Vernichtungslager - gedenkstaettenpaedagogik-bayern.de · Zeit in ein Konzentrationslager. Im...

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Vernichtungslager Ab 1941 errichteten die Deutschen in Polen Ver- nichtungslager: Chelmno, Belzec, Sobibor, Treblinka, Majdanek und Auschwitz- Birkenau. Mit Güterzügen transportierte man die Juden aus ganz Europa in das besetzte Polen und teilte sie nach der Ankunft in zwei Gruppen ein. Meist wurden diejenigen, die kräf- tig und jung genug waren, zur Zwangsarbeit ausgeson- dert. Wenn sie zu schwach für die Arbeit wurden - nicht selten aber auch aus purer Willkür - tötete man sie. Die zweite Gruppe, vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen, wurde von den Eisenbahnrampen direkt in die Gaskammern geschickt. Das größte Zentrum des Massenmordes war Ausch- witz-Birkenau. Die Gaskam- mern und die Schornsteine der dazugehörigen Kremato- rien wurden zum Symbol des Holocaust. Krematorium in Auschwitz-Birkenau, eine Zeichnung des Überlebenden David Olère: Eine Kolonne von Juden wird durch das Tor ins Lager geführt. Das Fahrzeug des Roten Kreuzes sollte beruhigend auf die Häftlinge wirken, war je- doch in Wirklichkeit ein SS-Wagen, der mit Giftgaskanistern für die Massentötung beladen war. Die Rampe von Auschwitz: Die Deportierten wurden in Güterzügen durch das Eingangstor direkt in das Lager gefahren und mussten an der Rampe zur ‚Selektion’ antreten. Ein SS-Wachtrupp in Belzec posiert hinter dem Haus des Lager- kommandanten für ein Foto.

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VernichtungslagerAb 1941 errichteten die

Deutschen in Polen Ver-

nichtungslager: Chelmno,

Belzec, Sobibor, Treblinka,

Majdanek und Auschwitz-

Birkenau. Mit Güterzügen

transportierte man die

Juden aus ganz Europa in

das besetzte Polen und teilte

sie nach der Ankunft in

zwei Gruppen ein. Meist

wurden diejenigen, die kräf-

tig und jung genug waren,

zur Zwangsarbeit ausgeson-

dert. Wenn sie zu schwach

für die Arbeit wurden -

nicht selten aber auch aus

purer Willkür - tötete man

sie. Die zweite Gruppe, vor

allem Kinder, Frauen und

ältere Menschen, wurde

von den Eisenbahnrampen

direkt in die Gaskammern

geschickt.

Das größte Zentrum des

Massenmordes war Ausch-

witz-Birkenau. Die Gaskam-

mern und die Schornsteine

der dazugehörigen Kremato-

rien wurden zum Symbol

des Holocaust.

Krematorium in Auschwitz-Birkenau, eine Zeichnung des Überlebenden David Olère: Eine Kolonne von Juden wirddurch das Tor ins Lager geführt. Das Fahrzeug des RotenKreuzes sollte beruhigend auf die Häftlinge wirken, war je-doch in Wirklichkeit ein SS-Wagen, der mit Giftgaskanisternfür die Massentötung beladen war.

Die Rampe von Auschwitz: Die Deportierten wurden in Güterzügen durch das Eingangstor direkt in das Lager gefahren und musstenan der Rampe zur ‚Selektion’ antreten.

Ein SS-Wachtrupp inBelzec posiert hinterdem Haus des Lager-kommandanten für ein Foto.

Theresienstadt

Im Oktober 1941 ordneten die Nationalsozia-

listen die Errichtung eines Ghettos im böhmi-

schen Terezin (Theresienstadt) an. Auch zahl-

reiche prominente Juden, Schauspieler, Musi-

ker, Politiker und Wissenschaftler wurden aus

dem Reich dorthin deportiert. Unter jüdischer

Leitung entstanden Orchester, eine Opern-

und eine Theatergruppe. Es gab Vorlesungen

und eine Bibliothek. Theresienstadt wurde als

ein „Vorzeigeghetto“ dargestellt, um das inter-

nationale Rote Kreuz irrezuführen. Es ent-

stand sogar ein Propagandafilm „Der Führer

schenkt den Juden eine Stadt“, der über die

grausame Realität des Ghettolebens hinweg-

täuschen sollte. Denn tatsächlich herrschten

auch hier Enge und Not. Außerdem war The-

resienstadt für Tausende von Juden nur eine

Durchgangsstation. Mehr als 80.000 Men-

schen wurden von hier aus in die Vernich-

tungslager im Osten deportiert.

