Veränderungen der Medikation durch Hausärzte bei älteren ... · tical calculations were made...

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Aus dem Lehrstuhl Innere Medizin-Geriatrie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Medizinischen Klinik 2 des Klinikums Nürnberg Direktor: Prof. Dr. C. Sieber Veränderungen der Medikation durch Hausärzte bei älteren und hochbetagten Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt von Esra Onay aus Nürnberg

Transcript of Veränderungen der Medikation durch Hausärzte bei älteren ... · tical calculations were made...

Aus dem Lehrstuhl Innere Medizin-Geriatrie

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

und der Medizinischen Klinik 2 des Klinikums Nürnberg

Direktor: Prof. Dr. C. Sieber

Veränderungen der Medikation durch Hausärzte bei

älteren und hochbetagten Patienten nach der

Entlassung aus dem Krankenhaus

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung der Doktorwürde

der Medizinischen Fakultät

der Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg

vorgelegt von

Esra Onay

aus Nürnberg

Gedruckt mit Erlaubnis der

Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-

Universität Erlangen-Nürnberg

Dekan: Prof. Dr. J. Schüttler

Referent: Priv.-Doz. Dr. W. Mühlberg

Korreferent: Prof. Dr. C. Sieber

Tag der mündlichen Prüfung: 12.05.2010

1

Inhaltsverzeichnis

1 Zusammenfassung ............................................................. 3

1.1 Hintergrund und Zielsetzung ................................................................ 3

1.2 Methodik ............................................................................................... 3

1.3 Ergebnisse ........................................................................................... 3

1.4 Klinische Schlussfolgerungen ............................................................... 4

2 English summary ................................................................ 7

2.1 Background and objective .................................................................... 7

2.2 Methodology ......................................................................................... 7

2.3 Results ................................................................................................. 7

2.4 Clinical conclusions .............................................................................. 8

3 Einleitung .......................................................................... 10

4 Methodik............................................................................ 12

4.1 Patientenkollektiv und Vorbereitungsphase........................................ 12

4.2 Der Fragebogen ................................................................................. 12

4.3 Statistik ............................................................................................... 13

5 Ergebnisse ........................................................................ 14

5.1 Kosten bei Krankenhausverordnungen von Medikamenten in

Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht der Patienten ...................... 14

5.2 Der Einfluss des Medikamentenpreises auf die ambulante

Weiterverschreibung........................................................................... 18

5.3 Der Einfluss des Alters auf die ambulante Weiterverschreibung ........ 21

5.4 Art der ambulanten Weiterverschreibung in Abhängigkeit vom Alter

der Patienten und den Medikamentenkosten ..................................... 24

5.5 Weitere Gründe für eine geänderte ambulante Weiterverordnung in

Abhängigkeit vom Alter ....................................................................... 28

6 Diskussion ........................................................................ 30

6.1 Kosten bei Medikamentenverordnungen im Krankenhaus in

Abhängigkeit vom Alter und dem Geschlecht der Patienten .................. 30

6.1.1 Alter ........................................................................................... 30

6.1.2 Geschlecht ................................................................................ 31

6.2 Einfluss der Kosten auf die ambulante Weiterverschreibung ............. 31

2

6.3 Einfluss des Alters auf die ambulante Weiterverschreibung ............... 32

6.4 Weitere Faktoren, die das Weiterverschreibungsverhalten des

Hausarztes beeinflussen .................................................................... 34

7 Literaturverzeichnis ......................................................... 36

8 Anhang .............................................................................. 39

9 Danksagung ...................................................................... 40

10 Lebenslauf ........................................................................ 41

3

1 Zusammenfassung

1.1 Hintergrund und Zielsetzung

Durch einen Krankenhausaufenthalt ist nahezu jeder Patient von einer Änderung

des Medikamentenregimes betroffen (11).

Das liegt in erster Linie daran, dass im Krankenhaus Medikamente auf hausei-

gene Arzneimittel umgestellt werden und während der stationären Therapie die

Medikation einerseits der aktuellen Erkrankung und andererseits den Leitlinien

angepasst wird.

Nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus ist dieser „neue Me-

dikamentenplan― einigen Entscheidungskriterien des Hausarztes unterworfen.

Diese sind vor allem der Kostendruck, das Alter des Patienten, das Geschlecht,

die Non-Compliance und zu erwartende Nebenwirkungen.

Da zu diesem Thema kaum Daten existieren, ist es die Aufgabe dieser Studie

diese Diskrepanz sowohl quantitativ und als auch im Bezug auf hochbetagte

Patienten darzustellen.

1.2 Methodik

Von Oktober bis April 2004 wurden den Hausärzten von 200 Patienten im Alter

von 25–98 Jahren, die an der Medizinischen Klinik 2 des Klinikum Nürnberg be-

handelt wurden, Fragebögen zugesandt, die das Weiterverschreibungsverhalten

des Hausarztes in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht des Patienten, Kos-

tendruck, Non-Compliance und von zu erwartenden Nebenwirkungen untersu-

chen sollten. 122 Fragebögen (61%) wurden beantwortet zurückgeschickt.

Die Antworten wurden dann mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows aus-

gewertet. Die statistischen Berechnungen erfolgten mit nichtparametrischen

Tests (2-seitiger Mann-Whitney-U-Test und Kruskal-Wallis-Test, Korrelation

nach Spearman), verteilungsabhängigen Tests (lineare Korrelationskoeffizienten

nach Pearson) sowie durch Auswertung von Kreuztabellen.

1.3 Ergebnisse

Es wurden insgesamt 851 Medikamente von der Klinik empfohlen. Davon wur-

den 574 Medikamente (67,5%) unverändert weiterverschrieben und 277 (32,5%)

umgesetzt oder abgesetzt.

4

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Medikamentenpreis. Es besteht eine

sehr hohe Signifikanz in der Abhängigkeit zwischen den Kosten der Medikamen-

te und der Art der Weiterverordnung (n=851; p=0,000; 2-seitiger U-Test).

Das Alter des Patienten ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, der in das Weiterver-

schreibungsverhalten des Hausarztes mit einwirkt. Das Alter der Patienten be-

einflusst die Weiterverordnung durch die Hausärzte (p=0,01; 2-seitiger U-Test).

Es zeigte sich: je älter der Patient war, desto weniger wurden die vom Kranken-

haus verschriebenen Medikamente verändert. Besonders auffallend war, dass

bei den hoch betagten Patienten (≥80 Jahre) unabhängig von den Kosten am

wenigsten verändert wurde.

Dagegen wurden bei jungen Patienten Medikamente auf Generika umgesetzt

oder gar abgesetzt.

Eine signifikante Rolle (p<0,05) scheint dabei das weibliche Geschlecht zu ha-

ben, den Frauen unter 65 Jahren wurden mehr teure Medikamente verschrieben

als anderen Patienten.

Ein weiteres statistisch signifikantes Ergebnis in dieser Studie zeigte sich bei

den unter 60-jährigen, also jüngeren Patienten, bei denen mehr Medikamente

für nicht notwendig gehalten und damit abgesetzt wurden.

Auch Non-Compliance und Nebenwirkungen von Medikamenten scheinen einen

Rolle zu spielen, jedoch ohne statistisch signifikanten Nachweis.

1.4 Klinische Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Diskrepanz zwischen dem ur-

sprünglichen Medikamentenplan des Patienten und dem nach der Kranken-

hausentlassung neu erstellten Medikamentenregime beträchtlich ist, wie bei

Himmel et al. (12) beschrieben.

Die häusliche Medikation ist zwar die Basis der im Krankenhaus verschriebenen

Arzneimittel, jedoch kommen bei der Umstellung kaum wirtschaftliche, ge-

schweige denn Aspekte, die den Hausarzt bewegen, wie Kosten (31), Non-

Compliance und Nebenwirkungen, in Betracht (14). Bei Entlassung des Patien-

ten ist der Hausarzt vor die Entscheidung gestellt, welches Medikament er über-

nimmt, verändert oder gar absetzt.

