Update Nachteilsausgleich: Voraussetzungen – …...reagieren, seine Ausführungen argumentativ zu...

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Annette Eiberle Tobias Helmke Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten München, 2. Mai 2019 Update Nachteilsausgleich: Voraussetzungen – Fallgruppen – Rechtsprechung

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Annette Eiberle

Tobias Helmke

Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

München, 2. Mai 2019

Update Nachteilsausgleich: Voraussetzungen – Fallgruppen – Rechtsprechung

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Rechtsgrundlagen:

• Art. 3 Abs. 1 GG (Grundsatz der Chancengleichheit) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

• Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG (Grundrecht der freien Berufswahl)„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“

2Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Chancengleichheit

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Chancengleichheit

Akute/vorübergehende Prüfungsunfähigkeit

= erhebliche körperliche oder psychische Beeinträchtigung

verringert die Chancen auf ein Prüfungsergebnis, das den wahren Fähigkeiten und Kenntnissen entspricht,sog. „Nachweishindernis“:

Prüfungsrücktritt / ggf. FVL

Dauerhafte Beeinträchtigung

= wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ist trotz ärztlicher Hilfe/Hilfsmittel dauerhaft bedingt

betrifft die geprüfte Befähigung: kein Ausgleich

betrifft nicht die geprüfte Befähigung: Nachteilsausgleich

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Nachteilsausgleich § 19 APSO

Voraussetzungen:

• Antrag an Prüfungsausschuss vor der Prüfung

• lang andauernde/ständige Behinderung oder chronische Erkrankung, die nicht die durch die Prüfung zu belegende Befähigung betrifft (Darstellungshindernis der vorhandenen Befähigung); Gesichtspunkt: Ausgleichsfähigkeit im Beruf

• geeignete Glaubhaftmachung der Beeinträchtigung mit Ausführungen zu Art und Umfang des beantragten Ausgleichs

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• Entscheidung des Prüfungsausschusses in eigener Verantwortung(gerichtlich voll überprüfbare, rechtlich gebundene Entscheidung)

• keine Bindung an die in Attesten vorgeschlagenen Maßnahmen

• Mögliche Formen (Einzelfallprüfung!):

z.B. Schreibzeitverlängerung, Bewilligung geeigneter Hilfsmittel, Pausenregelung ohne Anrechnung auf die Schreibzeit, Schreibhilfe ohne fachliche Vorkenntnisse, angepasste Klausurangaben (Schriftgröße, Farbe), separater Prüfungsraum, (gesonderte Prüfungsform)

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Nachteilsausgleich

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Einzelfallentscheidungen im Prüfungsverfahren

Nachteilsausgleich

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Chancengleichheit

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Verwaltungsgericht München Urteil vom 24. November 2015, Az. M 3 K 15.3025

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Fallgruppe: Legasthenie

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Sachverhalt:

Ein Student der Informatik hat seit seiner Grundschulzeit eine festgestellte Lese- und Rechtsschreibstörung. Der Prüfungsausschuss bewilligt ihm Schreibzeitverlängerung von 10 Prozent für alle Klausuren. Dies entspreche ständiger Praxis an der Hochschule in allen Fakultäten und habe sich als ausreichend erwiesen. Der Student empfand das als nicht ausreichend und beantragte 50 bis 75 Prozent. Die pauschale Gewährung von 10 Prozent ohne Einzelfallprüfung sei unzulässig. Der Prüfungsausschuss lehnte diesen Antrag jedoch unter Verweis auf offensichtliche Überkompensation ab.

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Fallgruppe: Legasthenie

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Sachverhalt (Fortsetzung):

Dagegen klagte der Student. Im Gerichtsverfahren wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Darin hieß es u. a., eine Bearbeitungszeitverlängerung um 40 Prozent werde empfohlen, zudem sollten die Texte entsprechend größer kopiert, Lesetexte besser strukturiert, die Prüfung in einer ruhigeren Prüfungssituation abgehalten und die Möglichkeit, die Prüfungsergebnisse auf ein Band zu sprechen, eingeräumt werden. Der Prüfungsausschuss gewährte sodann 25 Prozent Verlängerung, einen separaten Raum und besonders formatierte Aufgabentexte. Der Student hielt seine Klage aufrecht.

