Versuche zur Züchtung des Lymphogranuloma Inguinale-Virus

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3~8 IKLINISCHE WOCHENSCHRIFT. II. J~AHRGANG. Nr. 8 20. FEBRUAR 1932 VERSUCHE ZUR ZUCHTUNG DES LYMPHO- GRANULOMA INGUINALE-VIRUS*. Yon ]{URT MEYER und H. E. ANDERS. Aus der Bakteriologischen und PathoIogischen Abteilung des RudolfVirchow Kranken- hanses in Berlin. I. Experimenteller Tell. Von KURT MEYER. Seit der Aufstellung des Krankhei{sbildes des Lympho- granuloma ;~nguinale hat es nicht all Versuchen gefehlt, den ]Erreger der Erkrankung ill Reinkultur zu zfichten. Es silld eme Reihe von Mikroorganismen gefunden ulld beschrieben worden, jedoch ist man sich einig, dab keiner yon diesen als Erreger in Frage kommt. Die Erkl~irung ffir die Erfolglosig- keit aller bisherigell Bemtihungen gab die Feststellung, die LEVADITI mit seinen Mitarbeitern ~, HELLERSTROM und WASSEN 2 sowie I4[URT MEYER, ROSENFELD und ANDERS a unabhAngig voneinander nlachten, dal3 der Erreger des L.i. zu den /iltrgerbaren Virusarten geh6rt, die sich. wie bekannt, auf den gebrAuchlichen NAhrb6den nicht zfichten lassen. In den letztell Jahren sind aber Methoden ausgearbeitet wordell, die es gestatten, auch unsichtbare filtrierbare Virus- arten au~erhalb des Organlsmus zur Vermehrung zu bringen. Ihren Ausgangspunkt bildete die l)berlegung, dab eine Ver- mehrung der Vira in Gegenwart yon lebellden Gewebell eher zu erwartell sei als in kfinstlichen N~hrflfissigkeiten. derell Zusammensetzung yon der des lebenden Organismus mehr oder weniger welt abweicht. Diese Versuche stieBen auf keine erheblichen Schwierigkeiten, seit yon CARREL die Methodell der Gewebskultur in vitro ausgearbeitet warell. Ill der Tat gelang die Zfichtung einer Reihe yon Virusarten (Vaccine, Herpes usw.) in solchen Gewebskulturen. Das Verfahren wurde noch wesentlich vereillfacht, als MAITLAND und MAITLAND 4 zeigten, dab die Vermehrung auch in Anwesenheit fiberlebenden, aber nicht mehr in Proliferation befindlichell Gewebes erfolgt. Sie benutzten als NAhrmedium Organbrei, der in mit Tyrodel6sung verdfinntem Serum auf- geschwemmt war, Neuerdings geben EAGLES und Mc.LEAN 5 an, dab selbst die Anwesenheit illtakter Zellen nicht erforder- lich sei, sondern dab die Vermehrung des Virus auch in eillem Medium, das zellfrei filtriertell GewebssaIt enth~lt, vor sich gehe. Dieser Maitlandschen Methode. die bisher nut ffir die Zfichtung yon Vaccine und tIerpesvirus Allwendullg gefunden hat, bedienten auch wir nns, um das unbekannte Virus des L.i. zur Vermehrung zu bringen. Unsere Versuche muBten aus AuBerell Grfillden unterbrochen werden, und wir m6chtell sie daher noch nicht als abgeschlossen angesehen wissen. Wir glauben aber, fiber die bisherigen Ergebnisse trotzdem be- richten zu sollen. l~ber die Versuchstechnik bemerken wir folgendes. Zur Herstellung des N~hrmediums wurden Hoden und Nieren ausgewaehsener, nicht fiber i Jahr alter Meersehweinchen zu etwa gleichen Gewichtsteilen ~ Niere -- 2 ttoden ~ im sterilisierten Latapleapparat zu Brei zerkleinert und dieser in einem keimdicht angeschlossenen tarierten sterilen Kolben auigefangen. Der ]3rei wurde mit der 2ofachen Menge elnes Gemisches yon i Teil Meer- schweinehenserum und 4 Teile Tyrodel6sung gut durchgeschfittelt. Von der Aufschwemmung wurden mittels Pipette 3 ccm auf Carrei-Sehalen yon 4 cm Bodendurehmesser und 4 ccln auf Erlen- meyer-Kolben yon 5o ccm Inhalt verteilt Beimpft wurden die Carrel-Schalen mit o,i 5 ccm, die Erlen- meyer-Kolben mi.t 0,2 cam einer stark durchgeschfittelten iofachen Verdfinnung yon L. i.-Eiter mit NaC1-L6sung. Es kalnen 4 Eiter- proben (K. alt, K. lieu Sch., P.~ zur Verarbeitung, deren Infektiosi- tlit durch gleichzeitige Verimpfung auf Meerschweinchen festgestellt wurde. Von Pat. K. war Eiter zu zwei verschiedenen Zeiten ge- wonnen worden**. Die Versuehsergebnisse wurden in der Aussprache zum Vortrage yon C. LEVA- DITI in der Sitzung der Berl. Med. Gese]lsch. voul I1. November 1931 kurz initgeteilt * Ffir die (Yberlassung des Materials sind wir Herrn Prof. LOHE und Herrn Oberarzl ROSENFELD zu groBem Dank verpflichtet. Die Kulturen wurden 4 oder 5 Tage bei 37 ~ bebrCltet. Dabei hiel- ten wir die Carrel-Flasehen in Deckelschalen, um die Verdunstung der Flfissigkeit einzuschr~nken. Zur YVeiterimpfung wurde der gesamte Inhalt tier Schalen oder Kolben 2 Minuten zentrifugiert. um die mechanische Ubertragung an corpuscul~ren Elementen haftender Virusteilchen zu verhindern. Won der klaren Flfissigkeit wurden wiederum o,I 5 bzw. 0,2 ccm verimpft. Alle Kulturen wurden vor der Weiterimpfung auf Sterilitiit durch Ausstreicheu auf ]31utplatten untersueht. :Bakterielle Ver- unremigungen, besonders mit Staphylokokken und Pseudo- diphtheriebacillen, lieBen sieh nicht inlnler verhiiten. Es wurden daher stets eiue Anzahl Parallelkulturen angelegt. Obrigens wurden in den Erlenmeyer-Kolben h~ufiger Verunreinigungen beobachtet, als ill den Carrel-Schalen. Welche Kriterien standei1 null zur Verffigung, um fest- zustellell, ob eille Vermehrung des Virus ill den Kulturen statt- gefunden hatte? Die direkte mikroskopische Un• fiel natfirlich fort, da der Erreger des L. i. ja zu den invisiblen Virusarten geh6rt. Es kamen daher nur illdirekte Methoden ill ]3etracht, in erster Linie die Pri~]ung au] pathogene Wirkung der Kulturen. Von einer l~bertragung auf dell Menschen, die ja die Frage der PathogenitAt einwandfrei geklArt hAtte, muBte natfirlich abgesehen werden. Beim Versuchstier ist ein dem mensch- lichen L. i. genau entsprechendes Krankheitsbild bisher nicht erzeugt worden. Das am leichtesten erkennbare Syndrom ist die von HELLERSTROM und WASS~N beim Affen, yon H. FREUND beim Kaninchen erzeugte, mit typischen Symptomen einhergehende Encephalitis. ]3eim Meerschwein- chell ist bei der Verimpfuug in die Inguinalgegend intra vitam nur das an der Infektionsstelle entstehende, die Inguinaldrfisen einschlieBende Infiltrat festzustellell. Von entscheidender Bedeutung ist das histologische Bild. Dieses gibt bei der Encephalitis keine Anhaltspunkte daftir, dab der Prozel3 durch dell gleichen Erreger bedingt ist wie die Lymphdrfisenerkrankullgdes Menschen. I)agegen hat ANDERS an ullserem Material festgestellt, dab die lokalen Drfisen- ver~nderungen beim Meerschweinchen weitgehende Ahnlich- keit mit den beim Mellschen beobachteten aufweisen, so dab beide Prozesse mit groBer Wahrscheinlichkeit gleichzusetzen sind. Wir werden somit dem charakteristischen histologischen ]3efulld beim Meerschweinchen eine erhebliche ]3eweiskraft zuerkelllleu dfirfen. Als weiteres Anzeichen f fir die Anwesenheit des Virus kann der positive Aus/all der mit den Kulturen beim L. i.-Patienten angestellten Yreischen ReaCtion angesehen werden. Bei der hohen SpezifitAt der Reaktion darf ein positives Ergebnis wohl als beweiselld gelten. Ob aus einem negativen Ausfall auf Abwesenheit des Virus gesehlossen werden kann, m6chten wir so lange ffir fraglich halten, bis klargestellt ist, ob nicht andere :Bestandteile des Eiters am Zustandekommen der Reaktion ebenfalls beteiligt sind. Andere Methoden zum Nachweis des Virus, insbesondere serologischer Art, stehen ulls bisher llicht zur Verffigung, da die Komplementsbindungsreaktion, wenigstens soweit die negativen Befunde bei mellschlichen F~illen einen Schlug zulassen, zu versagen scheint, wie dies ja aueh bei den meisten anderen Iiltrierbaren Virusartell der Fall ist. Die Kulturen wurden daher in erster Linie im In.fektionsversuch am 2Vleer~chweinchen gepri~/t, wobei uns Herr ~[~OSENFELD freund- licherweise wertvolle Mitarbeit leistete. Wir injizierten o,2--o,5 cem der durch kurzes Zeutrifugieren yon corpusculliren 13estandteflen befreiten Kulturflflssigkeit nach vorheriger Quetschung der Leistendrfisen in die Iuguinalgegend einer Seite. Im ganzen wurden mit den versehiedeneu Kulturen 20 Meersehweinchen infiziert. Das Ergebnis der Versuche ist in der nachfolgenden Tabelle wieder- gegeben. Wie die Tabelle ergibt, zeig~en 3 Meerschweinchell fiber- haupt keine Reaktion. Bei den fibrigen Tierell elltwickelten sich inehr oder wenlger starke SchwellungeI1 in der Leisten- gegend. Diese wurden nach lO--2o Tagen exstirpiert und roll ANOERS histologisch untersuchL der auf die Befunde im eillzelllen im zweiten Tell eingehenwird. Bei 3 Tieren waren nach dem Ergebnis dieser Untersuchung die Drfisen intakt oder zeigtell einen unspezifischen Reizzustand. In 4 FAllell fanden sich wohl in dem durch die Injektion hervorgerufenen

