Verallgemeinerte Schwarzschildsche Spiegelsysteme streifender Reflexion als Optiken für...

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Verallgemeinerte S c h w arzs c h ildsche Spiegelsysteme streifender Reflexion als Optiken fur Riinfgenstrahlen Von Hans Wolter (Mit 6 Abbildungen) Inhaltsiibersicht Keben den von K i r k p a t r i c k l ) und denvom Verfasser2) angegebenen Spiegel- systemen fur Rontgenstrahlen lassen sich durch Verallgemeinerung der Sc hwarz - sc hildschen Spiegelsysteme neue st-reifendreflektierende Spiegelsysteme gewinnen. Sie sind streng aplanatisch ; eine J7erbesserung der Bildqualitat gegenuber den Spiegelsystemen aus Flachen zweiten Grades ist mit ihnen jedoch nur in aul3erster Achsennahe erreichbar. 1. Problemstellung und prinzipieller Losungsweg Abbildende Optiken fur Rontgenstrahlen, insbesondere fur die Rontgen- mikroskopie, lassen sich als streifend reflektierende Spiegelsysteme ausfuhreri. Im Unterschied zu Kirkpatrick, der Spiegel mit annahernd senkrecht auf- einander stehenden Achsen benutzte, gab Verfasser kiirzlich Systeme an, die nur Rotationsflachen gemeinsamer Rotationsachse enthaltenz). Unter diesen waren - da Einzelspiegel bei streifender Reflexion nie ertragliche Bilder geben konnen - die Systeme aus zwei Spiegeln, z. B. einem Paraboloid und einem Hyperboloid, fertigungstechnisch relativ am einfachsten. Bei ihnen war die spharische Aberrabion fur einen Achsenpunkt streng ge- hoben, aber die Ab besche Sinusbedingung nur nahezu erfullt. Wollte man fur die Mikroskopie eine ziemlich grol3e Apertur (bis zu 0,05) erreichen, so war die Deformation einer der beiden Flachen zweckmal3ig. Damals wurde eine Arbeit angekundigt - und diese wird hiermit dem Leser vorgelegt - iiber die Deformation beider Flachen mit dem Ziel, neben der spharischen Aberrationsfreiheit fur einen Achsenpunkt auch die strenge Erfullung der Sinusbedingung zu gewahrleisten. Dieses Problem hat seine mathematische Losung beinahe schon in der be- ruhmten Arbeit K. Schwarzschilds aus dem Jahre 19053) gefunden. 1st doch dort die Problemstellung mit unserer fast identisch. Der Unterschied liegt in der uns von dem Verhalten der Rontgenstrahlen aufgezwungenen Bedingung strei- fender Reflexion. Da Schwarzschild gerade diesen Fall gemieden hat, ist die fur die Rontgenmikroskopie wichtigste Losung in den von Schwarzschild an- geqebenen Endformeln nicht, ohne weiteres enthalten. 1) P. Kirkpatrick, Nature 166, 251 (1950) 2) H. Wolter, Ann. Physik (6) 10, 94 (1952). 3) K. Schwarzschild, Abh. Wiss. Gottingen, Bd. IV, Nr. 2 (1905); siehe auch J. Pi c h t , Optik 5, 129 (1 951).

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Verallgemeinerte S c h w a r z s c h ildsche Spiegelsysteme streifender Reflexion als Optiken fur Riinfgenstrahlen

Von H a n s W o l t e r

(Mit 6 Abbildungen)

Inhaltsiibersicht Keben den von K i r k p a t r i c k l ) und denvom Verfasser2) angegebenen Spiegel-

systemen fur Rontgenstrahlen lassen sich durch Verallgemeinerung der Sc hwarz - s c hildschen Spiegelsysteme neue st-reifend reflektierende Spiegelsysteme gewinnen. Sie sind streng aplanatisch ; eine J7erbesserung der Bildqualitat gegenuber den Spiegelsystemen aus Flachen zweiten Grades ist mit ihnen jedoch nur in aul3erster Achsennahe erreichbar.

