Versorgungsfokus CED 2016
-
Upload
agprobiosimilars -
Category
Health & Medicine
-
view
4.196 -
download
4
Transcript of Versorgungsfokus CED 2016
Versorgungsfokus
CEDCHronisCH-EntzünDliCHE
DarmErkrankungEn
2016mit einem Beitrag von Dr. med. Bernd Bokemeyer, und Prof. Dr. med. Stefan Schreiber
Versorgungsfokus
CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEnmit einem Beitrag von Dr. med. Bernd Bokemeyer, Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Mindenund Prof. Dr. med. Stefan Schreiber, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
CED
54 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
Vorwort
Biosimilars als CHanCE für DiE tHErapiE DEr CHronisCH-EntzünDliCHEn DarmErkrankungEn
Biosimilars werden schon seit 2007 bei der Patientenbehandlung
eingesetzt und besitzen mittlerweile in ihren Therapiefeldern
eine hohe Relevanz für die Versorgung. Die im Therapiealltag
gesammelten Erfahrungen haben bestätigt, dass Biosimilars bei
Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit absolut gleichwertig mit den
Erstanbieterpräparaten sind, aber zusätzlich relevante Preisvor-
teile bieten.
Im Vergleich zu bisher verfügbaren Biosimilars ist der monoklonale
Antikörper Infliximab aufgrund seiner Molekülgröße und der Ent-
wicklungsdauer von sechs bis acht Jahren ein nochmals komple-
xeres Arzneimittel.
Infliximab-Biosimilars haben bereits Ende 2013 die hohen Anfor-
derungen der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) erfüllt und
ihre Zulassung erhalten. Mit dem Gütesiegel der EMA-Zulassung
ist die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Infliximab-Biosimi-
lars nachgewiesen.
Im Februar 2015 ist, nach Patentablauf des Erstanbieterpräparats,
mit Infliximab der erste biosimilare monoklonale Antikörper in
Deutschland auf den Markt gekommen und steht somit für die Ver-
sorgung bereit. Die Entscheidung über die individuelle Behandlung
eines Patienten mit Infliximab-Biosimilars liegt dabei ausschließ-
lich beim behandelnden Arzt.
Infliximab ist das erste Biosimilar, das zur Therapie von chronisch-
entzündlichen Erkrankungen, also von rheumatischen Gelen-
kerkrankungen, Plaque Psoriasis und chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen (CED) zugelassen ist.
Damit entstehen neue Chancen für eine verbesserte Patientenver-
sorgung. Denn die Infliximab-Biosimilars bringen erstmalig Wett-
bewerb in diesen Wirkstoffmarkt und können so dazu beitragen,
bestehende Versorgungslücken zu schließen und mehr Patienten
zu niedrigeren Kosten zu versorgen.
Mit dem vorliegenden „Versorgungsfokus Chronisch-Entzündliche
Darmerkrankungen“ möchten wir über einige grundlegende
Aspekte der Biosimilars, deren Chancen für die Versorgung der
Patientinnen und Patienten und insbesondere über deren Einsatz
zur Behandlung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa informie-
ren. Einen Beitrag hierzu leisten die CED-Experten Dr. med. Bernd
Bokemeyer (Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden)
und Prof. Dr. med. Stefan Schreiber (Klinik für Innere Medizin I,
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel) mit einem
Artikel über die Rolle der Biosimilars in der Therapie chronisch-
entzündlicher Darmerkrankungen.
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
76
Was sind Biosimilars?
1Ein Biosimilar ist ein
Folgeprodukt eines ehe-
mals patentgeschützten
Biopharmazeutikums.
2Biosimilars müssen
für ihre Zulassung deut-
lich umfangrei chere
nachweise er bringen
als Generika.
3 Ein zugelassenes
Biosimilararzneimittel ist
genauso wirksam und
sicher wie das
Referenzarzneimittel.
5 Die Zulassung durch
die EMA ist ein »Gütesie-
gel«, auf das sich Ärzte
und Patienten verlassen
können.
4 Das zentralisierte
Zulassungsverfahren bei der
EMA gewährleistet den hohen
Qualitäts- und Sicher -
heitsstandard der zuge-
lassenen Biosimilars.
7 Biosimilars gleichen
der Referenzarznei in
dem Maße, wie sich
unterschiedliche Chargen
der Referenzarznei un-
tereinander gleichen.
