Verletzungen der Halswirbelsäule: ventrale ... · V Vertebra cervicalis VI Vertebra cervicalis a b...

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Einleitung Als Ziele der operativen Therapie von HWS-Verletzungen sind die Dekompression komprimierter neurologischer Strukturen, die Wiederherstellung der segmentalen Sta- bilität und die Korrektur von ggf. vorhandenen traumati- schen/posttraumatischen Fehlstellungen definiert. Fol- gende Prinzipien sollten bei der Wahl der adäquaten ope- rativen Strategie beachtet werden [1,2]: 1. Es sollten nur so viele Bewegungssegmente wie unbe- dingt notwendig in die definitive Spondylodese mit- einbezogen werden. Eine mehrsegmentale Verstei- fung im Bereich der Halswirbelsäule bedingt eine relevante Einschränkung der Beweglichkeit und kann sekundär die Lebensqualität des Patienten deutlich beeinträchtigen. 2. Die verletzten Bewegungssegmente bedürfen zur schnellen und endgültigen Ausheilung einer sicheren Ruhigstellung. Eine dauerhafte Versteifung eines Be- wegungssegmentes ist ohnehin unumgänglich, daher sollte die chirurgische Therapie eine optimale Stabili- tät bei möglichst geringer Invasivität zum Ziel haben. Unterschieden werden sollte zwischen den Begriffen Sta- bilisation und Spondylodese. Die Fixation von Bewe- gungssegmenten mit Implantaten und dem Ziel einer temporärenRuhigstellung des Bewegungssegmentes sollte im allgemeinen Sprachgebrauch als segmentale Stabilisation bezeichnet werden. Von einer Spondylodese wird gesprochen, wenn zusätzlich zur Stabilisation Gelen- ke eröffnet und/oder Knochenmaterial angelagert wird, um eine dauerhafte knöcherne Überbrückung (Fusion) eines oder mehrerer Bewegungssegmente zu erreichen. Seit der Einführung des ventralen Zugangs zur Halswir- belsäule durch Robinson werden weltweit traumatische Verletzungen der subaxialen Halswirbelsäule mit gutem klinischem Erfolg behandelt. Als Voraussetzung für eine definitive ventrale Spondylodese gilt bis heute eine ad- äquate ventrale Diskektomie, über die auch der Spinal- kanal ausreichend dekomprimiert werden kann. Nach al- leiniger zervikaler Diskektomie ohne anschließende inter- vertebrale Stabilisation/Fusion verbleibt ein instabiles Be- wegungssegment. Die daraus resultierende segmentale Kyphosierung führt meist zu einer Heilung in Fehlstel- lung, die sich ungünstig auf die Statik der Halswirbelsäule auswirkt und die mechanische Beanspruchung der An- schlusssegmente verstärken kann. Daher wird allgemein eine intervertebrale Spondylodese unter Erhalt/Rekon- struktion der Bandscheibenraumhöhe nach Diskektomie empfohlen. Lange Zeit wurde der autologe trikortikale Beckenkamm- span als Standardtransplantat genutzt, um eine interver- tebrale Fusion zu erreichen. Probleme resultierten aus der unzureichenden Primärstabilität des Beckenkamm- spantransplantats, sodass Hermann [3] die Verwendung einer zusätzlichen zervikalen Platte empfahl, um Kompli- kationen bei Verwendung des Beckenkammspans zu ver- meiden. Letztendlich hat sich die Verwendung einer ad- ditiven Platte bei der ventralen Spondylodese zur Versor- gung einer traumatischen HWS-Verletzung durchgesetzt [4]. Mehr und mehr verdrängt wurde der autologe Becken- kammspan durch die Einführung von metallischen Platz- haltern, die eine hohe Primärstabilität aufweisen und kei- ne Entnahmemorbidität in der Beckenregion bedingen. Aktuell können Cages verschiedener Designs (z.B. zylin- drisch, boxförmig) aus verschiedenen Materialien (z.B. Titan, PEEK) von den Herstellern bezogen werden, wobei die Verwendung einer additiven Platte weiterhin als Stan- dard bei der Frakturversorgung gilt. Indikation zur ventralen Spondylodese Für Verletzungen mit neurologischen Ausfallserscheinun- gen verdichten sich die wissenschaftlichen Hinweise, dass eine zügige Dekompression des Spinalkanals mit nachfol- gender adäquater segmentaler Stabilisation ein verbes- sertes neurologisches Outcome zur Folge hat [5]. Daher ist die akute traumatische Querschnittslähmung oder eine akute radikuläre Ausfallserscheinung eine absolute OP-Indikation. Ebenfalls besteht bei bildmorphologisch instabiler Fraktur eine absolute OP-Indikation, da diese zu einer neurologischen Verschlechterung des Patienten führen kann. Für die Definition einer Instabilität besteht aktuell kein allgemeingültiger Konsens, wobei im deutschsprachigen Raum A3-, A4-, B- und C-Verletzun- gen typischerweise als instabil angesehen werden. Radio- logische Hinweise auf eine Instabilität ergeben sich ge- mäß der unten angegebenen Kriterien, für deren Abklä- rung im Zweifel funktionsradiologische Untersuchungen der Halswirbelsäule herangezogen werden können. Verletzungen der Halswirbelsäule: ventrale Spondylodesetechniken Matti Scholz, Andreas Pingel, Philipp Schleicher, Frank Kandziora Fachwissen 138 Scholz M et al. Verletzungen der Halswirbelsäule: OP-JOURNAL 2018; 34: 138150 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

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Verletzungen der Halswirbelsäule:ventrale Spondylodesetechniken

Matti Scholz, Andreas Pingel, Philipp Schleicher, Frank Kandziora

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EinleitungAls Ziele der operativen Therapie von HWS-Verletzungensind die Dekompression komprimierter neurologischerStrukturen, die Wiederherstellung der segmentalen Sta-bilität und die Korrektur von ggf. vorhandenen traumati-schen/posttraumatischen Fehlstellungen definiert. Fol-gende Prinzipien sollten bei der Wahl der adäquaten ope-rativen Strategie beachtet werden [1,2]:1. Es sollten nur so viele Bewegungssegmente wie unbe-

dingt notwendig in die definitive Spondylodese mit-einbezogen werden. Eine mehrsegmentale Verstei-fung im Bereich der Halswirbelsäule bedingt einerelevante Einschränkung der Beweglichkeit und kannsekundär die Lebensqualität des Patienten deutlichbeeinträchtigen.

2. Die verletzten Bewegungssegmente bedürfen zurschnellen und endgültigen Ausheilung einer sicherenRuhigstellung. Eine dauerhafte Versteifung eines Be-wegungssegmentes ist ohnehin unumgänglich, dahersollte die chirurgische Therapie eine optimale Stabili-tät bei möglichst geringer Invasivität zum Ziel haben.