1. Problemstellung und prinzipieller Losungsweg Abbildende Optiken fur Rontgenstrahlen, insbesondere fur die Rontgen-

mikroskopie, lassen sich als streifend reflektierende Spiegelsysteme ausfuhreri. Im Unterschied zu K i r k p a t r i c k , der Spiegel mit annahernd senkrecht auf- einander stehenden Achsen benutzte, gab Verfasser kiirzlich Systeme an, die nur Rotationsflachen gemeinsamer Rotationsachse enthaltenz). Unter diesen waren - da Einzelspiegel bei streifender Reflexion nie ertragliche Bilder geben konnen - die Systeme aus zwei Spiegeln, z. B. einem Paraboloid und einem Hyperboloid, fertigungstechnisch relativ am einfachsten.

Bei ihnen war die spharische Aberrabion fur einen Achsenpunkt streng ge- hoben, aber die Ab besche Sinusbedingung nur nahezu erfullt. Wollte man fur die Mikroskopie eine ziemlich grol3e Apertur (bis zu 0,05) erreichen, so war die Deformation einer der beiden Flachen zweckmal3ig. Damals wurde eine Arbeit angekundigt - und diese wird hiermit dem Leser vorgelegt - iiber die Deformation beider Flachen mit dem Ziel, neben der spharischen Aberrationsfreiheit fur einen Achsenpunkt auch die strenge Erfullung der Sinusbedingung zu gewahrleisten.

Dieses Problem hat seine mathematische Losung beinahe schon in der be- ruhmten Arbeit K. Schwarzsch i lds aus dem Jahre 19053) gefunden. 1st doch dort die Problemstellung mit unserer fast identisch. Der Unterschied liegt in der uns von dem Verhalten der Rontgenstrahlen aufgezwungenen Bedingung strei- fender Reflexion. Da Schwarzsch i ld gerade diesen Fall gemieden hat, ist die fur die Rontgenmikroskopie wichtigste Losung in den von Schwarzsch i ld an- geqebenen Endformeln nicht, ohne weiteres enthalten.

1) P. Kirkpat r ick , Nature 166, 251 (1950) 2) H. Wolter, Ann. Physik (6) 10, 94 (1952). 3) K. Schwarzschild, Abh. Wiss. Gottingen, Bd. IV, Nr. 2 (1905); siehe auch

J. P i c h t , Optik 5, 129 ( 1 951).

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Wolter: 9'chwarzachiMSche Spiegelsysl. streifender Reflexion ala Optiken f. Riintgenstr&len 287

Aber die Sc h warz sc hi ldschen Differentialgleichungen stimmen xw'angs- laufig mit denen uberein, auf die unser Problem fuhrt.. DaauDerdem die Schwarz- s c hi 1 dsche Losung formal die allgemeine Losung des Differentialgleichungssystems ist, kann der Verlust von Losungen nur in der geometrischen Interpretation der Integrationskonstanten liegen. Macht man sich von dieser Interpretation frei und la&, fur die Integrationskonvtanten auch komplexe Zahlen zu, so erhiilt man aus der Sc hwarzsc hi ldschen Losung auch alle aplanatischen Zweispiegel- systeme streifender Reflexion, vor allem die besonders angenehmen Systeme erster Art, bei denen sich beide Flachen zu einer geschlossenen Fliiche zusammenfugen. Mit ihnen werden wir uns hier ausfuhrlicher beschaftigen, wahrend fur die Systeme zweiter und dritter Art nur im Anhang eine kurze Erganzung der in der friiheren Arbeit *) uber diesen Gegenstand (S. 107) gemachten Mitteilung verijffentlicht wird.