Dies führt einerseits zu Missverständnissen zwischen der Klinik und dem Haus-

arzt und andererseits durch nicht allzu wenige Veränderungen der eigentlichen

Medikation zu Unverständnis beim Patienten. Hier sind vor allem alte Patienten,

die häufig eine große Anzahl an Medikamenten einnehmen (18), betroffen - in

erster Linie wegen des mangelnden Verständnisses für die Medikation im hohen

5

Alter und der daraus resultierenden Non-Compliance, sowie wegen der Wech-

selwirkungen mit anderen Medikamenten und Nebenwirkungen. Dass im hohen

Alter mehr Medikamente, die in der Klinik verschrieben wurden, von den Haus-

ärzten geändert werden (31), konnte in dieser Studie nicht belegt werden. Hier

bleibt offen, ob das an der gesonderten Medikamenteneinstellung durch ein

spezielles Zentrum (Geriatrie) oder an der Multimorbidität und damit zusammen-

hängend an der teilweise komplizierten Polymedikation der Patienten liegt. Wo-

bei das Beharren der Patienten oder der Angehörigen, genau das Medikament

verschrieben zu bekommen, das im Krankenhaus angesetzt wurde, eine ebenso

wichtige Rolle spielt.

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass es im Rahmen der steigenden Kos-

ten im Gesundheitswesen und der älter werdenden Bevölkerung und der damit

verbundenen Multimorbidität und immer komplizierter werdenden Medikamen-

tenpläne unserer Patienten wichtig ist, dass Krankenhausärzte und Hausärzte

enger zusammenarbeiten, um die bestmögliche Therapie zu gewährleisten. Von

Seiten der Krankenhausärzte wäre es wichtig, beim Ansetzen der medikamentö-

sen Therapie sich möglichst an die häusliche Medikation zu halten und Verände-

rungen dem Hausarzt im Entlassungsbericht zu erläutern, denn nur etwa 10 bis

15% der Hausärzte fühlen sich ausreichend informiert über Änderungen der Me-

dikation in der Klinik (12). Zudem sollten bei den Therapievorschlägen auch die

Generika angeben werden (28), um dem Hausarzt die Aufgabe und die Ent-

scheidung des Umsetzens zu erleichtern, da er, wie oben dargestellt, unter we-

sentlichem Kostendruck steht. Es könnte schon im Rahmen des stationären

Aufenthaltes dem Patienten und/oder den Angehörigen die umgestellte Medika-

tion erklärt werden (33), z.B. warum die Medikation verändert wurde, und dass

im Krankenhaus gegebenenfalls andere Medikamente zum Einsatz kommen als

im ambulanten Sektor, die sich meistens nur im Firmennamen unterscheiden.

Hausärzte sollten weiterhin trotz Zeit- und Kostendrucks die Entlassungsmedika-

tion ihrer Patienten kritisch überprüfen, was von McGavock in seiner Studie von

2004 (19) gefordert wird, und die Arzneimittel auf Nebenwirkungen prüfen, denn

laut der Studie von Simmenroth (28) berichten 10% der Hausärzte von neu auf-

getretenen unerwünschten Wirkungen bei Generika. Auch die tatsächliche Ein-

nahme durch die Patienten sollte, so gut wie möglich, von den Hausärzten ge-

prüft und beobachtet werden. Im Rahmen der Polymedikation und der veränder-

ten Stoffwechsellage bei älteren Patienten kommt es häufiger zu Nebenwirkun-

gen (3) und Wechselwirkungen von Arzneimitteln, die zur erneuten Hospitali-

6

sation und damit weiteren Belastung des Gesundheitswesens führen können

und führen (23).

Die Non-Compliance, die besonders bei alten Patienten ein wichtiges Problem

darstellt (21,33), kann durch die Hausärzte mit Hilfe der Angehörigen kontrolliert

werden. Es ist von Vorteil vor allem bei betagten Patienten, sofern möglich, bei

veränderter Medikation die Einnahmeregeln (Dosis, Anzahl und Tageszeit) trotz

Zeitdruck immer wieder zu erläutern.

7

2 English summary

2.1 Background and objective

As a result of hospitalization nearly every patient is affected by a change of the

drug regimen.

This is mainly because the hospital changes the source of the medication to in-

house drugs for the duration of the in-patient treatment, during that time the me-

dication is adjusted to the current condition on the one hand and to the guide-

lines on the other.

After the patient is discharged from the hospital this ―new plan of medication‖ is

subject review by the general practitioner (GP). The GP’s review takes particular

account of the cost pressure, as well as the patient’s age, gender, non-

compliance and the expected side effects.

Since there is almost no existing data on this topic, this study therefore sets out

to describe this discrepancy both quantitatively and as well as in relation to old

patients.

2.2 Methodology

From October 2003 to April 2004 questionnaires were sent to GP’s of 200 pa-

tients aged between 25 and 98 years who were treated at the Medizinische Kli-

nik 2 of the Klinikum Nürnberg. The purpose of the questionnaire was to survey

the GP’s conduct subsequent medical prescription in accordance to age and sex

of the patient, cost pressure, non-compliance and tot he expected side effects.

122 questionnaires (61%) were answered and returned. The answers were then

analyzed with the statistical software SPSS for Microsoft Windows®. The statis-

tical calculations were made using non parametric tests (two paged Mann-

Whitney-U-Test and Kruskal-Wallis-Test, Spearman correlation), allocation de-

pendent tests (linear correlation coefficients according to Pearson) as well as by

evaluation of cross-tabs.

2.3 Results

A total of 851 drugs were recommended by the clinic. 574 (67.5%) of these

drugs were prescribed unchanged and 277 (32.5%) were modified or discontin-

ued.

In this matter the drug price plays a decisive role. There is a very high signific-

ance in the connection between the cost of the drugs and the type of the subse-

8

quent medical prescription (n=851;p=0.000;two paged U-Test). The patient’s age

is also an important factor that influences the GP’s conduct of subsequent medi-

cal prescription. The age of the patient influences the subsequent medical pre-

scription by general practitioners (p=0.01;two paged U-Test). It turns out: the

older the patient was, the less the medication prescribed by the hospital was

changed. Particularly striking was that least was changed with the oldest old

patients (≥80 years), independent of the costs.

On the other hand, medicaments for younger patients were substituted for ge-

neric drugs or even discontinued completely. The female sex seems to play an

important role (p<0.05), because women under the age of 65 were prescribed

more expensive drugs than other patients.

Another statistically significant finding in this study came into notice among un-

der 60-year-olds, meaning younger patients, where more drugs were considered

unnecessary and thus were discontinued.

Non-compliance and side effects seem to play a role as well, but with no statisti-

cally significant evidence.

2.4 Clinical conclusions

As described by Himmel et al., the results suggest that the discrepancy is signifi-

cant between the original medical prescription and the newly created drug regi-

men after hospital discharge.

The domestic medication is indeed the basis of the prescribed drugs by the hos-

pital, but in the transition hardly any economic facts, not to speak of aspects

which affect the GP, like costs, non-compliance and side effects, come into con-

sideration. With the discharge of the patient the GP is left with the decision which

medication to repeat, to adjust or even to suspend.

On the one hand this leads to misunderstandings between the hospital and the

GP and on the other hand to incomprehension by the patient, due to changes to

the original medical prescription. In this case older patients are primarily af-

fected, since they have to take large amounts of medication and because of the

lack of understanding of medication in old-age, the consequential non-

compliance, as well as drug interaction and side effects. The fact, that in old age

more drugs that were prescribed by the hospital are amended by the GPs, could

not be proven in this study. It stays unclear, if this can be led back to the sepa-

rate drug setting of a special center (geriatrics) or the multi-morbidity and its link

to the sometimes complicated poly-medication of patients. Whereas it plays an

9

equally important role that patients and relatives insist on getting exactly the

same drug that was prescribed in the hospital.

In conclusion it can be said that it is important in the context of rising health care

costs, the aging population and the associated multi-morbidity and the increas-

ing complexity of the drug plans of our patients, that hospital doctors and GPs

work more closely together to ensure the best possible treatment. Concerning

the preparation of the drug therapy on the part of the hospital doctors it would be

important that they keep most of the home medication and explain changes to

the GP in the discharge report, because only about 10 to 15% of family physi-

cians feel adequately informed about changes of the medication by the clinic.

