Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau · Wenn man sich die Historie anschaut, dann stellt man fest,...

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Workshop des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau / Privatwirtschaftliche Lösungen jenseits der PKW-Maut 3/2008 Herausgegeben vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Hauptabteilung Volkswirtschaft, Information und Kommunikation Dr. Heiko Stiepelmann Kurfürstenstraße 129 10785 Berlin Tel. 030 21286-0 Fax 030 21286-189 E-Mail [email protected] www.bauindustrie.de www.ppp-plattform.de

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Workshop des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau

/ Privatwirtschaftliche Lösungen jenseits der PKW-Maut

3/20

08

Herausgegeben vom

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.

Hauptabteilung Volkswirtschaft, Information und KommunikationDr. Heiko Stiepelmann

Kurfürstenstraße 12910785 Berlin

Tel. 030 21286-0Fax 030 21286-189

E-Mail [email protected]

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Workshop am 22. Mai 2007 in Berlin

Verfügbarkeitsmodelle

im Straßenbau

Privatwirtschaftliche Lösungen jenseits der PKW-Maut

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52 PPP-Verkehrsprojekte in Österreich – Kombination aus Verfügbarkeitsentgelt und Schattenmaut

Dipl.-Ing. Jörg ArndtGeschäftsstellenleiter Mautstraßen Deutschland,Hochtief PPP Solutions GmbH

58 Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

Prof. Dr.-Ing. Hans-Wilhelm AlfenBauhaus-Universität Weimar, Fakultät Bauingenieurwesen

72 Erste Erfahrungen mit dem PPP-Projekt Harsewinkel

Dr. Marion Henschel-BätzGeschäftsführerin der HERMANN KIRCHNER Projektgesellschaft mbH,stellv. Vorsitzende des Arbeitskreises „Private Finanzierung“ des Hauptverbandes

78 Herausforderungen für öffentliche und private Partner beikommunalen ÖPP-Projekten im Straßenbau – Ergebnisse derVoruntersuchung Dithmarschen

Hella PrienLeitung PPP-Kompetenzzentrum,Investitionsbank Schleswig-Holstein

84 PPP-Ansätze im Bereich der Bundesfernstraßen und bei Kommunal- und Landesstraßen

Torsten R. BögerGeschäftsführer VIFG,Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH

Inhalt

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4 Verfügbarkeitsmodelle versus Mautmodelle – Eine Betrachtung der Vor- und Nachteile

Dipl. rer. pol. (techn.) Jürgen SchönwasserGeschäftsführer Bilfinger Berger BOT GmbH

14 Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau – Eine neue Risikokategorie

Direktor Helmut FaustLeiter PPP Deutschland, BayernLB

26 Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau – Die Perspektive der Bundesregierung

MR Stefan StrickLeiter des Referats Privatfinanzierung, Sonderprogramme und Innovationen im Straßenbau im BMVBS

30 Verfügbarkeitsmodelle im Straßenverkehr

Tim LorenzGF EUROVIA Infra GmbH

36 Service-Level-Agreements und Vergütungsmechanismen für PPP-Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau

RA Dirk KronsbeinWolter Hoppenberg Rechtsanwälte Steuerberater Notare

44 PPP-Verkehrsprojekte in Norwegen – Erfahrungen mit dem Projekt E 18 Grimstad-Kristiansand

Dipl.-Ing. Daniel PersyOperations Manager Bilfinger Berger Project Investments GmbH

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Wenn wir uns in der Welt umsehen, dann ist ja vielleicht ganz interessant, welche Markt-tendenzen wir bei den beiden Konzepten Mautprojekte und Projekte nach dem Ver-fügbarkeitskonzept finden. Und wenn ich auf die Märkte schaue, in denen wir als Bil-finger Berger BOT tätig sind, dann sind mit einem Trend zu Mautprojekten zunächst dieMärkte Australien, USA, Kanada, dann hier näher bei uns bekanntermaßen Frankreich,Spanien, Portugal und Italien zu nennen – und Deutschland, soweit es das F-Modellbetrifft. Schattenmaut hat sich nur sehr begrenzt durchgesetzt, in Großbritannien hat esdazu in der Vergangenheit ein paar Projekte gegeben; für die Zukunft sehen wir diesesModell aber nicht mehr. Das A-Modell in Deutschland zähle ich auch dazu, wobei es keinreinrassiges Schattenmautmodell ist. Im ganzen osteuropäischen Raum und in Skandina-vien ist ein starker Trend zu Verfügbarkeitsmodellen festzustellen.

Schematischer Vergleich Mautprojekte – Verfügbarkeitsmodelle

■ Die Konzessionsdauer liegt bei Mautprojekten meist zwischen 30 und 50 Jahren. Mansieht auch Projekte bis zu 99 Jahren, aber das sind die großen Ausnahmen. Bei Verfüg-barkeitsmodellen ist die Konzessionsdauer deutlich kürzer. Bei den Mautprojekten istein Volumen von 150 Mio. Euro generell eine untere Grenze, während bei dem Verfüg-barkeitsmodell die Projektgröße sehr viel variabler zu sehen ist. Die Eigenkapitalquo-te bei den Mautprojekten ist etwa doppelt so hoch.

■ Das Kriterium der Kreditlaufzeit kann bei den Verfügbarkeitsmodellen die gesamteKonzessionslaufzeit in Anspruch nehmen. Die Margen beim Verfügbarkeitsmodellliegen niedriger. Der Unterschied im Finanzierungsdeckungsgrad – bei den Verfügbar-keitsmodellen deutlich niedriger – ist auch eine Reaktion der anders gelagerten Risi-kostruktur in der Verfügbarkeit. Das Rating ist ein wichtiger Punkt, bei Mautprojektenin der Regel nicht möglich, bei Verfügbarkeitsmodellen in der Regel möglich. Diessenkt die Finanzierungskosten und so die Gesamtkosten des Projektes und damit ist„Value for Money“ für den Auftraggeber, für den Konzessionsgeber, entsprechendhöher.

■ „Upside“-Potential, die Rendite auf das eingesetzte Kapital, ist beim Verfügbarkeits-modell natürlich durch die festgeschriebenen Beträge begrenzt; hier steht bei denMautmodellen nach oben unbegrenzt, das ist ein bisschen theoretisch, natürlich gibtes angesichts der Preis-Absatz-Funktion ebenfalls Grenzen.

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Verfügbarkeitsmodelle versusMautmodelle – Eine Betrachtungder Vor- und Nachteile

Dipl. rer. pol. (techn.) Jürgen SchönwasserGeschäftsführer Bilfinger Berger BOT GmbH

Der Vergleich

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ein langfristiges Überleben und wirtschaftliches Handeln sicherstellt – oder nicht. Daswird man abwarten können.

Nur kurz erwähnt seien die beiden F-Modell-Projekte in Deutschland, die Warnowque-rung, die im Jahr 2003 eröffnet wurde und die heute ein Verkehrsaufkommen von 8.000bis 10.000 Fahrzeugen pro Tag hat, verglichen mit den ursprünglich prognostizierten40.000 Fahrzeugen.

Und die Travequerung, ein Projekt, an dem unser Haus zu 50 Prozent beteiligt ist. DiesesProjekt wurde 2005 eröffnet mit einem Investitionsvolumen von 175 Mio. Euro und einerursprünglichen Annahme von 35.000 Fahrzeugen pro Tag. Tatsächlich haben wir heute imMittel einen Verkehr von 21.000 Fahrzeugen pro Tag.

Ein weiteres Projekt, an dem wir beteiligt sind – bzw. waren – ist der Cross CityTunnel inSydney, Australien mit einem Projektvolumen von 520 Mio. Euro und einer ausgespro-chen hohen Eigenkapitalquote von 41 Prozent. Der tatsächliche Verkehr liegt bei einemDrittel der ursprünglichen Prognosen und man kann unschwer daraus folgern, dass dasProjekt in erhebliche Schwierigkeiten gekommen ist, im letzten Jahr zu einer Vollabschrei-bung geführt hat und heute im Markt neu platziert werden muss.

Ich möchte aber auch ein positives Beispiel erwähnen, und zwar die 60 km lange Maut-autobahn von Zagreb nach Macelj, das heißt von der Hauptstadt Kroatiens zur Grenzenach Slowenien hin, wo das Verkehrsaufkommen erfreulicherweise etwa 10 Prozent über

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■ Mautmodelle: Ich habe mir erlaubt, die Pällmann-Kommission, die im September 2000ihren Bericht abgeliefert hat, in den Eckpunkten noch einmal zu zitieren. Ich hattedamals die Gelegenheit, in dieser Kommission mitzuarbeiten, und wenn man sichanschaut, was die Empfehlungen waren, dann sieht man keine so großen Unterschie-de zu den Forderungen, die wir heute auf dem Tisch haben. Schon damals wurde eineBundesfernstraßenfinanzierungsgesellschaft gefordert; die Orientierung an den Wege-kosten, eine LKW-Maut von 12 Pfennigen pro Kilometer, kommt uns heute sehrbekannt vor; die Vignette für leichte LKW und PKW, da gab es eine Zwischenlösung;als Grundsatz das benutzerproportionale Entgelt für alle Fahrzeugklassen als die län-gerfristige Vision; und noch ein wichtiger Punkt, der in der Diskussion immer wiederunerwähnt bleibt, d.h. totgeschwiegen wird, ist die klare Forderung der Kommission,Zug um Zug in mindestens gleicher Höhe eine steuerliche Entlastung des Autofahrerszu erreichen.

Mautmodelle in Frankreich

Wenn wir nach Frankreich schauen, dem Land, in dem sicherlich die meiste Erfahrungmit Mautmodellen herrscht, dann kann man sehen, dass das Autobahnnetz von etwa8.000 km fast vollständig in der Hand von privaten Betreibern ist: es gibt etwa 10 Auto-bahngesellschaften, vier große, die anderen etwas kleiner, die hier zu Gange sind, unddas Mautentgelt ist überwiegend ein nutzerbezogenes. Neben den Autobahnen gibt eseine ganze Reihe von zweistreifigen, mautfreien Bundesstraßen.

Wenn man sich die Historie anschaut, dann stellt man fest, dass die Maut-Tradition inFrankreich bis in die Mitte der fünfziger Jahre zurückgeht, die Übertragung des Rechts derMauterhebung dann Anfang der siebziger Jahre erfolgte, die Gesellschaften damals aberhalbstaatlich blieben. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre gerieten diese halb-staatlichen Gesellschaften ausnahmslos in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten undzwar aufgrund der weit hinter den Prognosen zurückbleibenden tatsächlichen Verkehrs-aufkommen. Der Staat hat daraufhin eingegriffen, hat diese halbstaatlichen Gesellschaf-ten neu geordnet, zusammengelegt, defizitäre Privatunternehmen übernommen, Subven-tionen zur Verfügung gestellt, Konzessionslaufzeiten verlängert und Garantien für dieFremdkapitalfinanzierung herausgelegt und hat dann – Ende 2005, Anfang 2006 – dievollständige Privatisierung der halbstaatlichen Betreibergesellschaften vorgenommen.Die Neuausschreibungen, die wir heutzutage in Frankreich sehen, sind mehrheitlich mitvollem Verkehrsrisiko versehen und es wird sich zeigen, ob die jetzt privaten Unterneh-men, die sicherlich eine andere Risiko- und Chanceneinschätzung haben als zu ihrer halb-staatlichen Zeit, in ihren Angeboten die nötige Aggressivität an den Tag legen, die ihnen

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Verfügbarkeitsmodelle versus Mautmodelle –Eine Betrachtung der Vor- und Nachteile

Standard & Poor’s Expandes Sample (2004)Normal (0.76, 0.26)n = 87

Actual/Forecast Traffic

Mautmodelle IX

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den ursprünglichen Annahmen liegt. Man kann man sich gut vorstellen, was das auf derfinanziellen Seite bedeutet.

Es dürfte bekannt sein, dass Standard & Poors über viele Jahre hinweg Mautprojekteuntersucht hat. Im Vergleich zu der voraus laufenden Verkehrsprognose wurde leider –und das ist die Schwäche dieser Studie – jeweils nur das erste Betriebsjahr betrachtet, sodass hier also ein Vergleich der Ramp-Up-Phase vorgenommen wurde. Gleichwohl habensich die Schlussfolgerungen dieser Betrachtung über mehrere Jahre hinweg stabilisiertund Standard & Poors ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verkehrsprognosen beiMautprojekten im Durchschnitt um 20 Prozent über dem tatsächlichen Verkehr des erstenBetriebsjahres liegen. Es gibt auch positive Abweichungen, aber die 20 Prozent sind derMittelwert. Immerhin wurden 87 Projekte betrachtet. Das macht uns dann natürlichetwas nachdenklich, vor allem, wenn man die finanzielle Verantwortung für diese Projek-te zu übernehmen hat.

Verfügbarkeitsmodelle sind anders strukturiert

Deshalb wenden wir uns dem Verfügbarkeitsmodell zu, das ganz anders strukturiert istund eine, wie wir meinen, adäquate Risikoallokation vorsieht, wo der private Partner inder Partnerschaft zuständig ist für die Dinge, die zu seinem Leistungsspektrum gehören,nämlich für Bau, Betrieb und Erhaltung. Dabei steht die Lebenszyklusbetrachtung imVordergrund. Es ist unsere Aufgabe, über eine straffe Kalkulation von Investitions-,Betriebs- und Erhaltungskosten die Vorzüge des Projektes zu optimieren – „Value forMoney“ – und das Anreizsystem für den Konzessionär ist so fokussiert, dass er das opti-mieren kann, was er aus seinem eigenen Know-how heraus in der Lage ist zu optimie-ren. Das Anreizsystem für den Betreiber ist derart gestaltet, dass die Verfügbarkeit desStraßenprojektes im Vordergrund steht, das heißt, der Betreiber wird sich so verhalten,dass er alle notwendigen unvermeidbaren Reparaturmaßnahmen zu Zeiten vornimmt, zudenen die Beeinträchtigung des Verkehrsflusses am geringsten ist – an bestimmtenWochentagen und Tageszeiten, an Wochenenden usw.

Hier einige Beispiele, zum einen die E18 in Norwegen, ein Projekt, das unser Haus Anfangletzten Jahres zum Financial Closing gebracht hat, und die M6 in Ungarn, ein Autobahn-projekt von knapp 60 km Länge, einem Projektvolumen von 500 Mio. Euro und Bau-kosten von 400 Mio. Euro. Die Mauterhebung in Ungarn erfolgt nicht projektbezogen,sondern hier geht es rein um Verfügbarkeit. Ungarn hat ein Vignettensystem für LKW undPKW und es wird noch in diesem Jahr eine Ausschreibung für ein Mautsystem für LKWerwartet, ein landesweites Bemautungssystem, aus dessen Einkünften dann die Mittel fürdas Verfügbarkeitsmodell kommen. Ein weiteres Beispiel ist unser „Golden Ears Cros-sing“ Projekt in Kanada, mit einem Projektvolumen von 800 Mio. Euro. Wir sind der ein-

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Verfügbarkeitsmodelle versus Mautmodelle –Eine Betrachtung der Vor- und Nachteile

zige Gesellschafter und unsere Eigenkapitalquote liegt bei acht Prozent! Wichtig ist, dassdies eine Brücke ist, die bemautet wird. Die Maut wird von einer privaten Gesellschaftfür den Konzessionsgeber erhoben, der aus diesem Mauterlös das Verfügbarkeitsentgeltbezahlt und das Risiko behält, ob die Mauterhebung finanziell ausreicht. Ähnlich ist auchunser Vorschlag zur Fehmarnbeltquerung, den wir wiederholt bei den entsprechendenVeranstaltungen vorgestellt haben; wir befürworten hier eine vollständig privatwirt-schaftliche Realisierung des Projektes mit Erhebung des Nutzungsentgelts durch dieprivate Projektgesellschaft, aber für die öffentliche Interstate Company, denn dieöffentliche Hand bzw. der öffentliche Sektor setzt Maut- und Entgelthöhe für dieSchienennutzung fest. Die Fehmarnbeltquerung sieht eine Straßenquerung sowie eineSchienenquerung vor und die öffentliche Hand kann damit im sensitiven Bereich derMauthöhe Einfluss nehmen in Anbetracht der Tatsachen, dass eine Fährverbindungbesteht und dass es andere, ebenfalls bemautete Querungen nach Dänemark gibt. DieDarstellung der Verkehrsprognosen zeigt eine erhebliche Steigerung für den Fall, dass bis2015 diese feste Verbindung fertiggestellt wird.

Was sind die Vorteile des Verfügbarkeitsmodells? Einmal, ein relativ einfacher Aufbauund klare Schnittstellen, was sich auch in den Verträgen widerspiegelt, die einfacher zugestalten sind als im Mautbereich. Wir haben begrenzte, jährlich budgetierbare, bekann-

Verfügbarkeitsmodell IV

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te Ausgaben für die öffentliche Hand, wir brauchen keine Anschubfinanzierung und wirhaben eine deutliche Risikoübertragung auf den Privatsektor, nämlich in den BereichenBau, Betrieb und Erhaltung. Das Verkehrsrisiko verbleibt beim öffentlichen Sektor. Wirfassen im Verkehrsrisiko immer mit einem Begriff zwei Elemente zusammen, nämlich dieFestsetzung der Mauthöhe und die Verkehrsmenge, und da beide Bereiche stark vonöffentlichen Maßnahmen abhängig sind, ist die Risikoallokation bei der öffentlichenHand hier die richtige. Die starken Anreize für die Optimierung von Projektkosten undLeistungen über den gesamten Lebenszyklus, die Überlegungen, zwischen Investition,Betrieb und Erhaltung zu optimieren, bedeuten, dass der Wettbewerb der Anbieter überden Barwert der Verfügbarkeitszahlungen erfolgt. Das wesentliche Konkurrenzkriteriumist, wieviel Verfügbarkeitsentgelt eingefordert wird – und nicht spekulative Elemente wieMauthöhen oder Verkehrsmengen.

Das Anreizsystem für den Betreiber habe ich schon erwähnt, nämlich die Optimierungder Betreibertätigkeiten mit dem Ziel, eventuelle Verkehrsbeeinträchtigungen so geringwie möglich zu halten, ebenso wie die Definition des Verfügbarkeitsentgeltes, die auchfür den öffentlichen Sektor ein wirkungsvolles Instrument bietet, die Leistungserfüllunggenau und fein zu steuern. Die Konditionen der Finanzierung auf dem Kapitalmarkt sindwesentlich günstiger, der Eigenkapitaleinsatz ist geringer und liegt typischerweise beiacht bis zehn Prozent und nicht bei 15 - 20 Prozent. Bekanntermaßen werden sich die

Verfügbarkeitsmodelle versus Mautmodelle –Eine Betrachtung der Vor- und Nachteile

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RisikoverteilungVerfügbarkeitsmodell VVorteile des Modells

Der 3. Weg

Finanzierungskosten für den Konzessionsgeber erhöhen, "Value for Money" sich redu-zieren, wenn er weniger Risiken selbst übernimmt.

Das bringt mich zurück zu dem von mir vorgeschlagenen dritten Weg für Deutschland,wobei ich versuche, das Konzept, das wir für die Fehmarnbeltquerung vorgeschlagen

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haben, mit den Forderungen der Pällmann-Kommission zu kombinieren. Dies heißt (1)die Erhebung eines landesweiten Nutzungsentgelts, in der Endausbaustufe entfernungs-abhängige Maut für alle Fahrzeuge; (2) die Zwischenstufe, wie in der Kommission damalsvorgeschlagen, nämlich eine Vignette für leichte LKW und PKW, ist sicherlich machbar;kombiniert mit (3) der Möglichkeit der Kreditaufnahme der Finanzierungsgesellschaft.Dies ergibt dann das Budget, das Potential, den Topf, um Verfügbarkeitsentgelt für ver-schiedene Projekte dieser Art zu entrichten.

Vorteile von Verfügbarkeitsmodellen:

■ Adäquate Risikoallokation zwischen Privatsektor (Bau, Betrieb, Erhaltung) und öffent-licher Hand (Mauthöhe, Verkehr und, nicht zu unterschätzen, Rücksichtnahme aufUmweltbelastungen)

■ Beschleunigung der Investitionstätigkeit

■ Alles in einer Hand aus der Sicht des Privaten

■ Lebenszyklusbetrachtung

■ und Finanzierungen, die für das einzelne Projekt maßgeschneidert sind und nicht mitdem großen Schnitt für alle Projekte passen müssen und, daraus folgend, eine Verstetigung der Investitionstätigkeit, nicht zuletzt durch die Möglichkeit einer Kredit-aufnahme durch die Finanzierungsgesellschaft

■ Unabhängigkeit von Budget- und Steuerüberlegungen.

Fazit „Verfügbarkeitsmodelle versus Mautmodelle“

Das Realisierungsmodell – und jetzt richte ich den Blick wieder auf ganz Europa – musszum Konzessionsgeber passen, es muss zum politischen Umfeld passen. Wir haben überFrankreich gesprochen – über Deutschland wird noch einiges gesagt werden – aber ichmöchte auch auf die osteuropäischen Staaten hinweisen wie z. B. auf Ungarn, wo einlandesweites Mautsystem eingeführt werden wird, um mit diesen Erträgen dann Verfüg-barkeitsmodelle zu finanzieren. Wir sehen dies auch in anderen Ländern. In Tschechienwurde bereits zu Beginn dieses Jahres die LKW-Maut realisiert, in Slowakien sowie inRumänien gibt es entsprechende Pläne. Für die meisten dieser Länder ist die Anschubfi-nanzierung ein wesentliches Kriterium bzw. ein wesentliches Problem, vor allem dort, woMaastrichtkriterien einzuhalten sind. Das Realisierungsmodell muss zu den Einnahme-quellen passen, entweder eine individuelle Maut wie in Frankreich oder eine landeswei-te Maut wie in den osteuropäischen Staaten, oder es muss aus Steuergeldern finanzier-

bar sein und, wie ich mehrmals betont habe, die Risikoverteilung muss adäquat sein. Wirsind überzeugt, dass „Value for Money“-Überlegungen ganz klar in Richtung Verfügbar-keitsentgeltprojekte weisen, und für Deutschland liegt der vorgeschlagene Weg in einemModell, bei dem die Maut für die öffentliche Hand erhoben wird und aus diesem Topfheraus die Verfügbarkeitsentgelte bezahlt werden.

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Verfügbarkeitsmodelle versus Mautmodelle –Eine Betrachtung der Vor- und Nachteile

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Die Überschrift meines Vortrags lautet „Verfügbarkeitsmodelle als neue Risikokategorie“.So neu ist diese Kategorie allerdings gar nicht, jedenfalls nicht im Ausland. Die aufgeführ-ten Projekte sind bisher alle erfolgreich. In den meisten Fällen sind übrigens deutscheBauunternehmen beteiligt.

Die gute Nachricht ist also: Verfügbarkeitsmodelle haben sich in der Praxis bewährt. ImFalle des ungarischen Projektes wird die Ausschreibung für ein Nachfolgeprojekt vorbe-reitet, was meine Feststellung aus ungarischer Sicht bestätigt. Es werden bei all diesen

Projekten sehr interessante Finanzierungskonditionen erzielt, in vielen Fällen über sogenannte „Wrapped Bonds“, also versicherte Anleihen oder „Wrapped Loans“,besonders attraktive Konditionen. Beispielsweise wurden das ungarische Projekt, die bei-den kanadischen Projekte, das österreichische Projekt und die britischen Projekte mit„Wrapped Debt“ finanziert.

