Urban Farming - Urban Agriculture...

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Maturarbeit von Erica Bossard, 3IS Betreuung: Suzanne Forel Schuljahr 2012/13 Urban Farming Welche Formen von Urban Farming existieren momentan in der Schweiz und welche Zielgruppen ziehen sie an?

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Maturarbeit von Erica Bossard, 3IS Betreuung: Suzanne Forel Schuljahr 2012/13

Urban Farming

Welche Formen von Urban Farming existieren momentan in der Schweiz und welche Zielgruppen ziehen sie an?

Maturarbeit Urban Farming | Erica Bossard  

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INHALTSVERZEICHNIS

1. Vorwort .................................................................................................................. 2

2. Einleitung .............................................................................................................. 4

THEORETISCHER KONTEXT .................................................................................... 6

3. Definition von Urban Farming ............................................................................... 6

3.1 Überblick .......................................................................................................... 6

3.2 Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt ................................................... 7

3.3 Urban Farming im Wandel der Zeit ............................................................... 11

3.4 Blick auf Schweizer Städte ............................................................................ 13

DREI FALLBEISPIELE .............................................................................................. 21

4. Gemeinschaftsgarten Landhof ............................................................................ 21

4.1 Projektbericht ................................................................................................. 25

4.2 Hypothesen ................................................................................................... 21

4.3 Beobachtung der Resultate ........................................................................... 25

4.4 Diskussion der Resultate ............................................................................... 32

5. Bienenhaltung in der Stadt .................................................................................. 36

5.1 Projektbericht ................................................................................................. 39

5.2 Hypothesen ................................................................................................... 36

5.3 Beobachtung der Resultate ........................................................................... 40

5.4 Diskussion der Resultate ............................................................................... 40

6. UrbanFarmers ................................................ Fehler! Textmarke nicht definiert. 6.1 Projektbericht ................................................................................................. 46

6.2 Hypothesen ................................................................................................... 43

6.3 Beobachtung der Resultate ........................................................................... 46

6.4 Diskussion der Resultate ............................................................................... 49

7. Reflexion ............................................................................................................. 52

8. Quellenverzeichnis .............................................................................................. 54

9. Anhang ................................................................................................................ 59  

 

 

 

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1. Vorwort Als ich begonnen habe, mir über das Thema meiner anstehenden Maturarbeit Gedanken zu machen, war mir schnell klar, dass meine Arbeit Städte behandeln würde. Obwohl ich auf dem Land aufgewachsen bin, und mir immer wieder gesagt wird, wie glücklich ich mich schätzen kann, habe ich mich daran sattgesehen. Ich sehne mich nach der Abwechslung, der Belebtheit und der kulturellen Vielfalt der Städte und des urbanen Lebens. Dennoch ist mir bewusst, dass die Natur für uns mehr als eine einzige existenzielle Bedeutung hat. Ich erachte es als wichtig, sie in die Stadt zu integrieren, da sie die Lebensqualität erheblich verbessern kann. Ich hatte zu Beginn vor, über „die ideale Stadt der Zukunft“ zu schreiben. Mich faszinierten die verschiedenen Lösungsansätze um die heutigen, sowie zukünftigen Herausforderungen zu meistern. Die Suche nach einer konkreten Fragestellung fiel mir aber nicht leicht. Meine Betreuungsperson, Suzanne Forel, schlug mir das Thema Urban Farming vor und brachte mich so wieder auf den richtigen Weg. Im Grunde war dieses Thema ideal für mich, denn ich konnte mich mit Städten auseinander setzen, aber gleichzeitig auch etwas Bekanntes damit verbinden. Zudem denke ich, dass Urban Farming von meiner Startidee gar nicht so weit entfernt ist, denn die Landwirtschaft in den Städten kam im Zusammenhang mit der Zukunftsstadt oft auf. Ich bin zudem überzeugt, dass mich das Thema weiterverfolgen wird, nicht zuletzt, wenn ich nach der Matur in eine Grossstadt ziehen werde.

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An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen, die zur Entstehung meiner Arbeit beigetragen haben, für ihre Motivation, Hilfe und Unterstützung bedanken.

Mein grösster Dank geht an Suzanne Forel für ihre Bereitschaft meine Arbeit zu betreuen und ihre tatkräftige Unterstützung. Sie machte mich auf wichtige Anlässe zu meinem Thema aufmerksam und motivierte mich sehr durch ihr Interesse und ihre Hilfsbereitschaft.

Lea Egloff und den Gärtnern am Aktionstag von Ortoloco danke ich für die herzliche Aufnahme, das Interesse an meiner Arbeit und die spannenden Gespräche, die mir einen guten ersten Eindruck über mein Thema verschafft haben.

Mein Dank geht auch an den Stadtimker Andreas Seiler für das Interview und die Besichtigung seiner Bienen auf dem Dach des Gundeldingerfeldes in Basel.

Dominique Oser vom Gemeinschaftsgarten Landhof möchte ich für ihre Bereitschaft meine vielen Fragen zu beantworten, die Möglichkeit den Garten zu besuchen, und das Weiterleiten meines Fragebogens an weitere Stadtgärtner herzlich danken.

Auch bei den weiteren Stadtgärtnern, die sich Zeit genommen haben meinen Fragebogen auszufüllen möchte ich mich bedanken.

Andreas Graber von den UrbanFarmers und den Restaurants Parterre, Schmatz, Viertel-Kreis und Schifferhaus danke ich für die Beantwortung meiner Fragen und ihr Interesse an meiner Arbeit.

Ein grosser Dank geht an Patricia Wenger, die mir beim Gestalten des Titelbildes behilflich war.

Anne Rüsing danke ich für das kritische Gegenlesen meiner Arbeit und die hilfreichen Verbesserungsvorschläge.

Zu guter Letzt möchte ich mich von Herzen bei meinen Eltern bedanken. Sie haben mich an zahlreiche Anlässe begleitet, mir neue Blickwinkel auf mein Thema aufgezeigt, viel Geduld mit mir gehabt und mich während des gesamten Arbeitsprozesses unterstützt, aufgemuntert und motiviert.

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2. Einleitung Urban Farming. Alleine der Name klingt exotisch und aussergewöhnlich. Was verbirgt sich hinter diesem Kunstbegriff? Ganz einfach: Landwirtschaft, in der Stadt. Viele denken beim Wort Landwirtschaft wohl als Erstes an den unangenehmen Güllegestank, dann wahrscheinlich an Bauernhöfe, Traktoren und Kühe, die gelangweilt auf der Weise stehen. Urbane Landwirtschaft hat damit kaum etwas zu tun, sie gilt als topmodern und jeder Stadtbewohner der etwas auf sich hält, schliesst sich dem Trend an. Gerade weil Urban Farming so vielfältig und weitverbreitet ist, fiel es mir schwer mich auf einen einzigen Aspekt zu konzentrieren. Ich habe schliesslich beschlossen, mich für den grössten Teil meiner Arbeit nur auf die Schweiz zu fokussieren. Ich war sehr neugierig zu sehen, was die Schweiz an urbaner Landwirtschaft bereits zu bieten hat. Danach habe ich mir überlegt, was ich konkret über Urban Farming in der Schweiz herausarbeiten wollte. Mich interessierte der soziale Aspekt am meisten. Ich wollte herausfinden, wer Urban Farming in der Schweiz betreibt. Was sind das für Menschen, die sich dieser Bewegung, diesem „Trend“, angeschlossen haben, die mit Schaufel und Giesskanne bepackt den Stadtboden bepflanzen oder Hühner auf der Terrasse halten? Sind das junge Menschen, die eine grüne Revolution anstacheln wollen, oder sind es Rentner die nun endlich wieder Zeit für ihr Hobby haben? Ausserdem wollte ich wissen, in welchen Projekten diese Menschen eingebunden sind. Sind es vor allem die klassischen Schrebergärten am Stadtrand oder doch futuristische Gewächshäuser auf Fachdächern?

So kristallisierten sich folgende Leitfragen heraus:

Im theoretischen Teil finden sich bereits vorläufige Antworten zur ersten Leitfrage. Ich stelle zehn Formen vor, auf die ich in der Schweiz gestossen bin. Weil es den Rahmen einer Maturarbeit sprengen würde, wenn ich zu jeder Form die Zielgruppe ausfindig machen müsste, habe ich mich auf drei beschränkt. Zudem gibt es für jede Form unterschiedliche Projekte, die sich untereinander stark unterscheiden, was Organisation, Verwaltung, und natürlich auch die Zielgruppe angeht. Für jede der drei ausgewählten Formen habe ich ein Projekt gewählt, das ich näher anschauen möchte. Am wichtigsten war mir selbst, dass mich diese Projekte ansprechen und ich mich dafür begeistern konnte. Da es im Vornhinein klar war, dass ich die Projekte (mehrmals) besichtigen würde, sollten sie sich auch an Orten befinden, die für mich einfach zu erreichen waren. Daher habe ich drei Projekte mit Standort Basel gewählt. Da ich die verschiedenen Ausprägungen der urbanen Landwirtschaft aufzeigen wollte, habe ich mich für Projekte entschieden, die unterschiedlicher nicht sein

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könnten. Sie berühren verschiedene Themengebiete um die Facetten der urbanen Landwirtschaft in der Schweiz aufzuzeigen. Diese drei Projekte sind zudem auch in den Medien höchst aktuell, und stossen auf Schweiz- und teilweise sogar auf weltweites Interesse. Deshalb finden sich viele Zeitungsartikel und Videomaterial aus jüngster Zeit zu ihnen. Meine Arbeit ist also zeitnahe. Die Projektberichte habe ich in drei Teile geteilt. Als erstes erkläre ich wie das Projekt formal einzuordnen ist. Als nächstes gehe ich auf die Entstehungsgründe ein. Schliesslich folgen die allgemeinen Fakten, das heisst die Verantwortungsbereiche und Standorte, sowie weitere Informationen über Hintergrund und Anbaumethoden. Um herauszufinden, welche Zielgruppen in diesen Projekten eingebunden sind, habe ich für jedes Projekt Hypothesen aufgestellt. Diese habe ich dann anhand von Fragebögen oder Befragungen der Verantwortlichen überprüft. Da es sich um Projekte handelt die sich in ihrer Gesamtheit stark voneinander unterscheiden, habe ich für jedes Projekt eigene Hypothesen aufgestellt und bin bei der Auswertung entsprechend vorgegangen. Gliederung der Arbeit Diese Arbeit besteht aus zwei Hauptteilen, einem theoretischen Teil (Theoretischer Kontext) und einem praktischen Teil (Fallbeispiele). Im theoretischen Teil meiner Arbeit gebe ich einen ersten Überblick über das Thema Urban Farming. Ich erkläre den Begriff Urban Farming genauer und stelle ihn in einen globalen Kontext. Ich habe mich auch dafür entschieden, kurze Stationen der Geschichte des Urban Farming festzuhalten um aufzuzeigen, dass Landwirtschaft in der Stadt im Grunde nichts Neues ist und in der Vergangenheit zum Teil wichtige Funktionen inne hatte.

Anschliessend werde ich mich stärker auf die Schweiz konzentrieren und anhand von zwei Theorien einer Dozentin für Raumplanung und urbane Geographie an der Universität Lausanne, erklären, wie das Phänomen der urbanen Landwirtschaft in der Schweiz zustande kommt. Danach folgt eine Vorstellung der Formen von Urban Farming in der Schweiz.

Viele der Informationen, die ich für den theoretischen Teil verwendet habe, stammen aus Vorträgen oder Anlässen, die ich besucht habe. Einige Referenten kamen auch konkreter auf die Schweiz zu sprechen. Das was sehr hilfreich, denn im Internet oder in Büchern sind Informationen über Urban Farming in der Schweiz derzeit noch Mangelware. Diese Informationsanlässe vermittelten mir aber vor allem einen guten ersten Eindruck über das von mir gewählte Thema. Weil Urban Farming noch nicht so lange im öffentlichen Interesse steht und aus diesem Grund nicht viele allgemeine Informationen im Internet zu finden sind, war es sehr förderlich, direkt von Personen informiert zu werden, deren Bezug zum Thema intensiver ist.

Im praktischen Teil, stelle ich die drei Fallbeispiele vor und diskutiere und interpretiere die gewonnenen Ergebnisse.

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THEORETISCHER KONTEXT

3. Definition von Urban Farming 3.1 Überblick Für Urban Farming gibt es keine allgemeingültige Definition. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt urbaner Ackerbau und Viehzucht, kurz: städtische Landwirtschaft. Genauso verbreitet sind die Bezeichnungen „Urban Agriculture“ oder „Urban Gardening“. Darunter ist im Grunde dasselbe zu verstehen, ausser dass „Urban Gardening“ einen konkreteren Begriff für das Gärtnern in der Stadt darstellt.1 Die Ausprägungen von Urban Farming unterscheiden sich global sehr stark und sind in ihrer Gesamtheit sehr uneinheitlich, etwa was den Zugang zu Land, die Produktionsmethoden, die Lage der genutzten Fläche oder die Produktionsziele angeht. In der Fachliteratur gibt es aus diesem Grund unterschiedliche Ansätze, Urban Farming zu definieren.2 Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf eine Definition gestossen, die meiner Meinung nach eine gute Übersicht gibt. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), definierte Urban Agriculture 1996 in einem Entwicklungsprogramm (United Nations Development Programme, UNDP) wie folgt: “(…)An industry that produces, processes and markets food and fuel, largely in response to the daily demand of consumers within a town, city or metropolis, on land and water dispersed throughout the urban and peri-urban area, applying intensive production methods, using and reusing natural resources and urban wastes, to yield a diversity of crops and livestock.”3 Die urbane Landwirtschaft ist im Gegensatz zur konventionellen, ruralen Landwirt-schaft in das wirtschaftliche und ökologische System einer Stadt integriert: Die Stadtbevölkerung ist in die verschiedenen Projekte eingebunden, städtischer Abfall wird kompostiert, städtische Brachflächen werden aufgewertet. Diese Faktoren üben eine direkte Auswirkung auf die Ökologie der Stadt und das Stadtbild aus.4 Die Landwirtschaft in Städten ist keine Entwicklung der Moderne. Es hat sie in unterschiedlicher Ausprägung zu jeder Zeit gegeben. Einige Beispiele dazu finden sich in Kapitel 3.3 zur Geschichte der Landwirtschaft in der Stadt ab Seite elf der vorliegenden Arbeit.                                                                                                                          1 Podiumsdiskussion: „UA- Rückeroberung der Stadt durch die Landwirtschaft?“, Eröffnungsvortrag von Monika Jäggi, promovierte Sozialgeographin und Wissenschaftsjournalistin, 2. November 2012 in Basel 2 http://www2.gtz.de/Dokumente/oe44/ecosan/de-Urbane-Landwirtschaft-in-Havanna-2005.pdf S. 11, (Stand: 31.03.2013) 3 http://www.fao.org/sd/ppdirect/ppre0073.htm (Stand: 10.12.2012) 4 http://www.ruaf.org/node/512 (Stand: 25.03.2013)

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3.2 Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt In diesem Kapitel erläutere ich, wie sich Urban Farming global auf Gesellschaft und Umwelt auswirkt oder auswirken kann. Zu diesem Zweck arbeite ich mit folgenden Kategorien: Gesundheit, Gesellschaft, (Land)Wirtschaft und Umwelt. 3.2.1 Gesundheit Die konventionelle Landwirtschaft kann heute kaum noch auf den Gebrauch von Pestiziden verzichten. Pflanzenschutzmittel stehen im Verdacht massgebend zur Entstehung von chronischen Erkrankungen, Nervenschäden (z. B. Parkinson), DNA-Schäden, Krebserkrankungen, Fortpflanzungsstörungen und Allergien beizutragen.5 Ich habe festgestellt, dass beim grössten Teil der Stadtbauern keine Pflanzenschutz-mittel zum Einsatz kommen, denn sie sind nicht auf Ertragsmaximierung aus. Der Biologe und Fachtoxikologe Wolfgang Reuter erklärte vor kurzem in einem Interview mit Greenpeace, dass Produkte aus biologischem Anbau nicht bis nur sehr gering pestizidbelastet sind und dass dies die Wahrscheinlichkeit von gesundheitlichen Folgen mindert.6 Urban Farming kann somit dazu beitragen, unsere Gesundheit zu verbessern. Ein zentraler Punkt für die Bevölkerung der Industriestaaten, ist das Übernehmen von Verantwortung. Ein Lebensmittelskandal folgt den nächsten: Gammelfleisch in Würsten, Pferdefleisch in Lasagnen, Etikettenschwindel bei „Bio-produzierten“ Lebensmitteln oder „Bio-Tierhaltung“, die Liste ist lang. Aber auch die Tatsache, dass grossflächig Pestizide eingesetzt werden, die Nahrungsmittel teilweise über die ganze Weltkugel transportiert und häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert werden, macht vielen Konsumenten zu schaffen. Sie wollen wissen woher ihr Essen kommt und was „drinsteckt“. Urban Farming schafft mehr Transparenz, was Herkunft, Erzeugung und Gesundheitsrisiken angeht.7 Das Stadtgärtnern, ist wie „normales“ Gärtnern auch eine Art sportliche Aktivität und deshalb ein gutes Mittel, um Stress vorzubeugen. Es kann zudem positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden haben.8  

                                                                                                                         5 http://www.zentrum-der-gesundheit.de/pestizide-im-essen-ia.html (Stand: 24.03.2013) 6http://www.greenpeace.de/themen/chemie/presseerklaerungen/artikel/interview_pestizide_in_lebensmitteln_und_deren_auswirkungen_auf_mensch_und_umwelt/ (Stand: 24.03.2013) 7 http://www.urbanagriculturebasel.ch/220.php (Stand: 31.03.2012) 8 http://www.rehaclinic.ch/cms/fileadmin/user_upload/pdf/Medienberichte/COM_1-2_2012_Gartentherapie.pdf (Stand: 31.03.2013)

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3.2.2 Gesellschaft Vor allem jungen Menschen, die in Grossstädten aufwachsen, fehlt oftmals der Bezug zur Natur. Die urbane Landwirtschaft kann sie ihnen in ihrem gewohnten Umfeld näher bringen. Auch im Allgemeinen kann die urbane Landwirtschaft ein Bildungsmedium für alle Stadtbewohner sein: Sie zeigt einen anderen Umgang mit Lebensmitteln und Ernährung auf. Wer seine Lebensmittel selbst produziert schätzt ihren Wert umso mehr, denn der Aufwand und die Entbehrungen, die es kostet sie zu produzieren, werden am eigenen Leib miterlebt. Umso grösser ist die Freude am Geschmack und der Qualität seiner Eigenproduktion. Das Wissen über seltene, exotische oder alte Pflanzensorten wird untereinander geteilt, man lernt Neues über die Landwirtschaft und die Natur im Allgemeinen.9 Besonders Gemeinschaftsgärten, in denen in einer Gruppe gegärtnert wird, tragen zur Bildung lebendiger Gemeinschaften und Quartiere bei. Durch ihre Offenheit für Leute mit verschiedensten Hintergründen fördern sie die Integration und den Zusammenhalt. Vor allem für Menschen, die unter sozialer Isolation leiden, wie es oft bei älteren Personen, Arbeitslosen, Migranten oder sozial oder wirtschaftlich Benachteiligten der Fall ist, kann der Gemeinschaftsgarten ein relevantes Mittel sein um sie in das städtische „Netzwerk“ zu integrieren. Die Möglichkeit, sich in gemeinschaftlichen Aktivitäten zu engagieren, steigert die Identifikation mit dem Quartier und fördert die Beteiligung am öffentlichen und politischen Leben. Im Allgemeinen ist ein Garten ein idealer Nährboden für neue Freundschaften.10 3.2.3 (Land)Wirtschaft Urban Farming schafft neue Arbeitsplätze und verringert Transport- und Lagerkosten.11 Laut den Resource Centers on Urban Agriculture & Food Security (RUAF Foundation) wirkt sich wenig Einkommen in städtischen Gebieten stärker auf Mangel an Nahrung aus als dies in ländlichen Gebieten der Fall ist. Dazu kommt, dass die Import- und Transportkosten für Nahrungsmittel fortwährend ansteigen und damit auch die Ernährungssicherheit, besonders für die ärmere urbane Bevölkerung, abnehmen wird. Aus diesem Grund kann die urbane Landwirtschaft massgebend zur Ernährungssicherung der ärmeren Bevölkerung beitragen. Man spricht in diesem Zusammenhang vor allem von Städten in Drittwelt- oder Entwicklungsländern. Sie stellen auch den grössten Teil der 800 Millionen Stadt-bewohner (geschätzter Wert) dar, die aktiv mit Urban Farming zu tun haben.12