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3~8 I K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . II. J ~ A H R G A N G . N r . 8 20. F E B R U A R 1932

VERSUCHE ZUR ZUCHTUNG DES LYMPHO- GRANULOMA INGUINALE-VIRUS*.

Yon

]{URT MEYER u n d H. E . ANDERS. Aus der Bakteriologischen und PathoIogischen Abteilung des Rudolf Virchow Kranken-

hanses in Berlin.

I. Experimenteller Tell. Von

KURT MEYER.

Seit der Aufs te l lung des Krankhei{sbi ldes des Lympho- granuloma ;~nguinale h a t es n ich t all Versuchen gefehlt, den ]Erreger der E r k r a n k u n g ill Re inku l tu r zu zfichten. Es silld eme Reihe v o n Mikroorgan i smen gefunden ulld beschr ieben worden, j edoch is t m a n sich einig, dab keiner yon diesen als Er reger in Frage kommt . Die Erkl~irung ffir die Erfolglosig- kei t aller bisherigel l Bemt ihungen gab die Fests te l lung, die LEVADITI mit seinen Mitarbeitern ~, HELLERSTROM und WASSEN 2 sowie I4[URT MEYER, ROSENFELD und ANDERS a unabhAngig voneinander nlachten, dal3 der Erreger des L.i. zu den /iltrgerbaren Virusarten geh6rt , die sich. wie bekannt , auf den gebrAuchlichen NAhrb6den n ich t zfichten lassen.

In den letztel l J a h r e n s ind aber Me thoden ausgea rbe i t e t wordell , die es ges ta t ten , auch uns i ch tba re f i l t r ierbare Virus- a r t e n a u ~ e r h a l b des Organ l smus zur Ve rmehrung zu br ingen. I h r e n A u s g a n g s p u n k t b i lde te die l )ber legung, dab eine Ver- m e h r u n g der Vira in Gegenwar t yon lebel lden Gewebell eher zu erwar te l l sei als in kf ins t l ichen N~hrflfissigkeiten. derell Z u s a m m e n s e t z u n g y o n der des l ebenden Organismus m e h r oder weniger wel t abweicht . Diese Versuche stieBen auf keine e rheb l i chen Schwierigkei ten, seit yon CARREL die Methode l l der Gewebsku l tu r in v i t ro ausgearbe i t e t warell . Ill der T a t gelang die Zf ichtung einer Reihe yon Vi rusa r t en (Vaccine, Herpes usw.) in so lchen Gewebskul turen .