In Deutschland wurde bisher kein Verfügbarkeitsmodell ausgeschrieben. Das mag daranliegen, dass man in Deutschland PPP im Verkehrssektor vorwiegend unter dem Blickwin-kel der Haushaltsentlastung betrachtet. Der privat finanzierte Autobahnbau soll eigeneEinnahmen generieren, muss sich selbst erwirtschaften, möglichst ohne Zuführung staat-licher Mittel. Dem gegenüber orientiert man sich in anderen Ländern, wie zum BeispielGroßbritannien, am Prinzip des “Value for Money“, an Effizienz- und Kostengesichts-punkten. Im Vordergrund steht dann die Erwartung, mittels PPP Bau- und Unterhaltskos-ten für Strassen zu senken bzw. im Rahmen verfügbarer Budgets bessere Qualität zuerzielen.

Zugegeben, auch in Großbritannien favorisierte man im Autobahnbau bisher keine Ver-fügbarkeitsmodelle, sondern Schattenmautmodelle. Reale Mautmodelle spielen dort auspolitischen Gründen keine große Rolle.

Anders als bei Mautmodellen (z.B. A-Modell, F-Modell) werden beim Verfügbarkeitsmo-dell keine Volumens- und Preisrisiken auf den privaten Anbieter übertragen, wohl aber

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Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau – Eine neue Risikokategorie

Direktor Helmut FaustLeiter PPP Deutschland, BayernLB

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also über lange Zeiträume betrachtet hohe Stabilität auf. Auch reagiert der Verkehr wenigelastisch auf Mautpreisveränderungen, ebenfalls ein stabilisierendes Moment. WärenMautrisiken so volatil wie Rohstoffpreis- oder Zinsrisiken, könnte man darauf sicherlichkeine langfristige Finanzierung bauen. Dennoch, es bleibt bei großen Unwägbarkeiten imZusammenhang mit Mautrisiken, insbesondere anbetrachts der langen Prognosezeiträu-me. Das Einstiegsniveau ist schwer bestimmbar. Neue Trassenführungen, Projekte auf dergrünen Wiese sind deshalb wesentlich schwieriger zu realisieren, als Erweiterungsprojek-te, wo das Verkehrsaufkommen statistisch erfassbar ist oder Projekte mit bereits stattfin-dender Bemautung. Diese Unterscheidungen bilden deshalb auch ein wichtiges Kriteriumim Rahmen der Risikokategorisierung durch die Ratingagenturen. Planabweichungenbeim anfänglichen Maut- oder Verkehrsaufkommen von 100 Prozent und höher sind beiProjekten mit Trassenneuplanung vorgekommen, die Warnowquerung wäre ein Beispiel.

Werden Mautprojekte öffentlich ausgeschrieben, erstellen die Bieter ihre Angebote aufBasis eigener Verkehrs- und Mautprognosen. Die jeweiligen Prognosewerte beeinflussendie Angebotspreise, sind somit wettbewerbsentscheidend. Deswegen neigen im Rahmenvon Angebotsverfahren erstellte Verkehrsprognosen zum Optimismus, legen tendenziellhohe Steigerungsraten zugrunde. Je höher das Verkehrsaufkommen und sein Wachstums-potenzial angenommen wird, desto mehr Spielraum für die Preisfestlegung besteht, des-to höher ist andererseits auch das Risiko.

Die Akzeptanz bei Neueinführung einer Maut entsteht nur allmählich und ist dement-sprechend schwer kalkulierbar. Hohe Reserven, die in das Kalkulationsmodell eingerech-

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alle anderen Risiken. In der Bauphase gehen insbesondere Planungs- und Fertigstellungs-risiken weitgehend auf den Privaten über, in der Nutzungsphase Leistungsrisiken, kalku-latorische Risiken, usw. Die Privatisierung des Mautrisikos ist also nicht das Kernstückeiner privaten Autobahnfinanzierung. Effizienzvorteile und Risikoallokationsvorteile sindauch in vielen anderen Bereichen zu erzielen und genau da werden sie auch mit Verfüg-barkeitsmodellen erzielt.

Betrachten wir zunächst die Mautrisiken etwas näher. Diese können bei bemauteten,aber auch bei nicht bemauteten Straßen privatisiert werden. Im letztgenannten Fall zahltdie öffentliche Hand Schattenmaut an den privaten Betreiber, also Zahlungen in Abhän-gigkeit vom realen Verkehrsaufkommen. Zu diesem Konzept gelangt man, wenn man Ver-kehrsrisiken privatisieren möchte, aber – aus politischen oder rechtlichen Gründen – kei-ne Maut erheben will. Wird Maut tatsächlich erhoben, sind die Möglichkeiten einerPrivatisierung der Verkehrsrisiken vielfältiger.

Man erkennt hieran übrigens, dass das A-Modell sehr nahe an das Schattenmautmodellherankommt. Der Unterschied liegt im Risiko von Mautpreisanpassungen einerseits unddem Risiko der Mauterhebung andererseits. Wenn wir das Mauterhebungsrisiko für denMoment vernachlässigen und davon ausgehen können, dass beim A-Modell Mautpreis-anpassungen in beide Richtungen vertraglich kompensiert werden, dann sind die Risiko-strukturen beider Varianten nahezu identisch.

Mautrisiken sind immer mit großen Unwägbarkeiten verbunden, wie weit man den Auf-wand auch treibt, sie einzuschätzen und zu prognostizieren. Zwar korreliert der Anstiegdes Verkehrsaufkommens sehr stark mit dem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, weist

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net werden müssen, sind aber kostspielig. Die Mauterhebung ist oftmals politisch sensi-tiv. Es wird z.B. berichtet von Straßenschlachten bei Anhebung der Brückenmaut in Lissa-bon.

Das Angebot von Zuführungen und Alternativrouten, Erschließungsmaßnahmen, Ver-kehrsbeschränkungen und Verkehrsleitmaßnahmen haben großen Einfluss auf die Maut-entwicklung. Ist wirklich sicherzustellen, dass die Szenarien, die dem Verkehrsmodellzugrunde liegen, auch realisiert werden? Wird die öffentliche Hand bestimmte Investitio-nen vornehmen, kann und will sie sich zu bestimmten Maßnahmen verpflichten? DerMauttunnel in Rostock war für den auswärtigen Verkehrsteilnehmer schwer zu finden,Maßnahmen, den innerstädtischen Ausweichverkehr einzudämmen, blieben aus.

Die öffentliche Akzeptanz von Mautgebühren ist hierzulande ebenfalls ein erheblicherUnsicherheitsfaktor. Manchmal entsteht der Eindruck, Mautsparen genieße höhere Prio-rität als Benzin- oder Zeitsparen.

Die Unwägbarkeiten des Mautrisikos haben zur Folge, dass das Risiko des privaten Betrei-bers bei einem Mautmodell insgesamt sehr viel höher ist als beim Verfügbarkeitsmodell.Darüber hinaus entzieht sich das Mautrisiko weitgehend der Kontrolle des privatenBetreibers. Er kann nur einen geringeren Teil seines Gesamtrisikos auf Vertragspartnerüberwälzen oder finanziell absichern. Die hellblauen Abschnitte der linken Säule sind inRelation zum Gesamtrisiko geringer.

Das Mautrisiko führt dazu, dass ein höherer Anteil des Gesamtrisikos unspezifisch abge-sichert werden muss, also durch die Bildung finanzieller Reserven, etwa in Form von

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Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau – Eine neue Risikokategorie

Eigenkapital, Laufzeitreserven oder auf andere Weise. Reserven, wie schon gesagt, sindkostspielig. Eigenkapital ist teurer als Fremdkapital. Das Fremdkapital wird infolge deshöheren Mautrisikos ebenfalls höher bepreist werden als im Falle eines Verfügbarkeits-modells.

Die beschriebenen Zusammenhänge führen zu einem Zielkonflikt aus der Sicht desöffentlichen Auftraggebers. Will er sein Risiko optimieren, also möglichst viel Risiko aufden privaten Partner überwälzen, dann wird er zum Mautmodell tendieren. Oder will erseine Kosten optimieren bzw. den Gegenwert für die von ihm eingesetzten Mittel, dannempfiehlt sich eher das Verfügbarkeitsmodell. Diese Betrachtung beruht auf der Annah-me, dass Mautrisiken nach der goldenen Risikoverteilungsregel bei der privaten Seitehäufig mit höheren Kosten zu Buche schlagen, als bei der öffentlichen Hand.

Wenn überhaupt jemand, dann kann die öffentliche Hand das Verkehrsaufkommen beein-flussen, über den Ausbau der Infrastruktur, über Steuern und Abgaben, über Anforderun-gen an die Verkehrssicherheit, verkehrsleitende Maßnahmen, das Verkehrsangebot derBahn und viele andere Wege. Der private Betreiber dagegen hat kaum Beeinflussungs-möglichkeiten, zumal wenn die Mauthöhe nicht von ihm bestimmt wird, wie z.B. bei denA-Modellen. Allenfalls kann er den Verkehrsfluss auf der Konzessionsstrecke optimieren.Risikobeeinflussbarkeit ist eine Voraussetzung für niedrige Risikokosten. Umgekehrt führtein Mangel an Kontrollmöglichkeiten zu tendenziell höheren Risikokosten.

Am Rande sei bemerkt, dass bei Ausschreibung von Mautrisikomodellen die Kostentrans-parenz geringer ist, weil die Bewertung des Mautrisikos in den Angebotspreis einfließt.Aus diesem Grunde ist der Wirtschaftlichkeitsvergleich einer Mautautobahn mit einernicht bemauteten Autobahn schwierig. Das kann die Kostenoptimierung erschweren.

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Um den Zielkonflikt zu lösen, sind auch Mischformen denkbar, die Maut- und Verfügbar-keitskonzepte kombinieren. Ein praktisch erfolgreiches Beispiel hierfür ist das Projekt Ost-region in Österreich. Dort soll der private Betreiber zu 70 Prozent nach Maßstäben derVerfügbarkeit der projektierten Straßen vergütet werden, zu 30 Prozent über eine Schat-tenmaut. Der Schattenmautteil ist mehrfach abgestuft, es wurden also in der Ausschrei-bung verschiedene Mauttarifbänder definiert bzw. waren vom Anbieter zu definieren, diedann mit verschiedenen Risikogehalten versehen war. So beinhaltet das Projekt eingewisses Mautrisiko, wenngleich es im Ganzen betrachtet eher einem Verfügbarkeitsmo-dell entspricht.

Lektionen über Verkehrsrisiken musste der Markt lernen. Es gibt eine ganze Reihe vonProjekten mit privatem Verkehrsrisiko, die in Schwierigkeiten geraten sind. Am bekann-testen ist natürlich der Eurotunnel. Weniger spektakulär und in näherer Umgebung ist dieWarnowquerung in Rostock zu nennen. Auch dieses Projekt hat inzwischen eine Restruk-turierung erlebt. Beim Herrentunnel in Lübeck liegen die Verkehrsmengen bisher hinterden Planungen zurück. Die privat betriebenen, ungarischen Mautautobahnen M1 und M5sind letztlich gescheitert und haben dazu geführt, dass man in Ungarn zum Verfügbar-keitsmodell übergegangen ist. Auch in Australien hat ein städtisches Tunnelprojekt denSprung über die Anfangsphase des Verkehrsrisikos nicht geschafft. Dass die Unwägbar-keit von Verkehrsrisiken nicht nur ein Thema für Straßenbauprojekte ist, sondern in gleich-er Weise auch Bahnprojekte betrifft, lässt sich am Beispiel des Sky Train in Bangkok nach-vollziehen, wo man das Fahrgastaufkommen um etwa das Doppelte überschätzt hatte.Das zu niedrige Fahrgastaufkommen hatte mit der Währungskrise in Asien zu tun, aber

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auch mit fehlenden Zuführungsstrecken, unzureichender Anbindung an das innerstäd-tische Bussystem und dem Fehlen einer gemeinsamen Ticketvermarktung im öffentlichenNahverkehr Bangkoks.

Die Erfahrungen im Mautsektor sind also nicht durchweg positiv, was Rating-Agenturendazu bewegt, das Rating von Mautrisikoprojekten zunehmend skeptischer zu beurteilen,mit Folgen natürlich auch für die erzielbaren Finanzierungskosten. Demgegenüber sinddie Erfahrungen mit Verfügbarkeitsmodellen bisher durchweg positiv.

Am Beispiel der M6 in Ungarn möchte ich die Strukturen eines Verfügbarkeitsmodellsetwas näher vorstellen.

Es geht dabei um eine etwa 60 Kilometer lange Autobahnstrecke südlich von Budapest.Geplant war eine neue Autobahntrasse, also keine idealen Voraussetzungen für ein Maut-modell. Es gibt eine Parallelstraße entlang der Donau zur M6, auch das ein Problemfak-tor für die Realisierung eines Mautmodells. Es gab keine belastbaren Verkehrszahlen,man hätte also Neuland betreten müssen. Insgesamt stellte sich die Situation für einMautmodell also nicht gerade einfach dar. Hinzu kam, dass man in Ungarn ausgespro-chen negative Erfahrungen mit Mautmodellen gemacht hatte.

Am Zeitstrahl der Projektentwicklung kann man sehen, dass dieses Projekt sehr schnellrealisiert wurde, also in etwa einem Jahr von Ausschreibungsbeginn bis Financial Close.Diese Schnelligkeit des Vergabeverfahrens beruht auch darauf, dass Angebote für ein Ver-fügbarkeitsmodell weniger aufwändig zu gestalten sind im Vergleich zu einem Mautmo-dell. Insbesondere müssen die Anbieter keine eigenen Verkehrsprognosen heranziehen,

Quelle: ASFINAG

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benötigen weniger Zeit und keine eigenen Verkehrsberater. Der Konzessionsvertrag läuftnur 22 Jahre, auch dies kennzeichnend für ein Verfügbarkeitsmodell. Mautmodelle sehenmeist längere Laufzeiten vor. Oftmals erfordert das Mautrisiko eine extrem lange Konzes-sionsdauer, um Spielraum nach hinten für Tilgungsstreckungen bzw. eventuelle Restruk-turierungen zu eröffnen. So werden in Frankreich die Mautmodelle häufig mit 50 und 60Jahren Konzessionsdauer gestaltet.

Im Mittelpunkt des Interesses beim Verfügbarkeitsmodell stehen die Vereinbarungen desNutzungsentgelts bzw. der Availability Fee, im Beispielsfall in Euro und in ungarischerWährung festgelegt, um eine immanente Kurssicherung zu erreichen. Auch im Hinblickauf Währungsrisiken sind Mautmodelle anspruchsvoller. Im Euro-Ausland werden Maut-einnahmen in Landeswährung erzielt, während Finanzierungskosten und andere Kosten-arten häufig in Fremdwährung anfallen. Typischerweise sehen die Vereinbarungen Abzü-ge von der regulären Vergütung im Fall eingeschränkter Verfügbarkeit vor. Eingeschränktverfügbar heißt nicht nur, dass einzelne Spuren oder etwa ganze Fahrbahnseiten nichtbefahrbar sind, sondern auch, dass beispielsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen auf-gestellt werden müssen, etwa wegen Baumaßnahmen oder Sicherheitsrisiken.

Beeinträchtigungen durch Unfälle liegen grundsätzlich außerhalb des Einflussbereichsdes Konzessionärs. Anders allerdings dann, wenn der Konzessionär seinen Verpflichtun-gen zur Warnung und Sicherung unfallträchtiger Stellen oder seiner Räumpflicht beiUnfällen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt. Auch dann also drohen Abzüge von derVergütung. Diese Abzüge sind abgestuft nach verschiedenen Kriterien. Es liegt nahe, nachTages- und Jahreszeiten, nach Länge des Abschnittes, nach Anzahl der beeinträchtigtenStreifen usw. zu unterscheiden. Neben den Abzügen infolge von Beeinträchtigungen desVerkehrs können auch Momente, die den Verkehr nicht unmittelbar tangieren, Abzügenach sich ziehen, etwa Leistungs- und Servicedefizite bei der Wartung, der Grünstreifen-pflege, der Beleuchtung, dem Streudienst, den Inspektionen usw.

Interessanterweise gibt es bei M6 einen Sicherheitsmalus bzw. -bonus abhängig von derUnfallhäufigkeit auf Benchmark-Autobahnen in Ungarn, ferner einen Schwerverkehrsbo-nus. Letzterer hat damit zu tun, dass die Strecke Richtung Süden von Budapest aus imMoment eine sehr geringe Schwerverkehrsbelastung aufweist und für den Fall, dass die-se im Zuge der Fortführung dieser Trasse höher werden sollte, ein Kostenausgleich erfol-gen soll.

Kompensationsregelungen sind sehr wichtig aus Bankensicht, nicht nur bei Verfügbar-keitsmodellen, sondern generell. Gerade bei Straßenbauprojekten bilden Kompensations-zahlungen des Auftraggebers die einzigen Sicherheiten im Falle einer vorzeitigen Konzes-sionsbeendigung. Sie gleichen den Wert des Bauwerks aus, das bei Konzessionsende an

den Konzessionsgeber zurückfällt. Es ist eine Frage der Interessengerechtigkeit im Kon-zessionsverhältnis, dass dieser Wert kompensiert wird, nicht einfach ersatzlos an den Auf-traggeber verfällt.

In Deutschland neigt man dazu, diesen Wertverfall als Sanktion für den Fall zu sehen,dass der private Konzessionsnehmer Anlass für eine vorzeitige Vertragsbeendigunggeben sollte. Diesem Verschuldensaspekt wird jedoch ausreichend dadurch Rechnunggetragen, dass eben nur der tatsächliche Wert bei Rückgabe kompensiert wird, also z.B.ein schlechter Erhaltungszustand kompensationsmindernd berücksichtigt wird, wie imübrigen auch etwaige Schäden des Auftraggebers infolge der vorzeitigen Konzessions-beendigung.

In Ungarn und in anderen Ländern werden aus diesen Erwägungen heraus Kompensa-tionszahlungen vereinbart.

Die Finanzierung von Verfügbarkeitsmodellen, wie schon eingangs erwähnt, wird im Ver-gleich zu Mautmodellen zu günstigeren Preisen und Konditionen angeboten. Wegen desgeringeren Risikos sind Verfügbarkeitsmodelle auch für Monoline-Versicherer attraktiverund finden leichteren Zugang zu Kapital- und Finanzierungsmärkten.

Insbesondere finden derzeit Wrapped Debt-Finanzierungen großes Interesse, also Krediteoder Anleihen, die durch Monoline-Versicherungen mit AAA-Rating abgesichert werden.Es werden dabei im gegenwärtigen Marktumfeld – das muss nicht so bleiben – in Sum-me sehr attraktive Konditionen erzielt. Im Falle von M6 wird dieser Kostenvorteil von Bil-finger & Berger mit über 50 Prozent beziffert. Dort lässt es sich schön verfolgen, weil dieM6 anfangs über normale Bankkredite finanziert worden ist, später unter anderem unterHeranziehung von Wrapped Debt umfinanziert wurde.

Hierin liegt also ein Vorteil für das Verfügbarkeitsmodell. Andererseits verlangen die Ver-sicherungen etwas höhere Schuldendienstüberdeckungen, als die Banken, sind also res-triktiver gegenüber den Kapitalinvestoren.

Um zusammenzufassen: Die Vorteile des Verfügbarkeitsmodells sind aus meiner Sichtnicht zu übersehen. Es gibt einen wesentlich breiteren Anwendungsbereich. Beispiels-weise werden Straßen ohne kontinuierliche Verkehrsmengenerfassung auf der Grundla-ge eines Verfügbarkeitsmodells überhaupt erst einer PPP zugänglich. Es gibt auch Fälle,in denen Mautrisiken vom Markt nicht angenommen werden, ein Beispiel wäre diegescheiterte Ausschreibung des neuen Rügendamms als Mautmodell. Es gibt einen grö-ßeren Bieterkreis für Verfügbarkeitsmodelle als für Mautmodelle. Mautmodelle erforderneinen höheren Spezialisierungsgrad und größere Risikobereitschaft, ließe sich vereinfa-chend sagen. Es gibt im Unterschied zu Mautmodellen bisher keine negativen Erfahrun-

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Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau – Eine neue Risikokategorie

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gen mit Verfügbarkeitsmodellen, deren Risikoverteilung stärker der Optimierungsregelfolgt.

Die Kostentransparenz ist höher bei Verfügbarkeitsmodellen und damit die Vergleichbar-keit der Kostensituation für den Auftraggeber. Das ist wichtig, wenn der Schwerpunkteiner PPP-Projektierung auf den „Value for Money“ Aspekt gelegt wird. Es sind bei Ver-fügbarkeitsmodellen kürzere Konzessionslaufzeiten möglich. Das Vergabeverfahren ohneVerkehrsstudien ist einfacher und weniger zeitaufwändig, die Bewertung der Angeboteist klarer vorzunehmen als beim Mautmodell.

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Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau – Eine neue Risikokategorie

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Wenn wir uns mit der Frage: „Wie sieht der richtige Vergütungsmechanismus aus?“ aus-einandersetzen, sind zunächst die derzeitigen, hier in Deutschland geltenden, politischenRahmenbedingungen zu betrachten.

Zwar ist es immer interessant und auch sehr förderlich, von internationalen Erfahrungenzu lernen und dortige Erfahrungen auszuwerten. Vorrangig gilt es aber, die nationalenPPP-Bedingungen zu beleuchten. Zunächst müssen wir uns eingestehen, dass der Weghin zu Öffentlich-Privaten-Partnerschaften nur mühsam gestartet ist. Ein Prozess der1995 mit dem Bericht von Roland Berger begonnen hat und dann im Jahr 2000 durch diesog. Pällmann-Kommission deutlich vorangebracht wurde, indem die Entscheidungsfin-dung auf Regierungsebene zu Fragen der materiellen, formellen oder funktionalen Priva-tisierung erfolgen musste. Letztlich wurde der Weg hin zu einer funktionalen Privatisie-rung beschritten, um einen Wettbewerb der Möglichkeiten auf dem Markt zu eröffnen.Die Warnowquerung im Jahre 2003 und der Herrentunnel im Jahre 2005 waren die erstenzarten Pflänzchen. Frischen Wind in die Entwicklung brachte die Koalitionsvereinbarungvom November 2005, durch die PPP-Vorhaben gestärkt wurden und worauf letztlich diepolitische Forderung von einem PPP-Investitionsanteil in Höhe von bis zu 15 Prozentzurückzuführen ist.

Die LKW-Maut ermöglichte die PPP-Pilotvorhaben, die im Jahr 2007 eine tiefer gehendeAuseinandersetzung mit PPP im Straßenbau bedingen. Heute beschäftigen wir uns weni-ger mit dem Ob von PPP-Vorhaben als mit deren inhaltlicher Ausgestaltung. Dies führtdann erstmals auch zur Frage nach dem richtigen Vergütungsmechanismus.

A-Modelle haben Fahrt aufgenommen

Mit ein bisschen Stolz kann ich verkünden, dass die sogenannten A-Modelle Fahrt aufge-nommen haben. Nicht allein Norwegen, Spanien oder England, auch Deutschland hat einsehr erfolgreiches Modell auf den Markt gebracht. Mit dem Streckenabschnitt Augsburg-München auf der A8 in Bayern wurde die erste öffentlich-private Partnerschaft für eineBundesfernstraße in der Baulast des Bundes planmäßig gestartet. Innerhalb von zweiJahren wurde ein spezielles Vergabeverfahren entwickelt und konsequent durchgeführt.Dabei waren auch verwaltungsinterne Widerstände zu überwinden. Schließlich könnenwir auf eine gute Verwaltungsstruktur mit 50 Jahren Erfahrung zurückgreifen. Daher wur-de nicht unberechtigt ein Nachweis gefordert, ob die neuen Verfahren ebenso effektivfunktionieren. Insofern bin ich sehr erfreut, dass ich von den bayerischen Kollegen einepositive Rückmeldung bekommen habe, dass der Prozess dort ohne irgendwelcheSchwierigkeiten angelaufen ist.

