Verkehrsproblem in Tokio - Ursachen, Folgen, Lösungen
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7/25/2019 Verkehrsproblem in Tokio - Ursachen, Folgen, Lsungen
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Tokios Stellung in Japan, Quellenlage ...............................................S. 2 2. Verkehrsproblem Tokio Ursachen, Folgen, L sungen .......................................S. 3
1. Das Verkehrsnetz Tokios ............................................................ .....................S. 3
1. Straenverkehr ........................................................................... ................S. 3
2. Schienenverkehr ....................................................................................... ..S. 4
1. Fernverkehr .................................................................................... ......S. 4
2. U-Bahnen ............................................................................................. S. 5
3. S-Bahnen ......................................................................... ....................S. 6 2. Ursachen f r das hohe Pendlerverkehrsaufkommens in Tokio .......................S. 7
1. Die Strukturen Tokios ( Zentralit t ) ......................................................... ..S. 7
1. Der Kern Tokios .................................................................. ................S. 7
2. Der Einzugsbereich der Metropole ................................... ..................S. 7
2. Suburbanisierung und die Verl ngerung der Arbeitswege .......................S. 8
1. Verteilung der Wohnbev lkerung ...................................... .................S. 8
2. Sitz der Arbeitspl tze .......................................................... ................S. 8 3. Entwicklung der Arbeitswege ............................................. ...............S. 10
3. Folgen ............................................................................................................... S. 11
1. Eingeschr nkte M glichkeiten des Verkehrs in und nach Tokio ..............S. 11
2. Qualit t des Verkehrs: Die Pendlerh lle ...............................................S. 12
3. Zeitaufwand f r die t gliche Pendelbewegung .........................................S. 14
4. L sungen .................................................................................................... ......S. 15
1. Nachfrageorientierte Verkehrspolitik und ihre Grenzen ...........................S. 15
1. Manahmen auf bestehenden Strecken ........................................ .......S. 15
2. Neu- und Ausbau von Strecken ................................................. ..........S. 16
2. Nachfragesteuernde Verkehrspolitik ..................................... ....................S. 17
3. Tokio im internationalen Vergleich .................................................. .....................S. 19
4. Literaturverzeichnis.......................................................................... ......................S. 21
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1. Tokios Stellung in Japan
Die japanische Grostadt Tokio liegt im Osten der Insel Honshu, der gr ten der vier
japanischen Hauptinseln. Durch Japans wirtschaftlichen Aufschwung und seine hohe Stellung
im Weltmarkt, gekoppelt mit einem starken Bedeutungs berschuss im Inland, gewann Tokio
auch international groe Bedeutung. Der groe Bedeutungs berschuss gegen ber dem
japanischen Umland hat eine unipolare Konzentration , also eine Konzentration aller Bereiche
des ffentlichen Lebens, auf Tokio bewirkt. Auf nationaler Ebene verdichten sich Einrichtungen
der Politik, der Bildung sowie der Wirtschaft mit einem groen Angebot an Arbeitspl tzen auf
Tokio, ebenfalls sind viele intraregionale Institutionen im Stadtzentrum Tokios vertreten. 1 Da
Tokio mit 36.769.213 Einwohnern im Ballungsraum [...] die gr te Metropolregion der Welt 2
ist, werden an die Infrastruktur groe Anspr che gestellt. Jeden Tag ist der schienengebundene
PNV zu Stozeiten hoffnungslos berlastet, auf den Straen und Stadtautobahnen ist Stau an
der Tagesordnung. Die Auslastung des Verkehrsnetzes im Groraum Tokios ist in japanischen
Studien umfangreich dokumentiert. Trotz der Aktualit t und der Bedeutung f r die
Stadtplanung ist geographische Literatur ber das weltweit leistungsst rkste PNV-Netz und
die sonstige Verkehrsinfrastruktur Tokios im deutschsprachigen Raum relativ d nn ges t, wenn
berhaupt, wird das Thema als eines unter vielen in verschiedenen Werken behandelt 3.
Deswegen wird ein groer Teil dieser Arbeit auf dem Buch Pendlerverkehr in Tokyo:
Probleme und Perspektiven von Matthias Eichhorn aufbauen. In dieser Arbeit wird die
deutsche Schreibweise 'Tokio' verwendet, nur bei Namen und Bezeichnungen, Zitaten oder
Quellenangaben wird die originale Schreibweise bernommen. Zielsetzung dieser Arbeit ist
haupts chlich die Analyse des Verkehrsaufkommens in Tokio und deren Bew ltigung durch die
verschiedenen Verkehrsmittel in geographischer und teils technischer Hinsicht; auf
Umweltbelastung und anderweitige Probleme des Verkehrsaufkommens wird nur marginal
eingegangen.
1 vgl. Eichhorn (1996), Seiten 19 f.2 Internetseite Wikipedia zum Thema Tokyo3 vgl. Eichhorn (1996), Seite 6
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2. Verkehrsproblem Tokio Ursachen, Folgen, L sungen
2.1 Das Verkehrsnetz Tokios
2.1.1 Straenverkehr
Die japanische Metropole entwickelte sich aus dem Fischerdorf Edo 4, schon 1721 war die Stadt
mit 1,1 Millionen Einwohnern doppelt so gro wie London oder Paris, die nach den
verf gbaren Zahlen ca. 500 000 Einwohner z hlten. Deshalb waren die Straen eng und
verwinkelt und bestanden aus einem Labyrinth von Sackgassen. Im Gegensatz zu anderen
groen St dten auf der Welt gab es praktisch keine moderne Stadplanung f r die sich
ndernden Bed rfnisse der Stadt 5. Die Straen waren f r den Autoverkehr v llig ungeeignet,
weswegen f r eine Modernisierung in der dicht bebauten Stadt besondere H rden berwunden
werden mussten. Zu den Olympischen Spielen 1964 in Tokio wurden strahlenf rmig vom
Stadtzentrum ausgehende Hauptstraen und Stadtautobahnen gebaut, zusammen mit acht neuen
Ringstraen. Mit dem Auto zu fahren ist teuer, was sich am Beispiel von Naoko Onue, einer
Angestellten in Tokio mit Wohnsitz in den Randbezirken, zeigt: Einerseits m sste sie, um zu
ihrem Arbeitsplatz zu pendeln, in der Innenstadt einen Parkplatz mieten, der 2001 fast 800
Mark im Monat kostete. Dazu k me die Autobahnmaut im Fall von Naoko Onue w ren dies
15 Mark pro Fahrt und andere Nebenkosten wie Benzin und Verschlei. In der Metropole
Tokio gibt es 4,5 Millionen Autos, statistisch gesehen kommen auf jedes Auto also 5 Meter
Asphalt. Deswegen gleichen die Einfallstraen nach Tokio oft gigantischen Standspuren, Stau
ist an der Tagesordnung 6. Ein groer Teil des Individualverkehrsaufkommens wird durch die
sehr beliebten Kleintransporter verursacht. Durch die engen Straen passen groe LKWs kaum,
und so hat sich ein v llig anderes Logistikverhalten entwickelt: Kleinst- und
Kleinunternehmer transportieren G
ter mit Kleintransportern, die auch privat genutzt werden.Der Freizeitverkehr spielt in Tokio keine sehr groe Rolle, da Freizeit knapp bemessen, Urlaube
kurz und teuer sind und Freizeitaktivit ten in der Natur in Japan weniger verbreitet sind als in
Europa. Deswegen sind bei den Autotypen sogenannte SUVs, die einen h heren Nutzwert
versprechen, und Trendfahrzeuge st rker vertreten. Das Auto ist noch nicht als ein so starkes
Statussymbol wie bei uns angesehen, der Trend geht aber zum Mercedes in der Garage.
Dennoch wird weiter die S-Bahn zur Arbeit genommen .7
4 vgl. Internetseite Wikipedia zum Thema Tokyo5 Internetseite Berlin.de zum Thema St dteverbindungen: Tokio6 vgl. Girschick (2001)7 vgl. Moritz (2003), Seiten 3 f.
