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Lösungen zur Kompetenzen-Seite Neurobiologie Bewegungskontrolle Seite 1 von 2 © 2010 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. Auch bei Willkürbewegungen können, während das Bewegungsprogramm abläuft, un- vorhergesehene Abweichungen auftreten: Der Fuß kann beispielsweise wegen einer Boden- unebenheit umknicken. Daraufhin werden Reflexe aktiviert, die sehr schnell eine Korrektur der Bewegungsrichtung veranlassen. So wird verhindert, dass man aus dem Gleichgewicht gerät und stürzt. Ebenso verhindern Reflexe die ungewollte Überdehnung einzelner Muskeln. Vergleich Reflexbewegung Reflexion von Licht an einem Spiegel: Licht, das auf einen Spiegel fällt, erzeugt immer und in vorhersagbarer Weise eine Reflexion, ein Spiegelbild. Das Spiegelbild lässt sich also schon vorhersagen, wenn man nur das einfallende Licht (bzw. den Gegenstand, von dem es kommt) und den Einfallswinkel kennt. In ähnlicher Weise sind Re- flexe stereotype Reaktionen auf einen Reiz. Diese Reaktion erfolgt zumindest bei Eigenre- flexen immer, in vorhersagbarer Weise und fast so unverzüglich wie die Lichtreflexion. Aus der Art des Reizes lässt sich bereits die Reaktion vorhersagen. Monosynaptische Reflexe sind auch durch Lernprozesse nicht beeinflussbar. Bei Fremdreflexen ist der Vergleich mit einem Spiegel dagegen weniger einleuchtend. Hier sind Interneurone im Reflexbogen zwischenge- schaltet, die eine flexible Antwort auf den gleichen Reiz ermöglichen. So sind Fremdreflexe im Gegensatz zu Eigenreflexen beispielsweise ermüdbar. Sie bilden die Grundlage einfacher Lernformen wie der klassischen Konditionierung. Man kann beobachten, dass der Arm der Versuchsperson kurz absinkt, sobald das zweite Buch aufgelegt wird. Gleich darauf wird aber die vorherige Armposition wieder eingenom- men. Wird das zweite Buch auf die Hand der Versuchsperson gelegt, nimmt die Last auf den Unterarm zu, sodass er etwas absinkt und der Beuger im Oberarm passiv gedehnt wird. Die Dehnung erfasst natürlich auch die Muskelspindeln im Arm. Werden sie passiv gedehnt, erhöht sich die Impulsfrequenz der 1a-afferenten Fasern. Diese sensorischen Fasern aktivieren dann die α-Motoneurone im Beuger, sodass der Muskeltonus steigt. Die Muskelspannung wird so lange erhöht, bis der Muskel die Länge erreicht hat, die er vor Auflegen des zweiten Buchs hatte. Damit ist der Sollwert der Muskellänge wieder erreicht. Das Kleinhirn spielt eine wichtige Rolle bei Planung und Kontrolle von Willkürbewe- gungen ( Seite 214 im Lehrbuch). Es ist unter anderem an der Entwicklung eines detaillier- ten Bewegungsplans beteiligt. Ist das Kleinhirn durch Alkohol beeinträchtigt, könnte bereits der Bewegungsplan ungenau sein. Außerdem kontrolliert das Kleinhirn während der Ausfüh- rung einer Bewegung, ob Abweichungen vom Plan auftreten. Wenn ja, korrigiert es diese Fehler. Daher spielt es eine große Rolle bei der Auge-Hand-Koordination. Das Kleinhirn steuert darüber hinaus alle Ausgleichsbewegungen, die dazu dienen, das Gleichgewicht zu halten. Werden diese Funktionen durch Alkoholeinfluss gestört, sind genau die im Aufgaben- text beschriebenen Symptome zu erwarten: unpräzise, schwankende Bewegungen, die oft über das Ziel hinausschießen, weil die Erfolgskontrolle durch das Kleinhirn nicht mehr aus- reichend schnell erfolgt. Die Symptome des Parkinson-Syndroms können dem Verhalten eines Betrunkenen ähneln – besonders hinsichtlich der Bewegungsabläufe –, obwohl das Kleinhirn in diesem Fall nicht beeinträchtigt ist. Bei dem Syndrom ist die Funktion der Basalganglien gestört, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung und Kontrolle von Willkürbewegungen haben. Deshalb führt die Krankheit zu ähnlichen Symptomen wie Trunkenheit. Dem Abschnitt zu Chorea Huntington ( Seite 128 im Lehrbuch) ist zu entnehmen, dass auch bei dieser Erbkrankheit Nervenzellen in den Basalganglien absterben. Weil die Basal- ganglien kein Teil der Pyramidenbahn sind, führt ihr Ausfall nicht zu Lähmungserschei- nungen. Es geht jedoch die Kontrolle über die Bewegungen teilweise verloren.

