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Unterwegs zur nachhaltigen Organisation Skizze eines Modells mit Raum für eigene Reflexionen

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Unterwegs zur nachhaltigen Organisation

Skizze eines Modells mit Raum für eigene Reflexionen

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Inhalt

1 Ein Modell ordnet die Elemente einer nachhaltigen Organisation ............................................................. 3

2 Zur nachhaltigen Organisation = eine Reise Schritt für Schritt .................................................................. 7

3 Nachhaltig unterwegs: Mit Werten Dilemmas meistern ............................................................................. 9

4 Gemeinsam unterwegs: Andere inspirieren + von anderen lernen. ......................................................... 13

5 Nützliche Tipps und Tools für die Reise ................................................................................................... 15

6 Anhang ..................................................................................................................................................... 18

6.1 Definitionen und Modelle zur Nachhaltigkeit ................................................................................... 18

6.2 Definition von Corporate Social Responsibility (CSR) ..................................................................... 19

6.3 CSR und Nachhaltigkeit ................................................................................................................... 20

6.4 Nachhaltigkeitspolitik ....................................................................................................................... 20

6.5 Nachhaltigkeit + Glaube .................................................................................................................. 20

Vorwort

Liebe Leser und Leserinnen,

Was macht eine nachhaltige Organisation aus? Wie kann eine Organisation nachhaltig werden?

Das sind Fragen, die StopArmut in den letzten drei Jahren diskutiert hat. Die vorliegende Wegbeschreibung

fasst den aktuellen Stand zusammen.

Grundlage ist das Modell einer nachhaltigen Organisation. Es bietet Orientierung, um verschiedene Elemen-

te einer nachhaltigen Organisation zu unterscheiden und in Zusammenhang zu setzen.

Doch das Modell als Wegweiser allein reicht selten aus, um sich zielsicher und leichtfüssig im Ziel wiederzu-

finden. Der Weg zum Ziel gehört da zu. Er muss Schritt für Schritt gegangen werden. Ermutigende Erlebnis-

se und schwierige Situationen sind vorprogrammiert. Darum ist es gut, gemeinsam unterwegs zu sein. Dann

kann man voneinander lernen, sich gegenseitig inspirieren und den einen oder anderen Tipp austauschen.

Wir hoffen, mit diesem Heft Organisationen für ihre Nachhaltigkeitsreise Mut zu machen. Da die Situation bei

jeder Organisation anders ist, hat jedes Kapitel eine Notizseite mit Raum, das Gelesene zu reflektieren.

Wir wünschen viel Spass auf dem Weg zur nachhaltigen Organisation!

Ihr StopArmut-Team

P.S.: Wir nutzen den Begriff „Nachhaltigkeit“, doch wär ein unserem Kontext „Corporate Social Responsibility

(CSR) / gesellschaftliche Verantwortung von Organisationen“ ebenso richtig. Eine nachhaltige Organisation

ist also auch eine sozial / gesellschaftlich verantwortlich handelnde Organisation.

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1 Ein Modell ordnet die Elemente einer nachhaltigen Organisation

Warum ein Modell?

Wovon ist die Rede, wenn es um eine nachhaltige Organisation geht? Der eine meint „von ökologischen

Produkten“, ein zweiter findet „von guten Löhnen in der Lieferkette“ ein dritter denkt an „anständige Mana-

ger“ und ein vierter wieder etwas anderes. Alles gehört dazu. Doch nur wenn sich die vier Menschenbewusst

sind, dass sie von unterschiedlichen Elementen einer nachhaltigen Organisation reden, nur dann kann der

Dialog darüber gelingen.

Das Modell, das StopArmut hier vorstellt, will allen Elementen, die zu einer nachhaltigen Organisation gehö-

ren, einen Platz geben und sie gleichzeitig integrieren. Es zeigt ganz abstrakt, wie die Elemente zusammen-

spielen und dass die Organisation in ein Umfeld aus Anspruchsgruppen eingebettet ist.

Dieses Modell ist keine elementare Neuerfindung. Diverse Leitfäden und Institutionen nutzen ganz ähnliche

Modelle. Doch meist wird dort auf ein Element besonders eingegangen, während andere Elemente fehlen.

Aufgrund der Komplexität werden die Wechselwirkungen zwischen Werten, Prozessen und Produkten inner-

halb einer Organisation und mit der Umwelt meist ausgelassen. Auch wir können das nicht alles leisten.

Doch haben wir gemerkt, wie hilfreich es ist, ein abstraktes Ordnungsschema zu haben. Es erlaubt es, ein-

zelne Schritte auf dem Weg „Schritt für Schritt zu einer nachhaltigen Organisation“ zu verorten. So bietet das

Denkmodell Orientierung über den aktuellen Standort und behält gleichzeitig das Ganze im Auge.

Das Modell

Das StopArmut-Modell der nachhaltigen Organisati-

on besteht aus vier Elementen, die in konzentri-

schen Kreisen angeordnet sind.

Drei Elemente bilden die Organisation selbst ab: In

der Mittel liegen die Basiswerte der Organisation.

