VDA Band 1 Gelbband

35
Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie Dokumentation und Archivierung Leitfaden zur Dokumentation und Archivierung von Qualitätsforderungen und Qualitätsaufzeichnungen - insbesondere bei kritischen Merkmalen 3. vollständig überarbeitete Auflage 2008 Stand: 11. 01. 2008 Verband der Automobilindustrie Verband der Automobilindustrie

Transcript of VDA Band 1 Gelbband

Page 1: VDA Band 1 Gelbband

Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie

Dokumentation und Archivierung Leitfaden zur Dokumentation und Archivierung von Qualitätsforderungen und Qualitätsaufzeichnungen - insbesondere bei kritischen Merkmalen 3. vollständig überarbeitete Auflage 2008 Stand: 11. 01. 2008

Verband der AutomobilindustrieVerband der Automobilindustrie

Page 2: VDA Band 1 Gelbband
Page 3: VDA Band 1 Gelbband

Dokumentation und Archivierung Leitfaden zur Dokumentation und Archivierung von Qualitätsforderungen und Qualitätsaufzeichnungen – insbesondere bei kritischen Merkmalen VDA/QMC-Projektdokumentation 3. vollständig überarbeitete Auflage 2008 Stand: 09. 01. 2008 Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)

Page 4: VDA Band 1 Gelbband

ISSN 0943-9412 Gedruckt: 01/2008 Nachdruck: XXX Copyright 2007 by Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) Qualitätsmanagement Center (QMC) D-61440 Oberursel, An den Drei Hasen 31 Gesamtherstellung: Henrich Druck + Medien GmbH & Co. KG D-60528 Frankfurt am Main, Schwanheimer Straße 110 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Page 5: VDA Band 1 Gelbband
Page 6: VDA Band 1 Gelbband

3

Haftungsausschluss

Die Bände der VDA-Schriftenreihe "Qualitätsmanagement in der Auto-mobilindustrie" sind Empfehlungen, die jedermann frei zur Anwendung stehen. Wer sie anwendet, hat für die richtige Anwendung im konkreten Fall Sorge zu tragen.

Sie berücksichtigen den zum Zeitpunkt der jeweiligen Ausgabe herrschen-den Stand der Technik. Durch das Anwenden der VDA-Empfehlungen entzieht sich niemand der Verantwortung für sein eigenes Handeln. Jeder handelt insoweit auf eigene Gefahr. Eine Haftung des VDA und derjenigen, die an VDA-Empfehlungen beteiligt sind, ist ausgeschlossen.

Jeder wird gebeten, wenn er bei der Anwendung der VDA-Empfeh-lungen auf Unrichtigkeiten oder die Möglichkeit einer unrichtigen Aus-legung stößt, dies dem VDA umgehend mitzuteilen, damit etwaige Mängel beseitigt werden können.

Urheberrechtsschutz

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsge-setzes ist ohne Zustimmung des VDA unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Page 7: VDA Band 1 Gelbband

4

Vorwort

Angesichts der ständig steigenden Qualitätsforderungen kommt der Verbesserung der Qualität der von der Automobilindustrie hergestellten Produkte, sowohl der Fahrzeuge wie ihrer Teile, aber auch von Dienstleistungen, eine immer größere Bedeutung zu. Um eine von vielen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das heute erreichte Qualitätsniveau nicht nur gehalten, sondern weiter angehoben werden kann, hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) einen Arbeitskreis initiiert, der das Thema "Dokumentationspflicht" aus heutiger Sicht neu betrachtet. Die daraus entstehenden Erkenntnisse sollten in einer überarbeiteten 3. Auflage des Bandes 1 der VDA-Schriftenreihe "Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie" festgelegt werden. Die heute nur teilweise bestehende Pflicht zur Aufbewahrung von Dokumenten, die den Kurzbegriff "Dokumentationspflicht" erhalten hatte, war im 1973 entstandenen Band 1 „Dokumentationspflichtige Teile bei Automobilherstellern und deren Zulieferanten“ das bestimmende Element. Dazu kam das Bestreben, die Sicherheit von bestimmten Teilen, den so genannten Sicherheitsteilen, dadurch zu erhöhen, dass man mit der D-Kennzeichnung die Aufbewahrung von z. B. Prüfergebnissen erreichte. Die 2., überarbeitete Auflage dagegen behandelte im Wesentlichen den eigentlichen Grund für das Aufbewahren von Dokumenten: die Nachweisführung.

Heute ist zu erkennen, dass mit Qualitätsaufzeichnungen und beson-ders mit der damit in Verbindung stehenden Archivierung keine Quali-tätsverbesserung erreicht werden kann. Es wird nur der erreichte Quali-tätsstand dokumentarisch festgehalten. Dennoch wird ein Unternehmen aus verschiedenen Gründen (Audit, Rückruf, Produkthaftung, Forderun-gen von Behörden) den Nachweis führen wollen oder müssen, dass sein Qualitätsmanagementsystem funktioniert und nur Produkte herge-stellt werden, die alle Forderungen erfüllen.

In der 3. Auflage erfolgt eine Fokussierung auf die Dokumentation und Archivierung bei kritischen Merkmalen. Dadurch wird der Archivierungs-umfang zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen auf das Notwendige beschränkt und damit die Anwendung des Leitfadens vereinfacht.

Page 8: VDA Band 1 Gelbband

5

Die Schrift soll als Leitfaden verstanden werden, d. h. jeder Unterneh-mer muss selbst festlegen:

• wie er die Forderungen seiner Kunden erfüllt, • wie er Qualität sicherstellt, • wie er dies darlegt, • wie er mit behördlichen Vorschriften umgeht, • wie er die Wirksamkeit seiner vorgesehenen Maßnahmen sicher-

stellt und • wogegen er sich mit welchem Aufwand schützen will.

Page 9: VDA Band 1 Gelbband

6

Wir danken den beteiligten Unternehmen und ihren Mitarbeitern für den Einsatz bei der Ausarbeitung dieses Bandes. An der Erstellung haben folgende Firmen mitgewirkt:

Daimler AG

Q-DAS GmbH & Co. KG

Robert Bosch GmbH

Volkswagen AG

Webasto AG

Der Dank gilt auch all denen, die uns Anregungen bei der Erarbeitung und zur Verbesserung gegeben haben.

Die vorliegende dritte, vollständig überarbeitete Auflage, wurde 2008 vom VDA-Ausschuss „Qualitätsmanagement“ verabschiedet.