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2.1.2 Schienenverkehr
Aufgrund der hohen Kosten f r eine Fahrt und der dauernden berlastung des Straennetzes
spielt sich der Personenverkehr in Tokio zu groen Teilen auf Schienen ab 8. Die Nutzung der
Verkehrstr ger variiert allerdings mit Quell- und Zielgebieten. Innerhalb der Randbereiche und
den Vororten nimmt das Auto eine wichtigere Stellung ein, weil mit ffentlichen
Verkehrsverbindungen entweder nicht alle Gebiete abgedeckt werden oder die Taktrate der
Verbindungen eine Mobilit t, die mit dem Auto vergleichbar w re, nicht erm glicht. Diese
Verkehrsstr me sind allerdings im Vergleich zu den Pendelbewegungen von den Vororten in die
Innenstadt sehr gering; hier werden die ffentlichen Verkehrsmittel bevorzugt. Fast 80% der
Pendler dieser Kategorie benutzten 1984 die Bahn, bei Pendlern aus anderen Pr fekturen lag
die Quote sogar bei ber 90% 9. Fahrg ste sind dabei nicht nur die, die sich kein Auto leisten
k nnen, sondern vor Allem auch Gesch ftsm nner und die sogenannten 'Office Ladies',
weibliche B roangestellte 10. Die Akzeptanz des Schienenverkehrs in Tokio ist also sehr hoch.
2.1.2.1 Fernverkehr
Im Stadtgebiet und in Japan allgemein sind verschiedene Systeme im Einsatz. Die erste
Bahnverbindung zwischen Shinagawa und Yokohama wurde am 12. Juni 1872 in t glichen
Fahrplanbetrieb genommen, dies war der erste regelm ige Personenzugverkehr in Japan 11.
Heute liegt Tokio im Zentrum eines Eisenbahnnetzes, dessen Hauptstrecken die Stadt mit ganz
Japan verbinden. Ein gut ausgebautes Nebenliniennetz verbindet das nahe Hinterland 12. Damals
entschied man sich f r Schienen mit 1067mm Spurweite, was geringere Kurvenradien und
niedrigere Baukosten erm glichte. In der bergigen Landschaft Japans war dies die
wirtschaftlichste L sung. Allerdings stie dieses System technisch an seine Grenzen, da die
Fahreigenschaften und auch die maximale Geschwindigkeit der Z ge eingeschr nkt waren.
Wegen immer st rker werdendem Verkehrsaufkommen wurde eine neue Strecke, japanisch
Shinkansen , gebaut. Shinkansen steht eigentlich f r neue Hauptstrecke, also das Gleis selbst
mit der weltweit am meisten verbreiteten Standardspur von 1435mm, was h here
Geschwindigkeiten erm glicht und die Fahreigenschaften verbessert. Der Begriff wird heute
allerdings auch f r die Z ge an sich verwendet, vergleichbar zum TGV in Frankreich und dem
ICE in Deutschland. Die Hochgeschwindigkeitsz ge Japans sind bekannt f r ihre P nktlichkeit
8 vgl. Internetseite Wikipedia zum Thema Tokyo9 vgl. Eichhorn (1996), Seite 3110 vgl. Internetseite BahnTV Online zur Reportage Mit dem Zug durch das Land der aufgehenden Sonne11 vgl. Aoki (1994)12 Internetseite Wikipedia zum Thema Tokyo
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und Schnelligkeit. Sie zeichnen sich nicht nur durch die absolute H chstgeschwindigkeit,
sondern die durchg ngig hohe Reisegeschwindigkeit aus. Zum Beispiel ben tigt der
Superexpresszug Nozomi der Tokaido-Line f r die 515,4 km lange Strecke T ky - Shin- saka
nur 2 Stunden 30 Minuten, was einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 206 km pro
Stunde entspricht, wenn man die Aufenthalte an den 4 Zwischenstopps mitrechnet. 13 Zudem ist
die P nktlichkeit der Z ge legend r, die Versp tung der Shinkansen betrug 2005
durchschnittlich s e c h s Sekunden, was vor Allem durch groen Druck auf die Lokf hrer
erreicht wird. Dieser ist f r die P nktlichkeit seines Zuges selbst verantwortlich, schon bei
geringer Versp tung ist eine Nachschulung f llig, bei der n chtelange Verh re und
Beschimpfungen genauso blich sind wie anderweitiger Psychoterror in Form von Unkraut
jten und ffentlicher Dem tigung, indem die Angeklagten an einem Bahnhof jeden
vorbeifahrenden Lokf hrer gr en m ssen. 14
2.1.2.2 U-Bahnen
Das offizielle U-Bahn-Netz in Tokio ist ca. 292 km lang und wird von zwei Gesellschaften
betrieben. Die privatisierte Tokyo Metro Co. Ltd., deren Aktien sich bis jetzt allerdings noch
komplett in Staatsbesitz befinden und erst nach Fertigstellung der Linie 13 im Jahr 2007 frei
gehandelt werden sollen 15, besitzt 183.2 km U-Bahnstrecke, und die Toei chikatetsu (jap.:
stdtisch betriebene U-Bahn), f r die das Verkehrsamt der Stadt verantwortlich ist, bef rdern
tglich zusammen ca. 7.8 Millionen Passagiere auf 12 Linien. Damit ist es eines der am meisten
benutzten U-Bahnsysteme weltweit. Durch das hohe Pendlerverkehrsaufkommen sind das
Liniennetz und die Taktzeiten sehr eng, was zu einem hohen Investitionsaufwand f hrt: Da im
Untergrund vom Tokio bereits sehr viele U-Bahnstrecken verbaut sind, m ssen neue R hren in
immer tiefere Schichten ausweichen und auch die Bahnh fe weiter in den Boden gebaut
werden .16 Dadurch verteuern sich die Baukosten erheblich, und zusammen mit den horrenden
Grundst ckspreisen in der Stadt gestalten sich Neubauten von U-Bahnstrecken als besonders
teuer. Besonders zu erw hnen ist hier die U-Bahn der Oedo-Linie. Am Bahnhof Roppongi
befindet sich 42,3m unter dem Erdboden die tiefste Stelle dieser Linie. Die Baukosten betrugen
dabei 30 Millionen Yen umgerechnet gut 190 000 Euro pro Meter! Der Tunnelquerschnitt
und somit die Wagenh he mussten m glichst gering gehalten werden, weswegen statt
gew hnlichen Elektromotoren flachere Linearmotoren eingesetzt wurden, die Z ge 'ziehen' sich
13 Internetseite Wikipedia zum Thema Shinkansen14 vgl. Fritz (2005)15 vgl. Internetseite Wikipedia zum Thema Tokyo Metro16 vgl. Eichhorn (1996), Seite 67
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an Metallplatten durch den Tunnel .17
2.1.2.3 S- und Vorortbahnen
Etwas auerhalb des Stadtzentrums verkehren S- und Vorortbahnen verschiedener Betreiber.