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Auch bei Willkürbewegungen können, während das Bewegungsprogramm abläuft, un-vorhergesehene Abweichungen auftreten: Der Fuß kann beispielsweise wegen einer Boden-unebenheit umknicken. Daraufhin werden Reflexe aktiviert, die sehr schnell eine Korrektur der Bewegungsrichtung veranlassen. So wird verhindert, dass man aus dem Gleichgewicht gerät und stürzt. Ebenso verhindern Reflexe die ungewollte Überdehnung einzelner Muskeln.

Vergleich Reflexbewegung – Reflexion von Licht an einem Spiegel: Licht, das auf einen Spiegel fällt, erzeugt immer und in vorhersagbarer Weise eine Reflexion, ein Spiegelbild. Das Spiegelbild lässt sich also schon vorhersagen, wenn man nur das einfallende Licht (bzw. den Gegenstand, von dem es kommt) und den Einfallswinkel kennt. In ähnlicher Weise sind Re-flexe stereotype Reaktionen auf einen Reiz. Diese Reaktion erfolgt zumindest bei Eigenre-flexen immer, in vorhersagbarer Weise und fast so unverzüglich wie die Lichtreflexion. Aus der Art des Reizes lässt sich bereits die Reaktion vorhersagen. Monosynaptische Reflexe sind auch durch Lernprozesse nicht beeinflussbar. Bei Fremdreflexen ist der Vergleich mit einem Spiegel dagegen weniger einleuchtend. Hier sind Interneurone im Reflexbogen zwischenge-schaltet, die eine flexible Antwort auf den gleichen Reiz ermöglichen. So sind Fremdreflexe im Gegensatz zu Eigenreflexen beispielsweise ermüdbar. Sie bilden die Grundlage einfacher Lernformen wie der klassischen Konditionierung.

Man kann beobachten, dass der Arm der Versuchsperson kurz absinkt, sobald das zweite Buch aufgelegt wird. Gleich darauf wird aber die vorherige Armposition wieder eingenom-men.

Wird das zweite Buch auf die Hand der Versuchsperson gelegt, nimmt die Last auf den Unterarm zu, sodass er etwas absinkt und der Beuger im Oberarm passiv gedehnt wird. Die Dehnung erfasst natürlich auch die Muskelspindeln im Arm. Werden sie passiv gedehnt, erhöht sich die Impulsfrequenz der 1a-afferenten Fasern. Diese sensorischen Fasern aktivieren dann die α-Motoneurone im Beuger, sodass der Muskeltonus steigt. Die Muskelspannung wird so lange erhöht, bis der Muskel die Länge erreicht hat, die er vor Auflegen des zweiten Buchs hatte. Damit ist der Sollwert der Muskellänge wieder erreicht.