Das Ver fah ren wurde noch wesent l ich verei l l facht , als MAITLAND und MAITLAND 4 zeigten, dab die V e r m e h r u n g auch in Anwesenhe i t f iber lebenden, aber n ich t mehr in Pro l i fe ra t ion bef indl ichel l Gewebes erfolgt. Sie b e n u t z t e n als NAhrmedium Organbrei , der in m i t Tyrode l6sung ve rd f inn t em Serum auf- g e s c h w e m m t war , Neuerd ings geben EAGLES und Mc.LEAN 5 an, dab se lbs t die Anwesenhe i t i l l t ak te r Zellen n ich t erforder- l ich sei, sonde rn dab die V e r m e h r u n g des Virus auch in eillem Medium, das zellfrei f i l t r ier tel l GewebssaI t enth~l t , vor sich gehe.

Dieser Ma i t l andschen Methode. die b isher n u t ffir die Zf ichtung yon Vaccine und t I e rpesv i rus Allwendul lg ge funden hat, bed i en t en auch wir nns, u m das u n b e k a n n t e Virus des L . i . zur V e r m e h r u n g zu br ingen. Unsere Versuche muBten aus AuBerell Grfillden un t e rb rochen werden, und wir m6chte l l sie daher noch n ich t als abgeschlossen angesehen wissen. Wir g lauben aber, fiber die bisher igen Ergebn i sse t r o t z d e m be- r i ch ten zu sollen.

l~ber die Versuchstechnik b e m e r k e n wir folgendes. Zur Herstellung des N~hrmediums wurden Hoden und Nieren

ausgewaehsener, nicht fiber i Jahr alter Meersehweinchen zu etwa gleichen Gewichtsteilen �9 ~ Niere -- 2 t toden ~ im sterilisierten Latapleapparat zu Brei zerkleinert und dieser in einem keimdicht angeschlossenen tarierten sterilen Kolben auigefangen. Der ]3rei wurde mit der 2ofachen Menge elnes Gemisches yon i Teil Meer- schweinehenserum und 4 Teile Tyrodel6sung gut durchgeschfittelt. Von der Aufschwemmung wurden mittels Pipette 3 ccm auf Carrei-Sehalen yon 4 cm Bodendurehmesser und 4 ccln auf Erlen- meyer-Kolben yon 5o ccm Inhalt vertei l t

Beimpft wurden die Carrel-Schalen mit o,i 5 ccm, die Erlen- meyer-Kolben mi.t 0,2 cam einer stark durchgeschfittelten iofachen Verdfinnung yon L. i.-Eiter mit NaC1-L6sung. Es kalnen 4 Eiter- proben (K. alt, K. lieu Sch., P.~ zur Verarbeitung, deren Infektiosi- tlit durch gleichzeitige Verimpfung auf Meerschweinchen festgestellt wurde. Von Pat. K. war Eiter zu zwei verschiedenen Zeiten ge- wonnen worden**.

Die Versuehsergebnisse wurden in der Aussprache zum Vortrage yon C. LEVA- D I T I in d e r S i t z u n g d e r Ber l . Med. Gese] lsch. v o u l I1 . N o v e m b e r 1931 k u r z i n i t g e t e i l t �9 * F f i r d ie (Yber lassung d e s Ma t e r i a l s s i n d w i r H e r r n Prof . L O H E u n d H e r r n O b e r a r z l R O S E N F E L D zu g r o B e m D a n k v e r p f l i c h t e t .

Die Kulturen wurden 4 oder 5 Tage bei 37 ~ bebrCltet. Dabei hiel- ten wir die Carrel-Flasehen in Deckelschalen, um die Verdunstung der Flfissigkeit einzuschr~nken. Zur YVeiterimpfung wurde der gesamte Inhalt tier Schalen oder Kolben 2 Minuten zentrifugiert. um die mechanische Ubertragung an corpuscul~ren Elementen haftender Virusteilchen zu verhindern. Won der klaren Flfissigkeit wurden wiederum o,I 5 bzw. 0,2 ccm verimpft.

Alle Kulturen wurden vor der Weiterimpfung auf Sterilitiit durch Ausstreicheu auf ]31utplatten untersueht. :Bakterielle Ver- unremigungen, besonders mit Staphylokokken und Pseudo- diphtheriebacillen, lieBen sieh nicht inlnler verhiiten. Es wurden daher stets eiue Anzahl Parallelkulturen angelegt. Obrigens wurden in den Erlenmeyer-Kolben h~ufiger Verunreinigungen beobachtet, als ill den Carrel-Schalen.

Welche Kriterien standei1 null zur Verffigung, um fest- zustellell, ob eille Vermehrung des Virus ill den K u l t u r e n s t a t t - gefunden h a t t e ?

Die d i rek te mikroskopische Un• fiel natfirl ich fort, da der Erreger des L. i. ja zu den invis iblen Vi rusa r t en geh6rt . Es k a m e n daher nur i l ldirekte Methoden ill ]3etracht, in ers ter Linie die Pri~]ung au] pathogene Wirkung der Kulturen. Von einer l~ber t ragung auf dell Menschen, die ja die Frage der Pa thogen i tAt e inwandfre i geklArt hAtte, muBte natf ir l ich abgesehen werden. Be im Versuchs t ie r i s t ein d e m mensch- l ichen L. i. genau en t sp rechendes Krankhe i t sb i ld bisher n ich t e rzeugt worden . Das am le ich tes ten e rkennbare S y n d r o m is t die von HELLERSTROM und WASS~N be im Affen, yon H. FREUND beim K a n i n c h e n erzeugte, m i t t yp i schen S y m p t o m e n e inhergehende Encephal i t i s . ]3eim Meerschwein- chell is t bei de r Ver impfuug in die Ingu ina lgegend in t ra v i t a m nur das an der Infekt ionss te l le en t s t ehende , die Inguinaldrf i sen einschl ieBende In f i l t r a t festzustellell .

Von en t sche idende r B e d e u t u n g is t das histologische Bild. Dieses g ib t bei der Encepha l i t i s keine A n h a l t s p u n k t e daftir, dab der Prozel3 durch dell gleichen Er rege r bed ing t is t wie die L y m p h d r f i s e n e r k r a n k u l l g d e s Menschen. I )agegen ha t ANDERS an ul lserem Mater ia l festgestel l t , dab die lokalen Drfisen- ve r~nderungen be im Meerschweinchen we i tgehende Ahnlich- kei t mi t den beim Mellschen b e o b a c h t e t e n aufweisen, so dab beide Prozesse mi t groBer Wahrsche in l i chke i t g le ichzusetzen sind. Wir werden somi t dem cha rak te r i s t i s chen his to logischen ]3efulld be im Meerschweinchen eine erhebl iche ]3eweiskraft zuerkelll leu dfirfen.