Also the generics should be indicated in the treatment proposals in order to faci-

litate the family doctor’s task and decision – making for implementation, since,

as explained above, they are under substantial cost-pressure. It would be possi-

ble to explain to the patient and/or to the members of the family the reversed

medication prescribed during the stay in the hospital, e.g. why the medication

was changed and why other drugs, which differ mostly only in the company’s

name, were used, than in the outpatient sector.

Recommended by McGavock in his 2004 study, was that GPs should continue

to check their patient’s discharge medication critically despite the time and cost

pressure and they should also examine the medicines for the side effects, be-

cause 10% of the family doctors reported newly occurring adverse effects with

generic drugs, according to the study by Simmen Roth. The actual drug taking

by the patient should be examined and monitored by the family doctor, as accu-

rately as possible. In the context of poly-medication and the changing metabol-

ism of elderly patients resulting in more side effects and interactions of drugs,

this can lead and leads to re-hospitalization and thus further burdens the health

care system.

The non-compliance, which is an important issue especially with older patients,

can be controlled by the GPs with the help of the relatives. If possible, it is of

advantage particularly to elderly patients to explain the instructions (dose, quan-

tity and time of day) repeatedly when medication has been revered, despite

pressure of time.

10

3 Einleitung

Während des Krankenhausaufenthaltes ist nahezu jeder Patient von einer Ände-

rung des Medikamentenregimes betroffen (11). Die Therapie wird entweder auf

die hauseigenen Medikamente umgestellt oder zur Optimierung werden Medi-

kamente umgesetzt, abgesetzt oder neu angesetzt. Im Entlassungsbericht aus

der Klinik wird die neu erstellte Arzneimitteltherapie als Empfehlung aufgelistet.

Eine Änderung der Medikation durch den niedergelassen Kollegen ist keine Sel-

tenheit und wird bei erneuten Einweisungen der Patienten häufig ersichtlich.

Eine Diskontinuität in der Weiterführung der Medikation ist somit üblich (31).

Ein Grund hierfür ist, dass Ärzte in medizinischen Einrichtungen, zum Beispiel

Krankenhäusern, sich an die üblichen pharmakologisch-klinischen Leitlinien hal-

ten (14). Aus eigener Erfahrung spielen hierbei die Kosten pro Medikamenten-

dosis keine oder kaum eine Rolle, da sich viele Krankenhausärzte der Kosten

der verwendeten Medikamente nicht bewusst sind (26) und sich nach eigenen

Erfahrungen an die im Hause üblichen Präparate halten, die in vielen Fällen

noch die Original- und somit die teureren Präparate sind.

Bei den Therapieempfehlungen bei Entlassung des Patienten aus dem Kran-

kenhaus werden den Entscheidungskriterien der Hausärzte, die der Weiterver-

schreibung von Medikamenten unterliegen, kaum oder keine Beachtung ge-

schenkt (14). Eines dieser Entscheidungskriterien ist zum Beispiel „der Druck,

ein bestimmtes Medikament zu verschreiben―. Dieser Verschreibungsdruck wur-

de genau definiert als klare Bitte eines Patienten, der sich dem diagnostischen

und/oder therapeutischen Therapieansatz des Arztes widersetzt (7). Nach der

Studie von Delga et al (7) wurden zwei Faktoren definiert, die einen Einfluss auf

den „Verschreibungsdruck― des Hausarztes haben:

a. Alter: mit zunehmenden Alter wächst der Verschreibungsdruck,

b. Geschlecht: beim weiblichen Geschlecht wird der Verschreibungs-

druck als größer angegeben.

Ein weiteres Entscheidungskriterium bei Medikamentenverordnungen nach

Krankenhausentlassungen sind die Kosten (31). Dies erklärt sich unter anderem

durch die Einführung der Gesundheitsreform.

Die Problematik zeigt sich verstärkt bei alten Patienten, die durch eine Zunahme

der Morbidität im Alter und damit vermehrter Erkrankung an chronischen Krank-

heiten (z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen, Erkrankungen des Zentralnerven-

systems, Erkrankungen des Verdauungstraktes und des Stoffwechsels (8)) eine

große Anzahl von Medikamenten einnehmen müssen, die mit hohen Kosten

11

verbunden sind (15). Hier müssen die Hausärzte aus den oben genannten

Gründen besonders auf Wirtschaftlichkeit achten.

Die Aufgabe dieser Studie war es, das Ausmaß der Diskrepanz zwischen The-

rapieempfehlungen bei Krankenhausentlassungen und der Weiterverordnung

der Hausärzte zu untersuchen. Es werden Gründe genannt und gleichzeitig eru-

iert, ob und in welchem Maß diese Gründe bei den Entscheidungen der ambu-

lant weiter behandelnden Ärzte eine Rolle spielen. Da zu diesem Thema kaum

Daten existieren, wird ein gesondertes Augenmerk auf das hohe Alter (≥80) ge-

richtet und auch das Geschlecht der Patienten berücksichtigt.

12

4 Methodik

4.1 Patientenkollektiv und Vorbereitungsphase

122 (61%) von ursprünglich 200 Patienten im Alter von 25-98 Jahren der Medi-

zinischen Klinik 2 (Schwerpunkt Geriatrie und Toxikologie) des Klinikum Nürn-

berg und deren Hausärzte (überwiegend Mitglieder des Praxis Netz Nord) nah-

men nach entsprechender Aufklärung und Einverständniserklärung an der Stu-

die teil.

Zunächst wurde zusammen mit dem Vorsitz des Praxisnetz Nord Nürnberg die

Studie erläutert und die Form des Fragebogens besprochen.

Danach wurde ein Konzept für den Fragebogen am PC erarbeitet, um in sehr

kurzer Zeit und mit möglichst wenig Arbeitsschritten z.B. die Medikamente vom

Entlassungsbericht des jeweiligen Patienten per „mouse-click― systematisch in

den Fragebogen, der an sämtlichen PCs in allen Arztzimmern eingespeist wur-

de, zu integrieren.

Bevor die Fragebögen zusammen mit dem Entlassungsbericht des Patienten

und der Einverständniserklärung den Hausärzten zugesandt worden sind, wurde

die Studie möglichst vielen (etwa 2/3) Ärzten zunächst des Praxis-Netz-Nord

und des Praxis-Netz-Süd, deren Adressen und Telefonnummern mittels Listen

von den jeweiligen Vorsitzenden zur Verfügung gestellt wurden, entweder an-

hand eines Besuches in der Praxis oder telefonisch vorgestellt, erläutert und um

Ihre Mitarbeit gebeten.

Danach wurden dann die Kollegen der Klinik in die Studie und die Methodik ein-

gewiesen. Sie wurden gebeten, bei jeder Entlassung ein Exemplar des Frage-

bogens mit den aufgelisteten Medikamenten und eine Einverständniserklärung

zum Entlassungsbericht einzukuvertieren.

Von April bis Oktober 2004 wurden insgesamt 200 Fragebögen den Hausärzten

zugesandt. Davon wurden 122 beantwortet wieder zurückgeschickt (61%).

4.2 Der Fragebogen

In diesem Abschnitt soll der Fragebogen, der den Hausärzten zugesandt wurde,

genauer betrachtet werden. Dieser ist im Anhang abgebildet.

Darin waren für jedes Medikament folgende Fragen zu beantworten:

(1) Wurde das jeweilige Medikament weiterverschrieben?

13

(2) Falls die Frage mit „nein― beantwortet wurde, wurden zum Ankreuzen

vier Gründe für das Umsetzen oder Absetzen des Medikaments an-

gegeben:

a. Verschreibung überflüssig

b. Unerwünschte Nebenwirkungen

c. Mangelnde Compliance

d. Kostengründe

(3) In der letzten Spalte konnten die Hausärzte das Ersatzmedikament

eintragen.

(4) Daraus wurde dann eruiert, ob ein Ersatz durch einen anderen ähnli-

chen Wirkstoff, oder ein Generikum erfolgt war oder das Medikament

abgesetzt worden war.

4.3 Statistik

Für alle statistischen Berechnungen wurde das Programm SPSS für Windows

12.1 verwendet.

Unterschiede zwischen Gruppen wurden durch die Anwendung nichtparametri-

scher Tests (2-seitiger Mann-Whitney-U-Test und Kruskal-Wallis Test) geprüft.