Darum herum gruppieren sich die Prozesse und die

Produkte / Service-Leistungen, die die Organisation

erbringt. Beide sind als Halbkreise dargestellt, da es

beide zwingend füreinander braucht. Denn ohne

Prozesse sind keine Produkte möglich und ohne

Produkte werden keine Prozesse benötigt. Die Ba-

siswerte durchdringen beide Elemente.

Den äussersten Kreis bilden die Anspruchsgruppen

und die Umwelt der Organisation. Diese sind sowohl

innerhalb wie auch ausserhalb der Organisation zu

finden.

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Die Elemente des Modells im Einzelnen

Welche Eigenschaften und Themen den einzelnen Elementen zugeordnet werden, stellt die nachfolgende

Auflistung dar. Dies ist eine Arbeitsfassung, die sich mit weiterer Erfahrung festigen oder verändern kann.

Basiswerte

Die Basiswerte thematisieren die Grundwerte der Organisation. Dabei geht es um

o Rechtskonformität, also Legalität

o Ethik, also die Grundwerte der Organisation und

o Legitimität, also die Ansprüche der Gesellschaft an die Organisation.

Die Basiswerte der Organisation müssen mit den Zielen der Nachhaltigkeit im

Einklang stehen. Anderenfalls kann die Organisation keinen glaubwürdigen Nach-

haltigkeitsanspruch erheben.

Ein einfaches Beispiel verdeutlicht dies: Ein Drogenkartell wird sich wohl aufgrund

seiner Basiswerte kaum als nachhaltige Organisation positionieren können.

Produkte / Service-Leistungen

Hier geht es um die Frage: Was stellt die Organisation her bzw. welche Dienste

bietet sie an?

Die Produkte und Service-Leistungen, die eine Organisation anbietet, bestimmen

die Daseinsberechtigung der Organisation im engeren Sinne. Nur wenn die Pro-

dukte und Serviceleistungen einen positiven Nachhaltigkeitseffekt für die Gesell-

schaft haben, kann die Organisation eine zielgerichtete Nachhaltigkeitsstrategie

umsetzen.

Dass Kinderhilfswerke und Bäckereien hier prinzipiell wenig Mühe haben,ist einleuchtend. Ebenso klar

scheint es zu sein, dass Waffenhersteller oder extremistische Parteien hier einen schweren Stand haben.

Doch gibt es auch Produkte und Serviceleistungen, zu denen die öffentliche Meinung hinsichtlich Nachhal-

tigkeit nicht so klar ist. Bei Lobby-Verbänden geht die Meinung regelmässig auseinander, welche positiv

und welche negativ aus Nachhaltigkeitssicht zu beurteilen sind.

Prozesse

Hier geht es um die Frage: Wie werden die Produkte und Service-Leistungen er-

bracht?

Das Prozesselement betrachtet den Weg, wie eine Organisation ihre Service-

Leistungen erbringt bzw. ihre Produkte erarbeitet. Hierbei geht es um Strukturen,

Abläufe und Standards im Organisationsmanagement. Dabei steht im Zentrum, ob

bereits der Weg zum Produkt oder Service Nachhaltigkeit fördert und ob mögliche

negative Nachhaltigkeitswirkungen wie Umweltverbrauch etc. minimiert werden.

Zusätzlich geht es um Führungs- und Entscheidungsstrukturen der Organisation.

Beispiele für nachhaltige Prozesse sind etwa Umwelt- und Sozialstandards im Einkauf oder transparente

Lohnpolitik. Der Verzicht auf CO2-Kompensation des Fluges bei einem Besuch eines Klimaschutzprojekts

im Weltsüden wäre hingegen wenig nachhaltig und kontraproduktiv zum Produkt „Klimaschutz“.

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Anspruchsgruppen und Umwelt

Dieses Element thematisiert die Frage: Mit wem steht die Organisation in Bezie-

hung?

Dazu gehören diverse Gruppen, die je nach Organisation sehr stark variieren kön-

nen. Eigene Mitarbeitende sowie Kunden. Lieferanten, Begünstigte, Behörden etc.

gehören eigentlich immer dazu. Aber auch mit der natürlichen Umwelt steht eine

Organisation in Beziehung. Aus Nachhaltigkeitssicht kommt es darauf an, zentrale

Anliegen der Organisation und der Stakeholder im Dialog zu besprechen bzw.

darauf Rücksicht zu nehmen. Dazu gehört für spendenbasierte Organisationen der

Dialog mit Spendern und Begünstigten.

Nachhaltigkeit ist mehr als die Summe der Elemente

Niemand ist überall perfekt

Die Elemente des Modells zeigen deutlich auf, wie umfangreich der Nachhaltigkeitsanspruch ist. Selten ist

eine Organisation in allen Bereichen gleich weit auf ihrer Reise zu mehr Nachhaltigkeit. So sind nicht-

Regierungsorganisationen meistens auf der Produktebene stark, während Unternehmen meist eher auf der

Prozessebene stark sind. Das ist in Ordnung – solange man sich dessen bewusst ist.