2. Erweiterung der Schwarzschildschea Usung aul Spiegelsysteme 1. Art Nach Schwarzschild ist durch die Forderung nach einem streng aplana-

tischen Zweispiegelsystem aus Rotationsflachen gemeinsamer Rotationsachse bei vorgegebener Brennweite f der Spiegel I, der von den aus dem Unendlichen kom- menden Strahlen zunachst getroffen werde, durch die Parameterdarstellung

yl = f s i n a (2)

u, = d cosa; yo = d sina (3) (4)

und der Spiegel I I durch die Paraineterdarstellung

mit I D

festgelegt. a ist Parameter in diesen Parameterdarstellungen und hat die aus Abb. 1 zu entnehmende geometrische Bedeutung. D und dQ sind Integrations- konstanten; D bedeutet nach Sc h w a r z sc h i 1 d geometrisch den Abstand der Spiegel- scheitel voneinander und do den Abstand des Systembrenn- punktes vom Scheitel des Spiegels I I . Die weiteren Be-

izahlr mom SysfembPflfl- zeichnungen mogen der Abb. 1 entnommen werden und sind sYsfmeeflflpuflkr punkt ous )

jrn Einklaw mit den Be- Abb. 1. Spiqclspt?m erstor Art fur streifende zeichnungen unserer fruheren Reflexion Arbeit *).

Beide Spiegel schneiden sich in einem reellen Kreise, z. B. auch in dem Punkte P der u, ySbene, wenn der zugehbrige Winkel a* die Bedingung erfiillt

bU

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und zugleich f > 2 D ist; denn dann ist nach G1. (1)

und nach ( 2 ) bis (5)

und y: = f sin&*

d* = f , d. h. r i z = f cosoc* = u: und y: = f sin&* = y:, Verlangen wir von dem System einen Habitus nach Abb. 1, wiinschen wir also

ein Spiegelsystem 1. Art, so muIj erstens fur streifenden Einfall a* ein ,,kleiner" Winkel sein, d. h. nach (6) mu13 />> D; zweitens muB die Reflexion fur Winkel a 2 a*zu reellen Bildpunkten fiihren. DiesezweiteForderung erfiillt die S c h w a r z - s c h i ldsche G1. (1) nicht, solange die Integrationskonstante do reell angesetzt wird und unter der Potenz nach wie vor der Hauptwert verstanden wird. Ein System, das unsere Forderungen erfiillt, erhalt man aber, wenn man

. QD-f z ?1--

d o = g e D - f

setzt und unter g eine reelle Zahl versteht. Setzt man das in die Gln. (1) bis ( 5 ) ein und schreibt alles mit Riicksicht auf die kiinftigen Rechnungen ein wenig iiber- sichtlicher, so erhalt man als die Parameterdarstellungen der Flachen eines streng aplanatischen Zweispiegelsystems 1. Art (genauer : fur die Meridianschnitte dieser Flachen in der u, y-Ebene)

u, = d cos a; y, = d sin (x mit - (10)

d D

f - D ' k = -

3. Gestalt der streng aplanatischen Zweispiegelsysteme erster Art fur streifende Reflexion

Die Abb. 2a zeigt den Meridianschnitt eines streng aplanatischen Zweispiegel- systems nach GI. (9) und (10) mit den Werten

f = 4014; D = 14,O; 9 = 1600. f ist dabei gleich der Brennlveite des Systems erster Art nach Abb. 8a der friiheren Arbeit gesetzt worden; D und g wurden so gewahlt, da13 der Schnittkreis der Flachen (siehe den Punkt P*!) bei dem neuen System mit dem entsprechenden des friiheren Systems iibereinstimmt und beide Systeme auch am Rande (3. Zone) gleiche Radien haben.

Wiirde man das alte System zugleich in die Abb. 2 einzeichnen, so wiirde es wegen der unvermeidbaren Strichdicke von dem streng aplanatischen nicht unter- schieden werden konnen; das gilt jedenfalls in dem gesamten fur die streifende Reflexion in Betracht kommenden Gebiet. Um die leichten Unterschiede dennoch zu zeigen, wurde in Abb. 2 b die Differenz der Rotationsradien (Abstande von der u-Achse) dargestellt.