Frankfurt/Main, 2008

Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA)

Page 10: VDA Band 1 Gelbband

7

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Einführung 8 2 Begriffserläuterung 9 3 Gründe für eine Nachweisführung 13 3.1 Qualitätslenkung 13 3.2 Gesetze, Verträge, Normen 13 3.3 Produkthaftung, Strafrecht , Verantwortlichkeiten und Sorgfaltspflichten, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz 15 3.3.1 Produkthaftung 15 3.3.2 Strafrecht 16 3.3.3 Verantwortlichkeiten und Sorgfaltspflichten 16 3.3.4 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz 16 4 Dokumente zur Nachweisführung 17 4.1 Betrachtungsumfang 17 4.2 Beschaffenheit von Dokumenten 17 5 Archivierung 20 5.1 Anforderungen an die Archivierung 20 5.2 Umfang der Archivierung 24 5.2.1 Gesetzeskonformität, Homologation, Zertifizierung 24 5.2.2 Kritische Merkmale 25 5.2.3 Spezielle Ablaufbeschreibungen zur Behandlung der kritischen Merkmale und Qualitätsaufzeichnungen 26 5.3 Nutzungs- und Archivierungsdauer von Dokumenten mit Bezug zu kritischen Merkmalen 27 5.4 Kennzeichnung von Dokumenten mit Bezug zu kritischen Merkmalen 30 5.5 Identifikation und Rückverfolgbarkeit 31

Page 11: VDA Band 1 Gelbband

8

1 Einführung

Bewusste Kundenorientierung sowie eine schnelle Umsetzung von Kun-denwünschen und -erwartungen in marktfähige Produkte und Dienst-leistungen sind heute entscheidende Wettbewerbsfaktoren.

Mit der Philosophie des umfassenden Qualitätsmanagements wurde, um diese Ziele zu erreichen, die Verantwortung für die Qualität von Pro-dukten und Dienstleistungen auf alle Bereiche eines Unternehmens ausgedehnt. Jeder Mitarbeiter/in im Unternehmen trägt mit seinem Qualitätsbewusstsein und seiner Arbeit dazu bei, dass das Unterneh-mensziel "hoher Qualitätsstand der Produkte und Dienstleistungen" ge-halten und darüber hinaus noch verbessert wird.

Voraussetzung für das Erreichen der Ziele ist ein durchgängiges Mana-gementsystem, das alle Prozesse im Unternehmen definiert, zuge-hörige Verantwortlichkeiten festlegt, diese transparent darlegt, die Um-setzung überwacht, die eingeführten Prozesse lenkt und gegebenen-falls Verbesserungsmaßnahmen einleitet.

Neben den Erfordernissen für die Lenkung und Verbesserung der Pro-zesse können unter anderem Kunden, Gesetze und Normen verlangen, dass Qualitätsanforderungen und der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichte Qualitätsstand durch Qualitätsaufzeichnungen nachgewiesen werden. Eine Voraussetzung für solche Nachweise ist die Definition, Dokumentation und Archivierung der Qualitätsanforderungen. Eine andere Voraussetzung ist die Dokumentation und Archivierung der Einhaltung dieser Qualitätsanforderungen in Qualitätsaufzeichnungen. Bei gesetzlich vorgeschriebenen und bei vertraglich vereinbarten Nach-weisen gibt es zum Inhalt der Dokumentation und zur Archivierung keine Alternative (siehe Kap. 3 Gründe für eine Nachweisführung).

Die von den Prozessen verlangten Fähigkeiten und Ziele werden in der Planungsphase in Dokumenten niedergelegt, z. B. im QM-Plan (siehe VDA-Band 4.3). Ein Fertigungsprozess wird z. B. mit Fertigungs-, Pro-duktionslenkungs- und Prüfplänen beschrieben. Näheres ist in Kap. 4 Dokumente zur Nachweisführung beschrieben.

Im Rahmen der Vorgaben kann lediglich die Art und Form der Archi-vierung unterschiedlich sein. Dieses wird in Kap. 5 Archivierung beschrie-ben.

Page 12: VDA Band 1 Gelbband

9

Wenn in diesem Band von Dokumenten die Rede ist, dann sind Doku-mente gemeint, die primär im Qualitätsmanagement eines Unterneh-mens eine Rolle spielen. Daneben existiert mit der VDI-Richtlinie 4500 eine Detaillierung die den Umfang der technischen Dokumentation und Archivierung beschreibt.

Neben den in diesem Band genannten Forderungen zur Nachweis-führung gibt es aus z. B. steuer- oder arbeitsschutzrechtlicher Sicht weitere Anforderungen, die in diesem Band nicht berücksichtigt werden.

2 Begriffserläuterung

Die VDA Schriftreihe soll Hilfsmittel, Werkzeug und Leitfaden sein. Dazu muss zwischen den Partnern Konsens über die Bedeutung der verwendeten Begriffe bestehen. Deshalb werden in diesem Kapitel einige wesentliche Begriffe zur Einführung in die Thematik behandelt. Auf die Definitionen anerkannter Institutionen wie z. B. DIN, VDI oder andere wird hier verzichtet. Man kann sie z. B. in VDI-Richtlinie 4500 (Konstruktionshandbuch) Blätter 1-6, DIN 55 350, etc. nachlesen.

Hat ein Begriff verschiedene Bedeutungen soll die in den folgenden Erläuterungen fett gedruckte Bedeutung in diesem Band als Standard verwendet werden.

Archivierung

Archivierung ist die langfristige, geordnete, geschützte und verände-rungssichere Aufbewahrung von Dokumenten und Daten. Siehe auch Kap. 5 Archivierung

Archivierungsdauer

Die Archivierungsdauer ist die Zeit nach der Nutzungsdauer des Doku-mentes, am Ende der Archivierungsdauer können die Dokumente ver-nichtet werden. Eine weitergehende Erklärung des Begriffs findet sich in Hauptabschnitt 5.3.

Page 13: VDA Band 1 Gelbband

10

Dokumente

Qualitätsanforderungsdoku-mente (Unterliegen einem Änderungs-dienst)

Qualitätsaufzeichnungen (Dürfen nicht geändert werden)

QM-System/Prozessvorgaben z. B.

• QM-Handbuch • Verfahrensanweisungen • Produktionslenkungsplan • Prüfablaufbeschreibung • Richtlinien • Normen • Arbeitsanweisung • Prozessbeschreibung • Prüfanweisung

• Grenzmuster/Maßstab

Qualitätsaufzeichnung der einzel-nen Einheit eines Produktes z. B.