Die meisten Bahnlinien sind radial auf das Zentrum ausgerichtet, nur die Musashino-Linie und
die ovalf rmige Yamanote-Linie bilden Ringstrecken. Durch diese Orientierung auf das
Zentrum entsteht eine Konzentration der Unternehmen im Stadtkern. Die Vorortbahnen der
privaten Anbieter enden an der Yamanote-Linie, da der Bereich innerhalb der Yamanote-Linie
den U-Bahnen vorbehalten ist. Vergleichbar mit der autofreundlichen amerikanischen Stadt, in
der an den Ausfallstraen, auf denen die Pendler nach Feierabend in Massen nach Hause
fahren, sehr viele Gesch fte und Dienstleistungszentren zu finden sind, enstanden an den
Umsteigepunkten zwischen den Vorortbahnen und dem U-Bahn-Netz in Tokio groe
Nebenzentren mit Gesch ftsfunktionen und Vergn gungsvierteln, wie zum Beispiel Shinjuku,
Shibuya und Ikebukuro an der Westseite der Yamanote-Linie. An diesen Bahnh fen steigen
tglich Millionen von Pendlern um, weil die Bahnen von vielen verschiedenen Gesellschaften
mit unterschiedlichem Rechtsstatus betrieben werden, die in den meisten F llen, statt in einem
Verbundsystem zu agieren, in Konkurrenz miteinander stehen. Allerdings hat ein Passagier
selten zwischen zwei Linien zu entscheiden, weswegen man von einer Monopolstellung der
Gesellschaften ausgehen kann. Aus diesem Grund werden sie von den zust ndigen Beh rden
streng kontrolliert. Die negativen Auswirkungen dieses Systems sind vielseitig. Die
Verkehrsplanung und der Betrieb sind im Allgemeinen erheblich behindert, da eine
gemeinsame Planung und Organisation nicht m glich ist. Der Kunde muss, um zwei
Streckenabschnitte von verschiedenen Gesellschaften zu nutzen, bei nicht abgestimmten
Fahrpl nen umsteigen und oft noch separate Fahrscheine kaufen, was im Endeffekt die Preise
f r die komplette Route ansteigen l sst. 18 Der chaotische Zustand an den Umsteigebahnh fen
der Yamanote-Linie, an Knotenpunkten wie Shinjuku steigen in der Verkehrsspitze bis zu 500
Personen pro Sekunde (!) um, 19 hat das Verkehrsministerium ab den f nfziger Jahren dazu
bewogen, einzelne Streckenverb nde zu genehmigen ,20 was erm glichte, dass heute bei neun U-
Bahnlinien die Vorstadtz ge ohne Umstieg direkt in das U-Bahn-Netz einfahren k nnen. Somit
k nnen die Pendler direkt zu den Zielbahnh fen in der Innenstadt gebracht werden.
17 vgl. Internetseite Wikipedia zum Thema U-Bahn Tokio18 vgl. Eichhorn (1996), Seiten 32-35 inkl. Karte19 vgl. Internetseite Wikipedia zum Thema Shinjuku20 vgl. Eichhorn (1996), Seite 36
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2.2 Ursachen f r das hohe Pendlerverkehrsaufkommen in Tokio
2.2.1 Die Strukturen Tokios
2.2.1.1 Der Kern Tokios
Das Stadtzentrum von Tokio wird traditionell mit den drei Bezirken um den Kaiserpalast
Chiyoda-ku, C -ku und Minato-ku angegeben. Der eigentliche Stadtkern allerdings erstreckt
sich nur ber die Unterbezirke temachi, Marunouchi und Ginza in Chiyoda-ku und Ch -ku,
wo das Gesch ftsleben mit Handel und hochwertigen Dienstleistungen zu finden ist. Da die
Nebenzentren an der Yamanote-Linie an Zentralit t gewannen, sind sie mittlerweile fast
gleichbedeutend mit dem traditionellen Zentrum. Der so erweiterte Stadtkern schliet
zus tzlich die Bezirke Toshima-ku, Shinjuku-ku und Shibuya-ku mit ein 21. Man nennt diese
Bezirke auch 'Nebenzentren-Bezirke '22.
2.2.1.2 Der Einzugsbereich Tokios
Die japanische Hauptstadt erstreckt sich r umlich ber die vier Pr fekturen der Region T ky,
allerdings ist kein verwaltendes Organ zur Koordination und Integration der
Verkehrsinfrastruktur und dazugeh riger Projekte auf dieser Ebene eingerichtet. Dies erschwert
den Ausbau von Verkehrswegen und Kommunikationsverbindungen. Eine enge
Zusammenarbeit der Pr fekturen w re n tig, um mit den knappen Ressourcen der
dichtbev lkerten Metropolregion umzugehen. Betrachtet man die Erschlieungsmanahmen in
der Bucht von Tokio, erkennt man, dass oft das Gegenteil der Fall ist. In den japanischen
Statistiken wird zwischen Tag- und Nachtbev lkerung unterschieden. Erstere h lt sich am Tag
in Tokio auf, letztere bleibt ber Nacht in der Stadt. Die Differenz zwischen diesen beiden
Zahlen pendelt, zum Beispiel zum Arbeitsplatz, untertags in die Stadt und wohnt auerhalb in
einer der zahlreichen Vorst dte. Durch den riesigen Einzugsbereich Tokios entstehen Satelliten-
und reine Schlafst dte, deren Bewohner, wie der Name andeutet, in der weit entferntenGrostadt arbeiten und eigentlich nur zum Schlafen heimkommen. Dies geht so weit, dass das
Zugeh rigkeitsgef hl der Pendler f r die Satellitenstadt ausbleibt, weil zum Beispiel
Einkaufsm glichkeiten und andere Dienstleistungen untertags in der Stadt in Anspruch
genommen werden. Das wirkt sich unter anderem auf die Wahlbeteiligungen bei den
Gouverneurswahlen in der Heimatstadt negativ aus. 23
21 vgl. Eichhorn (1996), Seite 922 Eichhorn (1996) bersetzt auf Seite 9 den japanischen Begriff fukutoshin mit 'Nebenzentrum' und er rtert in
der Funote 1, ob der Begriff 'Ringzentrum' passender w re. Hier wird Eichhorns Ergebnis bernommen undweiterhin der Begriff 'Nebenzentrum' verwendet.
23 vgl. Eichhorn (1996), Seite 12
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2.2.2 Suburbanisierung und die Verl ngerung der Arbeitswege
2.2.2.1 Verteilung der Wohnbev lkerung
Ein wichtiges Faktum f r das Pendlerverkehrsaufkommen in einer Region ist die Verteilung der
Wohnbev lkerung verglichen mit der Verteilung der Arbeitspl tze. Dazu teilt man nicht in
Gebiete nach administrativen Abgrenzungen ein, sondern man zieht konzentrische Kreise um
den Bahnhof Tokio, den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt innerhalb des Gesch ftszentrums.
Aussagekr ftig sind auch die Ver nderungen gegen ber fr heren Berechnungen, da sie eine
Tendenz zur Suburbanisierung aufzeigen. In Tabelle 1 sind die Einwohnerzahlen der jeweiligen
Ringe 1990 abgebildet, dazu wurde die Tendenz von 1965 bis 1990 aus den Daten von Eichhorn
(1996) errechnet.