Auffallig ist vor allem das Verhalten in der Xihe der Schnittkante. Der charak- teristische Unterschied des neuen Systems gegeniiber dem alten zeigt sich hier

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1Voller: Schmrzschildsche Spiegelsyst. etreilender Relkxion ale oplikmb f . RonlgenstraMen289

650- ? Y m-

550-

Mo-

rn

ZOO

I40 -I 0

d

Abb. 2. Zum Vergleicb des streng aplsnat.iechen Zwei- spiegelsystems (neu) mit dem Zweispiegelsystem aus E'liichen 2. Grades (alt). a) Meridian- echnitt, Q) Radiendifferenz der alten und der neuen Fliichea, c) Qualitativer Verbuf der Meridianschnittkurve in Kan- tennahe, d) Steigungsdifferen- Zen der neuen und der alten Flaohfn, e) Ahtiinde der neueii von den alten Fkichen in Achsenrichtung ale Funktion dea Radius, f ) Diffeienz der reziprokcn Steigung der neuen gegeniiber den alten Flachen in Abhangigkeit voin Radius

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290 Annalen der Physik. 6 . Folge. Band 10. 1952

noch deutlicher bei Retrachtung der Blachennormalen. Entsprechend Abb. 1 ist die Normale auf die Flache I der Einheitsvektor

(11) a a n, = (nlu; nlu; nlz) = (sin' ; - cos 2 ; 0 ) . 2 2

Durch Differentiation von (9) erhalt man

Fur Annaherung an die Kante4j, d. h. fur l a a - tg2--- 1 +- 0 geht ctg -_I -+GO, d. h. a, --f 0. k 2 2

Die Flachennormale n, steht an der Kante also senkrecht auf der Rotations- achse, im Gegensatz zu den Verhaltnissen bei dem alten System der fruheren Arbeit. Die Abb 2c skizziert in starker Ubertreibung die abweichende Gestalt des neuen Systems in Kantennahe.

Entsprechendes tr i t t bei der Flache 11 nicht ein. Fur die Flachennormale n, der Flache I I in einem beliebigen Punkte P, (u,; y,; 2,) erhalt man

(13) yz lsin y [ . i, lsin y \ n, = (nZtL; nZu; nZz) =

mit spitzern Winkel y nach

und

Darin ist d der Abstand des Punktes P, vom Systembrennpunkt, I der nacli (5) zu d zugeordnete Winkel und Parameter der Parameterdarstellung (3), (4), (5) fur die Flache I I . d' bezeichnet den Differentialquotienten von d nach a, wie man ihn aus ( 5 ) errechnet. Bei Annaherung an die Kante geht d --f f und

d' f a* ----t--sina* = - d t o - - d 2 0 @ 2

und nach (14) du, a* t g y = - +c tp - - dY2 2 '

Die Tangente an die Flache I I im Meridianschnitt bildet also mit der System-

achse den Winkel - ; das ist aus der achsenparallelen Tangente an die Flache I und der Aberrationsfreiheit fur achsenparallel einfallende Strahlen auch geome- trisch ohne Rechnung zu erschlieoen.

Die Flachennormalen der neuen Flachen I bzw. I1 weichen nur in Kantennahe stark von denen der alten Flachen, also des Paraboloids bzw. des Hyperboloids ab, und man wird daher vorwiegend in der Kantenzone auch Bildanderungen er- warten. Der nachste Abschnitt wird zeigen, daI3 diese Erwartung nicht zutrifft.

a* 2

l a tg* x . 2 4, Man benutzt die GroBe 1 nach dern Befund (6) zweckinaRig als ein

MaR fur den ,,Abstand" yon der Kante.

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W o k : Schuwzsdildsehe Spiegelsgst. slreifender ReflezMnalsOptiken f . R(inlgenStrd1m 291

4. Bildeigenschatten der streng aplanatischen Zweispiegelsysteme erster Art Bei der mikroskopischen Anwendung eines Zweispiegelsystems nach Abb. 2 a

wird ein in der Brennebene u = 0 liegendes Objekt nach rechts hin in eine ent- fernte Bildebene abgebildet. Fiir die Rechnung ist es ubersichtlicher, umgekehrt die Abbildung eines rechts in der Ferne liegenden Objektes in die Brennebene zu untersuchen. In diesem Sinne liege rechts unten (Abb. 2a) neben der Achse und in der u, y-Ebene ein ferner Objektpunkt. Die von ihm auf den Spiegel I sehr nahe der Kante auffallenden Strahlen mogen mit der u, z-Ebene den kleinen Winkel 8 bilden. Nach Reflexion an dem Spiegel I und anschlielend am Spiegel I I treffen die Strahlen die Brennebene in einer kleinen Zerst.reuungsfigur, die in Parameterdarstellung durch

1 - cos a* zlg =f6sintpcoscp- - - COB a*

gegeben ist. Der Parameter 9 ist das Azimut des Aufpunktes auf dem Spiegel f an der Kante. Der Beweis von (16) und (17) ist identisch mit dem auf Seite 101 der fruheren Arbeit gegebenen, und unsere Gleichungen stimmen mit den Glei- chungen (27) der friiheren Arbeit genau iiberein.