Unterschieden werden sollte zwischen den Begriffen Sta-bilisation und Spondylodese. Die Fixation von Bewe-gungssegmenten mit Implantaten und dem Ziel einer„temporären“ Ruhigstellung des Bewegungssegmentessollte im allgemeinen Sprachgebrauch als segmentaleStabilisation bezeichnet werden. Von einer Spondylodesewird gesprochen, wenn zusätzlich zur Stabilisation Gelen-ke eröffnet und/oder Knochenmaterial angelagert wird,um eine dauerhafte knöcherne Überbrückung (Fusion)eines oder mehrerer Bewegungssegmente zu erreichen.

Seit der Einführung des ventralen Zugangs zur Halswir-belsäule durch Robinson werden weltweit traumatischeVerletzungen der subaxialen Halswirbelsäule mit gutemklinischem Erfolg behandelt. Als Voraussetzung für einedefinitive ventrale Spondylodese gilt bis heute eine ad-äquate ventrale Diskektomie, über die auch der Spinal-kanal ausreichend dekomprimiert werden kann. Nach al-leiniger zervikaler Diskektomie ohne anschließende inter-vertebrale Stabilisation/Fusion verbleibt ein instabiles Be-wegungssegment. Die daraus resultierende segmentaleKyphosierung führt meist zu einer Heilung in Fehlstel-lung, die sich ungünstig auf die Statik der Halswirbelsäuleauswirkt und die mechanische Beanspruchung der An-

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schlusssegmente verstärken kann. Daher wird allgemeineine intervertebrale Spondylodese unter Erhalt/Rekon-struktion der Bandscheibenraumhöhe nach Diskektomieempfohlen.

Lange Zeit wurde der autologe trikortikale Beckenkamm-span als Standardtransplantat genutzt, um eine interver-tebrale Fusion zu erreichen. Probleme resultierten ausder unzureichenden Primärstabilität des Beckenkamm-spantransplantats, sodass Hermann [3] die Verwendungeiner zusätzlichen zervikalen Platte empfahl, um Kompli-kationen bei Verwendung des Beckenkammspans zu ver-meiden. Letztendlich hat sich die Verwendung einer ad-ditiven Platte bei der ventralen Spondylodese zur Versor-gung einer traumatischen HWS-Verletzung durchgesetzt[4].

Mehr und mehr verdrängt wurde der autologe Becken-kammspan durch die Einführung von metallischen Platz-haltern, die eine hohe Primärstabilität aufweisen und kei-ne Entnahmemorbidität in der Beckenregion bedingen.Aktuell können Cages verschiedener Designs (z. B. zylin-drisch, boxförmig) aus verschiedenen Materialien (z. B.Titan, PEEK) von den Herstellern bezogen werden, wobeidie Verwendung einer additiven Platte weiterhin als Stan-dard bei der Frakturversorgung gilt.

Indikation zur ventralen SpondylodeseFür Verletzungen mit neurologischen Ausfallserscheinun-gen verdichten sich die wissenschaftlichen Hinweise, dasseine zügige Dekompression des Spinalkanals mit nachfol-gender adäquater segmentaler Stabilisation ein verbes-sertes neurologisches Outcome zur Folge hat [5]. Daherist die akute traumatische Querschnittslähmung odereine akute radikuläre Ausfallserscheinung eine absoluteOP-Indikation. Ebenfalls besteht bei bildmorphologischinstabiler Fraktur eine absolute OP-Indikation, da diesezu einer neurologischen Verschlechterung des Patientenführen kann. Für die Definition einer Instabilität bestehtaktuell kein allgemeingültiger Konsens, wobei imdeutschsprachigen Raum A3-, A4-, B- und C-Verletzun-gen typischerweise als instabil angesehen werden. Radio-logische Hinweise auf eine Instabilität ergeben sich ge-mäß der unten angegebenen Kriterien, für deren Abklä-rung im Zweifel funktionsradiologische Untersuchungender Halswirbelsäule herangezogen werden können.

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Page 2: Verletzungen der Halswirbelsäule: ventrale ... · V Vertebra cervicalis VI Vertebra cervicalis a b Abb.3 Darstellung der Wirbelkörpervorderfläche per linksseitigem Smith-Robinson-Zugang.

AOSpine-Klassifikation

A0

konservative

Therapieventrale

mono-

segmentale

Fusion

A1 + A2

Kyphose-

winkel mono-

segmental

< 15°?

A3

Wirbelkörper-

destruktion

< 50%?

A4

ggf. additive dorsale Fusion/Dekompression

ventrale mindestens bisegmentale Fusion ventral A4

B1

dorsale

Stabilisation/

Fusion ggf. De-

kompression

B2 B3

Modifier M3?

neinnein

neinja

janein

ja

ja

ventral A3

C

geschlossene

Reposition

erfolgreich?

siehe

Abb. 17

▶ Abb. 1 Therapieschema der Autoren für AOSpine-A- und -B-Verletzungen sowie geschlossen reponible C-Verletzungen (grüne Pfeile = ja; rotePfeile = nein). Aus [2] mit freundlicher Genehmigung von Thieme.

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Instabilitätskriterien gemäß Panjabi et al. [6]:▪ anterioposteriore Translation > 3mm▪ segmentale Kyphose > 11°▪ Facettensubluxation > 50% der Gelenkfläche

Prinzipiell können nahezu alle subaxialen HWS-Verletzun-gen primär über einen ventralen Zugang versorgt wer-den, wobei die weichteilschonende Präparation dengrößten Vorteil des ventralen Zugangs darstellt. Bei denventralen Fusionstechniken kann zwischen einem inter-vertebralen – meist monosegmentalen – Fusionsverfah-ren („anterior cervical decompression and fusion“ –ACDF) und einem mehrsegmentalen Fusionsverfahrenunter Resektion eines oder mehrerer Wirbelkörper („an-terior cervical corporectomy and fusion“ – ACCF) unter-schieden werden.

Vor- und Nachteile des ventralen Zugangs:

Vorteile:▪ einfache Lagerung (Rückenlage)▪ Zugang weichteilschonend▪ direkte Dekompression bei ventraler Kompression

(A3-, A4-Frakturen) möglich▪ kurzstreckige Versorgung möglich▪ segmentale Kyphosekorrektur▪ geringere Komplikationsrate (Blutverlust, Infektions-

rate)

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Nachteile:▪ temporäre Dysphagie▪ Risiko für Verletzung viszeraler Strukturen (Ösophagus

und Trachea)▪ Rekurrensparese oder Horner-Syndrom möglich▪ offene Reposition technisch aufwendig (C-Verletzung)

Kontraindikationen für eine isolierte ventrale Fusion stel-len verhakte Luxationsfrakturen (AOSpine C, F4) dar, dieweder geschlossen noch offen über einen ventralen Zu-gang reponiert werden können. Eine weitere Frakturenti-tät, die eher primär von dorsal langstreckig stabilisiertwerden sollte, stellen AOSpine-B3-Frakturen bei MorbusBechterew (siehe Beitrag „HWS-Frakturen bei ankylosie-renden Erkrankungen“ im selbigen Heft) dar.