In Tokio zeigt sich, dass die Bev lkerung im innersten Ring abnimmt, von 1965 bis 1990 sogar
um 7.85% (698 000), die ueren Ringe aber starken
Zuwachs, bis zu 164%, verzeichneten. Dadurch entstand
das sogenannte doughnut- Phnomen, also die
Aush hlung in Hinsicht auf die Wohnbev lkerung der
inneren Stadt und starke Zuwachsraten in den ueren
Grteln. Die Bev lkerung wird aus der Stadtmitte
immer weiter verdr ngt, verantwortlich daf r ist die
rapide Erh hung des Grund- und Mietpreises, bis er sich
nur noch f r Bro- Verkaufs- oder andere gewerblich
genutzte Fl chen lohnen kann. Insgesamt ist die
Bev lkerung im 70km-Umkreis um den Hauptbahnhof
um ber elf Millionen gewachsen, das sind von 1965 bis
1990 52%. Nicht aus der Tabelle zu entnehmen ist die
Tatsache, dass der Bev lkerungszuwachs nicht nur
natrlichen Ursprungs ist, sondern auch ein nicht unbedeutender Teil der innerjapanischen
Migration nach Tokio zuzuschreiben ist. 24
2.2.2.2 Sitz der Arbeitspl tze
Der Auslagerung der Wohnfunktion in Randbereiche der Stadt (nicht zu verwechseln mit
Marginalsiedlungen von minderer Wohnqualit t) und in die Vorst dte steht ein
Konzentrationsprozess von Gesch fts- und Dienstleistungsfunktionen in der Innenstadtgegen ber. Die Differenz zwischen Tag- und Nachtbev lkerung, die gleichzeitig Faktor und
24 vgl. Eichhorn (1996), Seite 15
Tabelle 1: Verteilung der Wohnbev lkerung in der Region Tokio in Tausend und Zuwachsraten in % - inkonzentrischen Ringen um das Stadtzentrum 1965 -1990
Zone Einw. '90 / '65 0-10 km 8195 -7.85
1020 km 3962 71.81
20-30 km 7825 106.08
30-40 km 5093 164.30
40-50 km 4074 100.00
0-50 km 29149 53.74
50-60 km 1746 55.48
60-70 km 1564 24.82
Gesamt 32459 52.26
Quelle: Eichhorn (1996), Seite 15, Tendenz darausberechnet
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Indikator f r die Menge der Pendlerverkehrsstr me in einer Region ist, hat sich im Zentrum des
Raumes Tokio seit 1965 weit mehr als verdoppelt und lag 1985 bei ber 2.6 Millionen
Menschen im 10-km-Umkreis um den Bahnhof von Tokio. 25 In den anderen Bereichen ist dieser
Wert allerdings negativ das heit, dass die Wohnbev lkerung gr er ist als die tags ber
anwesende. Dieser Unterschied entsteht durch die hohe Konzentration an Dienstleistungen, und
damit auch an Arbeitspl tzen, in der Tokioter City. W hrend die Arbeitsplatzdichte in der
Innenstadt zunahm, wandelte sich aber auch die Wirtschaftsstruktur. Das Wachstum Japans und
auch Tokios ging in der Nachkriegszeit bis in die erste H lfte der siebziger Jahre haupts chlich
vom sekund ren Sektor aus. Nach den lkrisen, die den Betrieben schwer zu schaffen machten,
gewann der terti re, also der Dienstleistungssektor, an Bedeutung. Diese Entwicklung spiegelt
sich auch in den Besch ftigungszahlen wider. Die Zahl der Erwerbst tigen im prim ren Sektor
sinkt seit dem zweiten Weltkrieg kontinuierlich, nach dem Boom des sekund ren Sektors
stagniert die Zahl der Arbeitnehmer in der Industrie seit den Siebzigern. Grund daf r sind
einige Manahmen und Bem hungen, den sekund ren Sektor aus Tokio in andere Bereiche
Japans zu verlagern. So gibt es Verbote, Industriebetriebe ber einer bestimmten Gr e neu
anzusiedeln oder auszudehnen, auch in den Landerschlieungspl nen wird diesem Ziel
zugearbeitet. 26 Der starke Anstieg an Arbeitspl tzen in Tokio ist also fast komplett dem terti ren
Sektor zuzuschreiben .
In den 23 Stadtbezirken Tokios waren 14 Prozent aller im terti ren Sektor Besch ftigten Japans
ttig, obwohl 'nur' 7% der gesamtjapanischen Bev lkerung dort leben. Da Arbeitspl tze aber
auch Raum beanspruchen, im Dienstleistungssektor haupts chlich B rorume, hat sich von
1975 bis 1990 die B rofl che in den 23 Stadtbezirken mehr als verdoppelt. Es steigt n mlich
nicht nur die Zahl der Arbeitspl tze und die Anzahl der ben tigten B ros, auch die B rofl che
pro Person w chst stetig. Durch die Verwendung von Computern und die Einrichtung von
immer mehr sogenanntem halb ffentlichen Raum, zum Beispiel groen, repr sentativen
Empfangshallen, lag die Fl che pro Person in Tokio 1990 bei 18.8 m . Warum diese Fl che
immer noch unter dem Landesdurchschnitt von 21 Quadratmetern liegt, ist angesichts der hohen
Grund- und Mietpreise offensichtlich. Trotzdem wird sich der Trend zu immer gr eren B ros,
bei neuen Geb uden sind 25 bis 30 m Standard, auch in Tokio weiter durchsetzen. Ein
herausragendes Wachstum in Hinblick auf die gesamten genutzten B rofl chen hat das
Nebenzentrum Shinjuku erfahren, hier verdreifachte sich der Wert, ein Grund daf
r ist eine
25 vgl. Eichhorn (1996), Seite 1626 vgl. Eichhorn (1996), Seite 17
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Flchensanierung westlich des Bahnhofs Shinjuku. Die B rofl chen wurden zwar auch durch
hhere Geb ude, meistens sogar Wolkenkratzer, erschlossen, ein Teil geht aber auch auf die
Verdr ngung von Wohnraum zur ck. Wie oben erw hnt geschieht dies aufgrund der Anhebung
von Grund- und Mietpreisen .27 In der zweiten H lfte der 1980er Jahre entwickelte sich in Japan
eine sogenannte 'bubble economy', eine Seifenblasenwirtschaft, die sich stark auf Tokio
auswirkte und folgendermaen ablief: Im Plaza-Abkommen verst ndigten sich die G5 (USA,
Japan, Deutschland, Grobritannien und Frankreich) darauf, den US-Dollar im Wert den
anderen W hrungen gegen ber herabzusetzen, was den Wert des Yen international um 100%
steigen lie. Internationale Investoren und die Japaner selbst versuchten, durch Spekulationen
an diesem Wertgewinn teilzuhaben und l sten durch die groe Nachfrage nach Yen eine
Wertsteigerungsspirale aus. Am H hepunkt dieser Entwicklung war der Park des Kaiserpalastes
in Japan Sch tzungen zufolge so viel wert wie das komplette Land in Kalifornien zusammen.
Als die Blase 1990 platzte, waren die Spekulationsobjekte auf ein Viertel ihres Wertes gefallen,
weswegen viele Kredite, die darauf abgesichert waren, platzten, worauf Banken Konkurs
anmelden mussten und ausl ndische Investoren sich schnell zur ckzogen. Diese Krise
schw chte die japanische Wirtschaft drastisch, weswegen mehrere Jahre Nullwachstum und
Deflation vorherrschten. 28 Nach dem Platzen der 'bubble economy' hat der B ro-boom ein
vorl ufiges Ende gefunden 29, die allgemeine Wirtschaftslage Japans und somit auch der
Gewerbeimmobilienmarkt Tokios erholt sich aber stetig. In einem Zeitungsbericht der 'Welt'
vom 18.07.2005 wird von steigender Nachfrage auch von ausl ndischen Investoren berichtet.
Im Mai fiel die Leerstandsrate f r Bros in Tokio zum zehnten Mal in Folge auf
Monatsbasis 30, das heit, dass von August 2004 bis Mai 2005 kontinuierlich immer mehr
Bros angemietet wurden. Als Folge pendeln wieder mehr Arbeitst tige in das Zentrum Tokios,
die Pendlerverkehrsproblematik versch rft sich.
2.2.2.3 Entwicklung der Arbeitswege
In der Gesamtverkehrsregion stieg die durchschnittliche Pendelentfernung zwischen 1980 und
1990 um zwei auf 25 Kilometer. 31 Diesen Aspekt behandelt Eichhorn (1996) unter der
'qualitativen Seite' des Pendlerverkehrs in Tokio. Da die Distanz an sich f r die Pendler meist
eine viel geringere Rolle als der Zeitaufwand und der Komfort der t glichen Fahrt einnimmt,
27 vgl. Eichhorn (1996), Seite 18-1928 vgl. Internetseite Wikipedia zum Thema Bubble Economy29 vgl. Eichhorn (1996), Seite 1930 vgl. G rtner (2005)31 vgl. Eichhorn (1996), Seite 48
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wird hier der Arbeitsweg als ein Faktor gesehen, der f r Aus- und berlastung von
Verkehrsinfrastruktur verantwortlich ist. Je l nger die Pendelstrecke eines Arbeitnehmers ist,
desto mehr Straen- oder Zugverbindungen nimmt er in Anspruch, in der Masse sorgt dies f r
eine erh hte Verkehrsdichte.