Das Projekt hat einen guten Start hingelegt. Für das nächste Projekt in Thüringen erwar-ten wir einen Konzessionsbeginn zum Oktober dieses Jahres, in Niedersachsen kommt esvoraussichtlich im Mai 2008 zum Konzessionsstart und ich bin auch sehr zuversichtlich,dass der Prozess in Baden-Württemberg zum Ende des Jahres 2008 / Beginn 2009 auchein erfolgreicher sein wird. Das erlaubt uns, vergabebegleitend das sogenannte A-Modellauszuwerten. Ziel ist es, die praktischen Erfahrungen zu analysieren und daraus konzep-tionelle Vorschläge für die Weiterentwicklung geeigneter Betreibermodellstrukturen imBundesfernstraßenbau abzuleiten. Dies gilt für alle Phasen vom Aufstellen des Leistungs-verzeichnisses über die Präqualifikation bis zum Abschluss der Verhandlungsverfahren.Angestrebt wird eine Optimierung aus Sicht der Bauwirtschaft ebenso wie aus Banken-sicht und aus Sicht der Nutzer. Bei aller Form der Privatisierung bleibt es die Aufgabe desStaates, dem einzelnen Verkehrsteilnehmer die gewohnt gute Qualität auch weiterhin zurVerfügung zustellen und dem Anspruch zu genügen, dass die erforderliche Mobilität nichtdurch einen Stau ausgebremst wird.

Im Bundesverkehrsministerium sind wir uns sehr bewusst, dass sowohl die Bankenwirt-schaft als auch die Privatwirtschaft auf eine Fortsetzung des PPP-Prozesses und auf einebelastbare Aussage über die Zukunft von PPP in Deutschland wartet und die entsprechen-den PPP-Ressourcen und die Vorhaltung der Ressourcen ohne konkrete Aussichten nurbegrenzt möglich ist. Um dieser Erwartung zu entsprechen, wollen wir im Bundesverkehrs-ministerium nicht auf gesetzliche Aktivitäten, zum Beispiel zum Fernstraßenbauprivatfi-nanzierung, warten. Vielmehr sind wir, bezogen auf das F-Modell, davon überzeugt, dassmit den Projekten wie der Hafenquerspange oder dem Wesertunnel, das etwas negative

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Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau – Die Perspektiveder Bundesregierung

MR Stefan StrickLeiter des Referats Privatfinanzierung, Sonderprogramme und Innovationen im Straßenbau im BMVBS

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sche Lösungen finden. Diese Evaluierungsprozesse, die sich nicht nur, aber auch, mit derVergütungsstruktur auseinander setzen, setzen dabei auch zukünftig auf einer Verkehrs-mengenbetrachtung auf.Wir haben die Mauthöhe als Basis, hinzu treten derzeit Kompen-sationszahlungen und Anschubfinanzierung.

Make it stupid and simple

Anders als bei dem F-Modell kann die Evaluierung beim A-Modell bei einer erfolgreichenStruktur ansetzen. Der derzeitige Vergütungsmechanismus ist handhabbar und er istmarktfähig. Das zeigt nicht nur das A-Modell zwischen Augsburg und München, das zei-gen die Angebote für die BAB A 4 Hörselberge ebenso wie die Interessensbekundungenbei den anderen Pilotverfahren. Der Vergütungsmechanismus, wie wir ihn zurzeit kennen,ist das Ergebnis der Verhandlungen mit der Privatwirtschaft. Genau so wie in der Verwal-tung ist auch in der Privatwirtschaft die Risikobereitschaft unterschiedlich ausgeprägt.Gleichwohl besteht Einigkeit bei allen Beteiligten, dass eine Beschleunigung der Verfah-ren erzielt werden soll, eine größere Verständlichkeit und Bankability zu erreichen und einniedrig gehaltener Verwaltungsaufwand anzustreben sind. Die Formeln heißen: „make itstupid and simple“ und „so viel Standardisierung wie erforderlich und so viel Projektin-dividualität wie möglich“. Im Ringen um die beste Vergütungsstruktur werden auch diekommunalen Straßenprojekte einbezogen. Sichergestellt wird dies durch die Verkehrsin-frastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH, die VIFG, die die kommunalen Projekte beglei-tet.

Zum jetzigen Zeitpunkte kann das Fazit in Hinblick auf den Vergütungsmechanismus nurlauten: Es wäre nicht richtig, sich von der Übertragung des Verkehrsmengenrisikos zuGunsten eines Verfügbarkeitsmodells zu lösen. Vielmehr gilt es, den Vergütungsmecha-nismus projektindividuell zu strukturieren. Eine solide Projektentwicklung setzt voraus,dass unter Betrachtung der unterschiedlichen Zielsetzungen aller Beteiligten und derAnforderungen des Geschäftsmodells über die beste Ausgestaltung des Vergütungsme-chanismus entschieden wird.

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Image des F-Modells positiv aufpoliert werden kann. Auch insofern ist die Auswertungangelaufen, wir möchten den vorhandenen Gesetzesspielraum effektiv nutzen.

In diesem Zusammenhang zu nennen ist vor allem die Steigerung der Reaktionsmöglich-keiten auf unvorhergesehene Entwicklung über den Vertragszeitraum in dem Sinn, dassder Konzessionszeitraum variabler ausgestaltet wird oder die sogenannte Anschubfinan-zierung des Staates zur Ergänzungszahlung umfunktioniert wird. Es ist zu hinterfragen,ob sie weiterhin auf 20 Prozent begrenzt sein soll und gegebenenfalls in Form einerUnterdeckungsreserve eingesetzt werden kann. Das Risikomanagement muss ebensoevaluiert werden wie die Mautbemessungsverordnung.Auch die Risikoallokation ist nichtgesetzlich festgeschrieben. So ist denkbar, die Risikoverteilung beim Baugrund zu verän-dern, z.B. indem der Konzessionsgeber bei unvorhersehbaren, plausiblen, nachvollziehba-ren Baukosten sich an den Baukostensteigerungen beteiligt.

Bei der Evaluierung der A-Modell-Erfahrungen steht ebenso wie bei der Evaluierung derF-Modell-Erfahrungen der Vergütungsmechanismus im Mittelpunkt. Mindestbarwertver-gabe oder Abfederung des Verkehrsmengenrisikos durch risikounabhängige Zahlungenkommen sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen PPP-Modell in Betracht.

Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden

Bei allen Bemühungen dürfen Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Inden Jahren 1992 bis 1998 hieß das Zauberwort „Private Vorfinanzierung“. Von den ange-strebten 27 Projekten wurden nur 26 realisiert, das letzte ist schon wieder konventionellumgesetzt worden. Es wurde erkannt, dass die Private Vorfinanzierung eine zu hoheBelastung für künftige Haushalte darstellte.

Heute lauten die Zauberworte „Lebenszyklusansatz“ und „PPP“. Es gilt, die Fehler einerprivaten Vorfinanzierung zu vermeiden und sich auf Modelle zu konzentrieren, für dielangfristig eine allgemeine Nutzerfinanzierung nicht erforderlich ist. Die Einführung derallgemeinen PKW-Maut ist sowohl allgemeinpolitisch als auch sozialpolitisch derzeitnicht realistisch. Bei den A-Modellen haben wir uns bewusst für eine Baukonzession ent-schieden, weil zum einen das Kriterium Maastricht-Relevanz gesehen wurde und beieiner Konzessionsvergabe die Maastricht-Neutralität leichter zu erreichen ist als beieinem Bauvertrag. Zum anderen, begründet durch die Erfahrungen der Vergangenheit,sollten Risiken so weit wie eben möglich auf den Privaten übertragen werden. Weitestgehende Risikoübertragung und nur sehr zurückhaltende Elemente in Richtung Verfüg-barkeit waren die Konsequenz. Für A- und F-Modelle gilt gleichermaßen: Weder die Kon-zessionslaufzeit, noch die Risikoverteilung oder die Vergütungsstruktur sind gesetzlichdeterminiert. Im gemeinsamen Evaluierungsprozess wollen wir mit Ihnen projektspezifi-

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Verfügbarkeitsmodelle im Straßenbau –Die Perspektive der Bundesregierung

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Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen als Planer, bauausführendes Unternehmenund Betreiber sehen wir umfangreiche Mechanismen, um mit Verfügbarkeitsmodelleneine effizientere Umsetzung von Infrastrukturprojekten durch eine optimale Risikovertei-lung zu realisieren. Die derzeitige Infrastruktur in Deutschland ist gekennzeichnet durcheinen Erhaltungsrückstand, da der optimale Investitionszeitpunkt überschritten wird.

Dies führt zwangsläufig zu höheren Kosten, wodurch die öffentlichen Haushalte erheb-lich belastet werden.

Bisher wird in Deutschland anhand des Begriffs Verfügbarkeit nur soweit gedacht, dassdie Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer gewahrt, ein weiter gehender Vorteil jedochungenutzt bleibt.

In England wurden zur Umsetzung eines privatwirtschaftlichen Betreibens von Straßendie so genannten vier Cs entwickelt:

■ Challenge ■ Consult

■ Compare ■ Competition

Der Beschaffungsprozess der öffentlichen Hand in Deutschland ist bisher lediglich durcheine preisorientierte Beschaffungspolitik geprägt. Eine Berücksichtigung im Sinne der vierCs bleibt dabei auf der Strecke. Die Herausforderung (Challenge) aus der Aufgabenstel-lung wurde selten unter Berücksichtigung der Anforderung erfasst bzw. realisiert. Einerster Durchbruch konnte mit den A-Modellen erreicht werden, indem bei der Dimen-sionierung erstmals die Verkehrsbelastung eingeflossen ist. So wurden erhebliche Abwei-chungen zu der bisherigen Denkweise offen gelegt, welche Grundlage für die RStO – 01(Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen) waren.

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Verfügbarkeitsmodelle im Straßenverkehr

Tim LorenzGF EUROVIA Infra GmbH

Bild:GSA

Bild:GSA

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Bezüglich der Quality Performance bedarf es einer genauen Leistungsbeschreibung, inder unter anderem der Straßenzustand, die Reaktionszeit für Schadensbeseitigungen unddie Qualität der Straßenüberwachung definiert werden sollte. Für die Vertragserfüllungkönnen Lösungen über so genannte Service Points erarbeitet werden, die bei einemschlechteren Straßenzustand als vereinbart zu Abzugspunkten führen. Diese können imVorfeld definiert und vereinbart werden, zum Beispiel für Verzögerungen in der Erhal-tung, Planung und Sanierung. Bei der Erarbeitung der so genannten Verfügbarkeitskrite-rien kann man die Ausgestaltung in drei Sektoren teilen:

■ Volle Verfügbarkeit (whole availability): Die Strecke bzw. Bauwerke stehen ohne Ein-schränkung zur Verfügung, so dass eine volle Auszahlung gewährleistet bzw. sichergestellt ist (full level of service).

■ Nicht verfügbar oder verfügbar mit Einschränkung (not available or available and notto specify): Hier sind zum Beispiel Regelungen enthalten, die bei ungeplanten Erhal-tungsarbeiten, ungeplanten Arbeiten im Bereich Betrieb oder bei fehlerhafter Ausrüs-tung zu Abzügen führen (daily deductions). Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn kei-ne volle Verfügbarkeit durch den Bieter gewährleistet ist und es zu ungeplantenAbweichung in der Erhaltung und des Betriebs kommt, werden unterschiedliche Redu-zierungen in der Vergütung vorgenommen.

■ Andere Regelungen (other regulations): Dies sind Regelungen, welche sich auf dasKalenderjahr beziehen und sicher stellen, dass eine kontinuierliche Vertragsabwick-lung erfolgt, dass die langfristige Sicherheit für die Nutzer gewährleistet ist und dieplanmäßige und langfristige Umsetzung des Erhaltungs- und Betriebsmanagement-konzeptes umgesetzt wird.

Ergänzend zu den klassischen Regelungen, der Qualität der Leistung (Quality Performan-ce) und der Verfügbarkeitskriterien der Strecke (Level of Service), können so genannteActive-Management-Payment-Mechanism vertraglich vereinbart werden. Diese Mecha-nismen sind mit dem Ziel verbunden, die Straßen ohne Staus zu betreiben und den rei-bungslosen Verkehr zu Hauptverkehrszeiten zu gewährleisten. Diese Regelungen könnenbeispielsweise wie folgt aussehen:

■ Volle Zahlung, wenn die gefahrene Geschwindigkeit die vereinbarte Mindestgeschwin-digkeit auf diesen Streckenabschnitt erreicht bzw. überschritten wird.

■ Verringerung der Zahlung, wenn das vereinbarte Level unterschritten wird.

■ Volle Zahlung, auch wenn die Geschwindigkeit unter die Vorgabe fällt, weil die für denStraßenabschnitt angenommenen Kapazitäten erreicht ist.

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Da sich die Rest- bzw. Substanzbeurteilung ausschließlich auf Oberflächenmerkmalebeschränkt, wird der Abgleich technischer Lösungen (Compare) in einer PPP-Betrachtunggleichfalls nicht berücksichtigt. In Frankreich wird diese Bewertung mittels eines standar-disierten Rechnungsverfahrens (Alizé) sichergestellt.

Des Weiteren werden Innovationen im Straßenbau (Consult) außer Acht gelassen, da Aus-schreibungen eine Umsetzung von Innovationen bis dato aus vergaberechtlichen Grün-den schwierig, wenn nicht unmöglich gestalten. Die Vorgaben bieten meist keinen wirk-lichen Spielraum, das Risiko für die Planung und Baukonstruktion auf die Bieter zuübertragen.

Da es in den bisherigen Modellen lediglich einen Preiswettbewerb gab, blieb ein Quali-tätswettbewerb (Competition) auf der Strecke.

Um für die Verfügbarkeitsmodelle die wesentlichen Punkte herauszuarbeiten, bedarf eseiner Abgrenzung zu den bisher bekannten Modellen. In der Vergangenheit wurden inDeutschland lediglich Erfahrungen im Bereich von Modellen mit Maut gesammelt. Zumeinen bei den F-Modellen, welche auf Brücken, Tunnel und Gebirgspässe im Zuge vonBundesautobahnen und Bundesstraßen beschränkt sind. Zur Finanzierung kommt eineReal-Toll-Solution zum Einsatz, die eine vollständige Nutzerfinanzierung sicherstellt. Zumanderen bei den A-Modellen, bei denen der Ausbau von zusätzlichen Fahrstreifen, dieErhaltung und der Betrieb aller Fahrstreifen von bestehenden Autobahnen auf den Bieterübertragen wird. Zur Refinanzierung wird die auf diesen Streckabschnitten angefalleneLKW-Maut, die zur Finanzierung dient, ggf. in Verbindung mit einer maximalen 50 %-igenAnschubfinanzierung der Baukosten, genutzt.

Shadow-Payment-Mechanism

Ein weiteres internationales Instrument zur privatwirtschaftlichen Finanzierung von Infra-strukturen, und somit abweichend zu den Verfügbarkeitsmechanismen, ist das Shadow-Payment-Mechanism. Hier erhält der Bieter eine so genannte Shadow-Toll-Bezahlung,welche pro Fahrzeug und pro gefahrene Kilometer ermittelt wird. Ergänzend werden hier-für meist Vergütungsreduzierungen für Streckensperrungen vereinbart. Meist sind auchAnreize zur Verbesserung der Infrastruktur oder der Verkehrssicherheit enthalten.

Verfügbarkeitsmechanismen

Für die Gestaltung von Projekten mit Verfügbarkeitsmechanismen im Straßenbau sollteman grundsätzlich zwischen zwei Kriterien unterscheiden:

1. Qualität der Leistung (Quality Performance)

2. Verfügbarkeitskriterien der Strecke (Level of Service)

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Verfügbarkeitsmodelle im Straßenverkehr

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■ Einteilung der Verringerung der Geschwindigkeit in verschiedene Klassen.

■ Prämienzahlung bei Erhöhung des Verkehrsdurchflusses.

Die Regelungen von Verfügbarkeitsmechanismen können zusätzlich ergänzt sein durcheine so genannte Safty Performance, hier werden die Zahlungen reduziert, wenn es imGegensatz zu vergleichbaren Straßen zu einer erhöhten Unfallhäufigkeit kommt.

Zur Vorbereitung eines Verfügbarkeitsmodells im Straßenbau sollte im Vorfeld das Netz-werk definiert und in Gruppen unterteilt werden, wie zum Beispiel in die drei Gruppie-rungen z.B. in drei Gruppen: höhere Priorität (Bundesstraßen, Ortsdurchfahrten etc.),mittlere Priorität (wirtschaftlich notwendiges Netzwerk) und niedrige Priorität(Wohngebiete). Diese Klassifizierung kann natürlich abweichen von den oben dargestell-ten, nutzerorientierten Einteilungen der Netzwerke, die auch nach qualitativen Standards,wie zum Beispiel nach Bauklassen, eingeteilt werden.

Für jedes Netzwerk sollten individuelle Leistungsbeschreibungen und Verfügbarkeits-kriterien entwickelt werden. In diesem so genannten Network-Condition-Index könnenOberflächeneigenschaften, Eigenschaften der Tragfähigkeit, Verbesserungsziele derStruktur, des Oberbaus etc. einfließen.

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Verfügbarkeitsmodelle im Straßenverkehr

Bild: PSPC – EUROVIA Arbeitsgruppe PPP Modelle für die Unterhaltung, Instandsetzung,Erneuerung und ggf. den Betrieb von Straßen

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Worum geht es eigentlich bei dieser Thematik? Letztlich um die Verknüpfung von Leis-tungsinhalten eines PPP-Projektes mit seinen Vergütungsstrukturen. Vereinfacht: was ist,wenn von der Leistungsbeschreibung, von dem Leistungsverzeichnis abgewichen wird?Soll – und muss dies Konsequenzen haben für die Höhe oder die Auszahlungsmodalität,letztendlich des Entgeltes? Das steht hinter dieser Thematik, hinter diesem Stichwort Service-Level-Agreement und Vergütungsmechanismus.

Ich möchte nicht verhehlen, dass ich diesen Begriff „Service-Level-Agreement“ eigentlichnicht besonders schätze. Für mich ist das ein Bestandteil der späteren Leistungsbeschrei-bung, letztendlich ist es aber egal, wie man das Kind nennt, man muss sich einig sein,was man darunter versteht und was die rechtlichen Konsequenzen sind. Ansonsten ist eseben ein Wortungetüm, ursprünglich aus speziellen Dienstleistungsbereichen, was jetztEinzug in PPP-Projekte findet.

Oberbegriff Vergütung für Bauerhaltung und Betrieb

Vergütung für Bauerhaltung und Betrieb, das ist erstmal der Oberbegriff, um den es hiergeht. Im Verkehrswegebau kann man nach den Zahlungsströmen und nach der Herkunftder Zahlungsströme differenzieren. Es gibt bei den gegenwärtigen Modellen – so wie wirsie auch heute gehört haben: A-Modelle, F-Modelle, Verfügbarkeitsmodelle – einmal dienutzerfinanzierten und dann die nicht-nutzerfinanzierten. Wenn wir über „Service-Level-Agreements“ sprechen, bewegen wir uns in dem Teil der nicht-nutzerfinanzierten, wel-che letztlich über ein Entgelt finanziert werden.

Es stellt sich dann die Frage, wofür wird eigentlich das Entgelt gezahlt? Im Prinzip für dieZur-Verfügung-Stellung einer funktionierenden Straße. Der Umfang dieser Leistung kannnatürlich jeweils ein anderer sein. Bei Funktionsbauverträgen, so wie man sie klassischkennt, eben Bau und bestimmte bauliche Erhaltungsleistungen. Bei einem Verfügbar-keitsmodell mit Voll-PPP-Ansatz eben auch noch Planung und Betrieb und Finanzierung.

Service-Level-Agreements: Sie legen qualitative Standards der zu erbringenden Leistungfest, das heißt also, die Qualität einer Leistung wird spezifiziert. Das ist natürlich im Rah-men eines PPP-Projektes, eines PPP-Vertrages, ein ganz wichtiger Punkt. Schließlich mussman bei bestimmten Leistungen ganz genau wissen, was der Auftragnehmer schuldetund was der Auftraggeber eigentlich haben will. Hier ist man natürlich schon fast in einerdogmatischen Diskussion, die alle kennen, den Ansatz der Output-spezifizierten Leistun-gen: die durch den Auftragnehmer zu erbringende Leistung also möglichst offen zu halten.

Die Festlegung von Service-Levels, einer sehr konkreten Leistungsbeschreibung, stehtdem natürlich diametral gegenüber. Trotzdem ist es in bestimmten Bereichen eben wich-tig, die Leistung, wenn sie denn klar definiert werden kann, zur Vermeidung von künfti-gem Streitpotenzial eben sehr, sehr detailliert zu beschreiben. Service-Level-Agreementskommen regelmäßig nicht im Baubereich und in der baulichen Unterhaltung zum Einsatz.Anwendung finden sie dagegen im Bereich der betrieblichen Unterhaltung, eben demBereich, den man in der Verkehrsinfrastruktur als Betriebsleistung ansehen kann.

Was soll vom Auftragsvolumen erbracht werden?

Im Einzelnen muss man sich das so vorstellen. Im Rahmen eines PPP-Projektes gibt es inder Gesamtordnung übergeordnet einen Projektvertrag, der bestimmte Leistungsbildererstmal sehr allgemein, im Rahmen einer Klammerfunktion definiert. Was soll eigentlichhier erbracht werden von dem Auftragnehmer? Worauf legt der Auftraggeber gesteiger-ten Wert?

Dann würde man auf die nächste Ebene kommen. Das ist dann die Leistungsbeschrei-bung mit den Bereichen Bau, betriebliche Erhaltung etc., also da schon eine verfeinerteDefinitionsebene, was eigentlich erbracht werden soll. Dort wiederum untergeordnetkann dann eben in bestimmten Bereichen auch noch ein Service-Level-Agreementgeschlossen werden, also dann eine ganz detaillierte Beschreibung einzelner Leistungen.Das Ziel muss sein, dass der Auftraggeber eben weiß, was er bekommt und der Auftrag-nehmer weiß, was er zu leisten hat.

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Service-Level-Agreements undVergütungsmechanismen fürPPP-Verfügbarkeitsmodelle imVerkehrswegebau

RA Dirk KronsbeinWolter Hoppenberg Rechtsanwälte Steuerberater Notare

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Beispiel Streupflicht im Rahmen des Winterdienstes

Hier mal ein Beispiel anhand der Streupflicht im Rahmen des Winterdienstes. Zur Verdeut-lichung: wir bewegen uns im Bereich der betrieblichen Erhaltung, die man noch untertei-len kann in Streckenkontrolle und Wartung; zur Wartung gehört der Bereich der betrieb-lichen Unterhaltungsleistung und hierzu gehören eben die klassischen Elemente wieGrünpflege, Winterdienst und sonstige Ausstattungsmerkmale, und aus diesem Segmenteben beispielhaft der Winterdienst und die Streupflicht. Ein Service-Level-Agreementkann dabei so aussehen, dass man eben für die Teilleistung „Streuen einer befestigtenVerkehrsfläche“, zunächst erläutert, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrssowie die Verfügbarkeit sichergestellt werden soll. Weiter wird der Serviceturnus defi-niert: „täglich zwischen 6:00 und 22:00 Uhr“. Festgelegt wird auch die Lösungszeit:„innerhalb von zwei Stunden“. Daran anknüpfend wird eine Sanktion bestimmt. Auf-grund der Bedeutung für die Sicherheit des Verkehrs wird dies eben als schwerer Fehlergewertet, mit einer entsprechenden Angabe bzw. Pauschalierung, wie man einen Verstoßberücksichtigen kann. Da die Leistung im Falle des Wintereinbruchs tagtäglich relevantsein kann, wird weiter noch ein „täglicher“ Berechnungsmodus bestimmt.