Als wei teres Anzeichen f fir die Anwesenhe i t des Virus k a n n der posi t ive Aus/all der mit den Kulturen beim L. i.-Patienten angestellten Yreischen ReaCtion angesehen werden. Bei der h o h e n SpezifitAt der Reak t i o n dar f ein posi t ives Ergebn is wohl als beweiselld gelten. Ob aus e inem nega t iven Ausfall auf Abwesenhe i t des Virus gesehlossen werden kann , m6ch t en wir so lange ffir fraglich hal ten , bis k larges te l l t ist, ob n ich t andere :Bestandteile des E i te r s a m Z u s t a n d e k o m m e n der Reak t i o n ebenfal ls betei l igt sind.

Andere Methoden zum Nachweis des Virus, insbesondere serologischer Art , s t ehen ulls b i sher l l icht zur Verffigung, da die K o m p l e m e n t s b i n d u n g s r e a k t i o n , wenigs tens soweit die nega t iven Befunde bei mel lschl ichen F~illen einen Schlug zulassen, zu ve r sagen scheint , wie dies ja aueh bei den meis ten ande ren I i l t r ie rbaren Virusartel l der Fall ist.

Die Kulturen wurden daher in erster Linie im In.fektionsversuch am 2Vleer~chweinchen gepri~/t, wobei uns Herr ~[~OSENFELD freund- licherweise wertvolle Mitarbeit leistete. Wir injizierten o,2--o,5 cem der durch kurzes Zeutrifugieren yon corpusculliren 13estandteflen befreiten Kulturflflssigkeit nach vorheriger Quetschung der Leistendrfisen in die Iuguinalgegend einer Seite. Im ganzen wurden mit den versehiedeneu Kulturen 20 Meersehweinchen infiziert. Das Ergebnis der Versuche ist in der nachfolgenden Tabelle wieder- gegeben.

Wie die Tabelle ergibt , zeig~en 3 Meerschweinchel l fiber- h a u p t keine Reak t ion . Bei den fibrigen Tierell e l l twickel ten s ich inehr oder wenlger s tarke SchwellungeI1 in der Leis ten- gegend. Diese wurden nach lO- -2o Tagen exs t i rp i e r t und rol l ANOERS his to logisch un te r suchL der auf die Befunde im eillzelllen im zwei ten Tell e i n g eh en w i rd . Bei 3 Tieren w a r e n nach dem Ergebn i s dieser U n t e r s u c h u n g die Drfisen i n t a k t oder zeigtell e inen unspezi f i schen Reizzus tand . In 4 FAllell f an d en sich wohl in d e m durch die In j ek t ion he rvo rge ru fenen

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r FEBRUAR x932 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I E T . II . J A I - I R G A : N G . N r . 8. 319

Tabelle 1.

'Virus i l Positiv

Positive makroskopische Impfreaktion ttlstologischer Befund

Fraglich

2 4 3 3

3

Negativ

Keine Impf-] Ins- reakti0n ], gesamt

/ K. alt . . . . [ 3 3 3 5 K. 1Ieu . . �9 ~ 3 Sch[ . . . . 3 6 P. - . . . . 3 4 4 i ge amt., il

2 3

3 �9

3

5 3 6

- - - 7 - 7 [ ~o Die Ziffern geben an, welcher Generation die verimpften Kul-

turen ange)6rten.

In f i l t r a t Granulome in ghnl icher Anordnung , wie sie AND~RS bei den m i t mensch l i chem Ei te r inf iz ier ten Tieren fes tges te l l t hat . Da abe t in 2 F/~llen die Drfisen se lbs t keine spezif ischen Vergnde rungen zeigten und in 3 we i te ren Fal len kein Drfisen- gewebe in dem In t i l t r a t nachgewiesen werden konnte , h a b e n wir diese FXlle als fraglich bezeichnet .

I n 10 ~'allen, also bei der H(~lJte der Versuehstiere, /anden sich in den Dr~tsen die gleichen Ver4nderungen, wie sie ]riCher dureh Verimp]ung mensehliehen Materials hervorgeru]en worden waren, also Prozesse, die we i tgehende Ahnl iehke i t mi t den mensch l i chen Drf i senver~nderungen zeigten. Als besonders wicht ig m 6 c h t e n wir noch hervorheben , dal] bei e inem Tiere ~Sch. 2) bei der 4 Wochen nach der In fek t ion v o r g e n o m m e n e n Autops ie aueh in der zugeordne ten Iliacaldri~se die charakteri- stisehen spezi]isehen Verginderungen gefunden wurden .

- V o n 7 Kontrolltieren, denen unbeimp]tes Ndhrmedium, das ebenfal ls 4 Tage bebrf i te t war, e ingespr i tz t wurde, zeigten 2 keinerlei Reak t ion . ]3ei den i ibrigen 5 Tieren t r a t e n zwar Inf i l t ra te an der In jekt ionss te l le auf, die aber bei de r his to- logischen U n t e r s u c h u n g nur unspezi/ische Entzitndungsvorgdinge zeigten, d i e keinerlei )~hnlichkeit mi t den als pos i t iv be- w e r t e t e n B e funden aufwiesen.

In io F~llen wurden die Drt isen auf je i Meerschw3inchen weiter verimpJt. Von diesen zeigten 4 ebenfat ls e inen spezi- f ischen Befund, w/~hrend bei 3 Tieren jede Reak t i o n ausbl ieb und bei 2 Tieren der Befund negat iv , bei I f ragl ich war. Be- m e r k e n s w e r t ist, daB in 2 F/~llen (K. a l t 2 und P . 3), wo der pr imAre t3efund zweifelhaft erschien, bei der 15beriragung spezif ische Ver/~nderungen he rvorge ru fen warden , so daB jene Tiere e igent l ich auch noch zu den erfolgreieh Inf iz ie r ten ge- r echne t werden mfigten.

Dies unsere b isher igen Ergebnisse . Soweit m a n d e m his to- togischen Befund f iberhaupt Beweiskraf t zue rkennen darf, sche in t aus ihm zu folgen, daft das Virus des L. i. in den Kulturen zur Vermehrung gekommen ist. Dab es e twa, ohne sich zu ve rmehren , in den Kul tu ren nu r pass iv mi tgef t ih r t wurde, k a n n wegen der yon uns getroffenen Kaute len , besonders aber bei Berf icks icht igung der q u a n t i t a t i v e n Verh~iltnisse, als aus- gesehlossen gelten.