                                                                                                                         9 http://speiseraeume.de/faq-urbane-landwirtschaft/ (Stand: 23.03.2013) 10 http://www.urbanagriculturebasel.ch/220.php (Stand: 31.03.2013) 11 http://www2.gtz.de/Dokumente/oe44/ecosan/de-Urbane-Landwirtschaft-in-Havanna-2005.pdf S. 12, (Stand: 31.03.2013) 12 http://www.ruaf.org/node/513 (Stand: 23.03.2013)  

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Aber auch in Detroit, im Industriestaat USA, wird urbane Landwirtschaft zur Selbst-versorgung praktiziert. Seit dem Zusammenbruch der Autoindustrie herrschen Arbeitslosigkeit und Armut vor. Urban Farming ist ein substanzielles Mittel geworden um Ausgaben für Nahrungsmittel zu senken und so der Armut etwas entgegen zu wirken.13 Auswirkungen und Nachteile der konventionellen Landwirtschaft: Neben den gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr belasteter Nahrungsmittel, belastet der Gebrauch von Pestiziden und Klärschlamm den Boden und durch das Versickern in das Grundwasser auch das Trinkwasser. Die Massentierhaltung fördert den Ausbruch von Krankheiten, welche durch den vorsorglichen Einsatz von Antibiotika und Medikamenten unterdrückt werden.14

Durch Überbeanspruchung sinkt die Bodenfruchtbarkeit ebenso durch den Anbau und die Spezialisierung auf nur eine einzige Kulturart (=Monokultur). Diese ist zwar wirtschaftlich rentabel, stellt aber einen radikalen Eingriff in das biologische Gleichgewicht dar, entzieht dem Boden einseitig Nährstoffe und ist artenarm.15 Seit einigen Jahrzehnten wird Saatgut gentechnisch so verändert, dass die Pflanzen gegen gewisse Schädlinge oder Krankheiten resistent sind, auf eigentlich ungünstigem Gelände gedeihen können oder einen höheren Nährwert besitzen. Ein grosser Teil dieses Saatguts kann nicht mehr ausgesät werden, die Landwirte sehen sich also gezwungen, jedes Jahr neues Saatgut kaufen. Dies treibt sie in die Abhängigkeit von Saatgutkonzernen.16 Die konventionelle Landwirtschaft wirft zwar mengenmässig sehr gute Erträge ab, funktioniert aber nur kurz- oder mittelfristig. Aufgrund der schleichenden Vergiftung der Umwelt wird wertvolles Land durch Chemikalien, Erosion, Überbeanspruchung etc. zerstört. Die urbane Landwirtschaft wirft zwar oft einen weniger hohen Ertrag ab, weil die zur Verfügung stehenden Flächen kleiner sind und sie weniger effiziente Produktionsmittel gebrauchen, ist aber nachhaltiger und sozialer. 3.2.4 Umwelt Urban Farming entlastet die Umwelt, da der Transportweg entfällt. Es wird dort produziert, wo die Produkte bezogen werden. Urban Farming kann also einen Beitrag zur Verkleinerung des ökologischen Fussabdruckes leisten. Urban Farming schafft neue Grünflächen in der Stadt, die ökologisch hochwertig sind. Für den Menschen werden sie zu wertvollen Frei- und Erholungsflächen, die zur Lebensqualität beitragen.

                                                                                                                         13 Judith Anger, Immo Fiebrig, Martin Schnyder (2012): Jedem sein Grün!, S. 132 14http://www.hzg.de/imperia/md/content/gkss/zentrale_einrichtungen/bibliothek/berichte/gkss_berichte_2003/gkss_2003_6.pdf, S. 10 (Stand: 23.03.2013) 15http://www.umweltdatenbank.de/lexikon/monokultur.htm (Stand: 31.03.2013) 16 http://www.zeitenschrift.com/news/sn-221105-saatgut.ihtml (Stand: 23.03.2013)

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Die Biodiversität erhöht sich, denn die Grün- und Freiflächen der Städte bieten ökologische Nischen und Lebensräume für spezialisierte Arten.17 In der Stadt ist die Temperatur oft um einige Grad höher als in der Umgebung, weil die Gebäude, Strassen und Plätze einen hohen Anteil der Sonnenstrahlen absorbieren, als Wärme speichern und wieder ausstrahlen („Heat island effect“) Da die meisten Böden versiegelt sind, kann nur wenig Wasser verdunsten und die Stadt kühlen. Bepflanzte Flächen können die Stadtluft befeuchten und zusätzlich durch Schattenwurf für Abkühlung sorgen. Das Regenwasser versickert in bepflanzten Flächen, sie entlasten so die Kanalisation und beugen Hochwasser vor. Pflanzen binden Schadstoffe, wie zum Beispiel Benzol (aus Benzin, Öl) oder CO2. Sie filtern die Luft, reichern sie mit Sauerstoff an und verbessern so die Luftqualität.18 Die Befürchtung, Stadtprodukte könnten ungesund sein, weil die Konzentration an Altöl, Schwermetallen, Feinstaub, Smog oder giftigen Kohlenwasserstoff-verbindungen höher ist, kann revidiert werden. Wo ein begründeter Verdacht auf eine Kontamination herrscht, wird gar nicht erst im Boden gegärtnert, sondern in Hochbeeten. Der Feinstaub lässt sich abwaschen und Autoabgase werden bereits auf den ersten Metern vom Strassenrand fraktioniert, die leichtflüchtigen Bestandteile steigen auf, während die schweren Teilchen von Hecken oder Bäumen weitgehend abgefangen werden.19 Studenten am Institut für Ökologie an der Technischen Universität (TU) Berlin haben Gemüse- und Obstsorten in 24 Anbauorten im Berliner Stadtgebiet auf ihre Schadstoffbelastung untersucht. Die Produkte, die dort angebaut wurden, wo viel Verkehr herrscht, waren zum Teil erheblicher mit Schwermetallen wie Blei oder Kupfer belastet als Vergleichsproben aus dem Supermarkt. Robert Shaw, Mitgründer des Prinzessinnengartens in Berlin hält die Ergebnisse für weniger dramatisch, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Der Prinzessinnengarten war zwar nicht Testobjekt der Studie, aber von früheren Messungen sind einfache Möglichkeiten, die Schwermetallbelastung auf ein akzeptables Maß zu reduzieren, bekannt: Abstand ist am wichtigsten, ein Beet sollte mindestens sieben Meter von der Strasse entfernt sein und durch Hecken oder Mauern von der Strasse geschützt werden.20  

                                                                                                                         17 http://www.urbanagriculturebasel.ch/220.php (Stand: 31.03.2013) 18 ZinCo Gründachseminar vom 4. März 2013 in Egerkingen, Referenten: Bernhard Lamprian, Wolfgang Ansel 19 http://www.evidero.de/themen/urban-gardening-was-soll-das-eigentlich (Stand: 31.03.2013) 20 http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/550604 (Stand: 31.03.2013)  

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3.3 Urban Farming im Wandel der Zeit Die Nahrungsmittelproduktion der früheren Zivilisationen musste in unmittelbarer Nähe, oder in den Städten selbst erfolgen, da die Transportmöglichkeiten viel Zeit in Anspruch nahmen und die Nahrungsmittel nur begrenzt haltbar waren.21 Es folgt eine Auswahl an Beispielen von Landwirtschaft, die in den Städten betrieben wurde: In Pompeij (eine antike Stadt in Italien, die im Jahre 79 n. Chr. untergegangen ist) besass jeder Haushalt eigene Gärten. Sie wurden zum Einen für den Nahrungsmittelanbau, zur Selbstversorgung mit Obst und Gemüse, aber auch als Erholungsorte für die Familie genutzt. Auch grössere innerstädtische Anbauflächen wurden nachgewiesen.22 Im Mittelalter bewirtschafteten Stadtbauern, sogenannte Ackerbürger, innerhalb der Stadtmauern angelegte Gärten und hielten Tiere.23 Die peruanische Ruinenstadt der Inkas, Machu Picchu (im 15. Jahrhundert erbaut), ist bekannt für ihre Terrassenanlagen. Diese umfassen ca. 5 Hektare in der unmittelbaren Umgebung der Stadt und dienten den Stadtbewohnern zum Nutzpflanzenanbau.24

Anfang 19. Jahrhundert entstanden auf Initiative von Fabrikbesitzern und Stadtverwaltungen die ersten Armengärten in europäischen Städten. Sie hatten zum Ziel den Hunger und die Armut der Stadtbevölkerung, die mit der Industrialisierung aufkamen, zu lindern.25 Die etwas später entstandenen Schrebergärten waren anfänglich dazu gedacht von Kindern bewirtschaftet zu werden. Die verwahrlosten Gärten wurden dann aber bald von den Eltern übernommen und umzäunt.26

                                                                                                                         21 http://sidewalksprouts.wordpress.com/history/international-history-of-urban-ag/ (Stand: 11.12.2012) 22 http://www.antikefan.de/staetten/italien/pompeji/pompeji.html (Stand: 11.12.2012) 23 www.milhahnspurensuche.de/berufeackerbuerger.html (Stand: 11.12.2012) 24 Berthold, Riese (2004): Machu Picchu, die geheimnisvolle Stadt der Inka, S. 75 25 http://www.gartenfreunde-klein-stroebitz.de/index.php/historisches/historie-der-kleingaerten (Stand: 11.12.2012) 26 http://www.bunkahle.com/Aktuelles/Gesundheit/Schreberverein_Schrebergaerten.html (Stand: 11.12.2012)  

Abb. 2: Erste Schrebergartenanlage der Welt, 1870 in Leipzig Abb. 1: Terrassenanlagen von Machu Picchu

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Die sogenannten „War gardens“ oder „victory gardens“, in den USA, Grossbritannien und Kanada, spielten eine wichtige Rolle während des ersten und zweiten Weltkrieges. Privatgrundstücke, sowie öffentliche Flächen wurden bepflanzt, um die Versorgung mit Lebensmitteln zu garantieren. Angetrieben durch die körperliche Arbeit, verschafften diese Gärten der Bevölkerung an der Heimatfront neues Selbstbewusstsein und machten das Gärtnern bei einer breiten Bevölkerungsschicht beliebt.27 Auch in der Schweiz wurden öffentliche Flächen landwirtschaftlich genutzt (Anbauschlacht).  

Nach der Auflösung der Sowjet Union im Jahre 1990, brachen der Import und Export von Kuba ein. Ohne Zugang zu Öl, Traktoren, Pestiziden und Düngemitteln sah sich der Staat gezwungen biologische Landwirtschaft einzuführen um die Bevölkerung zu ernähren. Es wird geschätzt, dass heute über 40 % der Haushalte in Havanna Urban Farming betreiben und so zur Nahrungsmittelsouveränität Kubas beitragen.28 Diese Projekte in Kuba, aber auch Projekte in amerikanischen Grossstädten wie Detroit oder New York dienen als Vorbilder für europäische Städte. Der Gründer des weltweit bekannten Prinzessinnengartens in Berlin liess sich von Kubas Hauptstadt inspirieren.29

                                                                                                                         27 http://sidewalksprouts.wordpress.com/history/wwii/ (Stand: 11.12.2012) 28 http://www.climate.org/topics/international-action/urban-agriculture/havana.htm (Stand: 11.12.2012) 29 http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2012/acker-100.html (Stand: 11.12.2012)

Abb. 4: Werbung für „Victory Garden“, 1943 Abb. 3: Anbauschlacht "Plan Wahlen": Kornfeld auf der Sechseläutenwiese in Zürich, Juli 1944

Abb. 6: Urban Farming in Havanna (Kuba) diente als Vorbild für den Prinzessinnengarten

Abb. 5: Prinzessinnengarten, September 2010

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3.4 Blick auf Schweizer Städte Die Landwirtschaft in Form von Privat- oder Schrebergärten ist in Schweizer Städten nichts Neues. Doch Urban Farming, wie es in Städten wie New York oder Berlin praktiziert wird, nimmt ganz andere Dimensionen an. Diese Bewegung ist in den letzten Jahren auch in der Schweiz angekommen und ist als Trendthema momentan von hoher Aktualität in den Medien. Dr. Joëlle Salomon Cavin, Dozentin für urbane Geographie und Raumplanung an der Universität Lausanne, geht von zwei Phänomenen aus, welche die Entwicklung der urbanen Landwirtschaft in der Schweiz prägen dürften.

1. Urbanisierung der Landwirtschaft

Dr. Cavin beschreibt die Urbanisierung als den augenfälligsten, aber auch älteren der beiden Prozesse. Es handelt sich dabei um eine (konventionelle) Landwirtschaft, die unter den Druck der Urbanisierung gerät. Dies geschieht zum einen durch die Zunahme der Stadtflucht: Die Stadtbewohner wollen sich auf dem Land niederlassen, und bebauen Grundstücke, die wiederum für die landwirtschaftliche Nutzung verloren gehen. Dr. Cavin konstatiert weiter, dass diese Stadtbewohner gleichzeitig an regional hergestellten Produkten interessiert sind. Die Urbanisierung der Landwirtschaft ist aber auch die Folge der steigenden Nachfrage nach Freizeitflächen (z. B. Golf- oder Reitplatz) und Erholungsräumen (z. B. Parks wie die Grün 80 in Münchenstein).

2. Agrarisierung der Stadt Der entgegengesetzte Prozess, die Agrarisierung der Stadt, ist ein neues Phänomen, das sich derzeit noch weniger stark äussert, aber an Bedeutung zunimmt. Bei der Agrarisierung der Stadt steht die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des städtischen Bodens im Vordergrund. Die Stadt wird zum landwirtschaftlichen Experimentierfeld. Im Gegensatz zum ersten Prozess, der ausschliesslich Landwirte betrifft, kann sich die Agrarisierung der Stadt auf alle Stadtbewohner auswirken. Der Prozess wird zum einen durch die Stadtbürger vorangetrieben, aber auch durch Architekten oder Stadtplaner. Das Ziel ist einen Zugang zur Natur und zu seinen Mitmenschen zu finden und sich die Nahrungsmittelproduktion wieder anzueignen. Mit der Agglomerationskarte vom Agglomerationsprogramm (siehe nächste Seite) hat Dr. Cavin ihre Theorien visualisiert. Ihrer Meinung nach findet ein grosser Teil der landwirtschaftlichen Aktivitäten in den am stärksten urbanisierten Gebieten der Schweiz statt (Agglomerationen). Die landwirtschaftlich genutzten Flächen befinden sich in der Nähe der Städte. Man könnte also mit Hilfe dieser Karte feststellen wo Urban Farming in der Schweiz praktiziert wird, und wo nicht.30

                                                                                                                         30 Workshop « Agriculture Urbaine en Suisse », 27. Oktober 2012 in Bern, Referentin: Dr. Joëlle Salomon Cavin

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Auf dieser Karte sind die Agglomerationen der Schweiz blau markiert hervorgehoben. Mein Wohnort, Arisdorf, befindet sich in der Agglomeration von Basel. Die landwirtschaftlichen Aktivitäten in Arisdorf können also nach Dr. Cavin als Urban Farming bezeichnet werden. Obwohl Dr. Cavins Argumente in der Theorie Sinn haben (die Definition von Urban Farming der FAO legt fest, dass auch die periurbane Landwirtschaft zu Urban Farming gehört), empfinde ich diese Klassifikation auf den ersten Bilck als sonderbar. Wenn ich an basellandschaftliche Agglomerationsdörfer wie Arisdorf, Hersberg oder Reigoldswil denke, wecken sich mir kaum Assoziationen an Urban Farming.

Dr. Cavins Vision der urbanen Landwirtschaft ist zwar interessant, doch für den Rahmen meiner Maturarbeit zu umfangreich. Ich habe beschlossen mich für die folgenden Kapitel meiner Arbeit auf den neueren der beiden Prozesse, die Agrarisierung der Stadt, zu beschränken. Mich interessieren die landwirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der Städte oder direkt am Stadtrand am meisten, denn der Kontrast zwischen Stadt und Land, den ich besonders bemerkenswert finde, kommt am stärksten zur Geltung. Da viele der Projektbeispiele, die in den nächsten Kapitel folgen, vom Urban AgriCulture Netz Basel initiiert wurden, stelle ich den Verein auf der nächsten Seite kurz vor.

Abb. 7: Karte Agglomerationsprogramm vom Bundesamt für Raumentwicklung, ARE

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Urban AgriCulture Netz Basel (UANB) Der gemeinnützige Verein UANB fördert „die Erzeugung von Lebensmitteln, Kräutern, Blumen, Nutz- und Medizinalpflanzen durch die in der Stadt Basel und der Agglomeration lebenden Menschen.“ Der Verein strebt eine lokale, soziale und ökologische Nachhaltigkeit an, damit die Natur und Biodiversität erhalten bleiben. Deshalb erwartet er von seinen Mitgliedern, dass sie sich bei der Erzeugung von Lebensmitteln an den Richtlinien von BioSuisse orientieren.31 Isidor Wallimann, pensionierter Professor für Ökonomie und Soziologie, gab Anfang 2010 den Anstoss für den Verein. 32 3.4.1 Formen In diesem Kapitel erläutere ich, welche Formen Urban Farming in der Schweiz annehmen kann. Die zahlreichen Projekte, die bereits entstanden sind, lassen sich in Gruppen einteilen, deren Trägerschaft sich in ihrer Motivation und Organisation deutlich voneinander unterscheidet. Bei einigen sind die Übergänge fliessend, so kann ein Projekt in verschiedene Unterkategorien eingeteilt werden. Auch ist nicht immer klar, zu welcher Form ein Projekt gehört, da jedes Projekt seine eigenen Besonderheiten aufweist.33 Die Formen lassen sich mit Hilfe der nachstehenden Grafik schematisieren:

Private Formen decken in erster Linie den Eigenbedarf und sind auf privaten Grundstücken zu finden. Öffentliche Formen werden in einer Gruppe bewirtschaftet und sind Treffpunkt und Freiraum für eine breite Öffentlichkeit. Sie entstehen auf erworbenen Grundstücken, auf öffentlichen Flächen (Grünflächen wie Parks, Rasenflächen, entlang Eisenbahnschienen, Strassen etc.) oder im semi-öffentlichen Raum (z. B. Spitäler oder Schulen). Bei kommerziellen Formen steht der wirtschaftliche Profit im Mittelpunkt. Sie sind auf erworbenen Grundstücken zu finden (z.B. Hausdächer).34

                                                                                                                         31 http://www.urbanagriculturebasel.ch/220.php (Stand: 23.03.2013) 32 http://www.woz.ch/1243/danach-konferenz/neue-gaerten-und-ein-nuetzlicher-marxist (Stand: 23.03.2013) 33 Rasper, Martin (2012): Vom Gärtnern in der Stadt, S. 24 bis 25 34 http://www.ruaf.org/node/512 (Stand: 15.02.2013)

Abb. 8: Logo UANB

Urban Farming

Kommerziell Öffentlich Privat

Abb. 9: Einteilung der UF Formen (eigene Einteilung und Grafik)