„Es gab Zeiten, in denen das Leben einen trügeri-schen Schein von Normalität annahm. Manche(...)glaubten sogar, dass Theresienstadt ein Arbeitsla-ger sei, wo sie bis zum Ende des Krieges in Sicherheitsein würden.“

Alfred Kantor, im Dezember 1941 als 18-jährigerKunststudent von Prag nach Theresienstadt depor-tiert, erinnert sich:

Die Karte zeigt die Deportationen nach Theresien-stadt sowie von dort in die Vernichtungslager imOsten. Die Zahlen in den roten Kästchen geben dieAnzahl der Ermordeten an.

Zeichnung von der 12-jährigen Helga Weiss: Die Kinder in Theresienstadt haben Schulunterricht. Vor denAugen der jüdischen Wachleute bringen sie ihre Sitzbänke in den Klassenraum.

Aufstand im Warschauer Ghetto

Den Ghetto-Bewohnern wurde immer

klarer, dass Deportation den Tod be-

deutete. Sie fanden den Mut, sich in

ihrer verzweifelten Lage zu wehren. Im

Warschauer Ghetto erhoben sie sich

im April 1943 zu einem Aufstand

gegen die deutschen Wachmannschaf-

ten. Auf jüdischer Seite wurde mit

Handgranaten und benzingefüllten

Flaschen von Dachböden und Kellern

aus gekämpft. Gegen die hochgerüste-

te SS hatten die Aufständischen keine

Chance, hielten jedoch über einen

Monat gegen die Übermacht durch.

Schließlich setzte die SS das Ghetto in

Brand. Jüdischen Widerstand gab es

auch in anderen Ghettos und in den

Vernichtungslagern. So gelang es zum

Beispiel Häftlingen in Treblinka, in die

Waffenkammern der SS einzubrechen

und eine Massenflucht vorzubereiten.

Für die meisten von ihnen endete die

Revolte jedoch tödlich.

„Ein grauenhafter Schrei ertönte aus einem brennendenFenster in einem oberen Stock-werk, in dem eine Frau miteinem Kind an der Hand erschien und auf die Straßehinunterstürzte. Das war unser letzter Eindruck vomWarschauer Ghetto.“

Alexander Donat erinnert sich:

Ein jüdischer Aufständischer ergibt sich und steigt aus den Trümmern.

Ein jüdischer Junge ergibt sich. Im Hintergrund bedrohen ihn schwerbewaffnete deutsche Soldaten.

Deutsche Soldaten feuern in die Häuser desGhettos, die systematisch in Schutt undAsche gelegt werden.

Widerstand und bewaffnete Gegenwehr

Juden, denen die Flucht aus dem Ghetto ge-

lang, schlugen sich entweder zu lokalen Parti-

sanen durch oder schlossen sich jüdischen

Widerstandsgruppen an. Die Partisanen

kämpften in den Wäldern, überfielen deutsche

Stellungen und jagten Munitionslager in die

Luft. Seit 1942/43 entfernten sich deutsche

Patrouillen im besetzten Osten wegen der

Gefahr von Partisanenangriffen nur noch un-

gern von Städten und Hauptverkehrswegen.

Es bildeten sich in den besetzten Gebieten

auch spezielle jüdische Widerstandsgruppen.

Sie riefen offen zum bewaffneten Kampf gegen

die Deutschen auf. Einen dramatischen Erfolg

hatte eine solche Gruppe in der Nacht vom

19. auf den 20. April 1943. Sie brachte einen

Deportationszug auf dem Weg nach Ausch-

witz noch auf belgischem Boden zum Entglei-

sen. Viele der Insassen konnten entkommen.

„Wir mussten uns bewegen,damit die Füße nicht erfroren... Die Stunden vor Sonnenauf-gang waren die kältesten. Dieständige Angst und der beißen-de Frost waren schrecklich.Diejenigen, die eine Waffe hatten, fühlten sich etwas be-herzter.“

Harold Werner, damals 16 Jahrealt, erinnert sich:

Ein Waggon aus dem Münchner Depot der deutschen Reichsbahn,der von jüdischen Partisanen zum Entgleisen gebracht wurde.