• Herstellerspezifische Bezeich-nungen z.B. Jobkarte, Wagen-begleitkarte

Sonstige Qualitätsaufzeichnungen z. B.

• QM-System-/Prozessaudit-Ergebnisse

• QM-System-Zertifikate • Prozessmerkmal-Ergebnisse • Prüfmittelfähigkeitsnachweis • Prozessfreigaben • Risikoanalyse-Ergebnis • Prozessfähigkeitsnachweis • Prüfergebnisse, ggf. Nachar-

beitsnachweis • Produktaudit-Ergebnisse

• Qualifikationsnachweis

Produktspezifikationen Produktrelevante Aufzeichnungen

z. B. Zeichnung Lastenheft/Pflichtenheft Techn. Lieferbedingungen Kaufvertrag Stücklisten Prüfanweisung Grenzmuster

z. B. Versuchsberichte Produkt-Zertifikate Produktfreigabe

Weitere Beispiele in VDI-Richtlinie 4500

Page 14: VDA Band 1 Gelbband

11

Bild 2-1: Aufgliederung der Arten von qualitätsbezogenen Doku-menten

Kritische Merkmale

Kritische Merkmale sind Merkmale, von denen nach individueller Risiko-abschätzung

• eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben durch das Produkt ausgehen kann,

• die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (z. B. Emissionsgrenz-werte) abhängt.

Nachweisführung

Aus verschiedenen Gründen will man nachweisen, dass die Qualität wie geplant, entsprechend den festgelegten Anforderungen, erreicht werden kann bzw. erreicht wurde.

Zur Führung dieser Nachweise sind sowohl die Anforderungen als auch die Qualitätsaufzeichnungen zu dokumentieren.

Die Nachweisführung kann aus unterschiedlichen Interessenlagen erforderlich werden und ist über den gesamten Produktenstehungspro-zess sicher zu stellen:

• Nachweis eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems, insbesondere hinsichtlich Qualitätsverbesserung und Rückver-folgbarkeit,

• eine Behörde fordert den Nachweis als Teil einer behördlichen Erlaubnis, z. B KBA, NHTSA oder MLIT bezüglich, Produktzertifi-zierung

• der Nachweis dient der Entkräftung eines möglichen Vorwurfs (Fahrlässigkeit, Vorsatz, Organisationsverschulden), der von der Rechtsprechung oder Behörden erhoben werden kann,

• der Kunde (Abnehmer des Produkts) fordert eine über die o. g. Gründe hinausgehende Nachweisführung (Vertragserfüllung).

Man kann den Nachweis erbringen mit Bezug auf

− ein Produkt − einen Prozess − ein System

Page 15: VDA Band 1 Gelbband

12

Nutzungsdauer

Die Nutzungsdauer eines Dokuments ist die Zeitspanne, während der das Dokument zur Qualitätslenkung genutzt wird. Sie unterscheidet sich durch die Art des Dokumentes. Siehe Kapitel 5; Bild 5-1 bis 5-4

Stand von Wissenschaft und Technik

Der Begriff des Standes von Wissenschaft und Technik wird im Zu-sammenhang mit der Fehlerdefinition in der Produkthaftung durch die Gerichte spezifiziert. Dabei gehen die Gerichte üblicherweise von folgendem aus:

Das Produkt muss hinsichtlich Konstruktion, Fabrikation, Instruktion den anerkannten Regeln des Faches entsprechen. Dabei sind alle Erkennt-nisse zu berücksichtigen, die objektiv erkennbar und ermittelbar sind. Es wird erwartet, dass alle einschlägigen technischen Normen und ge-setzliche Bestimmungen, wie z. B. das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz berücksichtigt werden.

Es ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die reine Erfüllung der einschlägigen Normen dann nicht genügt, wenn die technische Entwick-lung bereits darüber hinausgegangen ist und sich bei der Benutzung des Produktes Gefahren gezeigt haben, die etwa in DIN-Normen noch nicht berücksichtigt sind. Dies soll verhindern, dass man sich bei erkannten Gefahren nicht einfach auf die Einhaltung einschlägiger Normen berufen kann.

Es ist hieraus allerdings nicht der Schluss zu ziehen, dass man unbe-dingt immer alle bestehenden Verfahren und Verfahrensweisen anwen-den muss. Kommt man nach sorgfältiger Prüfung zu dem Schluss, dass eine solche Anwendung keine Vorteile in Bezug auf sicherheitsrelevante Themen bringt, so ist die Methode und Verfahrensweise ausreichend, die einen gleichen und ausreichenden Sicherheitsstandard bietet.

Page 16: VDA Band 1 Gelbband

13

3 Gründe für eine Nachweisführung

3.1 Qualitätslenkung

Zur Erreichung der Unternehmensziele sind unter anderem Dokumente erforderlich, aus denen die Qualitätsanforderungen und der Grad ihrer Erfüllung (Qualitätsaufzeichnungen) hervorgehen. Für diese Dokumente zur Qualitätslenkung leiten sich nicht automatisch Forderungen zur Archivierung ab. Siehe auch Kapitel 2 Begriffserläuterung

Außer aus rechtlichen Gründen, kann auch aus wirtschaftlichen Überle-gungen das Archivieren von Dokumenten sinnvoll sein, z. B. um:

• im Falle von Qualitätsproblemen den Aufwand dadurch zu mini-mieren, dass die betroffenen Produkte möglichst genau einge-grenzt werden können,

• Gewährleistungsansprüchen durch den Nachweis der ausgelie-ferten Produktqualität begegnen zu können,

• beim Firmen-Haftpflichtversicherer einen günstigeren Tarif zu erzielen,

• eine Übertragung des erarbeiteten Know-hows auf neue Pro-zesse und Produkte sicherzustellen.

3.2 Gesetze, Verträge, Normen

In einem Großteil von Gesetzen, Verträgen und Normen sind Forderun-gen zur Beschaffenheit von Produkten und zu Vorgehensweisen bei der Herstellung festgelegt, deren Einhaltung gegebenenfalls auch nachge-wiesen werden muss.

In Gesetzen sind Forderungen beschrieben, die sich auf Produkte (Fahrzeuge), die am Straßenverkehr teilnehmen, beziehen. Darin sind unter anderem die Voraussetzungen für die Typengenehmigung und Herstellung festgelegt. Die Mindestregeln für die Herstellungssicherheit sind in diesen Gesetzen in der Regel als Rahmenforderung beschrie-ben und der Umfang der Nachweisführung ist nicht festgelegt. Aus diesen Gründen ist für die Festlegung der Dokumentation und Archi-vierung immer auch eine Risikobetrachtung des entsprechenden Ge-samtprozesses notwendig.