Die Kantenzone des streng aplanatischen Zweispiegelsystems liefert also die gleichen Zerstreuungsfiguren wie die Kantenzone der Spiegelsysteme aus 2 Flachen zweiten Grades, wie wir sie in Abb. 7 der friiheren Arbeit zeigten. Nur beziiglich der Intensitatsverteilung uber die Zerstreuungsfigur gibt es Unterschiede; so tritt von der friiheren Doppelschleife jetzt iiberhaupt nur die eine Halfte mit einer ron 0 verschiedenen Intensitat auf. Denn die untere Halfte der Kantenzone kann von den Strahlen des unten liegenden Objektpunktes nicht getroffen werden ; das folgt unmittolbar aus dem achsenparallelen Verlauf des Spiegels I an der Kantc.

Die Gleichheit der Zerstreuungsfiguren bei den neuen und den alteren Syste- men gerade an der so verschieden aussehenden Kantenzone mag zunachst be- fremden; aber hierin steckt nur die einfache und bekannte Tatsache, daQ der an einem Winkelspiegel (bestehend aus zwei ebenen Spiegeln) reflektierte Strahl sich stets um den Winkel {- 6 dreht, wenn der einfallende Strahl um + 6 gedreht wird. Auf diese Drehung haben weder der Winkel zwischen beiden Spiegeln noch die Lage der Spiegel zum Strahle irgendwelchen EinfluQ.

Wir betrachten nun die Durchrechnung solcher Strahlen, die in eine beliebige Zone einfallen. Hierzu vergleiche man die Abh. 9 und unter Umstanden auch die Durchrechnungsformeln des Anhangs der friiheren Arbeit. Ein auf den Punkt PI (q~) des Spiegels I auffallender Strahl bilde mit der u, z-Ebene den Winkel 6. Das Koordinatensystem u, y, z sei ein Rechtssystem. Wir drehen dann den ein- fallcnden Strahl um den Winkel -9, d. h. den negativen Wert des Azimuts q unseres Aufpunktes PI(?); Drehachse sei die Systemachse. Dann geht P I @ ) in den Punkt PI der u, ydbene uber. Der so gedrehte einfallende Strahl bildet die Winkel 6, bzw. 6, mit der u, y-Ebene bzw. der u, z-Ehene. Es ist

Die Flachennormale der ersten Flache ist durch G1. (11) und (12) gegeben. Der auf PI auffallende Strahl hat die Richtung des Einheitsvektors

sin = sin 6 cos 9; sin 6, = sin 6 s i n p (18)

Go = (- cos 6; sin dt ; - sin 6J. (19)

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Die Richtung des an I reflektierten Strahles ist

Annalen der Physik. 6. Fdge. Band 10. 1952

s1 = so - 2 n, (so nJ = (w sly; sit) (20) = (sin 6, sin aI - cos 6 cos a, ; -sin 6, cos or, - cos 6 sin a, ; - sin as).

Dieser reflektierte Strahl trifft die Flache I I in dem Punkte

PP (% i Is1.; y1 + 1 s*y; 1 8 1 2 ) .