8 Biosimilars können zu
einer bedarfsgerechten
Versorgung der Patien-
tinnen und Patienten mit
modernen Biopharma-
zeutika beitragen.
6 Ein Biosimilar ist
in der Anwendung, Dosie-
rung und Wirksamkeit abso-
lut vergleichbar zum
originalwirkstoff.
10 Wo immer möglich, sollte
aus Kostengründen das
Biosimilar eingesetzt
werden.
9 Biosimilars sind eine
Möglichkeit, Wettbewerb zu
den teueren Biopharma-
zeutika zu generieren.
Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn
98
Dr. med. Bernd Bokemeyer, Gastroenterologische
Gemeinschaftspraxis Minden
Prof. Dr. med. Stefan Schreiber, Klinik für Innere Medizin I,
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
infliximaB-Biosimilars in DEr tHErapiE CHronisCH-EntzünDliCHEr DarmErkrankungEn
EinleitungDie Behandlung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
(CED) wurde im letzten Jahrzehnt mit der Entwicklung von gezielt
anti-inflammatorisch wirkenden biotechnologisch hergestellten
Proteinen (Anti-TnF-α-Antikörper) revolutioniert. Dadurch erga-
ben sich erstmalig Möglichkeiten, die Krankheitsaktivität und den
Krankheitsverlauf des M. Crohn (MC) und der Colitis ulcerosa (CU)
effektiv zu kontrollieren.
In der Europäischen Union (EU) und in den USA sind derzeit vier
verschiedene Anti-TnF-α-Biologika für die Therapie von Morbus
Crohn und/oder Colitis ulcerosa zugelassen: Infliximab, Adalimu-
mab, Certolizumab Pegol und Golimumab. Zu diesen Anti-TnF-
α-Antikörpern gibt es umfangreiche Zulassungsstudien in den
jeweiligen Indikationen. Aufgrund des auslaufenden Patent-
schutzes für den Anti-TnF-α-Antikörper Infliximab zum Februar
2015 wurden erstmalig Infliximab-Biosimilars entwickelt.
Biosimilars sind in der Definition der Europäischen Arzneimittel
Agentur (EMA) Biologika, die nach dem Auslaufen des Patentes
eines Referenzarzneimittels auf den Markt kommen und eine hohe
Ähnlichkeit mit dem originalpräparat ohne klinisch relevante Dif-
ferenzen im Hinblick auf Qualität, Sicherheit und Effektivität auf-
weisen1,2. In einer neuen Definition werden sie auch als eine andere
»Version« des originalmoleküls bezeichnet.
Abb.1Struktureller Vergleich
von Erstanbieter-
Infliximab (grün) und
biosimilarem Infliximab
(blau) durch Röntgen-
kristallographie
Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn
Quelle: Jung et al, mAbs 6:5, 1163–1177; oktober 2014.
AB
90°
Es handelt sich also im Gegensatz zu chemischen Generika nicht
um identische, aber doch um weitgehend ähnliche Substanzen, was
daran liegt, dass die Produktionsbedingungen, die lebende Zellen
benötigen, nicht vollständig kopiert werden können. Biosimilars
sind also keine pharmakologische Weiterentwicklung eines bereits
vorhandenen Wirkstoffs, sondern die Abbildung des Patentschutz
verlierenden Biologikums (Abb. 1).
Zulassungsschritte für BiosimilarsIn der EU gibt es klare Vorgaben zur Herstellung und Zulassungs-
verfahren von Biosimilars, die weltweit als weitgehender Standard
anerkannt werden und auch von der Food and Drug Administration
1110 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
mittel darzulegen. Einerseits muss zur Zulassung des Biosimilars
eine pharmakokinetische Vergleichsuntersuchung und anderer-
seits eine klinische Phase-III-Studie in der sensitivsten Indikation
(»most sensitive indication«) im Vergleich mit dem originator vor-
liegen. Bei den Infliximab-Biosimilars wurden die ankylosierende
in den USA (FDA) teilweise übernommen wurden1, 2, 3. nach diesen
strengen Kriterien der EMA erfolgt die Zulassung von Biosimilars
in Europa. Voraussetzung ist, dass ein Biosimilar bezüglich seiner
physikalisch-chemischen Eigenschaften und seiner biologischen
Aktivität mit dem originator vergleichbar ist. Etwaige Abwei-
chungen dürfen keine Auswirkungen auf die Qualität, Sicherheit
oder Wirksamkeit haben. Des Weiteren müssen die pharmazeu-
tischen Formulierungen, die benötigte Dosis sowie der Darrei-
chungsweg des Biosimilars mit denen des Referenzarzneimittels
identisch sein. Das Zulassungsverfahren bei der EMA ist daher
nicht mit der Entwicklung von Generika gleichzusetzen, sondern
entspricht in Teilen eher dem Zulassungsprozess, wie er bei neuen
Biologika Anwendung findet, mit dem Unterschied, dass die prin-
zipielle Frage der klinischen Wirksamkeit schon durch die Vor-
studien zum Referenzprodukt geklärt sind. (Abb. 2).