Außerdem wurden Korrelationskoeffizienten nach Spearman bestimmt (vertei-

lungsunabhängige Tests), aber auch verteilungsabhängige lineare Korrelations-

koeffizienten nach Pearson.

Unterschiede zwischen Häufigkeiten wurden in Kreuztabellen aufgelistet und

durch Chi-Quadrat-Tests geprüft.

Für die Häufigkeiten in jeder Zelle wurden standardisierte Abweichungen be-

rechnet, um statistisch signifikante Unterschiede zwischen erwarteter und beo-

bachteter Häufigkeit zu ermitteln.

14

5 Ergebnisse

Es wurden insgesamt 851 Medikamente von der Klinik empfohlen. Davon wur-

den 574 Medikamente (67,5%) unverändert weiter verschrieben und 277

(32,5%) umgesetzt oder abgesetzt.

5.1 Kosten bei Krankenhausverordnungen von Medika-menten in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht der Patienten

Eine signifikante Korrelation zwischen den Kosten der Medikamente pro Einzel-

dosis, die in der Klinik verschrieben worden sind, und dem Alter der Patienten

zeigt sich weder bei der Korrelation nach Spearman noch bei der Korrelation

nach Pearson (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Korrelation zwischen Alter des Patienten und der Kosten der im Krankenhaus verschriebenen Medikamente in Euro/Einzeldosis

20 40 60 80 100

Alter des Patienten

0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

Ko

ste

n v

. M

ed

ikam

en

t 1

in

Eu

ro/E

inzeld

osis

15

Ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Patienten und der Medikamenten-

preise der in der Klinik verschriebenen Arzneimittel (in Euro/Einzeldosis) lässt

sich dagegen in der nächsten Kreuztabelle erkennen.

Alter [Jahren] * Kosten/Einzeldosis Kreuztabelle

Kosten/Einzeldosis

Gesamt < 0.5 € 0.5 - 1.5 € > 1.5 €

Alter d. Pat. <60 Anzahl 34 21 20 75

Erwartete Anzahl

34,4 28,9 11,7 75,0

Standardisierte Residuen

-0,1 -1,5 2,4 *

60-69 Anzahl 54 41 18 113

Erwartete Anzahl

51,8 43,6 17,7 113,0

Standardisierte Residuen

0,3 -0,4 0,1

70-79 Anzahl 95 97 34 226

Erwartete Anzahl

103,6 87,1 35,3 226,0

Standardisierte Residuen

-0,8 1,1 -0,2

≥80 Anzahl 213 174 63 450

Erwartete Anzahl

206,3 173,4 70,3 450,0

Standardisierte Residuen

0,5 0,0 -0,9

Gesamt Anzahl 396 333 135 864

Erwartete Anzahl

396,0 333,0 135,0 864,0

* p<0,05

Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Alter des Patienten und Kosten der stationär verschriebenen Medikamente

Bei den unter 60-Jährigen wurden billige Medikamente (<0,5€/Einzeldosis) er-

wartungsgemäß häufig eingesetzt. Dagegen wurden die günstigen Medikamente

(0,5-1,5€/Einzeldosis) weniger als erwartet und die teueren Medikamente

(>1,5€/Einzeldosis) statistisch signifikant (p<0,05) häufiger als erwartet ver-

schrieben.

Bei den älteren Altersgruppen (>60 Jahre) zeigten sich hinsichtlich der Kosten

keine signifikanten Unterschiede zwischen beobachteten und erwarteten Häufig-

keiten.

Zusammenfassend lässt sich hier sagen, dass den jungen Patienten (<60 Jahre)

im Krankenhaus deutlich mehr teuere Medikamente verordnet wurden als erwar-

tet (p<0,05).

16

Eine graphische Darstellung der Abhängigkeit der Medikamentenpreise vom

Alter zeigt die nächste Abbildung.

Abbildung 2: Anzahl der Medikamente unterschiedlicher Preisklassen in den verschiedenen Altersgruppen

<60 60-69 70-79 >=80

Alter [Jahren]

0

50

100

150

200

250 Kosten/Einzel- dosis

< 0.5 € 0.5 - 1.5 € > 1.5 €

An

zah

l

d d

de

r

17

Das Balkendiagramm zeigt, dass billigere Medikamente (<0,5€/Einzeldosis) in

allen Altersgruppen erwartungsgemäß am häufigsten verschrieben wurden, bis

auf die Altersgruppe der 70-79-jährigen, denn hier wurden sie minimal weniger

häufiger verschrieben als die Medikamente der mittleren Preisklasse (0,5–

1,5€/Einzeldosis). Die Arzneimittel mit 0,5-1,5€/Einzeldosis wurden in der Klinik

in jedem Alter, außer bei den 70-79-jährigen, wie oben erwähnt, weniger als die

billigen und mehr als die teuren (>1,5€/Einzeldosis) Medikamente verordnet. Die

teueren Arzneimittel wurden in allen Altersgruppen weniger verschrieben, jedoch

bei den 80-jährigen verhältnismäßig etwas häufiger.

Dabei scheint das Geschlecht, wie in der folgenden Kreuztabelle zu erkennen

ist, auch eine Rolle zu spielen.

Geschlecht Alter d. Patienten Gesamt

<65 >=65

weibl.

Kosten/Einzel- dosis

< 0.5 €

Anzahl 20 199 219

Erwartete Anzahl 20,5 198,5 219,0

Standardisierte Residuen

-0,1 0,0

0.5 - 1.5 €

Anzahl 13 187 200

Erwartete Anzahl 18,8 181,2 200,0

Standardisierte Residuen

-1,3 0,4

> 1.5 €

Anzahl 14 68 82

Erwartete Anzahl 7,7 74,3 82,0

Standardisierte Residuen

2,3 * -0,7

Gesamt Anzahl 47 454 501

Erwartete Anzahl 47,0 454,0 501,0

männl.

Kosten/Einzel-dosis

< 0.5 €

Anzahl 21 137 158

Erwartete Anzahl 24,3 133,7 158,0

Standardisierte Residuen

-0,7 0,3

0.5 - 1.5 €

Anzahl 21 104 125

Erwartete Anzahl 19,2 105,8 125,0

Standardisierte Residuen

0,4 -0,2

> 1.5 €

Anzahl 9 40 49

Erwartete Anzahl 7,5 41,5 49,0

Standardisierte Residuen

0,5 -0,2

Gesamt Anzahl 51 281 332

Erwartete Anzahl 51,0 281,0 332,0

* p<0,05

Tabelle 2: Zusammenhang von Geschlecht bzw. Alter des Patienten und Kosten der Medikamente

18

Bei den weiblichen Patienten unter 65 Jahren wurden billige Medikamente

(<0,5€/Einzeldosis) ungefähr genauso häufig eingesetzt wie erwartet; der Unter-

schied war also nicht signifikant.

Ebenfalls nicht signifikant wurden die Medikamente der mittleren Preisklasse

(0,5-1,5€/Einzeldosis) weniger verschrieben als errechnet. Die einzige Signifi-

kanz (p<0,05) zeigt sich bei den teuren (>1,5€/Einzeldosis) Arzneimitteln, die

häufiger verschrieben wurden als erwartet. Bei den 65-jährigen und älteren Pati-

entinnen zeigt sich bei keiner der Preisklassen eine Signifikanz, wobei die billi-

gen Mittel erwartungsgemäß oft eingesetzt wurden. Die Medikamente der mittle-

ren Preisklasse wurden bei den Patientinnen dieser Altersgruppe häufiger und

die teuren Medikamente weniger verordnet als erwartet.

Bei den männlichen Patienten zeigten sich unabhängig vom Alter und der Preis-

klasse der Medikamente keinerlei signifikante Unterschiede.

Bei den unter 65-jährigen wurden billige Arzneimittel etwas weniger eingesetzt

als erwartet. Die Medikamente der mittleren und der teueren Preisklasse wurden

geringfügig mehr verschrieben als errechnet. Bei den 65-jährigen und älteren

Patienten zeigt sich folgendes Verhältnis: billige Medikamente wurden mehr ein-

gesetzt als erwartet, Arzneimittel, die 0,5–1,5€/Einzeldosis kosten und die teue-

ren Medikamente wurden fast genauso oft eingesetzt wie erwartet.

Fazit: Den Frauen unter 65 Jahren wurden signifikant mehr teure Medikamente

verschrieben als anderen Patienten.

