegenüber

jedermann zu verteidigen,

- mit allen Mitteln zu verhindern, dass innerhalb der Vogtei eine weitere Feste

gebaut werde,

- die Verminderung der Rechte von Abt und Konvent und der Zinsen des

Klosters zu unterdrücken,

- und die übertragene Schirmvogtei selber zu führen.

Der Abt beanspruchte für sich und seine Nachfolger die obrigkeitliche

Herrschaftsgewalt über sein Klostergebiet, "Twing und Bann" genannt. Er

hatte also das Recht, Gebote und Verbote zu erlassen und das Niedere Gericht

über Dorf- und Feldangelegenheiten durchzuführen.

Der Abt galt in seiner Abtei auch für das Blutgericht als oberster Gerichtsherr.

Der Schirmherr oder sein Vogt führte anstelle des Abtes das Hohe Gericht

durch. Zwei Drittel der verhängten Bussengelder gehörten dem Abt, einen

Drittel durfte der Schirmherr behalten. Wer den Abt oder den Konvent von

Pfäfers böswillig beschimpfte oder verleumdete, den musste der Schirmvogt

ohne Gnade bestrafen oder gar hinrichten lassen.

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Von den Alpgenossen der Abtei Pfäfers erhielt der Abt das Vogelmahl, also

den Milchertrag des ersten Alptages, und den Graszins.

Die Einkünfte aus dem Zoll von Ragaz und vom Fährdienst über den Rhein

(vor dem Bau der Tardisbrücke) fielen in die Geldkiste des Klosters Pfäfers.

Der Abt entschied über den Bau von Strassen und Brücken. Äbtische

Amtsleute kontrollierten den Handel und den Markt von Ragaz. Ein eigener

Rodel enthielt Bestimmungen über das Gewerbe der Pfister (Bäcker), der

Krämer und Wirte von Ragaz.

Graf Heinrich von Wildenberg musste auf das Jagdrecht innerhalb der Abtei

verzichten. Der gleiche Graf Heinrich war damals auch Besitzer der Herrschaft

Freudenberg bei Ragaz.

Im Jahre 1282 verlieh der deutsche König Rudolf I. von Habsburg (1273 -

1291) dem Gotteshaus Pfäfers die Regalienrechte, das heisst das Recht,

gewisse königliche Einkünfte einziehen zu dürfen. In dieser Urkunde wurde

Abt Konrad von Ruchberg (1282-1324) zum erstenmal mit "Fürst" betitelt.

Von nun an galt die Abtei als Fürstabtei. Als solche war sie verpflichtet, dem

König zum Heerdienst zu folgen und militärische Hilfe zu leisten. Da aber die

Fürstabtei Pfäfers zu unbedeutend war, verzichteten die Könige meist auf

deren Heerdienste. Die Fürstäbte bezahlten dafür bestimmte Buss oder

Militärgelder, also eigentlich Militärpflichtersatz.

Der Abt und seine MeierDer Abt und seine MeierDer Abt und seine MeierDer Abt und seine Meier

Im ganzen Klostergebiet hatte der Abt neben dem Hohen Gericht auch die

Niedere Gerichtsbarkeit inne. Dabei ging es um Streitfälle und Klagen wegen

Prügeleien, Verleumdungen, Erbschaftszänkereien, Marchenstreitigkeiten,

Holzfrevel und um andere kleinere Vergehen aus dem Alltag der Landleute.

Wenn der Abt nicht selber zum Gerichtstag erscheinen konnte, musste einer

seiner Beamten aus der Gegend, der sogenannte Meier, diese Aufgaben

übernehmen und durchführen. Beim Niederen Gericht sass ein Vertreter des

Schutzherrn über die Abtei neben dem Gerichtsobmann. Er musste die

Landleute zum Gehorsam und zur Ehrfurcht gegenüber dem Niederen Gericht

anhalten. Bei diesem Gericht wurden meist Geldbussen ausgesprochen. Davon

erhielten der Abt oder sein Meier zwei Drittel und der Vogt des Schutzherrn

einen Drittel.

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Da der Abt die vielen weit entfernt liegenden Besitzungen des Klosters nicht

selbst verwalten konnte, setzte er weltliche Beamte als Meier über diese

Gebiete ein. Diese Klostermeier wohnten meist in einem festen und grosszügig

gebauten Meierhof, in dem der Abt bei der Durchreise absteigen und freies

Quartier nehmen durfte.