Um hier Entscheidungshilfen zu geben, sind einige der wichtigsten, zum Zeitpunkt der Drucklegung gültigen Forderungen zitiert.

Page 17: VDA Band 1 Gelbband

14

Zu diesen Gesetzen und Vorschriften zählen z. B.:

• verkehrsrechtliche Vorschriften, • Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte ProdHaftG, • Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), • Kodex des KBA zur Ausführung des Geräte- und Produktsicher-

heitsgesetzes (GPSG) bei Straßenfahrzeugen, • Rahmenrichtlinie Geräuschemissionen 70/157/EWG, • Rahmenrichtlinie Abgas 70/220/EWG, Verordnung (EG) 715/2007, • Rahmenrichtlinie 70/156/EWG in der Fassung 92/53/EWG Kapi-

tel 10 Anhang X, Anfangsbewertung, • Kraftfahrtbundesamt “Anforderungskatalog zur Begründung der

Herstellereigenschaft” vom August 1993, • USA-Sicherheitsvorschriften FMVSS (Federal Motor Vehicle

Safety Standards), • USA-Umweltschutzvorschrift (Title 40, chapter 1) Environmental

Protection Agency, Subchapter C-Air programs, • National Traffic and Motor Vehicle Safety Act of 1966, Ausgabe

1082, überarbeitet bis 31. Oktober 1988, • TREAD-Act 1.Oktober.2000, • CARB-Vorschriften, • Australian Motor Vehicle Certification Board, Conformity of Pro-

duction-Manual-Circular 0-13-1. Daneben wird in der Automobilindustrie in Verträgen von den Kunden auch die Einhaltung von mitgeltenden Unterlagen gefordert.

Beispiele für mitgeltende Unterlagen sind:

• Normen zum Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff oder ISO/TS 16949,

• Regeln von Verbänden wie z. B VDA 6er Reihe, VDI 4500, FMVSS 302, etc.,

• Militärische Forderungen zum Qualitätsmanagement z. B.. AQAP 100 ff.

Page 18: VDA Band 1 Gelbband

15

3.3 Produkthaftung, Strafrecht , Verantwortlichkeiten und Sorgfaltspflichten, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz

Im Rahmen der Abwicklung oder zur Vermeidung von Produkthaf-tungsfällen, Verstöße gegen das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, bzw. bei Anklagen nach dem Strafrecht, ist es sinnvoll oder auch not-wendig, nachweisen zu können, dass die in den entsprechenden Ge-setzen vorausgesetzten/geforderten Vorgehensweisen bei der Entwick-lung, Herstellung, Vertrieb und Wartung/Service des betreffenden Pro-dukts eingehalten worden sind. Um die geeigneten Dokumente aus-wählen zu können, werden im Folgenden die wichtigsten Inhalte der entsprechenden Gesetze erläutert.

3.3.1 Produkthaftung

Allgemein gilt nachzuweisen, dass alle gesetzlichen Auflagen und Sorg-faltspflichten erfüllt worden sind, z. B. der Stand von Wissenschaft und Technik

• Norm für sicherheitsrelevante Elektronik IEC 61508/DIN EN 61508 (ISO/WD 26262 voraussichtlich als ISO-Norm ab Ende 2010 für Automobilindustrie),

• VDI 2862 Einsatz von Schraubsystemen, • etc.,

sowie Auswahl-, Aufsichts- und Organisationspflichten erfüllt worden sind (vgl. folgende Kapitel).

Je nach Lage des Falles, können Ansprüche des Klägers gegenüber Hersteller und Lieferant alternativ auf unterschiedliche, voneinander unabhängige Anspruchsgrundlagen gestützt werden (verschuldens-abhängige Haftung (z. B.: Delikthaftung nach § 823 BGB) bzw. ver-schuldensunabhängige Haftung (z. B. Gesetz über die Haftung für feh-lerhafte Produkte, ProdHaftG)).

Bezüglich der Haftung muss ferner unterschieden werden zwischen dem zivilrechtlichen und dem strafrechtlichen Aspekt. Während bei zivilrechtlicher Haftung meistens die juristische Person (Firma) im Vordergrund steht, bezieht sich die strafrechtliche Haftung immer auf eine natürliche Person (Einzelperson).

Page 19: VDA Band 1 Gelbband

16

3.3.2 Strafrecht

Bei Personenschäden oder Todesfällen in Verbindung mit dem Produkt kann das Strafrecht bezüglich der im Unternehmen handelnden bzw. verantwortlichen Personen zur Anwendung kommen. Dabei können einzelne oder mehrere Personen für denselben Schaden strafrechtlich verantwortlich sein.

Die strafrechtliche Produktverantwortung bedeutet im Regelfall Haftung für vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführte Schäden, wenn die Ursache durch folgendes Verhalten bedingt wurde:

• Vorsätzliches Verhalten kann vorliegen, wenn auf erkannte Ge-fahrenquellen herstellerseitig nicht reagiert wird (z. B. Unterlassen von Absicherungsmaßnahmen aus wirtschaftlichen Gründen),

• Fahrlässiges Verhalten liegt vor bei einem Verstoß gegen bestehende Sorgfaltspflichten.

Der für die Pflichtverletzung maßgebliche Sorgfaltsmaßstab wird durch die technischen Regelwerke, den Stand von Wissenschaft und Technik und letztlich durch die berechtigten Sicherheitserwartungen der Allge-meinheit bestimmt.

3.3.3 Verantwortlichkeiten und Sorgfaltspflichten

Aus einschlägigen Vorschriften wie z. B. dem Produkthaftungsgesetz, FMVSS, StVZO, GPSG, ISO- und DIN-Normen, (internen) Richtlinien und dem Stand von Wissenschaft und Technik leitet sich die Forderung ab, die Herstellerpflichten und Verantwortlichkeiten für das Unterneh-men zu regeln.

Die Sorgfaltspflichten können über die dokumentierten Verantwortlich-keiten hinausgehen.

3.3.4 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz

Der Hersteller von Produkten darf nach den Vorschriften des Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) nur sichere Produkte in den Ver-kehr bringen.

Die Produkte müssen im Feld beobachtet werden, um Gefahren und Risiken zu erkennen und zu analysieren.

