verum No 3

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\\ Nr. 3 Juni 2013 Magazin für Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft verum Piratin Cornelia Otto Auf dem Weg in den Bundestag

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Exklusiv-Interview mit Cornelia Otto (Piratenpartei) +++ Briefwechsel zwischen "verum" und Frankreichs Premierminister Jean-Marc Ayrault +++ per manum - Warum die Handschrift nicht sterben darf

Transcript of verum No 3

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Nr. 3 Juni 2013

Magazin für Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft

verum

Piratin Cornelia Otto

Auf dem Weg in den Bundestag

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Titel: Die Piraten auf dem Weg in den BundestagExklusiv-Interview mit Cornelia Otto

Es ist schwierig, aber es gehtFrankreichs Premierminister antwortet verum

Bütteleck ist überallDas hat der Norden davon, wenn ein Bayer Verkehrsminister ist

Ein Desaster, von Bürokraten verplantInfrastruktur, die zweite: Das Dilemma um denNord-Ostsee-Kanal

LesermeinungReaktionen und Ansichten

Willkommen bei Grube-ReisenGlosse: Immer dasselbe mit der Bahn!

In Blau-Weiß-Rot wählt nur noch die HälfteKommunalwahlen in Schleswig-Holstein

Geachtet, geächtet, überarbeitetArzt sein in Deutschland

per manumKulturmerkmal Schreiben mit der Hand

Kunststrecke: Fotograf Tim Wegner

verum erscheint am jeweils ersten Donnerstag eines Monats. Wir freuen uns über Leserbriefe, am liebsten per eMail an: [email protected]. Für unverlangt eingesandte Manuskripte übernehmen wir keine Haftung.

verum-magazin verlagPlanckstraße �3D-��765 HamburgTel. +49.40.�849�860Fax +49.3���.53377�4V.i.S.d.P.: Jochen Dersch, Dr. Franz Wauschkuhn,Layout: Monika van der Meulen

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IMPRESSUM

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NHALT

Seite 32

Seite 3

Seite 6

Seite 14

Seite 21

Seite 22

Seite 25

Seite 38

Seite 52

Seite 60

Das nächste verum erscheint am 4. Juli 2013

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I\ N\ T\ E\ R\ N\ A\ T\ I\ O\ N\ A\ L\

Gemeinsame Führungsrolle

Vor Kurzem haben wir als Herausgeber von verum in einem Schreiben an den französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault unsere Sorge über das deutsch-französische Verhältnis zum Ausdruck gebracht. In einem ausführlichen Brief hat uns der Regierungschef unseres westlichen Nachbarn geantwortet. Wir möchten Ihnen seine Sicht der bilateralen und europäischen Beziehungen nicht vorenthalten und drucken das Schreiben aus Paris im Faksimile auf den folgenden Seiten

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I\ N\ F\ R\ A\ S\ T\ R\ U\ K\ T\ U\ R\ I

Bütteleck ist überall

Der Straßenbau verkommt zur Reparaturlandschaft

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lichen Bevölkerung hatten sich die Beamten im Berliner (BMV) und Kieler Verkehrsministerium 2006 bequemt, die kleine Spannbeton-brücke errichten zu lassen. Als 2009 Bagger und Raupen anrollten, mein-te man spätestens zur Touristiksai-son 2011 fertig zu sein.

Heimtückischer Beton

Aber dann tat der Beton heim-tüclischerweise nicht, was er bei tausenden anderer Spannbetonbrü-cken üblicherweise tut: in alle Hohl-räume fließen. Erstaunlicherweise wurde dies sogar bemerkt: Dut-zende Beamte des Landesbetriebs Straßenbau mussten nun eigens ihre Behördenschreibtische verlas-sen, vor Ort reisen, im Regen de-battieren, unabhängige Ingenieure bemühen, die ihrerseits Gutach-ten zur Sanierung der nagelneuen Brücke verfassten und Betonspezi-alisten heranzogen. Zum Ärger al-

ler Verkehrsteilnehmer rührte sich weit mehr als zwölf Monate nichts mehr auf der Baustelle bis die Be-tonsanierer anrückten. Nach drei-einhalb Jahren soll nun das Minibau-werk für den Verkehr freigegeben werden: Ein bundesweiter Rekord an Stümperei und behördlichen Di-lettantismus.

Nicht alles ist allerdings den staat-lichen Landesbetrieben für Verkehr und Straßenwesen anzulasten, die im Auftrag des Bundesverkehrs-ministeriums (BmV) Bau oder Sa-nierung von Autobahnen und Bun-desstraßen überwachen. Denn sie kennen Stärken und Schwächen der meisten Straßenbaufirmen recht gut. So auch jenes Unternehmen,s das notorisch Asphaltblasen pro-duziert. Als dieses Unternehmen jüngst im Ausschreibungsverfahren für den Bau eines A-20-Streckenabschnitts östlich Segebergs wieder einmal das

„Nein, Bütteleck ist uns nicht be-kannt“, heißt es im Bundesver-kehrsministerium. „Sollte es aber“, fluchen hunderte Trucker aus Skandinavien und tausende Sylt-touristen, die rund um die Uhr auf der Bundesstraße 5 an der Nord-see entlang schleichen. Dass Büt-teleck binnen Kurzem trauriger Unfallschwerpunkt werden würde, hatte bereits Gerhard Stoltenberg (CDU) vor gut 40 Jahren erkannt, als der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein auf der B 202 von Kiel kommend zur Halb-insel Eiderstedt fuhr, um dort mit seinem politischen Gegner, dem „Roten Jochen“ Steffen (SPD), Golf zu spielen.

Doch Stoltenbergs Anregung, am Bütteleck eine Straßenbrücke zu bauen, um den ein- und abbie-genden Verkehr flüssig zu machen, verschimmelte in den Ablagen. Nach einigen Dutzend Verkehrsto-ten und Querschnittsgelähmten so-wie anhaltendem Protest der ört-

„Brücke der deutschen Einheit“ über die Saale bei Rudolphstein auf der A 9 Foto: Lizenz GNU

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preislich niedrigste Angebot vor-legte, warnte das Kieler Verkehrs-ministerium dringend ab, diese Fir-ma zu beauftragen. Aber im BmV scherte sich kein Ministerialer um die Warnung aus der Provinz. So kam es, wie es kommen musste: Der Streckenabschnitt wurde pom-pös eingeweiht, doch nach einem Monat zeigten sich die ersten Bla-sen. Der Aspalt musste wochenlang abgehobelt werden. Der Steuerzah-ler beziehungsweise der Autofahrer hatte das Nachsehen.