Der Meier musste bei seinem Amtsantritt schwören, dass er für alle Witwen

und Waisen einstehen und ihnen einen guten Vogt (Vormund) besorgen werde.

Sämtliche Ländereien, die zu einem solchen Meierhof gehörten, wurden von

Grundhörigen des Klosters bearbeitet und genutzt. Sie mussten ihre jährlichen

Abgaben und Zinsen dem Meier überbringen. Der Meier hatte dafür zu sorgen,

dass die Klostergüter richtig gepflegt und bewirtschaftet wurden. Er war dem

Abt und dem Mönchskonvent alljährliche Rechenschaft über seine Tätigkeit

schuldig.

Der Meier zog an Martini aber auch von allen Gläubigen seines Gebietes die

pflichtigen Zehntabgaben und von allen Geldschuldnern des Klosters die

fälligen Zinsen ein. Er sorgte dafür, dass die Leibeigenen die schuldigen

Fasnachtshühner, den Tod- oder Gewandfall ablieferten und die nötigen

Fronarbeiten leisteten. Er wachte darüber, dass kein Pfäferser Untertan das

Klostergebiet für immer verliess, ohne dass er seine Schulden bezahlt und sich

ordnungsgemäss von seiner Herrschaft losgekauft hatte. Als Lohn für seine

Tätigkeit durfte der Meier einen bestimmten Anteil von den eingesammelten

Abgaben für sich behalten. Den Rest musste er ins Kloster Pfäfers überbringen.

S. 65: Je weiter ein Meierhof von Pfäfers entfernt war, umso schwieriger war es für

den Abt, die Arbeit des Meiers zu überwachen, und umso stärker und freier

fühlte sich der Meier. Während der Regierungszeit schwacher und gar zu lieber

Äbte massten sich viele ehrgeizige Meier immer mehr Rechte an, als ihnen

eigentlich zustanden. Die Äbte waren darum stets bemüht, besonders treu

ergebene und ehrliche Meier einzustellen. Die Meier versuchten ihrerseits, das

begehrte Meieramt dem Sohn als Erbe weiterzugeben, um es der Familie zu

erhalten.

Die Gotteshausleute von PfäfDie Gotteshausleute von PfäfDie Gotteshausleute von PfäfDie Gotteshausleute von Pfäfersersersers

Die Einwohner der Abtei Pfäfers waren Untertanen des Klosters. Man nannte

sie Gotteshausleute. Die meisten von ihnen gehörten als Leibeigene oder

Grundhörige dem Kloster.

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Die Leibeigenen waren verpflichtet, beim Tode des Familienoberhauptes dem

Kloster das beste Stück Vieh zu übergeben. Hatte die Familie kein Vieh,

musste sie das schönste Gewand abliefern. Man nannte diese Abgabe

"Todfall". Diese Leibeigenen waren auf Lebenszeit an ihren Herrn gebunden,

ebenso ihre Nachkommen. Wollte ein solcher Mann oder eine solche Frau in

eine andere Herrschaft ziehen und dort heiraten, musste er oder sie sich von

der Leibeigenschaft des Klosters loskaufen.

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Die Grundhörigen waren Pächter, die an ein Grundstück des Klosters

gebunden waren. Sie waren verpflichtet, einen bestimmten jährlichen

Pachtzins abzuliefern und ihr Grundstück in guten Treuen zu unterhalten und

zu pflegen. Ihre Grundhörigkeit wurde auf ihre Kinder vererbt. Das Kloster

konnte sie aber nicht von ihrem Pachtgrundstück vertreiben. Das war nur

möglich, wenn der Pächter das Grundstück offensichtlich vernachlässigte und

es verlottern liess ("verböserte").

Der äbtische Mannszuchtrodel von 1524 regelte die Rechte und Pflichten aller

äbtischen Untertanen. Er bestimmte auch, dass jeder 16jährige Mann der Abtei,

ob frei oder unfrei, dem Abt den Treu- oder Bürgereid zu leisten hatte. Er

lautete:

«Ich werde dem Abt und dem Kloster stets in Treue mit Leib und Leben

dienen. Nach meinen besten Kräften werde ich allen Schaden von ihm

abwenden und alles Gute fördern. Das schwöre ich bei Gott und allen Heiligen.

Amen.»

Damit war der Bursche volljährig und wehrfähig geworden und war allen

Gesetzen und Bestimmungen der Abtei unterworfen.