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3.4.1.1 Gartenformen Gemeinschaftsgarten (öffentlich) Der Gemeinschaftsgarten ist ein Oberbegriff für Gartenformen, die durch freiwilliges Engagement entstehen und von einer Gruppe von Menschen genutzt und bewirtschaftet werden. Die dafür in Frage kommenden Flächen, sind meistens öffentliche Flächen, z. B. Brachflächen, oder Privatgelände. Viele Gemeinschaftsgärten werden von gemeinschaftlichen Organisationen, Vereinen oder Privaten verwaltet. Ob die geernteten Nahrungsmittel für den Eigenbedarf reserviert sind oder an Lebensmittelketten, Gastronomiebetriebe oder Privatpersonen weiterverkauft werden, ist von Garten zu Garten unterschiedlich. Sie sind meist öffentlich zugänglich und fungieren als kultureller Treffpunkt für Anwohner und Interessierte. Unterformen der Gemeinschaftsgärten sind die Nachbarschafts und Quartiergärten.35

Ein konkreteres Beispiel für einen Gemeinschaftsgarten findet sich im Kapitel vier. Pädagogischer Garten (öffentlich) Der pädagogische Garten, auch Lern- oder Schaugarten genannt, ist eine weitere gemeinschaftliche Gartenform, die darauf abzielt, gärtnerisches und pädagogisches Fachwissen in Praxis und Theorie zu vermitteln.36 Deshalb sind diese Gärten oft auf dem Gelände von Kindergärten, Schulen oder Universitäten zu finden.37

Schrebergarten (öffentlich/privat) Schrebergärten sind in Pacht oder Miete abgegebene Grundstücke, die sich meistens am Rand einer Stadt befinden. Die angebotenen Parzellen, bestehend aus einem Stück Land und einer Laube (= Gartenhäuschen), befinden sich innerhalb einer Gartenkolonie. Sie sind aber durch Hecken oder Zäune voneinander abgetrennt und werden im Gegensatz zu Gemeinschaftsgärten im privaten Rahmen bewirtschaftet.38 Die Beliebtheit der Schrebergärten in Schweizer Städten ist vor allem bei der ausländischen, sowie der jüngeren Wohnbevölkerung stark angestiegen.39                                                                                                                          35 http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/rosol-marit-2006-02-14/HTML/chapter2.html#N10326 (Stand: 12.12.2012) 36 http://gartenpark.goetheanum.org/uploads/media/Gartenbau_01.pdf (Stand: 12.12.2012) 37 Rasper, Martin (2012): Vom Gärtnern in der Stadt, S. 24 38 http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16602.php (Stand: 12.12.2012) 39 Stil-Tipp vom Dienstag, 12.06.2012, 14.20 Uhr, SRF 3  

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Interkultureller Garten (öffentlich) Die interkulturellen Gärten sind themenbezogene Gemeinschaftsgärten. Der erste entstand 1996 in Göttingen, Deutschland, auf Initiative bosnischer Flüchtlinge.40 Diese Gärten dienen der Integration und dem Abbau von Vorurteilen durch den Kontakt zwischen Menschen verschiedenster Kulturen. In der Schweiz haben sich seit kurzer Zeit Bestrebungen zum Aufbau interkultureller Gartenprojekte entwickelt. In den letzten Jahren sind mehrere derartige Gartenprojekte entstanden, unter anderem zwei Projekte in Basel und drei in Bern.41

Beispiel: HEKS Neue Gärten Das HEKS (= Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz) pachtet seit 2005 an Standorten in verschiedenen Kantonen Gärten um sie zusammen mit Flüchtlingen und Migranten zu bewirtschaften. Die Gärten sind sozialer Treffpunkt und Arbeitsort zugleich. Die Teilnehmenden können ihre Sprachkenntnisse verbessern und werden von den Projektmitarbeitenden über Rechts-, Integrations- und Gesundheitsangebote informiert.42 Familiengarten (privat) Der klassische Familiengarten, auch Hausgarten genannt, ist das beste Beispiel um aufzuzeigen, dass Urban Farming im Grunde in unseren Städten nichts Neues ist. Dennoch bestehe auch bei den Familiengärten viel Potenzial, wie an der Podiums-diskussion über urbane Landwirtschaft in Basel diskutiert wurde. Laut Fachleuten aus Stadtentwicklung, Biolandbau, Stadtgärtnerei und Basler Mission herrsche bei zahlreichen Vor- und Liegenschaftsgärten Ratlosigkeit und Raseneinöde vor. Umstrukturierungen und Zusammenschlüsse von Gärten kamen als mögliche Lösungsvorschläge auf um ein nachhaltigeres und grüneres Basel zu gestalten.43

Der Platz in den Städten ist rar, nicht alle Stadtbewohner besitzen einen eigenen Garten. Das Projekt „BalkonGarten“ des UANB besteht aus einer Fachgruppe für Balkon- und Terrassengestaltung. Sie bieten Planungshilfe an um auch aus den kleinsten Flächen viel herausholen zu können.44

                                                                                                                         40 http://speiseraeume.de/faq-gemeinschaftsgaerten/ (Stand: 12.02.2012) 41 http://www.interkulturelle-gaerten.ch/index.php?option=com_content&view= category&layout=blog&id=41&Itemid=65&lang=de (Stand: 12.12.2012) 42 http://www.heks.ch/schweiz/neue-gaerten-in-der-schweiz/ (Stand: 12.12.2012) 43 Podiumsdiskussion „UA - Rückeroberung der Stadt durch die Landwirtschaft?“, 2. November 2012 in Basel 44 http://www.urbanagriculturebasel.ch/300-project.php?pid=14 (Stand: 23.03.2013)  

Abb. 10: Balkon an der Eisengasse in Basel

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Mobiler Garten (öffentlich/privat) Aufgrund der Bodenbelastung mit Schwermetallen, aber auch weil Grundstücke oftmals nur vorübergehend genutzt werden, bis etwas Neues gebaut wird, werden Pflanzen in Hochbeeten, Kisten, Säcken, Schuhen usw. gepflanzt. Sie sind also „mobil“, das heisst, man kann sie ohne grossen Aufwand deplatzieren. So ist es möglich nach der Zwischennutzung umzuziehen ohne die Pflanzen zu schädigen. Gleichzeitig erleichtern die Hochbeete oder Kisten das Arbeiten, da sich die Stadtgärtner nicht mehr bücken müssen.45

Beispiel: (K)einkaufswagen Dieses Projekt entstand als Masterthesis am Masterstudio Hochschule für Gestaltung und Kunst an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Initiiert und geleitet wurde es von Tilla Künzli. Während drei öffentlichen Pflanzaktionen im Mai 2011 gestalteten ca. 200 Freiwillige 160 ausrangierte Einkaufswagen zu mobilen Gemüsegärten um. Der anschliessende Stadtumzug mit den Keinkaufswagen sollte die Öffentlichkeit für das Projekt sensibilisieren. Ziel war es, die Möglichkeit einer essbaren Stadt zu thematisieren. Die Keinkaufswagen sollten als kleine mobile Elemente dazu anspornen, aktiv an der Lebensmittherstellung teilzunehmen und die Zusammen-hänge zwischen Anbau und Genuss mitzuerleben. Die Pflanzensetzlinge stammten aus einer Gärtnerei in der Region, die ausrangierten Einkaufswagen vom Migros Paradies in Allschwil und die Erde von der Stadtgärtnerei Basel.46

                                                                                                                         45 Rasper, Martin (2012): Vom Gärtnern in der Stadt, S. 25 46 http://keinkaufswagen.ch/?page_id=30 (Stand: 12.12.2012)

Abb. 11 und 12: Logo (oben) und Keinkaufswägen in Basel

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3.4.1.2 Sonstige Urban Farming Formen Tierhaltung (öffentlich/kommerziell/privat) Bei Urban Farming handelt es sich nicht nur um den Anbau von Zier- und Nutzpflanzen, auch das Züchten verschiedenster Tiere ist ein wichtiger Aspekt. Bei Schweizer Städtern ist vor allem die Bienen- und Kleintierhaltung beliebt (z. B. Hühner, Hasen). Diese Tiere beanspruchen wenig Platz und können im Hof, auf dem Dach oder sogar in der Wohnung oder im Haus gehalten werden können. Welche Nutztiere gehalten werden, hängt neben den lokalen Standortbedingungen auch von den individuellen Präferenzen ab. Die Tierhaltung wird oft mit Gartenformen verbunden. So besitzen beispielsweise viele Gemeinschaftsgärten eine oder mehrere Bienenkisten.47 Ein Projekt der urbanen Tierhaltung folgt im Kapitel fünf.

High-Tech Landwirtschaft (kommerziell) Die Landwirtschaft in Städten zeichnet sich nicht nur durch den gemeinschaftlichen Gedanken aus, der zum Beispiel in Gemeinschaftsgärten oder Interkulturellen Gärten im Mittelpunkt steht. Bei der High-Tech Landwirtschaft steht auch der wirtschaftliche Profit, die Innovation und Nutzung modernster Technologien im Vordergrund. Die Projekte reichen von intensiven Dachbegrünungen, bis hin zu sogenannten „vertical farms“: Bauernhöfe in Form von Hochhäusern. Letztgenanntes gibt es bereits in kleinerem Ausmass in Städten wie Chicago oder Vancouver. Es handelt sich aber vor allem um Pläne und Visionen, wie man beispielsweise die Ernährung der steigenden Weltbevölkerung gewährleisten oder Ressourcen besser schonen könnte.48 Im Kapitel sechs werde ich ein Schweizer Projekt der High-Tech Landwirtschaft und dessen Technologie genauer erklären.                                                                                                                          47 Interview Stadtimker im Anhang 48 http://www.verticalfarm.com/ (Stand: 23.03.2013)  

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Guerilla Gardening (öffentlich) Das Wort “Guerilla” stammt aus dem Spanischen, bedeutet Kleinkrieg und geht auf die militärischen Aktionen Spaniens gegen Napoleon Bonaparte zurück. Die bekanntesten Guerilleros (=Guerilla-Streitkräfte) waren aber Mao Zedong in China und Che Guevara in Lateinamerika. Bei ihren Guerillakriegen standen der Zugang zu Ressourcen, zu Grund und Boden, sowie die einzufahrenden Ernten im Mittelpunkt. Wie die Guerilleros, handeln die heutigen Guerilla Gärtner selbstmotiviert und eigenverantwortlich und gehen mit der gleichen Taktik vor: „Hit and run (zuschlagen und wegrennen)“.49 Im Gegensatz zu ihren „Vorgängern“ äussern sie ihren Protest aber durch die Begrünung brachliegender städtischer

Flächen. Sie vermeiden die offene Konfrontation und bepflanzen öffentliche Orte heimlich im Schutz der Dunkelheit. Dies verschafft einerseits einen gewünschten Überraschungseffekt, dient aber auch zum Selbstschutz der Gärtner, da Guerilla Gardening nicht immer ganz legal stattfindet (Sachbeschädigung). Weitere Motive sind:

• Zeichen setzen zur Stärkung der Eigenverantwortung für die Gestaltung des

öffentlichen Raumes • Möglichkeiten urbaner Selbstversorgung aufzeigen • Ein Gemeinschaftsgefühl in der Nachbarschaft entwickeln • Protest gegen den Zerfall und die Verwahrlosung von Quartieren ausdrücken50  

   

                                                                                                                         49 Judith Anger, Immo Fiebrig, Martin Schnyder (2012): Jedem sein Grün!, S. 45 50 Ausgabe Januar Heft 1 / 2012: Stadtperspektiven - Die Wahrnehmung des urbanen Raums

Abb. 13: Malven in Zürich, legal angepflanzt von Maurice Maggi

Abb. 14: Guerilla – Aktion in Basel

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DREI FALLBEISPIELE

4. Gemeinschaftsgarten Landhof 4.1 Projektbericht Bei diesem Projekt handelt es sich um einen Gemeinschaftsgarten (auch Quartier- oder Nachbarschaftsgarten) in Basel. Da ganzjährig Workshops und Kurse abgehalten werden, könnte man diesen Garten auch als Pädagogischen Garten bezeichnen.

Das gesamte Landhof Gelände besteht aus einer polysportiven Rasenfläche mit einer Tribüne (C und A), Begegnungszonen (B), Grün- und Naturzonen (D), dem Gemeinschaftsgarten (oberes E) und Parkplätzen für die Anwohner (unteres E).51 Entstehung Das Landhof Areal war zwischen 1893 und den 1960er Jahren das „Heimstadion“ des FC Basel.52 Seit der Eröffnung des St. Jakob Park und des Wegzugs vom Landhof, wurde das Areal zum grössten Teil von den Anwohnern genutzt. Im Jahr 2003 wurde ein Ideenwettbewerb für die Neugestaltung des Landhof-Areals gestartet. Das Siegerprojekt sah eine Teilüberbauung mit vier Gebäuden und um die 120 Wohnungen vor. Darauf lancierte ein Komitee bestehend aus Quartier-bewohnern, Fussballfans, dem WWF Region Basel und Vertretern der Grünen Partei eine Volksinitiative in der sie eine Umzonung des Areals in eine Grünzone verlangten, um eine Überbauung zu verhindern. Kantonsparlament und Regierung legten einen Gegenvorschlag vor, in dem auf eines der vier Gebäude verzichtet werden und nur 80 Wohnungen gebaut werden sollten.

                                                                                                                         51 http://www.landhof.ch/cms/front_content.php?idcat=87 (Stand: 07.03.2013) 52 http://www.fcb.ch/news/show/byItemID//10044/28052 (Stand: 26.03.2013)

Abb. 15: Landhof Areal Abb. 16: Lageplan Landhof

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Die Abstimmung für die Initiative „Der Landhof bleibt grün“ fand am 7. März 2010 statt und wurde mit 29`596 Stimmen, 60.28%, angenommen. Zu den Befürwortern des Bauprojekts gehörten die Grünliberalen, SP, FDP und Vertreter von Wohngenossenschaften. Zu den Gegnern gehörten neben den Initianten auch die CVP, SVP, EVP und BastA!53 Der Teil des Areals auf dem heute der Gemeinschaftsgarten steht wurde als Parkplatz genutzt. Da dies aber mit der angenommenen Initiative nicht mehr gestattet war, musste die Fläche umgestaltet werden. Die Stadtgärtnerei Basel fragte Organisationen wie den WWF, Ökostadt Basel und das Urban Agriculture Netz Basel an, ob sie beim Aufbau eines Gemeinschaftsgartens, nach Vorbild des Prinzes-sinnengartens in Berlin, mithelfen würden. Die Stadtgärtnerei lieferte dazu den Anstoss und liess im Frühling 2011 den Teer, sowie Kassenhäuschen und WC (von früher, als der Landhof noch ein Fussballstadion war), abreissen und stellten Erde bereit. Schliesslich übernahmen Bastiaan Frich und Dominique Oser vom UANB die weitere Organisation und Verantwortung für das Projekt. Am 9. Mai 2011 begann die erste Pflanzaktion. Die Stadtgärtnerei lieferte dazu das benötigte Material und die Pflanzen. Anfangs wurde angekündigt, der Garten würde nur für zwei Jahre zur Zwischen-nutzung dienen, bis zum Abbruch Ende 2013. Der heutige Stand der Dinge ist unklar. Laut Dominique Oser komme es darauf an, wie sich das ganze Areal entwickelt.

                                                                                                                         53 http://de.wikipedia.org/wiki/Landhof (Stand: 26.03.2013)  

Abb. 17: Vor dem Abriss der Häuser, Ende April 2011 Abb. 18: Nach sieben Wochen, 21. Juni 2011

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Allgemeine Fakten Die Verantwortlichen des Gemeinschaftsgarten sind Bastiaan Frich (Permakultur-Designer und Biologe in Ausbildung, im Vorstand vom UANB), Dominique Oser (Fachfrau für biodynamische Landwirtschaft) und seit dem Sommer 2011 auch Tilla Künzli (kreative Fachkraft und Umweltbildnerin, Initiantin des Projekts Keinkaufs-wägen). Zu den Verantwortlichen zählt zudem eine etwa 15-köpfige Kerngruppe die mitentscheidet, organisiert und gärtnert.54 Der Eingang zum Gemeinschaftsgarten befindet sich zwischen der Riehenstrasse 90 und 110 im Quartier Wettstein. Mehr Informationen zum Standort siehe zweite Abbildung, Lageplan Landhof auf Seite 21. Der Gemeinschaftsgarten alleine ist knapp 1000 m2 gross. Das Grundstück mit dem Vorplatz und der Garage, die ihnen als Aufenthaltsraum, Bibliothek und Küche dient, ist um die 100m2 gross. Der Eintritt in den Gemeinschaftsgarten Landhof ist kostenlos. Der Garten ist frei zugänglich und kann jederzeit selbst erkundet werden. Auf dem Platz vor dem Garten stehen zahlreiche Informationstafeln die über den Verein UANB, die Entstehungsgeschichte des Gartens oder die angewendeten Anbaumethoden informieren. Zudem sind die verschiedenen Pflanzensorten angeschrieben und zum Teil auch mit Hintergrundinformationen versehen. Seit Lancierung des Gartens wird jeden Mittwoch und Samstag zwischen 14 und 17 Uhr gemeinsames Gärtnern mit fachmännischer Betreuung angeboten.

Auf der öffentlichen Facebook Seite des Gemeinschaftsgartens informiert Dominique Oser über die anstehenden Arbeiten. Zudem ist auf einem Plan (siehe Bild) aufgeführt, was zu erledigen ist. Wer das Projekt finanziell unterstützen möchte, kann einen freiwilligen Betrag in die Projektkasse geben. Viele die nur ernten kommen, machen von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Der Gemeinschaftsgarten ist nicht nur ein Treffpunkt um gemeinsam zu Gärtnern. Es werden weitere Aktivitäten angeboten, die genauso wichtig sind: Jährlich werden zwei bis drei Feste organisiert (z. B. Erntedankfest oder Frühlingsfest), ab und zu wird nach dem Gärtnern gemeinsam gekocht oder spontane Pizzaabende werden abgehalten. Im Sommer wird einmal in der Woche musiziert und gesungen (an ihrem „offenen Singen“ singen sie Lieder aus aller Welt).

                                                                                                                         54 Interview Stadtgärtnerin im Anhang

Abb. 19: Gartenplan mit Aufgabenaufteilung

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Es werden auch Workshops und Kurse im Bereich Lehmofenbau, Kräuterspiralenbau oder Wassermanagement angeboten.55 Der grösste Teil des Saatguts der mehr als 200 verschiedenen Pflanzensorten stammt von Pro Specie Rara. Viele der Sorten sind heute kaum noch bekannt oder sehr alt. Neben allen möglichen Gemüsesorten (verschiedene Bohnenarten wie die Grossbohne oder rote Bohne, Grün im Schnee, Kartoffeln, Mangold, Zucchini, Knollenziest etc.) pflanzen sie auch Beeren (Himbeere, Gojibeere, Jostabeere etc.), verschiedenste Kräutersorten (Thymian, Griechischer Bergtee, Minzen etc.) und Zierpflanzen (Sonnenblumen, Astern, Wildblume etc.) an. Aus ihren Kräutern und Zierpflanzen stellen sie Erkältungstee, Räuchermischungen und Blütensalze her.  

Im Garten sind mehrere Permakultur Elemente vorhanden. Permakultur ist, kurz gesagt, die Schaffung von Ökosystemen, die der Natur nachempfunden sind. Mit Ressourcen, wie Boden und Wasser wird sparsam umgegangen, damit sie für weitere Generationen verfügbar sind. Bei der Kräuterspirale (siehe Bild rechts) werden Kräuter, die ein warmes und trockenes Klima bevorzugen auf die Spitze gepflanzt, andere, die Feuchtigkeit bevorzugen, ganz zuunterst. Auf kleinstem Raum schaffen die Stadtgärtner auf diese Weise kleine Ökosysteme, die auf die Bedingungen der Pflanzen abgestimmt sind.

Der Garten wird vor allem durch Spenden aus der Bevölkerung oder von Stiftungen und durch die freiwilligen Beiträge in die Projektkasse finanziert.