Zusätzlich sind nicht alle Bereiche für alle Organisationen gleich wichtig. Zum Beispiel ist eine Kinderschutz-

richtlinie für ein Kinderhilfswerk sehr wichtig, für ein Altenpflegeheim aber weniger. Das gilt es zu beachten,

wenn man verschiedene Organisationen vergleicht.

Glaubwürdig ist, wer ein stimmiges Bild abgibt

Eine Organisation kann in allen Elementen einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft

leisten. Für eine maximale Wirkung müssen die Leistungen der verschiedenen Elemente miteinander im

Einklang stehen. Relevante Bezüge sind die Folgenden:

Die Werte der Basisebene müssen in allen Elementen gelebt werden.

Die Prozesse unterstützen die Produkte- und Service-Leistungen.

Gute Produkt- und Prozessleistungen gehen nicht zulasten der Anspruchsgruppen.

Wer seine Leistungen kommuniziert, maximiert den Nachhaltigkeitseffekt

Für einen maximalen Effekt der Organisation bezüglich der nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft ist

nicht nur die Leistung in den einzelnen Elementen, sondern auch die Kommunikation darüber relevant. Per-

fekt muss dabei niemand sein. Auch unterschiedliche Leistungen in den einzelnen Elementen sind kein

Problem. Wichtig ist jedoch Folgendes:

Ein stimmiger Gesamteindruck aus Werten, Worten und Taten erzeugt Glaubwürdigkeit:

Glaubwürdigkeit erlaubt einer Organisation als Vorbild zu wirken. Wissen muss geteilt und verbreitet wer-

den. Dabei kann eine nachhaltige Organisation in allen Elementen nachhaltige Praktiken haben, die an-

dere inspirieren können. Dieses Potenzial gilt es gezielt zu nutzen.

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Was sind unsere

Basiswerte? Wie können die

Anspruchsgruppen

unsere

Organisations-

Werte im Alltag

erkennen?

Wie sieht es in meiner Organisation aus?

Wer sind unsere

wichtigsten

Anspruchsgruppen?

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2 Zur nachhaltigen Organisation = eine Reise Schritt für Schritt

Die nachhaltige Ausrichtung einer Organisation muss zwingend als Entwicklungsprozess bzw. als Reise

verstanden werden. Korrekter wäre es daher, von nachhaltiger Organisationsentwicklung zu sprechen. Rele-

vante Faktoren in der Entwicklung sind:

Geschwindigkeit der Entwicklung

Fokus der Entwicklung

Startniveau und anvisiertes Zielniveau der nachhaltigen Entwicklung

Was sind die Voraussetzungen?

Es gibt keine Mindestbedingungen, um sich auf den Weg zu machen.

Und dennoch gibt es Voraussetzungen – diese liegen jedoch eher auf der Ebene der Denkweisen. Wer sich

Schritt für Schritt aufmacht, eine nachhaltige Organisation zu werden, muss offen sein: Offen für neue Impul-

se, ungewohnte Denkweisen und die Notwendigkeit gute Lösungen auszuhandeln. Dazu gehört auch der

Dialog mit Stakeholdern, die bisher nicht an Entscheidungen beteiligt wurden.

Wie sieht der Weg aus?

Egal wo eine Organisation startet oder welchen Fokus sie setzt - permanente Entwicklungsbereitschaft

braucht es immer, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Denn Anforderungen und Bedürfnisse von Stakeholdern

ändern sich. Relevante Fragen, die den Entwicklungsweg einer Organisation prägen, sind u.a.:

Wer sind die Treiber für eine nachhaltige Entwicklung der Organisation:

Kunden, Geschäftsleitung, Mitarbeitende …?

Wie nachhaltig sind die Produkte / Serviceleistungen von Natur aus?

Welchen Weg lohnt es sich einzuschlagen, um wertvolle Mitstreiter einzubinden?

Was ist das Ziel?

Gibt es einen nachhaltigen Status? Ein absolutes Mass? Diese Frage wird immer gestellt. Doch die Antwort

ist leider „nein“. Das Ziel der Reise bleibt im Fluss, da das Umfeld einer Organisation immer dynamisch ist.

Was heute als gerecht und legitim empfunden wird, kann künftig gesellschaftlich inakzeptabel sein. Dies hat

Auswirkung auf die Messlatte, die eine Organisation mit dem legalen und legitimen Anspruch auf das Label

„nachhaltig“ erfüllen muss. Beispiele für derartige Verschiebungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung

sind aktuell die Debatten um Steuerpraktiken von multinationalen Unternehmen.

Der lokale Kontext einer Organisation weist jeweils spezifische Kernfragen der nachhaltigen Entwicklung auf.

Im Weltnorden ist das Hauptthema meist die Notwendigkeit zur Drosselung des CO2-Ausstosses und des

Ressourcenverbrauchs. Im Weltsüden ist es meist die Verbesserung der Lebensbedingungen für Armutsbe-

troffene. Adressiert eine Organisation mit ihren Produkten und Service-Leistungen diese Fragen, so scheint

der Beitrag zur gesellschaftlichen nachhaltigen Entwicklung offensichtlich. Doch auch Organisationen, die

ein anderes Produkt oder einen anderen Service anbieten, wie z. B. Sportvereine im Weltnorden – können

insbesondere durch nachhaltiges Engagement im Werte- und Prozesselement einen erheblichen Beitrag zur

nachhaltigen Entwicklung leisten. Beispiele dafür sind durch fair gehandelte Trikots, umweltfreundliche Reise

zu Wettkämpfen und die Vermittlung von Regeln der Fairness.