S. 66: Verheirateten sich Gotteshausleute von Pfäfers aus der Abtei hinaus, mussten

sie sich gegenüber dem Kloster loskaufen, sonst wurden sie vom Abt bestraft.

Später schlossen die benachbarten Herren im Sarganserland gegenseitige

Verträge ab, mit denen sie den Angehörigen ihrer Herrschaften das "Weiben

und Mannen" unter sich ohne Loskauf erlaubten.

Die Kerzner und die freien WalserDie Kerzner und die freien WalserDie Kerzner und die freien WalserDie Kerzner und die freien Walser

Neben den gebundenen Grundhörigen gab es in der Abtei aber auch freiere

Leute, die dennoch mit dem Kloster verbunden waren. Das waren die

"Kerzner" und die freien Walser.

Aus dem Goldenen Buch und andern uralten Schriften von Pfäfers geht hervor,

dass die Kerzner vor allem den Auftrag hatten, den Abt und die

Klostergemeinschaft von Pfäfers mit ihren Waffen (Gewehren) zu schützen

und zu schirmen. Den gleichen wehrhaften Auftrag hatten auch die Walser der

Abtei.

Daneben waren die Kerzner verpflichtet, der Abtei jährlich ein halbes Pfund

Bienenwachs abzuliefern.

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Als Gegenleistung waren sie vom Fürstabt von allen andern Steuern und

Abgaben befreit worden. Kein Vogt durfte irgendein Recht über sie ausüben.

Sie waren also nur dem Fürstabt gegenüber untertan und dienstpflichtig.

Auf Befehl des Abtes hatten sich alle Kerzner am Lichtmesstag (2. Februar)

oder am Fest der Himmelfahrt Unserer Lieben Frau (15. August) mit ihrem

Seitengewehr (Schwert) im Kloster Pfäfers einzufinden.

An diesem Festtag versammelten sich alle Mönche mit dem gnädigen Herrn

Fürstabt im Chor und die Kerzner und andere Gläubige im weiten Schiff der

Klosterkirche von Pfäfers. Der Dekan segnete feierlich die neuen

Wachskerzen. Mit einem Kniefall übergab er die erste Kerze dem gnädigen

Herrn. Anschliessend folgte die Übergabe der Kerzen an alle Mönche, Brüder

und Schüler, an die Kammerdiener und alle Angestellten des Klosters.

Schliesslich erhielt auch jeder Kerzner seine eigene Wachskerze aus der Hand

des Dekans. Mit den brennenden Kerzen wurde im Innern der Kirche eine

Lichterprozession durchgeführt. Anschliessend folgte das feierlich gesungene

Hochamt. Nach dem Gottesdienst empfingen der Fürstabt und die wichtigsten

Mönche die Kerzner im Hofsaal des Klosters. Der Kanzler erklärte den

anwesenden Kerznern ihre Pflichten und Rechte. Auf seinen Befehl hin

erhoben sich alle Anwesenden mit Ausnahme des Fürstabtes von ihren Sitzen.

Dann sprach der Kanzler laut und deutlich zu den Kerznern:

«Ihr alle sollt mit erhobenen Fingern und mit gelehrten Worten zu Gott und

allen Heiligen einen leiblichen Eid schwören,

- dass ihr unserm gnädigen Fürsten und Herrn (hier folgte der jeweilige Name

des Abtes), dem Abt unseres fürstlichen Gotteshauses von Pfäfers, als eurem

natürlichen Herrn, Treue und Wahrheit leisten werdet,

- dass ihr ihm zu allen Zeiten als Leibeigene und Wächter aufwarten werdet,

- dass ihr ihm mit Schild und Spiess, mit Gut und Blut, mit Mund und Hand

und mit allen Werken Schutz und Schirm erzeigen werdet,

- dass ihr den Nutzen des Gotteshauses fördern und Schaden von ihm

abwenden werdet, und zwar zu allen Zeiten und ohne jede Gefahr.

Was ich euch da vorgesprochen habe, sollt ihr steif und fest einhalten, so sehr

euch Gott und alle Heiligen lieb sind.»

Alle anwesenden wehrfähigen Kerzner sprachen dann mit erhobenen

Schwurfingern laut und deutlich:

«Ich schwöre es.»

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Nach dieser Vereidigung erhielten die Kerzner ein gutes Mittagessen.