Nach unseren ~rfiheren Erfahrungen scheint die beim Meer- schweinchen noch infektiOs wirkende Menge menschlichen Eiters bei etwa o,oi ccm zu liegen. Bereits in der zweiten Kulturgeneration hat abet der Eiter eine Verd/innung yon I : 4ooo erfahren, so dab zur Verimpfung nur etwa o,ooo i ccm gekommen sind, also eine Menge, deren pathogene Wirkung sehr unwahrscheinlich w/~re. Die Wahrscheinlichkeit wird aber natflrlich yon Generation zu Generation geringer, und in der 5. und 6. Generation ist die Ver- dfinnung bereits auf I : 32 und I : 640 Millionen gestiege n. Da auch diese I(ulturen sich noch als voI1 wirksam erwiesen haben, so kann an einer echten Vermehrung des Virus nicht gezweifelt werden.

Wir ha t t en , wie berei ts erw/~hnt, ein pos i t ives Impf - e rgebnis in der H~lf te der F~lle zu verzMchnen. Diese Zahl der Impfer fo lge e rsche in t viel leicht e twas gering; sie gewinnt abe t ein anderes Aussehen, wenn die m i t den ve r sch iedenen Viruss tAmmen erha l tenen Ergebnisse einzeln ins Auge gefaBt werden.

Dana ist festzustellen, dab bei dem Virus K. alt kein negatives Ergebnis zu verzeichnen ist, dagegen 4 positive und 2 fragliche. Bei K. neu sind 2 Impfungen glatt negativ, 2 Iraglich und nur i positiv. Bei Virus Sch. sind 2 Impfungen positiv, eine negativ. Bei Virus P. endlich stehen 3 positive 2 negativen und I fraglichen Ergebnis gegeniiber. Es scheinen in diesen Zahlen Unterschiede in der Virnlenz des Virus zum Ausdruck zu kommen, indem z. ]3. bei

K. alt bei drei Viertel, bei K. neu dagegen nur bei einem Ffinftel der Tiere Impferfolge zn verzeichnen sind. Die Kulturen eines hoch wirksamen Virus, wie K. alt, k6nnen somit fast regelm/~Big die eharakteristischen Ver/inderungen hervorrnfen.

Was dell Beweiswert des histologischen Be]undes betr i f f t , so k a n n aus d e m mikroskop i schen Bild natf ir l ich n ich t unmi t t e l - ba r abgelesen werden, dab die Dr f i sene rk rankung des Meer- schweinchens du rch den Erreger des mensch l ichen L. i. he rvor - gernfen worden ist. Man dar f abet , auch wenu m a n zungchs t die his tologische O b e r e i n s t i m m u n g mi t d e m mensch l i chen Krankhe i t sb i l d unber f icks ich t ig t 1M3t, wenigs tens den Schlul3 ziehen, dab es sich um einen ehroniseh-in]ektiSsen ProzeB hande l t .

Denn dab ar tg le iches Serum, das A u t o l y s e p r o d u k t e a r t - e igenen Gewebes in geringer Menge enth/~lt - - n ich ts anderes s te l l t j a die Kulturf l f iss igkei t , v o m Virus abgesehen, da r - - zu- mal wenn es n ich t e inmal in die Drfise selbst , sonde rn nur in ihre U m g e b u n g e ingespr i tz t wird, de ra r t ig schwere Ver/~nde- rungen, wie sie nur als Reak t ion auf infekti6se Prozesse be- k a n n t sind, he rvo r ru fen k6nnte , i s t schon an sich sehr nn - wahrscheinl ich . Ganz unvers tXndl ich aber ware es, dab ein solcher Prozel3, der n ich t d u t c h ein lebendes Virus hervor - gerufen, sonde rn tox i sch bed ing t wXre, auf die f ibergeordnete Il iacaldrfise fibergreifen soll, wie w i r e s in e inem Fal le be- o b a c h t e t haben . N e h m e n wi t hinzu, dab in den Kontrollf~llen, in denen das gleiche Serum und die gleichen Au to lysep roduk te , nur mi t Ausschluf3 des Virus, e ingespr i tz t wurden , n iemals / ihnliche Ver~nderungen zu b e o b a e h t e n waren, so e r sche in t die A n n a h m e einer in/ekti6sen Dri~senerkrankung zwingend . Da diese a b e t n u r d u t c h die e ingespr i t z t en K u l t u r e n he rvor - gerufen sein kann , so da r f m a n es, weu igs tens auf Grund des h is to logischen Befundes, als sehr wahrsche in l ich ansehen, dab uns die Zi~chtung des Virus des L. i. und seine FortJi~h- rung in Unterkulturen gelungen ist.

Allerdings s t e h t mi t d iesem Ergebnis der Aus]all der Freischen Reaktion, die wir mi t 3 K u l t u r en anges te l l t haben , n ieh t im Einklang . Her r Dr. ROSENFELD v o n d e r Ab te i lung yon Professor LSHE h a t t e die F reund l i chke i t je eine K u l t u r der Vira I/2., Sch. und P., die sich im Meerschweinchenversuch als infekt i6s erwiesen ba t t en , bei vier P a t i e n t e n mi t L . i . i n t r a c u t a n zu ver impfen . In allen FAllen war das Ergebn i s nega t iv . Wir h a b e n berei ts oben er6r ter t , d a b der nega t ive Ausfall de r Reak t i o n die Anwesenhe i t des Virus n ich t aus - schl iegt . I m m e r h i n w~re es e rwf inscht gewesen, wenn das Ergebnis der T ie rversuche d u t c h die Freische Reak t i on seine Best/~tigung ge funden h~t te .

Wir b e t r a c h t e n unsere U n t e r s u ch u n g en keineswegs als abgeschlossen. W i t haben die Zf ich tungsversuche wieder auf- g e n o m m e n und beabs ich t igen e inmal die Pathogeni t /~t der K u l t u r en ftir Al len und K a n i n c h e n zu pr i i fen; sodann werden wir fests tel len, ob sich mi t den du rch die K u l tu r en e rzeug ten K r a n k h e i t s p r o d u k t e n des Meerschweinchens die Fre ische Reak t ion be im MenSchen ausl6sen l~Bt.

II . H i s t o - P a t h o l o g i s c h e r Tei l .

Von

H . [E. A N D E R S .

