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Uwe Schubert, Dipl.-Ing.Chem. BZR – Institut, Bonn Siebenmorgenweg 2 - 4 53229 Bonn Tel.: 0228 – 46 95 89 Fax: 0228 – 47 14 97 www.bzr-institut.de [email protected] Die Asbestrichtlinie – Seit 23 Jahren ein bewährtes Instrument für die richtige Gefährdungsabschätzung ? 20. Forum Asbest 2011 - Erfahrungsaustausch der Sachkundigen

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Uwe Schubert, Dipl.-Ing.Chem.

BZR – Institut, Bonn Siebenmorgenweg 2 - 4

53229 Bonn

Tel.: 0228 – 46 95 89 Fax: 0228 – 47 14 97

[email protected]

Die Asbestrichtlinie – Seit 23 Jahren ein bewährtes Instrument für die richtige Gefährdungsabschätzung ?

20. Forum Asbest 2011 - Erfahrungsaustausch der Sachkundigen

20. Forum Asbest 2011 - Erfahrungsaustausch der Sachkundigen

Erst Bohren, dann Fragen ???Brandschutzertüchtigung in einer Grund- und Real- schule im August 2011 (Sommerferien). Ein Ge-fahrstoffkataster oder eine Gefährdungsabschät-zung zu schwach gebundenem Asbest lag nicht vor.

Ausrede:

„Wir sind doch selbst Genehmigungsbehörde!“

Asbesthaltige Brandschotts herausgestoßen Asbesthaltige Brandschutzfüllungen durchgebohrt

08. 2011

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Spritzasbest an den Unterzügen in den Ver-kaufsräumen eines großen Warenhauses

Aktenraum mit Arbeitsplätzen im Warenhaus

als reine Promabestkonstruktion

Ein Gefahrstoffkataster oder eine Gefährdungs-abschätzung zu schwach gebundenem Asbest lag nicht vor.

Ausrede des Eigentümers der baulichen Anlage

„Wo steht dat, dat man dat han muss?“

08. 2009

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Kreisverwaltungsgebäude

Promabest in allen Innenräumen, der Kantine, den Büros, den Versammlungsräumen und

den Fluren. Es lag weder ein Gefahrstoffkataster noch eine

Gefährungsabschätzung für schwach gebundenen Asbest vor.

Hinweis:

„Der Baudirektor und der Leiter des Gesundheitsamtes sitzen doch selbst in einem solchen Büro!“

05.2008

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Energetische Ertüchtigung

Grundschule im Oberbergischen Land

Ausrede des Verfügungsberechtigen der baulichen Anlage:

„Ich bin Betriebswirtin, ich muss das nicht wissen. Wozu habe ich einen Architekten?“

08.2011

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Seit wann muss ich das wissen und wo steht das?

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Gem. § 319 StGB „Baugefährdung“(1) Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Gem. § 325 StGB „Luftverunreinigung“(1) Wer beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder Maschine, unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Veränderungen der Luft verursacht, die geeig-net sind, außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereiches die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

Warum muss ich das wissen und wo steht das?

Gem. § 326 StGB „Unerlaubter Umgang“(1) Wer unbefugt Abfälle, die .....2. für den Menschen krebserzeugend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd sind, außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren behandelt, lagert, ablagert, ablässt oder sonst beseitigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

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Gem. § 52 der LBO (Grundsatz) gilt:

„Bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung von Anlagen sind die Bauherrin oder der Bauherr und im Rahmen ihres Aufgabenbereiches die anderen am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde eingehalten werden.“

Gem. § 56 der LBO (Bauleiter(in)) gilt:„(2) Die Bauleiterin oder der Bauleiter muss über die für ihre oder seine Aufgabe erforderliche Sachkunde und Erfahrung verfügen!“

Warum muss ich das wissen und wo steht das?

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Gefahrenmerkmal – gerichtet an den Eigentümer oder den Verfügungsberechtigten einer baulichen Anlage -

Gefahren im Rechtssinne liegen vor, wenn eine nicht uner-hebliche Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Gutes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Hieraus begründet sich auch der Inhalt des § 3 der BauO:Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Die der Wahrung dieser Belange dienenden allgemein anerkannten Regeln der Technik sind zu beachten. Von diesen Regeln kann abgewichen werden, wenn eine andere Lösung in gleicher Weise die allgemeinen Anforderungen des Satzes 1 erfüllt.

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§16 BauO:„Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 müssen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche oder tierische Schädlinge sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Baugrundstücke müssen für bauliche Anlagen entsprechend geeignet sein.“

Das gilt obligat auch für alle anderen Gefahrstoffe, die in der BauO verankert sind, wie PCP, PCB und PAK.

In Verbindung mit den allgemein formulierten Inhalten der §§ 3 und 16 der BauO fallen demzufolge dann auch Lindan, KMF, mineralische KW, Formaldeyd, Schimmel und Taubenkot unter diesen Aspekt.

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Gefährdungsmerkmal speziell bezogen auf die AsbestrichtlinieDas Vorhandensein schwach gebundener Asbestprodukte in Innenräumen bedeutet nach einheitlicher Einschätzung eine konkrete Gesundheitsgefahr für die Nutzer der Räume, wenn

- entweder permanent hohe Asbestfaserkonzentrationen

der kritischen Größen (L ≥ 5µm, D < 3µm; L/D > 3:1)

oder

- eine Spitzenkonzentration, auch kurzzeitig, auftritt oder

auftreten kann.

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Risikobewertung für asbesthaltige Bauprodukte

Nutzung: Die technische Baubestimmung Asbest (Asbestrichtlinie)Rohdichte über 1000 kg/m³ und doch schwach gebunden?