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Fallgruppe: Legasthenie

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Lösung des Verwaltungsgerichts München:• Maßnahmen des Nachteilsausgleichs müssen sich an der

konkreten Behinderung und der jeweiligen Prüfung orientieren. Bei Legasthenie ist der Grad der Legasthenie zu berücksichtigen.

• Der Nachteilsausgleich darf jedoch nicht in den Bereich des Prüfungsgegenstands hineinwirken. Ist Gegenstand der Prüfung gerade die Fähigkeit, Sachverhalte fremd- und fachsprachlich schriftlich darzustellen, würde eine Nichtbewertung von Rechtschreibfehlern prüfungsrelevante Fähigkeiten ausklammern, die bei anderen Prüfungsteilnehmern in die Bewertung einfließen.

• Der Kläger kann nur verlangen, so gestellt zu werden wie ein durchschnittlich befähigter Studierender.

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Fallgruppe: Legasthenie

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Bayerischer VerwaltungsgerichtshofUrteil vom 19. November 2018 – 7 B 16.2604

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Fallgruppe: Legasthenie

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Lösung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs:

• Laut Sachverständigengutachten ist die Bearbeitungszeitverlängerung um 25 Prozent nicht ausreichend.

• Der Student hat vielmehr einen Anspruch auf eine Bearbeitungszeitverlängerung um insgesamt 40 Prozent.

• Es sind in Einzelfällen bestehende Kompensationsdefizite ebenso möglich wie Überkompensationen. In Anbetracht der unterschiedlichen Aufgabenstellungen werden sie sich jedoch ausgleichen und sind hinzunehmen.

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Fallgruppe: Legasthenie

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Sächsisches OberverwaltungsgerichtBeschluss vom 12. Februar 2018, Az. 5 B 352/17

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Fallgruppe: Angst

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Sachverhalt:Eine Psychologie-Studentin beantragt, im Wege des Nachteilsausgleich zwei mündliche Prüfungen in schriftlicher Form ablegen zu dürfen. Sie leide an einer chronischen psychischen Erkrankung, nämlich an einer spezifischen Phobie. Diese trete nur in mündlichen Prüfungssituationen auf, nicht hingegen in Alltagssituationen. Diese Angaben belegt die Studentin durch ärztliches Attest. Sie meint, ihre Leistungsfähigkeit als Psychologin werde durch die Erkrankung nicht beeinträchtigt. Zudem könnten die in den beiden Prüfungen abgeprüften Fähigkeiten genau so gut auch in schriftlichen Prüfungen nachgewiesen werden.

14Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: Angst

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Lösung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts:• Es ist zu unterscheiden zwischen Dauerleiden, die nicht die aktuell

geprüfte Befähigung betreffen, sondern nur den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschweren, und Dauerleiden, die als persönlichkeitsbedingte Eigenschaften die Leistungsfähigkeit des Kandidaten in Prüfungen prägen.

• Wenn sich eine Einschränkung der psychischen Leistungsfähigkeit im Prüfungsergebnis negativ niederschlägt, wird dadurch dessen Aussagewert nicht verfälscht, sondern in besonderer Weise bekräftigt.

• Die Bewältigung von Stresssituationen kann Gegenstand der Tätigkeit eines Psychologen sein. Daher prägt die Erkrankung der Studentin ihre Leistungsfähigkeit in den fraglichen mündlichen Prüfungen.

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Fallgruppe: Angst

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Lösung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts:• Eine mündliche Prüfung hat nicht allein die Abfrage von Wissen und

die Entwicklung von Problemlösungen zum Gegenstand. Zusätzlich geht es um die Fähigkeiten des Kandidaten, auf weitere Fragen zu reagieren, seine Ausführungen argumentativ zu untermauern und geäußerter Kritik zu begegnen. Derartige Fähigkeiten können in einer schriftlichen Prüfung nicht abgefragt werden.