Dies vereinfacht für ein Beispiel, wie ein solches Service-Level aussehen kann. Wiegesagt, befinden wir uns auf der detailreichsten Beschreibungsebene in einem PPP-Pro-jekt. Man kann sich dies vorstellen wie ein Buch. Man kann es natürlich beliebig immerweiter auffächern, das heißt, man könnte auch diesen Part durch ein dahinter gelegtesBlatt noch weiter verzweigen und noch genauer beschreiben.

Hier kommen wir in die übergeordnete Ebene. Im Rahmen der Leistungsbeschreibungkann man dort beispielsweise beschreiben, auf welche Strecke sich dieser Winterdienstbezieht; ob es Prioritäten gibt, die festgelegt werden; bestimmte Schleifen, die gefahrenwerden müssen für den Winterdienst. Das kann dann in einer vorgeordneten Ebene statt-finden und ich verfeinere diesen Mechanismus dann eben immer weiter.

Verknüpfung von Service-Level-Agreement und der Vergütungsstruktur

In dieser beispielhaften Übersicht klang das eben schon an. Ganz allgemein: Wenn natür-lich vertragliche Pflichten verletzt worden sind, hat das Konsequenzen. Das ist letztend-lich der Schadensersatz, das ist die klassische Schlechtleistung, so wie sie gesetzlich defi-niert ist. Das Problem aber ist, das der konkrete Schaden sehr schwer feststellbar ist undnatürlich zunächst einmal der Wertung beider Parteien unterliegt. Jede Partei sieht dasanders, das heißt: um letztendlich so etwas wie ein PPP-Projekt mit einer langen Laufzeitüberhaupt in den Griff zu bekommen, überhaupt praktikabel zu machen, muss man sichnach meiner Einschätzung in diesem Bereich auf Pauschalierungen zurückziehen. Das

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Dies steht im Gegensatz zu dem eigentlich bei PPP zu verfolgenden Ziel, nur den Outputfestzulegen. Ohne diese Service-Level-Agreements wäre aus rechtlicher Sicht auf allge-meine Rechtsgrundsätze wie die Auslegung zu verweisen. Immer wenn etwas auszulegenist, gibt es aber natürlich mehrere Standpunkte. Dies kann im Zweifel zu Streit führen unddieser Streit soll eben möglichst frühzeitig vermieden werden durch die klare Festlegungvon Service-Level-Agreements.

Beispiele für Service-Level-Agreements sind etwa die Festlegung der Betriebs- und Ver-fügbarkeitszeiten und Mengen und Mindestverfügbarkeiten. Auch heute schon gehört,spielen natürlich die Reaktions- und Lösungszeiten eine Rolle, also die Zeitspanne zwi-schen der Fehlermeldung und der dann erfolgten oder erfolgenden Reaktion. Weiter kom-men in Betracht Reportingzeiten, wenn denn so etwas erforderlich und erwünscht ist.Kontrollintervalle spielen insbesondere natürlich im Bereich der Infrastruktur der Straßeneine große Rolle. Die regelmäßige Streckenkontrolle ist ganz maßgeblich. Zustands- undWertgrenzen oder Benutzungswertgrenzen können festgelegt werden und letztendlichim Rahmen gewisser Sanktionen eine Rolle spielen. Denn die Frage ist, was ist denn,wenn bestimmte, klar definierte Leistungen nicht oder nicht so erbracht werden, wie siedenn vertraglich vereinbart worden ist? Welche Konsequenzen hat das denn dann?

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Service-Level-Agreements und Vergütungsmechanismen für PPP-Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau

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betriebliche Erhaltung. Von diesem ist eben eine Erhöhung – also der Bonus – oder einAbzug – der Malus – vorzunehmen. Auch der erhöhte Schwerlastverkehr kann durchausein Ziel sein, weil man eben im Rahmen einer bestimmten Verkehrsplanung gerade dar-auf Wert legt, dass künftig der Verkehr diese Strecke mehr nutzt. Denn eigentlich geht derAnsatzpunkt ja immer genau andersherum, dass man immer sagt, mehr Schwerlastver-kehr führt natürlich zu einer größeren Abnutzung. Das ist etwas ganz gefährliches, damüssen wir vorsichtig sein. Hier bei dem Beispiel eben, in Ungarn, genau der umgekehr-te Weg, eben ganz interessant.

Bei der Festlegung eines Bonus-Malus-Systems darf man nicht wild und willkürlich streu-en, sondern muss genau hinterfragen und definieren, worauf kommt es mir denn an, wor-auf lege ich Wert? Was möchte ich dann, wenn es mir etwas Wert ist, tatsächlich auchmit einem Bonus honorieren? Und wo bin ich, sage ich mal, sehr sensibel und werde einbisschen eckig, wenn dagegen verstoßen wird. Das ist dann letztendlich einen Maluswert und muss dann entsprechend festgelegt werden. Ziel von Bonus-Malus-Systemen istdie Schaffung von Anreiz- und Optimierungsstrukturen.

Im Verkehrswegebau muss man genau klären, welche überobligatorische Erfüllung bringtdenn einen echten Mehrwert und ist daher dann auch einen Bonus wert. So sind Verfüg-barkeitsentgelte zum Beispiel bei kommunalen Strecken anders zu bewerten als zum Bei-spiel bei Autobahnen. Denn oft stehen Nebenstrecken zur Verfügung, die einen, ich sagemal, Ausfall der Strecke zumindest eine gewisse Zeit abfedern können. Das ist einfacheine Betrachtung, die man vorher machen muss. Man muss sich die Netzstrukturen angu-cken, die hier vorherrschen, ob so was möglich ist oder nicht, und dann kann man es ent-sprechend einbeziehen und kann daran dann wieder die Vergütungsstruktur knüpfen.

Eine weitere Problematik ist das Verkehrsmengenrisiko. Eine höhere Bauklasse löst diesnatürlich weitestgehend, ist aber auch mit mehr Kosten verbunden. Das nur noch amRande, wenn es um Vergütungsmechanismen geht.

Im Rahmen des Sicherheitskonzeptes spielen natürlich die Bürgschaften und das Rückla-genkonto auch immer eine Rolle. Hier gilt es ein ausgewogenes Verhältnis zu finden.Durch die Stellung entsprechender Sicherheiten, die dem Privaten auferlegt werden, wirddessen finanzieller Spielraum natürlich immer mehr eingeschränkt. Weitere Kosten fallenan, die irgendwie natürlich dann zurück ins Projekt fließen. Also auch hier der Appell andie Auftraggeber, ein sehr ausgewogenes und praktikables Sicherheiten-System zu erstel-len. Es gibt mittlerweile die Möglichkeiten über das Zusammenspiel von Bürgschaftsin-strumenten über bestimmte Laufzeiten und Rücklagenkonten oder Unterkonten, mitdenen man dann hantieren kann. Dadurch wird die wirtschaftliche Flexibilität des Auf-traggebers nicht über Gebühr beansprucht und das Projekt nicht unnötig verteuert.

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vereinfacht am Ende das Projekt. Die Möglichkeiten, die es hier gibt, sind entweder dasVereinbaren von Vertragsstrafen oder aber von Schadenspauschalen als pauschalierteHöchstbeträge. Beides mit den Zielen eines Anreizeffektes und einer vereinfachtenAbwicklung und Berechnung.

Leistung nicht termingerecht

Auf den Verkehrswegebau bezogen können Festlegungen für Obergrenzen für Strafen fürBauleistungen festgelegt werden. Da sind wir dann in dem eigentlichen Baubereich, ebenklang das ja schon einmal an, was ist eigentlich, wenn eine bestimmte Leistung nicht ter-mingerecht erbracht werden soll? Das ist immer eine Frage, die man natürlich auch mitdem Auftraggeber, sprich mit der Kommune erörtern muss. Wie wichtig ist eigentlich derKommune, dass eine bestimmte Straße – wenn es sich denn um einen Neubau handelt –zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig gestellt wird? Ist die Wichtigkeit besonders hochfür die Kommune, kann man das entsprechend sanktionieren. Sagt die Kommune aber dieFertigstellung sei ihr egal, muss man es nicht sanktionieren. Wichtig ist die Angemessen-heit entsprechender Sanktionen. Es muss also ein Anreizeffekt und tatsächlich auch einSanktionseffekt für den Auftragnehmer vorhanden sein. Er darf natürlich nicht übergebühr beansprucht werden, das wäre dann auch unangemessen und würde das Ziel,dass man damit verfolgt, tatsächlich nicht mehr erreichen. Die Schadenspauschale mussnatürlich über den Eigenkosten des Auftragnehmers liegen, da es ansonsten am Anreiz-charakter fehlt.

Beim Auftraggeber ist immer der Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, welcher sich inMaßen halten muss. Denn in dem Augenblick, wo ich natürlich ein bestimmtes Leistungs-spektrum einem Privaten übergebe, wird sich natürlich auf Auftraggeberseite die Arbeits-weise verändern. Sie werden eben nicht mehr im Einzelnen bestimmte Leistungsbeschrei-bungen erarbeiten und Ausschreibungen vorbereiten, sondern es wird eben dahin gehen,dass es zu Kontrollfunktionen kommen wird, immer mehr auf Auftraggeberseite. Vertrags-management, zum Beispiel, das sind die Aufgaben und da muss man natürlich auchsehen, dass da letztendlich der entstehende Verwaltungsaufwand im Rahmen gehaltenwird. Eine Kontrollfrage kann dabei sein, wie würdet Ihr das denn in normalen Fällenmachen? Wie würdet Ihr denn da einen bestimmten Kontrollrhythmus vollziehen? Unddann ist die Gegenfrage, wenn das jetzt im Rahmen eines PPP-Projektes davon abweicht,warum weicht es denn davon ab? Ist da tatsächlich die Notwendigkeit gegeben?

Bonus-Malus-System als Ausgangspunkt für die Basisvergütung

Ausgangspunkt für das Bonus-Malus-System ist die monatliche Basisvergütung, also dasEntgelt, was gezahlt wird. Wichtig ist dann der Entgeltbestandteil zum Beispiel für die

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Service-Level-Agreements und Vergütungsmechanismen für PPP-Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau

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Fazit: Klare Definition der Leistungspflicht

Ein langfristiges Vertragsverhältnis, wie es eben im Rahmen der Lebenszyklusbetrachtungbei einem PPP-Projekt natürlich notwendig ist, bedarf einer klaren Definition der Leis-tungspflicht. Noch einmal: PPP-Dogmatisch ist, gerade im Hochbau, natürlich auch derandere Ansatz möglich: der einer Output-spezifizierten Sichtweise. Ich denke, es gibt hierkein richtig oder falsch. Auch bei aller Diskussion über Standardisierung, man muss sichjedes Projekt genau angucken und muss für dieses Projekt spezifisch einen Vertrag„basteln“. Bei der Gestaltung dieses Vertrages muss man natürlich die Interessen desAuftraggebers berücksichtigen und natürlich auch immer ein Stück weit vordenken, wiewird das auf Auftragnehmerseite aussehen. Das erste Gefühl bekommt man entweder,wenn man vorgeschaltet eine Markterkundung gemacht hat oder aber letztendlich erstin den Verhandlungsgesprächen, wenn man dort dann am Tisch sitzt und dann tatsäch-lich in den direkten Austausch geht. Das heißt im Vorfeld für den Auftraggeber zu über-legen, wie kommt denn das, was ich hier jetzt eigentlich mache und verlange an? Wel-che Risiken will ich denn hier übertragen, wie kommt das an, wie geht die Gegenseitedamit um, was wird sie mir möglicherweise vorschlagen? Zumindest empfehle ich einesolche Vorausschau immer.

Diese Leistungspflichten können durch Festlegung von Qualitäten und Verfügbarkeitennatürlich gewährleistet werden, so wie ich es eben bei diesem Beispiel des Winterdien-stes verdeutlicht habe. Durch ausgewogene Vergütungsmechanismen können die Beach-tung und Einhaltung der durch die Service-Level-Agreement festgesetzten Standards undVerfügbarkeiten laufend gesichert werden. Das ist dieses System, was ich eben darge-stellt habe. Aus Vertragsstrafen, Pauschalen und letztendlich Bonus-Malus-System musssich irgendwo ein rundes Paket ergeben.

Entscheidend: guter Projektvertrag und detaillierte Leistungsbeschreibung

Weitere Eskalationsstufen sind natürlich denkbar: Ersatzvornahmen, Kündigung. Für vielwichtiger halte ich im Rahmen dieser Verträge, dass man das, was man regeln kann undwas absehbar ist, auch tatsächlich regelt. Andererseits reden wir über Zeiträume von20, 25, 30 Jahren. Man kann noch so weitschauend und vorausschauend sein, alle Pro-bleme kann man nicht regeln in einem solchen Vertrag, zumindest nicht abschließend.Also muss man in diesem Vertrag letztendlich Anpassungs- oder Schlichtungsklauselnaufnehmen, die es ermöglichen, wenn es dann zu einem Punkt kommt, den beide Par-teien nicht vorhergesehen haben, wo aber eine Reibung entsteht, dass man diesen Punktlösen kann und da das ganze eben unter dem, logischerweise unter der Überschrift derPartnerschaft steht, sollte das eben auch möglich sein. Entscheidend ist im Endeffekt einguter Projektvertrag, eine detaillierte Leistungsbeschreibung und dann eben für

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Service-Level-Agreements und Vergütungsmechanismen für PPP-Verfügbarkeitsmodelle im Verkehrswegebau

bestimmte Bereiche, ich schränke das hier eben noch einmal ein, ein einzelfallspezifi-sches Service-Level-Agreement, um dann in dem Bereich eben dem Streit vorzubeugen,die Leistung

a) klar definiert zu haben und

b) wenn diese Leistung eben als besonders wichtig angesehen wird, schon von vornher-ein entsprechende Sanktionsinstrumente damit zu vermitteln.

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Vergleicht man Deutschland und Norwegen, so überrascht vielleicht auf den ersten Blick,dass Norwegen flächenmäßig ungefähr genauso groß ist wie Deutschland.

Weniger überraschend der Vergleich von Einwohnerzahl, Bruttoinlandsprodukt oder Fern-straßenkilometer: Norwegen hat kaum 10 Prozent der Einwohner und des BIPs derBundesrepublik und erreicht ebenfalls weniger als 10 Prozent der deutschen Fernstraßen-kilometer.

Aber – und das ist sicherlich das Bemerkenswerte – bei den „laufenden PPP-Fernstraßen-projekten“ kann sich die Größenordnung der norwegischen Projekte durchaus mit derbundesrepublikanischen vergleichen lassen. Die Norweger sind uns sogar ein bisschenvoraus, denn sie haben ihre erste Staffel mit drei großen PPP-Infrastrukturprojektenbereits komplett vergeben.

Ein Konsortium um Bilfinger Berger hat dabei das dritte und mit Abstand größte dieserPPP-Pilotprojekte gewonnen.

Politische Rahmenbedingungen

1998 gab es die Grundsatzentscheidung des norwegischen Parlaments, das PPP-Modellversuchsweise bei Verkehrsprojekten anzuwenden. 2001, im Rahmen des norwegischenVerkehrswegeplans, hat sich die Politik dann zu drei Pilotprojekten bekannt und die Ver-waltung beauftragt, diese Projekte im PPP-Modell umzusetzen.

In der Folgezeit hat sich die Verwaltung sehr zügig an die Arbeit gemacht und die dreiProjekte in die Ausschreibung gebracht. Von 2001 bis 2006 wurden die Projekte dann, injeweils etwa anderthalb Jahren, von der Präqualifikation zum Financial Close gebracht.

Bemerkenswert dabei ist aus unserer Sicht der sehr stringente Ablauf der norwegischenProjekte: ein Projektteam der Verwaltung hat dort alle drei Projekte betreut und, unter-stützt von externen Beratern mit internationaler PPP-Erfahrung, einen sehr transparentenund verlässlichen Ablauf des Vergabeverfahrens organisiert, der für den Erfolg der Projek-te mit entscheidendend war.

Projektstruktur E18

Allgemeines

Das dritte (und vorerst letzte) PPP-Pilotprojekt in Norwegen hat ein Konsortium um Bilfinger Berger gewonnen. Es handelt sich dabei um knapp 40 Kilometer vierspurigerSchnellstraße von Grimstad nach Kristiansand in Südnorwegen. 15 Kilometer der Streckeliegen in der Trasse der bestehenden Nationalstraße, die unter Verkehr von 2 auf 4 Spu-ren auszubauen ist. Die restlichen rd. 25 Kilometer sind komplett neu zu trassieren, wobeidie zerklüftete, bergige Fjordlandschaft dort umfangreiche Brückenbauwerke, Tunnelstre-cken usw. erforderlich macht. Hinzu kommen ca. 70 Kilometer Nebenstraßen und etlicheandere betriebsnotwendige Bauwerke.

Die Notwendigkeit für den Ausbau ergibt sich zum einen daraus, dass die bestehendeE18, insbesondere im Einzugsbereich der Stadt Kristiansand, schon heute stark belastetist. Weiterhin ist Südnorwegen, gerade im Sommer ein sehr beliebtes Reiseziel für Nor-weger und ausländische Touristen. Entsprechend treten auf der gesamten Strecke in denSommermonaten erhebliche Verkehrsspitzen und Überlastungen auf. Daher hat sich dieStrecke, derzeit vom Ausbaustandard etwa mit einer deutschen Landesstraße vergleich-bar, zu einem Unfallschwerpunkt entwickelt.

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PPP-Verkehrsprojekte in Norwegen – Erfahrungen mit dem Projekt E 18 Grimstad-Kristiansand

Dipl.-Ing. Daniel PersyOperations Manager Bilfinger Berger Project Investments GmbH

Deutschland Norwegen

Fläche (km2) 360.000 320.000 1:1

Einwohnerzahl 80 Mio. 5 Mio. 16:1

BIP (Mrd USD) 3.000 240 13:1

Fernstraßen-km 50.000 3.500 14:1

Laufende PPP-Fernstraßenprojekte

4 A-Modelle,800 Mio. Euro

3 A-Modelle,800 Mio. Euro

1:1

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installieren, eine Konstellation, die dem Kunden einige Kosteneinsparungen auf der Zins-seite beschert. Im unteren Teil des Schaubildes sind dann noch die wesentlichen Nach-unternehmer der SPC abgebildet: Das sind insbesondere der Totalunternehmer für denBau, der sich wiederum lokaler (und vielfach mittelständischer) Vertragspartner bedientund andererseits die Vertragspartner für Unterhaltung und Betrieb, auch das sind zum Teilmittelständisch geprägte Unternehmen aus der Region.

Aktueller Stand

Das Projekt befindet sich derzeit in der Bauphase. Die Projektgesellschaft wird dort,gemeinsam mit dem Kunden und den Nachunternehmern in den kommenden zwei Jah-ren eine hochwertige und sichere neue Schnellstraße errichten und diese pünktlich zumvereinbarten Eröffnungstermin in Betrieb nehmen.

„Hochwertig“ deshalb, weil wir selbst in den kommenden 25 Jahren für die Erhaltungund Erneuerung der Bauwerke verantwortlich sein werden.

„Pünktlich“ deshalb, weil das „Verfügbarkeitsentgelt auch erst dann gezahlt wird, wenndie Straße wirklich verfügbar ist. Bei verspäteter Inbetriebnahme müsste die Projektge-sellschaft (bzw. die entsprechenden Nachunternehmer) mit empfindlichen Einbußen rech-nen.

Vergütungsmechanismus

Allgemein

Der Vergütungsmechanismus des Projektes E18 ist sehr typisch für Availability-Projekteund wird daher nachfolgend etwas näher erläutert.

Die Gesamtzahlung setzt sich zusammen aus:

1. Verfügbarkeitsentgelt,

2. Betriebsentgelt,

3. Safety-Payment,

4. Schwerverkehrsanpassung.

1. Verfügbarkeitsentgelt (ca. 85 Prozent der Gesamtzahlung)

Das Verfügbarkeitsentgelt macht den Hauptteil der Vergütung aus. Hierbei handelt es sichim Grunde genommen um die Vergütung für die Herstellung der Straße und den Kapital-dienst für dieses Invest. Das Verfügbarkeitsentgelt wird genau dann in voller Höhegewährt, wenn die Straße über den betrachteten Zeitraum vollständig für den Verkehr

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Das Konsortium um Bilfinger Berger erbringt neben dem Bau auch die komplette Planungder Leistung, Betrieb und Erhaltung über einen Zeitraum von 25 Jahren, gerechnet abBetriebsbeginn, und natürlich die Finanzierung des Gesamtprojekts.

Kennzahlen

■ Investitionsvolumen ca. 450 Millionen Euro

■ Betriebskosten über die Konzessionszeit: ca. 125 Millionen Euro

■ Financial Close im Juni 2006

■ Baubeginn Juli 2006

■ Inbetriebnahme in mehreren Abschnitten (im Sommer 2008 und Sommer 2009)

Projektorganisation

In der Mitte des Schaubildes ist die Special Purpose Company (die „SPC“ – Agder OPSVegselskap) abgebildet, die mit ihren Gesellschaftern (links abgebildet) durch einenGesellschaftsvertrag verbunden ist. Die SPC ist weiter („nach oben“) mit dem Kunden,(„Statens Vegvesen“ – vergleichbar z.B. mit dem deutschen Verkehrsministerium), überden PPP-Vertrag verbunden. Auf der rechten Seite sind die Darlehensgeber abgebildet,mit denen die SPC verschiedene Kreditverträge für die Projektfinanzierung abgeschlos-sen hat. Eine Besonderheit dabei ist, dass es bei diesem Projekt – aufgrund der vorteil-haften Risikostruktur – gelungen ist, einen garantierten Bankkredit „Wrapped debt“ zu

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PPP-Verkehrsprojekte in Norwegen – Erfahrungen mit dem Projekt E 18 Grimstad-Kristiansand

STATENS VEGVESEN

BILFINGER BERGERBOT GmbH

E. PIHL & SØN A.S.

SUNDT AS

PPP-Vertrag

AGDER OPSVEGSELSKAP AS

Interface-Agreement

Gesellschafts-vertrag

Totalunternehmer:Bilfinger Berger – Pihl

Konsortium

LokaleVertragspartner

Unterhaltung und Betrieb:NCC Roads AS

Otera Entreprenør AS

LokaleVertragspartner

Totalunternehmer-Vertrag

O&M-Verträge

Versicherungs-verträge

Kreditverträge Darlehensgeber

DirectAgreement

Versicherungs-gesellschaften

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verfügbar war. Dazu gibt es einen sehr umfangreichen Beschrieb im Konzessionsvertrag,in dem genau geregelt wird, bei welchem Straßenzustand die Straße noch verfügbar ist,und ab wann sie nicht mehr verfügbar ist. Sobald der Straßenzustand diese Nicht-Verfüg-barkeitskriterien erreicht oder aber, wenn es – aus welchen Gründen auch immer – zuSperrungen einzelner Fahrstreifen kommt, werden entsprechende Abzüge am Ver-fügbarkeitsentgelt vorgenommen. Diese Abzüge sind gestaffelt, beispielsweise nachTageszeit, nach Jahreszeit oder nach Art der Sperrung und ermöglichen es insofern demKunden, das spätere Betriebsverhalten des privaten Partners zu steuern.