Das nachfolgende Flussschema (▶ Abb. 1) kann Sie – dieKenntnis der korrekten Frakturklassifikation wird voraus-gesetzt – bei der Wahl der geeigneten Operationsstrate-gie unterstützen.

Aufklärung undOperationsvorbereitung

Bei der Aufklärung für eine ventrale Fusion sollte auf dietypischen perioperativen und postoperativen Risiken desgewählten Zugangs/der Versorgungsstrategie eingegan-gen werden.

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▶ Abb. 2 a Rückenlagerung im Kopfring mit reklinierter Halswirbelsäule. b Seitliche Durchleuchtung der HWS mit Zug an denArmen über eine Pflasterzügelung.

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Zu nennende Risiken:▪ Lagerungsschaden▪ Verletzung von Trachea oder Ösophagus▪ intraoperative Blutung (epiduraler Venenplexus,

A. carotis, V. jugularis)▪ Nachblutung/Hämatom mit ggf. notfallmäßiger Revi-

sionsindikation▪ Verletzung N. laryngeus recurrens→ Stimmbandpare-

se mit Heiserkeit▪ Verletzung des Grenzstranges → Horner-Syndrom▪ Verletzung von Nervenwurzeln/Rückenmark → Radi-

kulopathie/Querschnittsyndrom▪ Eröffnung der Dura → Durafistel▪ selten Wundheilungsstörungen/Wundinfekt▪ Implantatversagen/Lockerung der Implantate▪ Pseudarthrose▪ Anschlusssegmentproblematik▪ Reststenose der Neuroforamina

Für die Operation werden die Patienten meist oral intu-biert. Da der Beatmungsschlauch nach kranial über denKopf geführt werden sollte, ist die Verwendung eines Spi-raltubus zu empfehlen, um das Abknicken des Tubus mitnachfolgenden Beatmungsproblemen zu vermeiden. Zu-sätzlich ist eine Cuffdruckmessung notwendig, um denCuffdruck intraoperativ regulieren zu können. Bei hoch-instabiler Fraktursituation sollte ggf. videolaryngosko-pisch intubiert werden, um die Halswirbelsäule so wenigwie möglich zu manipulieren. Bei Intubationsschwierig-keiten kann der ggf. anliegende Stiffneck geöffnet oderauch entfernt werden, wobei der Kopf dann manuell im-mobilisiert werden muss. Alternativ kann eine fiberopti-sche Wachintubation geplant werden. Es sollte immereine Magensonde eingelegt werden, um den Ösophagusintraoperativ tasten zu können und dessen Lage im Zu-gang zu verifizieren.

Schol

MerkeOP-Tipp: Zur Reduktion des Risikos für eine Ösopha-gusverletzung sollte der Ösophagus durch eine Ma-gensonde geschient werden. Dadurch kann dieserintraoperativ leichter identifiziert und geschont wer-den.

OP Technik

Lagerung

Für die ventrale Spondylodese wird der Patient in Rücken-lage gelagert. Wichtig dabei ist eine ausreichend stabileLagerung des Kopfes. Bei hochinstabilen Halswirbelsäu-lenverletzungen erbringt die Lagerung in einer Mayfield-Klemme die höchste Stabilität. Alternativ kann in einerKopfschale oder auch in einem Kopfring (▶Abb. 2a) ge-lagert werden. Eventuell noch anliegende Orthesen sindzu entfernen. Wenn frakturbedingt möglich, sollte dieHalswirbelsäule in physiologischer Lordose eingestelltwerden, um die Halswirbelsäule später nicht in kyphoti-scher Fehlstellung zu fusionieren. Nach erfolgter Lage-rung sollte zeitnah eine Stellungskontrolle mittels einesBildverstärkers (BV) sowohl im seitlichen als auch ima.–p. Strahlengang erfolgen, um die adäquate Lagerungund achsgerechte Stellung der Halswirbelsäule zu verifi-zieren. Die seitliche Durchleuchtung der unteren Halswir-belsäule kann durch die Überprojektion des Schultergür-tels erschwert sein. Hier können die Arme ggf. vorsichtigmittels Zugeinrichtung oder Pflasterzügelung nach kau-dal gezogen werden, um eine ausreichende intraopera-tive Visualisierung der subaxialen Halswirbelsäule im seit-lichen Strahlengang zu ermöglichen (▶ Abb. 2b).

Zugang

Der anterolaterale (ventrale) Zugang ist der Standard-zugang zur Versorgung von Halswirbelsäulenverletzun-gen. Dieser Zugang erfolgt weichteilschonend streng

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1 M. sternohyoideus2 M. sternohyroideus3 M. sternocleidomastoideus4 M. longus colli5 M. scalenus anterior6 M. scalenus medius7 M. scalenus posterior8 A. carotis communis9 V. jugularis interna10 V. jugularis externa11 Vasa vertebralia12 Trachea13 Oesophagus14 Glandula thyroidea15 Fascia cervicalis, Lamina superficialis16 Fascia cervicalis, Lamina praetrachealis17 Fascia cervicalis, Lamina praevertebralis18 N. vagus19 N. laryngeus recurrens20 Lig. longitudinale anteriusV Vertebra cervicalisVI Vertebra cervicalis

a

b

▶ Abb. 3 Darstellung der Wirbelkörpervorderfläche per linksseitigem Smith-Robinson-Zugang. Aus [2] mit freundlicher Genehmi-gung von Thieme.

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medial des M. sternocleidomastoideus, entlang anato-misch vorgegebener Verschiebeschichten (▶ Abb. 3).Der Hautschnitt kann horizontal (▶ Abb. 4) ausgehendvon der Mittellinie bis zum M. sternocleidomastoideusin Projektion auf das destruierte Bewegungssegment(Cloward-Zugang) oder auch longitudinal direkt am Vor-derrand des M. sternocleidomastoideus erfolgen (Smith-Robinson-Zugang). Der Cloward-Zugang eignet sich beimonosegmentalen und bisegmentalen Pathologien undergibt das kosmetisch günstigere Ergebnis. Bei bi- odervor allem bei multisegmentalen Pathologien sollte derSmith-Robinson-Zugang gewählt werden, da sich dieserunproblematisch nach kranial oder kaudal erweiternlässt.