5.2 Der Einfluss des Medikamentenpreises auf die ambu-lante Weiterverschreibung

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Medikamentenpreis (in Eu-

ro/Einzeldosis).

Die Abbildung 3 zeigt eine sehr hohe Signifikanz in der Abhängigkeit zwischen

Kosten von Medikamenten in Euro pro Einzeldosis und der Art der Weiterver-

ordnung, aufgeteilt in „keine Änderung― und „Änderung― (n=851; p=0,000; 2-

seitiger U-Test).

19

In der graphischen Darstellung (Abbildung 3) dieser Zusammenhänge zeigt sich,

dass die Kosten der Medikamente in Euro/Einzeldosis bei den von den Hausärz-

ten nicht veränderten Medikamenten im Vergleich zu den veränderten Medika-

menten deutlich niedriger waren (p=0,000; n=574).

Abbildung 3: Vergleich der Kosten von Medikamenten in Euro/Einzeldosis bei den nicht geänderten (n=571) und den geänderten (n=277) Medikamenten; p=0,000 (U-Test).

nicht geändert geändert

0,80

1,00

1,20

1,40

1,60

1,80

95%

CI

Ko

ste

n v

. M

ed

ikam

en

t 1 i

n

Eu

ro/E

inzeld

osis

Art der Weiterverordnung

20

In der nächsten Darstellung wurde die Gruppe der geänderten Medikamenten-

verschreibungen weiter aufgeteilt in: Generikum verordnet, umgesetzt, und ab-

gesetzt.

Wie erwartet zeigt auch die Abbildung 4 eine sehr hohe Signifikanz in der Ab-

hängigkeit zwischen den Kosten von Medikamenten in Euro/Einzeldosis und der

Art der Weiterverordnung (n=851; p=0,000; Kruskal-Wallis-Test).

Abbildung 4: Vergleich der Kosten von Medikamenten in Euro/Einzeldosis in den Gruppen der Weiterverordnung (nicht geändert, Generikum verordnet, umgesetzt, abgesetzt), p=0.000

Günstigere Medikamente wurden deutlich weniger verändert (n=574) oder sie

wurden durch ein Generikum ersetzt (n=78). Die teureren Medikamente wurden

entweder umgesetzt (n=77) oder abgesetzt (n=122).

nicht geändert Generikum verordnet

umgesetzt abgesetzt

Art der Weiterverordnung

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

95

% C

I K

os

ten

v.

Med

ika

me

nt1

in

Eu

ro/E

inze

ldo

sis

21

5.3 Der Einfluss des Alters auf die ambulante Weiterver-schreibung

Wie die Medikamentenpreise, hat auch das Alter der Patienten hat einen Ein-

fluss auf die Art der Weiterverschreibung durch den Hausarzt.

Abbildung 5: Vergleich des Alters der Patienten bei den „nicht geänderten“ und „geänderten Medikamenten“ (p<0,001, 2-seitiger U-Test)

Der Vergleich des Alters der Patienten bei der Art der Weiterverschreibung lässt

erkennen, dass vor allem bei den älteren Patienten (>77Jahre) keine Verände-

rungen der von der Klinik verschriebenen Medikation vorgenommen wurden

(n=572). Anders ist es bei den jüngeren Patienten. Hier werden die Medikamen-

te häufiger verändert (n=274).

nicht geändert geändert

Medikamentenverordnung nach Entlassung aus dem Kranken-

haus

73

74

75

76

77

78

79

80

95%

CI A

lter

des

P

ati

en

ten

22

In der Tabelle 3 ist die Weiterverordnungsmöglichkeit aufgeschlüsselt in: „Nicht

geändert― „Generikum verordnet―, „umgesetzt― und „abgesetzt―.

Es zeigen sich statistisch signifikante Altersunterschiede (p<0,003, Kruskal-

Wallis-Test) zwischen den einzelnen Kategorien.

Ränge

Medikament 1 / Weiterverordnung N Mittlerer Rang

Alter d. Pat. nicht geändert 572 442,19

Generikum ver-ordnet

77 359,29

umgesetzt 76 430,86

abgesetzt 121 371,36

Gesamt 846

Statistik für Test(a,b)

Alter d. Pat.

Chi-Quadrat 14,266

df 3

Asymptotische Signifikanz ,003

a Kruskal-Wallis-Test b Gruppenvariable: Medikament 1 / Weiterverordnung

Tabelle 3: Kruskal-Wallis-Test: Altersunterschiede zwischen den verschiedenen Arten der Weiterverschreibung durch die Hausärzte.

23

Abbildung 6: Vergleich der Altersverteilung in Abhängigkeit von der Art der Wei-terverordnung durch die Hausärzte (p<0,003, Kruskal-Wallis-Test)

In dieser Darstellung zeigt sich, dass im hohen Alter die Medikamente nicht ver-

ändert bzw. durch ein ähnliches Medikament ersetzt werden (n=571; n=76).

Dagegen werden bei jüngeren Patienten Medikamente auf Generika umgestellt

oder gar abgesetzt (n=77; n=121).

nicht geändert Generikum verordnet

umgesetzt abgesetzt

70

72

74

76

78

80

82

Medikamentenverordnung nach Entlassung aus dem Krankenhaus

95%

CI A

lter

des

P

ati

en

ten

24

5.4 Art der ambulanten Weiterverschreibung in Abhängig-keit vom Alter der Patienten und den Medikamenten-kosten

Abbildung 7: Anzahl der nicht veränderten Medikamente in Abhängigkeit vom Alter der Patienten und den Medikamentenpreisen

Bei den unter 60-jährigen werden in allen Preisklassen etwa gleich viele Medi-

kamente nicht verändert. In der dritten (70-79 Jahre) Altersgruppe werden im

Verhältnis vor allem die günstigeren Medikamente nicht verändert, anzahlmäßig

abnehmend zu den teueren Medikamenten.

Bei den 80-jährigen und über 80-jährigen Patienten werden ebenfalls die billigen

(<0,5€) weniger verändert als die teureren Medikamente.

Insgesamt zeigt diese Darstellung, dass erwartungsgemäß bei den günstigen

Medikamenten am wenigsten verändert wurde. Auffallend ist aber, dass bei den

„oldest old― (≥80 Jahre) unabhängig von den Kosten am wenigsten verändert

wurde.

< 0.5 € 0.5 - 1.5 € > 1.5 €

Kosten/Einzeldosis

0

50

100

150

200

An

zah

l

Alter [Jahren] <60

60-69

70-79

>=80

Art der Weiterverordnung = nicht geändert

25

Das gleiche Ergebnis zeigt das unten abgebildete Balkendiagramm. Hier ist die

Altersgruppierung im Gegensatz zum vorherigen Diagramm in <65 und ≥65 Jah-

re aufgeteilt.

Abbildung 8: Anzahl der nicht veränderten Medikamente in Abhängigkeit vom Al-ter und den Medikamentenkosten

< 0.5 € 0.5 - 1.5 € > 1.5 €

Kosten/Einzeldosis

0

50

100

150

200

250

300

An

za

hl

Alter [Jahren]

<65

>=65

Art der Weiterverordnung = nicht geändert

26

Abbildung 9: Anzahl der geänderten Medikamente in Abhängigkeit vom Alter und den Medikamentenkosten

Bei den unter 60-jährigen Patienten wurden billige Medikamente

(<0,5€/Einzeldosis) häufiger verändert als Medikamente der mittleren (0.5-

1.5€/Einzeldosis) und der teuren (>1.5€/Einzeldosis) Preisklasse, wobei die Arz-

neimittel mit 0,5–1,5 €/Einzeldosis weniger verändert wurden als die teuren.

In der nächsten Altersgruppe (60-69 Jahre) wurden billige Mittel häufiger verän-

dert als die mit 0,5–1,5€/Einzeldosis, und diese wiederum minimal häufiger ver-

ändert als die teuren Arzneimittel.

Bei den 70-79-jährigen Patienten wurden billige Medikamente im Gegensatz zu

den etwas weniger preiswerten (0,5–1,5€/Enzeldosis) und teuren Mittel verän-

dert. In dieser Altersgruppe wurden vor allem die Medikamente der mittleren

Preisklasse verändert.