Zwei Beispiele dazu:

1) Die Sperrung von zwei Fahrspuren in eine Richtung an einem beliebigen Sommertagfür insgesamt acht Stunden ergibt einen Abzug von der Availability-Fee i.H.v. 14.000Euro.

2) Wird die Straße an der gleichen Stelle nachts und in der Nebensaison für acht Stundengesperrt, reduziert sich der Abzug auf ganze 1.600 Euro.

2. Betriebsentgelt (ca. 15 Prozent der Gesamtzahlung)

Mit diesem Anteil wird dem privaten Partner der Betrieb und die Erhaltung der Streckevergütet. Hierbei gibt wiederum einen umfangreiche Katalog, nachdem der Kunde dieLeistungserbringung überwacht und Schlechtleistungen pönalisiert.

Zwei Beispiele dazu:

1) Ein „Schlagloch, das den Verkehr gefährdet“ führt ohne weitere Schonfrist zu täg-lichen Abzügen von über 1.000 Euro. Wenn der Mangel nicht zügig behoben wird,dann steigern sich die Pönale recht schnell auf deutlich erklecklichere Werte.

2) Falls das Straßenbegleitgrün nicht den „ästhetischen Anforderungen“ entspricht,beginnt zunächst eine gewisse Schonfrist zu laufen. Nach Ablauf dieser Schonfrist wer-den auch hier (auf niedrigerem Level) Abzüge am Betriebsentgelt fällig.

3. Safety-Payments

Das „Safety-Payment“ ist als Anreiz für verkehrssichere Planung, Bau und Unterhaltungder Straße gedacht. Zur Berechnung wird der Sicherheitsstandard der Konzessionsstrecke(aus der Zahl und Schwere aller Unfälle mit Personenschäden) ermittelt und mit demBenchmark vergleichbarer Strecken in Norwegen verglichen. Wenn die Konzessionsstre-cke den Benchmark schlägt, gibt es eine Bonuszahlung. Die Auswertung der Formelermöglicht eine Abschätzung, welche finanzielle Konsequenzen Unfälle mit Personen-schäden haben.

Verkürzend kann man sagen, dass ein schwerer Unfall im Jahr das Safety-Payment imExtremfall bis auf null reduzieren kann.

4. Schwerverkehrsanpassung

Auch die „Schwerverkehrsanpassung“ ist ein übliches Element bei der Vergütung vonVerfügbarkeitsprojekten. Die grundsätzliche Idee ist, den Konzessionsnehmer bei uner-wartet großem Schwerverkehrswachstum zu entschädigen, da ihm hierdurch erheblicheMehrkosten insbesondere bei der Unterhaltung entstehen. Insofern übernimmt hier deröffentliche Auftraggeber ein Teil des Schwerverkehrsrisikos.

Aus verschiedenen Gründen kam dieses Vergütungselement beim Projekt E18 nicht zurAnwendung.

Riskoverteilung

Die Risikoverteilung beim Projekt E18 ist nachfolgend schematisch dargestellt:

Vielfach ist zu hören, dass mit dem Verfügbarkeitsmodell die Risikoverteilung für denöffentlichen Partner unattraktiv wird. Wie jedoch im Schaubild erkennbar, verbleibt einerheblicher Teil des Risikos beim privaten Partner: Im wirtschaftlichen Bereich ist es dasZinsrisiko, Steuerrisiko, Finanzierungs- und Währungsrisiko. Das Baurisiko, das Baugrund-

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PPP-Verkehrsprojekte in Norwegen – Erfahrungen mit dem Projekt E 18 Grimstad-Kristiansand

Öffentlicher Partner Privater PartnerVerkehrs-/

Einnahmen-Risiko Zinsrisiko Steuerrisiko

Finanzierungs-risiko Währungsrisiko

Bau-risiko

Baugrund-risiko

Planungs-risiko

Vefügbarkeits-risiko

Erhaltungs-risiko

Betriebs-risiko

Gesetzesänderungs-risiko

Schnittstellen-risiko

Inflations-risiko

(Schwerverkehr-zunahme)

DiskriminierendeGesetzesänderungen

Terrorismus-risiko Höhere Gewalt

Grundstücks-beschaffung

Genehmigungs-risiko

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PPP-Verkehrsprojekte in Norwegen – Erfahrungen mit dem Projekt E 18 Grimstad-Kristiansand

risiko, Planungsrisiken, Schnittstellenrisiken, Risiken, die aus dem Betrieb erwachsen, Ver-fügbarkeits- und Erhaltungsrisiko, – das alles sind Risiken, die beim privaten Partner blei-ben. Und nicht zuletzt verbleiben auch das Gesetzesänderungsrisiko und zu einem ganzerheblichen Anteil das Risiko höherer Gewalt beim privaten Partner.

Der öffentliche Partner dagegen übernimmt diejenigen Risiken, die für ihn besser zu steu-ern sind bzw. die (eher) in seinem Einflussbereich liegen. Zu nennen sind hier insbeson-dere das Terrorismusrisiko, das Inflationsrisiko, das Genehmigungsrisiko und die Risikenaus der Grundstücksbeschaffung. Auch diskriminierende Gesetzesänderungen fallen inden Zuständigkeitsbereich des öffentlichen Partners.

Insbesondere, und das ist der wesentliche Unterschied zu den Verkehrsrisikoprojekten,verbleibt das Verkehrs- und Einnahmenrisiko vollständig beim Kunden.

Fazit

Ausgangspunkt der norwegischen PPP-Infrastrukturprojekte war ein öffentlichen Partnermit sehr guter Bonität und mit einem klaren politischen Bekenntnis zu den PPP-Pilotpro-jekten. Weitere Erfolgsfaktoren waren die Projektgröße, die ausgewogene Risikovertei-lung (und dem Vergütungsmechanismus auf Basis eines reinen Verfügbarkeitsentgelts)und nicht zuletzt der straffe und transparente Ablauf des Vergabeverfahrens. Das bedeu-tet im Endeffekt für den privaten Partner kalkulierbare, beherrschbare Risiken, die er ver-sichern oder kalkulieren oder an seine Nachunternehmer weitergeben konnte.

Entsprechend groß war das Interesse an diesen norwegischen Projekten, sowohl auf derSponsorenseite, als auch auf Bankenseite; entsprechend intensiv war der Wettbewerb,wobei es kein Wettbewerb um optimistische Verkehrsprognosen war, sondern ein Wett-bewerb um technische und wirtschaftliche Lösungen, die dem Kunden möglichst viel„Value for Money“ bieten.

Im Ergebnis hat der Kunde ein optimales Leistungspaket bekommen: einerseits eineattraktive Finanzierungsform (Wrapped Debt mit günstigen Finanzierungskonditionen,Kreditlaufzeiten, optimalem „gearing“ usw.) andererseits planerisch und funktionalhochwertige Leistung, die vom privaten Partner in kürzester Zeit umgesetzt wird.

Ausblick

Die drei norwegischen PPP-Pilotprojekte laufen, zwei sind in Betrieb, das dritte im Bau.Unmittelbar nach der Vergabe des letzten Projekts begann die Auswertungsphase. Es istzu erwarten, dass diese bis Herbst 2008 abgeschlossen wird.

Die Ergebnisse werden die Grundlage für eine weitere politische Meinungsbildung seinund es bleibt zu hoffen, dass in 2008 (im Haushalt) bzw. in 2009 (mit der nächsten Auf-lage des norwegischen Verkehrswegeplans) neue PPP-Infrastrukturprojekte in Norwegenzu sehen sein werden.

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Bei dem Projekt, dass ich heute vorstelle, handelt es sich um eine Kombination aus ver-schiedenen Vergütungsansätzen.

Konkret geht es um den Wiener Autobahnring bestehend aus S1 Ost, S1 West, S2 und A5Richtung Tschechien bis zur Anschlussstelle Schrick. Der Autobahnring wird in sehr kur-zer Zeit errichtet; die Inbetriebnahme ist bereits für 2010 geplant. Das heißt umgerech-net, dass wir in der Spitzenzeit 40 Millionen Euro pro Monat umsetzen werden.

Der Leistungsumfang

Es handelt sich also hier um Erd- und Straßenbau für circa 51 Kilometer Trassenlänge imvierstreifigen Ausbau mit einer Kronenbreite von 30 Metern. Wir haben ein Autobahn-kreuz sowie 12 Anschlussstellen zu errichten. Es werden insgesamt 98 Ingenieurbauwer-ke um- bzw. neu gebaut. Dabei handelt es sich um Über- und Unterführungen der Auto-bahn und verschiedene Tunnel, sowohl in offener als auch in bergmännischer Bauweise.Untergeordnet sind natürlich bestehende Nebenstraßen und Wege sowie Leitungsträgerzu verlegen. Darüber hinaus sind zwei Raststättenanlagen zu errichten, die die Errichtungvon Restaurants, Hotels und Tankstellen beinhalten. Darüber hinaus gibt es Lärmschutz-maßnahmen, das ist mit dem deutschen Level vergleichbar, und natürlich Entwässerungs-maßnahmen der Verkehrsflächen sowie ökologische Ausgleichsmaßnahmen und vielesmehr. Letztlich wäre das Projekt mit einem deutschen Projekt vergleichbar, wenn es dennsolche in dieser Größenordnung gäbe.

Die Repayment-Struktur

Es handelt sich nicht um ein reines Verfügbarkeitsentgelt, sondern die Vergütung derInvestoren setzt sich aus drei Teilen zusammen. Dies ist zum einen die Schattenmaut, zum

zweiten das Verfügbarkeitsentgelt und zum dritten eine Meilensteinzahlung. Die Mei-lensteinzahlung erfolgt im Rahmen dieses Bauprojekts für so genannte sonstige Bauwer-ke, wie zum Beispiel Geh- und Radwege, Brücken oder untergeordnete Brücken über eineAutobahn. Auch nach deutscher Gesetzgebung unterliegen diese einer Kostenteilung.Diese Bauwerke sind zunächst vom Konzessionär mit zu finanzieren und auch zu errich-ten, die Vergütung dieser Bauwerke erfolgt aber direkt durch den Konzessionsgeber. Dasheißt, diese Bauwerke sind weder zu betreiben noch zu erhalten und auch nicht über dengesamten Konzessionszeitraum zu refinanzieren.

Der zweite Teil der Vergütung des Konzessionsnehmers ist das Verfügbarkeitsentgelt. Hiergeht es um Verfügbarkeit der verschiedenen Fahrstreifen, auch in Abhängigkeit von derQualität.

Die Schattenmaut setzt sich wiederum aus zwei Teilen zusammen: zum einen wird dieLKW-Maut ähnlich wie bei den deutschen A-Modellen auf der konzessionierten Streckedirekt an den Investor durchgeleitet. Zum anderen gibt es eine anteilige Zahlung aus derPKW-Vignette. Dabei ist es die Verpflichtung des Konzessionärs, diesen PKW-Verkehr zuzählen. Wir konnten bis zu 1,5 Cent pro gefahrenen PKW-Kilometer von dieser PKW-Vig-nette in unser Angebot einrechnen.

Wir haben also einen relativ großen Teil Verfügbarkeitsentgelt, der qualitätsabhängig ist,und einen zweiten Teil, der verkehrsabhängig ist. Die Aufteilung dieser beiden Bereicheunterlag ebenfalls dem Wettbewerb. Jedes Konsortium konnte selbst entscheiden, wieaggressiv es das Angebot gestalten möchte. Wir haben uns hier für die aggressivste Formentschieden: für 35 Prozent Schattenmaut. Das heißt 35 Prozent der Vergütung werdenverkehrsabhängig gezahlt. Dies wurde von den Konzessionsgebern schließlich positivbewertet. Umgekehrt führte die maximale Ausnutzung von bis zu 75 Prozent Verfügbar-keitszahlung, die deutlich sicherere Zahlungen beinhaltet, zu einer etwas negativerenBewertung durch den Konzessionsgeber.

Insgesamt sieht die Vergütungsstruktur dieses Green-Field-Projektes wie folgt aus: In dergesamten Bauphase erfolgt eine einhundertprozentige Finanzierung durch die Investo-ren, mit der Ausnahme, dass gegen Ende der Bauphase die Meilensteinzahlung durch dieASFINAG geleistet wird.Ab Inbetriebnahme dann streckenabschnittsweise mit Verfügbar-keitsentgelt und Schattenmaut vergütet.

Wenn man diese beiden Finanzierungsformen miteinander vergleicht und der Vergütungin Deutschland gegenüberstellt, kann man schon ganz deutliche Abweichungen feststel-len. Wir haben in Deutschland im Vergleich zu diesem österreichischen Projekt den Vor-teil, dass es sich bei uns um Brown-Field-Projekte handelt. Das heißt, dass wir von einem

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PPP-Verkehrsprojekte in Österreich – Kombination ausVerfügbarkeitsentgelt und Schattenmaut

Dipl.-Ing. Jörg ArndtGeschäftsstellenleiter Mautstraßen Deutschland,Hochtief PPP Solutions GmbH

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Vor- und Nachteile von Verfügbarkeitsmodellen

Aus Sicht der öffentlichen Hand ermöglichen Verfügbarkeitsmodelle eine privatwirt-schaftliche Realisierung auch von verkehrsschwachen Projekten. Es ist natürlich klar, dasswir in Deutschland weitere PPP-Projekte im Verkehrsbereich nur strikt dem Bundes-verkehrswegeplan folgend umsetzen können. Das Problem bei einigen Projekten des vor-dringlichen Bedarfs im Bundesverkehrswegeplan ist, dass es sich nicht immer um diewirtschaftlichsten handelt. Hier gäbe es also einen deutlich größeren Spielraum, mit Ver-fügbarkeitsmodellen zu arbeiten oder in ähnlichen Kombinationen wie in Österreich die-se privatwirtschaftlich umzusetzen. Das Zahlungsprofil ist deutlich homogener und zuver-lässiger. Wir hätten dann keine Anschubfinanzierung mehr, denn die öffentliche Handstreckt letztlich die Anschubfinanzierung und kann diese noch qualitätsabhängig pönali-sieren.

Aus Sicht der Bieter stellen sich hier folgende Vorteile dar: Zunächst ist der Cash Flow,der durch das Projekt generiert wird, weniger verkehrsabhängig. Es stellt sich die Frage,welche Risiken denn durch den privaten Investor beeinflussbar sind. Terror und Kriegsicherlich relativ wenig, aber die Qualität der Verfügbarkeit ist durchaus beeinflussbarund würde somit aus unserer Sicht eine deutlich gerechtere Entlohnung und beeinfluss-barere Entlohnung des privaten Investors sicherstellen. Verfügbarkeitsmodelle sindzumindest aus meiner Sicht dafür prädestiniert, dass sich die Bieter bereits in der Ange-botsphase deutlich mehr Gedanken über das Thema Erhaltung und Betrieb machen. Dannist es wichtig, sich zu überlegen, wie lange muss ich welche Strecke für eine Erhaltungs-maßnahme sperren und wann tue ich dies. Auch hier hätte die öffentliche Hand ein deut-lich stärkeres Steuerungsinstrument für einen reibungslosen Verkehrsfluss. Das Zahlungs-profil ist über die gesamte Projektlaufzeit homogen – es gibt keine Anschubfinanzierungund die mögliche Streckung der Anschubfinanzierung sollte auch weiteres Potenzial aufder Seite der öffentlichen Hand beinhalten.

Auch hier gilt: Der Cash Flow ist weniger verkehrsabhängig und zudem beeinflussbar.Durch den beeinflussbaren und deutlich sichereren Teil der Vergütung des Konzessionärswerden Möglichkeiten eingeräumt, deutlich günstigere und attraktivere Finanzierungs-formen zu wählen, die letztlich zum Nutzen des Kunden in die Angebote einfließen wer-den.

Zusammenfassung

Aus unserer Sicht sind Verfügbarkeitsmodelle auch in Deutschland unter den derzeitigenrechtlichen Rahmenbedingungen möglich. Es bedarf also nicht der gesetzlichen Anpas-sung. Letztlich handelt es sich lediglich um eine gestreckte Anschubfinanzierung, die manzu dem noch qualitativen Ansprüchen unterwerfen kann. Die Belastung des Haushaltes

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relativ sicheren Verkehr ausgehen können. Denn der Wettbewerb ist natürlich ein Wett-bewerb des Optimismus, den wir in Hinblick auf die Verkehrssteigerungsquoten aufbrin-gen müssen, natürlich auch um den Investoreninteressen genügen zu können.

Ein deutlicher Unterschied ist, dass wir bei den deutschen Brown-Field-Projekten bereitsin der Bauphase eine Vergütung aus der LKW-Maut und eine Anschubfinanzierungbekommen, sofern es die ausgeschriebenen vier Pilotprojekte erfordern. Bei deutschen A-Modellen schlägt für die öffentliche Seite negativ zu Buche, dass zu Beginn eine relativhohe Anschubfinanzierung aus dem Haushalt des Bundes beziehungsweise der VIFGkommen muss und dazu die LKW-Maut durchgeleitet wird. Würde man diesen Teil derAnschubfinanzierung strecken, könnte eine dem österreichischen Modell vergleichbareForm entwickelt werden. Diese Anschubfinanzierung könnte in Deutschland in ein Verfüg-barkeitsentgelt umgewandelt werden, dem eine deutlich günstigere Risikostrukturzugrunde liegt. Dazu kommt, bei den jetzigen A-Modellen, die Weiterleitung der LKW-Maut.

Wir haben das Beispiel aus Norwegen gerade gehört. Dort gab es einen versicherten Kre-dit.Wir haben in Österreich auch eine Sonderform einer Anleihe genutzt, was letztlich dasProjekt auf Triple-A hochraten und so vergleichbare Finanzierungskonditionen wie die deröffentlichen Hand erwirtschaften lässt.

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PPP-Verkehrsprojekte in Österreich – Kombination aus Verfügbarkeitsentgelt und Schattenmaut

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für die Anschubfinanzierung ist aus unserer Sicht zumindest deutlich besser planbar. Beiden derzeitigen A-Modellen ist ja die Höhe der Anschubfinanzierung letztlich immer einErgebnis des Wettbewerbes, und hier muss gegebenenfalls die öffentliche Hand flexiblerreagieren als bei einer lang gestreckten, über die Konzessionsdauer eingebrachten Ver-fügbarkeitsvergütung.

Besonders attraktiv auch aus politischer Sicht könnte sein, dass es diese Form der Vergü-tung ermöglicht, auch Projekte umzusetzen, die verkehrsschwach sind. Als Beispiel möch-te ich die A14 Mecklenburg-Vorpommern anführen. Ohne PKW-Maut dürfte dieses Pro-jekt nicht privatwirtschaftlich finanzierbar sein. Wegen der höheren Sicherheit, dieVerfügbarkeitszahlungen mit sich bringen, sind günstigere Finanzierungsformen möglich,die aus Wettbewerbsgründen überwiegend der öffentlichen Hand zugute kommen.

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PPP-Verkehrsprojekte in Österreich – Kombination aus Verfügbarkeitsentgelt und Schattenmaut

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straßenbereich, die im Moment noch keinen richtigen Namen haben. Es wir aber durch-aus auch im Landesstraßenbereich (z.B. in NRW) und im Bundesfernstraßenbereich inten-siv darüber nachgedacht, zumindest einzelne Elemente von Verfügbarkeitsmodellenauszuprobieren. Dabei müssen die Projektideen durchaus nicht immer alle Infrastruk-turkomponenten einer Straßenverbindung beinhalten. Sie können sich auch – wie z.B. imInnenstadtbereich von Frankfurt a. M. – auf die Ingenieurbauwerke wie Brücken, Tunnel,Stützmauern und Durchlässe oder wie im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojek-tes unserer Professur mit der FH Erfurt auf Lichtsignalanlagen oder auch Straßenbeleuch-tung beschränken.

Die obige Abbildung stellt einen Versuch der Einordnung des Verfügbarkeitsmodells in dieverschiedenen anderen, im deutschen Straßensektor üblichen Vertragsmodelle dar. Dabeiwird zum einen abgestellt auf den Zusammenhang der Wertschöpfungstiefe des privatenVertragspartners und den entsprechenden Risikotransfer. Zum anderen wird die histori-

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Marktüberblick Verfügbarkeitsmodelle

Nahezu 80 Prozent des deutschen Straßennetzes sind als Kreis- und Gemeindestraßengewidmet. Jährliche Ausgaben für Neu- und Ausbau sowie Erhaltung dieses Netzesbelaufen sich auf ca. 8,5 Mrd. €. Ausgabenschwerpunkt sind dabei Erhaltungsmaßnah-men. Nach einer Studie des Auto Clubs Europa existiert ein Erhaltungsstau in Höhe 25Mrd. €, wobei es zukünftig weitere Verschiebung der Ausgaben hin zu Erhaltungsmaß-nahmen geben muss.

Verfügbarkeitsmodelle werden in Deutschland derzeit hauptsächlich in diesem Teil desStraßennetzes angewendet. Beispiele hierfür sind etwa:

■ Das PPP-Projekt Harsewinkel (2005-07, Status: Realisierung)

■ Kreisstraßen Waldeck-Frankenberg (2006; Status: Vorläufige WU abgeschlossen)

■ PPP-Landestraßen Saale-Holzland Kreis (2006-07; Status: Vergabe abgeschlossen)

■ PPP-Projekt Ingenieurbauwerke Frankfurt a. M. (2006-08; Status: Projektentwicklung,Markterkundung, Machbarkeit und WU)

■ PPP-Brückenunterhaltung /Brückeninstandsetzung der Stadt Siegen (2007; Status:Machbarkeit und WU)

■ PPP-Kreisstraßen Dithmarschen (2006-07; Status: Voruntersuchung)

■ Kreisstraßen Lippe (2007-08; Status: Vorbereitung Vergabeverfahren)

sowie eine Reihe weiterer Projekte sowohl im Kreisstraßen- als auch im Gemeinde-

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Kommunale PPP-Modelleim Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

Prof. Dr.-Ing. Hans-Wilhelm AlfenBauhaus-Universität Weimar, Fakultät Bauingenieurwesen

Einordnung Verfügbarkeitsmodell in die im deutschen Straßensektor gebräuchlichenVertragsmodelle

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jekten, die Alfen Consult GmbH zurzeit berät, sozusagen „steckbrieflich“ im Überblick.Dabei wird zum einen auf den vorgesehenen Leistungsumfang bzw. die Wertschöpfungs-stufen, die jeweils auf den privaten Partner übertragen werden sollen – also Planung, Bau,Ausbau, Umbau, Finanzierung, Erhaltung und/oder Betriebsdienst – und die Wertschöp-fungsbreite - hier speziell, welche Ingenieurbauwerke einbezogen sind – abgestellt. Manerkennt, dass insbesondere bei der Übertragung des Betriebsdienstes tendenziell eherZurückhaltung bei den öffentlichen Auftraggebern besteht. Zum anderen wird dargestellt,um welche Art von Kommunalstraßen es jeweils geht, also Kreisstraßen oder Ortsdurch-fahrten bzw. eine Kombination aus beiden und ob kreuzende Landes- und/oder Bundes-straßen zum Leistungsumfang des Projektes gehören. Aus rein technisch-wirtschaftlichenÜberlegungen wäre es natürlich tendenziell sinnvoll, das betrachtete Netz insgesamteinzubeziehen, da ansonsten „offene Netze“ entstehen mit allen arbeitstechnischenSchnittstellenproblemen. Wegen unserer föderalen Aufgabenteilung bzw. der getrenntenZuständigkeit der Aufgabenträger gestaltet sich eine schnittstellenfreie Übertragung einesGesamtteilnetzwerkes in der Fläche auf Private jedoch in der Praxis bisher sehr schwierig.