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Ob der Zugang von links oder rechts durchgeführt wird,obliegt der klinischen Erfahrung und Präferenz des Chi-rurgen. Nach erfolgtem Hautschnitt, subtiler Blutstillungund Eröffnung des Platysmas sollten die weitere Präpara-tion und Dissektion stumpf erfolgen, um das Risiko fürdie Verletzung vaskulärer, viszeraler und neuraler Struk-turen zu reduzieren. Dabei ist es hilfreich, nach Identifika-tion des M. sternocleidomastoideus (▶ Abb. 5a) die Tra-chea und den Ösophagus mit einem Haken (z. B. Zenker-Haken) nach medial zu mobilisieren und die A. carotis zutasten. Diese Arterie muss dabei zwingend lateral desPräparationsfeldes getastet und belassen werden.

Bei korrekter Präparation kann dann in der Tiefe der ven-trale Anteil der Halswirbelsäule getastet werden

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▶ Abb. 4 a Planung des horizontalen linksseitigen Cloward-Zugangsmedial des M. sternocleidomastoideus. b Situs nach Hautschnitt.

▶ Abb. 5 a Situs nach Eröffnung des Platysmas mit Darstellung desM. sternocleidomastoideus. b Situs nach stumpfer Präparation undDarstellung des ventralen Anteils der Halswirbelsäule.

▶ Abb. 6 a Situs nach Einbringen des Weichteilsperrers unterhalb desM. longus colli. b Situs nach zusätzlichem Einbringen des Caspar-Sper-rers.

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(▶ Abb. 5b). Gegebenenfalls muss die darüber liegendetiefe Halsfaszie mit der Schere eröffnet werden. Bei derExposition empfiehlt es sich, das kranial und kaudal derLäsion gelegene Segment ebenso zu exponieren, um dieRetraktionskräfte zu reduzieren und das spätere Anbrin-gen der Platte zu erleichtern. Danach sollte der ventralauf der Halswirbelsäule liegende M. longus colli beidseitsvorsichtig von medial mobilisiert werden, um den Weich-teilsperrer darunter platzieren zu können (▶Abb. 6a). Daauf dem Muskel sympathische Nervenfasern verlaufen,sollte die Verwendung von monopolarem Strom odereine ausgedehnte bipolare Koagulation vermieden wer-den. Eine Läsion dieses sympathischen Nervengeflechteskann ein temporäres oder ggf. dauerhaftes Horner-Syn-drom zur Folge haben.

MerkeOP-Tipp: Die Anpassung und Reduktion des Cuffdru-ckes nach dem Einbringen der Weichteilsperrer kanndie Häufigkeit einer Rekurrensparese reduzieren [7].

Bei korrektem Zugang sollte abschließend das Gefäß-Nerven-Bündel (A. carotis, V. jugularis, N. vagus) lateraldes Zugangs gelegen sein und sich die Trachea wie auchder durch eine Magensonde geschiente Ösophagus me-dial des Zugangs tasten lassen.

CaveCave: Eine Präparation lateral der A. carotis und spä-tere Retraktion nach medial erhöht das Risiko für eineGefäß-/Nerven-Verletzung und kann eine Minder-durchblutung des Gehirns bzw. einen Schlaganfallbedingen.

Durch Einbringen jeweils eines Steinmann-Pins kranialund kaudal des verletzten Segmentes (ACDF) oder kranialund kaudal des verletzten Wirbelkörpers (ACCF) und Ver-wendung eines Distraktors (z.B. Caspar-Distraktor) kanndie spätere segmentale Dekompression vereinfachen.Die Caspar-Pins sollten streng in der Mittellinie einge-bracht werden, damit das Bohrloch nicht mit den späte-ren Schraubenkanälen der Platte konkurriert. In denmeisten Fällen ist eine parallele Ausrichtung der Pinszum Bandscheibenraum zu empfehlen, um ein parallelesAufspreizen des Bandscheibenraumes zu ermöglichen(▶ Abb. 6b).

CaveCave: Eine segmentale Überdistraktion – insbeson-dere bei diskoligamentärer Instabilität – sollte ver-mieden werden!

Dekompression

Die ventrale Dekompression lässt sich am besten unterVerwendung eines Mikroskops oder alternativ unter Ver-wendung einer Lupenbrille durchführen. Die Autorenpräferieren die Verwendung des Mikroskops wegen der

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▶ Abb. 7 a Inzision der Bandscheibe mit dem Skalpell. b Situs nach Er-öffnen des hinteren Längsbandes mit Darstellung der unverletzten Dura.

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hervorragenden Ausleuchtung des Operationsfeldes undder entsprechenden optischen Vergrößerung. Im Wei-teren empfiehlt sich die Verwendung des Mikroskopsauch unter Ausbildungskriterien, da Operateur und Assis-tent das Gleiche sehen. Im Gegensatz dazu hat bei Ver-wendung einer Lupenbrille nur der Operateur einen ad-äquaten Einblick in den Operationssitus.

Bei geplanter ACDF ist zur ventralen Dekompression desMyelons häufig eine Diskektomie ausreichend (A3-Frak-tur, B2- und C-Verletzung mit ventraler A0-, A1- oderA3-Komponente). Liegt eine A4-Fraktur oder eine B2-/C-Verletzung mit ventraler A2- und/oder A4-Komponentevor, ist meist eine Korporektomie notwendig, die ggf.auch über mehrere Wirbelkörper/Segmente erfolgenkann.

ACDF

Falls die Bandscheibe nicht schon durch die Verletzungzerrissen ist, wird diese mit dem 11er-Skalpell zunächstkaudal und dann kranial eröffnet (▶ Abb. 7a). Dabei soll-te von der Mittelinie bis zum linken und rechten Proces-sus uncinatus geschnitten werden, wobei der Processusuncinatus eine Eröffnung des lateralen Anulus bzw. eineLäsion der Vertebralarterie verhindert. Es sollte nicht tie-fer als 10mm inzidiert werden, um eine akzidentelleEröffnung der Dura zu verhindern. Anschließend wird dieBandscheibe mittels Fasszange, scharfem Löffel und Kü-rette entfernt. Dabei sollte auch der knorpelige Überzugder Endplatten entfernt werden, bis petechiale Blutun-gen auftreten. Anschließend muss noch die Hinterkantedes frakturierten Wirbelkörpers unterschnitten werden,falls eine relevante spinale Stenose besteht. Ob eineEröffnung des hinteren Längsbandes notwendig ist,hängt vom Ausmaß der Spinalkanalstenose, ggf. intraspi-nal liegenden Bandscheibensequestern oder vom Vor-handensein eines intraspinalen Hämatoms ab. Könnendiese Pathologien z.B. im MRT sicher ausgeschlossenwerden, muss das hintere Längsband nicht zwingenderöffnet werden. Im Zweifelsfall ist eine Eröffnung deshinteren Längsbandes und die chirurgische Spinalkanal-Clearance zu empfehlen (▶ Abb. 7b). Bei Radikulopathieaufgrund einer frakturbedingten Enge des Neurofo-ramens ist zusätzlich eine Unkoforaminotomie notwen-dig, um den Spinalnerv von ventral zu entlasten.