Das Kleinhirn spielt eine wichtige Rolle bei Planung und Kontrolle von Willkürbewe-gungen ( Seite 214 im Lehrbuch). Es ist unter anderem an der Entwicklung eines detaillier-ten Bewegungsplans beteiligt. Ist das Kleinhirn durch Alkohol beeinträchtigt, könnte bereits der Bewegungsplan ungenau sein. Außerdem kontrolliert das Kleinhirn während der Ausfüh-rung einer Bewegung, ob Abweichungen vom Plan auftreten. Wenn ja, korrigiert es diese Fehler. Daher spielt es eine große Rolle bei der Auge-Hand-Koordination. Das Kleinhirn steuert darüber hinaus alle Ausgleichsbewegungen, die dazu dienen, das Gleichgewicht zu halten. Werden diese Funktionen durch Alkoholeinfluss gestört, sind genau die im Aufgaben-text beschriebenen Symptome zu erwarten: unpräzise, schwankende Bewegungen, die oft über das Ziel hinausschießen, weil die Erfolgskontrolle durch das Kleinhirn nicht mehr aus-reichend schnell erfolgt.

Die Symptome des Parkinson-Syndroms können dem Verhalten eines Betrunkenen ähneln – besonders hinsichtlich der Bewegungsabläufe –, obwohl das Kleinhirn in diesem Fall nicht beeinträchtigt ist. Bei dem Syndrom ist die Funktion der Basalganglien gestört, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung und Kontrolle von Willkürbewegungen haben. Deshalb führt die Krankheit zu ähnlichen Symptomen wie Trunkenheit.

Dem Abschnitt zu Chorea Huntington ( Seite 128 im Lehrbuch) ist zu entnehmen, dass auch bei dieser Erbkrankheit Nervenzellen in den Basalganglien absterben. Weil die Basal-ganglien kein Teil der Pyramidenbahn sind, führt ihr Ausfall nicht zu Lähmungserschei-nungen. Es geht jedoch die Kontrolle über die Bewegungen teilweise verloren.

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Da bei Tabes dorsalis die Spinalganglien des Rückenmarks zugrunde gehen, sind vor allem afferente Nerven und darunter auch die 1a-afferenten Fasern betroffen, die aus den Muskel-spindeln ins Rückenmark ziehen. Übermitteln diese Fasern keine Informationen mehr, kann der Sollwert der Muskelspannung nicht mehr ermittelt und kontrolliert werden. Das könnte erklären, warum bei Tabes dorsalis die Muskelspannung allgemein abfällt. Die unkoordinier-ten und über das Ziel hinausschießenden Bewegungen erklären sich dadurch, dass eine Er-folgskontrolle der Bewegungsabsicht nicht mehr über die Sinnesorgane in Muskeln, Bändern und Haut erfolgen kann: Das Gehirn „weiß“ nichts mehr über die Stellung der Gliedmaßen im Raum. Es ist nur noch eine optische Erfolgskontrolle möglich. Aus genau diesem Grund ist es den Betroffenen auch nicht möglich, mit geschlossenen Augen aufrecht zu stehen. Hierfür wären sensorische Rückmeldungen über den Tonus der Haltemuskulatur und über die Stel-lung der Gliedmaßen im Raum nötig. Weil auch bei Reflexen wie dem Kniesehnenreflex Informationen über den auslösenden Reiz über afferente Nervenfasern ins Rückenmark ge-leitet werden, sind die meisten Reflexe nicht mehr auslösbar.

Willkürbewegungen sind sehr komplexe Abläufe, die sich in mehreren Phasen vollziehen. Schon in der Planungsphase, vor allem aber während das Bewegungsprogramm abläuft, kon-trollieren und korrigieren viele Instanzen des ZNS den Bewegungsablauf und dessen Über-einstimmung mit dem Bewegungsplan. Letztlich ist es gleich, welche der Kontrollinstanzen gestört sind, ob Kleinhirn, Basalganglien oder sensorische Erfolgskontrolle – in jedem Fall kommt es zu Störungen des geregelten Bewegungsablaufs.