Der Gemeinschaftsgarten Landhof stösst auf weltweites Interesse. Aus der ganzen Welt kommen Menschen, die sich für urbane Landwirtschaft interessieren oder ein eigenes Projekt auf die Beine stellen wollen, nach Basel um den Gemeinschafts-garten zu besuchen. Dominique Oser geht davon aus, dass seit dem Beginn des Projekts weit mehr als 1000 Personen den Garten bereits besichtigt haben.56

                                                                                                                         55 Interview Stadtgärtnerin im Anhang, sowie eigene Beobachtungen beim Besuch des Gemeinschaftsgartens am 30. März 2013 56 Interview Stadtgärtnerin im Anhang, sowie eigene Beobachtung beim Besuch des Gemeinschaftsgartens am 30. März 2013  

Abb. 20: Ernte vom 29. August 2012 Abb. 21: Permakultur Element: Kräuterspirale

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4.1 Hypothesen Bei diesem Projekt fand ich die Vorgehensweise mit einem Fragebogen am günstigsten. Die Fragen im Fragebogen habe ich auf meine Hypothesen abgestimmt um eine möglichst genaue Überprüfung meiner Hypothesen durchführen zu können.

1. Junge Erwachsene

Ich kann mir vorstellen, dass viele junge Erwachsene zwischen ca. 18 und 30 Jahren im Landhofgarten aktiv sind. Möglicherweise studieren oder besuchen sie eine weiterführende Schule und sind noch nicht durch Familie und/oder Beruf ausgelastet. Weil im Allgemeinen im Zusammenhang mit Urban Farming in Europa oder Nordamerika oft von jungen Akteuren gesprochen wird denke ich, dass dies auch auf den Basler Garten zutreffen wird.

2. Personen mit einem hohen Bildungsstand, Universitätsniveau

Ich denke, dass sich Personen mit einem hohen Bildungsstand stärker mit Umweltthemen auseinandersetzen, da sie beispielsweise Hintergründe aus Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft mitbringen. Zudem ist es möglich, dass sich Menschen mit einem höheren Bildungsstand bewusster und gesünder ernähren wollen.

3. Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen im Garten aktiv sind

Für viele Personen wird Gesundheit sicher eine grosse Rolle spielen. Sie wünschen sich frische Lebensmittel, die nicht durch Pestizide verunreinigt sind. Zusätzlich machen sie durch die Arbeit im Garten etwas für ihre Fitness und ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden.

4. Menschen, die aus sozialen Gründen im Garten aktiv sind

Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen, die gerne neue Kontakte knüpfen und etwas zur Gemeinschaft beitragen in diesem Garten anzutreffen sind. Möglicher-weise arbeiten sie auch im Bereich Soziales.

5. Familie mit kleinen Kinder, familiäre Aktivität

Einige Stadtkinder wachsen ohne viel Grün und Bezug zur Natur auf. Um ihren Kindern die Natur näher zu bringen, ihnen etwas über Lebensmittel beizubringen und um in der Familie etwas zu unternehmen ist ein Gemeinschaftsgarten in der Stadt ideal.

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6. Menschen ohne eigenen Garten

In der Stadt fehlt oft der Platz für einen eigenen Garten. Weil ich auch erwarte, dass die Zielgruppe aus jungen Menschen besteht, denke ich, dass sie in Wohnblocks ohne Zugang zu einem eigenen Garten wohnen. Ihnen fehlt der Bezug zur Natur und sie wollen ihn durch den Gemeinschaftsgarten wieder finden.

7. Menschen, die sich politisch links orientieren

Menschen, die sich mit der Linke identifizieren, sind meiner Meinung nach interessierter daran zu wissen, unter welchen Bedingungen und wo ihre Lebensmittel hergestellt wurden, denn sie stehen der konventionellen Landwirtschaft mit ihren intensiven Produktionsmethoden kritisch gegenüber. Sie wollen also alternative Projekte unterstützen, die zum Wohl der Gemeinschaft und der Umwelt beitragen und die nicht profitorientiert sind.

8. Nachhaltigkeit und Umwelt sind für sie wichtige Themen

Gerade weil ich denke, dass es sich um Stadtbewohner handelt, wird ein wichtiger Motivationsgrund sein, wieder einen Zugang zur Natur zu finden. Sie unterstützen also ein Projekt das die Natur in die Stadt integriert und ökologisch nachhaltig ist. Möglicherweise arbeiten sie auch im Bereich Umwelt.

9. Menschen aus dem Quartier oder aus der Stadt

Meiner Meinung nach sind vor allem Städter aus dem Quartier und der nahen Nachbarschaft im Gemeinschaftsgarten eingebunden. Ihre Wohnlage erlaubt es ihnen nicht, einen eigenen Garten anzulegen, sie sind schnell vor Ort und kennen möglicherweise schon andere Aktive.  

 

 

 

 

 

 

 

 

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4.3 Beobachtung der Resultate Folgende Beobachtungen basieren auf den Informationen, die ich von 15 Stadt-gärtnern erhalten habe. Es handelt sich um eine Zusammenfassung aller Resultate, die ich aus der Auswertung der Fragebögen zusammengetragen habe. Der Anteil der 16 bis 30 jährigen beträgt 67 %. Zehn von 15 Stadtgärtnern sind unter 30 Jahre alt. Fünf Personen sind über 31 Jahre alt. Die ältesten Personen sind beide 45 Jahre alt, die jüngste Person ist 20 Jahre alt. Niemand ist älter als 51 Jahre. Zwischen den Geschlechtern ist kaum ein Unterschied erkennbar. Acht von 15 Stadtgärtnern sind weiblich, sieben sind männlich.

Mit sechs von 15 Personen hat der grösste Teil eine Universität oder Fachhoch-schule besucht. Fünf Personen haben eine weiterführende Schule besucht (Gymnasium) und studieren momentan. Zwei Personen haben als Letztes eine Sekundarschule besucht, eine davon besucht jetzt ein Gymnasium. Zwei Personen haben eine Kombination aus verschiedenen Abschlüssen. Nur zwei Berufslehren wurden absolviert.

67%

33%

0%

Alter

16-30 31-50 51+

47%

53%

Geschlecht

Männlich Weiblich

0  

1  

2  

3  

4  

5  

6  

7  

Universität/FHS Weiterführende Schule Sekundarschule Berufslehre Anderes

Abschluss

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Auch was die Beschäftigung anbelangt liegt bei den meisten eine Kombination aus verschiedenen Beschäftigungsarten vor. Zehn von 15 Stadtgärtnern arbeiten Teilzeit, nur jemand arbeitet Vollzeit. Sieben Personen studieren und eine besucht ein Gymnasium. Zwei Personen haben eine andere Beschäftigung (Hausmann und Vater, sowie Hausfrau und Mutter). Niemand ist in Rente.

Acht Personen, 42 %, studieren oder gehen zur Schule. Ansonsten sind Umwelt, 23% (drei Personen), Soziales, 15 % (zwei Personen) und Kultur, 15 % (zwei Personen), die Berufsfelder, welche am stärksten vertreten sind. Je eine Person ist in den Bereichen Handel und Landwirtschaft angestellt. Eine Person arbeitet nicht (Hausfrau und Mutter). Auch hier lagen Kombinationen vor, z. B. Teilzeitarbeit neben Studium. Zwei Personen arbeiten in anderen Bereichen, die schwierig einzugliedern waren (Velokurier und Nachhilfe), siehe Sonstiges.

0  

2  

4  

6  

8  

10  

12  

Beschäftigung

Berufsfeld

Soziales Umwelt

Schule/Universität Kultur

Handel Landwirtschaft

Arbeitslos Sonstiges

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Bei dieser Frage waren mehrere Antworten möglich. Der Motivationsgrund „Umwelt, Nachhaltigkeit“ wurde zehnmal genannt. Danach folgt der Punkt „etwas zur Gemeinschaft beitragen“ mit neun Nennungen. „Kontakte“ und „Bildung, Lernen“ wurden von jeweils acht Personen angegeben. „Sportliche Betätigung, fit sein“ ist nur für zwei Personen von Relevanz. Nur einer Person dient der Gemeinschaftsgarten für „familiäre Aktivitäten“. Als andere Motivationsgründe wurden: „andere motivieren, begeistern, Potenzial entfalten“; „Vorbildfunktion, das Unmögliche möglich machen“, sowie „Freude am Draussen sein und am Gärtnern“, genannt.

Nur zwei der 15 Gärtner haben Kinder (jeweils eines). Ein Kind gärtnert mit, das andere ist noch zu jung dafür. Sechs von 15 Personen, 40 %, haben einen eigenen Garten.

0  

2  

4  

6  

8  

10  

12  Motivation

13%

87%

Kinder

Ja Nein

40%

60%

Eigener Garten

Ja Nein

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14 von 15 Stadtgärtnern machen konsequentes Recycling, 13 von 15 achten beim Einkaufen auf Abfallvermeidung. Jeweils neun Personen kaufen nur Produkte mit einem Ökolabel und sind Mitglied einer Umweltorganisation. Vier Stadtgärtner nehmen bei Umwelteinsätzen teil und nur zwei Personen sind Mitglieder einer ökologisch orientierten Partei. Unter dem Punkt Anderes nannten zwei Personen Umweltengagement als Teil ihrer Arbeit und jemand „Verzicht“.

13 von 15 Stadtgärtnern nehmen Umweltfragen- und Probleme sehr ernst. Die zwei übrigen stufen sie als wichtig ein. Niemandem sind sie weniger oder nicht wichtig.

Elf der 15 Personen haben Angaben zu ihrer politischen Positionierung gemacht. Zehn Stadtgärtner positionieren sich eher links, bis stark links und eher liberal bis stark liberal.

Parteimitglied

Mitglied einer Umweltorganisation

Transportmittel

Recycling

Abfallvermeidung

Ökolabel

Umwelteinsätze

Anderes

0   5   10   15  

Umweltengagement

87%

13%

Umweltfragen- und Probleme

Sehr wichtig Wichtig

Weniger wichtig Nicht wichtig

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13 von 15 Stadtgärtnern leben in der Stadt Basel. Nur vier Personen leben in der Nähe des Gemeinschaftsgartens (grüner Punkt). Zwei Personen leben ausserhalb der Stadt, in Allschwil und Riehen. Sie leben aber in der Nähe der Stadtgrenze.  

 

 

 

 

 

 

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4.4 Diskussion der Resultate Der Fragebogen wurde an 17 Personen verschickt, die regelmässig in den Garten kommen. Nach einem Monat hatten aber erst zehn Personen geantwortet. Das hielt ich für zu wenig, denn ich hatte Zweifel an der Repräsentativität meiner Resultate. Deshalb habe ich beim Besuch des Gartens Fragebögen mitgenommen um sie von weiteren Personen ausfüllen lassen. Glücklicherweise fanden sich so fünf weitere Stadtgärtner für meine Umfrage. 1. Hypothese: Junge Erwachsene unter 30 Jahren 67 % der Gärtner, also etwa zwei Drittel, sind unter 30 Jahre alt. Meine Hypothese hat sich damit klar bewahrheitet. Der grösste Teil der Personen unter 30 sind Studenten oder gehen zur Schule. Es handelt sich vor allem um junge Menschen, weil sie mehr Zeit für Hobbys, Interessen und soziales Engagement zur Verfügung haben, als solche, die bereits in den Berufsalltag eingestiegen sind. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen noch keine Kinder haben. Ich kann mir auch vorstellen, dass der Gemeinschaftsgarten für junge Menschen ein beliebter Treffpunkt ist, weil der gemeinschaftliche Aspekt sehr zum Vorschein kommt. Sie wollen Teil einer Gruppe sein. Bei Personen, die bereits eine eigene Familie gegründet haben ist dieser Wunsch, denke ich, weniger ausgeprägt. 2. Hypothese: Personen mit einem hohen Bildungsstand, Universitätsniveau Nach dem Erstellen dieser Hypothese, habe ich mich gefragt, ob ich nicht völlig falsch liege. Ich habe mich darüber gewundert, wie ich überhaupt auf diese Überlegung gekommen bin, denn das Gärtnern setzt eigentlich keine akademischen Kenntnisse voraus. Tatsächlich liege ich mit dieser Hypothese aber richtig, denn es haben nicht nur die meisten einen Hochschulabschluss, sondern ein grosser Teil der Stadtgärtner studiert oder besucht ein Gymnasium. Es könnte daran liegen, dass sie besser über Umweltthemen informiert sind, auch weil sie sich damit auseinander-setzen wollen. Sie haben andere Prioritäten. Da Basel eine Universitätsstadt ist, ist die Wahrscheinlichkeit auch höher, dass junge Leute mit einem hohen Bildungsstand im Garten aktiv sind. Es ist auch möglich, dass für viele Studenten oder Schüler das Gärtnern eine praktische Aktivität darstellt, anders als das oftmals theoretische Lernen oder der Unterricht. 3. Hypothese: Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen gärtnern

Erstaunlicherweise ist der Aspekt der gesunden Ernährung nur für sechs der 15 Personen, also für weniger als die Hälfte, von Relevanz. Und nur zwei Personen Gärtnern, um fit zu sein. Mit Letzterem habe ich gerechnet, denn „Gärtnern“ ist nicht gerade Volkssport Nr. 1, auch nicht in der Stadt. Was aber die Ernährung anbelangt, hätte ich mit einem höheren Wert gerechnet.

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Ein Grund könnte sein, dass sie sich nicht vollständig mit Produkten aus dem Gemeinschaftsgarten abdecken können, sondern der grösste Teil ihrer Nahrungs-mittel aus Einkaufsläden stammt. Sie achten bereits dort auf eine gesunde Ernährung, denn der grösste Teil (60 %) kauft nur Produkte mit einem Ökolabel. Die Gesundheit der Lebensmittel ist also kein Hauptgrund um im Gemeinschaftsgarten aktiv zu sein. Vielleicht auch deshalb, weil ihnen andere Aspekte, wie die Gemeinschaft oder Umwelt, wichtiger sind. Diese Hypothese hat sich für mich nicht bewahrheitet. 4. Hypothese: Menschen, die aus sozialen Gründen im Garten aktiv sind Wie ich bei der 3. Hypothese bereits angedeutet habe, ist der soziale Aspekt sehr wichtig. Der Motivationsgrund „Kontakte, Gemeinschaft“ und wurde von acht Personen genannt. „Etwas zur Gemeinschaft beitragen“ wurde von neun Personen genannt. Zusätzlich wurde der Motivationspunkt „andere motivieren, begeistern, Potenzial entfalten“, sowie „Vorbildfunktion“ genannt. Zwei Personen (15 %) arbeiten im Bereich Soziales. Diese Hypothese hat sich bewahrheitet, denn es wird klar ersichtlich, dass der Gemeinschaftsgarten weit mehr als nur ein „Garten“ ist. Er ist ein wichtiger Treffpunkt geworden, in dem man neue Kontakte knüpft, mit Menschen verschiedenster Hintergründe zu tun hat und seinen Teil zur Gemeinschaft beiträgt. Dabei geht es über die Grenzen des Gärtnerns heraus. Die Feste, Anlässe und Kurse sind wichtige Bestandteile des Gartens und machen ihn zu einem kulturellen Begegnungsort. Um aus der Anonymität des Stadtlebens auszubrechen ist ein Gemeinschaftsgarten ideal, weil man zu einer Gruppe gehört, miteinander teilt und sich austauscht. 5. Hypothese: Familien mit kleinen Kindern Diese Hypothese hat sich überhaupt nicht bewahrheitet. Zwei Personen (13 %) haben Kinder und nur eines der beiden Kinder ist alt genug um im Garten mitzuarbeiten. Nur eine Person hat das Gärtnern als Aktivität in der Familie genannt. Ich denke, es hat vor allem damit zu tun, dass viele Menschen unter 30 Jahren und Studenten im Garten aktiv sind. Es wurden zudem Personen befragt, die mehr oder weniger regelmässig im Garten anzutreffen sind und für Familien mit Kinder bietet sich die Gelegenheit wahrscheinlich weniger.

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6. Hypothese: Menschen ohne eigenen Garten Auch dieses Resultat hat mich erstaunt. Ich fand den Anteil der Personen mit einem eigenen Garten doch recht hoch. Sechs Personen, 40 %, haben einen eigenen Garten. Diese Hypothese hat sich für mich nicht bewahrheitet, denn ich hätte einen Wert von höchstens 20 % erwartet. Weil diese Personen (bis auf eine) auch mindestens einen Grund genannt haben der mit Gemeinschaft oder sozialen Kontakten zu tun hat, liegt die Tatsache nahe, dass ihnen der soziale Aspekt wichtig ist. Sie schliessen sich dem Gemeinschaftsgarten an, weil sie mit anderen Menschen zusammen arbeiten und zu einer Gemeinschaft gehören wollen. Der grösste Teil der Personen mit eigenem Garten haben den Motivationsgrund „Bildung, Lernen“ gewählt. Sie eignen sich also neue Kenntnisse über Pflanzensorten und Anbautechniken an, die sie dann in ihrem eigenen Garten anwenden können 7. Hypothese: Politisch eher links ausgerichtete Menschen Diese Hypothese hat sich klar erfüllt. Die elf Personen, die eine Angabe gemacht haben, positionieren sich deutlich auf der linken Seite des politischen Spektrums. Viele haben dazugeschrieben „natürlich“ links, so als wäre es eine Selbst-verständlichkeit. Sie setzen sich für ein Projekt ein, dass sich gegen das kapitalistische System richtet. Eine wirtschaftliche Vision der Rechten wäre es, dieses Projekt als Luxus und absurd anzusehen, denn die Fläche ist Millionen wert und könnte der Stadt durch den Verkauf und durch den Bau von Wohnungen Mehrwerte generieren. Gleichzeitig kann man aus der Graphik schliessen, dass sich einige Personen einerseits mit der Linken, aber auch der Liberalen identifizieren. Das könnte bedeuten, dass sie sich dem Parteiprogramm der Grünliberalen zugeneigt fühlen, die das liberale Wirtschaftssystem mit ökologischen Prinzipien in Einklang bringen wollen. 8. Hypothese: Nachhaltigkeit und Umwelt sind für sie wichtige Themen Diese Hypothese hat sich klar bewahrheitet, denn allen Stadtgärtner sind Umwelt und Nachhaltigkeit wichtig, dem grössten Teil sogar sehr wichtig. Auch ihr Umwelt-engagement hat mich stark beeindruckt. Das Berufsfeld Umwelt ist zudem am stärksten vertreten. Obwohl Basel keine Metropole ist, in der Grünflächen rar sind, ist die Sehnsucht nach der Natur sicher vorhanden. Sie wollen aber dazu nicht auf die Vorzüge der Stadt verzichten, sondern die Natur direkt in die Stadt integrieren. Gleichzeitig leben sie im Garten ihr Interesse für Nachhaltigkeit aus, denn der Garten wird biologisch bewirtschaftet und ist ein ökologisch wertvoller Ort.