CaveCave: Bei der Unkoforaminotomie sollte beachtetwerden, dass die A. vertebralis im Foramen transver-sarium durch knöcherne Fragmente verletzt seinkann, aber auch iatrogen eine Verletzung möglich ist.

Bei möglicherweise auftretenden venösen epiduralenBlutungen sollte eine sichere und schnelle Blutstillungoberste Priorität haben. Hier kann eine epidurale Instilla-tion von Wasser, die vorsichtige bipolare Koagulationoder temporäre Einlage von Hämostyptika mit Hirnwatte

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zu einer Blutstillung führen. Bei persistierender venöserBlutung kann ein injizierbares Hämostyptikum (z. B. Flo-Seal®) verwendet werden, um eine schnelle und sichereBlutstillung zu erreichen. Abschließend sollte eine voll-ständige Dekompression des Spinalkanals und des Neu-roforamens mit dem Tasthaken unter seitlicher Durch-leuchtung dokumentiert werden.

ACCF

In Analogie zur Dekompression bei der ACDF erfolgt beigeplanter Korporektomie zunächst die Entfernung derkranialen und kaudalen Bandscheibe inklusive Dekom-pression der Hinterkante, falls möglich. Danach kann derzerstörte Halswirbel mittels Luer, Stanze oder Fräse bisauf die Hinterkante abgetragen werden. Die Hinterkantekann dann entweder mit der Stanze oder der Diamantfrä-se entfernt werden, wonach der Spinalkanal ausreichenddekomprimiert sein sollte. Fakultativ kann dann nocheine Foraminotomie durchgeführt werden, sollte eine re-levante knöcherne Foramenstenose bestehen. Die Sei-tenwände des frakturierten Wirbelkörpers können i.d.R.in situ verbleiben. Eventuell bestehende venöse Blutun-gen aus der Restspongiosa können gut mit der Diamant-fräse gestoppt werden.

CaveCave: Bei eventuell geplanter Resektion der Seiten-wände des frakturierten Wirbelkörpers sollte dieanatomische Nähe der Vertebralarterie bedacht wer-den, die direkt neben der Seitenwand des Wirbelkör-pers verläuft (▶ Abb. 8).

Implantate

Die Spondylodese kann entweder intersegmental (mono-,bi- oder auch multisegmental) mittels Cage und additiverventraler Platte erfolgen (▶ Abb. 9 und 10). Wichtig da-bei ist die korrekte Einstellung der segmentalen Lordose.Dafür sollten entsprechend lordotisch geformte Cagesgewählt und die ventrale Platte zusätzlich lordotisch vor-

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▶ Abb. 8 Axialer CT-Schnitt mit Kontrastmitteldarstel-lung der A. vertebralis und Demonstration der Nähe derVertebralarterie zur Wirbelkörperseitenwand.

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gebogen werden. Bei ventraler kompletter Berstung(AOS A4) oder mehrsegmentaler Operation mit Notwen-digkeit zur Korporektomie können metallische Wirbel-körperersatzimplantate (z. B. expandierbare Cages) mitzusätzlicher ventraler Platte verwendet werden(▶ Abb. 11). Alternativ kann anstatt metallischer Cagesauch ein autologes trikortikales Beckenkammspantrans-plantat verwandt werden. Aufgrund der Entnahmemor-bidität und der unzureichenden mechanischen Primär-stabilität wird zunehmend auf die Verwendung von auto-logen Knochenspänen verzichtet.

Nach Beendigung der Dekompression werden dann Pro-be-Cages unter seitlicher Röntgenkontrolle vorsichtig inden Diskektomie-/Korporektomiedefekt eingebracht,um die adäquate Implantatgröße zu bestimmen. EineÜberdistraktion durch einen zu hohen Cage sollte hierbeivermieden werden. Nach Auswahl des geeigneten Im-plantats und wird dieses auf dem Cage-Halter montiert.Die Cages können mit dem bei der Dekompression ge-wonnenen autologen Knochenmaterial gefüllt werdenbzw. dieses kann in der Korporektomiesituation lateralder Cages für die ventrale Spondylodese angelagert wer-den. Ist nicht genügend autologer Knochen vorhanden,ergibt die Füllung der Cages mit z.B. mit β-Trikalzium-phosphat ebenso hervorragende Fusionsergebnisse [8].

Anschließend wird der Cage unter seitlicher Röntgenkon-trolle bis zum gewünschten Sitz in den Diskektomie-/Kor-porektomiedefekt eingebracht. Wirbelkörperersatzim-plantate werden ggf. expandiert, um den Defekt adäquatzu überbrücken. Auch hier sollte wiederum eine Überdis-traktion vermieden werden. Anschließend wird der Cage-Halter entfernt und ebenso der Caspar-Distraktor de-montiert. Anschließend sollte die korrekte Implantatlageauch im a.–p. Strahlengang dokumentiert werden.

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CaveCave: Ein zu tiefes Einbringen (Überschreitung derHinterkante) sollte unbedingt vermieden werden, umeine Kompression des Duralsackes zu vermeiden.OP-Tipp: Venöse Blutungen aus den Bohrlöchern fürdie Caspar-Pins können mit Knochenwachs zügig ge-stoppt werden.

Nach dem Einbringen des Cages sollte eine zusätzlicheventrale Platte aufgebracht werden, um das Bewegungs-segment/die Bewegungssegmente zu stabilisieren. Diesewird entweder mit mono- oder bikortikalen Schraubensicher im Knochen verankert. Bei Verwendung einer win-kelstabilen Platte-Schrauben-Verbindung hat sich diemonokortikale Schraubenplatzierung bewährt [9, 10].

Wichtig ist die Auswahl einer geeigneten Länge der Plat-te, die nicht mit dem angrenzenden Bandscheibenrauminterferieren sollte. Empfohlen wird hier, einen Abstandvon ca. 2–3mm bis zum angrenzenden Bandscheiben-raum einzuhalten. Um auch in der Frontalebene eine ad-äquate Ausrichtung der Platte sicherzustellen, wird dietemporäre Plattenfixierung mit mindestens 2 Spikes undanschließender a.–p. BV-Kontrolle vor definitiver Boh-rung und Verschraubung der Platte empfohlen. Die Boh-rung sollte dann mit entsprechenden Bohrern mit Tiefen-anschlag unter seitlicher BV-Kontrolle erfolgen, um eineadäquate Trajektorie der Bohrung sicherzustellen.