Pendler, deren Ziel 1990 das Zentrum Tokios war, legten im Durschnitt 26 km zur ck, lag das
Ziel in einem Nebenzentrum, stieg die durchschnittliche Entfernung von 1980 bis 1990 um vier
Kilometer von 21 auf 25 km an. Einen genaueren Einblick in die Verteilung der Entfernungen
zeigt eine Aufteilung der Pendler in Gruppen, je nach Pendelstrecke. Dabei wird man in der
Gruppe bis 20 km Entfernung eine relative Abnahme feststellen, in den besagten 10 Jahren von
53.4% auf 47.9% Die Quote der Pendler mit einem Weg zur Arbeit zwischen 31 und 50
Kilometern stieg relativ stark von 20.0% auf 28.2%. Pendler mit einer Wegstrecke zwischen 50
und 70 Kilometern bilden mit fast 7% eine relativ groe Gruppe, was den groen Fortschritt der
Suburbanisierung im Groraum Tokio zeigt, da die Boden- und Mietpreise erst in immer
grerer Entfernung zum Stadtkern f r 'normale' Arbeitnehmer bezahlbar werden.
Pendelbewegungen ber 70 Kilometer bilden aber auch in Tokio die Ausnahme. 32
2.3 Folgen des hohen Verkehrsaufkommens in Tokio
2.3.1 Eingeschr nkte M glichkeiten des Verkehrs in und nach Tokio
Die Folgen der Verkehrsprobleme in Tokio sind, vor Allem f r Pendler, vielseitig. Zuerst muss
man die M glichkeiten untersuchen, die zum Beispiel ein Arbeitnehmer hat, um in das
Stadtzentrum zu gelangen. Dabei kann man, je nach Lage des Wohnortes oder allgemein des
Ausgangsortes, auf verschiedene Ergebnisse kommen. Die meistens teuerste und nicht immer
schnellste M glichkeit ist die des Individualverkehrs auf den Stadtautbahnen und anderen
Straen. Trotz, oder gerade wegen der Straenmaut bilden sich lange Staus vor den
Mautstationen und auf den Stadtautobahnen. Zur teuersten Alternative wird es zum Einen durch
die Straenmaut, zum Anderen durch die sowieso anfallenden Nebenkosten eines Autos, teure
Energieverluste im ruhenden Verkehr und hohe Parkgeb hren. Parken auf den gew hnlich viel
zu engen Straen ist verboten; f r jegliches Parken anderswo werden saftige Geb hren erhoben;
f r die Zulassung eines Autos ist der Nachweis eines Einstellplatzes erforderlich. 33 Die
meistgenutzte und meistens g nstigste Alternative ist der ffentliche Schienenverkehr, vor allem
in der Innenstadt ist die U-Bahn mit Fahrpreisen zwischen 1.20 und 3 Euro 34 finanziell das
beste Fortbewegungsmittel. Ein Nachteil der Nahverkehrsbahnen in und um Tokio ist die vor32 vgl. Eichhorn (1996), Seite 4933 vgl. Fl chter, Winfried: Tokio quo vadis?: Chancen und Grenzen (?) metropolitanen Wachstums34 vgl. Honert (2006)
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Allem in der 'Rush Hour' extreme berf llung der Z ge, was zwar zu physischen
Einschr nkungen f hrt, aber die P nktlichkeit der Z ge nicht beeintr chtigt. Im Gegensatz zum
Straenverkehr kommt man mit der Bahn auch bei sehr hoher Auslastung fast immer p nktlich
an. Auto und Bus sind je nach Verkehrslage in ihrer Geschwindigkeit eingeschr nkt, im
schlimmsten Fall stehen die Pendler stundenlang im Stau. Deswegen wird hier haupts chlich
die Qualit t des ffentlichen, schienengebundenen Personennahverkehrs bearbeitet.
2.3.2 Qualit t des Verkehrs: Die Pendlerh lle
Fr die Pendler ist, wie oben angesprochen, die r umliche Distanz ihrer Pendelbewegung nicht
direkt sp rbar. Gem dem Sprichwort 'Lieber schlecht gefahren als gut gelaufen' ist vor Allem
die Dauer der Reise ausschlaggebend. 30 km mit einem Shinkansen k nnen als viel
angenehmer empfunden werden als eine Strecke von 2 km w hrend der Rush-Hour auf einer
berf llten Stadtautobahn, wof r man im Stau eventuell sogar l nger braucht. Der Zeitaufwand
ist zwar ein wichtiger Faktor f r die Qualit t des Verkehrs, er wird wegen seiner Abh ngigkeit
von vielen verschiedenen Faktoren aber gesondert im n chsten Gliederungspunkt behandelt.
Hier ist unter 'Qualit t' des Verkehrs haupts chlich der Komfort in den Z gen sowie andere
Apekte wie Umstiege und Zusammensetzung einer Reise und die Interferenz zwischen den
verschiedenen Verkehrsmitteln und Linien gemeint. Eine Dokumentation des bayerischen
Rundfunks behandelt den t glichen Weg von Naoko Onoue, einer Arbeitnehmerin in Tokio. Ihr
Arbeitsweg f ngt mit einem Fumarsch an, der noch als der angenehmste Teil beschrieben
wird. Insgesamt braucht sie f r die einfache Strecke zu ihrem Arbeitsplatz 1,5 Stunden, muss
zweimal umsteigen und dreimal einen l ngeren Fumarsch zur cklegen. Trotz der Nachteile ist
der ffentliche Schiennenahverkehr immer noch die beste Alternative, da wenigstens eine
pnktliche Ankunft halbwegs sicher ist, beim Straenverkehr ist dies aufgrund der vielen
Staus nicht selbstverst ndlich. Die Ankunft am Arbeitsplatz beschreibt sie so:
Nach der ganzen Fahrerei habe ich eigentlich gar keine Lust mehr, zu arbeiten. Mir tundie F e weh, ich bin m de, und statt gleich loszulegen, wie ich eigentlich sollte, mussich erst mal Pause machen und einen Kaffee trinken, bevor ich wieder fit bin. 35
Doch bis dahin ist erst der Hinweg geschafft. Nach der eigentlichen Arbeitszeit beginnt die
Heimreise, die Innenstadt leert sich erst nach 20 Uhr. Nach 11 Stunden kommt Naoko Onoue
ersch pft zu Hause an, mit dem Gedanken, am n chsten Tag wieder in die unvermeidbare
Pendlerh lle zu m ssen. Aufgrund der horrenden Mieten bzw. zu niedrigen L hne in Bezug auf
die Lebenskosten in der Stadt kommt eine Wohnung im Zentrum nicht in Frage. 36
35 Girschick (2001)36 Girschick (2001)
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Mit der Verkehrsproblematik in Tokio ist auch ein etwas skurriles Ph nomen aufgetaucht, das
so nur in Japan existiert: Chikan. M nner nutzen, vor Allem in Pendlerz gen, die Enge, um in
der N he stehende Frauen sexuell zu ber hren. Da eine Ber hrung bei berf llung
unvermeidbar ist, haben die T ter einen Vorwand, sollte sich das Opfer wehren. Jahrelang
ertrugen es die Frauen einfach, um in der Menge nicht aufzufallen. Neuerdings aber wird
Chikan stark bek mpft, passiv und aktiv. Passive Manahmen sind zum Beispiel die
Deklarierung von 'women-only'-Waggons in einigen U-Bahnen. Aktiv wird Chikan streng
verfolgt, wird einem Mann eine solche Tat vorgeworfen, ist es f r ihn sehr schwer, das
Gegenteil zu beweisen. Somit wird diese Angelegenheit sehr unsicher, weil unberechtigte
Anschuldigungen kaum berpr ft werden k nnen. Es ist schon eine Betrugsmasche
aufgetaucht, die darauf abzielt: Jugendgangs schicken M dchen neben reich aussehende
Gesch ftsm nner in der U-Bahn, nach ein paar Minuten beschuldigen sie ihn ffentlich des
Chikan und zerren ihn auf den Bahnsteig, aus Angst vor Ausgrenzung, die bis zum Verlust des
Jobs f hren kann, zahlt das Opfer meistens einen geforderten Geldbetrag. Gesteht der
vermeintliche T ter nicht, droht ihm eine mehrj hrige Freiheitsstrafe. 37
Tabelle 2: Definitionen der Auslastungsgrade (Ladefaktoren)Ladefaktor Situation im Bahnwaggon
100 % Festgelegte Personenzahl. Sitzend oder stehend ist unbeengtes Fahren m glich.