Jüdische Partisanengruppe, junge Männer und Frauen, nach der Rückkehr in die Stadt Wilna.

Die Karte zeigt einige der Wälder, in denen sich ausden Ghettos entkommene Juden versteckten und dieDeutschen bekämpften.

Rettung und ZufluchtAnderthalb Millionen jüdische

Kinder wurden im Holocaust

ermordet. Schätzungsweise

20.000 bis 30.000 - die jüng-

sten im Säuglingsalter, die ältes-

ten 14 Jahre alt - überlebten

den Krieg als „versteckte Kin-

der“. Stella Tzur, ein bei einem

polnischen Bauern verstecktes

Kind, erinnert sich: „Ich legte

mich in meine Kuhle und er

bedeckte sie von oben mit

Strohbündeln. Es war unmög-

lich, mich dort zu finden.“

Immer wieder gab es Versuche,

verfolgte Juden vor Deportation

und Tod zu retten. Das bekann-

teste Beispiel hierfür ist sicher-

lich der Unternehmer Oskar

Schindler. Mit seiner Hilfe

konnten 1.200 Juden überle-

ben. Er beschäftigte sie in sei-

ner Fabrik und behandelte sie

menschlich. Solche Rettungs-

aktionen waren höchst riskant

und erforderten großen Mut.

Wurden sie entdeckt, drohte

allen Beteiligten der Tod.

„Jeden Tag, vom 18. Oktober1944 bis 8. Mai 1945, halfSchindler. 'Ich werde euchnicht verlassen bis der letzteSS-Mann das Lager verlassenhat', sagte er zu uns. Wenn ein Jude seine Brilleverlor, zog Schindler los undbesorgte ihm eine. Zu der Ration von Hundert GrammBrot, einer Schüssel so genann-ter Suppe und zwei Tassen Ersatzkaffee pro Tag verteilteer Extrarationen.“

Moshe Bejski, ein „Schindler-Jude“ erinnert sich:

Oskar Schindler (1908-1974): Dies war eines vonmehreren Fotos, die Schindler kurz vor Kriegsendeeinem seiner Arbeiter gab.

In dieser Scheune wurde Stella Tzur als Kind von einem Bauern versteckt (Foto von 1990).

Anne Frank: Versteckt und verratenAnne Frank wurde 1929 in

Frankfurt am Main geboren.

Kurz nach Hitlers Machtüber-

nahme flüchtete die Familie

nach Amsterdam. Holland

wurde Annes Heimat. Als je-

doch im Mai 1940 die Wehr-

macht in Holland einmar-

schierte, war das Leben der

Familie erneut in Gefahr. Um

der Deportation zu entgehen,

versteckte sich die Familie in

einem unauffälligen Hinter-

haus.

Hier bekam Anne zu ihrem

13. Geburtstag ein Tagebuch

geschenkt. In Form von Brie-

fen schilderte sie ihr Leben im

Versteck und ihre Angst ent-

deckt zu werden. Die Briefe

waren an eine erfundene

Freundin namens Kitty gerich-

tet. Doch die geheime Unter-

kunft wurde im August 1944

verraten. Man verhaftete die

gesamte Familie. Anne starb

kurz vor Kriegsende im Kon-

zentrationslager Bergen-Belsen.

Ihr Tagebuch wurde von einer

Freundin des Vaters in Sicher-

heit gebracht und in den fünf-

ziger Jahren veröffentlicht.

„Liebe Kitty! Heute habe ich nur traurige und de-primierende Nachrichten. Unsere jüdischen Freundeund Bekannten werden in Mengen weggeholt. DieGestapo geht nicht zart mit ihnen um. Sie werdenin Viehwagen geladen und nach dem JudenlagerWesterbork gebracht. Westerbork muss grauenhaftsein. (...) Wenn es hier in Holland schon so schlimmist, wie furchtbar wird es dort in der Ferne sein,wohin sie verschickt werden? Das englische Radioberichtet von Gaskammern, aber vielleicht ist dasnoch die schnellste Vernichtungsmethode.“

Auszug aus dem Tagebuch vom 9.Oktober 1942:

Tafel mit Fotos von Anne Frank von Mai 1935 bis Mai 1942, zum Teil von ihr selbst im Versteck angefertigt.

