Vertragsstrafen und Abstellungen im Profifußball

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Regelmäßig sehen die Arbeitsverträge eine Gültigkeit für eine bestimmte Liga vor, zum Beispiel für die erste oder zweite Bundesliga. Damit wird nur der zeitliche Geltungsbereich des Arbeitsvertrages geregelt, nicht das konkrete Einsatzgebiet des Spielers. Wer also „Gültigkeit für die erste Liga“ vereinbart, dessen Vertrag gilt solange die erste Mannschaft auch tatsächlich in der ersten Liga spielt. Im Falle des Abstiegs der ersten Mannschaft endet der Vertrag.

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Vertragsstrafen und „Abstellungen“

im Profifußball Woche für Woche kitzeln Fußballtrainer aus ihren Mannschaften das Maximum an Leistungsvermögen heraus –

und greifen hierfür auch zu Disziplinarmaßnahmen. Legendär sind Felix Magaths Straftrainingsprogramme mit

einer würzigen Mischung aus Liegestützen und Steigerungsläufen. Auch Geldstrafen sind ein probates Mittel, um

Spieler zu disziplinieren. Juristisch handelt es sich um Vertragsstrafen, diese sind nur zulässig, wenn sie im Ar-

beitsvertrag eindeutig geregelt sind.

Eindeutige vertragliche Grundlage

Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss für jeden Profi erkennbar sein, was er zu tun und zu lassen hat. Bestraft

werden darf nur ein Verhalten im Zusammenhang mit der Beschäftigung. Dazu zählen bei Fußballprofis aber

nicht nur das pünktliche Erscheinen zu Training und Wettbewerb und die Tätigkeit auf dem Platz, sondern auch

eine „sportgerechte Lebensführung“ im privaten Bereich. Der Sportler muss alles unterlassen, was ihn daran

hindert, im Training und Wettbewerb im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein.

Verhältnismäßigkeit

Der Arbeitsvertrag braucht nicht für jedes Fehlverhalten die konkrete Strafe festzusetzen. Dies wäre angesichts

der Vielzahl der Fallgestaltungen gar nicht zu leisten. Die Vereine dürfen aber nur solche Strafen verhängen, die

in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten des Spielers stehen. Kommt der Spieler einmal geringfü-

gig verspätet zum Training, rechtfertigt dies keine drakonische Strafe. Auch bei schwereren Verfehlungen sind

Geldstrafen in der Regel auf die Höhe maximal eines Monatsgehaltes begrenzt. Entscheidend ist der individuelle

Einzelfall, wobei sowohl die Intensität des Verstoßes, als auch das Verschulden des Spielers und frühere Vorfälle

sowie Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses in Betracht zu ziehen sind. Die Vertragsstrafen dienen letztlich

dazu, den Spieler zu einem korrekten Verhalten anzuhalten. Sie sollen nicht drakonisch wirken und dürfen nicht in

der Absicht erfolgen, ein Exempel zu statuieren.

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„Abstellung“ in die zweite Mannschaft

Wenn mildere Maßnahmen nicht greifen, werden unbotmäßige Spieler gerne auch in das Training der zweiten

Mannschaft verbannt. Gegen eine solche „Abstellung“ wehrten sich die Profifußballer Maik Franz und Peer Kluge

von Hertha BSC Berlin. Sie wollten sich per einstweiliger Verfügung die Teilnahme am Trainingsbetrieb der ersten

Mannschaft erstreiten. Die TSG Hoffenheim gründete in der Saison 2013/14 sogar eigens eine „Trainingsgruppe

2“. Hiergegen wehrte sich Torwart Tim Wiese. Zuständig für solche Verfahren sind die Arbeitsgerichte. Denn auch

wenn Fußballprofis teilweise horrende Gelder verdienen, gelten sie rechtlich doch als Arbeitnehmer. Entschei-

dend ist die Eingliederung in einen Betrieb und die Weisungsgebundenheit, nicht die Höhe des Verdienstes. Die-

ser Grundsatz gilt für alle Mannschaftssportler, also etwa auch im Eishockey, Handball, Volley- oder Basketball.

Bei der „Abstellung“ in die zweite Mannschaft handelt es sich rechtstechnisch nicht um eine Vertragsstrafe. Viel-

mehr geht es um den vertraglich definierten Tätigkeitsbereich des Spielers: Die Beschäftigung des Fußballprofis

ist eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag. Der Inhalt des Beschäftigungsanspruchs richtet sich in

erster Linie nach dem Arbeitsvertrag. Wer ausdrücklich nur für die erste Mannschaft angestellt wird, hat einen

Anspruch, auch mit dieser zu trainieren. Einen Anspruch auf Aufstellung im Wettkampf gibt es dagegen nicht,

sofern nicht ausdrücklich eine „Stammplatzgarantie“ vereinbart ist. Vielmehr richtet sich die Aufstellung nach der

sportlichen Einschätzung des jeweils verantwortlichen Trainers.

Regelmäßig vereinbaren die Vereine im Arbeitsvertrag, dass sie den Spieler bei Bedarf auch im Wettkampf oder

Training der zweiten Mannschaft einsetzen können. Diese Regelung ist nach einem Beschluss des Arbeitsge-

richts Berlin vom Februar 2014 (Aktenzeichen 28 Ga 2145/14) auch dann wirksam, wenn sie als „Blocksatz“

standardmäßig Verwendung findet. Es handelt sich dann zwar um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, für die

erhöhte rechtliche Anforderungen gelten. Ein Profifußballer, zumal wenn er durch einen Spielerberater oder

Rechtsanwalt beraten und vertreten werde, sei aber nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie ein „normaler“

Arbeitnehmer, entschieden die Berliner Richter.