Page 20: VDA Band 1 Gelbband

17

Wenn der Hersteller oder der Importeur weiß oder eindeutige Anhalts-punkte dafür hat, dass von einem ihrer Produkte eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit von Personen ausgeht, sind geeignete War-nungen auszusprechen respektive Feldmaßnahmen (z. B. Kunden-dienstmaßnahme, Rückruf, …) zur Gefahrabwendung zu treffen. Darüber hinaus sind unverzüglich die zuständigen Behörden (in Deutschland: KBA) zu unterrichten.

Das GPSG befugt die Behörden, Rückrufe anzuordnen und Warn-hinweise auszusprechen, sofern der Hersteller seiner Verpflichtung nicht nachkommt.

Das KBA hat zur Ausführung des GPSG bei Straßenfahrzeugen einen Kodex herausgegeben, welcher u. a. die Durchführung von Rückruf-maßnahmen näher konkretisiert und Vorgaben hinsichtlich einzurei-chender Unterlagen macht (KBA-Kodex).

4 Dokumente zur Nachweisführung

4.1 Betrachtungsumfang

Technische Dokumente aus der Entwicklungs-/Konstruktionsphase sind in der VDI-Richtlinie 4500 ausführlich geregelt, siehe Kapitel 2 „Begriffs-erläuterung“.

Das vorliegende Kapitel ergänzt insbesondere die für den Herstellpro-zess relevanten Dokumente.

4.2 Beschaffenheit von Dokumenten

In Zusammenhang mit kritischen Merkmalen ist die juristische Verwert-barkeit von Dokumenten von besonderem Interesse. Hierbei unter-scheidet man zwischen Urkunden und sonstigen Dokumenten.

Urkunden sind nach der gängigen Definition schriftlich verkörperte Willenserklärungen, z.B. Kaufvertrag. Qualitätsaufzeichnungsdokumente sind somit keine Urkunden, da sie lediglich Fakten darstellen und keine Willenserklärung beinhalten. Auch dann nicht, wenn sie eine elektro-nische Signatur tragen. Der Urkundenbeweis wird im Produkthaftungs-prozess eher selten bedeutsam, z.B. dann wenn es auf den Nachweis von Vereinbarungen mit Zulieferern im Rahmen der Organisations-pflichten geht.

Page 21: VDA Band 1 Gelbband

18

Bei den sonstigen Dokumenten spielen im Sinne juristischer Verwert-barkeit die Kriterien:

− Vollständigkeit, − Plausibilität, − Unveränderbarkeit und − Eindeutigkeit

die wesentliche Rolle. Je mehr man diesen Kriterien genügt, umso größer ist die Überzeugungskraft vor Gericht. Eine allgemeingültige Definition der notwendigen Beschaffenheit von Dokumenten (z.B. die Einteilung in dokumentenecht und nicht dokumentenecht) ist nicht zielführend. Es muss immer eine individuelle Risikoabschätzung nach folgenden Kriterien vorgenommen werden.

Ein Dokument sollte im Sinne der Vollständigkeit mindestens beinhalten:

− das Datum der Erstellung bzw. Aufzeichnung, − die für den Inhalt verantwortliche(n) Person(en) und ggf. des

Personenkreises der im Unternehmen und beim Lieferanten Kenntnis des Dokumentes hatte, (z. B. Verteiler),

− die Zuordnung zu den ausgelieferten Produkten, Produkt-Losen, Projekten, Fertigungs-Losen, Produktionszeiträumen usw. ggf.

− den Änderungsstand, − die manuelle Unterschrift(en), elektronische Signatur, Login,

etc. der für den Inhalt verantwortliche(n) Person(en). Neben der inhaltlichen Vollständigkeit sollten folgende Kriterien berück-sichtigt werden:

Die Plausibilität eines Dokumentes ergibt sich aus einer fortlaufenden, in sich schlüssigen, konsistenten, widerspruchsfreien und möglichst selbsterklärenden Aufzeichnung.

Page 22: VDA Band 1 Gelbband

19

Für die Unveränderbarkeit sollten die Dokumente vor Verfälschung geschützt sein. Dies ergibt sich z.B.

• bei Dokumenten in Papierform durch Aufbewahrung des Ori-ginals, durch Microverfilmung oder Einscannen mit elektro-nischem Stempel und Datum,

• bei elektronischen Dokumenten durch zugriffsgeschützte DV-Systeme, bei der eine Dokumentenversion nicht nachträglich modifiziert werden kann.

Im Allgemeinen muss ein Dokument eindeutig aussagefähig und selbsterklärend sein. Die Eindeutigkeit ist bei Qualitätsanforderungsdokumenten durch ein eindeutiges Identifizierungssystem (z. B. ein Nummern-System) und einen Geltungsbereich zu erreichen.

Bei Qualitätsaufzeichnungsdokumenten sollte eine eindeutige Produkt und/oder Prozesszuordnung gewährleistet sein, z. B. durch Serien-Nr., Fahrzeug-Nr., Chargen-Nr. oder Maschinen-Nr./Stations-Nr.

Page 23: VDA Band 1 Gelbband

20

5 Archivierung

Unter Archivierung wird im Sinne dieses Bandes die langfristige, geordnete, geschützte und veränderungssichere Aufbewahrung von Dokumenten und Daten verstanden. Darüber hinaus können die folgen-den Festlegungen zur Archivierung sinngemäß auch für kundenspe-zifische und betriebliche Zwecke verwendet werden. Die Verfügbarkeit und Lesbarkeit der Dokumente und Daten muss über die Archivie-rungsdauer gewährleistet sein. Als Trägermedien dienen zurzeit Papier, Microfilm und elektronische Medien.

5.1 Anforderungen an die Archivierung

Bei der Archivierung ist grundsätzlich zwischen Originaldokumenten und durch elektronische Datenspeicherung erzeugten Dokumenten zu unterscheiden. Letztere sind in vielen Fällen auch als "Originaldoku-mente" zu bezeichnen, z. B. wenn sie nur in elektronischen Dateien existieren.

Bei Originaldokumenten handelt es sich in der Regel um Dokumente in Papierform (z. B. von Hand ausgefüllte Formulare, EDV-Ausdrucke, Ausdrucke von Mess- und Prüfsystemen). Die einfachste Form der Archivierung ist hier das Ablegen der Originale. Daneben gibt es die Möglichkeit, Kopien der Originaldaten auf Mikrofilm oder elektronischen Datenspeichern aufzubewahren.