Dann wird der Situs gespült und der Weichteilsperrer vor-sichtig entfernt. Abschließend erfolgen die Überprüfungund Dokumentation der korrekten Lage der Instrumenta-tion und des korrekten Alignments der Halswirbelsäule in2 Ebenen mittels BV.

Wundverschluss

Die Autoren empfehlen standardmäßig eine prävertebra-le Redon-Drainage einzulegen, die ggf. an der Haut an-genäht werden sollte. In Abhängigkeit der Blutungssitua-tion kann diese entweder als Sog- oder als Ablaufdraina-ge verwendet werden. Die Wunde wird mehrschichtigverschlossen, wobei für das Platysma und die Subkutisein resorbierbares Nahtmaterial verwandt wird. DerHautverschluss erfolgt dann entweder mittels Klebung(z. B. Dermabond®) oder Naht, wobei die intrakutaneNaht ein kosmetisch besseres Ergebnis im Vergleich zurDonati-Rückstichnaht ergibt.

Ventrale Fusion bei verhakter Facetten-gelenksluxation (AOSpine C, F4)

Frakturen mit Translation werden als C-Verletzungenklassifiziert. Um die Fusion in achsgerechter Stellung zuermöglichen, ist die adäquate Reposition zwingend erfor-derlich. Vor Reposition ist die Durchführung einer MRT-Untersuchung zu empfehlen, um nach einem Bandschei-

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Page 8: Verletzungen der Halswirbelsäule: ventrale ... · V Vertebra cervicalis VI Vertebra cervicalis a b Abb.3 Darstellung der Wirbelkörpervorderfläche per linksseitigem Smith-Robinson-Zugang.

▶ Abb. 9 42-jähriger neurologisch unauffälliger Patient nach Sportunfall. a Nativradiologische Darstellung einer Spondylolisthese HWK VI/VII.b CT-Darstellung der unilateralen Facettengelenksfraktur HWK VI/VII. c Nativradiologische Verlaufskontrolle 6 Monate nach Reposition und ven-traler Spondylodese per ACDF.

▶ Abb. 10 35-jährige Patientin mit Contusio spinalis nach Fahrradsturz. a Nativradiologische Darstellung der Dornfortsatz-/Laminafraktur HWKV + VI. b Sagittale CT-Rekonstruktion, roter Pfeil: Spondylchondrose mit Retrospondylophyt. c MRT mit Darstellung einer spinalen Stenose sowieDarstellung der Verletzung des vorderen Längsbandes HWK VI/VII. d Röntgenverlaufskontrolle 12 Monate nach bisegmentaler ventraler Fusion(ACDF).

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bensequester zu fahnden. Dieser könnte im Rahmen derReposition zu einer Myelonkompression führen und eineneurologische Verschlechterung bedingen. Unterschie-den werden muss zwischen geschlossen reponierbarenund geschlossen nicht reponierbaren Verletzungen(▶ Abb. 12). Nach erfolgreicher geschlossener Repositionist die standardisierte ventrale Dekompression und Fusi-on möglich, die in Abhängigkeit von der ventralen De-struktion per ACDF (ventral A3-Fraktur) oder per ACCF(ventral A4-Fraktur) erfolgen kann. Durch die ventraleDekompression kann ein potenzieller intraspinaler Band-scheibensequester in den meisten Fällen unkompliziertentfernt werden. Häufig ist aber aufgrund der ausgepräg-ten dorsalen ligamentären Instabilität noch eine additivedorsale Zuggurtung notwendig. Diese kann einzeitigoder zweizeitig durchgeführt werden.

Scholz M et al. Verletzungen der Halswirbelsäule:… OP-JOURNAL 2018; 34: 138–150

Bei geschlossen nicht reponierbarer Fraktur muss eine of-fene Reposition durchgeführt werden (▶ Abb. 13a,b).Diese kann, je nach Erfahrung des Operateurs, von ven-tral oder von dorsal durchgeführt werden.

Die größte Sicherheit für den Patienten ergibt sich beiprimär ventralem Zugang und zunächst Durchführungder Diskektomie und Spinalkanal-Clearance. Daran solltesich der Versuch der ventralen Reposition anschließen,wobei die Kompression divergierend eingebrachterCaspar-Pins (▶ Abb. 13c) und die Flexion der HWS untermoderatem Längszug hilfreich sind. Ist die offene ventra-le Reposition erfolgreich, kann primär zunächst nur vonventral mittels Cage und Platte fusioniert werden. In Ab-hängigkeit von Frakturausmaß, Distension der Facetten-gelenke und Ausmaß der residualen Instabilität kann eineadditive dorsale Zuggurtung ein- oder zweizeitig durch-geführt werden (▶Abb. 13d–f). Ist die ventrale Reposi-

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Page 9: Verletzungen der Halswirbelsäule: ventrale ... · V Vertebra cervicalis VI Vertebra cervicalis a b Abb.3 Darstellung der Wirbelkörpervorderfläche per linksseitigem Smith-Robinson-Zugang.

▶ Abb. 11 19-jähriger Patient nach Motorradunfall mit komplettem Querschnitt ASIA A bei HWS-Mehretagenverletzung. a Frakturmorphologieim CT. b Zustand nach primärer Korpororektomie und WK-Ersatz HWK IV+V. c Zustand nach dorsaler additiver Fusion HWK III–VI. d MRT nach12 Monaten mit Darstellung des frakturbedingten Myelonschadens.

geschlossene Reposition

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nein

nein

janein

nein

ja

ja

nicht

erfolgreicherfolgreich

ACDF

offene ventrale

Dekompression

keine

dorsale OP

Facettenpathologie

nach ACDF:

Distraktion oder

Facettenfraktur F2

Reposition

erfolgreich?

offene dorsale Re-

position/Stabilisa-

tion, ggf. ACDF

offene dorsale Reposition (ggf. Stabilisation)

+ ACDF

MRT-Band-

scheibensequester

additive dorsale

Stabilisation/Fusion

frisches Trauma

▶ Abb. 12 Behandlungsschema der Autoren bei verhakten Luxations-frakturen (AOS C). Aus [2] mit freundlicher Genehmigung von Thieme.

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tion nicht erfolgreich, ist nach Diskektomie die dorsaleReposition und ggf. Stabilisation durchzuführen. Danachsollte erneut von ventral zugegangen werden, um denSpinalkanal auszutasten und die Stabilisation/Fusion mit-tels Cage und additiver Platte zu vollenden. Das folgendeFließschema wird vonseiten der Autoren bei verhaktenLuxationen verwandt.