GigantischerInvestitionsstau

Es hakt im deutschen Straßenbau nicht nur in der Arbeitsaufteilung zwischen Bund und Ländern, son-dern auch am Geld. Thomas Birtel, Vorstand der Strabag AG, sagte An-fang Mai unverblümt, der Zustand der bundesdeutschen Straßen sei „desaströs“. In den alten Bundes-ländern hat sich ein gigantischer

Investitionsstau in dreistelliger Mil-liardenhöhe aufgetürmt: 39.000 marode Spannbetonbrücken, Au-tobahnabschnitte, die an das Jahr 1945 erinnern, Strassentunnel ohne gesetzlich geforderte Notausstiege, 10.000 Kilometer dringend sanie-rungsbedürftige Bundesstraße. Zu-dem fehlt den meisten westdeut-schen Kommunen das Geld, ihre eigenen, innerstädtischen Schlag-lochpisten, geschweige denn die Ampelschaltung verkehrsgerecht zu programmieren.

Da sich der Ausbau der A 7 in Hessen und Niedersachsen seit

zwanzig Jahren hinschleppt und sich je länger desto mehr als veritabler Albtraum aller Pkw- und Lkw-Fah-rer entpuppt, verlagert sich der Nord-Süd-Verkehr von Tag zu Tag stärker auf die bestens, teilweise opulent sechsspurig ausgestatteten Autobahnen in den neuen Bundes-ländern. Trotz längerer Fahrtstre-cke ist heute die Distanz München - Hamburg schneller und nerven-schonender über Leipzig/Berliner Ring als über Kassel zu bewältigen.

Logistiker fürchtenRot-Grün

Dass die knapp 4,5 Milliarden Euro für den jährlichen Erhalt und Ausbau der Bundesfernstraßen völlig unzureichend sind, ist inzwi-schen Erkenntnis sämtlicher Be-völkerungsgruppierungen. „Drei Milliarden davon zahlen wir mit der Lkw-Maut“, sagen die Logistikun-ternehmen. Nach der Bundestags-wahl werde es eine saftige Mauterhebung geben. Befürchtet wird von den Logi-

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stikern Rot-grün: „Die werden am heftigsten zulangen.“ Kaum zu be-zweifeln ist auch, dass eine große Koalition (Union/SPD) ebenso wie Schwarz-Gelb (Union/FDP) bereits 2014 mit Einführung der Pkw-Maut kräftig in die Tasche der kleinen Leute greifen wird, was der augen-blicklichen Interessenlage der drei deutschen Autokonzerne natürlich total zuwider läuft. Denn für sie ist die bereits absehbare lang und ver-bissen geführte Pkw-Maut-Debatte angesichts schwächelnder Inlands-nachfrage pures Gift - insbesondere im Hinblick für das nachwachsende Käuferpotential. Erwiesenermaßen ist für die Generation der 20- bis

35-Jährigen der Besitz des eigenen Autos kein Muss mehr – wie bei der Elterngeneration. „Wir fahren Fahrrad, S- und U-Bahn und brau-chen nicht stundenlang nach einer Parklücke zu suchen“, sagen selbst junge Mütter.

Noch haltendie Lobbies still

Die Einführung der Pkw-Maut aber wäre gerade in dieser Alters-gruppe - neben hohen Benzin- und Dieselpreisen, Pkw-Steuer, Versi-cherungen, holprigen Straßen und

Dauerstau - ein zusätzliches Argu-ment gegen den Autokauf. Infolge-dessen wird die sonst allmächtige Autolobby in Berlin und Brüssel das Thema Pkw-Maut bis zum Schluss der Wahllokale wie der Teufel das Weihwasser meiden. Zumal in der sich anbahnenden Debatte erneut sichtbar werden wird, dass der Au-tofahrer die wahre Melkkuh von Bund, Ländern und Gemeinden ist. Immerhin tragen die deutschen Autofahrer jährlich gut 45 Milliar-den Euro zum Fiskus. Sagt die Tank-stellenkassiererin angesichts des auf 1,31 € fallenden Dieselpreises.

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„Jetzt ärgert sich Schäuble!“ Kom-mentiert ungefragt ein Trucker: „Für Afghanistan ist Geld da, aber nicht für unsere Straßen.“

Der BDI hatte als erste Lobbyor-ganisation erkannt, welcher Volks-zorn sich heranbildet und dem In-stitut der deutschen Wirtschaft in Köln signalisiert, sich wissenschaft-lich dem Straßenbau zu widmen und politische Forderungen zu formulie-ren. Mit reichlich Verspätung zog am 9. Mai der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) endlich auch nach und fordert in diploma-tischer Diktion ein Planungsverein-

fachungsgesetz mit transparenteren Verfahren. Abzusehen ist heute schon, dass beide Organisationen sofort nach der Bundestagswahl aus dem Busch kommen und den zukünftigen Bundesverkehrsmi-nister massivst unter Druck set-zen werden. Ramsauer, so heißt es schon heute im BDI, habe sein Res-sort überhaupt nicht im Griff, siehe Nord-Ostsee-Kanal, ihm fehle es an Ideen und Durchsetzungskraft, auf berechtigte Kritik reagiere der Mi-nister mit Arroganz oder hochmü-tigem Schweigen. Außerdem stehe er im Ruch, vor allem bayerische

Verkehrsinteressen zu vertreten. Kurz gesagt: BDI und DIHK wollen Ramsauer nicht mehr.