150 % Schultern ber hren sich, Zeitung kann ohne Probleme gelesen werden
180 % K rper ber hren sich, Zeitung kann gelesen werden.
200 % K rper ber hren sich, Beengtheitsgef hl, Zeitschrift kann irgendwie gelesen werden.
250 % Bei jedem Sch tteln des Waggons neigen sich die K rper zur Seite, eigeneKrperbewegung kaum m glich; Hand kann nicht mehr bewegt werden
300 % Nahe der physischen Grenze, gef hrlich f r den K rper
Quelle: Eichhorn (1996), Seite 52
Nach diesen Beispielen soll die berf llung nun statistisch betrachtet werden. In Tabelle 2 ist
die Situation in einer Bahn mit verschiedenen Auslastungsgraden beschrieben. Bei einem
Ladefaktor von 100% ist der Zug offiziell schon komplett belegt, dennoch beginnt hier erst die
Auflistung, die in Hinsicht auf die Verh ltnisse in Tokio erstellt wurde. In der Rush Hour
kamen 1990 auf einem Abschnit der JR Keihin-T hoku-Linie zwischen Ueno und Okachimachi
Auslastungen bis zu knapp 280% vor, bei 300% st t man an die physikalischen Grenzen und
das Limit der k rperlichen Belastbarkeit. Dann wird nicht nur das eigene Wohlbefinden,
sondern auch die Gesundheit gef hrdet. 38 Da verwundert es nicht, dass Bahnhofspersonal mit
37 Internetseite Wikipedia zum Thema Chikan38 vgl. Eichhorn (1996), Seite 52 53
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weien Handschuhen die Passagiere von Hand in die berf llten Z ge stopft, anderweitig
wren solche Auslastungsgrade berhaupt nicht denkbar. 39 Die japanische Kultur, vor Allem in
Tokio, wirkt sich in berf llten (U-) Bahnh fen positiv aus. Einige Beispiele werden von
Honert (2006) beschrieben. In europ ischen Metropolen sieht man oft ein Gedr nge an den
Bahnen, schon bevor der Zug vollst ndig gestoppt hat. Dadurch wird der Ein- und
Aussteigeprozess aber zum Einen gef hrlicher und zum Anderen verz gert aussteigende
Fahrg ste werden von dr ngelnden Passagieren am Bahnsteig behindert. Nicht so in Tokio:
Trotz der Enge dr ngelt [...] niemand .40 Mnner mit Aktenkoffern stehen mit der f r Japan
typischen Disziplin vor den Markierungen, an denen der Zug zentimetergenau h lt. Dadurch
wird der Bahnhofsaufenthalt auch bei berf llung der Z ge relativ kurz gehalten, was die
Bewltigung von 7,8 Millionen Passagieren pro Tag in der Tokioter U-Bahn berhaupt m glich
macht.
2.3.3 Zeitaufwand f r die t gliche Pendelbewegung
Tabelle 3: Ver nderungen der Pendelzeiten 1980-1990 (Durchschnittliche Pendelzeit in min pro Hinweg, Pendler in 1.000)
Jahr Gesamtverkehrsregion Richtung Stadtzentrum Richtung Nebenzentren
Zeit Pendler Zeit Pendler Zeit Pendler
1980 63 7.579 66 1.962 62 1.063
1985 64 7.897 67 2.056 63 1.134
1990 66 8.818 68 2.277 66 1.280
Quelle: Eichhorn (1996), Seite 50
Der Zeitaufwand f r die Pendelbewegung ist ein wichtiger Faktor f r die Ertr glichkeit einer
tglichen Fahrt. Die Zeit, die wortw rtlich 'auf der Strecke' bleibt, wird von der Freizeit
abgezogen. Da in Japan die Arbeitszeiten mit 1957 Stunden 1995 die l ngsten in der
entwickelten Welt waren, Deutschland kam auf 1602 41, wirkt sich eine lange Fahrtzeit von
und zur Arbeitsstelle aufgrund der sowieso knappen Freizeit noch schlimmer aus. Allerdings ist
in Ballungsr umen wie Tokio normalerweise nur eine viel niedrigere Reisegeschwindigkeit
mglich als zum Beispiel auf einer kaum befahrenen Autobahn, da h here Bev lkerungsdichte
meistens h here Verkehrsdichte bei gleichzeitig weniger Platz f r Verkehrsinfrastruktur
bedeutet. In Tokio betr gt demnach die durchschnittliche Pendelzeit in der
39 vgl. Honert (2006)40 Honert (2006)41 vgl. Ehrke (1999)
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Gesamtverkehrsregion 66 Minuten, bei Bewegungen in Richtung Stadtzentrum ist der
Durchschnitt etwas l nger und liegt bei 68 Minuten. Allerdings ist, analog zu ihrer
Entwicklung, die Fahrtzeit bei Pendlern mit Nebenzentren als Ziel am st rksten angestiegen.
Dennoch ist nicht das Niveau einer oft geh rten Aussage erreicht, der durchschnittliche Pendler
brauche in Tokio eineinhalb Stunden, denn 'nur' 22.4% der City-Pendler waren mindestens
eineinhalb Stunden zur Arbeits- oder Ausbildungsst tte unterwegs, auch bei den Nebenzentren-
Pendlern waren es ber 20%. Dies ist ein hoher Anteil, als Durchschnitt kann es allerdings
(noch) nicht bezeichnet werden. Die Statistik in Tabelle 3 ist allerdings nicht ganz fehlerfrei.
Die Pendler, die mit dem Shinkansen anreisen, werden nur teilweise erfasst, was unter anderem
falsche Daten mit in die Statistik einbringt. Die Zahl der Shinkansen-Pendler mit Ein- oder
Dreimonatskarte ist von 2.145 im Jahr 1984 auf ca. 22.783 im Jahr 1992 stark angestiegen, in
anderen Quellen von Eichhorn (1996) stieg die Zahl der Shinkansen-Dauerbenutzer auf ber
50.000 pro Tag. Der Einfluss der Shinkansen-Pendler und damit die Ungenauigkeit der Statistik
nimmt also zu .42
2.4 L sungen
2.4.1 Nachfrageorientierte Verkehrspolitik und ihre Grenzen
Unter dem Begriff 'Nachfrageorientierte Verkehrspolitik' sind Bestrebungen zusammengefasst,
die Verkehrsinfrastruktur der Nachfrage anzupassen, zum Beispiel die Kapazit ten zu erh hen,
wo Engp sse auftreten. Dabei gibt es verschiedene Ansatzpunkte in technischer Hinsicht, die
berf llung der Pendlerz ge zu reduzieren. In Eichhorn (1996) ist eine gute und detaillierte
bersicht dargestellt, die hier verk rzt wiedergegeben wird:
2.4.1.1 Manahmen auf bestehenden Strecken
Erstens ist die Erh hung der Kapazit t einer Strecke ohne Umbau der Trasse selbst m glich.
Durch Erh
hung der Wagennormkapazitt kann die Menge der bef
rderten Personen
einfach gesteigert werden, indem man zum Beispiel Sitz- in Stehpl tze umwandelt. Dies
verringert nat rlich den Komfort, bei geringerer Auslastung untertags fehlen die
Sitzm glichkeiten, weshalb dies als eine eher provisorische 'Notl sung' gesehen werden muss.
Dennoch sind zum Beispiel auf der Yamanote-Linie seit M rz 1990 sogar zwei reine Steh-
Waggons pro Zug im Einsatz. Ver nderungen an den Auenmaen sind durch Bahnsteige und
Spurweite nur sehr eingeschr nkt m glich.