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9. Hypothese: Menschen aus dem Quartier oder aus der Stadt Auch diese Hypothese hat sich bewahrheitet, denn 87 % der Stadtgärtner wohnen in der Stadt Basel. Weil sich das Projekt selbst in Basel befindet, ist naheliegend, dass lokale Bewohner davon hören und dort mitmachen. Ich war davon überzeugt, dass mehr Menschen aus der nahen Nachbarschaft, d.h. aus den Wohnblocks auf dem Areal regelmässig im Garten anzutreffen sind, weil sie in der Nähe wohnen und einen besonders starken Bezug zum Garten haben. Das war aber nur bei einer Minderheit der Fall. Ich hätte erwartet, dass mehr Nachbarn die Möglichkeit nutzen würden, den Garten aktiv mitzugestalten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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5. Bienenhaltung in der Stadt 5.1 Projektbericht Dieses Projekt der Bienenhaltung in der Stadt, gehört zu einer der Sonderformen der urbanen Landwirtschaft, der Tierhaltung. Entstehung Andreas Seiler betreibt seit fünf Jahren das Stadtimkern in Basel. Die Idee, Bienen in der Stadt zu halten, kam ihm, als er sich überlegte, wie man das freistehende Flachdach über dem Bio-Bistro besser nutzen könnte. Die Motivation, die Sache wirklich durchzuziehen, lieferte ein Zeitungsartikel über einen Stadtimker in Paris, der ihn faszinierte. Der Artikel erzählte die Geschichte von Jean Paucton, einem Hobbyimker und Requisiteur an der Oper Garnier von Paris, der aufgrund eines Nachbarstreites seinen Bienenstock vom Hausbalkon auf das Dach der Pariser Oper umsiedelte. Seit diesem Zeitpunkt stehen seine Völker auf dem Dach der Oper, und das ist nun 27 Jahre her.57 Für Andreas Seiler war das Imkern eine neue Erfahrung, mit der er nicht wie andere Hobbyimker während der Kindheit in Berührung gekommen ist. Allgemeine Fakten Andreas Seiler (neben seinem Hobby Stadtimkern betreibt er das Bio-Bistro und ist im Vorstand vom UANB) ist der einzige Verantwortliche dieses Projektes. Er hat keine Helfer oder Assistenten. Es braucht keine Sondergenehmigung um in der Stadt imkern zu dürfen. 58

                                                                                                                         57 http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2012/bienen-100.html (Stand: 30.03.2013) 58 Interview Stadtimker im Anhang  

Abbildung 22:  Andreas Seiler auf dem Dach des Bio Bistros im Gundeldingerfeld, 2011  

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Seiler besitzt im Ganzen drei Bienenvölker. Zwei stehen auf dem Dach einer Garage beim Schützenmattpark, eines auf dem Flachdach über dem Bio-Bistro im Gundel-dingerfeld.

Jedes seiner Bienenvölker wirft im Durschnitt ca. 15 kg Honig im Jahr ab. Das macht insgesamt um die 45 kg/Jahr. 10 kg davon sind für den Eigenbedarf reserviert, der Rest wird verschenkt oder im Bio-Bistro verkauft. Der Honigertrag kann von Jahr zu Jahr variieren. Der Stadthonig ist ein Mischhonig aus den verschiedensten Pflanzensorten, und aufgrund des sich verändernden Blütenangebotes jedes Jahr etwas anders. Die Varroa Milbe stellt auch für den Stadtimker ein grosses Problem dar. Sie befällt Brutzellen und saugt die Hämolymphe (=“Blut der Insekten“) der Larven aus. Die geschlüpften Bienen sind kleiner und haben eine verkürzte Lebensspanne. Zusätzlich werden durch die Milben Viren übertragen.59 Zur Bekämpfung wendet Andreas Seiler Mitte Juli und Anfangs August Ameisensäure an. Im Dezember, wenn das Volk Brut frei ist, wird eine Träufelbehandlung mit Oxalsäure durchgeführt. Mit der Nachbarschaft gab es bis jetzt keine Probleme. Andreas Seiler sieht vor allem auch die Möglichkeit die Bevölkerung mit seinen Bienen aufzuklären, ihr die Angst vor den Insekten zu nehmen und ihr Bewusstsein für die Bedeutung der Bienen für die Natur (auch die Stadtnatur!) zu stärken. Hintergrund Andreas Seiler geht von etwa 500 Personen aus, die in und um Basel herum imkern. Viele von ihnen sind am Stadtrand angesiedelt, beispielsweise in Riehen, Birsfelden oder Binnigen. Diese (Hobby)imker imkern vor allem für den Privatgebrauch, und zwar im eigenen Garten oder auf dem Balkon.60

                                                                                                                         59 http://de.wikipedia.org/wiki/Varroamilbe (Stand: 23.03.2013) 60 Interview Stadtimker im Anhang  

Abb. 23: Gundeldingerfeld mit den Kräuter-kisten für das Bio-Bistro (links unten) und dem Flachdach mit dem Bienenvolk (siehe Pfeil)

Abb. 24: Bienenvölker in der Nähe des Schützenmattparkes

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In Städten wie London oder New York wird aber bereits auf öffentlichen Gebäuden oder Hotels geimkert. In London zum Beispiel befinden sich auf dem London Stockexchange und dem Natural History Museum Bienenstöcke, um nur einige zu nennen.61 Die Stadt bietet besonders günstige Andreas Seiler argumentiert, dass die Bienen in der Stadt mehr Nahrungsquellen vorfinden, beginnend mit dem Krokus Anfang Jahr bis zum Efeu im November. Auf dem Land dominieren immer mehr Monokulturen oder Rapsfelder. Diese blühen nur wenige Wochen im Jahr. Zudem ist das etwas wärmere Mikroklima der Stadt günstig für die wärmeliebenden Bienen. Die Sammelzeit dauert länger, sie produzieren mehr Honig, und haben genug Vorrat für den Winter.62 Die Befürchtung, der Basler Stadthonig könnte durch Schwermetalle oder Abgase verseucht sein, kann durch eine Untersuchung des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt widerlegt werden. Im Frühling 2012 wurde eine Honigprobe aus dem Schützenmattpark auf den Gehalt von Schwermetallen untersucht. Es wurden 0.026mg/kg Blei und weniger als 0.01mg/kg Cadmium gefunden. Für diese beiden Elemente gibt es in der Fremd- und Inhaltsstoffverordnung (FIV) für Honig keine gesetzlichen Höchstwerte. Diese Werte sind minim und werden als ungefährlich eingestuft.63 Zudem erklärt Andreas Seiler, dass im Gundeldingen viele Pflanzen wachsen, die eine geschlossene Blüte haben. Die Bienen gelangen nur dank ihres Rüssels an die Pollen im Innern der Blüte, die weniger mit Schadstoffen kontaminiert sind. Zudem filtern die Bienen den Honig bevor sie ihn einlagern. Aber auch auf dem Land ist die Schadstoffbelastung angestiegen, zum einen durch den zunehmenden Verkehr aber auch durch den Einsatz von Pestiziden.62

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                                         61 http://en.wikipedia.org/wiki/Urban_beekeeping (Stand: 23.03.2013) 62 Interview Stadtimker im Anhang 63 http://www.urbanagriculturebasel.ch/Documents/20120809-Honigprobe.pdf (Stand: 19.02.2013)

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5.1 Hypothesen Zielgruppe des Stadthonigs stellen, anders als beim interaktiven Gemeinschafts-garten, die Käufer und Endkonsumenten dar. Ich entschied mich deshalb dazu, den Stadtimker zu einer Einschätzung seiner Kunden zu befragen.

1. Menschen aus der Stadt Basel, aus dem Quartier Gundeldingen oder in der Nähe des Schützenmattparks

Ich denke, die meisten Kunden stammen aus demselben Quartier, in welchem der Honig auch verkauft oder produziert wird. Sie haben von diesem Projekt gehört und kennen vielleicht auch den Imker persönlich.

2. Keine bestimmte Altersgruppe Ich vermute, dass die Kunden des Stadtimkers nicht in eine bestimmte Altersgrupp einzugliedern sind, da bei verschiedenste und altersunabhängige Motive zum Kauf führen können. (Qualität oder Geschmack, Neugierde, persönlicher Kontakt etc.)

3. Motive:

• Etwas Originelles, Neues Der Stadthonig fällt auf und wird vor allem gekauft, weil er etwas Originelles ist, das man noch nicht kennt.

   

 

 

 

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5.3 Beobachtung der Resultate Der Stadtimker, Andreas Seiler, mit dem ich ein Interview über seine Tätigkeit als Imker und seine Kundschaft geführt habe, gab mir folgende Antworten zum zweiten Teil meiner Leitfrage: Welche Zielgruppen kaufen den Stadthonig? 1. Personen aus Basel, dem Quartier Gundeldingen 2. Junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren (Interesse für „Trend“ der

urbanen Landwirtschaft ist vorhanden) 3. Besucher des Bio-Bistros (im Gundeldingen) 4. Personen, die sich ein Produkt mit einem Bezug zum Quartier wünschen 5. Personen, die sich ein ausgefallenes Geschenk wünschen 6. Personen, die ihn für eine Hyposensibilisierungstherapie gegen Heuschnupfen

einsetzen 7. Personen mit Sinn und Interesse für Ökologie und Umwelt

5.4 Diskussion der Resultate 1. Hypothese: Menschen aus der Stadt Basel, aus dem Quartier des Gundel-dingen oder Schützenmattpark Meine Hypothese, dass vor allem Personen aus der Stadt Basel, dem Gundeldingen oder aus der Nähe des Schützenmattpark eine Zielgruppe für den Stadthonig darstellen, hat sich zum grössten Teil bewahrheitet. Weil sich das Bistro im Gundeldingen befindet, verkauft Andreas Seiler vor allem an Stadtbewohner, die im Gundeldingen leben und weniger an solche aus der Nähe des Schützenmattparks. Es sind, wie ich erwartet hatte, Personen, die den Imker persönlich kennen. 2. Hypothese: Keine bestimmte Altersgruppe Ich war davon überzeugt, dass die Käufer des Stadthonigs keiner bestimmten Alterskategorie zugeordnet werden können. Überraschenderweise interessieren sich laut Seiler besonders junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren für seinen Stadthonig. An dieser Stelle muss aber hinzugefügt werden, dass zur Zielgruppe für den Stadthonig auch allgemein die Kundschaft des Bio-Bistros gehört und diese besteht mehrheitlich aus jungen Menschen.

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Das Gundeldingen ist ein junges Quartier. Der Anteil der unter Dreissigjährigen oder Personen um die 30 Jahre macht den grössten Anteil der Gesamtbevölkerung des Gundeldingen aus, wie auf folgender Grafik ersichtlich wird.

Hinzu kommt, dass der Verkaufsort des Honigs im Gundeldingerfeld im Allgemeinen einen attraktiven Treffpunkt für junge Leute darstellt. Die sich auf dem Areal befindende Kletterhalle, Backpack Hotel, Jugendkulturzentrum, sowie diverse Tonstudios ziehen vor allem eine junge Klientel an. Andreas Seiler argumentiert aber auch ganz einfach, dass sich ihre Generation am meisten für das Trendthema Urban Farming interessieren könnte. Wie auch aus der Auswertung des Fragebogens für den Gemeinschaftsgarten Landhof hervorge-gangen ist, machen junge Menschen unter 30 Jahren den grössten Teil der Personen aus, die sich in Basel mit der urbanen Landwirtschaft beschäftigen. Daraus kann ich mir auch das Interesse für den Stadthonig erklären. 3. Hypothese: Der Honig wird gekauft weil es ein originelles Produkt ist Wie Andreas Seiler erklärt hat, wird der Honig auch gekauft um ihn als ausgefallenes und ungewohntes Geschenk zu verschenken. Meine Hypothese hat sich also bewahrheitet. Obwohl Andreas Seiler bereits seit fünf Jahren imkert, bleibt der Stadthonig etwas Originelles und Ungewohntes. Dementsprechend wird er auch oft gefragt, ob das denn überhaupt ginge, in der Stadt Bienen zu halten. In Städten wie New York oder London werden bereits Imkerkurse abgehalten, doch in Basel ist Stadthonig noch immer etwas Exotisches, etwas, das von der Normalität abweicht.

Abb. 25: Wohnbevölkerung des Gundeldingen nach Staatsangehörigkeit und Alter, Ende 2011

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Es ist auch weniger weit verbreitet und noch nicht sehr bekannt. Städter, die ich persönlich kenne und gefragt habe, ob sie schon von Basler Stadthonig gehört haben, verneinten. Andreas Seiler hat mir weitere Informationen über Zielgruppen mitgeteilt, an die ich beim Erstellen der Hypothesen nicht gedacht habe. Der Stadthonig hat einen besonderen Bezug zum Quartier, denn er beinhaltet sozusagen die „Essenz“, den „Geschmack“ des Quartiers. Die Bienen verarbeiten die Pollen aus der Nachbarschaft zu Honig, also die Pflanzen, welche die Bewohner des Gundeldingen jeden Tag sehen, riechen oder im eigenen Garten kultivieren. Deshalb besteht eine besondere Verbindung zwischen dem Stadthonig und dessen Konsumenten. Punkt sechs hat mich sehr überrascht. Andreas Seiler hat mir erklärt, dass der Stadthonig auch von denjenigen gekauft wird, die Heuschnupfen haben. Sie konsumieren den Honig als eine Art Hyposensibilisierungstherapie. Im Honig sind die Pollen aus der Umgebung enthalten, diejenigen die den Heuschnupfen auslösen. Durch den Verzehr des Honigs in kleinen Mengen gewöhnt sich das Immunsystem an das Allergen und die Bildung von Antikörpern wird reguliert. Die Wirksamkeit dieses Verfahrens ist nicht wissenschaftlich belegt, die Therapie ist aber dennoch praktisch, weil man die Allergene Zuhause über die Mundschleimhaut zu sich nehmen kann und sie nicht von einem Allergologen unter die Haut gespritzt werden müssen.64 Als letzte Zielgruppe hat Andreas Seiler die Personen genannt, die im Allgemeinen einen Sinn und Interesse für Umwelt und Ökologie mitbringen. Dieser Punkt hat vor allem damit zu tun, dass das Bio-Bistro eine Kundschaft anzieht, die sich für Nachhaltigkeit interessiert, denn es verkauft und verarbeitet saisonale, regionale und biologisch hergestellte Lebensmittel.

 

                                                                                                                         64 http://www.honig-schmidt.de/honig-blog/honig/heuschnupfen-und-honig/ (Stand: 27.03.2013)

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6. UrbanFarmers 6.1 Projektbericht Die UrbanFarmers AG, ein Spin-off Unternehmen (= Ableger) der ZHAW in Wädenswil, betreibt seit Anfang 2013 eine Aquaponic-Anlage im Dreispitzareal in Basel. Mit den Zielen „Planet, People und Profit“ versuchen sie ökologische Nachhaltigkeit, Innovation und ökonomischen Erfolg miteinander zu vereinen.65 Aufgrund ihrer Technologie, aber auch weil sie finanziellen Erfolg anstreben teile ich dieses Projekt der „High-Tech Landwirtschaft“ zu. Entstehung   Roman Gaus stiess während seines zweijährigen Aufenthalts in den USA, 2010 auf das Phänomen der urbanen Landwirtschaft. Beim Rückflug fielen ihm die zu tausenden leeren Flachdächer auf und er entwickelte eine Idee. Zusammen mit Andreas Graber, der sich seit mehr als zehn Jahren an der ZHAW in Wädenswil mit Aquaponic beschäftigt, gründete er 2011 das Unternehmen UrbanFarmers.

Ihre Erfolgsgeschichte begann im Juli 2011 mit dem Bau der UrbanFarmers Box, einem 18 m2

grossem umgebautem Schiffscontainer, in dem sie Gemüse und Fisch heranzogen. Die UF Box, auch Schrebergarten 2.0 genannt, dient als Prototyp und Anschauungsobjekt und steht heute bei der Zürcher International School (ZIS). Ihr neuestes Projekt ist eine Aquaponic Anlage im Basler Dreispitz.66

Der offizielle Bau begann am 1. Juli 2012 und wurde mit einem Investitionsbeitrag von 750’000 CHF von der Christoph Merian Stiftung, dem Kanton Baselstadt, der Ernst Göhner Stiftung und einem privaten Investor finanziell unterstützt. Ende Oktober 2012 wurde der Bau fertiggestellt und seit Januar 2013 kann man von ihnen Fisch und Gemüse beziehen. Das heutige UrbanFarmers Unternehmen entwickelt und verkauft Farmsysteme. Ihre Dienstleistung enthält die Lieferung und Installation der Farm auf das Dach, sowie begleitende Unterstützung. Dazu gehören Ausbildung und Weiterbildung, Technische Dienste und Unterhalt der technischen Installationen, sowie Verkauf von Ersatzteilen und Zubehör im Online UF Store. Dieser befindet sich noch in der Aufbauphase.67                                                                                                                          65 http://urbanfarmers.com/ (Stand: 12.12.2012) 66 Strom – Das Magazin Ihres Energieversorgers: Schlauer Bauer, S. 8 67 http://urbanfarmers.com/company/business-model/ (Stand: 25.03.2013)

Abb. 26: UF Box am Zürichsee, 2011

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Ihr Ziel ist es, jährlich zwei bis vier Anlagen à 1‘000 m2 bauen zu können, startend in Zentraleuropa, mit zunehmend weltweitem Ausmass.68 Die UrbanFarmers arbeiten mit einer speziellen Anbaumethode, Aquaponic: Aquaponic ist eine Polykultur (=geschlossener Kreislauf, der Ressourcen wie Wasser, Nährstoffe oder Energie mehrfach nutzt) von Fischzucht und Nutzpflanzenkulturen, welche in den Wasserkreislauf integriert sind.69

Aquaponic setzt sich aus zwei Anbaumethoden zusammen: Aquakultur à Aufzucht von aquatischen Organismen in Wasser. Dafür kommen beispielsweise Fische, Krebstiere, Muscheln oder auch Pflanzen (Algen) in Frage. Hydroponic à Aufzucht von Pflanzen im Wasser. Die benötigten Nährstoffe werden künstlich in die Wasserversorgung eingeführt und von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen.70  

Die Ausscheidungen der Fische sind reich an Ammoniak und gelangen in den Wasserkreislauf

Bakterien im Fischtank und in den Beeten zersetzen das Ammoniak zu Nitrat.

Die Pflanzen nehmen das Nitrat auf. Die Wurzeln filtern das Wasser und reinigen es.

Ein Wasserkreislaufsystem verbindet den Fischtank mit den Beeten.

O2 wird in das System gepumpt um die Versorgung mit frischem Sauerstoff zu gewährleisten. 71

Aquaponic macht sich die Symbiose zu Nutze: Die Ausscheidungen der Fische werden als natürliche Düngemittel für die Aufzucht von Pflanzen verwendet. Gleichzeitig filtern und reinigen die Pflanzen das Wasser für die Fische. Es entsteht ein Kreislauf. Weil nur das Wasser hinzugefügt werden muss, das von den Pflanzen verdunstet wird, kann der Wasserbedarf um mehr als 80% verringert werden. Roman Gaus geht von einer Wasserrechnung von nur 500 CHF/ Jahr aus. 70

                                                                                                                         68 Emailkontakt mit Andreas Graber, [email protected], 25.03. 2013  69 http://www.hortikultur.ch/pub/files/195.pdf (Stand: 12.12.2012) 70 Refarm „Nahrungsmittel in der Stadt für die Stadt“, 10. Januar 2013 in Basel, Referent: Roman Gaus, UF 71 http://aquaponicstips.com/ (Stand: 11.12.2012)  

Abb. 27: How Aquaponic works

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Die UrbanFarmers stimmen die Fischdichte, Lichtverhältnisse, Wassertemperatur, pH-Wert, Sauerstoffgehalt usw. auf die Fische ab und überwachen das System. Es werden weder Antibiotika noch Pflanzenschutzmittel eingesetzt, da diese in den Wasserkreislauf gelangen und die Pflanzen oder Fische schädigen würden.74

Allgemeine Fakten

Zu den Verantwortlichen (= Management Team) dieses Projekts gehören Roman Gaus (Founder & Chief Executive Officer), sowie Andreas Graber (Founder & Head of Research and Development). Es sind zudem zehn weitere Personen in ihrem Unternehmen tätig. Die Dachfarm in Basel dient als „proof of concept“ und Testobjekt. Die Anlage befindet sich an der Frankfurter Strasse auf dem Dach eines ehemaligen Lok Depots und nimmt eine Fläche von 250m2 in Anspruch. Sie pflanzen Microgreens (= kleine Sprösslinge, die geerntet werden sobald sich die ersten Blätter entwickelt haben. Sie sind sehr geschmacksintensiv und werden zur Garnitur von Gerichten verwendet), verschiedene Schnittsalate, Nüsslisalat und im Sommer auch Tomaten an. Neben dem Gemüse verkaufen sie auch Tilapia Fische. Der Tropenfisch gehört zu den Buntbarschen und ist deshalb gut geeignet, weil man ihn rein vegetarisch produzieren kann und er widerstandsfähig ist. Zudem wächst er schnell, in sechs Monaten vergrössert sich sein Gewicht von 5 g auf 1 kg. Das Fischfutter wird in der Schweiz produziert und besteht aus Kartoffelstärke und Rapsöl. Jährlich planen sie eine Produktion von etwa 5 t Gemüse und 800 kg Fisch. Im Februar 2011 erhielten die UrbanFarmers den mit 10`000 CHF. dotierten Prix-Nature in der Kategorie „Generation Zukunft“.