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Wo stehen wir

auf der Reise

zur nachhaltigen

Organisation?

Wo wollen wir hin?

Wie sieht es in meiner Organisation aus?

Welcher nächste

Schritt scheint

einfach

realisierbar?

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3 Nachhaltig unterwegs: Mit Werten Dilemmas meistern

Der Weg zur nachhaltigen Organisation birgt auch schwierige Passagen. Immer

wieder sind schwierige Entscheidungen zu fällen. Ein Patentrezept für einen guten

Weg hat niemand. Ein klares „Richtig“ oder „Falsch“ gibt es häufig nicht.

Die einzige verlässliche Orientierung in solchen Dilemmas bieten die Basiswerte

der Organisation. Stimmt der Entscheid mit den Basiswerten überein, kann er

Mehrwert für die Organisation schaffen. Gleichzeitig wird die Organisation auch

dann zum Entscheid stehen können, wenn es später schwierig werden sollte.

Drei Fallbeispiele aus der Praxis verdeutlichen worum es geht:

Fall 1: Politische Beschaffungsvorgaben in der öffentlichen Verwaltung korrekt umsetzen

Ich bin in einer öffentlichen Verwaltung in der Beschaffung tätig. Es geht darum, im grossen Stil Uniformen

und Arbeitskleider zu beschaffen. Ich habe zwei Angebote, die beide gute Qualität liefern. Das eine Angebot

ist preislich unschlagbar. Aber die Ware wird in China unter unklaren Bedingungen produziert. Das andere

Angebot weisst Herkunft der Stoffe und Standards in der Produktion aus, kostet aber auch mehr. Wofür ent-

scheide ich mich?

Angebot A Angebot B

Meine klare Zielvorgabe ist es, die beste

Qualität zum günstigsten Preis einzukaufen.

Das entsprich dem politischen Willen (Aus-

gabenbremse).

Als Christ soll ich meinen Job für meinen

Arbeitgeber gewissenhaft und gut machen –

so als ob Gott direkt mein Auftraggeber ist.

Die Verwaltung hat einen Vorbildcharakter, ge-

rade in Sachen Nachhaltigkeit. Das fordert das

Volk auch.

Als Christ liegen mir das Wohl der Produzenten

und der gerechte Umgang mit ihnen sehr am

Herzen. Auch die ökologische Produktion ist für

den sorgsamen Umgang mit der Schöpfung

wichtig.

Sollte sich herausstellen, dass z. B. die Uni-

formen Giftstoffe enthalten oder mit Kinderar-

beit gefertigt sind, kann es einen Skandal ge-

ben. So etwas gab es schon mal.

Wenn ich die Vorgabe der Ausgabenbremse zu

wenig beachte, kann mich das ggf. meinen Job

kosten. Und wenn trotz Mehrpreis nicht alles

vorbildlich ist gleich noch mal.

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Fall 2: Zielgerichtete Verwendung von Spendenmitteln in einer NGO

Ich bin neu Managerin der Schweizer Geschäftsstelle in einer grössere christliche Organisation, die Nothilfe

und Entwicklungszusammenarbeit im globalen Süden leistet. In den Projekten sehen wir wie wichtig Klima-

schutz und faire Löhne für die Begünstigten unserer Programme sind. Doch in unserer Schweizer Ge-

schäftsstelle spielen Umweltschutz und Fair Trade keine Rolle. Soll ich daran etwas ändern?

Variante A – nichts ändern Variante B – Geschäftsstelle öko-sozial führen

Wir leben von Spenden und der Bedarf im

globalen Süden riesig. Mittel für eine öko-

soziale Geschäftsstelle zu nutzen, scheint mir

unangemessen.

Spender erwarten, dass wir Geld möglichst

direkt für den Zweck einsetzen und verstehen

darunter Projektarbeit im Weltsüden.

Den Bürobetrieb mit wenig Mitteln ökologisch

und sozial ausrichten, geht - ist aber zeitauf-

wendig. Da wir personell chronisch unter

Druck sind, können wir uns das nicht leisten.

Wir wissen, dass Einkommen bessere Entwick-

lungschancen bieten als Almosen. Darum hat Ge-

rechtigkeit Vorrang vor Barmherzigkeit.

Wir wissen auch, dass unser Lebensstil im Welt-

norden den Klimawandel anheizt und Ressourcen

verbraucht, was zu Lasten derer im Weltsüden

geht, denen wir helfen wollen.

Darum sollten wir z. B. unsere Mobilität klima-

neutral gestalten und den Bürobetrieb und Anläs-

se öko-sozial organisieren. Nur so können wir un-

seren Spendern glaubwürdig vermitteln, dass wir

alles für unsere Zielgruppe tun.

Spender achten immer mehr auf Nachhaltig-

keit. Wenn wir uns nicht in diese Richtung

bewegen, bringt uns auch die Effizienz nichts.