I erhiilt man aus dem Gleichungssystem

U l - ! - ~ 8 1 u = d C O S a

y1 -+ I sly = dsin cos P, 1 s,, = dsin sin

--=-- 9

das nach d; E, j) und 1 aufzulosen ist. Aus der Quadratsumme der Gln. (22), (23) und (24) erhiilt man

1 = - (UI 81% + ~ 1 8 1 y ) + G u t y1 sly)* + dg - (*: -I- Y:) . (26) Das hierin noch unbekannte d gewinnt man aus

- = -COS& j : cos'ar - + ',.@ -E a q - r i c g - E c1 E l c und hat dazu lediglich noch das Or durch Iteration aus

zu berechnen; die Iteration konvergiert sehr schnell, wenn rechts ein Naherungs- wert eingesetzt, aus dem links entnommenen und dem eingesetzten Wert das Mittel gebildet und zum niichsten Iterationsschritt benutzt wird. In einem prak- tischen Falle ergab die Iteration nacheinander fur Or die Naherungswerte 10' 13'; 10" 18' 553'; loo 19' 33,4"; 10' 19' 36,7"; loo 19' 36,9" & 0,08".

1st in dieser Weise der Aufpunkt P, dcs Strahles auf dem Spiegel II gewonnen, SO wird die Fliichennormale auf II nach den Gln. (13, (14) und (15) berechnet; als d, a sind dort die soeben nach (27) und (30) berechneten d und E zu benutzen. Der an der Fliiche II reflektierte Strahl hat die Richtung des Einheitavektors

(31 )

(32)

s2 = (82u;82y;8d = 8,- 2n2 (s1n2) und trifft die Brennebene im Punkte PB mit den Koordinaten

Y B = ~2 i- t ~ 2 ~ ; Z B = 2% -I- t 82z; WB =: 0;

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Wokr: S & m d i & h e Spkgelsyst. streifender Rei lexh als Optikm 1. Riinlgenelrahlen 293

Die anfangs durchgefuhrte Drehung machen wir riickgangig und erhalten fur den Bildpunkt Pk die Koordinaten

wk = 0 ; y i = yBcosp,-zBsinp,; 5 8 = yesinp, 4- zBcosp,. (34) Der Weg von G1. (22) bis (30) gestaltet sich bei Beschriinkung auf den Meridian-

schnitt sehr vie1 einfacher. Bezeichnet man mit G die GroBe G = y, cos (a, 1- 6 ) - ~ , sin (a1 -I- d), (36)

so findet man Or durch Iteration aus

und die GroBen d und 1 aus -

(37)

(38)

B sin (6 - a, - 6) d =

2 = y, sin (a, + 6) 4- u, cos (a, -I- 6) - d cos (%-a,- 6).

1 I 2 0.1 Einheiren Q5

O3 Rodus der O.1 a2 Zerstreuungsfgur -

Abb. 3. Radien der Zerstreuungsfiguren fur die 3. Zone (Aperturwinkel 0,05) und die Kantenzone bei dem neuen (streng aplanatischen) und bei dcm alten Zweispiegelsystem. Der GauBpunkb lie@ fast zentral im Innern der Zerstreuungsfigur der 3. Zone. Die Syatembrennweite miat in beiden Fallen

/ = 4014 Einheiten. Das ncue System hat dic Daten D = 23,s: g = 1450. AuBerdem wurde ein Wert fur die 3. Zone des Systems D = 14,O: g = lGCl0 berechnet; der hieizu gehorende Punkt S

liegt nahezu a d der Kurve des anderen streng aplanatischen Spiegelsystems

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Die Ergebnisse der Durchrechnung sind in Abb. 3 mitgeteilt; zum Vergleich sind die entsprechenden Kurven fur das altere Zweispiegelsystem der friiheren Arbeit 2) rnit eingetragen. Ersichtlich bietet das neue System noch keine Vorteile in Gesichtsfeldteilen rnit 6 2 0,00025. Erst ganz nahe a n der Achse zeigen sich Vorteile fur die 3. Zone (Aperturwinkel der 3. Zone ist 0,05).

Die Bildfehler sind auBerdem gegen h d e r u n g der Parameter D und g ziem- lich unempfindlich (siehe Begleittext zu Abb. 3). Eine wesentliche VergroBerung des brauchbaren Bildfeldes wird also mit den streng aplanatischen Zweispiegel- systernen nicht erreicht, da in den aiiBeren Gebieten die Bildfehler hoherer Ord- nung ausschlaggebend werden und fur das neue System ziemlich genau dieselbe GroBe haben wie fur das altere. Die Korrektur dieser Fehler erfordert entweder die in der friiheren Arbeitz) auf S. 103 bis 105 beschriebenen Deformationen oder Mehrspiegelsysteme, zu deren Behandlung in der friiheren Arbeit ein Anfang gemacht wurde (S. 105 und 106).