In unserer i . Mi t te i lung (diese Wschr . i93 i , i653 , 1655 ) fiber die His togenese und Pa thogenese des auf das Meerschweinehen f iber t ragenen L y m p h o g r a n u l o m a inguinale (L. i.) g lauben wir den Beweis e r b r a c h t zu haben , dab es f f i r das L . i . be im Meerschweinchen charak te r i s t i sehe his tologische Befunde gibt , die in vielen F~llen schon allein far sich m i t groBer W a h r - seheinl iehkei t die Diagnose zu s tel len g e s t a t t e n und die in bezug auf ihre chronologisehe Reihenfolge, die h i s t opa tho - genet ischen R e a k t i o n e n und ihre cellulS, re Z u s a m m e n s e t z u n g ganz b e s t i m m t e n Gesetzmd/Jigkeite~ un te rwor fen sind.

Z u s a m m e n f a s s e n d war- in unserer e r s ten Pub l ika t ion da rauf h ingewiesen worden, dab das L. i. eine auf das Meer- sehweinchen f iber t ragbare I n f e k t i o n s k r a n k h e i t ist , ffir die un te r t t e r a n z i e h u n g aller in Frage k o m m e n d e n f / i rberischen Methoden in den S e h n i t t p r ~ p a r a t e n ein Er reger nieht naeh:

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320 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . II. J A H R G A N G . Nr. 8 20. FEBRUAR I93a

gewiesen werden konnte, eine Feststellung, die sich im fibfigen auch in Rahmen ailer weiteren Untersuchungen immer wieder best/itigt hat. Welter bat ten wir darauf hingewiesen, dab im AnschluB an die yon KURT MEYER und H. ROSENFELD be- nutzte Obertragung des Virus durch subcutane Injektion des Impfmaterials in die Leistenbeuge des Tieres nach vorheriger Quetschung der Inguinaldrfisen das histo-pathologische Ge- schehen in immer wieder zu beobachtenden Einzelphasen ab- 1/iuft. Hinsichtlich der Pathogenese des auf das Meerschwein- chen fibertragenen L. i. konnten wir feststellen, daB das L. i. lceine streng lokal bleibende Erkrankung darstellt, die sich in der Setzung eines typischen _Prim(~rkomplexcs ersch6pft, es handelt sich vielmehr um eine Allgemeinerlcrankung, die ihrerseits zun/ichst als eine lymphogene Propagation des Prozesses in den parailiacalen und paraaortalen Lymphdrfisen in die Erscheinung tritt , alsdann komlnt es zur Ausbildung

Abb. I. Akute exsudative Encephalo-Meningitis eines Meerschweinchens nach experi- menteller Obertragung der L.i.-Infektion. Obj.: Leitz 4, Kondensor: Aplanat x,4,

Filter griin 3, Vergr. 60 : x.

h(2matogener Organmetastasen, besonders in JLeber, seltener in den Lungen*.

Unsere seither welter unternommenen Untersuchungen fiber die His to-und Pathogenese des L. i. haben sowohl an dem menschlichen wie auch an dem tierischen Material die obigen ]3efunde best/itigt. Wie bereits in der ersten gemeinsamen Ver6ffentlichung betont wurde, kann die histologische Diagnose in manchen F/illen gewisse Schwierigkeiten dadurch bereiten, dab das L. i., da zur Gruppe der sog. ,,infekti6sen Granulome" geh6rend, groBe Ahnlichkeit besonders mit der Tuberlculose zeigen kann. Es seien jedoch in diesem Zusammenhange 2 neue eigene menschliche F/ille erw/ihnt, in denen an dem zur histo- logisehen Untersuehung fibersandten Material nur auf Grund der erhobenen mikroskopischen ]3efunde die Diagnose L. i . gestellt wurde Die nachtr/iglich bei beiden Patienten an- gestellte Freische l~berempfindlichkeitsreaktion ergab ein l~ositivea Resultat, wodurch die Richtigkeit der histologischen Diagnose einwandfrei bewiesen wurde. Zusammenfassend 1/iBt sich ffir das menschliche Material sagen, daB die Diagnose auf L. i. um so leichter und sicherer gestellt werden kann, je ]rischer der ProzeB ist; kommt es zu sekund/iren Misch- in]ektionen, z. ]3. nach Durchbruch der entzfindlich ver/inderten Drfisenpakete nach auBen, so kann das histologische Bild

* In diesem Zusammenhange m6ge ein Fall aus unseren weiteren Untersuchungen hier kurz Erw~ihnung finden~ bei dem im AnschluB an die inguinal erfolgte Impfung eines Versuchstieres cerebral bedingte Kr~impfe mit L~ihmungen der Extremit/iten auf. traten. Bei der Sektion land sich am Gehirn makroskopisch kein besonderer Befund, histologisch wurde jedoch eine schwere exsudative Meningoencephalitis festgestellt (s. Abb, I).

bis zur Llnkenntlichkeit verwiseht werden, so daB eine histo- logische Diagnose unm6glich wird, eine Schwierigkeit, die gelegentlich des Vortrages yon LEVADITI (s. Med. Klin. vom 4. x n . 31, l~r 49) schon yon uns betont wurde. In diesem Zusammenhange m6ge auf eine weitere bemerkenswerte Tat- sache hingewiesen werden, die sich beim Studium des mensch- lichen Materials ergeben hat : es hat den Anschein, als wenn das Virus des L.i., je alter der lokale entzfindliche ProzeB ist, im Laufe der Zeit seine Ftkhigkeit verliert, die ffir die Fri~hstadien charakteristischen histologischen Zustandsbilder hervor- zurufen, so dab es dann nur noch zu ganz unspezifischen chronisch-entztindlichen Gewebsreaktionen kommt.