Administrationskosten dürfen ein gewisses Mass

nicht überschreiten. Und Unterschiede im Le-

bensstandard zwischen Nord und Süd sind auch

mit einem öko-sozialen Büro nicht aufhebbar.

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Fall 3: Bäuerliche Direktvermarktung zwischen Werbung und Aufklärung

Wir sind eine Bauernfamilie im Schweizer Mittelland. Unser Betrieb ist klein, und das Geschäft hart, doch wir

klagen nicht. Wir produzieren konventionell. Bio ist in unserem Fall momentan nicht realisierbar. Unsere

Marktnische ist der direkt ab Hof Verkauf. „Natürlich! Frisch aus der Region“ ist unser Slogan. Darauf sind

wir stolz und stehen dahinter. Im Gespräch mit unseren Kunden stellen wir fest, dass diese häufig keine

Ahnung von Landwirtschaft haben, dass sie „Natürlich! Frisch aus der Region“ mit idyllischem Bauernhof und

kompletter Eigenproduktion gleichsetzen. Müssen wir den Slogan ändern?

Variante A – alles lassen wie es ist Variante B – Slogan mit Aufklärung kombinieren

Wir sind auf die Umsätze angewiesen. Wir

sagen nichts falsches und unser Slogan trifft

den Zeitgeist.

Es gehört zur heutigen Landwirtschaft, dass

Futtermittel zugekauft werden. Wir tun was

wir können, aber 100% Eigenproduktion ist

unmöglich.

Wir achten beim Einkauf auf „vernünftige“

Produkte. Doch ob das Futtermittel ohne Soja

aus Brasilien und vollständig gentechfrei ist,

können wir nicht überprüfen.

Egal, wie wir unsern Slogan ändern, die Kunden

würden immer etwas Falsches verstehen. Oder

es wäre definitiv keine Werbung mehr.

Wir könnten einzelne Projekte machen, wo wir

den Kunden zeigen, wie wir produzieren. Dann

können sie ganz allein ihre falschen Bilder korri-

gieren, ohne dass wir viel sagen müssen.

Möglich ist z. B. auch Hühner / Eier teurer zu

verkaufen, bei denen wir Schweizer Futter ga-

rantieren. So könnten wir zeigen, dass wir uns

bemühen – und vielleicht gibt das sogar eine

noch bessere Kundenbindung oder die eine oder

andere neue Idee?

Wer sagt den Konsumenten die Wahrheit,

wie heute Lebensmittel produziert werden,

wenn nicht wir?

Das macht Arbeit – wer soll sie erbringen? Der

Hof braucht jetzt schon alle Hände und Lohnkos-

ten können wir uns nicht leisten.

Es braucht Entscheidungen

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Welche Dilemma

kenne ich in meinem

Arbeitsalltag?

Welche Werte

haben in meiner

Organisation im

Dilemma Vorrang?

Wie sieht es in meiner Organisation aus?

Was wäre ein gutes

Schulungsbeispiel

für Neue in meiner

Organisation ?

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4 Gemeinsam unterwegs: Andere inspirieren + von anderen lernen.

Nachhaltige Entwicklung braucht manchmal nur ganz einfache Massnahmen. Gleichzeitig scheint die Mate-

rie aber meist sehr komplex. Da ist es immer hilfreich im Austausch mit anderen zu stehen, voneinander

lernen, gemeinsam Sicherheit finden oder Unsicherheit aushalten – das geht in Nachhaltigkeitsfragen immer!

Aktuelle Mutmachbeispiele für jedermann

Keine Zeit zum Netzwerken für einen Austausch? Dann bietet die Sammlung der Change Maker Porträts von

StopArmut vielleicht einen Ansporn sich auf den Weg zu machen und doch Austauschpartner zu suchen. Es

ist mehr möglich als man meistens meint. Darum hat StopArmut begonnen, Beispiele zu sammeln, die zei-

gen, was kleines Engagement bewirken kann.

Für ein paar Themen liefert die Datenbank der Change Maker Porträts inzwischen mehrere Ideen, die im

normalen Alltag ausprobiert werden können:

Nachhaltige Büroorganisation: Change Maker Porträts hierzu sind so divers wie der Bürobetrieb. Sie

reichen von CO2-Bilanz über Förderung von Trinkwasser bis zur ressourcenschonenden IT-

Erneuerung.

Nachhaltiges Reisen: Im Zentrum steht hier die Frage: wann ist ein Dienstflug gerechtfertigt? Dazu

gibt es Beispiele aus Wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Mission.

Verpflegung und Veranstaltungsmanagement: Das ist ein weiterer Schwerpunkt mit Beispielen zur

nachhaltigen Konferenzausrichtung aber auch zur Frage wie fair Kaffee-Kapseln sein können.

Weitere spannende Themen sind mit einzelnen Beispiele vertreten, sodass sichtbar wird, wie vielfältig ein

nachhaltiges Engagement sein kann.

Historische Mutmachbeispiele: Wie aus kleinem Grosses wurde.

Wer denkt, dass solche Aktivitäten nur ein Tropfen auf den heissen Stein sind, der hat recht und auch nicht.