NachbehandlungIn Abhängigkeit von der Frakturmorphologie und vomAusmaß der Instabilität der dorsalen Säule ist die Indika-tion zur additiven dorsalen Zuggurtung zu evaluieren. Als

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mögliche Indikation für eine additive dorsale Fusion nachACDF/ACCF gelten [1,2]:▪ Hyperflexionsverletzung mit segmentaler Restkypho-

se▪ Überdistraktion der Facettengelenke▪ inadäquate Knochenqualität▪ mehrsegmentale Korporektomie und WK-Ersatz▪ primär ventrale Versorgung von Verletzungen bei an-

kylosierender Erkrankung der HWS

Bei geplanter zweizeitiger Versorgung sollte in diesen Fäl-len ggf. überbrückend eine Zervikalorthese verordnetwerden. In allen anderen Fällen wird mit der operativenventralen Versorgung eine übungsstabile Situation ange-strebt. Eine Zervikalorthese ist bei stabiler Versorgungdaher nicht erforderlich. Die Mobilisation des Patientenbeginnt, soweit bei potenziellen Begleitverletzungenmöglich, am 1. postoperativen Tag. Eine tägliche Wund-kontrolle ist erforderlich.

CaveCave: Sollte eine Sogdrainage verwandt worden sein,sollte vor Entfernung der Sog neutralisiert werden,um vaskuläre Komplikationen (Nachblutung) zu ver-meiden.

Während der ersten 6 Wochen sollte zur Unterstützungder knöchernen Fusion jegliche die Halswirbelsäule mobi-lisierende Krankengymnastik unterbleiben. Eine Rönt-genkontrolle ist spätestens nach 12 Wochen zu empfeh-len, um eine Implantatkomplikation auszuschließen. Soll-te nativradiologisch der Verdacht auf eine Implantatkom-plikation aufkommen, ist eine computertomografischeDiagnostik (CT) zu empfehlen. Routinemäßige CT-Ver-laufskontrollen zur Dokumentation des Fusionsstatuswerden aus Gründen des Strahlenschutzes nicht empfoh-len. Nach spätestens 12 Wochen kann der Patient dann

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Page 10: Verletzungen der Halswirbelsäule: ventrale ... · V Vertebra cervicalis VI Vertebra cervicalis a b Abb.3 Darstellung der Wirbelkörpervorderfläche per linksseitigem Smith-Robinson-Zugang.

▶ Abb. 13 38-jährige Patientin nach Pferdesturz mit inkomplettem Querschnitt ASIA B bei HWK‑VI/VII-Luxation und nebenbefundlicher idio-pathischer Skoliose. a Sagittale CT-Rekonstruktion mit bilateral luxierten und verhakten Facetten. b Gescheiterter Versuch der geschlossenenReposition. c Verlauf der erfolgreichen offenen Reposition. d Röntgen der HWS nach ACDF. e MRT postoperativ mit Darstellung der insuffizientendorsalen Zuggurtung. f HWS-Röntgenbild nach additiver dorsaler Zuggurtung (7 Monate Follow-up) bei komplett rückläufiger Neurologie (ASIAE). Aus [2] mit freundlicher Genehmigung von Thieme.

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die Halswirbelsäule zunehmend belasten, und es kanneine aktive Krankengymnastik verordnet werden.

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KomplikationenBei Komplikationen nach ventraler Spondylodese an derHWS kann zwischen intraoperativen und postoperativenKomplikationen unterschieden werden.

Intraoperative KomplikationenParese des N. laryngeus recurrens

Dieser Nerv ist während der Präparation beim Zugangund durch den intraoperativen Druck des Retraktors ge-fährdet. Patienten mit einer Läsion des N. laryngeus re-currens klagen postoperativ über Heiserkeit, und es stelltsich ein einseitiger Stimmbandstillstand bei der Laryngo-skopie dar. Die Häufigkeit von temporären Beschwerdenwird in der Literatur mit 11% und von permanenten Be-schwerden mit 2–8% angegeben [7,11]. Ob die Wahlder Zugangsseite die Rate der Nervenläsionen reduzierenkann, wird seit Langem kontrovers diskutiert. Der Zugangvon rechts ist aber zumindest theoretisch mit einer höhe-ren Rate von Läsionen des N. laryngeus recurrens ver-gesellschaftet. Andererseits können Druckläsionen beizu hohem Cuffdruck ebenfalls zu einer Störung desN. laryngeus recurrens führen. Daher sollte nach dem

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Platzieren der Weichteilsperrer der Tubuscuff kurzzeitigentblockt und dann mit maximal 20–25mmHg geblocktwerden, um eine optimale Lage des Tubuscuffs und einegünstigere Druckverteilung zu erreichen. Die Rate vonpostoperativen Rekurrensparesen kann dadurch verrin-gert werden [7].

Horner-Syndrom

Eine intraoperative Läsion des sympathischen Grenz-stranges kann zu dem selten postoperativ auftretendenSymptomkomplex von Miosis, Ptosis und Enophthalmus(Horner-Syndrom) führen [12,13]. Ursächlich ist meisteine zu ausgedehnte mono- oder bipolare Koagulationauf dem M. longus colli, auf dessen lateralem Rand dassympathische Nervengeflecht verläuft. Zur Prophylaxesollte nicht mit monopolarem Strom im Bereich desM. longus colli gearbeitet werden, die bipolare Blutstil-lung sollte sparsam erfolgen und der Muskel nur scho-nend, ausgehend vom medialen Rand, nach lateral mobi-lisiert werden.

Querschnittlähmung

Sowohl die Lagerung des Patienten als auch potenzielleRepositionsmanöver sollten nur sehr vorsichtig und unterregelmäßigen BV-Kontrollen durchgeführt werden, umeine potenzielle Kompression des Rückenmarks zu ver-

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▶ Abb. 14 Zum Unfallzeitpunkt 14-jährige Patientin nach Kopfsprung ins flache Wasser mit inkomplettem Querschnitt ASIA C bei HWK‑IV/V-Hyperflexionsverletzung. a Sagittale CT-Rekonstruktion mit Nachweis der segmentalen Kyphose und eines Ausrisses des hinteren Längsbandes.b Natives Röntgenbild nach ACDF mit persistierender Kyphose und nur 50% Überdeckung der Facettengelenke. c Progrediente Nackenschmerzenund Nachweis eines Schraubenbruches mit persistierender Instabilität im Funktionsröntgen 4 Jahre nach Erstversorgung. d Darstellung der Fehl-heilung (Pseudarthrose) im CT. e Röntgenbild nach ventrodorsoventraler Revision. f CT-Kontrolle 2 Jahre post-OP und Darstellung der vollständi-gen Fusion HWK III–V sowie einer asymptomatischen Anschlussdegeneration HWK III/IV.