Charlotte Salomons Geschichte1971 übergab Albert Salomon

dem Jüdischen Museum in

Amsterdam 1300 Bilder, die

seine Tochter Charlotte gemalt

hatte. Diese Bilder stellen ihre

eigene Lebensgeschichte dar.

Charlotte, 1917 geboren, wuchs

in Berlin auf. Sie studierte Ma-

lerei an der Kunstakademie.

Nach der „Reichskristallnacht“

1938 sperrten die Nationalsozi-

alisten Charlottes Vater kurze

Zeit in ein Konzentrationslager.

Im Januar 1939 gelang es Vater

und Tochter jedoch, Deutsch-

land zu verlassen. Sie fanden in

Villefranche, Südfrankreich, ein

vorübergehendes Zuhause.

Charlotte heiratete Alexander

Nagler, einen jüdischen Flücht-

ling aus Österreich. Im Sommer

1943 besetzten die Deutschen

ganz Frankreich. Wieder waren

die Salomons in Gefahr. Am 21.

September 1943 wurden die

schwangere Charlotte und ihr

Mann nach Auschwitz depor-

tiert und dort ermordet. Ihr

Vater Albert überlebte.

Charlotte Salomon und ihr Vater Endeder zwanziger Jahre auf dem Balkonihrer Berliner Wohnung.

Das Bild zeigt Charlotte kurz vor ihrer Abreise nach Südfrankreich in ihrem Berli-ner Zimmer. Die überdimensionalen Koffer symbolisieren den Abschied von ihremZuhause und den Aufbruch in eine unbestimmte Zukunft.

Charlotte in Südfrankreich, in freier Natur malend.

Deportationen aus Ungarn

1944 wurde Ungarn von der deut-

schen Wehrmacht besetzt. Im März

1944 folgte den Truppen eine SS-Ein-

heit unter Adolf Eichmann. Sofort

wies man die ungarischen Juden in

Ghettos ein. Die Deportationen nach

Auschwitz-Birkenau begannen kurze

Zeit später und betrafen innerhalb von

nur acht Wochen mehr als 400.000

Menschen. 300.000 von ihnen - vor

allem Kinder, schwache und alte Men-

schen - wurden dort ermordet.

Die übrigen entgingen dem Tod im

KZ Auschwitz und wurden zur

Zwangsarbeit nach Deutschland ver-

schleppt. Insgesamt wurden rund

200.000 Juden als Zwangsarbeiter in

Konzentrations- und Außenlager des

nationalsozialistischen Deutschland

verschleppt - über ein Drittel von

ihnen überlebte die Lager nicht.

Deportation ungarischer Juden aus Budapest: Am 19. März 1944 werden jüdische Männer mit erhobenen Händenzum Bahnhof gebracht.

Die Rampe von Auschwitz-Birkenau: Ungarische Frauenund Kinder vor ihrem Weg in die Gaskammer. Der Mann mit der Häftlingskleidung (rechter Bildrand)muss das Gepäck der Neuankömmlinge zum Sortierenfortschaffen.

Deportierte aus Ungarn, bevor sie in die Gaskammerngebracht wurden: Eine Gruppe von Kindern und Erwach-senen hat gerade die Deportationszüge verlassen. Beieinigen ist der aufgenähte „Judenstern“ an der Kleidungerkennbar.

„Ich setzte mich hin. Es gab nichtgenug Platz für alle, daher musstenwir einander zwischen die Beinesetzen. Vor mir Gabi und hinter mirPapa. Wir redeten nicht. Der Zugraste mit der Zeit um die Wette undich wurde langsam verrückt. Die Hitze, der Durst, der Schmutz -alles schien sich gegen mich ver-schworen zu haben.“

Hugo Gryn, damals 13 Jahre alt, überseine Deportation aus Berehovo:

TodesmärscheKZ-Häftlinge sollten nach dem Willen

der SS-Führung nicht von den vor-

rückenden alliierten Truppen befreit

werden können; es galt vor allem das

Überleben von Zeugen zu verhindern.