CO2-Verpestunginteressiert nicht

Tatsache ist jedoch auch, dass rot-grün regierte Landesregierungen wie in Kiel, Hannover oder Stuttgart in Fragen des Straßenverkehrs ex-trem doppelzüngig agieren. Beispiel: Straßenquerung Großer Belt. Der Kieler Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) spricht sich dafür aus, während der wortgewaltige Um-weltminister und seine grüne Land-tagsfraktion dagegen sind. Identisch die Positionierung zum Ausbau der A 20 und der Elbquerung westlich von Hamburg bei Glückstadt. Hän-gebrücken wie über den Tejo oder die Seine sind für diese Politiker außerhalb ihres ideologischen Kos-mos. Gebetsmühlenartig räsonie-ren die Grünen des nördlichsten und ärmsten Bundeslandes statt-dessen über den Erhalt von Flora und Fauna auf Fehmarn und in der Elbmarsch, während die tägliche Katastrophe von Dauerstau, Sprit-vergeudung und CO2-Verpestung vor den Hamburger Elbtunnelröh-ren nach dem St.-Florians-Prinzip völlig ausgeblendet wird. Dem ent-sprechend sind die Kieler Landes-mittel für Straßenplanung bis auf einen Bodensatz zusammengestri-chen worden. Sollte der zukünftige Bundesverkehrsminister im kom-menden Jahr Sonderzuweisungen für den Straßenbau ausloben, wür-den die meisten rot-grün regierten

„Lichtspuren“ auf der Foto: Jörg Klemme/piqs.de

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Bundesländer mangels baureifer Straßenprojekte leer ausgehen.

Dauerprügel imWahlkreis

Namhafte Verkehrswissenschaft-ler warnen vor dauerhaftem Ver-kehrsinfarkt auf der Nord-Süd-Achse, zumal die Bundesbahn auf diesen Strecken längst überlastet ist. Ein zusätzlicher Einsatz von Containerzügen aus dem Hambur-ger Hafen gen Stuttgart oder Mün-chen ist selbst zur Nachtzeit nicht mehr möglich. Die so genannte

Pällmann-Kommission bezifferte im Jahr 2000 den Investitionsbedarf für die Bundesfernstraßen auf sieben Milliarden Euro. Inzwischen sind die Baukosten allerdings um fast 22% gestiegen, wonach man heute von 8,6 Milliarden Euro ausgehen müsste.

Exakt kaum abschätzbar ist der Investitionsstau im Straßenbau und -erhalt der westdeutschen Kom-munen. Denn wie es im Gesetz so trefflich und redundant heißt, „sind die Gemeinden Träger der Baulast für die Gemeindestraßen innerhalb des Gemeindegebiets.“ Deren gi-

gantische Finanzierungsprobleme finden allerdings bei keiner Bundes-tagspartei – sprich von Merkel bis Gysi – kaum Erwähnung, obwohl die einzelnen Abgeordneten in ih-ren Wahlkreisen permanent beim Thema Infrastruktur/Straßenbau Prügel beziehen. Offenbar rangiert das Problem in den Berliner Par-teihochhäusern unter ferner liefen - zur Freude der Freien Wähler-gruppen, denen man die Stimmen zutreibt. Die aber fordern immer lauter eine neues Städtebau- und Infrastruktur-Förderungsgesetz.

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Oben: Start der A 24 in Hamburg (Foto: Lizenz GNU)Unten: Stoßzeit in München (Foto: M. Steinbach/fotolia)

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Ein Desaster, von Bürokraten geplantDie Modernisierung des Nord-Ostsee-Kanals ist zwanzig Jahre aufgeschoben

I\ N\ F\ R\ A\ S\ T\ R\ U\ K\ T\ U\ R\ II

Hier startet der Nord-Ostsee-Kanal: an der

westlichen Schleuseneinfahrt

in Brunsbüttel

Foto: Jan Sievers/Stadt Brunsbüttel

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Ein Desaster, von Bürokraten geplantDie Modernisierung des Nord-Ostsee-Kanals ist zwanzig Jahre aufgeschoben

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„Wir machen Schifffahrt möglich.“ Für alle Kapitäne, die mit ihren Containerriesen und Musikdamp-fern drei bis fünf Stunden Zwangs-pause ankernd vor der Schleuse Brunsbüttel einlegen müssen, klingt das Motto der „Wasser- und Schiff-fahrtsverwaltung des Bundes“ wie Hohn. Denn selbst wenn die Zu-fahrtsleuchten „grün“ zeigen und

die Anker gelichtet sind, kann der-zeit niemand mit Gewissheit sa-gen, ob nicht das eine oder andere Schleusentor aus Kaisers Zeiten plötzlich den Geist aufgibt und der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) dann über Monate unbefahrbar bleibt. Das einwöchige Desaster im März, als die internationale Großschiff-fahrt wie zu Zeiten Lord Nelsons

erst Jütland mit Skagen Rev um-runden musste, um in die Ostsee zu gelangen, wird sich nach Mei-nung der Experten wiederholen. Der Ausfall im März wurde von der Verwaltung kurzerhand einer Baufi-rma und dem winterkalten Wasser angelastet. Allein das Bunkeröl, das für die zusätzlichen 500 Seemeilen verfeuert werden muss, bringt für den Schiffsreeder Mehrkosten von gut 70.000 Euro. Vom CO2 Eintrag gar nicht zu sprechen.

Der desaströse bauliche Zustand der Schleusen des Nordostsee-kanals ist symptomatisch für die drei Jahrzehnte währende Ignoranz sämtlicher Bundesregierungen in Fragen der See- und Binnenschiff-fahrt. Die aktuell vollmundigen Schuldzuweisungen der SPD und ihres Wortführers Ralf Stegner gegen den amtierenden Bundes-verkehrsminister Peter Ramsau-er (CSU) gehen total am Thema vorbei. Sie sollen vernebeln, dass Ramsauers sozialdemokratischen Amtsvorgänger Müntefering, Klimt, Bodewig, Stolpe und Tiefensee die gleiche Schuld trifft. Denn der Aus-fall des nicht einmal hundert Kilo-meter langen NOK, also der meist befahrenen, künstlichen Wasser-

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straße der Welt, ist eine peinliche Politkatastrophe mit Ansage. Denn bereits die Grundinspektion der Brunsbütteler Schleusen hatte im Dezember 2004 eindeutig erwie-sen, dass ein Totalumbau vonnö-ten war. „Ich bekam den Eindruck, dass die Situation so nicht zu hal-ten war“, konstatierte die Leiterin des Wasser- und Schifffahrtsamtes, Gesa Völkl.