UrbanFarmers planen weitere Fischarten und Gemüsesorten auszutesten, sowie Photovoltaik zur Energieerzeugung einzusetzen. Das Projekt eines Ausbildungs-programmes zum „Urban Farmer“ ist ebenso in Planung.72, 73

                                                                                                                         72  Refarm „Nahrungsmittel in der Stadt für die Stadt“, 10. Januar 2013 in Basel. Referent: Roman Gaus, UF  73 http://www.hortikultur.ch/pub/files/217.pdf, S. 34 (Stand: 12.12.2012)

Abb. 28: Links, Mark Durno, „Director of farm operations“ und Roman Gaus Abb. 29: Dachfarm im Dreispitz

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6.2 Hypothesen Auch bei diesem Projekt stellen die Konsumenten der Stadtprodukte die Zielgruppe dar. Um folgende Hypothesen überprüfen zu können habe ich mich mit einem der Verantwortlichen des Unternehmens, Andreas Graber, in Verbindung gesetzt. Da mir aber spezifischere Informationen gefehlt haben, habe ich auch ihre Abnehmer kontaktiert. Privatpersonen

1. Stadtbewohner, in der Nähe der Anlage lebende Da ich mir vorstellen kann, dass die Produkte im Gebäude verkauft werden wo sie auch produziert werden, werden die Kunden vor allem Stadtbewohner sein oder in der Region leben. Landbewohner beziehen ihre Lebensmittel aus Läden in ihrer Nähe oder direkt vom Dorfbauern.

2. Gut verdienend Ich kann mir gut vorstellen, dass der Preis, besonders für den Fisch, ziemlich hoch ist und die Kundschaft über die benötigten Mittel verfügen muss, um sich die Produkte leisten zu können.

3. Hoher Bildungsstand Personen mit einem hohen Bildungsstand wissen über Umweltprobleme besser Bescheid und interessieren sich für Lösungsansätze. Weil sie genug verdienen müssen (siehe 2. Hypothese), werden sie auch eher einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss haben. Restaurants

1. Standort in Basel Ich erwarte, dass die Restaurants ihren Standort in der Stadt haben, weil die UrbanFarmers mit dem Slogan „Lebensmittel IN der Stadt FÜR die Stadt“ werben. Es wäre wohl auch nicht im Sinn der UrbanFarmers wenn ihre Produkte per Lastwagen zu Restaurants in ländlicheren Gebieten oder sogar ins Ausland geliefert werden müssten.

2. Nachhaltigkeit ist ihr Hauptmotiv Die Restaurants werden als Hauptmotiv Nachhaltigkeit nennen. Sie wollen ein Projekt unterstützen, das in der Nähe produziert und umweltfreundlich ist.

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6.3 Beobachtung der Resultate  

Andreas Graber von den UrbanFarmers gab mir folgende Informationen den Zielgruppen seines Unternehmers.

Privatpersonen

Noch keine Lieferung an Privatpersonen

Restaurants

Sie beliefern seit Anfang Jahr vier Restaurants:

• Restaurant Schifferhaus (Kleinhüningen) • Restaurant Parterre (Altstadt Kleinbasel) • Restaurant Schmatz (Dreispitz) • Restaurant Viertel-Kreis (Gundeldingen)

Als Motive der Restaurants UrbanFarmers Produkte zu beziehen nennt er:

• Frische • Persönliche Kontakt • Innovation • Die Freude daran mitzuhelfen eine neue Produktionsart in der Stadt zu

etablieren

Er beschreibt die Abnehmer der UrbanFarmers als:

• Neugierig • Spontan • Innovativ • Vorausschauend • Verantwortungsvoll

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Da mir genauere Informationen über die Restaurants gefehlt haben, habe ich die Geschäftsleitung kontaktiert und folgende Antworten erhalten, die ich in einer Tabelle zusammengefasst habe:

RESTAURANT PRODUKTE GRÜNDE STANDORT KUNDSCHAFT

VIERTEL-KREIS Salate Nachhaltigkeit Gundeldingen Keine Angaben

SCHMATZ Nüsslisalat und Tilapia

Nachhaltigkeit beim Fisch, Salat aufgrund der Nähe, als Startunter-stützung

Dreispitz, 100 Meter neben UrbanFarmers

Auf dem Dreispitz Areal Tätige, welche sich eine angenehme Mittagspause gönnen, mehrheitlich weiblich, zwischen 30 und 50, Geschäftsführer, Kreative, gemischt

SCHIFFERHAUS Salate und Tilapia

Nachhaltigkeit, um den Kunden etwas Neues zu bieten

Kleinhüningen Business, privat, jung und alt, hauptsächlich aus Basel und Region, Personen die gerne gut essen gehen

PARTERRE Salate, Microgreens, Tilapia      

Nachhaltigkeit, regionale Produkte, Gesundheit (kein Dünger, kein Antibiotika), vegetarische Ernährung der Fische

Altstadt Kleinbasel, direkt am Kasernenplatz

Viele Alt-Basler („Ureinwohner“) Kulturschaffende, Rentner, Studierende, alte „Garde“, wilde Künstler, junge Mütter: bunt gemischt Unterschiede ob Mittags oder Abends (liegt an Angebot, Lage direkt am Kasernenplatz)

 

 

 

 

 

 

 

 

   

Tabelle 1: Die vier Restaurants im Vergleich

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6.4 Diskussion der Resultate  

Hypothesen zu den Privatpersonen (gut verdienende Stadtbewohner mit einem hohen Bildungsstand)

Meine Hypothesen zu den Privatpersonen konnte ich nicht überprüfen, da die UrbanFarmers aus Personalkapazitätsgründen noch nicht an Privatpersonen verkaufen können. Es ist aber eines der Zukunftsziele des Unternehmens. Die Privatpersonen würden die Produkte per Hauslieferdienst erhalten oder an Depotstellen abholen können.

Der Preis für ein Kilogramm Stadt-Tilapia beträgt 21 CHF. Ich habe die Preise von zwei Lebensmittelketten und einem Fischhändler miteinander verglichen, um herauszufinden, in welchem Preissegment die UrbanFarmers für ihren Tilapia einzuordnen sind. Dazu habe ich COOP, Migros und Mercato besucht und mich über ihre Preise informiert. Tiefgekühlter Tilapia mit dem Siegel Aquaculture Stewardship Council (ASC, umweltgerechte Aquakultur) von Migros kostet pro Kilogramm 25 CHF COOP bietet seinen tiefgekühlten Bio-Tilapia für 22 CHF das Kilogramm an. Einzig der Fischhändler Mercato verkauft frischen Tilapia, für 29 CHF pro Kilogramm. Der UrbanFarmers Tilapia ist also erstaunlich günstig, vor allem wenn man bedenkt, dass man einen Fisch kaum frischer bekommen kann. Der Fisch wird nach dem Töten sofort eingepackt und mit dem E-Bike geliefert. Die UrbanFarmers mussten sich wohl den Marktpreisen anpassen, denn gerade die oben genannten Händler sind ihre stärkste Konkurrenz. Für Restaurants fällt der Preis aber stärker ins Gewicht, denn der Leiter des Restaurants Parterre, Peter Trümmers, meinte, der Preis sei doch recht hoch. Dieser Umstand ist damit begründbar, dass sich die Restaurants die Preise der Grosshändler gewöhnt sind, die ihren Fisch vor allem aus dem Ausland importieren. Dieser Fisch ist im Vergleich mit dem aufwändig produzierten Stadt-Fisch der UrbanFarmers um einiges billiger.

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Sie beliefern Restaurants, die

• 1. Hypothese: Sich im Dreispitz oder in Basel befinden

Wie auf der Grafik ersichtlich wird, haben alle vier Restaurants ihren Standort in der Stadt Basel. Das Restaurant Schmatz befindet sich als einziges im Dreispitz (= schwarze Umrandung), genauer gesagt sogar 100 Meter von der Dachfarm (grüner Punkt) entfernt und wird zu Fuss beliefert. Durch die Befragung der Geschäftsleitung der vier Restaurants wurde mir zudem bestätigt dass ihre Kundschaft zum grössten Teil auch aus der Stadt oder der Region stammt. Somit hat sich meine Hypothese klar bestätigt. Ich hätte aber erwartet, dass sich die Restaurants stärker um den Projektstandort herum konzentrieren. Das Restaurants Schifferhaus ist ziemlich weit entfernt, wenn man bedenkt, dass alle Produkte mit dem Elektrovelo geliefert werden. Da aber das Angebot an Restaurants auf dem Dreispitz Areal nicht sehr vielfältig ist (v. a. Firmenniederlassungen und Industriestandorte), macht der entferntere Standort der Restaurants Sinn.

Mich hat zudem positiv überrascht, dass die Produktion der UrbanFarmers bereits ausreicht um vier Restaurants zu beliefern und dies, obwohl die Produktion erst Anfang Jahr begonnen hat. An dieser Stelle muss aber auch gesagt werden, dass mit der momentanen Produktionsmenge nur unregelmässige Lieferungen möglich sind. Der Fisch, zum Beispiel, wird nur alle zwei Wochen geliefert.

Abb. 30: Standorte der Restaurants

Schifferhaus

Parterre

Viertel-Kreis Schmatz

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Gerade dieser Umstand stösst bei den Kunden auf laute Stimmen. Sie sind enttäuscht, dass es UrbanFarmers Fische nicht jeden Tag auf dem Menü gibt. Andreas Graber meint dazu, der Ansturm sei derart gewaltig, dass sie zwei Mal mehr Gemüse und sogar zehn Mal mehr Fisch verkaufen könnten.

• 2. Hypothese: Nachhaltigkeit ist ihr Hauptmotiv

Wie aus der Tabelle auf Seite 48 ersichtlich wird, haben alle Betriebe das Hauptmotiv Nachhaltigkeit genannt. Deshalb hat sich meine Hypothese auf jeden Fall bestätigt. Ich denke, der Wunsch nach nachhaltigen und regionalen Produkten wird immer stärker auch von den Restaurantbesuchern kommuniziert. Sie stehen der Überfischung der Ozeane und dem Einsatz von Antibiotika bei der Fischzucht kritisch gegenüber und wünschen sich Produkte, welche umweltfreundlicher und unter besseren Bedingungen produziert und transportiert werden. Auch andere Motive, die mir sehr interessant scheinen und sich mit den Angaben von Andreas Graber decken, wurden genannt. Der Stadtfisch und die weiteren Stadtprodukte sind, wie der Stadthonig, etwas Neues und Spezielles. Die Geschäftsleitung des Restaurants Schifferhaus hat mir mitgeteilt, dass sie ihren Kunden damit etwas Neues bieten wollen. Das Restaurant Schmatz hat den Aspekt der Startunterstützung genannt. Sie stehen hinter dem innovativen Konzept der UrbanFarmers und wollen sie darin unterstützen, eine neue Produktionsart in der Stadt zu etablieren.

Um weitere Gemeinsamkeiten zwischen den vier Restaurants in Erfahrung zu bringen habe ich die Internetseite www.basel-restaurants.ch und die Webseiten der Restaurants konzipiert. Basel-Restaurants beschreibt alle vier als „casual dining“ (= informelle und internationale Atmosphäre). Eine weitere Gemeinsamkeit ist ihr Preissegment. Sie bieten Menüs im mittleren Preissegment an: Menü 15 – 35 CHF. Diese Gemeinsamkeiten sind zwar auffällig aber so noch nicht genügend aussagekräftig. Ich vermute, dass die UrbanFarmers für ihr „proof of concept“ in erster Linie Abnehmer suchten, die sich für ihr Projekt interessieren und sich dazu bereit erklärten, den Preis zu zahlen. Die UrbanFarmers stehen während der Startphase ihres Projektes wohl vor allem unter dem Druck zu beweisen, dass ihr Geschäftsmodell funktioniert.

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7. Reflexion Urban Farming ist endgültig auch in der Schweiz angekommen. Neben den Hausgärten und Schrebergärten, seit langem fester Bestandteil Schweizer Städte, sind in den letzten Jahren Projekte entstanden, die etwas Revolutionäres und Innovatives an sich haben. Die urbane Landwirtschaft in der Schweiz ist sogar sehr komplex und facettenreich. Das Angebot reicht von stark interaktiven Projekten mit einer etwas idealistischen Vision bis hin zu profitorientierten High-Tech Unternehmen. Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Beantwortung der Leitfragen:

Urban Farming Projekte in der Schweiz kann man in etwa zehn verschiedene Formen einteilen. Ich habe dazu in meiner Arbeit mit den Unterkategorien „Gartenformen“ und „sonstige Formen“ gearbeitet. Die Formen unterscheiden sich stark in ihrer Organisation (öffentlich, kommerziell oder privat), Verwaltung (Private, Firmen, Vereine etc.), sowie ihren Zielen (Profit, Selbstversorgung, Wissen vermitteln, Protest ausdrücken, Erholung etc.) und ihrem Standort (Dächer, öffentliche oder private Flächen etc.). Wenn man aber bedenkt, wie rasant sich Urban Farming allein in der Stadt Basel entwickelt hat – 2010 ist das UANB entstanden und heute haben sie bereits etwa 25 Projekte auf die Beine gestellt – wird einem klar, dass noch weitere Projekte oder sogar Formen folgen werden. Ich denke aber, dass ich mit meiner Einteilung den grössten Teil von Urban Farming abdecken kann, der momentan in der Schweiz existiert.

Zielgruppe Gemeinschaftsgarten Landhof

- Junge (20 bis 30 Jahre) kinderlose Stadtbewohner mit einem hohen Bildungsstand, welche im Garten mitarbeiten um etwas zur Gemeinschaft beizutragen und ihr Interesse für Nachhaltigkeit und Umwelt ausleben.

Zielgruppe Bienenhaltung in der Stadt

- Junge (20 bis 30 Jahre) Stadtbewohner, zum grössten Teil aus dem Quartier Gundeldingen, welche Kunden des Bio-Bistros sind, Interesse für Umwelt und ein „exotisches“ und „originelles“ Produkt mitbringen. Einige kaufen den Honig weil es einen speziellen Bezug zum Quartier hat oder führen damit eine Desensibilisierungstherapie durch.

Welche Formen von Urban Farming existieren momentan in der Schweiz und welche Zielgruppen ziehen sie an?

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Zielgruppe UrbanFarmers

- Vier Restaurants mit Standort in Basel, welche die Produkte aus nachhaltigen Gründen beziehen. Sie befinden sich im mittleren Preissegment und werden als „casual dining“ bezeichnet.

Meine Arbeit ist eine Momentaufnahme, denn diese Projekte und ihre Zielgruppen werden sich in den nächsten Jahren, wenn nicht sogar Monaten, stark verändern: Vielleicht wird der Gemeinschaftsgarten Landhof in zwei Jahren einer Überbauung gewichen sein. Vielleicht findet der Stadtimker, Andreas Seiler, in einigen Monaten keine Abnehmer mehr für seinen Honig, weil nun bei allen Stadtbewohnern das Imkern angesagt ist. Vielleicht werden die UrbanFarmers schon morgen ihr erstes Farmsystem in Tokyo aufbauen und mit ihrer Technologie die Art und Weise wie wir uns ernähren völlig auf den Kopf stellen. Ich bin tief in das Gebiet der urbanen Landwirtschaft eingetaucht. Eine grosse Schwierigkeit bestand darin sich trotz dieser Weite auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren. Ich denke aber, ich habe mein Ziel erreicht und kann nun sagen, welche Formen in der Schweiz existieren und welche Zielgruppen sie anziehen. Wie ich bereits angedeutet habe, ist die Bewegung der urbanen Landwirtschaft (in der Schweiz) noch lange nicht beendet, sie hat erst begonnen. Es wird spannend sein zu beobachten, welche der von mir beschriebenen Entwicklungen sich im Stadtdschungel durchsetzen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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8. Quellenverzeichnis Bücher, Magazine Anger, Judith; Fiebrig, Immo; Schnyder, Martin (2012): Jedem sein Grün! Urbane Permakultur; Selbstversorgung ohne Garten. Wien, Kneipp Verlag Bill, Matthias (Februar Heft 2, 2012): Strom – Das Magazin ihres Stromversorgers, Schlauer Bauer Rasper, Martin (2012): Vom Gärtnern in der Stadt: Die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt. München, Oekom Redaktion Praxis Geografie (Januar Heft 1, 2012): Stadtperspektiven - Die Wahrnehmung des urbanen Raums Riese, Berthold (2004): Machu Picchu: Die geheimnisvolle Stadt der Inka. C.H. Beck Anlässe Workshop « Agriculture Urbaine », 27. Oktober 2012 in Bern. Referentin: Dr. Joelle Salomon Cavin Podiumsdiskussion „Urban Agriculture - Rückeroberung der Stadt durch die Landwirtschaft?, 2. November 2012 in Basel. Referenten: Monika Jäggi, Emanuel Trueb, Maya Graf, Isidor Wallimann, Armin Zimmermann. Refarm „Nahrungsmittel in der Stadt für die Stadt“, 10. Januar 2013 in Basel. Referent: Roman Gaus, UrbanFarmers ZinCo Gründachseminar, 4. März 2013 in Egerkingen. Referenten: Bernhard Lamprian, Wolfgang Ansel Internet Bundesamt für Statistik http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/06/blank/key/02/06.html (05.04.2013) Climate Institute Corinne Kisner (2008): http://www.climate.org/topics/international-action/urban-agriculture/havana.htm (11.12.2012) Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) http://www.fao.org/sd/ppdirect/ppre0073.htm (10.12.2012) Fussball Club Basel (FCB) http://www.fcb.ch/news/show/byItemID//10044/28052 (26.03.2013) Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) http://www.heks.ch/schweiz/neue-gaerten-in-der-schweiz/ (12.12.2012) Historisches Lexikon der Schweiz http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16602.php (12.12.2012)

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Honig-Schmidt http://www.honig-schmidt.de/honig-blog/honig/heuschnupfen-und-honig/ (27.03.2013) Interkulturelle Gärten http://www.interkulturelle-gaerten.ch/index.php?option=com_content&view= category&layout=blog&id=41&Itemid=65&lang=de (12.12.2012) Neosmart Consulting AG http://www.zentrum-der-gesundheit.de/pestizide-im-essen-ia.html (24.03.2013) RehaClinic http://www.rehaclinic.ch/cms/fileadmin/user_upload/pdf/Medienberichte/COM_1-2_2012_Gartentherapie.pdf (31.03.2013) Ressource Centers on Urban Agriculture & Food Security (RUAF) http://www.ruaf.org/node/512 (25.03.2013) http://www.ruaf.org/node/513 (23.03.2013) Sidewalksprouts http://sidewalksprouts.wordpress.com/history/international-history-of-urban-ag/ (11.12.2012) http://sidewalksprouts.wordpress.com/history/wwii/ (11.12.2012) Speiseräume Stierand, Philipp (2012): http://speiseraeume.de/faq-urbane-landwirtschaft/ (23.03.2013) Stierand, Philip (2010): http://speiseraeume.de/faq-gemeinschaftsgaerten/ (12.02.2013) Umweltdatenbank http://www.umweltdatenbank.de/lexikon/monokultur.htm (31.03.2013) Urban Agriculture Netz Basel (UANB) http://www.urbanagriculturebasel.ch/300-project.php?pid=14 (23.03.2013) http://www.urbanagriculturebasel.ch/220.php (31.03.2013) http://www.urbanagriculturebasel.ch/Documents/20120809-Honigprobe.pdf (19.02.2013) UrbanFarmers (UF) http://urbanfarmers.com/ (12.12.2012) http://urbanfarmers.com/company/business-model/ (25.03.2013) Verein Landhof http://www.landhof.ch/cms/front_content.php?idcat=87 (07.03.2013) Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Landhof (26.03.2013) http://de.wikipedia.org/wiki/Varroamilbe (23.03.2013) http://en.wikipedia.org/wiki/Urban_beekeeping (23.03.2013) Bill (2011): http://aquaponicstips.com/ (11.12.2012) Bunkahle, Andreas: http://www.bunkahle.com/Aktuelles/Gesundheit/Schreberverein _Schrebergaerten.html (11.12.2012) Gensch, Robert Mark (2005): http://www2.gtz.de/Dokumente/oe44/ecosan/de-Urbane-Landwirtschaft-in-Havanna-2005.pdf, S. 11 (31.03.2013) Graber, Andreas, ZHAW: http://www.hortikultur.ch/pub/files/195.pdf, S. 1 (12.12.2012)