Forderungen an Archivierungsorte

Archivierungsorte sollen ausreichenden Schutz gegen mögliche Gefah-ren wie Feuer und/oder Wasser (Sturmschaden, Hochwasser, Lösch-wasser) gewährleisten sowie den unberechtigten Zugriff und die Verän-derung der Dokumente durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen verhindern.

Für Arbeitskopien (Papier) ist es zulässig diese in normalen abge-schlossenen Büros und abgeschlossenen Büroschränken zu halten, wenn die Originale wie nachfolgend beschrieben geschützt sind.

Beispiele für unzureichende Schutzeinrichtungen vor Feuer und/oder Wasser:

− Wassersprinkleranlage in Verbindung mit offener Lagerung, − Normale Büroschränke ohne automatische gasbasierte Lösch-

einrichtung, − Archiv im Keller ohne Hochwasserschutz.

Page 24: VDA Band 1 Gelbband

21

Beispiele für geeignete Schutzeinrichtungen vor Feuer und/oder Wasser:

− Datensicherungsschränke mit Güteklasse nach DIN EN 1047-1:2005, siehe Tabelle 1-1,

− automatische gasbasierte Löscheinrichtungen, − redundante geeignete Lagerorte in unterschiedlichen Brand-

abschnitten bzw. die Kombination solcher Maßnahmen.

Beispiele für Schutz vor unberechtigten Zugriff:

− abschließbarer Raum mit dokumentierter Zutrittsberechtigung, − zugriffsgeschützte DV-Systeme.

(Originalauszug aus DIN EN 1047-1:2005)

Tab. 1-1 Anforderungen an die Güteklasse von Datensicherungs-schränken

Für die Archivierung kann auch ein externer Dienstleister herangezogen werden.

Archivierungsmedien

Page 25: VDA Band 1 Gelbband

22

Anforderungen an alle Medien:

Alle archivierten Dokumente und Daten müssen durch die entspre-chenden Recherchemechanismen des Archivs zeitnah wiederauffindbar sein, z. B. max. 20 Tage bis zur Vorlage bei Behörde NHTSA gemäß TREAD Act.

Hierbei hat die Art der Archivierung wesentlichen Einfluss auf die Zugriffszeit auf Dokumente und Daten. Kurze Suchzeiten und damit schneller Zugriff erfordern in der Regel jedoch erhöhten Aufwand bei der Archivierung. Durch eine Kosten/Nutzen-Analyse sollte daher der wirtschaftliche Aufwand abgeschätzt werden. Wesentlicher Punkt sind dabei die Suchkriterien aus denen sich dann die Art der Kennzeich-nung, der Registrierung und der Einlagerung bzw. Speicherung ablei-ten. Diese Struktur sollte zweckmäßigerweise in einem Archivierungs-konzept festgehalten werden.

Papier:

• Es müssen Originale abgelegt werden. • Das Papier muss eine Haltbarkeit und Lesbarkeit über die

Archivierungsdauer erwarten lassen Mikrofilm:

• Es müssen Originaldokumente verfilmt werden. • Es muss zum Zwecke der Archivierung und Recherche zwei

identische Filme erzeugt werden. Einer der sicher gelagert wird und eine Arbeitsversion.

• Die Originaldokumente können nach der Sicherstellung der ord-nungsgemäßen Verfilmung vernichtet werden.

Page 26: VDA Band 1 Gelbband

23

EDV-Lösungen:

Die eingesetzte EDV-Lösung hat folgendes zu gewährleisten:

• Die Dokumente müssen unveränderbar über die vorgesehene Archivierungszeit gehalten werden.

• Die vollständige Übertragung der elektronischen Dokumente zum Archivsystem muss durch geeignete Übertragungsmechanismen gewährleistet werden.

• Datenbanksysteme sind keine Archivierungssysteme, weil z. B. eine nachträgliche Veränderung der Daten nicht ausgeschlossen wird.

• Die eingesetzte Archivierungslösung muss die notwendige Archi-vierungsdauer gewährleisten (Hard- und Software und Organisa-tion) mit Methoden und Mechanismen, die eine technisch bedingte Informationsveränderung während der Archivierungs-dauer verhindern bzw. erkennen und beheben. Aus diesem Grund sind Archivierungslösungen alleine auf CD- bzw. DVD-Basis ungeeignet.

• Technisch notwendige Migrationen des Archivbestandes müssen ohne Informationsverlust durchführbar sein.

• Die Datenhaltung sollte redundant an zwei räumlich getrennten Brandabschnitten erfolgen.

• Der Zugriff auf die Daten muss über ein geeignetes Rechte-konzept realisierbar sein.

• Als Dateiformate sind nur langfristig stabile Formate zu verwen-den. Dies sind für bildhafte Dokumente nach derzeitigem Stand z. B.: PDF/A-1 gemäß ISO 19005-1: 2005 oder TIFF, JPEG (offene oder herstellerunabhängige Formate), Auflösung und Farbtiefe sind sinnvoll zu wählen, damit eine visuelle Reproduzierbarkeit gewährleistet werden kann. Für strukturierte (elektronische) Daten sind nach derzeitigem Stand z. B.: ASCII-basierende Dateiformate mit Headerinformation, z. B. Automotive Quality Data Exchange Format, XML-Formate z. B. QDX, da darin ebenfalls Metainformationen mit den zu archivierenden Daten abgelegt werden, die eine Zu-ordnung zu den fachlichen Datenfeldern und eine visuelle Aufbe-reitung für die Recherche ermöglichen.

Page 27: VDA Band 1 Gelbband

24

Organisation der Archivierung

Die zur Archivierung im Unternehmen eingeführten Abläufe und Verant-wortlichkeiten sollten in einer Verfahrensanweisung festgelegt werden. Diese Verfahrensanweisungen sollten mindestens Informationen darüber beinhalten

− welche Dokumente archiviert werden (z. B. Dokumentenmatrix). − welche Stelle zuständig ist für die Einlagerung und Löschung

bzw. Vernichtung. − welche Stelle ggf. die Daten wiederherstellt (refreshed) und

wie dies erfolgt. − wo archiviert wird. − welche Stelle Zugang oder Zugriff z. B. zum Zweck der

Recherche hat. − wie der Nachweis der Wirksamkeit des Archivierungssystems

erbracht wird (z. B. Auditierung, Stichprobenprüfung, Kenn-zahlen).