Bei den „oldest old― (≥80 Jahre) wurden unabhängig vom Preis am häufigsten

die von Krankenhaus verschriebenen Medikamente verändert und hier vor allem

< 0.5 € 0.5 - 1.5 € > 1.5 €

Kosten /Einzeldosis

0

10

20

30

40

50

An

zah

l

Alter [Jahren]

<60

60-69

70-79

>=80

Art der Weiterverordnung = geändert

27

die Medikamente der Preisklasse 0,5-1,5€/Einzeldosis. Etwas weniger geändert

wurden die billigen Medikamente.

Hier fällt auf, dass die teuren Medikamente (>1,5€/Einzeldosis) in dieser Alters-

gruppe am wenigsten verändert wurden.

Bei der Abbildung 10 ist lediglich die Alterseinteilung verändert. Es wird nur Be-

zug genommen auf die unter 65 und bzw. ≥65-jährigen Patienten.

Das Ergebnis ist jedoch ähnlich.

Abbildung 10: Anzahl der geänderten Medikamente in Abhängigkeit vom Alter und den Medikamentenkosten

< 0.5 € 0.5 - 1.5 € > 1.5 €

Kosten/Einzeldosis

0

20

40

60

80

100

An

zah

l

Alter [Jahren]

<65

>=65

Art der Weiterverordnung = geändert

28

5.5 Weitere Gründe für eine geänderte ambulante Weiter-verordnung in Abhängigkeit vom Alter

Die Tabelle 4 zeigt in Abhängigkeit vom Alter, wie oft Medikamente nicht verän-

dert wurden und wie häufig ein von uns genannter Grund bei Änderungen ge-

nannt wurde.

* p<0,05

Tabelle 4: Häufigkeit der nicht veränderten Medikamente und Häufigkeit der ver-schiedenen Gründe bei Änderung der Medikation durch die Hausärzte

Bei den unter 60-jährigen Patienten blieben signifikant (p<0,05) mehr Medika-

mente unverändert als erwartet. In dieser Altersgruppe wurden außerdem signi-

fikant (p<0,05) mehr Pharmaka wegen fehlender Notwendigkeit um- oder abge-

setzt als erwartet. Non-Compliance wurde hier fast so häufig angegeben wie

erwartet. Nebenwirkungen und zu hohe Kosten als Änderungsgrund wurden bei

den unter 60-jährigen minimal häufiger als Begründung angegeben als erwartet.

Alter Gesamt

<60 60-69 70-79 >=80

Gründe für das Ändern der Medikati-on

keine Änderung Anzahl 32 72 148 332 584

erwartete An-zahl

50,2 76,5 153,1 304,2 584,0

Standardisierte Residuen

-2,6 * -0,5 -0,4 1,6

nicht notwendig

Anzahl 14 14 23 41 92

erwartete An-zahl

7,9 12,1 24,1 47,9 92,0

Standardisierte Residuen

2,2 * 0,6 -0,2 -1,0

Non-Compliance

Anzahl 1 0 6 6 13

erwartete An-zahl

1,1 1,7 3,4 6,8 13,0

Standardisierte Residuen

-0,1 -1,3 1,4 -0,3

unerwünschte Nebenwirkungen

Anzahl 1 1 2 5 9

erwartete An-zahl

0,8 1,2 2,4 4,7 9,0

Standardisierte Residuen

0,3 -0,2 -0,2 0,1

zu hohe Kosten

Anzahl 14 27 48 69 158

erwartete An-zahl

13,6 20,7 41,4 82,3 158,0

Standardisierte Residuen

0,1 1,4 1,0 -1,5

kein Kommentar

Anzahl 14 2 5 8 29

erwartete An-zahl

2,5 3,8 7,6 15,1 29,0

Standardisierte Residuen

7,3 -0,9 -0,9 -1,8

Gesamt

Anzahl 76 116 232 461 885

erwartete An-zahl

76,0 116,0 232,0 461,0 885,0

29

In der Altersgruppe 60-69 Jahre wurden weniger Arzneimittel nicht verändert als

errechnet. 14 Medikamente, bei erwarteten 12,6, wurden wegen fehlender Not-

wendigkeit verändert. Hier wurde kein Medikament wegen Non-Compliance ab-

gesetzt, obwohl 1,7 erwartet wurden. Statistisch signifikante Unterschiede zeig-

ten sich nicht, wie auch bei den Arzneimitteln, die ohne Begründung in diesem

Alter verändert wurden

Es wurden weniger Präparate bei den 70-79jährigen Patienten nicht verändert

als erwartet. Aufgrund von fehlender Notwendigkeit und Nebenwirkungen wur-

den minimal mehr Medikamente verändert als erwartet. Wegen Non-Compliance

und zu hoher Kosten wurden mehr Pharmaka geändert als erwartet. Ohne Be-

gründung wurden 5 bei 7,6 erwarteten Medikamenten abgesetzt.

Auch bei den „oldest old― (>80 Jahre) zeigte sich keine signifikanten Unterschie-

de. Hier wurden mehr Präparate nicht verändert als erwartet. Weniger Arzneimit-

tel wurden wegen folgender Gründe weniger verändert als erwartet: „fehlende

Notwendigkeit―, „Non-Compliance―, „zu hohe Kosten― und „ohne Begründung―.

Etwas mehr Medikamente wurden in dieser Altersgruppe wegen Nebenwirkun-

gen verändert als erwartet.

Fazit: Die einzigen signifikanten Unterschiede (p<0,05) zeigte sich hier bei den

unter 60-jährigen Patienten, bei denen durch die Hausärzte deutlich weniger

Medikamente verändert wurden als erwartet und mehr Arzneimittel wegen feh-

lender Notwendigkeit verändert wurden als erwartet.

30

6 Diskussion

6.1 Kosten bei Medikamentenverordnungen im Kranken-haus in Abhängigkeit vom Alter und dem Geschlecht der Patienten

6.1.1 Alter

Es zeigte sich weder nach Spearman (r=-0,016) noch nach Pearson (r=-0,060)

eine signifikante Korrelation zwischen dem Alter der Patienten und den Kosten

der im Krankenhaus verschriebenen Medikamente. Es ist anzunehmen, dass

Patienten unabhängig vom Alter gleichbehandelt werden, unter anderem was

die Qualität der Medikation betrifft.

Aus eigenen Erfahrungen kommen hauptsächlich Medikamente zum Einsatz, die

in der Klinikapotheke gelistet sind, und mit denen man die meisten Erfahrungen

hat. Dabei spielen die Kosten der Medikamente nur zweitrangig eine Rolle. Das

zeigt sich zum Beispiel daran, dass weniger Generika in der Klinik verwendet

werden, obwohl die Möglichkeit dazu bestünde (32).

Die Medikamentenkosten haben einen signifikanten Einfluss auf das Weiterver-

schreibungsverhalten der Hausärzte, auf welches in Punkt 5.2. genauer einge-

gangen wird.

Laut den Ergebnissen dieser Untersuchung wurden den jüngeren Patienten sig-

nifikant (p<0,05) mehr teure Medikamente stationär verordnet. Es ist anzuneh-

men, dass jüngere Patienten über Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten

durch verschiedene Medien besser informiert sind als ältere Patienten und daher

der Medikation kritisch gegenüberstehen. Im Gegensatz zu den jungen Patien-

ten vertrauen alte Patienten den Therapievorschlägen des Arztes. So könnte der

Klinikarzt im gewissen Maße einem „Verschreibungsdruck―, wie bei Delga (7)

beschrieben, unterstehen. Obwohl sich diese Studie auf das Verschreibungs-

verhalten der Hausärzte bezieht, ist sie sicher auch auf das Verhalten der Klinik-

ärzte zu übertragen.

Erwartungsgemäß wurden in allen Altersgruppen billige Medikamente am häu-

figsten verschrieben (siehe Abbildung 2). Dies zeigt, dass die Gesundheitsre-

form auch den stationären Sektor erreicht hat und Ärzte in den Kliniken vermehrt

preisgünstige Medikamente ansetzen.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass vor allem bei den über 80-jährigen verhält-

nismäßig oft teure Medikamente zum Einsatz kamen. Durch das komplexere

Krankheitsbild und den Patientenglauben, dass teure Medikamente besser wir-

31

ken könnten, werden vermutlich die teueren Medikamente (>1,5€/Einzeldosis)

bei alten Patienten (<80 Jahre) häufiger eingesetzt.