Die einzelne Aktion für sich bewirkt nicht viel. Doch sie birgt die Chance, andere zu inspiriert, ebenfalls zu

handeln. So war das, als die schwarze US-Bürgerin Rosa Parks im Bus ihren Platz nicht für einen weissen

US-Bürger räumte. Das löste den Start der Massenproteste aus, der zur Gleichstellung der schwarzen Bür-

ger in den USA führte. So war es auch, als Ursula Brunner in der Schweiz vor etwa 40 Jahren mit ein paar

anderen Frauen für faire Bananen auf die Strasse ging. Aus den Bananenfrauen wurde gebana und heute

haben fair gehandelte Bananen einen Marktanteil von etwa 50%. Beide Frauen wussten das nicht, als sie

„aktiv“ wurden. Doch hätte ihr Engagement gefehlt, hätte ein wichtiger Auslöser für etwas Grösseres gefehlt.

Darum lohnt es sich, einfach anzufangen. Denn ein Tropfen kann sprichwörtliches bewirken: Er kann ein

Fass zum überlaufen bringen oder auch mit anderen Tropfen zum Regen werden, der die Wüste blühen

lässt.

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Womit inspirieren

wir andere? Wo könnten wir

Inspiration

gebrauchen?

Wie sieht es in meiner Organisation aus?

Mit wem pflegen

wir inspirierenden

Austausch oder

könnten es in

Zukunft tun?

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5 Nützliche Tipps und Tools für die Reise

Zwar muss jede Organisation ihren eigenen Weg finden und diesen selber gehen. Doch gibt es zahlreiche

Leitfäden und Instrumente, die dabei unterstützen können. Man muss also nicht alles selbst erfinden! Hier

zeigen wir, was StopArmut bietet und verweisen auf andere Leitfäden und Plattformen, die ebenfalls interes-

sant sein könnten. Abschliessend ist die Liste jedoch keinesfalls.

Wenn es um ganzheitliche Orientierung geht, dann fällt uns nur unser Step by

Step Material ein. Alle anderen Leitfäden bieten weniger Raum für eine ethische

Reflexion.

Allerdings haben wir unterwegs einen Berater im süddeutschen Raum gefunden,

der ein sehr ähnliches Modell als Grundlage seiner Beratertätigkeit nutzt. Sein Sys-

tem heisst Profit mit Moral.

Wenn es um Basiswerte geht, dann verweist StopArmut auf die Bibel als Quelle

der Inspiration. Unter den Tools für Change Maker findet sich zusätzlich ein Flyer

zum Thema Korruption und Bestechung, einem Teilbereich der Basiswerte.

Weitere allgemeine Leitfäden sind uns nicht bekannt. Folgendes ist wohl der ein-

fachste Ratgeber: „Wenn du nicht weisst, was du willst, schau was du tust.“ Über-

tragen auf Basiswerte heisst das: Wenn Sie nicht wissen, welche Werte in der Or-

ganisation gelten, schauen Sie wie die Organisation handelt.

Wie sehen nachhaltige Produkte und nachhaltige Service-Leistungen aus?

StopArmut zeigt in der Sammlung der Change Maker Porträts Beispiele. Darunter

befinden sich auch die eigenen Pilotversuche z. B. zur nachhaltigen Konferenzge-

staltung.

Weitere hilfreiche Dokumente sind zum Beispiel der Social Reporting Standard

SRS, der strukturiertes Management und Berichtswesen zur Wirkung für NGOs

bietet.

Bei der nachhaltigen Gestaltung der Prozesse gibt es Vieles zu beachten. Sto-

pArmut bietet Denkanstösse zu ausgewählten Themen als Tools für Change Ma-

ker. Mit den Change Maker Porträts gibt StopArmut Einblick in die eigene Pilotar-

beit, z. B. zur CO2-neutralen Gestaltung der Arbeit.

Weitere umfassende Toolsammlungen bietet zum Beispiel der Kompass Nachhal-

tigkeit für eine nachhaltige Beschaffung. Als Gütesiegel für spendenbasierte Orga-

nisationen gelten die ZEWO und das christliche Pendant der Ehrenkodex.

Für grössere Organisationen können weitere internationale und komplexere Standards für Organisations-

management und Nachhaltigkeitsberichterstattung interessant sein: die Global Reporting Initiative (GRI)

und Standards der ISO (International Organisation for Standardisation) insbesondere ISO 9000 (Qualität),

14000 (Umwelt), OHSAS 18000 und ISO 26000 (CSR). Einen anderen ganzheitlichen Ansatz der Be-

richtserstattung verfolgt die Gemeinwohl-Ökonomie, die auf einem ethischen Wirtschaftsmodell aufbaut.

Das Label Certified B Corporations ist ggf. interessant für Unternehmen mit ganzheitlich nachhaltiger Aus-

richtung.

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Zu diesem Punkt hat StopArmut kein spezielles Angebot. Aspekte des Umweltma-

nagements finden sich jedoch in allen Tools für Change Maker wieder.