Generika sind im Gegensatz zu Biosimilars relativ kleine Moleküle,
die wie z. B. Acetylsalicylsäure mit 180 Dalton problemlos durch
chemische Synthese identisch kopiert werden. Biologika, insbe-
sondere Antikörper, sind dagegen viel komplexere, deutlich größere
und dreidimensional strukturierte Proteine (z. B. Infliximab mit
149.000 Dalton), die nicht unproblematisch zu kopieren sind. Hier
müssen die Biosimilars die identische Abfolge der Proteinsequenz
nachweisen, aber es können sich in der Sekundär- und Tertiär-
struktur geringe Unterschiede bezüglich der Glykosylierung oder
bei anderen posttranslationalen Modifikationen ergeben6, 7, 8, 9.
Als Hauptbestandteil der Prüfung dient ein physikochemischer
und klinischer Vergleich der Biosimilars mit seinem Referenz-
produkt, um die Ähnlichkeit bzw. nicht-Unterlegenheit der Arznei-
Abb.2Invertiertes Paradigma in der Entwicklung von Biosimilars. Der Entwicklungsprozess
von Biologika im Zulassungsverfahren ist normalerweise durch einen großen Anteil
klinischer Studien gekennzeichnet. Die Vorschriften zur Zulassung von Biosimilars
verlangen weniger klinische Studien, aber dafür eine extensive vergleichende Charak-
terisierung der Substanz.
Hohe regulatorische Gewichtung
niedrige regulatorische Gewichtung
EnTWICKlUnGSPRoZESS
Von BIoSIMIlARS:
BEWEIS DER VERGlEICHBARKEIT
EnTWICKlUnGSPRoZESS Von BIoloGISCHEn
ERSTAnBIETERPRÄPARATEn:
ERFoRSCHUnG DES KlInISCHEn EFFEKTS
Klinische Studien
PK/PD-Modellierung
Funktionale (biologische) Charakterisierung
Physikochemische Charakterisierung
Präklinik
Klinische Studien Phase III
Charakterisie- rung des
Mole- küls
Klinische Studien Phase II
Klinische Studien Phase I
Präklinik
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
1312 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
Wenn ein Biosimilar in den Vergleichsstudien mit dem Referenz-
produkt keine Unterlegenheit zeigte und die geschilderten Zulas-
sungshürden bei der EMA bestanden hat, erhält das Biosimilar von
der EMA neben der in der Zulassungsstudie untersuchten Indika-
tion mit gezeigter nicht-Unterlegenheit auch die Zulassung für
alle weiteren Indikationen des Referenzpräparates (Extrapolation).
Konkret bedeutet dies im Fall des Infliximab-Biosimilars CT-P13,
dass dieses nach der vergleichenden Studie bei Patienten mit
rheumatoider Arthritis nicht nur die Zulassung für diese Indika-
tion, sondern auch die Zulassung für alle anderen Indikationen des
Referenzproduktes im Sinne einer Extrapolation, so also neben
anderen Indikationen auch für die Behandlung des Morbus Crohn
und der Colitis ulcerosa, erhalten hat.
Markteintritt der Infliximab-Biosimilars – Notwendigkeiten und ChancenDie Anti-TnF-α-Antikörper mit dem zuerst zugelassenen Prä-
parat Remicade® (Infliximab) haben die Therapie der chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen, wie auch anderer chronisch
entzündlicher Erkrankungen in der Dermatologie und in der
Rheumatologie, im letzten Jahrzehnt revolutioniert. In den von der
EMA geforderten Zulassungsstudien hat das Infliximab-Biosimilar
(Inflectra®, Remsima®) seine nicht-Unterlegenheit im Vergleich
zum Referenzprodukt (Remicade®) nachgewiesen.