6.1.2 Geschlecht

Eine gewisse Rolle scheint auch das Geschlecht zu spielen, da den Frauen un-

ter 65 Jahren signifikant (p<0,05) mehr teure Medikamente verschrieben wurden

im Vergleich zu anderen Altersgruppen und dem männlichen Geschlecht. Hier

könnte, wie oben erwähnt, ebenfalls der „Verschreibungsdruck― (7) eine Rolle

spielen. Denn in der Studie von Delga wurde gezeigt, dass dieser Druck bei

Frauen größer ist als bei Männern. Dies resultiert ebenfalls daraus, dass Frauen

jüngeren Alters sich gut über ihre Erkrankung informieren (Regenbogenpresse,

Apothekenzeitschriften, Internet, Fernsehen) und die Behandlungsmöglichkeiten

besser ausschöpfen wollen und dies auch oft zur Sprache bringen.

6.2 Einfluss der Kosten auf die ambulante Weiterver-schreibung

Eine wesentliche Rolle, ob ein vom Krankenhaus verschriebenes Medikament

unverändert weiterverschrieben oder umgesetzt bzw. abgesetzt wird, spielen

dabei die Kosten.

In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass eine statistisch hoch signifikante

Abhängigkeit zwischen den Kosten von Medikamenten und der Art der Weiter-

verordnung (n=851; p=0,000; 2-seitig getestet mit U-Test) besteht. In der Abbil-

dung 3 konnte gezeigt werden, dass die Kosten der Medikamente in Eu-

ro/Einzeldosis bei den von den Hausärzten nicht veränderten Medikamenten im

Vergleich zu den veränderten Medikamenten deutlich niedriger war.

In der Studie von Taxis (31) waren der Hauptgrund der Veränderung der statio-

när verschriebenen Medikation sehr hohe Preise.

Laut der Studie von Ryan (24) hatte die Wahrnehmung von Medikamentenkos-

ten einen Einfluss auf das Verschreibungsverhalten des Hausarztes.

Die Kosten für die Gesundheit in Deutschland nehmen stetig zu. Dabei nehmen

die Arzneimittelkosten, die immens zugenommen haben, den zweitgrößten Kos-

tenfaktor der Krankenkassen ein (32). Um die Kostenexplosion im Gesundheits-

sektor einzudämmen, wurde schon 1977 (1) erstmals ein Gesetz zur Kosten-

dämpfung im Gesundheitssektor eingeführt. Durch Einführung der Budgetierung

(1) und die zunehmende Einflussnahme auf die niedergelassenen Ärzte (und

Apotheken), vermehrt Generika zu verschreiben, spielen Kosten von Pharma-

zeutika eine große Rolle.

32

An diesem Punkt haben Generika eine wichtige Bedeutung. Generika sind defi-

niert als Fertigarzneimittel, die unter einem (nicht geschützten) Freinamen

(Generic name) im Handel sind (22).

Der Einsatz von Generika wurde in dieser Studie ebenfalls überprüft. Es zeigte

sich folgendes: günstige Medikamente wurden deutlich weniger verändert

(n=574) oder sie wurden durch Generika ersetzt (n=78), im Gegensatz zu teuren

Medikamenten, die entweder auf eine andere Wirkstoffgruppe umgesetzt oder

abgesetzt wurden.

Dieses Ergebnis bestätigt die Annahme, dass Generika, obwohl sie zunehmend

bei steigenden Arzneimittelkosten (32) verschrieben werden (27), trotz allem laut

dem Arzneimittelreport 2005 (1) noch zu wenig verschrieben werden. Hauptur-

sache sei laut diesem Arzneiverordnungsreport (1) die Einflussnahme der

Pharmaindustrie.

In der Studie von Simmenroth schätzen die Hausärzte den Einsatz von Nachah-

merpräparaten auf 50% (28). Diese Zahl wird von einer aktuellen Studie aus

Frankreich (17) in etwa bestätigt.

Dass trotz politischen Drucks Originalpräparate (32) häufig verschrieben wer-

den, wurde in verschieden Arbeiten untersucht. Simmenroth (28) zeigt, dass 8%

der Allgemeinmediziner Generika als weniger wirksam erachten und etwa 10%

von neuen unerwünschten Nebenwirkungen berichten, dass aber auch man-

gelnde Kooperation mit dem stationären Sektor, Zeitmangel und Kommunikati-

onsprobleme mit dem Patienten die Umstellung auf ein Nachahmerpräparat er-

schweren.

Dass der Kostenfaktor dennoch eine gewisse Rolle spielt, zeigte Himmel schon

1997 in seiner Studie (13). Unter der damaligen Gesundheitsreform verschrie-

ben die Hausärzte zunehmend mehr Generika.

Es ist anzunehmen, dass unter dem steigenden politischen Druck auf die nie-

dergelassenen Ärzte, aber auch auf die Klinikenärzte, zukünftig mehr Generika

zum Einsatz kommen werden.

6.3 Einfluss des Alters auf die ambulante Weiterver-schreibung

Es ist unumstritten, dass alte Patienten mehr Medikamente einnehmen als jün-

gere (18). In der Studie von Lassila nehmen bei den über 65-jährigen 78% min-

destens ein Medikament und 10% fünf oder mehr Medikamente ein.

Diese Medikamente werden im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes teilwei-

se geändert (siehe 4.1). Dass dieser Anteil kein geringer ist, zeigt die Arbeit von

33

Himmel (11). Nur die Hälfte von den ursprünglichen Medikamenten werden im

Krankenhaus weitergeführt, ein Drittel wird abgesetzt, der Rest geändert. Dieses

Phänomen wird auch durch Cochrane (5) bestätigt. Bei 45 von 50 Patienten

wurde in der Klinik die Medikation geändert.

Genau an diesem Punkt kommt dem Hausarzt eine wichtige Rolle zu, nämlich

die Entscheidung über die Weiterführung der Medikation der im Krankenhaus

verschriebenen Medikamente.

Bei dieser Entscheidungsfindung spielen sowohl die Kosten, wie im Kapitel vor-

her beschrieben, als auch das Alter eine Rolle. Das Alter des Patienten hat laut

dieser Studie einen signifikanten Einfluss auf die Art der Weiterverschreibung

durch den Hausarzt (p=0,01; 2-seitiger U-Test). Die Abbildung 5 zeigt diesen

Zusammenhang. Bei den über 77-jährigen wurden vom Krankenhaus verschrie-

bene Medikamente, im Gegensatz zu den jüngeren Patienten, nicht geändert.

Auch wenn man die Art der Verordnung weiter verschlüsselt, zeigt sich ein

hochsignifikanter Unterschied (p=0,003; Kruskal-Wallis-Test). Im hohen Alter

werden Medikamente entweder nicht geändert bzw. umgesetzt, während sie bei

den jüngeren Patienten auf ein Generikum umgestellt oder gar abgesetzt wer-

den. Dies widerspricht der Aussage von Taxis (31), dass ältere Patienten von

den Einsparmaßnahmen der Hausärzte besonders betroffen sind. Diese Studie

zeigte genau das Gegenteil. Bei den „oldest old― werden Medikamente, unab-

hängig von der Preisklasse, am wenigsten geändert.

Zu diesem Thema existiert kaum Literatur. Es könnte sein, dass Hausärzte an

der in der geriatrischen Abteilung ausgearbeiteten Medikation für sehr alte Pati-

enten (>80Jahre) aufgrund mangelnder Erfahrung nichts verändern möchten.

Der Zeitmangel könnte hierbei eine Rolle spielen. Denn es ist sicherlich nicht

einfach, einem alten Patienten zu erklären, warum er plötzlich, überspitzt ausge-

drückt, statt „grünen rosa Pillchen― bekommen soll. Ein dritter Grund könnte eine

mangelnde Akzeptanz der Angehörigen gegenüber geänderter Medikation (Ge-

nerika, ähnliches Präparat) sein, da sich häufig die Angehörigen um die Be-

schaffung der Medikation nach Krankenhausentlassungen kümmern. Non-

Compliance, Medikamenteninteraktion und unerwünschte Nebenwirkungen als

Grund für die Änderung der Medikation werden im nächsten Punkt genauer an-

gesprochen.