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meiden bzw. frühzeitig zu detektieren. Ebenso sollte dasEinbringen der Implantate radiologisch überwacht wer-den, um eine Implantatfehllage zu weit dorsal im Spinal-kanal mit Myelonkompression zu verhindern. Nach not-wendiger Frakturreposition (C-Verletzung) ist eine intra-operative Clearance des Spinalkanals und ggf. eine not-wendige Entfernung von intraspinal verschleppten Band-scheibensequestern obligat.

Vaskuläre Läsion

Intraoperative arterielle Gefäßverletzungen (z. B. derA. vertebralis) mit nachfolgenden Blutungen sind seltenund werden in der Literatur mit 0,3–0,5% angegeben[14,15]. Verletzungsmöglichkeiten sind insbesondere

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bei vollständiger Korporektomie im Bereich der Seiten-wand gegeben. Verletzungen der A. carotis sind bei zuweit lateraler Fehlpräparation oder Gefäßverletzungendurch den Weichteilsperrer möglich. Daher sollte derSperrer, wenn möglich, unterhalb des M. longus colli si-cher platziert werden. Venöse Blutungen treten vor allemim Rahmen der spinalen/foraminalen Dekompressionauf, bei denen es durchaus heftig aus dem epiduralen Ve-nenplexus bluten kann. Zur Blutstillung wird die Verwen-dung von Hämostyptika (z. B. fibrinbeschichtete Vlieseoder topisch applizierbare Hämostyptika) sowie ggf. einetemporäre lokale vorsichtige Kompression empfohlen.

z M et al. Verletzungen der Halswirbelsäule:… OP-JOURNAL 2018; 34: 138–150

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Viszerale Läsionen

Läsionen des Ösophagus oder des Pharynx/der Tracheasind selten und werden mit einer Inzidenz von bis zu 0,4%bei hoher Mortalität von 20–50% in der Literatur be-schrieben [11,16–18]. Diese können präparatorisch,durch den Druck des einliegenden Weichteilsperrers oderauch durch eine direkte Verletzung (z. B. mit der Fräse)entstehen. Nach entsprechender anatomischer Präpara-tion sollte, wie zur Prävention von vaskulären Läsionen,der Weichteilsperrer unterhalb des M. longus colli plat-ziert werden.

Postoperative KomplikationenHämatom

Ein postoperatives Hämatom stellt eine relevante Kompli-kation dar und wird in der Literatur mit einer Inzidenz vonbis zu 5,6% angegeben [11,19]. Durch die unmittelbareNachbarschaft zu Ösophagus und Pharynx/Trachea kannsich eine lebensbedrohliche Verlegung des Atemwegesentwickeln, was eine sofortige Entlastung des präver-tebralen Hämatoms – ggf. noch vor Intubation – mit an-schließender operativer Revision erfordert. Somit solltendie Patienten postoperativ streng hinsichtlich der Zei-chen eines sich entwickelnden prävertebralen Hämatomsüberwacht werden. Insbesondere werden ein zunehmen-der Halsumfang, Globusgefühl, zunehmende Schluckstö-rungen oder ein zunehmender inspiratorischer Stridormit subjektiver Atemnot als dringliche Indikation für einefrühzeitige Revision – auch ohne vorherige Bildgebung –gesehen. Ursächlich ist meist eine diffuse Blutung, daherwird bei der operativen Revision selten eine lokalisierteBlutung gefunden. Als wesentliche Prophylaxe einer post-operativen Nachblutung ist die sorgfältige intraoperativeBlutstillung wie auch die Einlage einer prävertebralenRedon-Drainage zu empfehlen.

Im frühen postoperativen Verlauf ist eine neurologischeVerschlechterung (z.B. Tetraparese/-plegie) durch einsich entwickelndes epidurales Hämatom möglich. Auchhier ist eine sofortige Revision zu empfehlen. War der Pa-tient direkt postoperativ neurologisch intakt, kann ausGründen der Zeitersparnis auf eine vorherige Bildgebungverzichtet werden, da ein kompressiv wirkendes Epidural-hämatom hochwahrscheinlich ist.

Infektion

Infektiöse Wundheilungsstörungen nach ventraler Spon-dylodese sind selten. Bei Nachweis einer Wundinfektionsollte vor der Revision wie auch intraoperativ eine poten-zielle viszerale Läsion (z.B. Ösophagusfistel) als Ursacheder Infektion ausgeschlossen werden [20].

CaveCave: Eine übersehene Ösophagusperforation als Ur-sache einer Wundinfektion stellt unbehandelt einepotenziell lebensbedrohliche Komplikation dar.

Scholz M et al. Verletzungen der Halswirbelsäule:… OP-JOURNAL 2018; 34: 138–150

Implantatversagen/Pseudarthrose

Die Pseudarthroserate kann insbesondere bei mehrseg-mentaler Fusion durch die Verwendung von additivenPlatten reduziert werden [21]. Ein Implantatversagen istbei unzureichender Knochenqualität (z. B. Osteoporose),segmentale Instabilität bei Überdistraktion oder insuffi-zienter dorsaler Zuggurtung (AOSpine B2- oder C-Verlet-zung) möglich (▶ Abb. 14).

FazitMittels ventraler Spondylodese können nahezu alle trau-matischen Pathologien an der Halswirbelsäule versorgtwerden. Ziel der Behandlung ist eine übungsstabile Ver-sorgung, die in einer sicheren und dauerhaften Überbrü-ckung des verletzten Bewegungssegmentes mündensollte. Nach adäquater Reposition und ventraler Diskekto-mie über einen weichteilschonenden ventralen Zugangkann dieses Ziel heutzutage durch die Kombination einesintervertebralen Platzhalters und zusätzlicher ventralerPlattenfixierung komplikationsarm erreicht werden.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie innerhalb der vergangenen 3Jahre in Beratungsgremien der Firmen Depuy Synthes (MS,FK), Siemens (FK), Vexim (MS) tätig waren und Vortragshono-rare von den Firmen Depuy Synthes, Medtronic und Vexim er-halten haben.

Autorinnen/Autoren:

Dr. med. Matti Scholz

Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie,BG Unfallklinik Frankfurt am Main

Dr. med. Andreas Pingel

Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie,BG Unfallklinik Frankfurt am Main

Dr. med. Philipp Schleicher

Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie,BG Unfallklinik Frankfurt am Main

Prof. Dr. med. Frank Kandziora

Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie,BG Unfallklinik Frankfurt am Main

Korrespondenzadresse

Dr. med. Matti ScholzZentrum für Wirbelsäulenchirurgie und NeurotraumatologieBG-Unfallklinik Frankfurt am Main gGmbHFriedberger Landstraße 43060389 Frankfurt am MainTel.: 069/475-2020Fax: 069/[email protected]

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DOI https://doi.org/10.1055/a-0582-7022OP-JOURNAL 2018; 34: 138–150 © Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York ISSN 0178‑1715

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