Besonderheiten kommunaler Straßenverkehrsinfrastruktur mitAuswirkungen auf PPP-Modelle

Kommunale Straßenverkehrsinfrastruktur und entsprechende PPP-Projekte zeichnen sichdurch eine Reihe von Besonderheiten aus, die im Folgenden einmal aufgeführt und,soweit hier möglich, analysiert werden sollen.

Da ist zunächst der bereits angeführte Netzcharakter und die damit verbundenen Schnitt-stellenprobleme, die im Gegensatz zum Streckencharakter der A-Modelle auf Autobahnenbzw. dem Strecken- (autobahnähnlich ausgebaute Bundesstraßen und Gebirgspässe)oder Einzelbauwerkscharakter (Tunnel und Brücken) der F-Modelle typisch für Kreis- undGemeindestraßenprojekte sind. Solche Schnittstellenprobleme äußern sich bei einemGesamtteilnetz z.B. in den unterschiedlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen vonBund, Ländern und Kommunen als Baulastträger, Träger der Bewirtschaftung und/oderFinanzmittelgeber.

Es gibt aber auch weitere sehr sensible Schnittstellen zu Ver- und Entsorgern, insbesonde-re im Ortsdurchfahrtenbereich oder inner- sowie außerorts zum Verkehrsträger Schiene.Die – soweit möglich – Beseitigung solcher Schnittstellen oder die effiziente Gestaltungdieser Schnittstellen sind eine der größten Herausforderungen und zugleich Erfolgsfakto-ren bei der PPP-Projektstrukturierung. Dies gilt in besonderem Maße für innerörtlicheNetze und Ortsdurchfahrten, bei denen die Schnittstellenprobleme und der entsprechen-de Abstimmungsbedarf naturgemäß besonders groß sind.

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sche Entwicklung der Modelle aufgezeigt. Zu erkennen ist, dass es mit dem F- und A-Modell in Deutschland einen größeren Sprung in der zuvor sukzessiven Entwicklung vonAufgaben- und Risikotransfer vom GU-Modell mit Funktionalausschreibung über denFunktionsbauvertrag und die Vorfinanzierungsmodelle (d.h. Mogendorfer und Bundmo-dell) und deren Kombination, wie sie jetzt beispielsweise in Bayern und Thüringenangedacht sind, gegeben hat. Das Verfügbarkeitsmodell, das in einer systematischen Ent-wicklung genau dazwischen läge, wurde zunächst übersprungen und kommt erst jetzt zurAnwendung. Vorteil einer solchen Entwicklung ist natürlich, dass man dabei sowohl vonden Erfahrungen mit Verfügbarkeitsmodellen im allerdings in vielerlei Hinsicht sehrandersartigen öffentlichen Hochbau als auch von den Erfahrungen aus den allerdings nurbestimmte Elemente des Verfügbarkeitsmodells nutzenden A- und F-Modellen lernenkann.

Spezielle Projekterfahrungen – „Steckbriefe“

Die untenstehende Abbildung zeigt typische Merkmale von drei Kommunalstraßenpro-

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Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

Leistungsmerkmale von PPP-Projekten als Verfügbarkeitsmodelle (aktuelle Beratungsmandate der Alfen Consult GmbH)

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materiell privatisierten Betrieben, wie z.B. in Niedersachsen. Daneben gibt es Kreise undGemeinden, wie z.B. der Landkreis Waldeck-Frankenberg und viele andere Landkreise inHessen, die keinerlei Ressourcen für das Management ihrer Straßenverkehrsinfrastrukturvorhalten, sondern dies im Vertragsverhältnis den Landesbetrieben überlassen, einModell, das europarechtlich zunehmend in die Kritik gerät. Für die Entwicklung einesPPP-Projektes bildet es allerdings wegen der Ähnlichkeit und damit guten Vergleichbar-keit der vorhandenen Arbeitsstrukturen – quasi einer Public Public Partnership mit einerPublic Private Partnership – eine sehr gute Ausgangsbasis, zumal sich das Problem desAbbaus von redundantem Personal zumindest auf der Ebene der Kommune nicht stellt.

Von ganz entscheidender Bedeutung für PPP-Projekte in der kommunalen Straßenver-kehrsinfrastruktur sind die zugehörigen „Stakeholder“. Hierzu gehören die kommunaleaber auch die Landespolitik und ggf. die Landesbehörden, die Nutzer und Anrainer, dieVerwaltung als konventioneller Träger der Bewirtschaftung sowie auch die häufig sehreinflussreiche regionale Privatwirtschaft, um nur die wichtigsten zu nennen. In der Praxisgescheiterter und erfolgreicher PPP-Projekte zeigt es sich immer wieder, dass es einer derwichtigsten Erfolgsfaktoren ist, diese Stakeholder von Anfang an im Projekt zu organisie-ren und den Informationsfluss sicherzustellen.

Eine weitere Besonderheit im Bereich kommunaler Straßennetze ist sicher, dass es keineNutzerfinanzierung gibt und zumindest auf absehbare Zeit auch keine Nutzerfinanzie-rung geben wird. Entsprechend ist die PPP-Modellwahl begrenzt auf das Verfügbarkeits-modell. Etwas anderes sind punktuelle kommunale Projekte nach dem F-Modell, wie dieWarnowquerung in Rostock oder die Travequerung bei Lübeck, die eigentlich aber aucheher vom Bund initiiert sind.

Schließlich sind die Verkehrsbelastungen und die entsprechenden technischen Standardsbei Kommunal – im Vergleich zum Bundesfern- und Landesstraßennetz aufgrund derbesonderen Anbindungs- und Verteilungsfunktion sehr besonders. Damit ergeben sichAuswirkungen auf die Lebensdauern, die Dimensionierung einzelner Elemente des Stra-ßenkörpers von der Deckschicht bis hin zur Tragschicht aber auch einzelner Ingenieurbau-werke und v. a. die Gesamterhaltungsstrategie, die natürlich insbesondere bei Abschlusseines langfristigen PPP-Vertrages in etwa vorhersehbar und kalkulierbar sein müssen.

Spezifische Probleme und LösungsansätzeProblem 1:Fehlende langfristige Zielstellung für die Bewirtschaftung der Straßenverkehrs-infrastruktur und einer darauf aufsetzenden Erhaltungsstrategie

Wie bereits früher erwähnt, ist einer der wichtigsten Problemstellungen die fehlendelangfristige Zielstellung für die Bewirtschaftung der Straßenverkehrsinfrastruktur und

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Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

Ein weiterer sensibler Aspekt ist die Mittelbewirtschaftung, insbesondere die Förderungnach dem Gemeinde-Verkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), auf die keine Kommune ver-zichten kann und will, die mit ihren Bestimmungen aus verschiedenen Gründen nichtgerade für PPP-Projekte gemacht ist. So stellt sie z.B. auf die Investition in Neubau abund kollidiert damit zunächst einmal mit der lebenszyklusübergreifenden Betrachtungs-weise von PPP-Projekten. Zudem läuft sie vermutlich bis 2012 aus und wird dann durcheine andere, bisher noch nicht bekannte Förderung ersetzt. Diese Konstellation macht dieBeantragung der Mittel einerseits und die Finanzierung als PPP-Projekt mit langen Lauf-zeiten andererseits recht schwierig. Die Problematik wird außerdem noch überlagert vonder Einführung der Doppik und den damit zumindest in der Übergangszeit verbundenenhaushaltsrechtlichen Unsicherheiten in Bezug auf Bewertung und Bilanzierung derStraßen sowie der Frage der Zuordnung der Zahlungsströme zu Verwaltungs- und Ver-mögenshaushalt.

Auch die politische Willensbildung, ihre Nähe zu den übrigen, von der Infrastrukturunabhängigen kommunalpolitischen Aspekten sowie der Einfluss von Regional- bis hinzu Bundespolitik hat bekanntlich Auswirkungen auf das Management kommunalerStraßenverkehrsinfrastruktur im Allgemeinen und die Anwendung von PPP-Projekten imBesonderen. Das äußert sich z.B. bei der Mittelzuwendung, bei der die Straße in den letz-ten Jahrzehnten regelmäßig zu kurz gekommen ist oder auch in der Interessensdivergenzbei der Wahl der Beschaffungsmethode. Typisch ist, dass jeder die Innovation von PPPmöchte, allerdings jeweils ein klein wenig anders, was häufig dazu führt, dass man impolitischen Konsens dann doch beim konventionellen Ansatz bleibt.

Hemmnis kameralistische Haushaltsführung

Die Entwicklung und Anwendbarkeit von für den effizienten Ausbau, ggf. auch Rückbausowie für eine nachhaltige Erhaltung der Infrastruktur so notwendigen und für ein PPP-Projekt mit langen Vertragslaufzeiten quasi unerlässlichen mittel- und langfristigen Stra-tegien ist im derzeitigen System extrem erschwert. Die Gründe hierfür liegen vor allemin der Jährlichkeit der kameralistischen Haushaltsführung, damit verbunden, an denschon erwähnten förderrechtlichen Bestimmungen, an fehlenden belastbaren Progno-sen, Szenarios und Daten, wie sie zur Entwicklung der Strategien erforderlich sind sowienicht zuletzt auch an der Praxis der politischen Willensbildung, die zwar weniger von derJährlichkeit der Kameralistik dafür aber umso mehr von Wahlperioden bestimmt wird.

Die Struktur der Arbeitsteilung bei der Bewirtschaftung der Straßenverkehrsinfrastrukturist im kommunalen Bereich sehr unterschiedlich. Man findet alle Organisationsmodellevon einer extrem starken Eigenleistung, insbesondere im Betrieb bei örtlichen Meiste-reien, Regie- oder Eigenbetrieben bis hin zu formell privatisierten Betrieben und sogar

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traditionellen Betriebsdienst festhalten möchte, obwohl sie natürlich keineswegs denhoheitlichen Charakter haben wie die rechts in der Abbildung aufgeführten Planungs-und Verwaltungsaufgaben, die wohl sinnvoller Weise und grundsätzlich nicht auf denPrivaten zu übertragen sind.

Welches sind nun mögliche Zielsetzungen für die notwendige Strategieent-wicklung?

Wollte man in die übliche Vorgehensweise eine Zielsetzung hineininterpretieren, so könn-te man etwas provokant formulieren: „Erreichung eines bestmöglichen Zustandes derStraßen, bei möglichst großer Ausschöpfung der Fördermittel (und damit Gefahr vonFehlallokationen), mit immer geringeren Haushaltsmitteln und unter Berücksichtigungmöglichst vieler Straßenanrainerwünsche, bei möglichst großer Kontinuität der Beschaf-fungssituation in Verwaltung und regionaler Wirtschaft, d.h. bei möglichst großer Igno-ranz technisch-wirtschaftlicher Zusammenhänge“. Ein solcher Zielmechanismus führtdann eben genau zu den Instandhaltungsstaus, die in den letzten Jahren im Straßennetzentstanden sind. Geht man von reinen ökonomischen Überlegungen aus – was vielleichtauch nicht immer der richtige Weg ist – gibt es zwei Ansätze: das Maximalprinzip „Errei-chung eines besseren Straßenzustandes bei gleichen Aufgaben“ oder das Minimalprinzip„Beibehaltung des gleichen Zustandes der Straßen bei geringeren Ausgaben“. Angepasstan die PPP-Beschaffung ergibt sich folgende Zielfunktion: „Erreichung von definiertenZuständen (Service Levels) in definierter Zeit mit geringerem Mitteleinsatz bzw. Effi-zienz-vorteilen gegenüber der konventionellen Herstellung, d.h. mit Effizienzvorteilen gegen-über dem PSC“. In jedem Fall sind also Aussagen zum vorhandenen und dem zu erreichen-den Zustand zu treffen, was unter den gegebenen Randbedingungen nicht einfach ist.

Dies hat natürlich Auswirkungen für eine PPP-, im Grunde allerdings auch für die konven-tionelle Beschaffung. Wenn keine eindeutigen Projektziele formuliert werden können,dann lässt sich auch keine Erhaltungsstrategie entwickeln. Ohne Erhaltungsstrategiekann man kein Geschäftsmodell formulieren, das wiederum für eine fallspezifische Kos-tenermittlung sowie die Identifizierung und Bewertung von Risiken und Effizienzensowohl auf der öffentlichen als auf der privaten Seite unerlässlich ist. Zudem fehlt dieBasis für eine verlässliche Veranschlagung im Haushalt, für die Messung des Zielerrei-chungsgrades des Projektes, für die Erstellung einer ergebnisorientierten Leistungsbe-schreibung und für die Leistungsüberwachung.

Die Lösung liegt in der Entwicklung einer klaren Zielvorstellung und zwar unter Berück-sichtigung des Werteverzehrs. Daraus gilt es, ein bedarfsgerechtes, systematisches Erhal-tungskonzept (die Erhaltungsstrategie) abzuleiten. Die sich daraus ergebenden Aufgabensind dem öffentlichen und dem privaten Partner eindeutig zuzuordnen. Dabei sollten die

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eine darauf aufbauende Erhaltungsstrategie. Folgerichtig ist sie als spezielle Aufgabe inder in der Straßenverwaltung etablierten Leistungsübersicht, wie sie in der folgendenAbbildung dargestellt ist, üblicherweise auch nicht enthalten, sondern wurde von mir indie Abbildung, quasi als Grundvoraussetzung zusätzlich aufgenommen. Sie ist aus denschon früher geschilderten Gründen zugegebenermaßen auch nicht einfach zu etablieren.

Für die Vorbereitung von PPP-Modellen, für eine eindeutige Aufgabenzuordnung und-beschreibung und speziell die Festlegung der einzelnen Elemente eines Verfügbarkeits-modells kann man auf die folgende Abbildung zurückgreifen. Denn schon die Terminolo-gie im Straßenbau ist im Vergleich zum öffentlichen Hochbau, für den ja bereits wesent-lich mehr Erfahrungen mit Verfügbarkeitsmodellen vorliegen, recht unterschiedlich.

Besonders schwierig gestaltet sich in der Praxis die Definition der genauen Unterschiedezwischen der baulichen Erhaltung, der betrieblichen Erhaltung im Rahmen des Betriebs-dienstes und der betrieblichen Erhaltung im Rahmen der Erhaltung. Eine genaue Defini-tion der Schnittstellen zwischen öffentlichem und privatem Partner ist aber gerade indiesem Bereich besonders sensibel, da die Verwaltung an möglichst vielen Leistungen im

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Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

Leistungsübersicht und -abgrenzung im Straßenwesen

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Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

vom privaten Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen möglichst ergebnisorientiertbeschrieben, mit Service Levels messbar gemacht und mit entsprechenden Zahlungsme-chanismen hinterlegt werden. In dieser Vorgehensweise, die völliges Neuland für dieöffentliche Hand ist, liegt wohl ihr größtes Innovationspotenzial. Professionell ausge-führt, ist sie hervorragend geeignet das Innovationspotenzial des privaten Auftragneh-mers auszulösen. Denn dieser kann dann nach seinen Vorstellungen das Programm fürdie „bauliche Erhaltung“, bestehend aus Maßnahmen der Instandhaltung, Instandset-zung und (grundhafter) Erneuerung, entwickeln und optimieren, und dies bei gleichzei-tiger Abstimmung eines Programms für den Betriebsdienst (betriebliche Unterhaltung)und die betriebliche Erhaltung. Je mehr Freiheiten ihm dabei im Rahmen einer präzisenergebnisorientierten Leistungsbeschreibung gelassen werden, desto innovativer könnendie angebotenen Lösungen sein. Die Leistungsüberwachung ist dabei von unverändertgroßer Bedeutung für das zu erwartende Ergebnis, auch wenn sie nach gänzlich anderenPrinzipien und Kriterien durchgeführt wird.

Problem 2:Fehlende langfristige Zielstellung für den Neubau/Ausbau/Umbau/Rückbau derStraßenverkehrsinfrastruktur

Ist die Entwicklung und Umsetzung eines bedarfsgerechten Erhaltungskonzeptes imWesentlichen von einem effizient funktionierenden „Monitoring“ und einer adäquatenMittelzuweisung abhängig, so basiert die Ermittlung eines auf den langfristigen Bedarfabgestimmten Neu-, Aus- und Rückbauprogramms viel stärker auf Prognosedaten wieinsbesondere der lokalen Bevölkerungs- und Verkehrsentwicklung und gestaltet sichdamit rein technisch als auch politisch noch deutlich schwieriger bzw. ist in der Praxisnahezu unmöglich. Konkreter Handlungsbedarf wird also i.d.R. eher zeitnah bzw. in5-Jahresprogrammen festgelegt. Damit ergeben sich für ein z.B. auf 25 Jahre ausgeleg-tes PPP-Projekt die Hauptherausforderungen.

Einerseits kann ein konkretes Bauprogramm über solch lange Zeiträume bei Vertragsab-schluss nicht definiert werden. Andererseits ist man vertraglich an den privaten Partnergebunden, ohne ihm eine klare Leistungsbeschreibung vorgeben zu können. Darausresultiert eine Reihe von Fragen sowohl für den öffentlichen wie für den privaten Part-ner wie z.B.:

■ Wie kann die Beauftragung zusätzlicher Leistungen im laufenden PPP-Vertrag verga-berechtlich sicher und zu Wettbewerbspreisen erfolgen?

■ Wie ist mit der Unsicherheit der allgemeinen Kostenentwicklung umzugehen?

■ Wie sollten die Risiken der öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren bei Neu-

bau- oder Umbaumaßnahmen wie z.B. Fahrbahnverbreiterungen und/oder Verbesse-rungen der Linienführung verteilt werden?

■ Wie können für die erst später zu beauftragende Baumaßnahmen, deren Standdauerweit über die Vertragsdauer hinausgeht, die für PPP typischen Anreizmechanismen zurnachweislichen Erfüllung der Erhaltungsstrategie aufrechterhalten werden?

■ Wie sieht ein Finanzierungskonzept aus, das unsichere, erst in der Zukunft liegendeInvestitionen zu berücksichtigen hat und Auftraggeber wie Auftragnehmer dennochgenügend Sicherheit gibt?

Bei den laufenden PPP-Kommunalstraßenprojekten in Deutschland haben wir unsaktuell genau mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und auch schon entsprechendeLösungsansätze entwickelt, die ich hier natürlich nur andeuten kann. Ein Weg liegt imAbschluss von Rahmenverträgen, die die Spielregeln für die Preisbildung zukünftigerBauprogramme enthalten. Hier bestehen schon Erfahrungen mit langfristigen Verträgenaus anderen Infrastrukturbereichen wie Wasser/Abwasser oder Abfall. Neu hingegensind Ansätze die darauf basieren, dass die betroffenen Strecken

■ entweder außerhalb des PPP-Vertrages neu- oder umgebaut werden, was dazu führt,dass das zur Erhaltung übertragene Netz mit zunehmender Vertragslaufzeit sukzes-sive Lücken und damit zusätzliche Schnittstellen bekommt

■ oder die anfallenden Neu-, Aus- und Umbaumaßnahmen durch den privaten PPP-Part-ner unter Aufsicht bzw. mit Beteiligung der Verwaltung ausgeschrieben, vergeben undderen Durchführung gemeinsam überwacht werden.

Im letzteren Fall wird damit der private Partner, der selber möglicherweise gar nichtgebaut hat, dennoch in die Lage versetzt, die fertige Maßnahme mit allen Risiken in seinErhaltungsprogramm zu übernehmen. Man kann sich sicher vorstellen, dass damit nochbei weitem nicht alle Teilfragen und -lösungen dieses wohl schwierigsten und zugleichspannendsten Problemkomplexes von PPP-Kommunalstraßenprojekten angesprochensind. Allerdings würde dazu die Zeit heute nicht reichen und außerdem wäre ja auch dieSpannung weg, wenn ich alles verraten würde.

Problem 3:Akzeptanz und Durchsetzungsfähigkeit von PPP

Auf mangelnder Akzeptanz beruhende Hemmnisse für die Umsetzungsfähigkeit von PPP-Projekten an sich ist kein neues Thema, allerdings sind sie erfahrungsgemäß bei Kommu-nalstraßenprojekten besonders ausgeprägt. Dazu gehören hauptsächlich:

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Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

■ der Zweifel der Kommunalverwaltung an den Effizienzvorteilen, nicht zuletzt des-wegen, weil Private in der Bewirtschaftung von Straßen im Vergleich zu öffentlichenImmobilien bisher eine geringe Rolle gespielt haben;

■ Vorbehalte der Politik wegen der (vermeintlich) langfristigen Bindung;

■ Bedenken und Intervention des regionalen Mittelstandes;

■ mangelndes Verständnis der Nutzer (und Wähler);

■ fehlende Änderungsbereitschaft in den bestehenden Bewirtschaftungsstrukturen;

■ Bedenken und Intervention der Gewerkschaften;

■ Meinung und Rolle der Presse.

Wenn die Bedenken in einer solchen Konstellation nicht stichhaltig ausgeräumt werdenkönnen und ungelenkt eskalieren, ist die Gefahr sehr groß, dass selbst sehr gut geeigne-te PPP-Kommunalstraßenprojekte scheitern oder zumindest auf Eis gelegt werden, wiejüngst bei einem der ersten in Deutschland geschehen. Selten tritt Ablehnung übrigensunverhohlen auf. Meist wollen im Grunde alle PPP, allerdings jeweils ein wenig anders.

Noch schlimmer als die Entscheidung gegen ein PPP-Modell trotz prognostizierter Effi-zienzvorteile wäre allerdings, wenn man sich für ein Vorgehen nach dem Prinzip „weiterso wie bisher“ entscheidet und damit gleich wieder in die alten Strukturen der weiterenVernachlässigung dringend notwendiger Erhaltungsmaßnahmen zurückfällt, ohne zumin-dest von den Erkenntnissen während der Strukturierung des PPP-Projektes zu profitieren.

Die Lösung liegt zu allererst in der Überzeugungskraft von in der Sache überzeugten Poli-tikern an der Spitze. Dazu brauchen sie allerdings ein solides, eben überzeugendesKonzept mit entsprechendem Businessplan, eine kompetente und robuste Projektorgani-sation (Teambildung), wo nötig unter Einbindung kompetenter Berater (wirtschaftlich,technisch, rechtlich), eine überzeugende Kommunikationsstrategie und ein ausgefeiltesKommunikationskonzept mit transparenter Argumentation, das alle Bedenken der ver-schiedenen „Stakeholder“ auszuräumen vermag.

Dabei sollte man auf jeden Fall „faule Kompromisse“ vermeiden, mit denen man dann25 Jahre leben muss. Genügend Zeit für ein wohl ausgereiftes, mehrheitlich akzeptiertesKonzept zu investieren ist allemal besser als übereiltes Drängen auf Entscheidungen aufder Grundlage von nicht genügend durchdachten Konzepten und mangelndem Informa-tionsfluss.

Problem 4:Finanzierung von PPP-Kommunalstraßenprojekten

Hierbei muss man die Sphäre der öffentlichen Hand – also Finanzierung im Sinne vonMittelbereitstellung zur langfristig gesicherten Refinanzierung des privaten Partners –von derjenigen des privaten Partners – also Finanzierung im Sinne von Mittelbeschaf-fung zur (Zwischen-)Finanzierung der notwendigen Investitionen unterscheiden.

Die Hürden für die öffentliche Hand liegen dabei, wie bereits angesprochen, hauptsäch-lich in den Förderrichtlinien und insbesondere in der Förderpraxis, der unsicherenZukunft der Förderung sowie der langfristigen Bindung von Haushaltsmitteln. Aufgrundder mehr oder weniger großen Abhängigkeiten von Fördermittelgebern und der Kommu-nalaufsicht lösen diese Aspekte entsprechende Unsicherheiten bei den Kommunen aus.