Doppelstockwagen sind zwar auf l ngeren Strecken weit verbreitet, da die Ein- undAusstiegskapazit ten durch die Treppenbereiche im Waggon allerdings eingeschr nkt werden,
42 vgl. Eichhorn (1996), Seiten 49f.
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ist ein Einsatz auf Kurzstrecken in der Innenstadt problematisch.
Eine Erh hung der Waggonzahl pro Zug ist von der L nge der Bahnsteige abh ngig, im
dicht bebauten Stadtgebiet von Tokio ist eine Verl ngerung der Bahnh fe kaum oder nur mit
riesigem, meist finanziellen Aufwand m glich.
Geringere Taktraten und h here Zuggeschwindigkeiten sind durch bessere Signal- und
Bremstechnik erm glicht worden, als limitierender Faktor z hlt hier die Belastbarkeit der
Insassen in Hinsicht auf die Beschleunigung und Verz gerung, zudem m ssen zwischen den
Zgen Sicherheitsabst nde eingehalten werden. Hier ist das Limit bereits erreicht, eine weitere
Verk rzung der Zugintervalle ist nicht zu erwarten.
Verk rzung der Haltezeiten sind durch h here Ein- und Ausstiegskapazit ten realisierbar.
Die dazu n tigen breiteren T ren verringern aber wieder die Anzahl der m glichen Sitzpl tze,
was den Komfort noch weiter einschr nkt. Dennoch sind auf einigen Linien Waggons mit bis zu
2 Meter breiten T ren im Einsatz.
S go chokuts noriire ist ein System der gegenseitigen direkten Einfahrt. Die Situation
auf den Bahnh fen wird verbessert und die Haltezeit verk rzt, indem Z ge von den
Vorortbahnen durch Streckenverb nde zum Beispiel, wie oben unter dem Gliederungspunkt der
S-Bahnen beschrieben, direkt in das U-Bahnnetz einfahren k nnen, ohne dass die Insassen
umsteigen m ssen. Die Reisegeschwindigkeit kann dadurch stark erh ht werden, da langes
Umsteigen im dichten Gedr nge der Bahnh fe vermieden wird.
Eine Verbesserung der Umschlagpl tze ist n tig, um die Zeitverz gerung beim Umsteigen
durch das Gedr nge auf den Bahnh fen zu vermeiden. Die Bahnhofsstruktur ist dabei auch
ausschlaggebend, auf der JR Ch -Linie zwischen Shinjuku und Mitaka sind die Bahnsteige
nach Lokal- und Schnellz gen 'geordnet', was lange Umsteigezeiten beim Wechsel von einem
Expresszug auf einen Lokalzug mit sich bringt.
Insgesamt sind die meisten dieser M glichkeiten bereits entweder ausgesch pft oder mit zu
vielen Nachteilen verbunden, durch die dichte Bebauung der Stadt stoen die Verkehrsplaner
auch schnell an die r umlichen Grenzen. Grundlegende Verbesserung kann von diesen
Manahmen also nicht (mehr) erwartet werden. 43
2.4.1.2 Neu- und Ausbau von Strecken
Seit der zweiten H lfte der siebziger Jahre verlangsamte sich der Ausbau des
Schienenverkehrsnetzes, haupts chlich wegen der gewaltigen Steigerung der Baukosten, vorAllem, wie weiter oben bei den U-Bahnen beschrieben, beim Bau in der Stadt. Durch die
43 vgl. Eichhorn (1996), Seiten 63 66
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groen Investitionssummen ist die Zinsbelastung durch das n tige Fremdkapital so stark, dass
sich trotz der hohen Auslastung eine neue Strecke oft erst nach Jahrzehnten ammortisieren
kann, unter Anderem auch deswegen, weil der Preis f r Dauerfahrkarten durch staatliche
Regulierung niedrig gehalten wird. Dies senkt die Investitionsbereitschaft der
Verkehrsunternehmen, dazu ist eine stark aus- oder berlastete Linie durch geringe Kosten pro
geleistetem Personenkilometer rentabler als ein normal- oder gar unterbesetzter Zug. Um dem
Investitionsr ckgang im Schienenverkehrsnetz gegenzusteuern, werden g nstige
Kreditbedingungen f r Investitionen im Verkehrsbereich von staatlicher Seite zur Verf gung
gestellt, 1986 wurde der Sonderfonds f r den Ausbau von Stadtbahnen eingerichtet, der die
niedrigen Einnahmen durch die geregelten Ticketpreise kompensieren sollte, 1991 folgte ein
Fonds f r den Ausbau der Eisenbahnen.
2.4.2 Nachfragesteuernde Verkehrspolitik
Die Nachfragesteuernde Verkehrspolitik befasst sich nicht mit der Verkehrsinfrastruktur an sich,
um die Auswirkungen des hohen Pendlerverkehrsaufkommens zu kompensieren, sondern
versucht, die Faktoren zu steuern, also die Ursache des Problems anzupacken. Dazu m ssen die
Grnde f r die Verkehrsdichte erkannt, m gliche L sungen gefunden und f r diese
Mglichkeiten Strategien zur Umsetzung ausgearbeitet werden.
Eine naheliegende M glichkeit ist die nderung der Arbeitszeiten, um die Spitzenbelastung in
der Rush Hour zeitlich zu verteilen. 44 Die Verkehrsgesellschaften von Tokio wandten sich vor
Allem an groe Firmen, die Anfangszeiten zu verschieben. Problematisch war allerdings, dass
die Verschiebungen meistens nicht mehr als eine halbe Stunde betrugen, vorverlegt wurde der
Arbeitbeginn seltener und um eine noch k rzere Zeitdifferenz. Wegen dieses geringen Umfangs
ist die Wirkung auf die Spitzenbelastungen zur Rush Hour eher minimal, zudem Schulen,
Universit ten und andere Bildungseinrichtungen ihre t glichen Anfangszeiten f r angemessen
hielten und eine Verschiebung der Unterrichtszeiten noch gr ere Probleme bereitet h tten.
Auch die Einf hrung der Gleitzeit h lt sich in Grenzen, auch Pendler, denen die Wahl ihrer
Arbeitszeit freisteht, fahren oft zu den Stozeiten zwischen 08:30 und 09:00 Uhr in die Stadt.
Beeinflusst wird dieses Verhalten auch durch die japanische Mentalit t. Befragte japanische
Angestellte gaben an, dass das beabsichtigte sp tere Eintreffen, also das Ausnutzen der
Gleitzeit, von Kollegen als Versp tung interpretiert wird.
Ein weiterer Ansatz zum Thema Gleitzeit ist, das Wirtschaftsgesetz 'Angebot und Nachfrage44 W hrend Eichhorn (1996) dieses Thema noch bei der nachfrageorientierten Verkehrspolitik einordnet, sehe
ich keinen Grund dazu, da die Einf hrung von Gleitzeit eine Verteilung des Verkehrsaufkommens und damitNachfragesteuerung anstrebt.