Die Mauer- und Bauwerksschä-den sprachen Bände. Die Schienen, auf denen die Schleusentore rollen, waren abgefahren. Die Befestigung an der Sohle war erneuerungs-reif und die elektrischen Antriebe der Tore hätten eigentlich den Eh-renplatz deutscher Wertarbeit im Deutschen Museum in München erhalten sollen. Ingenieurin Völkl war im Sommer 2007 noch voll guter Hoffnung: „Die Ausschrei-bung für die Ingenieurplanung läuft und die Bauvorbereitungen für den

Dükerbau erfolgen im nächsten Jahr.“ Denn das Bundesverkehrs-ministerium hatte sich intern – oh Wunder! - am 20.März 2007 für die Komplettsanierung der Schleu-sen entschieden. Insgesamt waren damals 350 Millionen Euro bewil-ligt worden, davon 180 Millionen für ein neu zu bauendes drittes Schleusensystem. Weshalb jedoch danach Stillstand eintrat und die Schleusentore von 1895 weiter vor sich hinmoderten, bleibt das süße Geheimnis der Berliner Ministerial-bürokraten. Allein für das laufende Etatjahr kürzten sie die Unterhal-tungsausgaben um 49 auf geradezu lächerliche elf Millionen Euro.

„Der Kanal braucht eine stärkere Lobby“, meldete sich im März die FDP zu Wort. Denn obwohl der langjährige Präsident des DIHK, Hans Heinrich Driftmann, Unter-nehmer aus Schleswig-Holstein war,

Im Uhrzeigersinn (v. l. o.:): Grund-steinlegung 1887; Grünenthaler Hochbrücke 1887; Festhalle in Form eines Dreimasters auf dem FEstplatz in Holtenau 1895; die Holtenauer Schleuse vor dem Ein-lassen des Wassers 1895 Abb.: F. Stoltenberg

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und unter dem Namen „Initiative Kiel-Canal“ eine Institution gegrün-det, die ihre Lobbyarbeit einzig auf den Ausbau des NOK konzentriert. Wie nötig die ist, erwies sich auf der „Nationalen Maritimen Konferenz“ am 8. April in Kiel, wo sich Bundes-kanzlerin Angela Merkel vor 830

Reedern, Maklern und Werftma-nagern zwar 23 Minuten lang über die Bedeutung der maritimen Wirt-schaft verbreitete, aber jede Zusage für den Ausbau des NOK unterließ. Wen wunderte es, dass der Applaus fast beleidigend flau war?

Tatsächlich wird der NOK in den

haben weder die DIHK-Organisati-on und die Handelskammer Ham-burg noch die Industrie und Han-delskammer Kiel genügend Druck in Berlin aufgebaut. Man übte sich über Jahrzehnte in hanseatisch nor-discher Zurückhaltung. Angesichts dieses eklatanten Versagens haben Schiffsmakler, Reeder und Lotsen im Februar die Notbremse gezogen

Ein Schlepper zieht das Hamburger Museumsschiff „Cap San Diego“ durch den Kanal Foto: Lizenz GNU

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Berliner Ministerien vor allem als Last des Fiskus betrachtet, weil die Befahrungsabgaben von gut 20 Mio. Euro lediglich ein Drittel der jähr-lichen Betriebskosten decken. Mit-samt des Lotsengeldes hat z. B. die „Norwegian Queen“, ein modernes Passagierschiff mit 51.000 BRZ, auf

der Strecke von Feuerschiff Elbe 1 bis Kiel Feuerturm etwa 15.000 Euro Abgaben zu entrichten. Be-trachtet man allerdings den NOK volkswirtschaftlich, so ist die starke Schiffsfrequenz auf dem Kanal als einer der wichtigsten Wachstums-motoren der norddeutschen Kü-stenländer zu betrachten. Denn

der Kanal hilft ihnen, am wirtschaft-lichen Aufschwung Polens, der bal-tischen Staaten und Russlands zu profitieren. Im vergangenen Jahr durchquerten gut 35.000 Schiffe mit 104 Mio. Tonnen Gütern den NOK. Jeder dritte im Hamburger Hafen umgeschlagene Container wird durch den NOK befördert.

Eigentlich hatte die Schifffahrt

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darauf gehofft, dass die Schleusen-zeiten in Brunsbüttel mit der In-standhaltung und dem geplanten Neubau eines dritten Schleusensy-stems - mit einer Kammer von 350 Metern Länge und einer Durch-fahrtsbreite von 35 Metern - von derzeit fast anderthalb Stunden auf 40 Minuten verkürzt werden könnten. Aber dem ist nicht so. Verkehrsminister Ramsauer spricht seit Mai davon, dass der Ausbau des NOK frühestens 2032 beendet sein wird. Geschätzte Kosten: 1,4 Milliarden Mark, also nicht einmal ein Zehntel dessen, was der deut-sche Steuerzahler alljährlich für die so genannte Friedensmission der Bundeswehr in Afghanistan berappt. Dass moderne Containerfrachter mit ihren ständig wachsenden Ab-messungen weder in die 100 Jahre alten Schleusen passen noch ge-nügend Tauchtiefe im Kanal haben, scheint den Bund nicht zu stören.

Erst 2024 soll langsam mit der Ver-tiefung des Fahrwassers begonnen werden. So wundert es keinen, dass Reeder und Lotsen über die Ber-liner Ministerialen nur noch Hohn und Spott verbreiten: „Die haben immer noch nicht bemerkt, dass die Zeit der Kümos längst vorü-ber ist.“ Und zu Ramsauer fällt den meisten nur der Satz ein: „Wenn er den Main-Donau-Kanal in Bayern derart verschlampen ließe, wär’ Ramses wohl längstens CSU- Mi-nister gewesen.“ In der Hambur-ger Wirtschaftsbehörde heißt es

lediglich: Der Zustand des NOK ist ein trübes Beispiel für die seit der Wiedervereinigung unterlas-senen Ausgaben zur Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur in den alten Bundesländern. Dieser Investitions-stau wird auf über 100 Milliarden Euro geschätzt.