Eine komplette Identität mit dem Referenz-Infliximab kann es bei
den Produktionsbedingungen, die lebende Zellen benötigen, nicht
geben, zumal sich das Referenzprodukt über die Jahre auch we-
sentlich verändert hat. Die seit Jahren auf dem Markt befindlichen
Spondylarthritis für die pharmakokinetische und immunologische
Vergleichbarkeit (hohe Dosierung mit 5 mg/kg KG, keine Co-
Immunsuppression) und die rheumatoide Arthritis (sehr stabiler
Aktivitätsindex) als Indikation für die klinische Studie gewählt, um
eine nicht-Unterlegenheit des Biosimilars nachweisen zu können.
Studienergebnisse des Infliximab-Biosimilars CT-P13 und Extrapolation der ZulassungsindikationenIm Jahr 2012 wurde das Zulassungsverfahren bei der EMA für das
erste Anti-TnF-α-Biosimilar zu Infliximab (CT-P13) eingeleitet und
im Juni 2013 abgeschlossen5. Im Februar 2015 erfolgte nach dem
Auslaufen des Patentes von Remicade® in vielen ländern West-
europas, so auch in Deutschland, der Markteintritt dieses neuen
Infliximab-Biosimilars, das von Hospira unter dem Markennamen
Inflectra® und von Mundipharma unter dem Marken namen Rem-
sima® vertrieben wird. Es handelt sich hierbei um eine gemein-
schaftliche Entwicklung, wobei die Substanz von der Firma Cell-
trion in Südkorea hergestellt wird.
In einer Phase-III-Studie bei über 600 Patienten mit rheumatoi-
der Arthritis, die entweder mit dem neuen Infliximab-Biosimilar
CT-P13 oder mit Remicade® behandelt wurden, ergaben sich bei
den primären und sekundären Studienzielen keine Unterschiede
bezüglich der Effektivität und auch das nebenwirkungsprofil
und die Daten zur Immunogenität waren nicht unterschiedlich10.
Zusätzlich wurde eine Pharmakokinetik-Studie bei Patienten mit
ankylosierender Spondylitis durchgeführt. Auch die Pharmakoki-
netik-Daten waren weitgehend identisch11.
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
1514 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
Durch die günstigen Entwicklungen bezüglich der Preissituation
mit der Einführung der IFX-Biosimilars könnten sich positive
Effekte für den Zugang zu Anti-TnF-α-Antikörper in der Therapie
der komplexen Morbus Crohn- und Colitis ulcerosa-Erkrankungen
ergeben. Durch die Absenkung der Entscheidungsschwelle für die
Einleitung einer IFX-Therapie wird es eventuell möglich sein, mehr
Patienten bei gegebener Indikation die erforderlichen Therapie-
optionen mit Anti-TnF-α-Antikörpern (Infliximab) zukommen zu
lassen(13).
Durch das Vorhandensein mehrerer Anti-TnF-α-Produkte auf dem
Markt ist zu hoffen, dass die breitere Datenlage und Erfahrung dazu
führt, die bisher noch offenen Fragen der Anti-TnF-α-Therapie
weiter zu beantworten und damit die nutzung zu optimieren. Ein
kostengünstigeres Infliximab-Biosimilar bietet dabei in nächster
Zukunft die Chance einer breiteren Anwendung, um die doch häufig
noch bestehenden »unmet needs« in der Therapie der chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen erreichen zu können. Eine
Preisspirale mit einem extremen Preisverfall ist hingegen kontra-
produktiv, da dann eine optimierung der Anwendung von Infliximab
nicht stattfinden und diese Therapieform dann möglicherweise in
naher Zukunft mit dem Eintritt neuer Präparate verlassen werden
würde. Auf diesem Wege ist zu erwarten, dass die neuzulassung
der Infliximab-Biosimilars für die CED-Behandlung insgesamt im
Hinblick auf eine bessere Patientenversorgung ein sehr wichtiger
Schritt nach vorn sein wird.
Anti-TnF-α-Antikörper haben in den Jahren seit ihrer Zulassung
wiederholt Änderungen ihres biotechnologischen Herstellungs-
prozesses erfahren (18-mal wurde der biotechnologische Herstel-
lungsprozess bei Remicade® und 9-mal bei Humira® entsprechend
der Anzeigen bei der EMA umgestellt12)*. Durch diese Umstellungen
der Herstellungsprozesse wurden vergleichende Veränderungen
wie bei den Biosimilars in der sekundären und tertiären Struktur
der dreidimensionalen Proteine bedingt. Diese Veränderungen im
Herstellungsprozess bedingten keine bemerkbaren Änderungen
der Effektivität oder der Immunogenität, was damals aber auch
nicht in entsprechenden Studien oder Registern klinisch nachge-
prüft wurde.