Dennoch wiirde die mit dem streng aplanatischen Zweispiegelsystem erreichte Rildverbesserung in Achsennahe lohnend erscheinen, wenn fur das neue System eine ahnliche Prufmoglichkeit entwickelt werden konnte wie fur das altere, hoch- stens eine deformierte Flache enthaltende System. Doch zeigt sich hierfur bislang noch kein Weg. Wahrend fur die nicht deformierte Flache des alten Systems auf Grund der Brennpunktseigenschaft ein einfaches und direktes Priifverfahren mog- lich ist und somit zunachst die eine und dann die zweite Flache nacheinander durch Retusche verbessert werden konnen, scheint das neue System bislang nur als Ganzes prufbar und damit nicht planmaBig retuschierbar zu sein.

Uber ein Prufverfahren, das mit optischen Mitteln bei den alteren Systemen eine fur die Rontgenrnikroskopie ausreichende Genauigkeit erreichen la&, wird gesondert berichtet werden.

Anhang. Uber Spiegolsysteme zweiter und dritter Art Die Abb. 4 und 5 zeigen je zwei streng aplanatische Spiegelsysterne zweiter

und dritter Art. Die Flachen sind in den fur streifende Reflexion benutzbaren Teilen wieder nahezu Flachen zweiten Grades; sie schneiden eich jeweils auf der Knickflache, die nur in Abb. 4a nicht eingezeichnet werden konnte, da sie rechts weit auBerhalb des Blattes liegt.

Abb. 4. Streng aplanatische Epiegelsysteme 2. Art. a ) D = 0,001 f ; do = 0,5 f , b ) D = 0,Ol f ; do = 0,5 f

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Wolter: Schmmchildsc& Spiegelspt. streifender Reflexion abOplikrn f. RiinlqemtrahIen 295

Die strengen Gleichungen fiir die gezeichneten Meridianschnitte dieser Spiegel- flachen wurden bereits in der fruheren Arbeit*) auf S. 107 mibgeteilt; darauf be- ziehen sich aiich die GroBen D und d,, in den Abbildungsunterschriften. Auf die Berechnung der Bildeigenschaften bei diesen Systemen wurde verzichtet, da die praktische Bedeutung geringer als bei den Systemen erster Art ist.

Abb. 5. Streng aplanatiscbe Spiegclsysteme 3. Art. u.) D = 0,l f; do = 10 1, b) D = 0,041; do = 25 f

Zusammentassung LiiBt man fur die Schwarzschildschen Integrationskonstanten in der be-

riibmten Schwarzschildschen Arbeit aus dem Jahre 1905 auch komplexe Zahlen zu, so erhalt man streng aplanatische Zweispiegelsysteme erster Art fur streifenden Einfall. Sie eignen sich als Optiken fur Rontgenstrahlen, ergeben jedoch nur eine geringe Verbesserung der Bildqualitiit gegeniiber den Systemen aus Flachen zweiten Grades. Ein Vergleich im Hinblick auf die Belange der Praxis, insbesondere be- ziiglich eines gangbaren Priifverfahrens, entscheidet zunachst noch fur die in der friiheren Arbeit g) veroffentlichten Systeme, die hkhstens eine einzige von Para- boloid, Ellipsoid oder Hyperboloid abweichende Flache enthalten.

Verf. dankt dem Direktor des Instituts fur Experimentalphysik, Herrn Pro- fessor Dr. Lochte-Holtgreven, und dem Direktor der Sternwarte Kiel, Herrn Professor Dr. Unsold, fur die groSzugige Unterstiitzung. Den Herren stud. rcr. nat. Pfleiderer und Karstensen dankt Verfasser fiir ihre wertvolle Hilfe bei numerischen Rechnungen und bei der Anfertigung der Abbildungen.

Ki el , 1nst.itut fur Experimentalphysik der Universitat..

(Bei der Redaktion eingegangen am 10. Dezember 1951.)