Kaum erwähnt in der Debat-te ist die wichtige Tatsache, dass nicht nur der Wasserstand der Elbe, sondern auch die Flutpegel der Nordsee kontinuierlich steigen. Die Schleusen von Brunsbüttel sind also einer wachsenden Belastung durch Sturmfluten ausgesetzt. Die schweren Bauwerke sind nicht auf Sand, sondern auf dem Kleiboden der Marsch errichtet. Was es aber mit dem Kleiboden auf sich hat, wissen die geschichtsbewussten Bewohner der Westküste späte-stens seit dem Untergang der In-sel Rungholt 1362 und der großen Mandränke 1634. wau

Östliches Ende: In Kiel-Holtenau mündet der Kanal in die Ostsee Foto: A. Seidlich

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L\ E\ S\ E\ R\ M\ E\ I\ N\ U\ N\ G\

Verehrte verum-Redaktion,

ich habe die ersten beiden Ausgaben mit Spannung verfolgt und muss sagen, dass mich Ihr Magazin durchaus anspricht. Die Themenauswahl ist stets gelungen, es werden auch mal Dinge angesprochen, die einige Leute vielleicht nicht hören wollen und auch der „Kunst-Teil“ gefällt mir. Besonders die Werke in Ihrer ersten Ausgabe haben es mir sehr angetan; bitte schicken Sie doch eine Kontaktadresse.Doch nun zum eigentlichen Anlass meines Briefes: der Artikel „Deutschlands Universitäten. Der Nimbus verblasst“.

Ich bin Student im zweiten Semester für Kommunikations- und Politikwissenschaften. Obwohl ich das „Glück“ habe, in einer kleinen und wahrscheinlich nicht so ganz überlaufenen Universität zu studieren, erkenne ich doch viele der angesprochenen Kritikpunkte wieder.

Nach meinem Abitur vor etwa einem Jahr hatte ich eigentlich Pläne, die Welt zu erkunden, herumzureisen und zu arbeiten (heutzutage „Work and Travel“ genannt). Ich wollte meine Freiheit genießen, doch aufgrund besonderer Umstände sowie nicht wirklich vorhandener finanzieller Mittel, habe ich mich dann direkt bei einer Universität beworben. Ich dachte mir: „Nun ja, dann verschiebst du das Reisen einfach und studierst erst einmal. Du kannst die Freiheit ja auf andere Weise in der Uni genießen, indem du dich mit den Dingen beschäftigst, die dir Spaß machen, sowie auch mal eigene Überlegungen mit einzubringen und mit Anderen darüber diskutieren“. Schule war nie mein Fall, da mich nur einige wenige Dinge interessiert haben. Umso mehr erhoffte ich mir von der Uni endlich die Chance, ausschließlich Sachen zu lernen, die mich interessieren und nicht nur zu lernen, sondern mich richtig damit zu befassen und darüber nachzudenken.

Nachdem ich dann Zusagen von einigen Universitäten bekommen hatte, entschied ich mich für eine im Nordosten Deutschlands. Ich freute mich darüber, Student zu sein und genoss die Einführungsveranstaltungen, die soviel Lust auf mehr machten. Doch diese Euphorie verging leider schnell wieder. Nach den ersten zwei Monaten, als bei meinen Kommilitonen und mir so langsam Normalität einkehrte bzw. wir uns an unsere neue Lebenssituation gewohnt hatten, erkannte ich, dass die Uni leider sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Schule aufweist.

Es ist genau wie in Ihrem Text beschrieben: Die meisten Seminare sind komplett überfüllt, sodass nicht alle Studenten einen Tisch vor sich haben, worauf sie schreiben können. Vorne steht ein Dozent, der seinen Stoff runterbetet (manche mit Hilfe von Powerpoint-Präsentationen, andere bevorzugen den totalen Frontalunterricht), Fragen seitens der Studenten werden meist kurz nebenbei abgehandelt, sodass ich die Fragezeichen in den Gesichtern sehen kann – der Dozent anscheinend jedoch nicht.

Insgesamt betrachtet ist die Uni sehr verschult, mit den Unterschieden, dass der Stoff schwieriger und komplexer ist und eine Bindung zu den Lehrkräften kaum existiert. Des Weiteren ist es heutzutage so, dass man innerhalb seines Studienganges viele vorgeschriebene Veranstaltungen besuchen muss, die eigentlich nicht wirklich viel mit dem eigentlichen Studiengang zu tun haben – so kommt es mir zumindest vor. Ich denke, früher (damit meine ich vor der Umstellung unseres Studiensystems) konnte man noch freier wählen, welche Veranstaltungen man besuchen will bzw. welche Richtung man einschlagen möchte.

Was mich am meisten enttäuscht hat, war, dass dieses „freie Denken“ und „sich eine eigene Meinung bilden“ bislang komplett auf der Strecke geblieben sind. Es werden Theorien gelehrt, und diese Theorien muss ich pauken und Fragen dazu beantworten können, damit ich die Prüfung bestehe. Was ich über diese Theorie eigentlich denke, ist leider nicht relevant. Diskussionen finden nicht statt.

Ich hoffe, dass sich in den nächsten Semestern noch einiges ändert!

Mit freundlichen Grüßen,

Julian Dorsch(per Mail)

Verschulte Universitäten

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G\ L\ O\ S\ S\ E\

Schon mal was von „Grube-Reisen“ gehört? Nein? Ach was? Sollten Sie! „Grube-Reisen“ ist immer ein Abenteuer wert. „Grube-Reisen“ ist Fitness-Studio für Jung und Alt, kennt keine Gender-Probleme. Jedes Mal kommt Laune auf, wenn unser ICE durch den Tunnel donnert und plötzlich quietschend zum Stehen kommt. „Schaden an der Oberleitung! Die Streckenaufsicht ist informiert. Innerhalb der nächsten 90 Minuten wird uns eine Ersatzlok aus dem Tunnel ziehen. Bleiben Sie auf Ihren Plätzen.“ Da fühlt man sich so sicher wie auf der „Costa Concordia“ mit Käpt’n Schettino am Steuer. Ja, so hält „Grube-Reisen“ häufiger zwischen Köln und Frankfurt Airport selbst für senile Aufsichtsräte, pädophile EU-Parlamentarier und Hedgefonds-Manager lustige Überraschungen parat.

Vergessen wir nicht den exquisiten Sonderservice: „DB-Platzreservierung“. Wer rechtzeitig auf dem Bahnsteig ist, kann auf zwei Schautafeln die Wagenreihung verinnerlichen und sich der Reservierung gemäß positionieren. Sich weit draußen außerhalb der Hallenüberdachung wie z. B. in Hamburg-Altona oder Berlin-Hauptbahnhof hinzustellen, ist gewagt. Nein! Nicht wegen des Regens, Eises oder Schnees, denn wer sich „Grube-Reisen“ anvertraut, muss tapfer und von guter Kondition sein.