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Graber, Andreas & Kunz, Martina (2007): http://www.hortikultur.ch/pub/files/217.pdf, S. 34 (12.12.2012) Künzli, Tilla: http://keinkaufswagen.ch/?page_id=30 (12.12.2012) Liermann, Bernd: http://www.antikefan.de/staetten/italien/pompeji/pompeji.html (11.12.2012) Matulla, E. und C., Bray, D.(2003): http://www.hzg.de/imperia/md/content/gkss/zentrale _einrichtungen/bibliothek/berichte/gkss_berichte_2003/gkss_2003_6.pdf, S. 10 (23.03.2013) Osterwalder, Rahel (2012): http://www.greenpeace.de/themen/chemie/presseerklaerungen /artikel/interview_pestizide_in_lebensmitteln_und_deren_auswirkungen_auf_mensch_und_umwelt/ (24.03.2013) Pomrehn, Wolfgang (2005): http://www.zeitenschrift.com/news/sn-221105-saatgut.ihtml (23.03.2013) Rasper, Martin (2012) http://www.evidero.de/themen/urban-gardening-was-soll-das-eigentlich (31.03.2013) Rosol, Marit (2006): http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/rosol-marit-2006-02-14/HTML/chapter2.html#N10326 (12.12.2012) Ulrich, Hannelore: http://www.gartenfreunde-klein-stroebitz.de/index.php/historisches/historie-der-kleingaerten (11.12.2012) http://gartenpark.goetheanum.org/uploads/media/Gartenbau_01.pdf (12.12.2012) www.milhahnspurensuche.de/berufeackerbuerger.html (11.12.2012) http://www.verticalfarm.com/ (23.03.2013) Medien, Online Zeitungen Das Erste, Szelenyi, Andreas (2012): http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2012/acker-100.html (11.12.2012) Das Erste, Zierul, Sarah (2012): http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2012/bienen-100.html (30.03.2013) Süddeutsche Zeitung, Machalke, Kristina (2012): http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/550604 (31.03.2013) Woz, Dyttrich, Bettina (2012): http://www.woz.ch/1243/danach-konferenz/neue-gaerten-und-ein-nuetzlicher-marxist (24.03.2013) Stil-Tipp vom Dienstag, 12.06.2012, 14.20 Uhr, SRF 3 Interviews, E-Mail Kontakt Interview: Stadtimker Andreas Seiler, 13.02.2013, Interview siehe Anhang Interview: Stadtgärtnerin Dominique Oser Landhof, 30.03.2013, Interview siehe Anhang Emailkontakt: Restaurant Schmatz, [email protected], 13.03.2013

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Emailkontakt: Andreas Graber, [email protected], 25.03. 2013 Emailkontakt: Restaurant Viertel-Kreis, [email protected], 25.03.2013 Emailkontakt: Restaurant Parterre, [email protected], 29.03.2013 Emailkontakt: Restaurant Schifferhaus, [email protected], 04.04.2013 Abbildungen Titelbilder: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/69/Seattle_skyline_day.jpg

(09.04.2013)

http://static6.depositphotos.com/1065894/550/i/950/depositphotos_5505427-Sugar-cubes.jpg (09.04.2013)

Abb. 1: http://urlaubsfoto.org/archives/12-Machu-Picchu.html (11.12.2012) Abb. 2:http://www.bunkahle.com/Aktuelles/Gesundheit/Schreberverein_ Schrebergaerten.html (11.12.2012) Abb. 3: http://www.geschichteinchronologie.ch/eu/ch/mag-i-no-ko/04-aug-okt-1940-invasionsplaene-anbauschlacht-ruestung.html (12.12.2012) Abb. 4: http://womenshistory.about.com/od/worldwariiposterart/ig/World-War-II---Victory-Home/Plant-a-Victory-Garden.htm (11.12.2012) Abb. 5: http://prinzessinnengarten.net/wir/ (12.12.2012) Abb. 6: http://inspirationgreen.com/urban-ag.html?start=20 (12.12.2012) Abb. 7: http://www.are.admin.ch/themen/agglomeration/ (27.03.2013) Abb. 8: http://greenings.tv/wp/wp-content/uploads/2012/07/UANbasel-logo-200x120.jpg (23.03.2013) Abb. 9: Eigene Grafik Abb. 10: http://www.urbanagriculturebasel.ch/images/proj/balkongarten-002.jpg (23.03.2013) Abb. 11 und 12: http://keinkaufswagen.ch/?page_id=483 (13.12.2013) Abb. 13: http://ivinfo.wordpress.com/tag/guerilla-gardening/ (13.12.2013) Abb. 14: http://www.onlinereports.ch/News.109+M586a6c080c3.0.html (15.12.2013) Abb. 15: http://www.landhof.ch/cms/front_content.php?idcat=87 (25.03.2013) Abb. 16: http://www.landhof.ch/cms/front_content.php?idcat=57 (26.03.2013) Abb. 17:https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2189852346575&set=oa. 157331914336109&type=1&theater (01.04.2013) Abb. 18: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2189949909014&set=oa. 157351167667517&type=1&theater (01.04.2013)

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Abb. 19: Eigene Aufnahme vom 30. März 2013 Abb. 20: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=4442068698173&set=o. 155419157860718&type=3&theater (01.04.2013) Abb. 21: http://www.onlinereports.ch/OEkologie.113+M553ce73f5a2.0.html (01.04.2013)

Abb. 22: http://www.20min.ch/schweiz/basel/story/Der-Stadt-Imker-vom-Gundeli-21909101 (25.03.2013)

Abb. 23: http://danimu.ch/Basel-Gundeldingerfeld-Gundeli/Basel-Gundeldingen-Gundeli-Gundeldingerfeld-anderes-1000-2.jpg (25.03.2013)

Abb. 24: http://www.urbanagriculturebasel.ch/300-project.php?pid=8 (25.03.2013)

Abb. 25: http://www.statistik-bs.ch/karten/quartier/06/daten (01.04.2013)

Abb. 26: http://www.swissinfo.ch/media/cms/images/null/2011/07/img_4831-30630464.jpg (01.04.2013)

Abb. 27: http://myaquaponic.wordpress.com/ (12.12.2012)

Abb. 28 und 29: http://bazonline.ch/basel/stadt/Frischer-Fisch-direkt-vom-Dreispitz/story/12524812 (02.04.2013)

Tab. 1: Eigene Tabelle

Bilder für den Fragebogen (Abb. 30): http://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Spektrum (01.02.2013)

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karte_Basel_Quartiere.png?uselang=als (01.02.2013)

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9. Anhang Fragebogen Gemeinschaftsgarten Landhof (Online Version)

Alter Geschlecht

____ Jahre ☐ weiblich ☐ männlich

Abschluss

☐ Universität/FHS ☐ Sekundarschule ☐ Anderes

☐ Weiterführende Schule ☐ Berufslehre

Beschäftigung

☐ Vollzeit ☐ In Rente ☐ Studium/Schule

☐ Teilzeit ☐ Unbezahlte Arbeit ☐ Anderes

Tätigkeitsbereich/Beruf

In welchem Tätigkeitsbereich arbeiten Sie? (z.B.: Kultur, Technik, Handel, Umwelt usw.)

Klicken  Sie  hier,  um  Text  einzugeben.

Was ist Ihr Beruf?

Klicken  Sie  hier,  um  Text  einzugeben.

Motivation

Aus welchem Grund/Gründen wirken Sie im Gemeinschaftsgarten mit?

☐Sportliche Betätigung, fit sein

☐Gesündere Ernährung

☐Hobby, Unterhaltung

☐Etwas zur Gemeinschaft beitragen

☐Bildung, Lernen

☐Umwelt (Nachhaltigkeit, Umweltschutz)

☐Kontakte knüpfen, Gemeinschaft

☐Familiäre Aktivität

☐ Anderes:Klicken  Sie  hier,  um  Text  einzugeben.

Familie

Haben Sie Kinder?

☐Ja ☐Nein

Alter der Kinder:Klicken  Sie  hier,  um  Text  einzugeben.

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Helfen die Kinder im Gemeinschaftsgarten mit?

☐Ja ☐Nein

Besitzen Sie einen eigenen Garten?

☐Ja ☐Nein

Politische Ansichten

Positionieren Sie sich mit einem Punkt auf dieser Graphik. ☐ Keine Angaben

Umweltengagement

Wie wichtig sind Ihnen Umweltfragen- und Probleme?

☐ Sehr wichtig ☐ Weniger wichtig

☐ Wichtig ☐ Nicht wichtig

Wie äussert sich Ihr Engagement in Umweltfragen- und Problemen? (Mehrfachnennungen möglich)

☐Mitglied in einer ökologisch orientierten Partei (z.B. Grüne)

☐Mitglied in einer Vereinigung, die sich für Natur- und Heimatfragen einsetzt (z.B. Natur- und Heimatschutz, SAC, WWF, Greenpeace etc.)

☐Ich wähle immer das ökologischste Transportmittel

☐Ich mache konsequentes Recycling

☐Beim Einkaufen achte ich auf Abfallvermeidung

☐Ich kaufe nur Produkte mit einem Ökolabel

☐Teilnahme bei Umwelteinsätzen (z.B. Waldputzete)

☐Anderes:Klicken  Sie  hier,  um  Text  einzugeben.

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Markieren Sie in der Karte Ihren ungefähren Wohnort. Falls sich Ihr Wohnort nicht auf der Karte befindet, schreiben Sie ihn in das Kästchen: Klicken  Sie  hier,  um  Text  einzugeben.  

 

 

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Interview mit einem Stadtimker Am Dienstag 19. Februar 2013 traf ich mich mit dem Stadtimker Andreas Seiler im Gundeldingerfeld. Nach dem Interview, das etwa eine Stunde gedauert hat, stiegen wir auf das Dach über dem Bio Bistro und besuchten seine Bienen. Ich hatte den perfekten Zeitpunkt erwischt, denn die Bienen haben an diesem Tag wieder begonnen auszufliegen.

Seit wann sind Sie Imker?

Seit fünf Jahren. Ein Standort ist hier, auf dem Gundeldingerfeld und der andere beim Schützenmattpark, wo ich wohne.

Sind beide Standorte auf Dächern?

Genau, beide auf Flachdächern. Hier befindet es sich direkt über dem Bio Bistrot, das ich leite.

Was war Ihre Inspiration in der Stadt zu Imkern?

Es ging mir eigentlich gar nicht um Urbane Landwirtschaft, sondern darum, wie man das freistehende Flachdach besser nutzen könnte. Dabei kam die Idee mit den Bienen auf und ich ging dem Thema etwas nach. Sobald ich mich damit befasst hatte, merkte ich, dass es gar nicht so aussergewöhnlich ist, dass es schon andere Leute tun, zum Beispiel in Paris, Berlin oder auch New York. Ich stiess dann auf einen Artikel von einem Imker aus Paris, der seine Bienen auf einem Dach zwischengelagert hat, keine Zeit mehr für sie hatte, die Kiste zwei Wochen auf dem Dach stehen liess und ganz erstaunt war als er Honig vorfand. Das hat mich dazu motiviert, dies mal auszuprobieren.

War das Imkern völlig neu für Sie, oder kannten Sie das zum Beispiel von den Grosseltern schon?

Ja, das war etwas ziemlich Neues. In Muttenz, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir zwar einen Garten, aber hielten selbst keine Bienen. Wir kannten aber eine Person, die geimkert hat und hielten auch Kontakt zu ihr. Zu dieser Zeit interessierte mich das Imkern aber nicht gross. Der Bezug zur Landwirtschaft war da, aber nicht speziell zum Imkern.

Betreiben Sie das Imkern nur als Hobby, oder als Haupttätigkeit?

Das ist ein Hobby, auch wenn es etwas in den Beruf, das Restaurant einfliesst. Ich nenne es gerne einen Miniaturkreislauf, das wir hier im Gundeldingerfeld haben. Die Bienen bestäuben unsere Kräuter, die wir für das Bio Bistro anpflanzen, die organischen Abfälle werden kompostiert und kommen wieder direkt zur Anwendung.

Ich nehme an, Sie haben keine Erfahrung als Imker auf dem Land.

Ja, das stimmt.

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Können Sie sich dennoch vorstellen, dass es bestimmte Unterschiede gibt, die Stadt sogar besser dafür geeignet ist?

Es ist tatsächlich so, dass die Stadt vor allem deshalb attraktiver ist, da immer etwas am Blühen ist, gleichzeitig fehlen die Pestizide. Im Vergleich zu früher ist das Land viel eintöniger geworden. Die Artenvielfalt ist in der Stadt viel grösser. Deshalb kann man auch sagen, dass man in der Stadt mehr Honig produzieren kann. Das Sammeln beginnt bereits im Januar, Februar mit den Krokussen und im November hört es dann auf, mit dem Efeu.

Wie reagiert die Nachbarschaft auf die Bienen?

Die Nachbarschaft ist tatsächlich ein wichtiger Punkt. Bis jetzt hatten wir noch keine Probleme mit der Nachbarschaft. Es könnte kritisch werden, wenn jemand gestochen wird und uns verklagt, da wir ja wirklich die „Verantwortlichen“ sind. Dies ist aber, wie gesagt, noch nicht passiert. Viele verwechseln Bienen auch oft mit den aggressiveren Wespen und fühlen sich dementsprechend belästigt. In diesem Fall kann ich aber auch den Leuten die Angst nehmen, indem ich ihnen den Unterschied aufzeige, vielleicht so auch die Leute „sensibilisiere“ und ihr Interesse für die Bienen wecke.

Das Schwärmen ist ein weiterer Aspekt. Wenn ein Volk zu gross wird, kann es vorkommen, dass ein Teil ausschwärmt. Das kann sehr eindrücklich sein für Leute die das nicht kennen, wenn da nicht nur eine einzelne Biene, sondern ein ganzer Schwarm vorbeifliegt. Ich bin mir am überlegen, ob sich das vermeiden lässt. Man könnte die Völker auch selbst teilen, und in ein neues Magazin setzen, obwohl das dann ein „Eingriff“ von Menschenhand in die Natur wäre. Und wie reagiert die Stadtbehörde?

Im Moment gibt es seitens der Behörden noch keine Reaktionen. Ich kann mir vorstellen, dass, wenn das Interesse steigt und immer mehr Leute in der Stadt Bienen halten wollen, es eine klare Regelung brauchen wird und die Behörden sich dann einschalten werden.

Braucht es eine Sondergenehmigung um das Imkern in der Stadt zu betreiben?

Eine Sondergenehmigung braucht es keine. In jedem Imkerverein in der Schweiz, welche alle kantonal organisiert sind, gibt es aber einen sogenannten Bienen-Inspektor. Er achtet darauf, dass die Imker die vorgegebene gute „imkerliche“ Betriebsweise und die Herstellungspraxis einhalten um so gesunde Bienenvölker zu haben. Dabei gibt es Vorgaben vom Veterinäramt. Dies insbesondere in Bezug auf Bienenkrankheiten wie Sauerbrut, Faulbrut und die Varoamilbe.

Sind Sie in einem Verein?

Ja, ich bin Mitglied beim Urban Agriculture Netz Basel und beim Imkerverein Baselstadt.

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Kennen Sie oder haben sie schon von anderen Stadtimkern in Basel gehört?

Man geht von etwa 500 Personen aus, die hier in Basel imkern. Diese Zahl ist aber nicht offiziell, ich habe sie aus zweiter oder dritter Hand. Das sind aber ausschliesslich Hobbyimker. Zu ihnen zählen auch einige Leute, die an den Stadträndern herum Imkerei betreiben, zum Beispiel in Binningen, Riehen oder Birsfelden.

Im sogenannten Imkerhock treffen wir Imker uns regelmässig, um uns über unsere Bienen auszutauschen.

Sind Ihre Völker auch vom Bienensterben betroffen?

Das Bienensterben selbst ist bei mir noch nie aufgetreten. Es ist aber schon oft passiert, dass nach einem Winter die Königin plötzlich verschwunden war. Ohne Königin kann das Volk nicht funktionieren. Auch war ein Magazin nach einem Winter plötzlich leer, aus unerklärlichen Gründen.

Was aber ein richtiges Problem ist, ist die Varoamilbe. Die Varoamilbe kommt in jedem Bienenvolk vor. Es gibt leider keine Varoa freie Bienenvölker in der Schweiz. Zur Bekämpfung wende ich Mitte Juli und Anfangs August Ameisensäure an. Ameisensäure verdampft dabei während einer, beziehungsweise zwei Wochen im Bienenvolk und vermindert so die Varoabelastung. Im Dezember gibt es eine sogenannte Träufelbehandlung mit Oxalsäure. Diese Behandlung sollte durchgeführt werden, wenn das Bienenvolk Brut frei ist. So können die meisten Varoamilben eliminiert werden.

Es gibt eine interessante Theorie von Leslie Bailey. Er sagt, dass es genügend andere Insekten gibt, die die Pflanzen bestäuben. Es gebe aber zu viele Bienen, eine Monokultur. Weil es zu viele gibt, werden viele von Krankheiten dahingerafft. Ich achte auf eine kleine Bienendichte, dass es also keine „Massentierhaltung“ wird. So kann verhindert werden, dass sich Krankheiten schnell ausbreiten.

Wie viele Bienenvölker besitzen Sie?

Momentan sind es drei Völker. Einer steht hier, auf dem Dach. Die zwei anderen in der Nähe des Schützenmattparks.

Wissen Sie wie viele Bienen es im Ganzen sind?

Im Winter sind es zwischen 8’000 und 15’000 Bienen und im Sommer zwischen 30’000 und 50’000.

Bieten Sie verschiedene Honigsorten an?

Wir bieten Mischhonig an, denn das Blütenangebot variiert von Jahr zu Jahr. Manchmal ist auch Waldhonig dabei. Das ist der zuckerhaltige Saft den die Blattläuse absondern.

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Der Honig ist in diesem Fall auch jedes Jahr etwas anders, was den Geschmack und die Farbe angeht?

Genau so ist es. Sie weisen verschiedene Farbtöne auf. Das sieht man sehr gut an den Proben, die ich jedes Jahr mache. Wenn man die Honigproben miteinander vergleicht sieht und schmeckt man immer kleine Unterschiede.

Wo wird er verkauft?

Den grössten Teil verschenke ich, oder nehme ich für meine Familie und mich. Der Rest wird im Bio Bistro verkauft.

Wie viel Honig produzieren Sie durchschnittlich in einem Jahr?

Bei einem Wirtschaftsvolk können in einem guten Jahr bis zu 50 Kilogramm Honig geschleudert werden. Im Durchschnitt sind es aber ca. 15 Kilogramm pro Volk. Der Eigenbedarf liegt bei rund 10 kg/Jahr, was übrig bleibt wird verschenkt oder verkauft.

Das Thema Schadstoffe im Honig kommt sicher oft auf, ist das ein wirklich ein ernsthaftes Problem?

Das ist eine der Fragen die neben der Frage: Imkern in der Stadt? Geht das denn überhaupt? Am häufigsten gestellt wird. Der Honig wurde auf Schadstoffe, Schwermetalle etc. geprüft und ein minimer Unterschied wurde gefunden. Die Frage ist aber auch, ob der Honig vom Land nicht auch verschmutzter ist, als er es früher war, wenn man an Autobahnen, die Landwirtschaft mit den Traktoren und Pestiziden und den sonstigen Verkehr denkt. Zusätzlich kommt dazu, dass viele Pflanzen, die wir hier haben, geschlossene Blüten haben, die Biene erreicht den Nektar also nur dank ihres Rüssels. Es ist auch so, dass Bienen den Nektar filtern, bevor sie ihn einlagern.