Das Problem auf der privaten Seite liegt in der Strukturierung und dem Abschluss einerFinanzierung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für ein Programm mit eher gerin-gen anfänglichen, dafür aber in Schüben über die gesamte Vertragslaufzeit verteiltenInvestitionen. Insbesondere stellt sich die Frage der Refinanzierung von Investitionen, diegegen Ende der Vertragslaufzeit erforderlich werden.

Zur Lösung der Unsicherheiten auf Seiten der öffentlichen Hand wird man sowohl hin-sichtlich der GVFG- als auch der haushaltsrechtlichen Thematik deutlich mehr Sicherheitund mehr Unterstützung auch im politischen Raum brauchen. Wenn auch schon fast zuspät, wäre insofern zumindest die Adressierung des Problems im PPP-Vereinfachungs-gesetz recht hilfreich. An der Lösung der haushaltsrechtlichen Themenstellungen vonPPP-Projekten allgemein wird dem Vernehmen nach derzeit im Rahmen der Bund-Län-der Arbeitsgruppe Haushaltsrecht und Haushaltssystematik gearbeitet.

Was die angesprochenen Aspekte der privaten Finanzierung angeht, so sind diese sehrprojektspezifisch und können daher auch nur im Einzelfall einer Lösung zugeführt wer-den. Auch hier lässt es die Zeit leider nicht zu, weiter in die sicher sehr interessantenDetails einzusteigen.

Problem 5:Zu wenig ausgereifte Vorstellungen von ergebnisorientierter Leistungsbeschrei-bung, Service Level Agreements, Zahlungsmechanismen für eine leistungsba-sierte Vergütung

Dieser Themenkomplex ist essentiell für die Effizienz von PPP-Modellen und in seinerBedeutung sowohl bei öffentlichen Auftraggebern als auch bei privaten Auftragnehmernnoch viel zu wenig im Bewusstsein. Insbesondere die technischen Berater sind aufge-

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Kommunale PPP-Modelle im Verkehrsbereich –Erste Projekterfahrungen

rufen, sich internationale Standards anzueignen, da es sich im Kern weniger um juristi-sches als um technisches Terrain handelt. Zuerst müssen die technisch-wirtschaftlichenAnforderungen an die Anreizmechanismen entwickelt sein. Erst dann können sie juris-tisch vertragsrechtssicher formuliert werden. Es ist daher umso erfreulicher, dass er imRahmen des Workshops einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, der zudem äußerstkompetent ausgefüllt wurde. Ich kann es an dieser Stelle also bei meinen kurzen Ausfüh-rungen belassen und für das Weitere auf meine Folien und die vorangegangenen Vorträ-ge verweisen. Übrigens kann man diesbezüglich durchaus einiges aus der laufenden Pra-xis der Funktionsbauverträge und den A-Modellen lernen.

Zusammenfassung und Ausblick

Der (Nachhol-)Bedarf und damit auch das Marktpotenzial für PPP-Verfügbarkeitsmodel-le im Bereich kommunaler Straßenverkehrsinfrastruktur ist enorm. Andererseits ist dieSkepsis der etablierten Strukturen für die Bewirtschaftung sowohl im öffentlichen alsauch im privaten Sektor recht groß. Daher braucht man für die Schaffung von Akzeptanzfundierte Argumente und viel Überzeugungskraft. Dabei sind die zu lösenden Aufgabenund Probleme im Vorfeld, bei der Vergabe und der Durchführung der Projekte nur bedingtähnlich wie im Hochbau. Lerneffekte ergeben sich daher eher aus der Entwicklung undRealisierung der A- und F-Modelle sowie insbesondere auch der Funktionsbauverträge.Das im Bereich Straßenverkehrsinfrastruktur eher „schlummernde“ (da besonders gut„versteckte“) Potenzial an Effizienzgewinnen durch PPP ist vermutlich ansehnlich abernicht einfach zu heben. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich, dass wir uns alle zusam-men noch viel mit PPP-Kommunalstraßenprojekten beschäftigen werden.

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Die wichtigste Frage möchte ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen beantworten:Wo in Deutschland liegt eigentlich Harsewinkel?

Harsewinkel ist eine Stadt im Kreis Gütersloh. Sie hat 24.000 Einwohner und ein Straßen-netz von rund 330 Kilometern Länge auf einer Fläche von ca. 100 Quadratkilometern.

Das PPP-Projekt Harsewinkel umfasst den Neubau, die Erhaltung und den Betrieb einerkommunalen Entlastungsstraße im Ortsteil Marienfeld. Nach ihrer Fertigstellung wird dieneue PPP-Straße den Durchgangsverkehr am Ortskern vorbei leiten und die Landes-straßen L 927 und L 806 miteinander verbinden. Die Anbindung selbst erfolgt über zweiKreisverkehre.

Als Vehikel für die Baurechtschaffung wurde diese Entlastungsstraße kurzerhand zurErschließungsstraße für die Erweiterung eines bestehenden Sportzentrums und in einenrechtsgültigen Bebauungsplan integriert. Auf diese Weise konnte gegenüber einem her-kömmlichen Planfeststellungsverfahren für eine Ortsumgehung viel Zeit gespart werden.Zum einen wurde das Verfahren an sich schneller abgewickelt. Zum anderen waren kei-ne weiteren Baugenehmigungen erforderlich.

Ein Teil der Grundstücke für den Bau befand sich bereits seit langer Zeit im Eigentum derStadt Harsewinkel. Der überwiegende Teil der Grundstücke wurde jedoch erst kurz vor derAusschreibung durch die Stadt erworben. Entscheidend hierbei ist, dass der Grunderwerbdurch den Auftraggeber komplett abgeschlossen war und sich hieraus kein weiteres Risi-ko für die Bieter ergab.

Die PPP-Straße hat eine Regelbreite von 21 Metern und ist 1,3 Kilometer lang, inklusiveder Stichstraße zum Sportzentrum. Auf dieser vergleichsweise kurzen Strecke sind acht

Ingenieurbauwerke, überwiegend Brücken und Bachdurchlässe, zu errichten und einebestehende Bahntrasse zu überqueren.

Harsewinkel ist ein Projekt, dessen Investitionskosten weniger als drei Millionen Eurobetragen. Damit ist es ein so genanntes kleines PPP-Projekt. Wenn hier und heute in eini-gen Vorträgen von kommunalen PPP-Projekten mit Projektgrößen von 300 oder 350Millionen Euro gesprochen wird, dann passt das meiner Einschätzung nach nicht zu dentypischen Losgrößen, die wir im kommunalen Straßenbau in Deutschland antreffen wer-den.

Auf Grund unserer Erfahrungen funktionieren im kommunalen Bereich auch kleine PPP-Projekte. Hierfür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

■ Sie bieten der Kommune als Straßenbaulastträger einen wirtschaftlichen Vorteil

■ Ausschreibung und Vergabe müssen so schlank aufgesetzt sein, dass sie ausreichendeNachfrage auf Seite der Privatwirtschaft erzeugen.

Beides wurde in Harsewinkel erreicht. Mit der Ausschreibung und Vergabe als PPP-Pro-jekt konnte ein Effizienzgewinn von rund fünf Prozent generiert werden. Das Interesse ander Ausschreibung und damit die private Nachfrage seitens der Bieter waren erstaunlichgroß. Aber dazu später mehr.

Zunächst aber zur Vergabeunterlage: Bei diesem Projekt wurde eine Vergabeunterlagezur Verfügung gestellt, die klare Angaben und Vorgaben zum Thema Planung und Bauenthielt. Die Bieter waren aufgefordert, die vorhandene Referenzplanung der Strecke zuüberprüfen und zu konkretisieren; hierbei wurde den Bietern freigestellt, die Entwurfs-planung für die Ingenieurbauwerke als Referenzplanung zu übernehmen und fortzuset-zen oder wahlweise eine eigene Planung für den Ingenieurbau zu erbringen. Bis EndeNovember 2007 wird der Neubau fertig gestellt sein.

Im Rahmen der betrieblichen Unterhaltung sind wir für die Streckenkontrolle und dieWartung zuständig. Die Themen Verkehrssicherheit und Grünpflege sind ebenso wie derWinterdienst Leistungen der betrieblichen Unterhaltung. Letztlich müssen wir die Verfüg-barkeit der Straße sicherstellen. Dies geschieht entsprechend detailliert definierter Ser-vice Levels für die Einzelleistungen der vorgenannten Leistungsbereiche. Bei Nichteinhal-tung der in den Service-Level-Agreements vorgegebenen Reaktionszeiten werden wir mitAbzügen bei unserer Vergütung bestraft.

Im Rahmen der baulichen Erhaltung sind wir für Instandhaltung, Instandsetzung, Erneu-erung, aber auch für die Straßenzustandskontrolle zuständig. Die Straßenzustands-

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Erste Erfahrungen mit demPPP-Projekt Harsewinkel

Dr. Marion Henschel-BätzGeschäftsführerin der HERMANN KIRCHNER Projektgesellschaft mbH,stellv. Vorsitzende des Arbeitskreises „Private Finanzierung“des Hauptverbandes

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gen ließen sich in diesem Bereich keine zusätzlichen Ideen zur Optimierung der Referenz-planung umsetzen.

Alles andere ist an diesem Verfahren durchweg mit „gut“ zu bewerten. Die technischeWertung bezog sich nur auf die Teile unseres Angebotes, bei denen die Bieter die Mög-lichkeit hatten, für das Projekt einen Mehrwert zu erreichen. Der Vertrag war nur an fünfvorgegebenen Stellen verhandelbar. Ein derartiges Vorgehen setzt jedoch voraus, dassder vorgelegte Vertragsentwurf dem Grunde nach akzeptabel ist und keine No gos , dasheißt keine unangemessene und einseitige Risikoverlagerung zu Lasten des Privaten vor-sieht.

Der Umfang der Risikoübernahme war bei diesem Verfahren Bestandteil der qualitativenAngebotsbewertung. Das heißt, dass die Bieter selbst entscheiden konnten, ob, und wennja, in welcher Form sie bereit sind, zusätzliche Risiken zu übernehmen. Ich halte dies füreinen guten Ansatz der dazu geführt hat, dass letztlich das wirtschaftlichste und nichtdas billigste Angebot den Zuschlag erhalten hat.

Das PPP-Projekt Harsewinkel ist ein Verfügbarkeitsmodell, bei dem der Private keine ver-gütungsrelevanten Verkehrsmengenrisiken übernommen hat. Dies führt zu einer sehr sta-bilen Einnahmenseite, die aus dem Haushalt der Stadt beglichen wird. Das erhaltungsre-levante Verkehrsmengenrisiko ist minimiert beziehungsweise eliminiert worden, indemdie Stadt Harsewinkel durch verbindliche Vorgabe einer höheren Bauklasse bereitszukünftige Verkehre, welche die prognostizierte Verkehrsbelastung übersteigen, antizi-piert hat. Die Einnahmeströme waren daher gut kalkulierbar und weichen nur dann vonunseren Prognosen ab, wenn wir den in den Service-Level-Agreements objektiv definier-ten Erhaltungszustand oder das darin festgeschriebene Betriebsdienstniveau nicht ein-halten.

Auch kleine Projekte werden vom Markt angenommen

Ich komme jetzt zum Vergabeverfahren. Der Projektstart in unserem Hause erfolgte mitder Vergabebekanntmachung Anfang April 2006. Immerhin 11 Unternehmen/Bieterge-meinschaften hatten sich an dem Teilnahmewettbewerb beteiligt und sich um das Pro-jekt beworben. Dies ist ein ganz deutliches Signal, dass auch kleine Projekte in dieserGrößenordnung nicht nur vom Markt wahrgenommen, sondern auch vom Markt ange-nommen werden.

Von der Vergabestelle sind im September 2006 fünf Unternehmen zur Angebotsabgabeaufgefordert worden. Nach einer Verhandlungsrunde mit allen Bietern konnten die Ange-bote noch einmal überarbeitet werden. Der Zuschlag erfolgte im Dezember 2006, so dassder Vertrag im Januar 2007 unterzeichnet werden konnte. Damit blicken wir auf einen

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kontrolle werden wir durch entsprechende Situationsanalysen zu vertraglich vorab fest-gelegten Zeitpunkten durchführen.

Zur Erfassung und Bewertung des Oberflächenzustandes ist die ZTV-Mt ZEB als tech-nisches Regelwerk festgelegt. Sie gilt als Vertragsgrundlage für Wertgrenzen und ent-sprechende Maßnahmen festgelegt, um diese Zustände einzuhalten. Die Rückgabe derStrecke nach 30 Jahren erfolgt nach einem bereits heute in der Leistungsbeschreibunganhand der ZTV-Mt ZEB definierten und messbaren Zustands.

Neben unseren Hauptpflichten Planung, Bau, betriebliche und bauliche Unterhaltungbeziehungsweise Erhaltung, haben wir auch ein ganzes Bündel von Nebenpflichten über-nommen. Hierzu gehört zum Beispiel die Duldung von Sondernutzungen oder die Anbin-dung weiterer Straßen, wofür entsprechende Klauseln bereits im Vertrag vorgesehensind.

Technische Leistungsbeschreibung elementarer Bestandteil

Elementarer Bestandteil der Vergabeunterlage war neben der technischen Leistungsbe-schreibung der Projektvertragsentwurf. Dieser sah bereits in der ersten Fassung gute undfaire partnerschaftliche Regelungen vor. Zum Beispiel zum Zustand der Projektstrecke, zuder von der Kommune präferierten Risikoverteilung, zur Verkehrssicherungspflicht, aberauch zu den diversen Schnittstellen, die ein derartiges Vorhaben mit sich bringt.

Die Anbindung von Kreisverkehren und Bahnübergängen, die zukünftige Anbindung wei-terer Straßen oder Leistungen im Zusammenhang mit Versorgungsleitungen sind austechnischer Sicht leicht umzusetzen. Der Jurist tut sich hingegen etwas schwerer, derarti-ge Schnittstellen rechtssicher in Verträge zu überführen. In Harsewinkel hat man auchhier den pragmatischen Weg gewählt: statt juristisch komplizierte Formulierungen mitviel Aufwand auszuarbeiten, bedient sich der Vertrag der Sprache des Ingenieurs und ver-weist auf eindeutige Schnittstellentabellen und -pläne in der Leistungsbeschreibung. Sosind wir zum Beispiel lediglich für die Kabeltrassen zuständig, während die Verlegung derKabel direkt durch die Kommune erfolgt beziehungsweise durch die entsprechenden Ver-sorgungsträger. Auch die seitens der Stadt gewünschten Sicherheiten waren eindeutigund abschließend klar benannt. Die Bieter wussten daher früh, was der Kunde wünschtund worauf die Stadt im Vergabeverfahren besonderen Wert legt.

Insgesamt fiel und fällt unsere Bewertung der Vergabeunterlage für dieses Projekt sehrpositiv aus. Die einzige Einschränkung, die hier zu erwähnen ist, liegt im Bereich der Refe-renzplanung. Der Stadt Harsewinkel war es wichtig, erstmalig bei einem PPP-ProjektGVFG-Mittel einzubeziehen. Dies hat letztlich zu einer Einschränkung des Innovationspo-tenzials im Bereich des Streckenbaus geführt. Auf Grund der strengen Förderbedingun-

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Erste Erfahrungen mit dem PPP-Projekt Harsewinkel

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hensweise vermeiden wir unnötige Schnittstellen und stellen die Fertigstellung und Ver-kehrsfreigabe zum 30.11.2007 sicher.

Im engen Zusammenhang mit Bauablauf und Fertigstellung steht die Finanzierung. Durcheine flexible Tilgungsstruktur in der Endfinanzierungsphase ist es uns gelungen, bereitszugesagte GVFG-Mittel, die erst nach Baufertigstellung bereitgestellt werden, in unserTilgungsprofil einzuarbeiten. Das Zinsänderungsrisiko liegt während der Bauphase beider Kommune. Das sichert uns und dem Auftraggeber Flexibilität. Diese Flexibilitätkommt zum einen unserem Bauablauf zugute. Zum anderen profitiert die Stadt davon,indem sie bei vorzeitiger Fertigstellung die Zwischenfinanzierung zu einem früheren Zeit-punkt in die Endfinanzierung übertragen und auf diese Weise die Gesamtfinanzierungs-kosten reduzieren kann. Unser Finanzierungskonzept ist ein Teilforfaitierungsmodell mitEinredeverzicht. Es ist sicherlich unumstritten, dass ein Projekt in dieser Größenordnungausschließlich als Forfaitierungsmodell mit Einredeverzicht strukturiert werden kann. DieAnwendung dieses Finanzierungsmodells ist im Übrigen ein wesentlicher Bestandteiljeder mittelstandsfreundlichen Gestaltung von PPP-Projekten.

Unser Fazit zu dem Projekt in Harsewinkel: Neben einer eindeutigen, abschließenden undweitestgehend auch widerspruchsfreien Leistungsbeschreibung wurde ein klares Ver-tragsmodell vorgegeben. So wussten wir, was der Kunde wünscht, inklusive klarer Anga-ben und Forderungen zur Art der Finanzierung. Die sehr stringente eindeutige Bewer-tungsmatrix mit nachvollziehbaren Bewertungskriterien ermöglichte den Bietern, ihreAngebote nach den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden zu erstellen.

Positive Erfahrung mit Rechentool zur Angebotsabfrage

Eine ebenfalls positive Erfahrung haben wir mit der Vorgabe eines Rechentools zur Ange-botsabfrage gemacht, welches den Bietern mit der Vergabeunterlage zur Verfügunggestellt wurde. Dieses Instrument bietet für beide Seiten deutliche Vorteile: Die Stadt undihre Berater erkennen anhand der einheitlichen Berechnungsmethodik sehr schnell dasAngebot mit dem geringsten Barwert und können selbst Anpassungen vornehmen undderen Wirkungen analysieren. Dem Bieter erspart dieses Tool die Erstellung eines eigenenFinancial Modells. Aus Sicht des Gesamtverfahrens werden Transaktionskosten gesenkt.Wie bereits erwähnt gab es partnerschaftliche Vertragsentwürfe, inklusive einer ange-messenen und fairen Risikoverteilung – und es wurde ein verbindlicher Zeitrahmen vor-gegeben, der auch eingehalten wurde.

Bei Beachtung und Einhaltung dieser sechs Erfolgskriterien werden so genannte kleinePPP-Projekte zukünftig große Chancen am Markt haben, „mittlere“ Projekte ihre Effi-zienz steigern und große PPP-Projekte mit weniger Nachprüfungsverfahren auskommen.

Mein Fazit: PPP-Harsewinkel – ein kleines Projekt mit ganz großer Aufmerksamkeit.

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sehr straffen und schlanken Zeitplan von insgesamt neun Monaten zurück, der beispiel-haft für andere Projekte dieser Größenordnung sein sollte. Direkt nach der Vertragsunter-zeichnung haben wir im Februar dieses Jahres mit den Rodungsarbeiten begonnen; Ver-kehrsfreigabe ist schließlich am Ende dieses Jahres geplant.

Lassen wir die Bewertung des Vergabeverfahrens mit dem Teilnahmewettbewerb begin-nen, so lässt sich festhalten, dass der Appetit auf das Projekt durch den extrem hoch for-malisierten Teilnahmewettbewerb im Vorfeld geschmälert wurde. Die Anforderungen ent-sprachen in weiten Teilen denen des A-Modells.

Gleichwohl ist bei diesem Projekt schon im Teilnahmewettbewerb auf die projektbezoge-ne Vergleichbarkeit der Referenzen abgezielt worden. Hier ging es nicht darum Erfahrun-gen im Betrieb und in der Unterhaltung von großen Autobahnprojekten nachzuweisen,sondern um die projektbezogene technische Vergleichbarkeit. Konkret waren dies Refe-renzen im kommunalen Straßenbau, wodurch dieses Projekt an den Mittelstand und auchan den lokalen Mittelstand adressiert war.

Die Beschränkung des Bieterkreises von zunächst 11 Bewerbern auf 5 Bieter stellt eineunabdingbare Voraussetzung dar, damit bei den Bietern der Aufwand bei der Angebots-bearbeitung und die Zuschlagswahrscheinlichkeit in einem angemessenen Verhältnis ste-hen. Ausschreibungen im Offenen Verfahren können weder für Auftraggeber noch ausBietersicht eine Alternative zum in Harsewinkel erfolgreich durchgeführten Verhand-lungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb sein.

Weiterhin positiv hervorzuheben ist, dass es lediglich eine Verhandlungsrunde mit allenBietern gab. Dies ist zeitlich nur dann möglich, wenn die Verhandlungen auf einem vorabdefinierten und wirklich nur in wenigen Punkten verhandelbaren Projektvertrag aufbauen.

Gestatten sie mir abschließend noch einige Anmerkungen zur Projektumsetzung. Wirhaben, wie allgemein üblich bei derartigen Projekten zur Abwicklung eine Projektgesell-schaft gegründet, die mit Eigen- und Fremdkapital ausgestattet ist. Die KIRCHNER PPPService GmbH hat als Totalunternehmer weitere Unternehmen aus der KIRCHNER Unter-nehmensgruppe mit der bauseitigen Ausführung beauftragt. Mit Straßen. NRW als Betrei-berin bedienen wir uns eines Straßenbetriebsdienstleisters, der bereits am Markt und inder Region verankert ist. Mit Hilfe dieses kompetenten und leistungsfähigen Partners, derauch im angrenzenden Straßennetz tätig ist, stellen wir sicher, dass die kurzen Reaktions-zeiten im Rahmen der Service-Level-Agreements eingehalten werden.

Bei der Bauausführung setzen wir bei diesem Projekt auf eine sehr hohe Eigenleistungs-quote und erbringen die Leistungen weitestgehend im eigenen Haus. So werden wir auchbei dem wichtigen Gewerk Oberbau keine Fremdvergabe vornehmen. Durch diese Vorge-

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Erste Erfahrungen mit dem PPP-Projekt Harsewinkel

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Das Straßennetz im Kreis Dithmarschen (einschließlich der Kreisstraßen) wird seit ca.neun Jahren durch den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein (LBV SH) bewirtschaftet. Anlässlich der anstehenden Vertragverlängerung zumEnde des Jahres 2006 erwog der Kreis die Einbindung privater Partner in die Bewirtschaf-tung seines Kreisstraßennetzes zu prüfen.

Nachdem zunächst der direkte Einstieg in die Entwicklung eines Konzeptes bei gleichzei-tiger Erstellung einer vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung – im Rahmen einesLandes-Pilotprojektes – angedacht war, haben sich die Parteien darauf verständigt, ineinem ersten Schritt eine Voruntersuchung in Gang zu setzen.

Diese Voruntersuchung verfolgte das Ziel, auf Basis einer Grundlagenermittlung die mög-liche Realisierung eines ÖPP-Modells für Kreis- und Landesstraßen im Wege eines struk-turierten Prozesses sukzessive voran zu entwickeln. Dabei galt es insbesondere für dasweitere Verfahren eine Struktur aufzusetzen, die die unterschiedlichen Interessenlagender involvierten Parteien angemessen reflektiert bzw. im Sinne der verfolgten Zielsetzungkanalisiert.

Ein wichtiger Baustein der Entwicklungsarbeiten bestand darin, dass sich der Kreis undder LBV SH – parallel zur angelaufenen Voruntersuchung – darauf verständigt haben, denBewirtschaftungsvertrag zunächst in vollem Umfang zu verlängern mit der Option, die-sen Vertrag für ein mögliches ÖPP-Modell zu öffnen. Dadurch konnten das Vorgehen inzeitlicher Hinsicht „entschärft“ und damit eine sorgfältige Analyse und Projektvorberei-tung sichergestellt werden, ohne die ein derart anspruchsvolles Vorhaben nicht erfolg-reich implementiert werden kann.