Für non-profit Organisationen bietet ein frei zugänglicher Leitfaden für Stakehol-

dermanagement eine Einführung. Zum gleichen Themen finden sich in den aus-

führlicheren Leitfäden zur Berichterstattung ebenfalls Hinweise (siehe Prozessele-

ment).

Die richtige Ausrüstung hilft.

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Welche Tools

nutzen wir in

welchem Bereich?

Wo fehlen uns

geeignete Tools?

Wie sieht es in meiner Organisation aus?

Wo gibt es

Handlungsbedarf?

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6 Anhang

6.1 Definitionen und Modelle zur Nachhaltigkeit

Nachhaltige Entwicklung ist ein unscharfer Begriff. Der Duden kennt zwei gängige Definitionen:

„dauerhaft / mit langfristiger Wirkung“ im umgangssprachlichen Sinne und

„dauerhafte Lösungen im fachlichen Sinne“, die Umweltschutz, Gesellschaftsbelange und Wirt-

schaftsbelange gerecht berücksichtigen.

Brundtland-Definition

Hier wird „nachhaltig“ im fachlichen Sinne verwendet:

"Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne

zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können. Zwei Schlüs-

selbegriffe sind wichtig:

der Begriff Bedürfnisse, insbesondere die Grundbedürfnisse der Ärmsten der Welt sollen Priorität haben

der Gedanke von Beschränkungen, die der Stand der Technologie und der sozialen Organisation auf die

Fähigkeit der Umwelt ausübt, gegenwärtige und zukünftige Bedürfnisse zu befriedigen.“

Diese allgemein anerkannte Definition stammt aus dem Brundtland Report (UN 1987). Sie wird sowohl in der

Agenda 2030 wie auch im Human Development Project des Global Footprint Network genutzt.

Drei-Dimensionen Modell

Auf die Brundtland-Definition bezieht sich das weitverbreitete Drei-Dimensionen-Modell der Nachhaltigkeit.

Dieses will wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Interessen so in Einklang bringen, dass die

Gerechtigkeitsdimensionen ‚heute – morgen‘ und ‚hier – anderswo‘ berücksichtigt werden.

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Matrix aus menschlicher Entwicklung und Ressourcenverbrauch

Einfacher als die Agenda 2030 ist die Betrachtung der Staaten gemessen mit nur zwei Kriterien:

Der menschlichen Entwicklung gemessen mithilfe des HDI (Human Development Index)

Des Ressourcenverbrauchs gemessen mithilfe des ökologischen Fussabdrucks.

Die zwei Masseinheiten sind wissenschaftlich-komplex, doch wenn man alle Länder der Erde auf einer Gra-

fik mit diesen beiden Kriterien abbildet, dann ist die Aussage bestechend einfach (vgl. Grafik “sustainable

development”1):

Auf der horizontalen Achse ist der Stand der menschlichen Entwicklung abgebildet.

Auf der vertikalen Achse ist der Ressourcenverbrauch abgebildet.

Ein Land gilt als nachhaltig, wenn der Lebensstandard so hoch und der Ressourcenverbrauch so niedrig ist,

dass da Land im grauen Ziel-Quadrat zu liegen kommt. 2011 haben erstmals ein paar wenige Länder diesen

Status erreicht. Diesen Status zu erreichen bzw. zu halten ist harte Arbeit – der typische Entwicklungspfad

führt von tiefer menschlicher Entwicklung mit geringem ökologischen Fussabdruck zu hoher menschlicher

Entwicklung mit grossem ökologischen Fussabdruck – also an dem Zielquadranten vorbei.

6.2 Definition von Corporate Social Responsibility (CSR)

Corporate Social Responsibility (CSR) ist die sogenannte gesellschaftliche oder soziale Verantwortung von

Organisationen und Unternehmen. Was häufig als freiwilliges Spendenprogramm begann geht heute weit

darüber hinaus. Die Grundidee dabei ist, dass Organisationen für alle Auswirkungen ihrer Tätigkeiten ver-

antwortlich sind, also auch die Auswirkungen, die nicht direkt mit ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung

zusammenhängen. Das sind häufig Auswirkungen auf die Umwelt und Anspruchsgruppen. CSR fordert da-

her einen Managementansatz, der zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft einen Beitrag leistet. Be-

sonderes Augenmerk liegt dabei traditionell auf dem Stakeholderdialog und dem wertorientierten Handeln

der Organisation.

1 http://www.footprintnetwork.org/en/index.php/GFN/page/human_development_index_graphic

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6.3 CSR und Nachhaltigkeit

„Die Verbindung zwischen CSR und Nachhaltigkeit wird heute unterschiedlich gesehen. CSR wird teilweise

als „Beitrag zur Nachhaltigen Entwicklung“ bezeichnet bzw. werden die beiden Begriffe synonym verwendet

wie in diesem Leitfaden. Tatsächlich leistet das gegenwärtige Wahrnehmen der Gesellschaftlichen Verant-

wortung von „Corporations“ (Körperschaften) einen Beitrag zur künftigen Nachhaltigkeit, andererseits stellt

Nachhaltigkeit eine bedeutende Wertehaltung dar und ist somit Teil der Gesellschaftlichen Verantwortung.