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Dagegen kommt es nach Auffassung der Rechtsanwälte Martin Fröhlich und Ulrich Sittard auf eine Angemessen-

heitskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht an: Da es sich bei der Arbeitsleis-

tung um eine Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers handle, greifen die besonderen Bestimmungen für Allge-

meine Geschäftsbedingungen gar nicht ein. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Causa Sport“ verweisen Fröhlich

und Sittard zudem darauf, dass Fußballprofis nicht generell weniger schutzbedürftig seien als „normale“ Arbeit-

nehmer. Vielmehr sei insoweit auf den individuellen Einzelfall abzustellen, etwa darauf, ob der Spieler erfahren

und im konkreten Fall rechtlich beraten gewesen sei.

Vertraglich kann ein Verein also den Einsatz des in der zweiten Mannschaft vorsehen. Ob dies generell gilt, oder

nur dann, wenn die Leistungsstärken der Mannschaften nicht zu stark divergieren, ist umstritten. Sei der Leis-

tungsunterschied zu groß, bestehe „für einen Profispieler die Gefahr, bei der Abstellung in die zweite Mannschaft

nicht mehr leistungsgerecht trainieren zu können“, sagen die Rechtsanwälte Thomas Herrich, Johan-Michel Men-

ke und Thomas Schulz in einem Beitrag für die Zeitschrift „Sport und Recht“. Demnach wäre eine Verweisung auf

die zweite Mannschaft unzulässig, wenn die erste Mannschaft in der ersten Bundesliga und die zweite Mann-

schaft unterhalb der Oberliga zum Einsatz kommt. Entscheidend soll es nach einer Entscheidung des Arbeitsge-

richts Münster aus dem Jahr 2009 dagegen nicht auf die Ligazugehörigkeit, sondern auf die tatsächlichen Leis-

tungsunterschiede ankommen. Eine klare arbeitsvertragliche Regelung wird aber immer vorrangig zu beachten

sein.

„Trainingsgruppe 2“

Während ein vertraglich vereinbarter Einsatz in der zweiten Mannschaft zulässig ist, gilt dies nicht in gleicher

Weise für eine eigens gegründete „Trainingsgruppe 2“: Das Arbeitsgericht Mannheim entschied im August 2013

(Aktenzeichen 10 Ga 3/13), dass eine solche, vertraglich nicht vorgesehene Trainingsgruppe dem Beschäfti-

gungsanspruch des Spielers widerspricht: Ein Fußballprofi müsse Gelegenheit haben, Training und Wettkämpfe

in einem leistungsgerechten Umfeld auszuüben. Dies kann zwar, wenn vertraglich vereinbart, auch die zweite

Mannschaft sein. Der Spieler muss dann aber in den „normalen“ Trainings- und Wettkampfbetrieb der zweiten

Mannschaft eingegliedert werden. Die eigens gebildete „Trainingsgruppe 2“ erfüllte diese Anforderungen nach

Meinung der Mannheimer Richter nicht: Zwar erfolgte ein Training durch qualifiziertes Personal in professionellem

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Umfeld; die „Trainingsgruppe 2“ hatte jedoch keine Chance, an „echten“ Testspielen gegen andere professionelle

Mannschaften teilzunehmen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts schuldet der Arbeitgeber einem Berufsfußballspie-

ler aber nicht nur eine qualifizierte Trainingsmöglichkeit, sondern zusätzlich die Chance, „die vorhandenen, er-

worbenen und antrainierten Fähigkeiten auch in einem qualifizierten Spieleinsatz einzusetzen“. Die von Tim Wie-

se beantragte einstweilige Verfügung erließ das Arbeitsgericht gleichwohl nicht: Eine solche Maßnahme des

vorläufigen Rechtsschutzes sei nur in Eilfällen geboten. Ein solcher liege aber nicht vor, da ein vorübergehender

Verzicht auf Wettspieleinsätze dem Spieler keine unwiederbringlichen Nachteile bringe. Er könne seine Ansprü-

che auf dem normalen Rechtsweg geltend machen.

Weisungsrecht des Trainers

Die sportliche Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Spieler im Wettkampf zum Einsatz kommt, bleibt in

der Verantwortung des Trainers. Arbeitsrechtlich übt der Trainer damit das Weisungsrecht des Vereins aus.

Wenn aber dem Spieler durch Einteilung in eine „Trainingsgruppe 2“ von vorherein die Chance genommen wird,

an qualifizierten (Test-) Spielen teilzunehmen, so verstößt dies gegen den arbeitsvertraglichen Beschäftigungs-

anspruch.

Zeitlicher Geltungsbereich des Arbeitsvertrages

Regelmäßig sehen die Arbeitsverträge eine Gültigkeit für eine bestimmte Liga vor, zum Beispiel für die erste oder

zweite Bundesliga. Damit wird nur der zeitliche Geltungsbereich des Arbeitsvertrages geregelt, nicht das konkrete

Einsatzgebiet des Spielers. Wer also „Gültigkeit für die erste Liga“ vereinbart, dessen Vertrag gilt solange die

erste Mannschaft auch tatsächlich in der ersten Liga spielt. Im Falle des Abstiegs der ersten Mannschaft endet

der Vertrag. Dies schließt aber nicht aus, dass der Spieler bis zu diesem Zeitpunkt auch in der zweiten Mann-

schaft des Vereins eingesetzt wird, sofern dies vertraglich vorgesehen ist. Vereine und Spieler sollten daher die

zeitliche Geltung des Vertrages und das Einsatzgebiet des Spielers deutlich voneinander trennen und jeweils

unmissverständlich regeln.

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Schlagwörter: Abstellungen, erste Liga, Felix Ma-

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Verhältnismäßigkeit, Vertragsstrafen,Weisungsrecht des Trainers, Zeitlicher Geltungsbereich

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