Nein, es könnte ja sein, dass die große Schautafel mit der Gleisanzeige leider, leider, leider falsch programmiert ist. Ja, und dann hoffen Sie vergeblich an Gleis 12 stehend auf ihren ICE, der sie nach München bringen soll. Nur der ist just auf Gleis 6 abgefahren. Eine Lautsprecheransage gab’s nicht. Die kleine Phrase „Wie können wir Ihnen helfen?“ oder gar das Wörtchen „Entschuldigung“ kommt

Auf geht‘s mit Grube-Reisen!

den Damen und Herren mit den roten Hüten im Auskunftspavillon nicht über die Lippen, aber das ehrerbietige Wort „Wessi-Bleedmann“! und, wenn sich der „Grube-Reisende“ entnervt umdreht, ist gleich der Zeigefinger an der Schläfe.

Es kann jedoch durchaus passieren, dass Ihr ICE, wie auf den Schautafeln angezeigt, wirklich an Gleis 12 abfährt. „Was für ein Glück“, denken Sie. Ob Ihnen dann aber die Platzreservierung von Nutzen sein wird, steht in den Sternen. In der Regel nicht. Platzreservierung gleicht bei „Grube-Reisen dem Ausfüllen des Lottoscheins: Man hofft, dass es irgendwann mal klappt. Nur die Wahrscheinlichkeit ist eben eins zu 13 Millionen. Nein, wer wollte sich schon ärgern, wenn wieder nur ein Zugteil statt der versprochenen zwei eingesetzt wurde?

Jetzt heißt es selbst für Oma: Sprinten! Rollkoffer donnern den Bahnsteig entlang. Frauen zerren heulende, kreischende Kleinkinder hinter sich her, alte Männer erinnern sich blitzartig der Flucht aus dem Osten. Sollten Sie, verehrte(r) Leserin(-r), doch dank göttlicher Fügung mit Kind und Koffern im Gang stehen, dann hat sich zehn Sekunden vorher ein alerter Unternehmensberater mit feschem Dreitagebart durchgedrängelt und sich gleich zweier Plätze bemächtigt, die er für seinen Hintern, seinen Laptop und sein flottes Ledertäschchen dringend braucht. „Ham se eben Pech jehabt, junge Frau“, sagt die mittelalterliche Zugbegleiterin mit Brandenburger Ossi-Charme und fügt dann

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drohend an: „Is det Gör nich schon über sechse?“

Sollte Ihre Kleine immer noch weinen, halt stopp: trösten Sie nicht! „Grube-Reisen“ macht Kinder fit für alle Härten des Lebens: z. B. anderthalb Stunden im Gang stehen von Hamburg Hauptbahnhof bis Berlin. Neulich prämierte ein Vater seinen Fünfjährigen mit „zehn Minuten auf dem rechten Bein stehen“ jeweils mit zehn Gummibären. Leider fing der Kleine bei der Einfahrt im Bahnhof Spandau furchtbar an zu heulen. Seine Jeans war an den Beinen sichtlich schwarz abgedunkelt. „Wenn ich doch nicht aufs Klo kann“, schrie er und zeigte wütend auf eine Dreißigjährige in vollkommener Kriegsbemalung. Sie entschwand gerade der Zugtoilette. „Im Hauptbahnhof hat die sich eingeschlossen und jetzt kommt sie erst raus.“

Also, Hut ab vor der Dreißigjährigen, sie hat Erfahrung mit „Grube-Reisen“: Ist kein Sitzplatz sonst wo frei, kapert man eben das Klo. Es stinkt zwar beißend nach Urin. Aber hallo: da hat man Beinfreiheit, der Laptop ist voll ausgeklappt, gutes Bild - nicht wie sonst so angewinkelt wegen der vorderen Sitzreihe. Außerdem kann man ungestört Telefonieren. Kein Feind hört mit.

Seien wir mal ehrlich. Haben Sie nicht wenigstens ein bisschen Mitleid mit der jungen Referentin? In aller Hergottsfrühe muss sie montags vier Uhr früh aus den Federn, hat kaum Zeit zu Duschen, muss zum ICE hetzen. Wo sollte sie sich schminken? Der Herr Bundestagsabgeordnete hat

schließlich Anspruch auf eine adrette, schicke Bürovorsteherin.

Apropos Montag! In Köln postiert man sich auf dem Bahnsteig direkt vor dem Speisewagen des ICE - und dann ab zum Bistro. Dort findet man immer Unterhaltung. Latte Macchiato, - I wo! Nen Schlücksken Mosel oder Sancerre. Die anfangs so streng blickende Dame mit dem lilagrünen Turbanhut erzählt Ihnen bis Berlin oder München all ihre Abenteuer ... und der letzte ihrer geschiedenen Männer – so ein Hallodri!!! Aber seien Sie mal unhöflich: Helfen Sie der Dame bitte nicht aus dem Zug. Sonst hängt sie sich bei Ihnen ein und Sie müssen sie noch zur Ausnüchterung bringen.Also, der ICE von Berlin nach Hamburg, der ist Freitag nachmittags und abends falsch im Fahrplan ausgedruckt. Denn er hat grundsätzlich 50 Minuten Verspätung. Und der Zug später, der aus Prag ebenfalls. Die Schaffnerin mit DDR-Erfahrung weiß natürlich warum. Weil dieser Zug eben aus Prag kommt und da wohnen die Tschechen: Die mit dem Prager Frühling. Hatten sie nun das unverschämte Glück, doch noch in diesem ICE mitgenommen zu werden, sollten Sie nicht ihren besten Rock oder Ihre neueste Flanelllhose tragen, weil sie auf dem Fußboden des Gangs ausharren müssen. Wer stets die Iso-Matte in der Aktentasche mit sich trägt, ist König. Schön, dann macht man sich mit den unverhofften Nachbarn bekannt, dem Aufsichtsrat von ThyssenKrupp, der Intendantin der Hamburger Staatsoper oder einer kratzbürstigen Nachwuchspolitikerin, die Sie immer schon nicht kennen lernen wollten.