− wie das Lösch- oder Vernichtungsprozedere (z. B. gemäß DIN 32757-1:1995-01 für Papier und Mikrofilm) am Ende der Archivierungszeit durchgeführt wird oder über eine Weiterver-wendung entschieden wird (z. B. Weitergabe von Zeichnungen an Museen).

5.2 Umfang der Archivierung

Nachfolgend aufgeführte Dokumente und Daten müssen mindestens archiviert werden (relevante Dokumente des Herstellprozesses, siehe Kap. 4.1).

1. Zertifizierungsnachweis QM-System, generelle Zulassungsunterlagen

2. Kritische Merkmale

2a Spezielle Ablaufbeschreibungen zur Behandlung der kritischen Merkmale

2b Q-Aufzeichnungen zu kritischen Merkmalen

5.2.1 Gesetzeskonformität, Homologation, Zertifizierung

Page 28: VDA Band 1 Gelbband

25

Die Nachweise der Erfüllung von Forderungen aus Gesetzen, behörd-licher Vorschriften und länderspezifischen Vorgaben sind zu archivieren

Dies sind z. B.

− Abgasemissionsgesetz, − elektromagnetische Verträglichkeit, − Vorbeifahrgeräusch, − Crashfestigkeit, − Kindersitzbefestigung.

5.2.2 Kritische Merkmale

Um den Aufwand bei der Archivierung möglichst gering zu halten, ist eine sorgfältige Risikoanalyse in der Produkt- und Prozessentwick-lungsphase erforderlich, gemäß der die kritischen Merkmale identifiziert werden.

Kritische Merkmale sind Merkmale, von denen nach individueller Risikoabschätzung eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben durch das Produkt ausgehen kann oder die für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (z. B. Emissionsgrenzwerte) relevant sind.

Nach allgemeinem Verständnis gehören hierzu kritische Merkmale in z. B. folgenden Bauteilen oder Systemen:

− der Bremsanlage (z. B. Dichtheit), − der Lenkung und Radaufhängung (z. B. Drehmomente), − der Kraftstoffversorgung und Gemischaufbereitung (z. B.

Dichtheit), − der Abgasanlage (z. B. Abgaswerte, Geräuschemission), − der Rückhaltesysteme (z. B. Kontaktierung, Drehmoment), − der Beleuchtung (z. B. korrekte Einstellung), − …

Hierbei handelt es sich um eine Teilmenge aus der Definition des Be-griffes besondere Merkmale, wie er z. B. in der ISO/TS 16949:2002 verwendet wird.

Page 29: VDA Band 1 Gelbband

26

5.2.3 Spezielle Ablaufbeschreibungen zur Behandlung der kriti-schen Merkmale und Qualitätsaufzeichnungen

In der Prozessentwicklungsphase ist mit Dokumenten, die die Risiko-analyse der Prozesse darlegen (z. B. System-FMEA-Prozess), der Nachweis möglich, dass eine vollständige Analyse aller Prozessrisiken von Prozessen mit kritischen Merkmalen, durchgeführt worden ist und dass alle risikobehafteten Zustände ausgeräumt worden sind.

Die zugehörigen Prozessentwicklungsberichte (z. B. Korrelation Prozess-/ Produktmerkmal, Versuchsergebnisse mit statistischen Versuchsplänen) können belegen, dass das Auftreten eines Produktausfalls wegen Prozessfehlern praktisch ausgeschlossen ist. In solchen Fällen kann z.B. eine Dokumentation der Produkt-Prüfergebnisse für kritische Merkmale entbehrlich sein, wenn die oben genannten Prozessnachweise dokumentiert werden.

In der Produktionsphase sind für den Umgang mit kritischen Merkmalen zu archivieren:

die Qualitätsanforderungsdokumente, z.B.

− Prozessbeschreibungen zum Umgang mit produkthafungs-relevanten Schraubenverbindungen,

− Produktionslenkungspläne, − Vorgaben zur Prozessqualifizierung (z. B. Prozessfähigkeit,

Prüfprozesseignung), − …

die Qualitätsnachweisdokumente, z.B.

− Produkt-Prüfergebnisse von kritischen Merkmalen, − Prozessfähigkeitsnachweis, inklusive Qualitätsregelkarten, − Prüfprozesseignungsnachweis, − …

Page 30: VDA Band 1 Gelbband

27

5.3 Nutzungs- und Archivierungsdauer von Dokumenten mit Bezug zu kritischen Merkmalen

Bei der Nutzungs- und Archivierungsdauer ist zwischen Qualitätsanfor-derungsdokumenten und Qualitätsaufzeichnungen zu unterscheiden.

Qualitätsanforderungsdokumente:

Die Nutzungsdauer beginnt mit der Freigabe und endet mit der Ungül-tigmachung, z. B. wegen Änderung (neue Version) oder Ablauf einer gesetzten Frist (Abweicherlaubnis), Auslauf des zu regelnden Produk-tes/Prozesses.

Die Archivierungsdauer beginnt nach der Ungültigmachung, gemäß den Forderungen von Qualitätsmanagementsystemen zur Lenkung von Dokumenten und Daten (z. B. entsprechende Kennzeichnung)

Qualitätsaufzeichnungen:

Die Nutzungsdauer ist abhängig von der Art der Nutzung und beginnt mit der Erstellung der Aufzeichnungen z. B. Dokumentation eines Prüf-ergebnisses, eine ausgefüllte Regelkarte, ein Prozessfähigkeitsnach-weis, ein Erstmusterprüfbericht. Die Aufzeichnungen dürfen nach ihrer Fertigstellung nicht mehr geändert werden, siehe auch Kap. 4.2 Be-schaffenheit von Dokumenten. Ab hier beginnt die Archivierungsdauer. Eine weitere Nutzung der Aufzeichnungen ist hier üblich, z. B. zum Zwecke der Analyse.

Die Archivierungsdauer ist bei beiden Arten von Dokumenten gleich (Bild 5-1 u. 5-2), hier werden für die kritischen Merkmale mindestens 15 Jahre empfohlen.

Begründung:

• Die mittlere Fahrzeuglebensdauer hat sich in den letzten Jahren verlängert. Es muss angenommen werden, dass erst nach 15 Jahren die Mehrzahl der Fahrzeuge aus dem Verkehr ge-zogen ist.

• Aus dem Produkthaftungsgesetz folgt eine Archivierungsdauer von mindestens 10 Jahren. Hinzuzurechnen sind 3 Jahre für die Einspruchsfrist des Klägers nach Eintritt des Schadens.