Hinsichtlich der neu gewonnenen histologischen Unter- suchungsergebnisse, die sich an dem ticrischen Material er- geben haben, an denen K. MEYER die oben beschriebenen Ver- suche zur Zfichtung des L.i .-Virus unternommen hat, lieB sich folgendes feststellen: Ungef/ihr IO Tage nach der Impfung mit dem Kulturmaterial treten bei dem Versuchstier die gleichen histologischen Neaktionen auf, wie sie bei ~ber- t ragung yon menschlichen L. i .-Eiter auf das Versuchstier yon uns in der ersten Ver6ffentlichung beschrieben wurden. Es gilt diese Feststellung besonders ftir die an der region/iren Inguinaldrfise feststellbaren Ver/inderungen. Ebenso wie bei dem vom L. i.-kranken Menschen stammenden Material 1/iBt sich an dem neu gewonnenen tierischen Material feststellen, daB der Zeit]aktor eine besondere Nolle spielt: je kfirzere Zeit der Infektionstermin zurfickliegt, d. h. je frischer der ent- zfindliche ProzeB ist, urn so deutlicher sind die ffir das L. i. charakteristischen histologischen Ver/inderungen. Vergleicht man die geweblichen Ver/inderungen, die den verschiedenen Tierpassagen entsprechen, auf die Stgrke der spezifischen Gewebsreaktionen miteinander, so ergeben sich bei den yon K. MEYER benutzten 4 verschiedenen Vira (s. Tabelle I) gewisse Unterschiede: W/ihrend in dem einen Falle die geweb- lichen Reaktionen ann/ihernd konstant (Virus K. alt) zu bleiben scheinen, 1/i~3t sich in anderen F~llen feststellen, dab die spezifischen histologischen Ver/inderungen an St/irke nachzulassen scheinen. Worauf sich diese Tatsache zurfick- ffihren 1/iBt, ist nur schwer zu entscheiden: Am n/ichsten liegt die Annahme, dab sich die verschiedenen Vira des L. i. primgr dutch ihre Pathogenit/~t unterscheiden, wie das ja auch yon anderen Infektionskrankheiten bekannt ist. Welter w/ire die M6glichkeit zu erw/igen, daB ein Virus im Laufe der Passagen hinsichtlich seiner Virulenz eine spontane Abschw/ichung er- f/ihrt. Unter diesen Bedingungen w/ire der Tall denkbar, daB ein an sich schon relativ schwach wirkendes Virus bei be- sonders langer Einwirkung an der Stelle des experimentell gesetzten Prim/irkomplexes nicht mehr in der Lage w/ire, die ffir das L. i. charakteristischen histologischen Ver/inderungen hervorzurufen. In derartigen F/illen ist naturgem/iB die Stellung einer histologischen Diagnose nicht m6glich.

Derartige Schwierigkeiten haben sich des 6fteren bei der ]3eurteilung der histologischen Befunde ergeben, die bei den Versuchstieren sowohl an der lokalen Infektionsstelle wie an der region/iren Inguinaldrfise festzustellen waren. So erkl/irt sich die Tatsache, daB in einigen F/illen die Frage often- gelassen werden muBte, ob die vorliegenden Befunde ffir eine gelungene ~3bertragung sprachen oder nicht. Wie die von K. MEYER mitgeteilte Tabelle zeigt, war in insgesamt io F/illen der histologische Befund so eindeutig, daB er als positiv be- zeichnet werden muBte. Als charakteristisches Endstadium des spezifischen Prozesses findet sich in den betreffenden Lymphdrfisen eine Verwischung der histologischen Struktur unter Zugrundegehen des spezifischen lymphatisch-lymphoiden Gewebes. Es kommt zum Einbau eines epitheloidzelligen, sich fibroplastisch ausdifferenzierenden Granulationsgewebes, das sich in bezug auf seinen histogenetischen Aufbau in keiner Weise von den ]3ildern unterscheidet, wie sie yon uns in der ersten Ver6ffentlichung ffir die erkrankte Lymphdrfise be- schrieben und abgebildet wurden (s. Abb. I der ersten Ver- 6ffentlichung).

Auf Grund dieser histologischen Untersuchungsergebnisse dfirfen demnach die yon I(. MEYER angestellten Versuche der Zfichtung des L. i.-Virus als gelungen bezeichnet werden.

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20. F~BRUAR x932

Zuaammen]assung: Von menschl ichem Lymphogranu lom- ei ter wurden Kulturen nach der Mai t landschen Methode (tiber- lebender Gewebsbrei in Serum-Tyrodel6sung) angeleg~c und in l~assagen fortgeffihrt . Die Kulturf l t iss igkei t wurde Meer- schweinchen i n die Inguinalgegend verimp]t. Bei der H~tlfte der Tiere t r a t en Ver~inderungen in der Inguinaldri~se, in e inem Fal le auch in einer zugeordneten Iliacaldri~se auf, die histo- logisch mi t den fr t iher bei Ver impfung von E i t e r beobachte ten , den menschl ichen Drt isenver / inderungen gleichenden Pro- zessen i ibere ins t immten. Soweit f iberhaupt auf Grund des histologischen Befundes die Ident i f iz ie rung eines infekt i6sen Krankhei tsprozesses m6glich ist, scheint es somit gelungen zu sein, das Virus des Lymphogranuloma inguinale zu zi~chten und in Passagen ]ortzuJi~hren.

L i t e r a t u r : ~ C. LEVADITI, E . RAVAUT, P . LI~PINE U . A . SCHOEN, C. r. Soc. Biol. Paris zo6, 729 (1931). -- 2 S. HELLER- STR6M U. E. WASS~N, C. r. Soc. Biol. Paris Io6, 802 (1931). --

KURT MEYER, H . ROSENFELD: U. S . E . ANDERS, Klin. Wschr. I931, 1653. __ 4 H . B . MAITLAND a . M. C. MAITLAND, L a n c e t I928 II, 59- - 5 H. EAGLES a. D. MCLEAN, Brit. J. exper. Path. 12, 97 (I93I) �9

KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. ii. JAHRGANG. Nr. 8 321

D IE H O R M O N A L - N E R V O S E R E G U L I E R U N G D E R F U N K T I O N DES H Y P O P H Y S E N V O R D E R L A P P E N S .

yon

WALTER HOHLWEG u n d KARL JUNKMANN. Aus dem tlauptlaboraterium der Sehering-Kahlbaum A.-G., Berlin.

Durch die Arbe i ten yon FICHERA I, SCHLI~IDT 2, LEHMANN a U. a. sind nach der Kas t r a t ion charakter is t i sche Ver~nderungen im histologischen /3ild des Hypophysenvorde r l appens der R a t t e Iestgestel l t worden. Es hande l t sich um das Auf t r e t en zahl- reicher gr6Berer, schlecht fgrbbarer Zellen m i t grob granul ier- t e m Pro top lasmMeib und c h r o m a t i n a r m e n Kernen. N a c h lAngerer Zei t t r i t t in diesen Zellen Vakuolenbi ldnng ein, die zu den zuerst yon SCHLtglDT beschr iebenen Siegelr ingformen ftihrt. Die Ansbi ldung Liner typ ischen Kas t r a t i onshypophyse beanspruch t unabh~ngig yon Al ter und Geschlecht des Tieres e twa 3 Wochen (DoHRN und HOHLWEG4). FICHERA, SCHLt~IDT, LEHMANN, MONTPELLIER und CHIAPONY 5 konnten zeigen, dab die Kas t ra t ionsfo lgen im Hypophysenvo rde r l appen durch Keimdrf i senex t rak te bzw. I m p l a n t a t i o n yon H o d e n oder Ovar ien zur Rfickbi ldung gebrach t werden k6nnen. Es sell hier n icht in eine Diskussion tiber die Geschlechtsspezif i t~t dieser Rt ickbi ldung e inget re ten werden, doch sei bemerkt , dab nach HOHLWEG und DOHRN s nur q u a n t i t a t i v e Unte r - schiede wahrscheinl ich sind, da aueh die m~innliche Kas t r a - t ionshypophyse durch al lerdings bedeutend gr6Bere Gaben krys ta l l i s ier ten Progynons beeinflut lbar war.