Dennoch gibt es aber noch einige Probleme, die zu klären sind.
Durch die Extrapolation der Studienergebnisse auf eine Zulassung
für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa stellt uns biosimilares
Infliximab vor dieselben offenen Fragen zur optimalen Anwendung
wie das Referenz-Infliximab. Uns fehlen für diese Indikationen bei
Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ent-
sprechende Studien, die beantworten, wie individuell am besten
dosiert wird. Wie können Blutspiegelmessungen, die weit vari-
ieren, in Dosisänderungen umgesetzt werden und wann wird die
Therapie am besten eingesetzt. Aus diesem Grund ist zu fordern,
diese Studien mit dem Referenzprodukt oder dem Biosimilar bei
Morbus Crohn und bei Colitis ulcerosa nachzuholen. Weiterhin
muss ein prospektives Krankheitsregister eingerichtet werden,
um die jetzt zugelassenen Biosimilars, aber auch das Referenz-
präparat sowie zukünftige Präparate bezüglich der nebenwir-
kungen zu über wachen.
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
* Inzwischen wurde der Herstellungsprozess von Remicade® bereits über 35 Mal
und der von Humira® über 15 Mal verändert
(Schneider, Ann Rheum Dis März 2013 Vol 72 nr. 3)
1716 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
10. Yoo DH, Hrycaj P, Miranda P, Ramiterre E, Piotrowski M, Shevchuk S, Kovalenko
V, Prodanovic n, Abello-Banfi M, Gutierrez-Ureña S, Morales-olazabal l, Tee
M, Jimenez R, Zamani o, lee SJ, Kim H, Park W, Müller-ladner U: A randomi-
sed, double-blind, parallel-group study to demonstrate equivalence in efficacy
and safety of CT-P13 compared with innovator Infliximab when coadministered
with methotrexate in patients with active rheumatoid arthritis: the PlAnETRA
study. Ann Rheum Dis. 2013; 72(10): 1613-20.
11. Park W, Hrycaj P, Jeka S, Kovalenko V, lysenko G, Miranda P, Mikazane H,
Gutierrez-Ureña S, lim M, lee YA, lee SJ, Kim H, Yoo DH, Braun J: A rando-
mised, double-blind, multicentre, parallel-group, prospective study comparing
the pharmacokinetics, safety, and efficacy of CT-P13 and innovator Infliximab
in patients with ankylosing spondylitis: the PlAnETAS study. Ann Rheum Dis.
2013; 72(10): 1605-12.
12. Schiestl M, Stangler T, Torella C, Cepeljnik T, Toll H, Grau R: Acceptable
changes in quality attributes of glycosylated biopharmaceuticals. nat Biotech-
nol 2011; 29(4): 310-2.
13. Miletich J, Eich G, Grampp G, Mounho B: Biosimilars 2.0: giding principles for
a global »patient first« standard. MAbs 2011; 3(3): 318-25.
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1: Struktureller Vergleich von Erstanbieter-Infliximab und biosimilarem
Infliximab durch Röntgenkristallographie
Abb. 2: Invertiertes Paradigma in der Entwicklung von Biosimilars. Der Entwick-
lungsprozess von Biologika im Zulassungsverfahren ist normalerweise durch
einen großen Anteil klinischer Studien gekennzeichnet. Die Vorschriften zur
Zulassung von Biosimilars verlangen weniger klinische Studien, aber dafür
eine extensive vergleichende Charakterisierung der Substanz.
literaturverzeichnis
1. European Medicines Agency: Applications for new human medicines under
evaluation by the Committee for Medicinal Products for Human Use. novem-
ber 2012; 14-11-2012.
2. European Medicines Agency: Questions and answers on biosimilar medicines
(similar biological medicinal products). 2012; 18 January 2013.
3. US Food and Drug Administration: Scientific considerations in demonstrating
biosimilarity to a reference product: draft guidance February 2012. www.fda.
gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/
UCM291128.pdf (accessed 4 Apr 2012).
