Urteilen zwischen Intuition und Reflexion Mark Schweizer.

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Urteilen zwischen Intuition und Reflexion Mark Schweizer

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Urteilen zwischen Intuition und

Reflexion

Mark Schweizer

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Von hundert getesteten Autofahrern ist einer betrunken.

Bei 95% der betrunkenen Autofahrer zeigt das Röhrchen an, dass sie betrunken sind.

Bei 5% der nicht betrunkenen Autofahrern zeigt das Röhrchen ebenfalls an, dass sie betrunken sind.

Das Röhrchen zeigt ein positives Resultat. Wie gross ist die Wahrschein-lichkeit, dass der getestete Autofahrer betrunken ist?

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„Nur 0,01% aller Männer, die ihre Frau schlagen, bringen sie auch um.“

(Dershowitz)

Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine ermordete Frau von ihrem schlagenden Mann getötet wurde?

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Der Trugschluss des Anklägers

10‘000

100 9‘900

betrunken nüchtern

95 5 495 9‘405

95 : (95 + 495) = 0,16

5%95%

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Inverse fallacy

Wahrscheinlich-keit, dass ein schlagender Mann seine Frau tötet

Wahrscheinlich-keit, dass eine getötete Frau von ihrem schlagenden Mann getötet wurde

≠ (0,1%)

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Inverse fallacy

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Inverse fallacy

Von 10‘000 geschlagenen Frauen wird eine von ihrem Mann getötet, und eine weitere von einem Dritten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine geschlagene Frau von ihrem Mann getötet wurde, beträgt daher 50%.

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Zwei Systeme des Denkensintuitiv, assoziativ reflexiv, deduktiv

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Zwei Systeme des Denkens

System 1automatischmühelosassoziativschnell, parallelunbewusst

System 2beherrschtanstrengenddeduktivlangsam, seriellbewusst

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Zwei Systeme des Denkens

System 1affektivkausalkonkret, spezifisch

System 2neutralstatistischabstrakt

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Einfluss auf richterliche Urteile

Ankereffekt (anchoring) Darstellungseffekt

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Ankereffekt (anchoring)

65 10

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65 10

45% 25%

(35%)

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Strafantrag: 12 MonateStrafmass: 28 Monate

34 Monate36 Monate

Ankereffekt (anchoring)

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Spiel um Gewinne

Würden Sie lieber Fr. 240 sicher erhalten oder eine Chance von 25%, Fr. 1‘000

zu gewinnen und eine Chance von 75%, nichts zu gewinnen?

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Spiel um Verluste

Würden Sie lieber Fr. 750 bezahlen oder ein Risiko von 75% eingehen, Fr.

1‘000 zu verlieren und eine Chance von 25%, nichts zu verlieren?

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Erwarteter Wert

1. Fr. 240 < 0,25 x Fr. 1‘000

2. –Fr. 750 = 0.75 x - Fr. 1‘000

84%84%

87%

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Risikoscheu bei möglichen Gewinnen

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Risikogeneigt bei möglichen Verlusten

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Kläger wählt zwischen möglichen Gewinnen

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Beklagter wählt zwischen möglichen Verlusten

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Darstellungseffekt

Folge: Beklagte gehen zu hohe Risiken ein und schlagen selbst günstige Vergleichsangebote aus

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50% 50%

Kläger Beklagte

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70%

30%

KlägerBeklagte

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Vergleichsangebot

Beklagter zahlt Fr. 50‘000 an Kläger

Kläger: Fr. 50‘000 sicherer Gewinn oder 50% Chance Fr. 100‘000 zu gewinnen und50% Chance nichts zu gewinnen

Beklagter: Fr. 50‘000 sicherer Verlust oder 50% Risiko Fr. 100‘000 zu verlieren und50% Chance nichts zu verlieren

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Vergleichsempfehlung durch Richter

Sicht Kläger

Sicht Beklagter

CH 57% 43%

USA 40% 25%___

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Fehlervermeidung

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Fehlervermeidung

Ausbildung

Zeit

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Fehlervermeidung

keine Begründung

schriftliche Begründung

mündliche Begründung

freies Ermessen, wenig Präjudizien

eingeschränktes Ermessen, wenig Präjudizien

eingeschränktes Ermessen, viele Präjudizien

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Nicht beachten von P(I | ¬H)

Die Beweiskraft eines Indizes ergibt sich aus Beantwortung der Fragen

a) Wie häufig kommt das Indiz bei der Haupttatsache vor?

b) Wie häufig kommt das Indiz (auch) bei der Nicht-Haupttatsache vor?

c) Wo kommt das Indiz häufiger vor, bei a) oder b)?

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Nicht beachten von P(I | ¬H)

Intuitiv schliesst man aber daraus, wie typisch ein Indiz bei Vorliegen der Haupttatsache ist, auf seine Beweiskraft

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Nicht beachten von P(I | ¬H)

aus Weltwoche 18/2009

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Nicht beachten von P(I | ¬H)

Aber: das Bestreiten der Schuld ist noch viel wahrscheinlicher bei einem Unschuldigen, der keine pädophilen Neigungen hat.

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Nicht beachten von P(I | ¬H)

Ergo: Bestreiten der Schuld bleibt ein entlastendes Indiz, wenn auch nur schwach entlastend

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