• Es ist mit der Chancengleichheit aller Prüflinge nicht zu vereinbaren, einem Kandidaten mit einem seine Leistungsfähigkeit beeinflussenden Dauerleiden einen Nachteilsausgleich zu gewähren und hierdurch dessen Leistungsbild zu seinen Gunsten und zu Lasten der im Wettbewerb stehenden Mitprüflinge zu verfälschen.

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Fallgruppe: Angst

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Verwaltungsgericht WürzburgUrteil vom 29. November 2017, Az. W 2 K 16.284

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Fallgruppe: ADHS

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Sachverhalt:Ein Student des Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaften leidet an ADHS. Laut ärztlichem Attest habe er Konzentrations-störungen sowie Probleme, sich zu strukturieren und zu organisieren.Nachdem er die Bachelorprüfung erstmalig nicht bestanden hatte, beantragte er als Nachteilsausgleich eine Fristverlängerung um zwei Semester. Der Prüfungsausschuss gewährte dem Studenten „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ lediglich eine Fristverlängerung um ein Semester. Der Student erbrachte die fehlenden Credits nicht bis zum Ende dieses einen Verlängerungssemesters. Gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen erhob er Klage.

18Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: ADHS

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Lösung des Verwaltungsgerichts Würzburg:• Eine ADHS-Erkrankung rechtfertigt als nicht ausgleichsfähiges

Dauerleiden keinen Nachteilsausgleich und stellt daher keinen „wichtigen Grund“ im Sinne der Prüfungsordnung dar.

• Die Krankheit erschwert nicht nur die Darstellung einer im Kopf erarbeiteten Prüfungsleistung, sondern beeinträchtigt infolge der geringeren Konzentrationsfähigkeit, erhöhten Ablenkbarkeit und Schwierigkeiten bei der Informationsverarbeitung die gedankliche Erarbeitung der Aufgabenlösung selbst.

• Die Schwierigkeiten, unter zeitlichem Druck die Gedanken zu ordnen und zu fokussieren, Informationen zu filtern und sich auf die relevante Aufgabenstellung zu konzentrieren, lassen sich auch nicht durch Hilfs-mittel kompensieren und werden sich voraussichtlich im späteren beruf-lichen Alltag nicht wesentlich anders als im Studium niederschlagen.

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Fallgruppe: ADHS

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Verwaltungsgerichtshof Baden-WürttembergBeschluss vom 1. Juni 2017, Az. 9 S 1241/17

20Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: Diabetes

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Sachverhalt:

Eine Studentin leidet seit über 20 Jahren an einer Typ-1-Diabetes. Sie beantragte unter anderem, die Arbeitszeit zur Anfertigung der schriftlichen Arbeiten in ihrer Staatsexamensprüfung um 90 Minuten je Prüfungstag verlängert zu bekommen. Die zuständige Prüfungsbehörde lehnte dies ab und gewährte ihr lediglich eine Zeitspanne von 90 Minuten in Form von nicht auf die Bearbeitungszeit anzurechnenden Pausen. Mit einem Eilantrag wollte sie die Bearbeitungszeitverlängerung bewilligt bekommen.

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Fallgruppe: Diabetes

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Lösung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg:• Die Verlängerung der Bearbeitungszeit würde zu der Möglichkeit

eines erheblichen Schreibzeitgewinns führen, wenn nämlich eine „Entgleisung“ des Blutzuckerspiegels in der Prüfung gar nicht eintritt. Dies würde eine Überkompensation bedeutet, mit der sie gegenüber den Mitprüflingen besser gestellt würde.

• Demgegenüber bietet die gewährte Möglichkeit, mit zusätzlicher Pausenzeit auf tatsächlich eintretende Probleme mit dem Blutzuckerspiegel zu reagieren, einen effektiven Ausgleich für die Studentin, ohne dass ein relevanter Schreibzeitgewinn eintreten kann.

22Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: Diabetes

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Verwaltungsgerichtshof Baden-WürttembergBeschluss vom 9. März 2015, Az. 9 S 412/15

23Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: Seh-, Hör- und Sprechstörungen

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Sachverhalt:

Ein Prüfling leidet unter einem Tinnitus. Die Prüfungsbehörde lehnte einen Antrag auf Nachteilsausgleich für schriftliche Prüfungen ab, da es sich wohl nur um eine psychosomatische Reaktion auf typischen Prüfungsstress handele. Dagegen ging der Prüfling gerichtlich vor. In erster Instanz entschied das Verwaltungsgericht zu seinen Gunsten, dass ein Nachteilsausgleich von drei Pausen á 15 Minuten nach dem Ablauf von jeweils 60 Prüfungszeitminuten zu gewähren wäre. Hiergegen legte die Prüfungsbehörde Beschwerde ein.

24Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: Seh-, Hör- und Sprechstörungen

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Lösung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg:• Konzentrationsstörungen, die auf mit der Prüfungssituation

typischerweise verbundenen Anspannungen und Belastungen beruhen, sind grundsätzlich hinzunehmen.

• Vorliegend ergibt sich jedoch aus einem amtsärztlichen Attest zumindest, dass der Kandidat an sog. Innenohrschwerhörigkeit leidet und der Tinnitus nicht nur in Prüfungssituationen auftritt.

• Die Gewährung der Pausen von 15 Minuten nach je 60 Minuten Bearbeitungszeit würde eine Überkompensation darstellen.

• Ausreichend ist es, einen separaten Prüfungsraum mit leiser Hintergrundmusik zur Verfügung zu stellen.

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Fallgruppe: Sehr-, Hör- und Sprechstörungen

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Verwaltungsgericht AnsbachBeschluss vom 6. Juni 2018, Az. AN 2 E 18.00968

26Hochschulreferat Studium und Lehre – Rechtsangelegenheiten

Fallgruppe: Orthopädische Beschwerden

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Sachverhalt:Eine Examenskandidatin leidet an einer chronischen Sehnenscheiden-entzündung. Nach eigenen Angaben habe sie seit der 11. Klasse alle Prüfungen (einschließlich Abi und Prüfungen an der Uni) mit Hilfe eines Laptops geschrieben. Sie beantragt entsprechenden Nachteilsausgleich für das Staatsexamen. Dieser wird ihr in Form einer juristisch nicht vor-gebildeten Schreibkraft gewährt. Diese solle den von der Kandidatin diktierten Text handschriftlich niederlegen. Die Benutzung eines Laptops wird hingegen abgelehnt. Die Kandidatin geht dagegen mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung vor und führt noch aus, Sie leide seit einiger Zeit auch an Stimmband- und Kehlkopfentzündungen und habe überdies auch keine geeignete Schreibkraft finden können.

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Fallgruppe: Orthopädische Beschwerden

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Lösung des Verwaltungsgerichts Ansbach:• Es ist möglich, isoliert auf Gewährung eines Nachteilsausgleichs

zu klagen bzw. um einstweiligen Rechtsschutz zu ersuchen.• Eine technische Schreibhilfe in Form eines Laptops kann nur in

medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen.Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Etwaige Sprechprobleme wurden nicht hinreichend attestiert.

• Die Nutzung eines Laptops wäre eine Überkompensation: höhere Schreibgeschwindigkeit gleichbleibend allzeit leserliches Schriftbild Copy & Paste, Einfügungen und Korrekturen möglich,

ohne dass dies für den Korrektor erkennbar ist

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Fallgruppe: Orthopädische Beschwerden

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Lösung des Verwaltungsgerichts Ansbach:• Die Suche nach einer Schreibkraft fällt genauso wie das

Beschaffen und Mitbringen von Hilfsmitteln in den Verantwortungsbereich des Prüfungsteilnehmers.

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Fallgruppe: Orthopädische Beschwerden

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