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bestimmen den Preis' auszunutzen, und zwar mit peak-load pricing. Die berlegung dahinter
ist, durch Anhebung der Tarife um ca. 20% in Zeiten von Belastungsspitzen die Nachfrage zu
mindern, sowie durch Absenken der Tarife zu Zeiten mit weniger Auslastung Fahrg ste
anzulocken, was insgesamt - zumindest theoretisch - die Nachfrage besser verteilen w rde. Da
die Fahrkarten der Arbeitnehmer meistens von den Unternehmen gezahlt werden, w re f r
diese ein Anreiz gegeben, die Arbeitszeiten zu verschieben und somit das Gros der Nachfrage
auf einen etwas l ngeren Zeitraum zu verteilen. Die Realit t sieht aber anders aus: Laut einer
Studie, die japanische Privatbahnen durchf hren lieen, bilden die Fahrkarten einen Bruchteil
der Standortkosten f r die Unternehmen in Tokio. Die Agglomerationsvorteile wiegen die
hohen Kosten im Allgemeinen auf, weswegen eine Erh hung der Fahrpreise keinen finanziellen
Druck auf die Unternehmen aufbauen w rde. 45
Die M glichkeiten der Raumplanung sind dagegen sehr komplex, dieses Thema kann hier nur
sehr grob behandelt werden, da ein groer Teil davon der Politik zuzuschreiben ist und den
Rahmen dieser Arbeit verliee. Die Ursache des hohen Verkehrsaufkommens ist das oben
beschriebene 'doughnut-Ph nomen'. Ziel der Stadtplaner m sste also sein, den
Verdr ngungsprozess von Wohnfunktionen aus dem Stadtkern zu stoppen. Dadurch w re der
Unterschied zwischen Tag- und Nachtbev lkerung - in Chiyoda-ku und Ch -ku sind am Tag
26mal so viele Menschen wie Nachts - und somit die Masse der Einpendler kleiner. Im
'Stadtplanungsgesetz' sowie dem 'Baugesetz', beide 1992 berarbeitet, wurde dieser Aufgabe
Rechnung getragen und f r verschiedene Bereiche der Stadt Nutzungsm glichkeiten und
-beschr nkungen festgesetzt. Da diese Beschr nkungen aber nur bei der Genehmigung von
Neubauten berpr ft werden, ist eine Verdr ngung von Wohnraum in Altbauten oder eine
illegale Nutzung von Wohnungsneubauten als B rofl chen m glich, was die Wirksamkeit
dieser Manahmen einschr nkt.
Die Menge an Arbeitspl tzen in der Stadt wird bei Bauvorhaben ber cksichtigt, durch
verschiedene Berechnungen wird die n tige Kapazit t der an die Grundfl che anliegenden
Strae und des n chsten Bahnhofs bestimmt. Das weitr umige Verkehrsnetz wird allerdings
nicht mit einbezogen, was ein entscheidender Nachteil bei der Verkehrsplanung im
Ballungsraum ist. 46 Viele weitere Feinheiten bei der Raumplanung k nnen zur Entlastung der
Verkehrsnetze f hren, Nutzen ist allerdings erst dann zu erwarten, wenn die dazugeh rigen
Manahmen detailliert ausgearbeitet und streng durchgef hrt werden. Wichtig ist auch, sich
45 vgl. Eichhorn (1996), Seiten 85 f.46 vgl. Eichhorn (1996), Seiten 91 - 96
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nicht auf ein Konzept zu verlassen, sondern mit der Dynamik einer Grostadt umzugehen und
die Interessen der Wirtschaft und der Wohnbev lkerung zusammenzuf hren.
3. Tokio im internationalen Vergleich
Tokio ist im internationalen Vergleich einer der gr ten Ballungsr ume der Erde. Gleichzeitig
waren die Voraussetzungen f r ein starkes Verkehrsnetz relativ schlecht, das Fischerdorf, aus
dem sich die Metropole entwickelte, hatte keine groen Straen, Stadtplanung wurde in der
Anfangszeit vernachl ssigt, ganz im Gegensatz zu anderen Grost dten im Westen. Weiter oben
wurde die Entwicklung der Nebenzentren mit der der groen Ausfallstraen der (meistens
amerikanischen) 'autofreundlichen' Stadt verglichen. Es wurden hnlichkeiten festgestellt,
allerdings sind die beiden Stadttypen verkehrstechnisch vollkommen verschieden. In Abbildung
1 ist die Nutzung der Verkehrsmittel in den einzelnen St dten in Personenkilometern pro Person
pro Jahr dargestellt. Dies gibt einen berblick ber das Verhalten der Einwohner in der Wahl
des Verkehrsmittels. Als autofreundliche Stadt wird Detroit zum Vergleich herangezogen, das
f r seine Autoindustrie bekannt ist. Vielleicht ist dies ein Grund daf r, dass der
Individualverkehr auf den Straen fast das einzige vorkommende Verkehrsmittel ist. Auf einer
Fremdenverkehrsseite der Stadt wird dies treffend beschrieben: The best way to get around
metro is by the mode of transportation the city is famous for the car. 47 Detroit ist ein
Extrembeispiel, allerdings ist der Unterschied zur typischen amerikanischen Stadt nicht sehr
gro. Das Auto ist in den USA auf jeden Fall das wichtigste Verkehrsmittel, Z ge werden fast
ausschlielich beim G terverkehr eingesetzt, Schienen-Personenverkehr spielt eine fast
unbedeutende Rolle. In Tokio dagegen legt der Durchschnittsb rger die meiste Strecke mit
'Bahn + Straenbahn' zur ck, das Auto steht an zweiter Stelle, was nicht einmal in Z rich der
Fall ist, obwohl die Schweiz f r ihren landesweit sehr gut ausgebauten V bekannt ist.
Abschlieend l sst sich sagen, dass sich das hohe Verkehrsaufkommen in Tokio meines
Erachtens nur mit schienengebundenen Massenverkehrsmitteln bew ltigen l sst. W re
intensiver Straenbau betrieben worden, um Individualverkehr zu f rdern, w rde die Umwelt
durch Abgase sehr belastet, zudem w ren unz hlige Parkpl tze n tig. Eine Belastungsspitze
kann eben nur der ffentliche Personennahverkehr ohne Verz gerungen kompensieren. Tokio ist
kein Musterbeispiel f r reibungslosen Verkehr, hat es aber geschafft, ein Beispiel f r
leistungsstarken PNV zu werden, mit der mit Abstand gr ten Aktzeptanz in der
Bev
lkerung.
47 Internetseite VisitDetroit.com zum Thema Transportation,
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Abbildung 1: Verkehrsmittelnutzung 1990, Quelle: WBCSD (2001)
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4. Literaturverzeichnis
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(= Eichhorn (1996))
Girschick, Kirsten: Pendler-Leid in Japan. Rasthaus Nr 25, Skript zur Sendung vom
28.04.2001 (= Girschick (2001))
Aoki, Eiichi: Dawn of Japanese Railways. In: Japan Railway & Transport Review Nr. 1, vom
Mrz 1994, S. 28-30, (= Aoki (1994))
Grtner, Markus: Immobilien-Aufschwung Made in Japan. In: Die Welt, vom 18.07.2005
(= G rtner (2005))
Internetquellen:
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http://www.spiegel.de (=Honert (2006))Internetseite BahnTV Online zur Reportage Mit dem Zug durch das Land der aufgehenden
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Moritz, Eckehard Fozzy und Klaus Ruth: Smartbench, Teilstudie Japan.
PDF-Datei heruntergeladen am 27.11.2006: www.mobev.de/seiten/downloads/Japan.pdf
(= Moritz (2003))
World Business Council for Sustainable Development: Mobilit t 2001, ein berblick. PDF-
Datei heruntergeladen am 23.12.2006:
http://www.wbcsd.org/web/projects/mobility/german_overview.pdf (= WBCSD (2001))
Ich erkl re hiermit, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im
Literaturverzeichnis angef hrten Quellen und Hilfsmittel ben tzt habe.
, den
Ort Datum Unterschrift des Sch lers
http://de.wikipedia.org/wiki/Seifenblasenwirtschafthttp://de.wikipedia.org/wiki/Chikanhttp://de.wikipedia.org/wiki/Shinkansenhttp://de.wikipedia.org/wiki/Tokyohttp://de.wikipedia.org/wiki/Tokyo_Metrohttp://www.mobev.de/seiten/downloads/Japan.pdfhttp://www.wbcsd.org/web/projects/mobility/german_overview.pdfhttp://de.wikipedia.org/wiki/Seifenblasenwirtschafthttp://de.wikipedia.org/wiki/Chikanhttp://de.wikipedia.org/wiki/Shinkansenhttp://de.wikipedia.org/wiki/Tokyohttp://de.wikipedia.org/wiki/Tokyo_Metrohttp://www.mobev.de/seiten/downloads/Japan.pdfhttp://www.wbcsd.org/web/projects/mobility/german_overview.pdf -
7/25/2019 Verkehrsproblem in Tokio - Ursachen, Folgen, Lsungen
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