4. Rinaudo-Gaujous M, Paul S, Tedesco ED, Genin C, Roblin, X, Peyrin-Biroulet
l: Review article: biosimilars are the next generation of drugs for liver and
gastrointestinal diseases. Aliment Pharmacol Ther 2013; 38(8): 914-24.
5. European Medicines Agency: inflectra initial MAA – summary of opinion. www.
ema.europa.eu/docs/en_GB/document_ library/Summary_of_opinion_-_ Initi-
al_authorisation/human/002778/ WC500144831.pdf (accessed 11July 2013).
6. Karindervjit Sn, Cheifetz AS, Moss AC: Impact of Antibodies to Infliximab on
Clinical outcomes and Serum Infliximab levels in Patients with Inflammatory
Bowel Disease (IBD): A Meta-Analysis. Am J Gastroenterol 2013; 108(1): 40-7.
7. liang S, Dai J, Hou S, Su l, Zhang D, Guo H, Shi H, Wang H, Rao Z, Guo Y,
lou Z: Structural Basis for treating tumor necrosis factor (TnF)-associated
diseases with the therapeutic antibody infliximab. J Biol Chem 2013; 288(19):
13799-807.
8. lida S, Misaka H, Inoue M, Shibata M, nakano R, Yamane-ohnuki n, Wakitani
M, Yano K, Shitara K, Satoh M: nonfucosylated therapeutic IgG1 antibody can
evade the inhibitory effect of serum immunoglobulin G on antibody-dependent
cellular cytotoxicity through its high binding to FcgammaRIIIa. Clin Cancer Res
2006; 12(9): 2879-87.
9. louis EJ, Watier HE, Schreiber S, Hampe J, Taillard F, olson A, Thorne n,
Zhang H, Colombel JF: Polymorphism in IgG Fc receptor gene FCGR3A and
response to infliximab in Crohn‘s disease: a subanalysis of the ACCEnT I study.
Pharmacogenet Genomics 2006; 16(12): 911-4.
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
1918 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
Durch eine frühzeitige Therapie könnte sich der Krankheitsverlauf von Morbus Crohn positiv beeinflussen lassen
Eine frühe, kombinierte Immunsuppression kann die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten, Operationen und schweren Komplikationen verringern
Eingreifen bei Diagnose
Früheres Eingreifen
Spätes Eingreifen
natürlicher Krankheitsverlauf
Konventionelle Therapie
frühe, kombinierte Immunsuppression
HR (95 % CI) = 0,73 (0.62, 0.86), p ‹ 0.001
Quelle: Grafik modifiziert nach Jones J., Panaccione R.,
Current opinion in Gastroenterology 2008; 24: 475-481
Quelle: Khanna R. et al. J Crohn`s Colitis 2014;S(Suppl1):52–53 (ECCo 2014 oral presen-
tation oP004).
ZEIT (MonATE)
EIn
WEI
SUn
GEn
, oP
ERAT
Ion
En o
DER
K
oM
PlI
KAT
Ion
En (%
)
34,7 %
27,4%
DAUER DER ERKRAnKUnG
ZUn
AH
ME
DER
BEE
InTR
ÄCH
TIG
Un
G
Frühere Behandlung
Behandlung bei Diagnose
0
5
10
15
20
25
30
35
40
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24
Späte Behandlung
2120 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
Die Ausgaben für Biopharmazeutika steigen bis 2020 weiter stark an
Quelle: Analyse IMS Health im Auftrag der AG Pro Biosimilars, Juli 2015, Gesamtmarkt
in der EU zuge-
lassen
3rd phase
1st/2nd phase
preclinical phase
Infliximab Mundipharma
Infliximab Hospira
Infliximab Pfizer
Infliximab nichi-Iko Pharmaceutical
Infliximab Epirus
Infliximab Biocad
Infliximab Samsung Bioepis
Adalimumab Sandoz
Adalimumab Epirus
Adalimumab Pfizer Adalimumab Coherus Bioscience
Adalimumab oncobiologics/Viropro
Adalimumab BioXpress
Adalimumab Amgen
Adalimumab Biocon/Mylan
Adalimumab AET/Bioexpress
Adalimumab lG life Sciences
Adalimumab Fujifilm Kyowa Kirin Biologics
Adalimumab Samsung Bioepis
Adalimumab Biocad
Infliximab BioXpress
Infliximab Amgen
Infliximab lG life Science
Infliximab Harvest Moon
Die CEDPipeline der Biosimilarhersteller ist gut gefüllt
Quelle: Recherche Pro Generika für die Wirkstoffe: Adalimumab, Etanercept, Golimumab,