Auch die alltagonistische Wirkung der Keimdriisenhormone, die sich fiieht nur auf die heterogene Keimdrtise, sondern auf den ge- samten Sexualapparat erstreckt, spricht gegen eine SpezifitAt der Keimdriisenhormone beziiglich ihrer Wirkung auf den Vorder- lappen, da die antagonistische Wirkung, wie schon MOORE 9 er- kl~rt hat, wahrscheinlich durch eine Hemmung des Vorderlappens zustande kommt.

EVANS und SIMI~SON~ konn ten durch I m p l a n t a t i o n eine st~irkere gonadot rope Wi rksamke i t des Kas t r a t envorde r - lappens feststel len und n a h m e n deshalb eine Sekretspeiche- rung an. Die Frage, ob es sich bei der H o r m o n v e r m e h r u n g im Vorder lappen des K a s t r a t e n um eine reine Sekre t s t auung im Sinne yon EVANS und SIMPSON oder gle ichzei t ig u m eine gesteigerte Sekret ion handel t , wird y o n DOHRN and HOHLWEG im Sinne der le tz teren A n n a h m e bean twor te t . Das Vorl iegen einer 13berproduktion yon gonado t ropem H o r m o n wird wahr- scheinlich gemach t durch die Vermehrung desselben im H a r n v o n K a s t r a t e n (ZONDEK), wel ter du rch die Parab ioseversuche an infant i len R a t t e n yon H. KALLAS s. Le tz te re haben er- geben, dal3 nach Kas t r a t i on des e inen Pa r tne r s be im anderen Oestrus auf t r i t t . Dieser E f f ek t b le ibt aber aus, wenn durch In jek t ion yon Fol l ike lhormon an den kas t r i e r t en Paar l ing die Ausbi ldung einer Kas t ra t ionshypophyse un te rbunden wird. Durch diese und die Versuche yon HOHLWEG und DOHRN, die zeigten, dab die stArkere hormona le Wi rksamke i t des

Kas t r a t enhypophysenvorde r l appens durch Sexua lhormon- behandlung ebenso wie die morphologischen Ver~tnderungen ve rh inde r t bzw. rf iekgebildet wird, scheint erwiesen, dab nach Kas t r a t i on eine Ste igerung der inneren Sekre t ion des H y p o - physenvorder lappens e int r i t t . Die Funk t ionss t e ige rung i s t bed ing t durch den For t fa l l der Keimdrf isenhormone. Sie kann durch Zufuhr der I le tz teren ve rh inde r t bzw. riickgAngig ge- m a c h t werden. Es bes teht demnach eine wechselsei t ige Iunkt ionel le AbhXngigkeit der Ink re t ion von Vorder lappen und Keimdrfisen. Sekret ion des Vorder lappens f t ihrt zur geste iger ten P roduk t ion yon Keimdr t i senhormon, w~ihrend umgekehr t Zunahme der T~itigkeit der Keimdrt i sen die gonadot rope F u n k t i o n des Vorder lappens beschrXnkt. Es en t s tand also die Frage, ob diese Kor re la t ion nur auf inkre- to r i schem Wege oder auch durch Ve rmi t t l ung nerv6ser E l emen te bewirk t wird.

Beztiglich der Wirkung des Vorder lappens auf die Ge- schlechtsdrfisen seheint der rein hormona le Weg erwiesen, denn I m p l a n t a t i o n yon Vorder lappen, sowie In j ek t ion yon E x t r a k t e n derselben sind sowohl auf die in si tu bef indl iehen als such ant t r ansp lan t ie r te Keimdrf isen wirksam. Es wird also auch die aus ihren normalen Nervenve rb indungen los- gelSste Keimdrt ise durch Vorder lappensekre t beeinfluBt. Weniger klar war unsere Kenntn i s fiber den Mechanismus der h e m m e n d e n Wi rkung der Keimdri ise auf die gonadot rope Hypophysensekre t ion . Die folgenden Versuche sollen einen Be i t r ag zur Aufkl~irung dieses Geschehens bringen.

Zur En t sche idung der Frage, ob aueh hier rein hormona le Beziehungen obwal ten, waren Versuche an Tieren m i t ent- ne rv t en H y p o p h y s e n notwendig.

Eine direkte vollst~indige Nervendurchtrennung an der Hypo- physe ist mangels gentigender anatomischer Angaben derzeit nicht m6glich. Wir haben unsere Versuche daher so angeordnet, dab wir Hypophysen in Nieren normaler Tiere (teils Mannchen, teils Weibchen) implantierten und anschlieBend die Kastration aus- fiihrten. Nach 4 Wochen, einer Zeit, die zur Ausbildung der Kastl"a- tionserseheinungen des Vorderlappens gentigt, wurden die Tiere get6tet und sowohl die eigene~ als such die implantierte I-Iypophyse

Abb. t. Schnitt durch den ttypophgsenvorderlappen eines Rattenweibchens 3 Wochen naeh der Kastration (4oofach},

histologisch untersucht. Durchgehend zeigte die erstere typische Kastrationsfolgen (Abb. I).

Das Implantat lieB derartige Ver~tnderungen vermissen (Abb. 2 u. 3)- Es waren gr613ere Versuchsserien erforderlich, da nur ein Teil der eingepflanzten Hypophysen gut einheilte. Immerhin konnten unter je IO Tieren 3--4 leidlich bis gut erhaltene Implantate gefunden werden, die nienlals Kastrationserscheinungen zeigten.

Damit ist erwiesen, dab bei der Ausbildung der Kastrations- hypophyse nerv6se Einflfisse eine Rolls spielen. Die ge- schi lder ten Versuche wurden IlOCh in der Weise var i ier t , dab ausgebi ldete Kas t r a t i onshypophysen in normale und in kas t r ie r te weibliche und m~innliche R a t t e n implan t i e r t wurden. 3 Wochen nach der I m p l a n t a t i o n zeigten diese n ich t nur in den normalen Tieren, sondern auch bei den kas t r ie r ten keiner- lei histologische Merkmale von Kas t r a t ionshypophysen . Es erfolgt also nach Losl6sung der K a s t r a t e n h y p o p h y s e aus ihren