Page 31: VDA Band 1 Gelbband

28

In einigen Fällen kann eine längere Archivierungsdauer notwendig sein z. B. einer längeren mittleren Nutzungsdauer bei LKWs.

Bei den Qualitätsaufzeichnungen zum Nachweis von zum Produkt oder Produktionsprozess gehörenden Freigabeprozessen handelt es sich um Dokumente für die es aus Vereinfachungsgründen sinnvoll ist diese bis 15 Jahre nach End of Produktion zu archivieren. Z. B. Erstmusterfrei-gabe, Serienprozessfreigabe, (Bild 5-3):

Bei Ersatzteilen muss die Lagerungsdauer mit berücksichtigt werden (Bild 5-4).

Produktionsstart(SOP)

Erstellungdes Dokumentes

Ende der Gültigkeit des Dokuments,spätestens Produktionsende(EOP)

Archivierungsdauer ≥ 15 Jahre

t 1 t

nt

n +X t n +X +15

Vernichtungdes Dokumentes

Produktionszeitraum

Nutzungsdauer X

Bild 5-1: Qualitätsanforderungsdokumente

Archivierungsdauer ≥ 15 Jahre

Archivierungsdauer ≥ 15 Jahre

Produktionsstart(SOP)

Erstellungdes Dokumentes

Produktionsende(EOP)

Archivierungsdauer ≥ 15 Jahre

t 1 t

nt

2 t n+15

Vernichtungdes Dokumentes

Produktionszeitraum

Archivierungsdauer ≥ 15 Jahre

Bild 5-2: Qualitätsaufzeichnung der einzelnen Einheit eines Produktes

Page 32: VDA Band 1 Gelbband

29

Archivierungsdauer ≥ t1 bis tn + 15 Jahre

Archivierungsdauer ≥ tn bis t2 + 15 Jahre

Produktionsstart(SOP)

Neufreigabe eines

Prozesses / BauteilesProduktionsende(EOP)

Archivierungsdauer ≥ t1 bis t2 + 15 Jahre

t 1 t

nt

2 t 2+15

Vernichtungdes Dokumentes

Produktionszeitraum

Nutzungsdauer

Nutzungsdauer

Nutzungsdauer

Erstellung

des DokumentesVernichtung

des Dokumentes

t n+15

Bild 5-3: Sonstige Qualitätsaufzeichnungen von z. B. Freigabe-prozessen

Bild 5-4: Qualitätsaufzeichnungen bei Ersatzteilen

Produktionsstart(SOP)

Produktionsendebeim Lieferanten(EOP)

Archivierungsdauer ≥ 15 Jahre

Vernichtungdes Dokuments

Erstellungdes Dokumentes

Produktionszeitraum

NutzungsdauerLagerungs-

dauer

Verbau imFahrzeug

t 1 t

nt

2 t n+15

Bild 5-4: Qualitätsaufzeichnungen bei Ersatzteilen

Page 33: VDA Band 1 Gelbband

30

Bei der Festlegung der Archivierungsdauer von Dokumenten zum Nachweises eines wirksamen QM-Systems genügen kürzere Archivie-rungszeiten, die üblicherweise 3 Jahre betragen.

Häufig sind auch Kundenforderungen für die Archivierungsdauer von Dokumenten zu berücksichtigen. So kann z. B im Rahmen von Quali-tätsvereinbarungen gemeinsam festgelegt werden, welche Dokumente wie lange archiviert werden sollen.

5.4 Kennzeichnung von Dokumenten mit Bezug zu kritischen Merkmalen

Für eine Kennzeichnung von kritischen Merkmalen und von Dokumen-ten, mit Bezug zu kritischen Merkmalen, bestehen keine Normvor-gaben. Es wird den Unternehmen/Anwendern aber dringend empfohlen, eine einheitliche Vorgehensweise festzulegen (Hausnorm) und durch-gängig anzuwenden. Kennzeichnungsforderungen der Kunden, die sich auf die Archivierung von Dokumenten beziehen, werden möglichst in diese Hausnorm übertragen.

Im Folgenden werden einige verwendete Merkmalskennzeichnungs-arten beispielhaft dargestellt:

Hersteller Kennzeichnung Bedeutung

BMW D bez. S Dokumentationspflicht aus Sicherheitsrelevanz

Daimler DS Dokumentationspflicht aus Sicherheitsrelevanz

VW, AUDI Bentley

D oder TLD CC

Dokumentationspflicht aus Sicherheitsrelevanz

Critical characteristic

Porsche DS Dokumentationspflicht aus Sicherheitsrelevanz

Ford CC Critical characteristic

GM S/C Safety and Conformity

Bosch S Sicherheitsrelevanz

Webasto CC Critical characteristic

Page 34: VDA Band 1 Gelbband

31

Im Sinne einer angestrebten Vereinheitlichung durch diesen VDA-Band und unter Berücksichtigung der positiven Auswirkungen auf die Zu-lieferer wird die Verwendung von CC (Critical characteristic) für kritische Merkmale und zugehörige Dokumente empfohlen.

5.5 Identifikation und Rückverfolgbarkeit

Insbesondere bei kritischen Merkmalen ist die schnelle und sichere Rückverfolgbarkeit von potenziell-fehlerhaften Produkten notwendig.

Andererseits ist die Identifikation von einzelnen Produkten und den dazugehörigen Qualitätsanforderungsdokumenten und Qualitätsauf-zeichnungen zur Abwehr von ungerechtfertigten Ansprüchen erforder-lich (siehe auch Abschnitt 3: „Gründe für eine Nachweisführung“).

Bei der Gestaltung der Archivierung sind diese Anforderungen zu er-füllen.

Page 35: VDA Band 1 Gelbband

32

Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie

Den aktuellen Stand der veröffentlichten VDA Bände zum Qualitäts-management in der Automobilindustrie (QAI) finden Sie im Internet unter http://www.vda-qmc.de.

Auf dieser Homepage können Sie auch direkt bestellen.

Bezug:

Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) Qualitätsmanagement Center (QMC) D-61440 Oberursel, An den Drei Hasen 31 Telefon +49 (0) 6171 91 22-0, Telefax +49 (0) 6171 91 22-14 E-Mail: [email protected], internet: www.vda-qmc.de

Bezug von Formularvordrucken:

HENRICH DRUCK + MEDIEN GMBH Schwanheimer Straße 110, D-60528 Frankfurt Telefon +49 (0) 69 96 777-158, Telefax +49 (0) 69 96 777-111