Infliximab; Stand Dezember 2015, Projekte können mittlerweile eingestellt sein oder
andere Studienphasen erreicht haben. Bei zugelassenen Präparaten ist das Unterneh-
men aufgeführt, das dieses in Deutschland vermarktet
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Umsatz in Mrd. €
2010 2011 2012 2013 2014
8,2 8,6 9,2 10,1 10,8
Prognose
2015 2016 2017 2018 2019 2020
11,5 12,3 13,3 14,4 15,4 16,4
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
Adalimumab Boehringer Ingelheim
Adalimumab Momenta Pharmaceuticals/Baxter International
Golimumab Harvest Moon
Golimumab BioXpress
Golimumab oncobiologics
Golimumab Epirus
Adalimumab Harvest Moon
2322
nACH MARKTEInRTITT BIoSIMIlARS
+
50 Patienten
Biosimilars bieten den Vorteil, dass aufgrund sinkender Behandlungskosten mehr Patienten zu gleichen Kosten behandelt werden können
Quelle: Pro Generika, eigene Darstellung und Berechnung
VoR MARKTEInRTITT BIoSIMIlARS
40 Patienten
Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn
Zusammenfassung der von der EMA zugelassenen Biosimilars
Stand: September 2015
alle Angaben ohne Gewähr
Handelsname/Hersteller
INN Referenzprodukt
Datum der Zulassung
Vom Hersteller in Deutschland im Verkehr
omnitrope®/Sandoz Somatropin Genotropin® 12. 04. 2006
Binocrit®/Sandoz
Epoetin alfa Hexal®/Hexal
Abseamed®/Medice
Epoetin alfa Eprex® 28. 08. 2007
Retacrit®/Hospira
Silapo®/STADA
Epoetin zeta Eprex® 18. 12. 2007
Biograstim®/AbZ
Ratio grastim®/ratiopharm
Tevagrastim®/ Teva Generics
Filgrastim neupogen® 15. 09. 2008
–
Zarzio®/Sandoz
Filgrastim Hexal®/Hexal
Filgrastim neupogen® 06. 02. 2009 –
nivestim®/Hospira Filgrastim neupogen® 08. 06. 2010
Grastofil®/STADA / cell pharm
Filgrastim neupogen® 18. 10. 2013
Accofil®/Accord Healthcare Filgrastim neupogen® 18. 09. 2014
Inflectra®/Hospira
Remsima®/Mundipharma
Infliximab Remicade® 10. 09. 2013
ovaleap®/Teva Follitropin alfa GonAl-f® 27. 09. 2013
Bemfola®/Finox Follitropin alfa GonAl-f® 27. 03. 2014
ABASAGlAR lilly/ Boehringer Ingelheim
Insulin Glargin lantus® 09. 09. 2014
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
2524
Quelle: 1 Prof. Dr. Theo Dingermann in »Biosimilars – Ein Handbuch«, Pro Generika, S. 49 Quelle: 2 Zitate aus Blood 2014, 124: 3191 – 3196, American Society of Hematology
Extrapolation von Indikationen – ein bewährtes Konzept
Ist das Referenzprodukt für mehr als eine Indikation zugelassen,
müssen im strengen Sinne die Wirksamkeit und Sicherheit des
Biosimilars für jede einzelne Indikation über entsprechende Tests
und Studien nachgewiesen werden. Unter bestimmten Bedin-
gungen, basierend auf einer Fall-zu-Fall-Bewertung, erlaubt die
EMA jedoch eine Extrapolierung einer Indikation.1
Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
! Die Extrapolation kommt bereits seit vielen Jahren bei
Änderungen im Herstellungsprozess von Referenz-
Biologika zur Anwendung, bei denen oftmals mehr als nur
kleinere Änderungen festgestellt wurden.2
! Die Abwägung von nutzen und Risiken eines Arznei-
mittels zum Zeitpunkt der Zulassung beinhaltet immer
eine gewisse Unsicherheit, die für Bio similars sehr viel
geringer ist als für innovative Produkte.2
! Biosimilars sind seit etlichen Jahren auf dem europä-
ischen Markt und haben bei allen zugelassenen Indika-
tionen, einschließlich der extrapolierten Indikationen, das
erwartete Verhalten gezeigt.2
26 Versorgungsfokus ChronisCh-entzündliChe darmerkrankungen
Extrapolation
Für jede Indikation, für die das Referenzprodukt zugelassen ist,
müssen eigentlich Wirksamkeit und Sicherheit des Biosimilars
über entsprechende Tests und Studien nachgewiesen werden.