Deshalb wurden zunächst alle Lager

im besetzten Polen geräumt. Gleichzei-

tig versuchte die SS, Akten und Unter-

lagen über ihre Verbrechen zu vernich-

ten. Oft mussten die geschwächten

Häftlinge mehrere Wochen zu Fuß

marschieren, teilweise wurden sie in

Güterwagen gepfercht. Ärztliche Be-

treuung oder Versorgung mit Essen

und Trinken gab es nicht. Wer zurück-

blieb oder zu fliehen versuchte, wurde

sofort erschossen.

Ab Frühjahr 1945 wurden auch die

Konzentrationslager im Deutschen

Reich unter chaotischen Umständen

evakuiert. Tausende von Häftlingen

waren nun unterwegs. Über 100.000

Menschen starben auf Todesmärschen

kurz vor Kriegsende.

Todesmarsch aus dem KZ Dachau. Das Foto wurde heimlich aus einem Privathaus in Dorfen am Starnberger See EndeApril 1945 aufgenommen.

Deutsche Zivilisten exhumieren am 29. April 1945 auf Befehl der US-Army 120Häftlinge, die während eines Todesmarschesin Neunburg vorm Wald von ihren Bewa-chern ermordet worden waren.

Auf dem Ehrenfriedhof in Pfaffenberg-Steinrein (Kreis Straubing)sind 67 Opfer eines Todesmarsches aus dem KZ Buchenwald bestattet.

Befreiung des KZ Theresienstadt: Die Überlebenden winkenihren Befreiern von Güterwaggons aus zu, in denen sienach Theresienstadt transportiert worden waren.

Befreiung 1945 Am 27. Januar 1945 befreiten

sowjetische Soldaten das

Vernichtungslager Auschwitz.

Die Tötungen in den Gaskam-

mern waren bereits zwei Mo-

nate zuvor beendet worden,

die meisten überlebenden

Häftlinge befanden sich auf

Todesmärschen in Richtung

Westen. Die SS hatte sich be-

reits abgesetzt, nachdem sie -

weitgehend vergeblich - ver-

sucht hatte, die Spuren ihrer

Verbrechen zu verwischen.

Im April 1945 erreichten briti-

sche und amerikanische Trup-

pen die Lager im Westen Deutschlands. Das Konzentra-

tionslager Flossenbürg in der Oberpfalz wurde am 23.

April, das KZ Dachau bei München am 29. April 1945

von amerikanischen Truppen befreit. Neben zahlreichen

Leichen fanden die US-Soldaten

noch 33.000 Überlebende im KZ

Dachau vor. Der Anblick der ausge-

mergelten und vom Hungertod

bedrohten, im Lager zurückgelasse-

nen Häftlinge erregte nicht nur das

Entsetzen der Befreier vor den Ver-

brechen der Nationalsozialisten -

die Fotos und Filmaufnahmen sorg-

ten weltweit für Erschütterung

über die Dimension der nationalso-

zialistischen Verbrechen.

Inneres einer Baracke im KZ Buchenwald am Tag der Befreiung (11. April 1945): Der Schrift-steller Elie Wiesel (im Foto eingekreist) hat später über seine Erlebnisse berichtet.

Befreiung des KZ Dachau:Hinter dem US-Soldat liegendie Leichen der in den letztenTagen vor der BefreiungVerstorbenen.

Das KZ-Flossenbürg wurde am 23. April 1945 von der US-Army befreit. Im Lager befanden sich noch 1.500 schwer-kranke Häftlinge, die nun von Sanitätseinheiten versorgtwurden.

Prozesse nach 1945 Der Nürnberger Prozess 1945/46

gegen führende Nationalsozialisten

leitete eine neue Entwicklung im

Umgang mit Kriegsverbrechern und

Schuldigen an Massenmorden ein.

Die Alliierten richteten die Angeklag-

ten nicht unterschiedslos hin, sondern

versuchten, auf einer klaren sittlichen

und rechtlichen Grundlage zu einem

angemessenen Urteil zu kommen. Das

Verfahren wurde zum Ausgangspunkt

grundlegender Entwicklungen des

Völkerrechts.

Eine Vielzahl weiterer Prozesse, u.a. in

Dachau, folgte. Weltweite Aufmerk-

samkeit erregte 1961 die Verhandlung

gegen Adolf Eichmann, den Organisa-

tor der Judendeportationen, in Israel.