Wie würden Sie Ihren Kundenkreis beschreiben, lässt sich dazu etwas Einheitliches sagen?

Die Personen, die sich für den Honig interessieren, sind gleichzeitig auch die, die in das Bio Bistro kommen. Also vor allem Menschen mit einem Sinn für Ökologie und solche die ein Produkt kaufen wollen, dass einen Bezug zum Quartier hat. Viele kaufen den Honig auch als etwas ausgefalleneres Geschenk.

Eine interessante Gruppe sind diejenigen die den Honig aus gesundheitlichen Gründen, mit einem homöopathischen Ansatz konsumieren.

Man sagt, dass es zum Beispiel gegen den Heuschnupfen helfen kann, wenn man Honig konsumiert, der aus dem gleichen Umfeld kommt, in dem man lebt. Die Bienen sammeln den Nektar der Pflanzen, die den Heuschnupfen auslösen.

Der Honig enthält also diese Stoffe in kleinen Dosen. Es ist sozusagen eine Art „Desensibilisierungstherapie“.

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Handelt es sich vor allem um jüngere oder ältere Menschen, oder ist es gemischt?

Es sind vor allem junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren die zum Kundenkreis gehören. Ich denke sie sind diejenigen, die sich am meisten für den „Trend“ der urbanen Landwirtschaft interessieren.

Haben Sie einen konstanten Kundenkreis, kommen immer wieder Dieselben?

Ja, beim Bio Bistro kommen eigentlich immer wieder die Leute aus dem Quartier vorbei, man sieht oft bekannte Gesichter. In letzter Zeit kommt immer die Frage auf ob es denn wieder Honig gebe, meine Antwort ist momentan leider immer nein.

Verkaufen Sie auch andere Bienenprodukte?

Wir haben einmal Handcreme aus dem Wachs produzieren lassen. Das machen wir jetzt aber nicht mehr. Daher sind wir nur auf Honig spezialisiert.

Was kann jeder einzelne dazu beitragen die Bienen in der Schweiz zu erhalten?

So viel pflanzen wie es geht, auch wenn es nur eine Topfpflanze auf dem Fenstersims ist.

Leben Sie selbst auch ökologisch?

Wir haben zwar keinen eigenen Garten, pflanzen nichts selber an, aber ich denke wir leben schon mit ökologischem Gedankengut. Wir haben beispielsweise kein Auto, sind bei Mobility angemeldet und ich fahre selbst mit dem Fahrrad zur Arbeit.

Sind Sie im Landhof Garten aktiv?

Aktiv nicht, aber ich gehe ab und zu vorbei, weil ich die Leute kenne. Ausserdem stand eine Zeit lang eines meiner Bienenmagazine bei ihnen. Wir mussten das Projekt aber leider abbrechen, aus Angst vor Vandalismus. Es ist zwar noch nichts passiert. Das Risiko besteht aber, denn der Garten ist frei zugänglich, jeder kann ihn betreten. Deshalb besteht auch die Möglichkeit, dass andere Imker das Volk klauen, weil ihres zugrunde gegangen ist.

Wir (Bio-Bistro) haben uns auch eine Zeit lang vom Landhof Garten beliefern lassen. Das Problem ist einfach, dass wir uns dabei in einer Grauzone befinden. Das Gemüse darf eigentlich nicht verkauft werden, denn das Stadtgebiet darf nicht zur Gemüseproduktion und zum Verkauf gebraucht werden. Man ist aber im Moment daran dieses Gesetz zu lockern.

Lässt sich das Bio-Bistro auch von den Urban Farmers beliefern?

Nein. Da wir ein Bio Restaurant sind, dürfen wir nur Lebensmittel verkaufen, die Bio produziert wurden und dies ist beim Hors-Sol Gemüse der Urban Farmers nicht der Fall.

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Denken Sie, dass es sich bei urbaner Landwirtschaft nur um einen vorüber-gehenden Trend handelt?

Das lässt sich schwer sagen. Klar machen es einige, weil es angesagt ist und hören nach einem Jahr wieder auf. Das kann ich aber auch verstehen, ein Garten (oder auch Bienen zu halten) ist eine Verantwortung, kann auch anstrengend sein und es verpflichtet einen. Leute zwischen 20 und 30 Jahren wollen sich vielleicht erst dazu verbinden lassen, wenn sie selbst sesshaft werden. Ich denke, man kann erst in einigen Jahren sagen, ob es wirklich nur ein Trend ist oder war.

Imkern Sie alleine oder haben Sie Helfer oder Assistenten?

Nein, ich imkere alleine. Das ist mein Ausgleich, neben der Familie, der Arbeit im Bistro und dem Alltag wo man immer mit Menschen in Kontakt ist und mit ihnen interagiert. Das Imkern mache ich für mich selbst und kann dabei gut abschalten. Dort komme ich wieder zur Ruhe.

Was fasziniert Sie am meisten an den Bienen?

Mich fasziniert, wie sie organisiert sind, wie sie miteinander kommunizieren. Sie leben in der völligen Dunkelheit, finden sich dort aber perfekt zurecht und fliegen dann raus ins grelle Licht. Sie können sich an beide Lichtverhältnisse problemlos anpassen. Auch ihre Arbeitsteilung finde ich sehr interessant, wie sie im Laufe ihres Lebens verschiedenste Arbeiten übernehmen. Sie sind zum einen Amme, werden dann „Architektin“ und bauen ihr Zuhause mit einer beeindruckenden Perfektion, bis sie schliesslich Wächterin werden und irgendwann Sammelbiene. Es scheint fast so als handle es sich um ein einziges Organismus, man spricht auch von „der Bien“. Die vielen Individuen sind Teil eines Ganzen. Sie bauen sich sozusagen ihr eigenes Knochengerüst, in das sie den Honig einlagern.

Was sind Ihre Pläne und Hoffnungen für die Zukunft?

Es wäre natürlich schön, wenn man den ganzen Aspekt der urbanen Landwirtschaft auch im Gundeldingerfeld vertiefen könnte. Wir sind uns am Überlegen den Kräutergarten auf das Dach über dem Bio Bistro zu verlagern. Das Problem ist aber, dass eine Schicht Humus mit dem Gemüse obendrauf einiges wiegt und dieses Dach nicht dafür konzipiert ist. Dieses Problem der Statik liesse sich aber umgehen, wenn man die Kräuter in den Kisten liesse und sie an den Seiten entlang platzieren würde, wo die Stützmauern das Gewicht aushalten könnten. Mir würde es natürlich auch gefallen, wenn die ganze Stadt etwas grüner werden würde und diese strikte Trennung: die Stadt ist sauber, grau, steril und das Dreckige, die Bauernhöfe gehören auf das Land, dass dieses Denken etwas aufgelockert werden würde und die Stadt als Biotop akzeptiert wird.

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Interview mit einer Stadtgärtnerin Am Mittwoch, 27. März 2013, habe ich den Landhof Gemeinschaftsgarten besucht und mit Dominique Oser gesprochen. Das Interview und die Führung dauerten etwa eine Stunde. Seit Anfang Jahr stehe ich mit ihr in Kontakt und sie ist es auch, die meinen Fragebogen an die Stadtgärtner weiterverteilt hat. Sie ist 29 Jahre alt, Fachfrau für biodynamische Landwirtschaft und seit Beginn an beim Gemeinschafts-garten mit dabei.

Wie ist der Gemeinschaftsgarten entstanden?

Das ganze Landhof Areal sollte mit Wohnblocks überbaut werden. Darauf ergriffen die Anwohner und Fussballfans das Referendum um die ganze Anlage in eine Grünzone umzuzonen, was dann auch angenommen wurde. Unser Teil war ja Parkzone, dies jedoch ist nicht mehr gestattet in einer Grünzone, somit musste diese Fläche umgestaltet werden. Die Stadtgärtnerei lud mehrere Organisationen von WWF, Ökostadt Basel, Urban AgriCulture Netz Basel usw. ein, mit der Anfrage ob jemand einen Gemeinschaftsgarten dort aufbauen möchte, à la Prinzessinengarten in Berlin. Die Stadtgärtnerei liess Ende April 2011 den ganzen Teer und die Häuser wegreissen und fuhr 30 cm Landerde hin und nun ging es nur noch darum wer macht’s. Bastiaan und ich von Urban Agriculture waren schlussendlich die einzigen die sagten, ja wir machen das, gebt uns Schaufeln und Pflanzen, dann fangen wir an. Am 9. Mai 2011 pflanzten wir die ersten Setzlinge in die frische Erde. Die Stadt-gärtnerei unterstützte uns mit Material von Werkzeug, Setzlingen, Erde etc. bis zu Tischen und Stühlen und verteilte für das Eröffnungsfest am 31. Mai 2011 allen umliegenden Bewohnern Setzlinge mit der Einladung diese am Eröffnungsfest pflanzen zu kommen. Seit Juni 2011 bieten wir nun zweimal in der Woche das gemeinsame Gärtnern an.

Du hast gesagt, dass Bastiaan Frich und damals bereits Mitglieder des Agriculture Netz Basel wart. Wie seid ihr zum UANB gekommen?

Bastiaan Frich, den ich damals schon gekannt hatte, hat mich dort eingeführt. Er war seit Anfang an dort dabei und hat den Verein sozusagen mitgegründet. Ich weiss aber nicht mehr genau wie auf den Verein aufmerksam wurde.

Wer ist sonst noch für den Gemeinschaftsgarten verantwortlich?

Bastiaan Frich und ich haben das ganze aufgebaut. Im Sommer 2011 kam Tilla Künzli als kreative Fachkraft dazu und im Moment haben wir eine ca. 15 köpfige Kerngruppe die mitentscheidet, organisiert und gärtnert.

Wie gross ist die Fläche die euch zur Verfügung steht?

Das ganze Areal, mit dem Platz und der Garage mit dem Aufenthaltsraum, ist etwas mehr als 1’000 m2 gross, den Garten schätze ich auf knapp 1’000 m2.

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Du hast gesagt, dass diese Fläche vorher eine Asphaltfläche war. Wie wurde diese verwendet?

Früher war da mal ein Zwischenlager einer Gärtnerei, danach ein Parkplatz. Es war eine geteerte Fläche mit verschiedenen Häuschen drauf, Kassenhäuschen und WC von ganz früher als es noch ein Fussballstadion war.

Habt ihr ausgebildete Fachkräfte, GärtnerInnen, die euch unterstützen?

Ich bin Fachfrau für biodynamische Landwirtschaft und war mein letztes Lehrjahr auf einem Gemüsebetrieb. Bastiaan lässt sich im Moment zum Permakulturdesigner ausbilden und studiert Biologie.

Woher kommt deine Begeisterung für Landwirtschaft?

Ich interessiere mich schon seit ich klein bin für Umwelt und Landwirtschaft. Das ist wohl einfach ein Teil von mir. Deshalb habe ich mich auch im Bereich der Landwirtschaft ausbilden lassen.

Wie äussern sich Permakultur und biodynamische Landwirtschaft im Garten?

Permakultur und biodynamische Landwirtschaft sind ja in erster Linie biologische Anbaumethoden, und der Garten wird biologisch angebaut. Das heisst ohne Einsatz von Pestiziden, Kunstdüngern und ähnlichem.

Ein Einfluss der biodynamischen Landwirtschaft ist der Einsatz eines Kalenders von Maria Thun. Wir benutzen ihn um zu sehen, wann der beste Zeitpunkt für die Aussaat oder die Ernte ist. Wir haben aber mehr Elemente die typisch für die Permakultur sind, zum Beispiel Mischkulturen, Kräuterspiralen, Hügelbeete, einen Kartoffelturm etc.

Wie funktioniert so eine Kräuterspirale?

Die Kräuter sind spiralförmig angeordnet, und steigen immer höher auf. Am höchsten Punkt werden die Kräuter gesetzt, die am Wärme liebendsten sind und es gerne trocken haben. Das Wasser fliesst nämlich oben am schnellsten ab. So lassen sich verschiedene „Höhenstufen“ kreieren und die Kräuter pflanzen wir dort wo es für sie am günstigsten ist. Die Steine speichern zudem Wärme und geben sie an die Pflanzen ab. Deshalb pflanzen wir dort viele mediterrane Kräuter.

Steht ihr auch mit anderen Gemeinschaftsgärten in Kontakt?

Ja, wir stehen in Kontakt mit Gärten, z.B. dem Prinzessinengarten in Berlin. Es kommen auch immer wieder Leute vorbei, die selbst einen Garten auf die Beine stellen wollen. Das sind meistens Menschen aus der ganzen Welt.

Was pflanzt ihr an?

Wir haben über 200 verschiedene Sorten. Einige sind auch sehr alt und unbekannt. Neben Gemüse und Kräutern haben wir seit neuem auch Beeren, sogar Kiwi.

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Wir würden auch gerne in Zukunft Apfelbäume und dergleichen pflanzen. Der grösste Teil des Saatguts bekommen wir von Pro Specie Rara.

Habt ihr keine Angst vor Vandalismus? Der Garten ist ja frei zugänglich und nicht abgeschlossen.

Nein, da haben wir keine Bedenken. Er ist zum einen gut geschützt, durch die Häuserreihen und die Nachbarn. Und andererseits sieht man, dass er gepflegt wird und oft Leute da sind. Vielleicht ist dann der Wunsch etwas kaputt zu machen weniger vorhanden. Kriminalität wird ja vor allem dadurch gefördert, wenn das Umfeld heruntergekommen und verwahrlost ist. Die einzigen, die mal etwas stehlen oder kaputt machen, sind die normalen „Lausbuben“. Sie werfen Tomaten durch die Luft oder klauen auch mal eine Melone. Das ist aber meistens einfach aus Spass.

Steht bei euch die Selbstversorgung im Mittelpunkt?

Es geht vor allem darum einen Treffpunkt zu schaffen, einen Ort an dem alle gleich sind, wo das „Wir“ im Vordergrund steht, nicht das „Ich“. Der soziale Hintergrund ist schon wichtig. Aber wir wollen natürlich auch aufzeigen, wie man und dass man sich in der Stadt mit Lebensmitteln aus der Stadt versorgen kann.

Kann sich Basel mit Urban Farming selbständig versorgen?

Nein, ich denke nicht. Dazu sind zu wenige Flächen vorhanden. Aber wenn man die Dächer miteinbezieht, wie die UrbanFarmers es tun, das wäre vielleicht möglich. Und diese Dachflächen könnte man natürlich auch als Gemeinschaftsgärten nutzen, das gibt es ja in New York bereits.

Ist Urban Farming nur ein Trend?

Ich hoffe nicht! Aber das kann man im Moment nicht genau sagen. Die ganze Bewegung hat ja in Entwicklungsländern gestartet und dort ist es zu einem wichtigen Thema geworden. Dort ist es sicher kein Trend, sondern hilft den Leuten zu überleben. Bei uns sieht das schon anders aus, wir brauchen den Garten ja im Grunde nicht um uns mit Lebensmitteln zu versorgen. Ich denke aber, dass wir mit dem Gemeinschaftsgarten einen wertvollen Treffpunkt gewonnen haben und wir sicher noch eine lange Zeit bestehen werden können.

Hast du schon von den UrbanFarmers gehört?

Ja, das sind doch die mit den Fischen?

Ja genau. Was denkst du über ihre Art in der Stadt zu produzieren?

Ich muss zugeben, dass ich nicht ganz hinter ihrem System der Hortikultur stehe. Ich finde es besser, wenn direkt in der Erde gepflanzt wird. Es ist aber sehr interessant, das ist klar. Sie haben uns vom UANB übrigens auch angefragt ob sie sich unserem Verein anschliessen könnten. Das klappte leider nicht, denn Hortikultur ist nicht biologisch zertifiziert. Und wir unterstützen nur biologisch zertifizierte Projekte.

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Sind Autoabgase oder sonstige Schadstoffe ein Problem?

Wir sind gut von der Strasse geschützt durch die Häuserreihen. Viele konventionell bewirtschaftete Flächen befinden sich direkt an einer Autobahn, ohne Hecken oder ähnliches. Für uns ist es deshalb kein grosses Problem.

Wird der Garten bestehen bleiben, oder handelt es sich um eine Zwischen-nutzung?

Am Anfang hiess es wir bekommen den Garten für zwei Jahre, irgendwann hiess es bis Ende 2013 und nun kommt es darauf an wie das ganze Landhof Areal umgestaltet wird. Uns ist es ein grosses Anliegen, dass der Garten bleiben kann. Wir haben gute Chancen aber keine definitive Gewissheit.

Wie ist der Garten organisiert?

Jeder kommt wenn er Lust hat. Wir haben ein Tagebuch wo man einschreiben kann was gemacht wurde. Es ist sehr unbürokratisch und locker, aber das System funktioniert super.

Dann habt ihr aber auch keine wirklichen Mitglieder. Ja das stimmt, Mitglieder vom Garten gibt es keine. Es sind auch nicht alle die Gärtnern kommen Mitglied vom Verein Urban Agriculture Netz Basel. Und ich habe auch keine Ahnung wie viele Menschen in den Garten kommen, gekommen sind, regelmässig immer wieder kommen. Den Tausendsten Besucher hatten wir sicher schon. Alleine am Frühlingsfest 2012 waren es etwa 400 Leute und am Permakulturtag um die 100. An den gemeinsamen Gärtnertagen kommen zwischen drei bis fünf Leute im Winter und zehn bis 40 Leute im Sommer. Es ist sehr unterschiedlich.

Verkauft ihr eure Produkte?

Teilweise kommen Leute die nur ernten. Diese legen dafür einen freiwilligen Beitrag in die Projektkasse.

Kann man einfach das abernten was man möchte oder wird es gleichmässig auf alle Gärtner verteilt?

In der Regel ernten wir zusammen, was zu ernten ist und jeder nimmt dann am Schluss mit, was er möchte. Es hat so lange es hat. Die Leute sind eher vorsichtig, es bleibt also eher etwas übrig, als das der letzte gar nichts mehr hat. Auch zu Beginn als wir unser Projekt lancierten, war eher das Problem, dass sich niemand in den Garten getraut hat. Mir ist erzählt worden, dass eines Nachts zwei Gestalten in den Garten gekommen sind und geerntet haben. Jemand hat sie vom Balkon aus beobachtet und ihnen zugerufen weshalb sie nicht am Tag kommen, man sehe ja gar nichts. Und sie haben geantwortet, dass sie kein Deutsch sprechen würden. Wir vom Landhof Garten sind offen für alle, jeder ist bei uns willkommen, aber leider viele trauen sich viele nicht.

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Gibt es spezielle Events im Garten oder für die Stadtgärtner?

Wir feiern zwei bis drei Feste im Jahr mit Essen, Trinken, Musik etc. Wir bieten auch verschiedene Workshops an, von Lehmofenbau, Kräuterspiralebau bis zu Kursen über Wassermanagement und auch Anässe wie den Permakulturtag an. Manchmal kochen wir ganz spontan nach dem Gärtnern oder machen einen Pizza Abend. Im Sommer musizieren und singen wir einen Abend in der Woche.

Gab es schon kritische Stimmen aus der Nachbarschaft, die zum Beispiel keine Feste vor der Haustüre haben wollen oder sich belästigt fühlen?

Das ist bis jetzt nicht vorgekommen. Es ist für sie selbst eine Bereicherung, einen solchen Garten direkt vor der Haustüre zu haben, sie profitieren davon. Viele freuen sich besonders an den Vögeln. Seit der Garten hier ist gibt es scheinbar auch mehr Vögel. Nur einmal als es beim Singabend und Musizieren etwas spät wurde haben sich einige gemeldet und gefragt ob es das nächste Mal möglich wäre nicht mehr nach acht Uhr so laut Trommel zu spielen.