Unter bestimmten Bedingungen, basierend auf einer Fall-zu-
Fall-Bewertung, erlaubt die EMA jedoch eine Extrapolierung
einer Indikation.
Zum Beispiel:
- wenn bereits in einer sehr sensitiven Indikation Sicherheit und
Wirksamkeit nachgewiesen wurde
- den unterschiedlichen Indikationen der gleiche Wirkmechanis-
mus des Wirkstoffs zugrunde liegt
- wenn es keine wissenschaftlichen Einwände gibt
FDA
Food and Drug Administration
IFX
Infliximab
Inn
International nonproprietory name, Internationaler Freiname
MC
Morbus Crohn
TnF-αTumornekrosefaktor-α, ein Signalstoff des Immunsystems, der an
lokalen und systemischen Entzündungen beteiligt ist
Glossar
Biopharmazeutika
sind Arzneimittel, die in gentechnisch veränderten organismen
hergestellt werden.
Zu den Biopharmazeutika zählen u. a. folgende Wirkstoffgruppen:
TnF-Hemmer, Insuline, Interferone, Impfstoffe, Enzyme, Wachs-
tumshormone und Immunstimulantien.
Biosimilars
sind Arzneimittel, die von den Zulassungsbehörden wegen ihrer
Ähnlichkeit in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit
einem biologischen Referenzarzneimittel, mit dem sie verglichen
worden sind, zugelassen werden.
CED
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
CU
Colitis ulcerosa
Dalton
Eine Gewichtseinheit, die bei der Angabe von Atom- und Molekül-
massen verwendet wird
DDD
defined daily dose, definierte Tagestherapiedosis
EMA
European Medicines Agency, Europäische Arzneimittelagentur
27Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
29
Wofür wir uns engagieren
28 Versorgungsfokus CHronisCH-EntzünDliCHE DarmErkrankungEn
1 TeilhabeJeder Patient braucht Zugang zu modernen biopharmazeutischen Arzneimitteltherapien.noch zu oft werden Patienten in Deutschland nicht bedarfsge-
recht mit Biopharmazeutika versorgt. Der Patentablauf dieser
Arzneimittel öffnet jedoch ein Fenster für den Einsatz von Bio-
similars und somit für eine bessere Arzneimittelversorgung.
2 BezahlbarDeutschland braucht eine langfristig bezahlbare Arzneimittelversorgung.nach dem Patentablauf von Biopharmazeutika können Bio-
similars zu sinkenden Behandlungskosten beitragen und die
Versorgung der Patientinnen und Patienten mit modernen
Arzneimitteltherapien für unser Gesundheitssystem dauerhaft
bezahlbar machen. Entscheidend dafür ist, dass Biosimilars
rasch in die Versorgung kommen.
3 NachhaltigBiosimilars brauchen faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen.Um Patienten Zugang zu bezahlbaren modernen Biosimi lars
zu ermöglichen, braucht es zum Markteintritt eines Bio-
similars ein level playing field – einen Rahmen zur Teilnahme
an einem fairen und nachhaltigen Wettbewerb.
Versorgungsfokus CHRonISCH-EnTZünDlICHE DARMERKRAnKUnGEn
Die AG Pro Biosimilars ist die Interessenvertretung der Biosimilarunter-
nehmen in Deutschland. Sie steht allen Unternehmen offen, die Biosimilars
entwickeln, herstellen und für die Versorgung bereitstellen. Die Arbeitsge-
meinschaft unter dem Dach des Pro Generika e.V. engagiert sich für einen
bedarfsgerechten Zugang der Patientinnen und Patienten zu modernen bio-
pharmazeutischen Arzneimitteltherapien, für eine bezahlbare Versorgung und
für faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen.
Unterstützer sind:
Inhaltliche KonzeptionArbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars | www.probiosimilars.de
HerausgeberPro Generika e.V. | Unter den linden 32–34 | 10117 Berlin
Tel. +49(0)30 - 81 61 60 9-0 | [email protected] | www.progenerika.de
Gestaltungwww.tack-design.de
www.probiosimilars.de