Große Bedeutung für das Bewusstsein

der deutschen Öffentlichkeit gewann

der Auschwitz-Prozess, der von 1963

bis 1965 in Frankfurt am Main statt-

fand. Angeklagt waren 21 Mitglieder

der Lagermannschaft von Auschwitz.

Prozesse gegen einzelne Verantwortli-

che für Mordaktionen gibt es bis

heute.

Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher: Auf der unteren Reihe der Anklagebank sitzen unter ande-rem Hermann Göring (ganz links), Julius Streicher (Herausgeber des des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“,dritter von rechts) und Hans Frank (fünfter von rechts): Frank war als Generalgouverneur von Polen maßgeblich fürdie dort begangenen Verbrechen an Juden verantwortlich.

Der Kommandant des KZ Dachau von September 1942 bis November 1943, Martin Gottfried Weiss, wird in einem der „Dachauer Prozesse“ von einemamerikanischen Gericht zum Tode verurteilt. Das Foto zeigt, wie ein ZeugeWeiss (Bildmitte, stehend identifiziert.

Adolf Eichmann während seines Prozessesin Jerusalem: Er wurde 1960 vom israeli-schen Geheimdienst in Argentinien aufge-spürt und ein Jahr später zum Tod verurteilt.

Die Gedenkanlage „Tal des Todes“ in Flossenbürg war die erste KZ-Gedenkstätte in Bayern. Gedenksteineerinnern an die Opfer verschiedener Nationen. Für die Kapelle „Jesus im Kerker“ wurden Steine vonWachtürmen des KZ verwendet.

Orte der Erinnerung

Die Erinnerung an den nationalsozialisti-

schen Judenmord und seine Opfer wach

zu halten, ist Verpflichtung für die Nachge-

borenen und für die Angehörigen der Opfer

und ihre Nachkommen besonders wichtig.

Da es für viele der Ermordeten keine Grab-

stätte gibt, wurden die Orte des Tötens und

der Verfolgung - die Ghettos und die Kon-

zentrations- und Vernichtungslager selbst -

die wichtigsten Orte des Gedenkens.

Die Nationalsozialisten versuchten, die

Zeugnisse ihrer Verbrechen zu beseitigen.

Vielfach erinnern deshalb Mahnmale und

Gedenksteine an die Taten. Pyramiden mit

der Asche verbrannter Leichen oder zuge-

schüttete Gräben, in denen Massenerschie-

ßungen stattfanden, lassen heute als Ge-

denkorte das unvorstellbare Ausmaß des

Holocaust erahnen.

Pyramide menschlicher Asche im Vernichtungslager Sobibor.

Denkmal in Belzec an der Stelle der früheren Gas-kammer. Die polnische Inschrift lautet: „In Gedenken an die Opfer des Hitler-Terrors, ermor-det in den Jahren 1942-1943“

HolocaustMehr als 60 Jahre sind vergangen seit dem Ende des

Zweiten Weltkrieges und dem geplanten und industriell

durchgeführten Völkermord an den Juden, dem Holo-

caust. Der Begriff Holocaust kommt aus dem Englischen

und meint „Inferno, Zerstörung“. Der griechisch-lateini-

sche Ursprung des Wortes bedeutet „völlig verbrannt“.

Nach 1945 wurde die Ermordung von 6 Millionen

Juden zunächst dem NS-Wortschatz folgend als „Endlö-

sung“ oder auch als Judenvernichtung bezeichnet. Der

Begriff „Holocaust“ ging erst 1979 mit der gleichnami-

gen US-Fernsehserie in den deutschen Sprachgebrauch

ein. Im Hebräischen wird für Holocaust der Begriff

Shoah (Katastrophe) verwendet.

Die Karte zeigt die geschätzten Zahlen der vom 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945 ermor-deten Juden in den von den Deutschen beherrschten Gebieten. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebtenetwa 9,5 Millionen Juden in Europa. 1945 waren es nur noch rund 3 Millionen. Sechs MillionenJuden wurden ermordet. Allein in den Vernichtungslagern wurden fast drei Millionen Menschengetötet. Die meisten von ihnen stammten aus Polen und der Sowjetunion. Hinzu kommen Säug-linge und Kleinkinder, die von den Mordkommandos der Nazis getötet wurden, bevor ihre Ge-burt registriert werden konnte. Auch die Zahl der aus entlegenen Dörfern Deportierten bleibt imDunklen.