Für die Voruntersuchung wurde ein für dieses Stadium der Projektentwicklung tragfähi-ger Auftragsumfang entwickelt, der sich – neben einer Bestandsaufnahme hinsichtlichdes Zustandes und der Strukturen im vorhandenen Netz – auf das Aufzeigen möglicherEffizienzpotentiale durch eine „Öffentlich-Private Partnerschaft“ (ÖPP) in qualitativerHinsicht beschränken sollte. Das zu entwickelnde ÖPP-Modell war allein auf eine Effi-zienz steigernde Straßenunterhaltung zu richten – ohne Einbezug von Neubau- odergrundhaften Erneuerungsmaßnahmen. Ein mögliches Organisationsmodell sollte diezukunftsorientierte Ausrichtung des LBV SH insgesamt berücksichtigen und möglichstjegliche negative Auswirkungen auf die bestehenden Strukturen vermeiden (kein Entste-hen „unwirtschaftlicher Rest- oder Doppelstrukturen“).

Das ÖPP-Kompetenzzentrum bei der Investitionsbank wurde im Sommer 2006 mit derDurchführung der Voruntersuchung beauftragt. Die Systematik sah vor, in einem erstenSchritt eine abschnittsweise Bestandserfassung im Netz vorzunehmen sowie darausabgeleitet eine optimierte Erhaltungsstrategie zu entwickeln. Der technische Teil derUntersuchung wurde durch die Firma Schüßler Plan Ingenieurgesellschaft vorgenommen.Zielsetzung dabei war es, zum einen die Homogenität einzelner Teilnetze hinsichtlich desZustandes zu analysieren und zum anderen eine grobe Einschätzung in Bezug auf den

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Herausforderungen füröffentliche und private Partnerbei kommunalen ÖPP-Projektenim Straßenbau – Ergebnisse derVoruntersuchung Dithmarschen

Hella PrienLeitung PPP-Kompetenzzentrum,Investitionsbank Schleswig-Holstein

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Eine der wichtigsten Fragestellungen dabei wird es sein, für ein ÖPP-Erhaltungsmodelldie optimale Vertragsdauer zu definieren, die dem „Lebenszyklusansatz“ am nächstenkommt und gleichzeitig eine optimale Verteilung der Risiken zwischen öffentlicher undprivater Seite gewährleisten kann. Gleichzeitig wird es um eine Optimierung von Schnitt-stellen zwischen Betrieb und baulicher Unterhaltung gehen, die erst im Rahmen der wei-teren Projektentwicklung abschließend abgebildet werden können.

Wesentlicher Baustein der weiteren Arbeiten wird es sein, eine geeignete Modellkonstel-lation zu finden, mit der es gelingt, die Interessen des Landes und des Kreises gleicher-maßen zu berücksichtigen und insbesondere auch die Rolle des LBV SH in einem sichanschließenden Verfahren zu definieren.

Finanzierungs- und Budgetfragen, die langfristige Mittelbindung sowie die Mittelbereit-stellung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs werden darüber hinaus zu adres-sieren sein, um Lösungskonzepte im Rahmen eines Betreibermodells aufzuzeigen.

In Bezug auf die angestrebte Verlagerung von Bestandsrisiken auf Private sind verläss-liche Grundlagen zur Bewertung der Substanz zu entwickeln. Dabei geht es sowohl umdie Bewertung der Substanz zum Vertragsbeginn, aber insbesondere auch zum Vertrag-sende (Definition und Messung des „Rückgabe-Zustands“). Ein interessanter Aspektdürfte auch darin liegen, inwieweit die Hebung von Effizienzen im Betriebsdienst und auf

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erforderlichen künftigen Erhaltungsaufwand herzuleiten. Dabei wurde eine bedarfsorien-tierte Erhaltung unterstellt.

Ausgehend von der Tatsache, dass die Entwicklung einer ÖPP-Struktur für das gesamteStraßennetz im Kreis alle Beteiligten – und zwar sowohl die öffentliche als auch die pri-vate Seite – voraussichtlich vor eine zu große Herausforderung stellen dürfte, wurde dasNetz darüber hinaus hinsichtlich möglicher sinnvoller Teilnetz-Varianten untersucht.Nachdem die Bestandsanalyse keine weitgehend homogenen Zustände in zusammenhängenden Teilnetzen ergeben hatte, wurden die bestehenden Betriebsstrukturen zurwesentlichen Determinante für die zu entwickelnden Teilnetz-Optionen. Die untersuchtenTeilnetze wurden einer Bewertung unterzogen, so dass anschließend eine optimale Teil-netz-Variante herauskristallisiert werden konnte.

Hinsichtlich der in Frage kommenden Modellvarianten für eine ÖPP-Struktur wurden imWesentlichen die Vor- und Nachteile eines Vertragsmodells (Betreibermodells) gegenübereiner gesellschaftsrechtlichen Struktur (Kooperationsmodell) analysiert und bewertet.Die Verfolgung eines Kooperationsmodells wurde von beiden Seiten – Kreis und Land –letztlich verworfen. Vielmehr besteht die Intention, in der nächsten Stufe der Konzept-entwicklung einen Modellansatz zu finden, der dem eines vertraglich orientierten, ganz-heitlichen Betreibermodells, wie wir es im Hochbau kennen, möglichst nahe kommt.

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Herausforderungen für öffentliche und private Partner bei kommunalenÖPP-Projekten im Straßenbau – Ergebnisse der Voruntersuchung Dithmarschen

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Herausforderungen für öffentliche und private Partner bei kommunalenÖPP-Projekten im Straßenbau – Ergebnisse der Voruntersuchung Dithmarschen

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Basis der Erhaltungsstrategie sich hinreichend erweisen werden, um ein ÖPP-Betreiber-modell insgesamt wirtschaftlich gestalten zu können, auch ohne größere Investitionsvo-lumina zu Beginn der Vertragslaufzeit.

Im Ergebnis hat die Voruntersuchung ergeben, dass ganzheitliche öffentlich-private Part-nerschaften ein geeignetes Instrument sein können, um die Straßenunterhaltung imKreis Ditmarschen effizienter zu gestalten und auch die Neuausrichtung des LBV SH mitzu unterstützen.

Die Zielsetzung im nächsten Schritt – dessen Ingangsetzung kurzfristig geplant ist – solldaher sein, für die bevorzugte Netzvariante ein geeignetes „Fein-Konzept“ zu entwickelnund nach detaillierter Bestandserhebung sowie Festlegung des Leistungsspektrums fürdas ÖPP-Vorhaben eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu erstellen. Die wei-teren Entwicklungsschritte sollen insbesondere auch von einer geeigneten Einbindungdes Marktes begleitet werden, um die Anforderungen der Privatwirtschaft an die Modell-strukturen möglichst frühzeitig zu berücksichtigen.

Über das ÖPP-Erhaltungsmodell Dithmarschen hinaus wird aktuell ein weiteres Vor-haben im Landesstraßenbereich auf seine ÖPP-Eignung und voraussichtliche Wirtschaft-lichkeit hin untersucht. Es handelt sich dabei um die grundhafte Erneuerung einer Landesstraße auf etwa 30 km Länge im Norden Schleswig-Holsteins.

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Während im Bereich der Bundesfernstraßen bereits seit Mitte der 90er Jahre PPP-Lösun-gen umgesetzt werden, gibt es bei der Realisierung von PPP-Ansätzen für kommunaleStraßen oder Landesstraßen vergleichsweise wenige Erfahrungen.

Zu den Betreibermodellen im Bundesfernstraßenbau zählen bisher die A- und F-Modelle.Ende April 2007 konnte das erste Vergabeverfahren für ein A-Modell-Pilotprojekt auf derA8 in Bayern erfolgreich abgeschlossen werden. Die übrigen Vergabeverfahren für diePilotprojekte A4 in Thüringen, A1 in Niedersachsen und A5 in Baden-Württemberg ver-laufen planmäßig.

Mit der Warnowquerung in Rostock und dem Herrentunnel in Lübeck konnten bisherlediglich zwei F-Modelle realisiert werden. Daher kann man heute feststellen, dass sichdie Erwartungen der Beteiligten aus Politik und Wirtschaft an das 1994 verabschiedeteFernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPriFinG) bisher zumindest noch nichterfüllt haben.

Im Bereich der Kommunal- und Landesstraßen werden derzeit einige PPP-Projekte vorbe-reitet, von einer Entwicklung wie im Hochbau ist man aber noch weit entfernt.

Um die Entwicklung und den Einsatz von PPP-Modellen im Sektor Straße auf unter-schiedlichen staatlichen Ebenen zu fördern, wird das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung (BMVBS) künftig auch im Bereich der kommunalen Straßen ausge-wählte PPP-Vorhaben als Pilotprojekte des Bundes unterstützen. Diese Pilotvorhabenwerden durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) und die PPP Task Force des Bundes gefördert und begleitet. Die VIFG hat mit allen Bewerbern für

das Pilotprojekt eine Netzwerkpartnerschaft initiiert, in der die in den Projekten auftre-tenden Fragestellungen gemeinsam diskutiert und Lösungsansätze für die Optimierungvon laufenden und künftigen PPP-Projekten erarbeitet werden. Die so gewonnenenErkenntnisse werden von der PPP Task Force über das PPP Kompetenznetzwerk sowie vonder VIFG und den beteiligten Kommunen direkt zur Verfügung gestellt.

Unser Verständnis von Verfügbarkeitsmodellen

Im Rahmen von PPP-Modellen existieren unterschiedliche Vergütungsmechanismen,wobei nutzungsbasierte und leistungsbasierte Entgeltmodelle unterschieden werdenkönnen. Neben den nutzungsbasierten Nutzermaut- und Schattenmautmodellen hat sichdas leistungsbasierte Verfügbarkeitsmodell international etabliert.

Bei reinen Nutzermautmodellen erhält der private Konzessionär keine Vergütung (abge-sehen von einer etwaigen Anschubfinanzierung) vom Konzessionsgeber, sondern istberechtigt, eine Maut direkt von den Nutzern der Straße zu erheben. Der Konzessions-nehmer trägt bei diesem Modell weit reichende Verkehrs- und Erlösrisiken. Daneben trägtder Konzessionsnehmer auch das Mauterfassungsrisiko, d.h. die Höhe der Mauteinnah-men variiert mit der Zuverlässigkeit der Mauterfassung.

Im Gegensatz dazu ist der Konzessionsnehmer bei Schattenmautmodellen nicht berech-tigt, die Nutzer direkt zu bemauten. Vielmehr erhält er vom Konzessionsgeber, also deröffentlichen Hand, für jeden Nutzer der Straße einen vertraglich vereinbarten Betrag,welcher je nach gewählter Gebührenstruktur zwischen verschiedenen Nutzerklassenund/oder Nutzungszeiten variieren kann. Als Folge trägt der Konzessionsnehmer zwarauch bei diesem Modell das Verkehrsmengenrisiko, aber sowohl das Mauterfassungs- alsauch das Mauthöhenrisiko werden vom Konzessionsgeber getragen.

Verfügbarkeitsmodelle unterscheiden sich strukturell von den nutzungsbasierten Nutzer-maut- und Schattenmautmodellen dadurch, dass die Kalkulationsbasis für die Vergütunghier nicht (direkt) von der Verkehrsmenge abhängt. Vielmehr liegt diesen Modellen dasPrinzip zugrunde, dass die Bereitstellung eines Straßenabschnitts in einer festgelegtenQualität zu erfolgen hat. Als Kriterien für die Bemessung der Verfügbarkeit im Straßen-sektor können beispielsweise die Nutzbarkeit der Strecke (Befahrbarkeit der Strecke bzw.einzelner Fahrstreifen) oder die Qualität der Strecke (physische Beschaffenheit der Stre-cke) herangezogen werden. Der Konzessionsnehmer trägt bei diesen Modellen somit ins-besondere das Ausfall- und Kalkulationsrisiko, während das Verkehrsmengenrisiko imWesentlichen beim Konzessionsgeber verbleibt.

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PPP-Ansätze im Bereich derBundesfernstraßen und beiKommunal- und Landesstraßen

Torsten R. BögerGeschäftsführer VIFG Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH

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in welchem Umfang der Private die Projektziele der öffentlichen Hand erreicht. Hierfürsollte sich die Vergütung weitestgehend in Abhängigkeit von den Leistungen des Priva-ten ergeben, die er auch direkt beeinflussen kann.

Ausgestaltungsvarianten von Verfügbarkeitsmodellen

Ausgehend von unterschiedlichen Bedarfssituationen können die Ziele der öffentlichenHand durch verschiedene Modelle erfüllt werden. Im Vordergrund steht dabei jedoch dieFrage nach der wirtschaftlichsten Projektausgestaltung, d.h. der Maximierung der Leis-tung bei gegebenem Mitteleinsatz. Aufgrund eines weitgehend ausgebauten Netzes undeinem gleichzeitig überproportionalen Anstieg des Erhaltungs- und Unterhaltungsbedarfsrücken auch in Deutschland Verfügbarkeitsmodelle zunehmend in den Fokus, wobei die-se unterschiedlich ausgestaltet werden können.

Die Wahl einer Vergütungsstruktur mit einem Verfügbarkeitsentgelt stellt aus Sicht deröffentlichen Hand eine Entscheidung über die Ausgabenseite dar. Verfügbarkeitsentgelteführen nicht wie bei Mautmodellen zu höheren Einnahmen und wirken isoliert betrach-tet nicht unmittelbar haushaltsentlastend. Erst wenn Effizienzgewinne tatsächlich reali-siert werden, wirken diese auch haushaltsentlastend. Der private Partner richtet sich beiseiner Wahl der Finanzierungsform nach der Projektstruktur, d.h. bei einem relativ gerin-gen Neubauanteil in einem Projekt tritt die Frage der Finanzierung in den Hintergrund.Die Entscheidung bezüglich der Finanzierungsform des Privaten hat über die Finanzie-rungskosten direkte Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Projekts.

Als übliche Bezugsgrößen für Verfügbarkeitsmodelle wurden bereits die Nutzbarkeit undder Straßenzustand genannt. Beide Bezugsgrößen können auch miteinander kombiniertwerden. Zwischen den Vertragsparteien wird ein Referenzwert für die Verfügbarkeit derStrecke festgelegt. An dem Erreichen des Referenzwertes orientiert sich die Vergütungund kann bei Über- oder Unterschreiten zu erhöhten bzw. geminderten Zahlungen füh-ren. Der Betreiber erhält somit einen Anreiz, etwaige Instandhaltungsarbeiten zügig undzeitnah durchzuführen, Unfallstellen schnell zu beseitigen und wartungsarme Materialienbeim Bau einzusetzen. Zudem kann die Auszahlungsquote für einzelne Vergütungsele-mente im Projektverlauf sukzessive angehoben werden, um einen Anreiz zu einer verzö-gerungsfreien Fertigstellung zu schaffen.

Für bestimmte Bedürfnisse können Verfügbarkeitsentgelte auch mit anderen Vergütungs-elementen kombiniert werden. Beispielsweise lässt sich durch Hinzunahme eines Schat-tenmautanteils „indirekt“ das Verkehrsmengenrisiko berücksichtigen, welches beim Ver-fügbarkeitsmodell aufgrund einer höheren Abnutzung durch einen unerwartet hohenAnteil an Schwerlastverkehr entstehen kann. Auch Einmalzahlungen zur Entlastung der

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Trotz dieser grundsätzlich unterschiedlichen Vergütungsansätze beinhalten auch die Nut-zermaut- und Schattenmautmodelle ein gewisses Verfügbarkeitsrisiko, da sich Einschrän-kungen bei der Befahrbarkeit auf die Höhe der Einnahmen auswirken.

Im Rahmen der leistungsbasierten Entgeltmodelle sind zudem die Active Management-Modelle zu nennen. Bei diesen Modellen erfolgt die Vergütung nach vereinbarten Leis-tungen des Konzessionsnehmers, beispielsweise in Bezug auf den Verkehrsfluss und dieVerkehrssicherheit. Die Vergütung ergibt sich hierbei aus der relativen Häufigkeit vonStaus bzw. Unfällen, wobei die Konzessionsstrecke mit Benchmarks aus dem übrigenStraßennetz verglichen wird. Der Konzessionsnehmer trägt somit insbesondere das Aus-fall- und Qualitätsrisiko.

Wie bei Verfügbarkeitsmodellen sind auch bei Active Management-Modellen viele unter-schiedliche Ausgestaltungsvarianten denkbar. Einen Überblick über die beschriebenenvier PPP-Modelle gibt folgende Abbildung:

Klassifizierung PPP-Modelle

Vergütungsmechanismen bei PPP-Projekten sollen zu einer Zielkongruenz zwischenöffentlichem und privatem Partner führen und gleichzeitig einen Leistungsanreiz für denprivaten Partner bieten. Die Höhe der Vergütung des Privaten sollte davon abhängig sein,

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PPP-Ansätze im Bereich der Bundesfernstraßen und bei Kommunal- und Landesstraßen

PPP-Lösungen

Nutzermaut (Strecke)

Der PPP-Partner erhält das Recht, von allen Nutzern eine direkte Maut (Gebühr oder Ent- gelt) zu erheben und seine Investi-tion so zu refinan-zieren.

Verkehrs- undErlösrisikoZ

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Schattenmaut

Der PPP-Partner erhält vom Konzes-sionsgeber eine Zahlung für jeden Nutzer.

Verkehrsrisiko

Verfügbarkeitsentgelt

Vergütung abhän-gig von definierter Verfügbarkeit (z.B. 95%)

Ausfall- und Kalkulationsrisiko

Active Management

Vergütung ab-hängig von den Leistungen des Konzessionärs (z.B. Stauzeiten, Sicherheit auf der Strecke)

Ausfall- und Qualitätsrisiko

Vergleichbarer Leistungsumfang

Der PPP-Partnererhält das Recht,von allen Nutzern eine direkte Maut(Gebühr oder Ent- gelt) zu erheben und seine Investi-tion so zu refinan-zieren.

Der PPP-Partnererhält vom Konzes-sionsgeber eine Zahlung für jeden Nutzer.

Vergütung abhän-gig von definierterVerfügbarkeit(z.B. 95%)

Vergütung ab-hängig von denLeistungen des Konzessionärs (z.B. Stauzeiten, Sicherheit auf der Strecke)

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Finanzierungsstruktur können eine sinnvolle Ergänzung zu Verfügbarkeitsentgelten dar-stellen. Häufig wird hierfür die Beendigung bestimmter Phasen des Projekts gewählt. Die-se Zeitpunkte stellen sog. Meilensteine, wie z.B. die Baufertigstellung, dar. Im Sinne einesActive Management-Modells können auch durch leistungs- und sicherheitsabhängigeVergütungselemente zusätzliche Anreize für den Privaten gesetzt werden. Für die öffent-liche Hand ergibt sich hierdurch die Möglichkeit, strategische (verkehrspolitische) Pro-jektziele direkt in den Vergütungsmechanismus einzubringen. Komponenten sind bei-spielsweise der Verkehrsfluss (Reduzierung der Stauzeiten) und die Verkehrssicherheit(Senkung der Unfallhäufigkeit).

Der Vergütungsmechanismus kann ebenfalls auf unterschiedliche Weise eingerichtet wer-den. Sperrungen der Strecke können je nach Tageszeit, Wochentag oder Jahreszeit unter-schiedlich gewichtet und mit einem „Sperrzeitenkonto“, welches periodisch ausge-glichen werden kann, verknüpft werden. Ebenso können Malus-Punkte je nach Verstoßgegen vertragliche Vorgaben vergeben werden und bei Überschreiten eines bestimmtenSchwellenwertes zu entsprechenden Abzügen führen.

Insgesamt bieten Verfügbarkeitsmodelle viele Ausgestaltungsoptionen. Im Rahmen einerprojektindividuellen Geschäftsmodellentwicklung ist eine Kombination dieser Ausgestal-tungsvarianten anzustreben, die eine möglichst wirtschaftliche Erreichung der Projekt-ziele des Auftraggebers ermöglicht. Die einzelnen Modelle und Modellfamilien solltendaher nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern flexibel und bedarfsorien-tiert miteinander kombiniert werden.

Vorteile beim Einsatz von PPP-Modellen im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur

Vorhaben im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur, welche durch die öffentliche Handauf dem konventionellen Wege beschafft werden, sind grundsätzlich abhängig von derMittelverfügbarkeit im Haushalt. Dabei können die zur Verfügung stehenden Mittel fürAusbau und Erhaltung der Straßeninfrastruktur im zeitlichen Verlauf stark variieren.Dagegen wird bei PPP-Projekten durch die vertragliche Vereinbarung mit einem privatenPartner die Verlässlichkeit der Straßeninfrastrukturpolitik sowohl aus qualitativer als auchaus fiskalischer Sicht gesteigert. Die bei PPP-Projekten transparente und verbindlicheAbbildung der Zahlungsströme ermöglicht in diesem Zusammenhang eine langfristigeInvestitions- und Erhaltungsstrategie für die gesamte Projektlaufzeit unabhängig von derjeweiligen Haushaltssituation.

Die Durchführung von PPP-Modellen kann in bestimmten Fällen auch einen Beitrag zurVerwaltungsmodernisierung leisten. Im Rahmen der Planung eines PPP-Modells muss

sich der Projektträger kritisch mit der Fragestellung auseinandersetzen, welche Aufgabenzwingend von der öffentlichen Hand zu erbringen sind und welche Leistungen vonMarktteilnehmern eingekauft werden können. Über die Ausschreibung von PPP-Projek-ten erhält die öffentliche Hand zudem einen tieferen Einblick in privatwirtschaftliche Kos-tenstrukturen. Lerneffekte hieraus können jeweils auch für andere Sektoren der Verwal-tung genutzt werden.

Die Zahlungen bei PPP-Projekten erfolgen am Lebenszyklus orientiert entsprechend lang-fristig und regelmäßig. Dagegen sind bei der konventionellen Beschaffung insbesonderein den frühen Jahren deutlich höhere Ausgaben notwendig. Dies gilt umso mehr, je grö-ßer der Neubau- oder der kurzfristige Erhaltungsbedarf ist. Der Verzicht auf kurzfristignotwendige Erhaltungsmaßnahmen aufgrund knapper Mittel kann langfristig zu einemAnstieg der Erhaltungskosten führen, so dass ein Zurückstellen von Maßnamen als infras-trukturpolitisch kritisch und als eindeutig unwirtschaftlich zu sehen sind. Vor diesemHintergrund können PPP-Ansätze zu einer zeitnahen Durchführung von Neubau- undErhaltungsmaßnahmen führen, während die entsprechenden Ausgaben über die Ver-tragslaufzeit gestreckt werden.

Im Bereich der Bundesfernstraßen haben die Verfügbarkeitsmodelle bislang noch keineAnwendung gefunden. Bei kommunalen Projekten scheinen diese Vergütungsmechanis-men allerdings derzeit die einzig praktikable Lösung zu sein. Dies ist insbesondere aufden Netzzusammenhang von Projekten auf kommunaler Ebene zurückzuführen. Zudemwerden die Rechte der Nutzer nicht berührt, so dass einer Vergütung nach Verfügbarkeits-kriterien keine gesetzlichen Restriktionen entgegenstehen.

Somit ist im kommunalen Bereich eine kurzfristige Umsetzung von Verfügbarkeitsmodel-len denkbar, sofern hiermit aus Sicht des Projektträgers die spezifischen Projektzieleerreicht werden können.

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PPP-Ansätze im Bereich der Bundesfernstraßen und bei Kommunal- und Landesstraßen