Noch ein Rat: Sparen Sie sich das Ticket erster Klasse. Da stößt man häufig auf den Herrn Grube und der erklärt Ihnen immer haarklein, dass alles in bester Ordnung sei. Da lob ich mir noch die Zeit mit Hartmut Mehdorn. Der hieß mit Vornamen „Bahnchef“ und mit dem konnte man sich wirklich toll streiten. Ist doch auch ok – oder? wau

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AM ANFANG WAR DAS SCHIFF

w w w. ko ehler- b o ok s . d eGeorgsplatz 1 Tel.: 040/70 70 80-32320099 Hamburg Fax: 040/70 70 80-324

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192 Seiten | 26 x 24 cmzahlr. Farb-Abb.geb. mit SchutzumschlagISBN 978-3-7822-1055-3€ (D) 24,95

Ein Buch über Professor Peter Tamm, den Stifter und Gründer des Internationalen Maritimen Museums, und seine eindrucksvolle Sammlung.

Mit einem sieben Zentimeter langen Modell eines Küstenmotorschiffs fi ng alles an. Die Sammlung von Professor Peter Tamm, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlages, umfasst heute über 40.000 Miniaturschiffe und 1.000 Großmodelle, darunter Raritäten aus Gold, Silber und Bernstein, sowie die größte private Sammlung von Knochenschiffen weltweit. Hinzu kommen Ge-mälde, Globen, Seekarten, Kompasse und vieles mehr. Seit 2008 ist seine Sammlung zu 3.000 Jahren Schifffahrtsgeschichte in Hamburgs ältestem noch erhaltenen Speicherbauwerk, dem Kaispeicher B, auf neun Ausstellungsdecks zu bestaunen.

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D\ E\ U\ T\ S\ C\ H\ L\ A\ N\ D\

F.v.L. - „Nun ist er uns wieder in den Rücken gefallen“, stöhnten die CDU-Politiker an der Nord-see. Pünktlich am Freitag vor der Kommunalwahl in Schleswig-Hol-stein hatte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aus Berlin verlauten lassen, die Bundesregie-rung werde keinen einzigen Cent mehr für den Küstenschutz von Helgoland ausgeben. Die Nachricht schlug im nördlichsten Bundesland ein wie eine Bombe und dürfte die Union erneut mehrere tausende Wählerstimmen gekostet haben.

Der Verkehrsminister kommt eben aus Bayern

„Minister Ramsauer macht in sei-ner Geschichtsvergessenheit nicht einmal Halt vor nationalen Sym-bolen“, ätzte sofort Umweltminister Robert Habeck (Grüne) in Kiel, und in der SPD-Fraktion spottete man: „Das Geld gibt er stattdessen der Zugspitzbahn in Bayern.“

Fällt irgendwo in Norddeutsch-land der Name Ramsauer, geht Unionspolitikern das Messer in der

Die Emanzipation der ProvinzIm ländlichen Raum sind die Volksparteien passé

Tasche auf. Sperrung des Nordost-seekanals, Querung des Fehmarn Belts, Elbquerung durch A 20, West-küstenautobahn und seit Ende Mai Küstenschutz – bei allen brisanten Themen fällt der Bayer in den Medi-en durch rotzige Arroganz – z. B. in den Seebädern der Lübecker Bucht – oder durch Ignoranz in Schiff-

fahrtsfragen, bei der Diskussion um den dringend notwendigen Bau von Nord-Süd-Entlastungsstrecken der Deutschen Bahn in Niedersachsen dumm auf.

So verwundert es keinen Uni-onspolitiker von Kassel bis List auf Sylt mehr, dass die eigene Partei bei Bundestags-, Landtags- und Kom-

Ministerpräsident seit 12. Juni 2012: Torsten Albig (SPD), ehemaliger Kieler Oberbürger-meister Foto: Lizenz GNU

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munalwahlen, seit Ramsauer sich im Amt des Bundesverkehrsministers sonnt, reihenweise Wahlen verliert.

Erschwerend kommt hinzu, dass unter dem Deckmantel der Bundes-wehrreform von Thomas de Mai-ziere (CDU) dutzendweise Stand-orte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen aufgelöst, um in den neuen Bundesländern neu etabliert zu werden. Die Berufssoldaten, die sich dort ein Haus gekauft hatten, haben das Nachsehen. So wird das geschichtsträchtige und technisch hochmoderne Flottenkommando mit dreistelligem Millionenaufwand aus Glücksburg nach Rostock in den Wahlkreis von Angela Mer-kel verlegt und die Verwaltung der Binnen- und Hochseewasserwege in Bonn konzentriert. Die Wut der Bevölkerung in den Küstenländern entlädt sich bei jedem öffentlichen Auftritt von CDU-Parlamentariern, die sich vergeblich und händerin-gend mit dem Satz zu entschuldigen suchen: „Unser Einfluss ist viel zu gering. Die CSU hat doch immer das letzte Wort.“

So schafft manPolitikverdrossenheit

Im jüngsten Wahlkämpfen in Nie-dersachsen und Schleswig-Holstein fanden selbst verdiente CDU-Ma-tadore nur die Ausflucht: „Ja, ich kenne unsere Partei in Berlin nicht wieder.“ Lachende Dritte waren in Schleswig-Holstein die lokalen Wählergemeinschaften, die jetzt fast unangefochten Dörfer, Klein- und Mittelstädte beherrschen. „Die in Berlin. Die in Brüssel!“ So beginnt allerorten das Lamento, das keines-wegs nur spießbürgerlich, sondern argumentativ meist fundiert vorge-

tragen wird. Es ist das schmerzende Bewusstsein von fern gelenkt, ja ge-gängelt zu sein und am Heimatort materiell innerhalb des Gemeinde- oder Stadtrat so gut wie nichts mehr bewegen zu können. Inzwischen hat über die Hälfte der Wahlberech-tigten daraus die Konsequenz ge-zogen und betritt keine Wahlkabine

mehr. Schleichend ist die Demo-kratie vor Ort vom Obrigkeitsstaat ersetzt worden. Besonders krass wird dies bei den so genannten „Zuwendungsempfängern“ deutlich. Das sind die Hartz-4-Bittsteller aus dem Kommunalbereich. Seit Anfang der 1970-er Jahre sind die meisten westdeutschen Städte und Kom-

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munen aufgrund ihrer Investitionen wegen des damaligen Städtebauför-derungsgesetzes derart verschul-det, dass sie ihre Etats nur durch andauernde Zuwendungen des je-weiligen Bundeslandes und Bittgän-ge in der Balance halten können. Di-ese morbide Praxis hat wieder-um Grotesken zur Folge, welche nur