Eine Aufzeichnung im Archiv von Ragaz erwähnt, dass zu den äbtischen

Kerznern so viele Familien gehörten, wie das ABC Buchstaben hatte, nämlich:

Altmann, Bonetlin, Christian, Dritten, Emmer, Feurer, Gantner, Hassenses,

Jegger (Jäger), Konradel, Loscher, Mocken, Nitten, Omil, Pfosi, Quadren,

Ropfen, Schmieden, Tuolen, Vogler, Welti und Ziggen.

Zu den freien Leuten gehörten aber auch die Walser

- aus dem Gigerwald (Calfeisental),

- von Vasön,

- von Plais und Plugis und

- von St. Margrethenberg.

Das Wildbad von Das Wildbad von Das Wildbad von Das Wildbad von Pfäfers als Aufgabe der MönchePfäfers als Aufgabe der MönchePfäfers als Aufgabe der MönchePfäfers als Aufgabe der Mönche

Im Jahre 1242 stiegen die beiden Klosterjäger Vils und Thuoli einigen jungen

Waldrappen ins dunkle Tobel der Tamina nach. Dabei entdeckten sie, dass aus

der rechten Felswand der Schlucht eine heisse Quelle hervorsprudelte und sich

in die tiefer gelegene Tamina hinein ergoss.

S. 67:

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S. 68: Die Mönche von Pfäfers entdeckten bald, dass dieses dampfende Quellwasser

heilende Kräfte und wohltuende Eigenschaften besass. Abt Hugo II. von

Villingen (1233 - 1244) ermöglichte erstmals die Benützung der Heilwasser,

indem er die Schlucht über Holzstege und Strickleitern von Valens her

zugänglich machen liess. Die Kranken wurden damals an langen Seilen in

Körben und auf Bahren in die dunkle Taminaschlucht hinunter gelassen. Sie

badeten in grossen Felsmulden und verweilten sechs bis sieben Tage lang in

einfachsten Hütten in der düsteren, feuchten Schlucht. Dabei wurden die

Kurgäste von den Mönchen betreut.

Fürstabt Johann II. von Mendelbüren (1362-1386) sorgte für den Bau des

ersten Badehäuschens in der Nähe der Quelle. Dieses ruhte auf hölzernen

Tragbalken über der Tamina. Der Abt verlieh den Badebetrieb mit den

notdürftigen Einrichtungen den Gebrüdern Camaurizi von Valens auf zehn

Jahre für einen Jahreszins von zwölf Gulden.

Die Heilkraft der Quelle erhielt bald einen guten Ruf. Der Zulauf von Kranken

und Gästen nahm immer mehr zu. Unter Abt Werner IV. von Reitnau (1447-

1478) errichtete man im Tobel ein neues, geräumiges Badehaus. Vornehme

Bürger aus süddeutschen Städten, reiche Kaufleute und Räte vom Oberrhein

und von Deutschland reisten nach Pfäfers, um sich im Wildbad kurieren zu

lassen. Speise und Trank mussten mit Pferden von Valens her ins Bad hinunter

gesäumt werden.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts blühte das Bad auf und wurde für die Abtei

Pfäfers zu einer wichtigen Geldquelle. Kriegsläufe und Störungen im

Reiseverkehr verringerten dann aber den Badebetrieb empfindlich und trafen

damit die Abtei sehr hart.

Die Schirmherren von Pfäfers hatten die Aufgabe, in Zeiten politischer

Unruhen alle Badegäste sicher durch das Land zu geleiten und ins Wildbad

führen zu lassen.

Fürstabt Johann Jakob Russinger (1517 - 1549) förderte den Badebetrieb sehr

stark. Er veranlasste, dass als besserer Zugang eine hölzerne Treppe in die

Felswand eingefügt und über der Tamina ein zweites Badehaus errichtet

wurde.

Zahlreiche berühmte Gäste besuchten den gastfreundlichen Abt Russinger in

seiner Abtei und im dampfenden Kurbad. Ritter Ulrich von Hutten,

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der spätere Reformator Huldrich Zwingli und Dr. Theophrastus Paracelsus

gingen in Pfäfers ein und aus. Die lobenden Schriften des Dr. Paracelsus über

das Pfäferser Heilwasser bewirkten einen dauernden Aufschwung des

Badebetriebes in Pfäfers.

Die Gaststätten im Bad waren dem Badmeister unterstellt.