Das Verhalten kritischer asbesthaltiger Produkte wird in Amerika mit crumbling oder friable, d.h. zerbrechlich / zerbröselbar beschrieben und scheint für das Verständnis um die Eigenschaft solcher Produkte sehr viel besser geeignet zu sein.

Demnach sollte der Zustand „schwach gebunden“ nicht zwingend an die Rohdichte- schranke geknüpft werden.

Von der Asbestrichtlinie darf abgewichen werden, wenn dies sach-verständig begründet wird (s.a. BauO).

20. Forum Asbest 2011 - Erfahrungsaustausch der Sachkundigen

Wie eindeutig ist die Asbestrichtlinie: Was heißt „schwach gebundenschwach gebunden“?

Produkte mit einer Rohdichte von > 1000 kg/m³ schwach gebunden?

In Zeile 3 des Formblattes werden asbesthaltige Putze und Spachtelmassen aus-

drücklich benannt! Die Rohdichten der meisten Putze und Spachtelmassen liegen

zwischen 1250 kg/m³ und 1650 kg/m³. Ist damit unter Nutzungsbedingungen zugleich

mit einem hohen Faserfreisetzungspotential zu rechnen?

Zwar ist die Asbestrichtlinie juristisch für Putze, Spachtelmassen und für Be-

schichtungen anwendbar, dies muss jedoch stets im Blickfeld des Faserfreisetzungs-

potentials gewichtet werden. Aus der Asbestrichtlinie ist dies nicht deutlich ablesbar.

Kleinformatige AZ-Platten sind in aller Regel nur 4,4 mm dick und daher leicht zer-

brechlich. Niemand käme auf die Idee diese unter dem Aspekt der Asbestrichtlinie

zu gewichten. Dennoch gilt die BauO!!

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Mineralischer Kleber für die KMF Däm-mung unter vorgehängten Waschbeton-fassadenplatten an einer Schule

Asbestgehalt ca. 3 M%

Rohdichte ca. 1680 kg/m³

Weder aus bauordnungsrechtlichen noch aus Gründen des Arbeitsschutzes muss dieser Kleber (Spachtel) entfernt werden.

08.2011

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In der Vergangenheit häufiger diskutiert:

Feuerschutzklappen älterer Bauart

Bünger : FORUM 2004

„Zustand von alten Brandschutzklappen“

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Brandschutzklappen mit asbesthaltigen Bauteilen sind nach der „Richtlinie für die Bewertung undSanierung schwach gebundener Asbestproduktein Gebäuden“ der Dringlichkeitsstufe III zuzuordnen.

„Dringlichkeitsstufe III (< 70 Punkte): Neubewertung langfristig erforderlich. Verwendungen mit dieser Bewertung sind in Abständen von höchstens fünf Jahren erneut zu bewerten. Ergibt eine Neubewertung die Dringlichkeitsstufe I oder II, so ist entsprechend den Regelungen zu diesen Dringlichkeitsstufen zu verfahren.“

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Die Einstufung von Brandschutzklappen (Klappenblatt und Dichtung) in Dringlichkeitsstufe III erfolgt aufgrund der Ergebnisse entsprechender Untersuchungen.

Schumm/Beutler (1989) :

„Untersuchungen von Brandschutzklappen auf Asbestfaseremissionen“

Fazit!

Eine Bewertung von Brandschutzklappen muss als sachver-ständige Einzelbeurteilung durchgeführt werden.

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In der Vergangenheit häufig mit Unsicherheiten verbunden :

Formblatt Zeile 3 : „Leichte asbesthaltige Platten“

Letzteres kann nur mit einem unverhältnismäßig hohen messtechnischen Aufwand plausibel differenziert werden. Dies ist nicht praxisgerecht. Auf Grund der Erläuterungen im 1. Abschnitt wären zudem alle Platten mit einer Fläche > 0,4 m² großformatig.

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Rechtlicher Missbrauch beim Thema Asbest

Unter Zugrundelegung des BGH – Urteils vom 27.03.2009 – V ZR 30/08 ist von einem Mangel im Rechtssinne auszugehen, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitschädlichen Potential im Rahmen der üblichen Nutzung des Objektes austreten! Dabei liegt eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit eines Wohngebäudes auch dann vor, wenn übliche Umgestaltungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden können.

Dieses Urteil wird im Zuge von Rechtsstreitigkeiten zu Asbest im privaten Bereich von Rechtsanwälten immer wieder als Argumentationshilfe angewendet. Auf der Grundlage der zuvor genanntenn § § StGB i.V. mit der GefStoffV ist diese Argumentation im Zusammenhang mit Asbest nicht anwendbar, da die Schutzvorschriften zu Asbest auch für private Haushalte gelten!

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Anfänglich (ab1986 bis etwa 1994) wurde die Asbestrichtlinie häufig angewendet.

Die hohen Fehlerquoten resultierten aus dem fehlenden Erfahrungswissen.

Die Eigentümer baulicher Anlagen wurden dadurch zunehmend verunsichert.

Eine sofortige Sanierung ohne weitere Gefährdungsbeurteilung etablierte sich.

Die ARGEBAU hat nicht zur weiteren Aufklärung oder Hilfestellung beigetragen.

Die zugenommene Komplexität lässt sich nur noch durch Sachverständige lösen.

Die zunehmende Komplexität verringert auch die Bereitschaft zur Auseinandersetzung.

Die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme hat daher stark abgenommen.

Die zuwachsende Generation hat die Asbestrichtlinie völlig aus den Augen verloren.

Dies führt zu den eingangs dargestellten Situationen.

Die Asbestrichtlinie – Seit 23 Jahren ein bewährtes Instrument für die richtige Gefährdungsabschätzung?

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