Es ist zusammenfassend zu sagen, dass das Alter, wie oben dargestellt, eine

gewisse Rolle spielt. Mit steigendem Alter des Patienten, besonders bei den

„oldest old― (>80-jährige), werden weniger von der Klinik verschriebene Medika-

mente auf Generika umgestellt.

34

Es sind jedoch kaum Studien zu diesem Thema vorhanden, obwohl es heutzu-

tage eine gesundheitspolitische Brisanz besitzt und sich hier eventuell weitere

Einsparungsmöglichkeiten bei der heutigen knappen finanziellen Lage der ge-

setzlichen als auch der privaten Krankenkassen ergeben.

6.4 Weitere Faktoren, die das Weiterverschreibungsver-halten des Hausarztes beeinflussen

Wie oben mehrfach besprochen, hat das Alter des Patienten einen Einfluss auf

das Verschreibungsverhalten des Hausarztes. Dies konnte in 4.3. gezeigt wer-

den. Die Gründe sind unter anderem die steigenden Medikamentenkosten mit

dem zunehmenden Alter des Patienten, aber laut der Studie von C.P.Bradley (4)

auch das Gefühl des „Unbehagens― beim Verschreiben von Arzneimitteln bei

alten Patienten und Kindern. Leider wird in dieser Studie der Begriff „Unbeha-

gen― nicht genauer erläutert.

Als letzter Diskussionspunkt dieser Arbeit soll nun noch auf verschiedene Fakto-

ren, wie fehlende Notwendigkeit, Non-Compliance, Nebenwirkungen und Kos-

ten, bezogen auf das Alter, eingegangen werden.

Vor allem bei jungen Patienten (<65 Jahre) wurden signifikant häufiger (p<0,05)

Medikamente aus fehlender Notwendigkeit verändert oder abgesetzt. Es konnte

hierzu keine Literatur gefunden werden, aber es ist anzunehmen, dass aufgrund

des besseren Gesundheitszustandes der jüngeren Patienten bestimmte Medi-

kamente nicht als lebensnotwendig gesehen werden oder aufgrund der kriti-

schen Haltung der jungen Patienten gegenüber Medikamenten diese nicht wei-

terverschrieben werden.

Non-Compliance ist ein wichtiger Punkt besonders bei alten Patienten, weil hier

die Auswirkungen gravierender sind (25). Die Tabelle 4 zeigt, dass dieser Grund

in dieser Studie bei den jüngeren Patienten (<60 Jahre und 60-69 Jahre) kaum

eine Rolle spielt, aber bei den höheren Altersgruppen, vor allem bei den 70-79-

jährigen, erwartungsgemäß an Gewicht zunimmt, jedoch ohne Signifikanz. Die

Studie von Frank (10) zeigte eine hohe Diskrepanz zwischen den Medikamen-

ten, die der Hausarzt verschrieben hatte und den Medikamenten, die ältere Pati-

enten tatsächlich einnahmen. In der Studie von Salzmann (25) geht man von

einem Umfang von 40-75% aus. Als Faktoren der Non-Compliance werden hier

folgende Punkte genannt: Die vermehrte Einnahme von Medikamenten, die

dann häufig zu unerwünschten Nebenwirkungen führt; der Missbrauch von Me-

dikamenten, der ebenfalls vermehrt zu unerwünschten Wirkungen führt; bei alten

Patienten, die vor allem mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen, ist es

35

das Vergessen von Medikamenten, das die Unwirksamkeit des Therapeutikums

zur Folge hat. Auch Änderungen der Dosis sind häufig anzutreffen. Diese Studie

impliziert auch, dass vor allem bei mehr als drei Medikamenten die Compliance

der Patienten abnimmt. Da die Anzahl der Medikamente mit dem Alter zunimmt

und laut der Studie von Steinmann (29) bei den 75-jährigen im Durchschnitt bei

etwa acht Medikamenten liegt, ist Non-Compliance ein wichtiger Faktor, den die

Hausärzte in Ihrer Entscheidung, ob sie ein Medikament weiter verschreiben

oder nicht, mit einbeziehen bzw. mit einbeziehen sollten.

Unerwünschte Nebenwirkungen nehmen ebenfalls mit zunehmendem Alter des

Patienten Einfluss auf das Verschreibungsverhalten des Hausarztes (6,30).

Weber konnte in seiner Studie zeigen, dass vor allem alte Patienten ein großes

Risiko haben, Nebenwirkungen von Medikamenten zu erleiden. Das liegt einer-

seits an den mit dem Alter zunehmenden Veränderungen des Stoffwechsels

(abnehmende Leberfunktion und Nierenfunktion) und anderseits am Vorliegen

von mehreren chronischen Erkrankungen (35), die in Zusammenhang mit einer

vermehrten Medikamenteneinnahme stehen.

Zunahme an Nebenwirkungen führt (23), wegen der oben genannten Ursachen,

zur Gesundheitsgefährdung alter Patienten mit Hospitalisation und zunehmen-

den Kosten für das Gesundheitswesen.

Zusammenfassend konnte gezeigt werden, daß das Alter der Patienten bei der

Medikamentenverschreibung im stationären, aber auch im ambulanten Sektor

eine große Rolle spielt. Daher ist es wichtig aufgrund der wandelnden Alters-

struktur unserer Gesellschaft diese Zusammenhänge wahrzunehmen und ver-

schiedene Lösungsstrategien zu erarbeiten.

36

7 Literaturverzeichnis

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2) Blöß T. Arzneimittelreport: Großes Einsparpotential. Deutsches Ärzteblatt 103, Jun 2006;Seite A-1788/ B- 1534 / C-1484.

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39

8 Anhang

Verwendeter Fragebogen

40

9 Danksagung

Herrn Prof. Dr. med. C. Sieber danke ich für die Überlassung des Themas und

für die Erlaubnis, die Daten der vorliegenden Dissertation an seiner Klinik zu

erheben sowie für die dabei gewährte Unterstützung.

Herrn Priv.-Doz. Dr. med. W. Mühlberg danke ich für die Betreuung der gesam-

ten Dissertation und die statistische Auswertung. Für die Ratschläge beim Ver-

fassen der Doktorarbeit danke ich meiner Freundin Susi Wicklein.

Für die Unterstützung beim Korrekturlesen und dem Erstellen des Layout danke

ich meinem Bruder und meinem Freund.

41

10 Lebenslauf

Persönliche Daten Name Esra Onay Geburtsdatum 31.August 1974 Geburtsort Istanbul/Türkei Familienstand ledig Staatsangehörigkeit deutsch Eltern Rahmi Onay Aysun Onay

Schulausbildung 1981-1985 Bartholomäus Grundschule

Nürnberg 1985-1994 Maria-Ward Gymnasium Nürnberg 1.Juli 1994 Abitur

Hochschulausbildung 1995-2002 Studium der Humanmedizin an

der FAU Erlangen-Nürnberg

22.April 1998 Ärztliche Vorprüfung 23.März 1999 1. Abschnitt der ärztlichen Prüfung 24.August 2001 2. Abschnitt der ärztlichen Prüfung 06.November 2002 3. Abschnitt der ärztlichen Prüfung

Praktika und Famulaturen Oktober 1998 Famulatur Gynäkologie Klinikum

Nbg. September 1999 Famulatur Innere Medizin Fürth März 2000 Famulatur Internistische Praxis April 2000 Famulatur Neurologische Praxis Februar 2001 Famulatur Innere Medizin Fürth März 2001 Famulatur Dermatologische Praxis September 2001 Famulatur Innere Medizin Istanbul

42

Praktisches Jahr Okt.2001-Jan.2002 Innere Medizin Fürth Feb.2002-Mai 2002 Dermatologie Nürnberg Jun. 2002-Sep.2002 Chirurgie Fürth

Ärztin im Praktikum Januar 2003-Juni 2004 Klinikum Nürnberg Nord in Medizinischer Klinik 2, Klinikum Nürnberg

Assistenzärztin Okt. 2004-Aug. 2006 Geriatrie Klinikum Bayreuth Sept. 2006-bis dato Kardiologie Klinikum Bamberg