Unabhängig davon beziehen sich wesentliche Standards (z.B. für Berichte) gleichermaßen auf CSR- und

Nachhaltigkeitsmanagement.

Es gibt aber auch prinzipielle Unterschiede: So verlangt Nachhaltige Entwicklung vor allem die Erarbeitung

des Wissens, was nachhaltig ist und kann daher als expertengetriebener Ansatz bezeichnet werden. Das

Konzept Gesellschaftliche Verantwortung (CSR) verlangt hingegen nach der Feststellung, was verantwor-

tungsvoll ist und damit nach einem gesellschaftlichen Diskurs darüber. CSR muss „ausverhandelt“ werden

und bedarf somit einer stärkeren Stakeholderorientierung.“2

6.4 Nachhaltigkeitspolitik

Agenda 2030

Die Agenda 2030 der UN ist ein globaler Gesellschaftsvertrag, der im September 2015 von der Generalver-

sammlung der UN verabschiedet worden ist. Er wurde in drei Jahren in zähen Verhandlungen erarbeitet.

Dabei konnten sich Bürger weltweit über sogenannte Konsultationen der Zivilgesellschaft einbringen.

Die Agenda 2030 beinhaltet visionäre Ziele für eine Welt, in der niemand zurückgelassen wird. Drängende

Probleme der Welt aus Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft werden mit 17 Zielen mit über 150 Unterzielen

adressiert. Die Agenda 2030 gilt für alle Staaten weltweit. Sie ist zwar nicht rechtlich verbindlich, doch Fort-

schrittsberichte und gegenseitige Rechenschaft ist vorgesehen. Dies übt hinreichend moralischen Druck aus,

dass die Agenda in Politik und gesellschaftlichem Leben beachtet wird.

Überblick in Kürze: Infobroschüre und Videoclip (15 min) des EDA

Offizielle Dokumente der UN: Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, verabschiedet im September 2015.

Weitere Infos: Info-Seite des Eidgenössischen Departements des Äusseren (EDA) mit Fokus Agenda 2030.

Nachhaltigkeitspolitik in der Schweiz

Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016-2019 wurde vom Bundesrat im Januar 2016 verabschiedet. Das

Amt für Raumentwicklung (ARE) koordiniert die Schweizer Nachhaltigkeitspolitik.

Weitere Infos: Schweizer Nachhaltigkeitspolitik

6.5 Nachhaltigkeit + Glaube

Was hat christlicher Glaube mit Nachhaltigkeit zu tun? Oder Nachhaltigkeit mit christlichen Werten? Leider

werden diese Fragen viel zu wenig gestellt. Denn auch wenn das Wort Nachhaltigkeit in der Bibel nicht vor-

2 Quelle: http://www.nachhaltig-selbstaendig.at/csr-vs-nachhaltigkeit/ Zugriff 15.05.2017

Page 21: Unterwegs zur nachhaltigen Organisation - StopArmut · Der lokale Kontext einer Organisation weist jeweils spezifische Kernfragen der nachhaltigen Entwicklung auf. Im Weltnorden ist

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kommt und das Wort Glaube nicht im Nachhaltigkeitsmodell, so gibt es viele Gründe, die dafür sprechen,

beides zu integrieren:

Sowohl im Nachhaltigkeitskonzept wie in der Bibel ist Gerechtigkeit ein zentraler Begriff. Als zentraler

Wert der nachhaltigen Entwicklung ist er selten konkret gefüllt. Als zentraler christlicher Wert wird er in

der Bibel mit konkreten Beispielen unterlegt.

Christen ringen darum, wie Glaube heute gesellschaftsrelevant gelebt werden kann. Die Nachhaltig-

keitsdebatte mit christlichen Werten mitgestalten, das wäre eine relevante Möglichkeit dazu.

Zwar ist Nachhaltigkeit inzwischen ein Konzept, dass auch die Politik und die Wirtschaft beschäftigt.

Doch die Lücke zwischen Wissen, was gut ist, und entsprechendem Handeln ist riesig. Hier wird inzwi-

schen auch von säkularen Nachhaltigkeitsakteuren anerkannt, dass die ethische Dimension als Motor

fehlt, um die Lücke zwischen Wissen und Handeln zu schliessen. Hier sind glaubensbasierte Akteure

zunehmend gefragt – also auch Christen.

Die nebenstehende Grafik aus der StopArmut-

Arbeit illustriert, wie die säkulären Nachhaltigkeits-

dimensionen mit den christlichen Dimensionen

integraler Mission korrespondieren. Nachhaltigkeit

verbindet also explizit wirtschaftliches Handeln mit

der Fürsprache für Armutsbetroffene und den

Respekt für die Grenzen der Schöpfung. Dies ist

insbesondere für Christen in der Schweiz eine

Herausforderung, da der Schweizer Lebensstil

mehr Ressourcen beansprucht als pro Person auf

der Erde zur Verfügung stehen. Daraus ergibt sich

ein Aufruf an Christen, sich für einen nachhaltigen

Lebensstil einzusetzen – im eigenen Leben, in

ihrer Gemeinschaft und in der Welt.

Impressum

Herausgeber: StopArmut

Version: Juni 2017 / wsb

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