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S. 69:

S. 70: Ihm hatten die Gastwirte das von ihren Gästen bezogene Badgeld zu

übergeben. Die Wirte hatten jedes Jahr einen Amtseid abzulegen. Sie

versprachen dabei, ihre Pflichten gegenüber den Gästen getreulich zu erfüllen

und sich gegenseitig die Gäste nicht abzujagen. Ferner wollten sie die

fleischlosen Fasttage getreulich einhalten und von den Gästen die nötigen

Bussen einziehen. Die armen Leute hatten freien Zutritt zum Wildbad. Die

andern Badegäste bezahlten für ein Bad einen Kreuzer, später 1½ Kreuzer.

Feuersbrünste und Steinschläge beschädigten die hölzernen Badehäuser über

der Tamina. Um 1629 leitete darum der tüchtige Baumeister Johannes Zeller in

langwieriger, harter Arbeit das heisse Quellwasser mit lärchenen Teucheln

(Holzröhren) 451 Meter weit den steilen Felswänden nach aus der engen

Schlucht hinaus in ein neuerbautes, grosszügiges Badehaus, das auf einem

sicheren und geräumigen Felsboden der Taminaschlucht stand. Nur ein Jahr

später zerstörte ein Felssturz die alten Badehäuser in der Quellschlucht.

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Von nun an wurde der ganze Badebetrieb an den neuen Standort verlegt.

Im Jahre 1631 erstellte der Klostersekretär Johann Kolwecken die erste

Badeordnung für das Bad Pfäfers.

Fürstabt Bonifaz I. Tschupp (1677 - 1706) begann um 1704 mit dem Bau der

grossartigen Badehäuser in der Schlucht, die bis 1969 in Betrieb waren. Zwei

Hauptgebäude konnten 300 bis 400 Kranke, dazu deren Begleiter und das

Personal aufnehmen. Das kleine Hinterhaus enthielt das Herrenbad, das

Weiberbad und das Fürstenbad. Das fünfstöckige Vorderhaus mit seinem

Anbau gegen die Valenser Seite hin barg Zimmer für die vornehmen Gäste und

einen Gottesdienstraum für die Reformierten. Zwischen beiden Häusern

standen ein zweigeschossiges Mittelgebäude und die kleine Kapelle mit dem

Zwiebeltürmchen. Am Eingang zur Quellschlucht lag eine Trinkhalle.

Fürstabt Bonifaz II. Zur Gilgen (1707 - 1725) vollendete den Bau der obigen

Badehäuser im Jahre 1716. Damit verfügte das Kloster Pfäfers über das

geräumigste und grosszügigste Badehaus in der Eidgenossenschaft und in

deutschen Landen.

Fürstabt Bonifaz II. sorgte auch für mehr Ordnung im regen Badebetrieb von

Pfäfers. Das Jungvolk von Pfäfers und Ragaz hatte sich am Abend und in der

Nacht unliebsam bemerkbar gemacht, so dass sich die Erwachsenen darüber

ärgern mussten. Der "Löliplatz" von Ragaz scheint damals im Bad Pfäfers

gewesen zu sein. Ach, wie unangenehm für die vornehmen Gäste des Bades!

Dem musste man sofort abhelfen. Am 5. Juni 1707liess die äbtische Kanzlei

von Pfäfers folgende Bekanntmachung auskünden:

«Wir geben hiermit jedermann bekannt, dass der hochwürdige Herr und

Fürstabt Bonifaz II. Zur Gilgen, Fürst des heiligen römischen Reiches und Abt

des Gotteshauses" Unserer lieben Frau von Pfäfers ", mit grösstem Missfallen

erfahren musste, dass die jungen, ledigen Burschen und Töchter die

Gewohnheit haben, auf den Abend und nachts in das Bad Pfäfers zu gehen. Sie

treiben dort nicht nur im Badhaus allerlei Possen und Leichtfertigkeiten,

wodurch die Badegäste sehr beunruhigt werden, sondern suchen auch auf den

Strassen allerhand unanständige und unzulässige Zusammenkünfte.

Seine hochfürstliche Gnaden lassen darum allen Ernstes gebieten und

verbieten. dass künftig keine jungen, ledigen Burschen und Töchter mehr auf

den Abend oder nachts das Bad besuchen dürfen.

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Das soll in Zukunft gänzlich abgestellt und verboten sein. Man soll darüber

genaue Aufsicht haben.

Wenn aber Burschen und Töchter das Bad gebrauchen wollen, sollen sie dieses

bei Tag besuchen. Bei Tageszeit soll es niemandem verboten sein, das Bad zu

besuchen. Es soll dann jedermann der Zugang zum Bad erlaubt sein.»

Internet-Bearbeitung: K. J. Version 12/2010 - - - - - - - -