Kopfschütteln zur Folge haben. So stritten jüngst zwei schleswig-hol-steinische Landesbehörden gut fünf Jahre in zwei Verwaltungsgerichtsin-stanzen, welche von beiden die Ko-sten der Brückensanierung in einem Zuwendung empfangenden Städt-chen übernehmen solle. Die Wahl-kampfstände der Parteien werden

folglich nur mit Achselzucken und der rheto-rische Frage re-gistriert: „Was könnt Ihr denn noch für uns tun?“

Auf der Hallig Gröde konnte die SPD am 26. Mai vier von insgesamt acht Wählern für sich gewin-nen. Auf Hallig Hooge holte der langjährige B ü r g e r- m e i -ster Matthias Piepgras (SPD) sogar 116, also 100 Prozent der Stimmen. Doch die Hal-ligen sind die Ausnahme von der Regel. Zum Jubeln kann auch den Sozi-aldemokraten nicht zumu-te sein. In den Kreistagen ist die SPD auf die Loyalität der dänischen Min-derheit (SSW) a n g e w i e s e n . Deren Gefolg-schaft erkaufen sich die Sozi-aldemokraten, indem sie dem SSW jeden

Wunsch nach Vergünstigung von den Lippen ablesen. Selbst Minister-präsident Torsten Albig (SPD) ließ sich herab,, über das jüngste Kom-munalwahlergebnis Enttäuschung zu zeigen. Wohl zu Recht. Denn während die Bürgervereinigungen und Wählergemein-schaften sich vor Kandidaten und Zulauf kaum retten können, fehlen der SPD in den ländlichen Regionen mehr und mehr Persönlickeiten, die kandidie-ren wollen. Ob sie überhaupt für die freiwillige politische Arbeit geeignet sind, steht zudem allzu häufig in Fra-ge. Wohl oder übel dominieren die Alt-68-er, pensionierte Postbeamte, Lehrer und Richter die Listenplät-ze.

Minderheitendominieren

In ländlichen Regionen haben Union und SPD faktisch aufgehört, Volksparteien zu sein. Sie marginali-sieren ebenso wie die FDP. Verdeckt werden der rasante Machtzuwachs und die heutige Dominanz der Wäh-lergemeinschaften dadurch, dass sie nicht unter einheitlichem Partei-Rubrum geführt werden. So kann die CDU nach wie vor behaupten, sie sei die erfolgreichste Partei auf kommunaler Ebene. Zwar haben die Grünen bei den jüngsten Kommu-nalwahlen weiter zulegen können. Dies geschieht aber nicht im länd-lichen Raum, weil mit dem staat-lich subventionierten Boom der Biogasanlagen, der Maismonokultur und dem irrwitzigen Aufgalopp der Pachten und Agrarlandpreise jeder

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Biobauer das Nachsehen hat. Immer deutlicher zeigt sich, dass gerade der ländliche Raum Las-tenträger der von den Grünen so vehement verfolgten Energiewende ist. Denn die riesigen 380 KV-Leitungen wer-den nicht kostenträchtig im Erd-reich verlegt, sondern auf Geheiß des Bundestags schnurgerade über Äcker und Landschaftsschutzge-biete Norddeutschlands gezogen.

So waren auf den Plakaten der Grü-nen durchweg nur Blumen und die Forderung nach Kindertagesstätten zu erblicken. Auf eigene Kandidaten wurde in den betroffenen Gebieten wohlweislich verzichtet.

SeparatistischeStrömungen

Der grandiose Sieg der lokalen Bürgervereinigungen unterstreicht erneut die Entfremdung des länd-lichen Raums von den ehemaligen

Volksparteien und den politischen Verhaltensmustern der alten Bun-desrepublik. Selbst in der scherz-haften Äußerung „Ach, wär‘n wir doch bei Dänemark geblieben“ steckt nicht nur Nostalgie. Separa-tismus ist eine europäische Krank-heit. Genauso wie in Spanien oder dem Vereinigten Königreich kann sie auch Deutschland infizieren.

Mit beschämenden 46,7 Prozent hat die Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein ein historisches Tief erreicht

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A\ U\ S\ A\ L\ T\ E\ N\ B\ L\ Ä\ T\ T\ E\ R\ N\

„Der Staat ist heute jedermann,und jedermann kümmert sich

um niemanden.“

Honoré de Balzac(1799 - 1850)

Frei nach dem Motto: „Hauptsache uns geht‘s gut...“

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B\ U\ C\ H\

Mathematik-Professoren stellt man sich als ziemlich ätherische Wesen vor: Blutlos, fleischlos, humorlos, irgendwie nicht so richtig von dieser Welt. Gerd Bosbach (Fachgebiet Statistik) von der Fachhochschu-le Koblenz widerlegt dieses Klischee. Der Mann mit der störrischen Frisur, der so locker daherkommt, genießt seit einiger Zeit die mediale Sonne. Fernsehen, Zeitungs-Interview reiht sich an Zeitungs-Interview. Grund: Sein Buch Lügen mit Zahlen/Wie wir mit Statistiken manipuliert werden verkauft sich glänzend, findet sich sogar in den Bestsellerlisten.

In der Tat: Durchaus unterhaltsam betreibt der Autor ein echtes Stück Aufklärung. Er entlarvt ge-schönte Grafiken und wie mit Prozentangaben die Wahrheit verschleiert wird, die Problematik jeglicher Prognosen (ob Klima, Wetter oder Wahlen). Bosbach ist ein Mann, der kräftig austeilt: klare Worte, klare Kante. Über Kollegen richtet er streng: All die Rürups, Raffelhüschen und Miegels seien käuflich. Sie lieferten Gutachten und Daten nach dem Motto: „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing...“

Bosbach ist geprägt nicht nur von logisch-mathema-tisch Strenge, sondern auch von wissenschaftlichem Ethos – so der Eindruck. Einer, der zu den Guten

gehört. Oder gibt es da nicht bitterböse Kratzer an seinem Image?

Da ist die Kritik der Fachzeitschrift Bild der Wis-senschaft an seinem Buch – wenn auch zurückhaltend. Bosbach habe zahlreiche Beispiele aus einem 20 Jahre älteren Buch übernommen. Außerdem gehe er nicht genug in die Tiefe.

Vor rund einem Jahr war Bosbach in der ZDF-Talk-Show des Kabarettisten Barwasser alias Erwin Pelzig. Von dieser Show muß man den eigenen Anspruch wissen: Sie will investigativ, ironisch und unberechen-bar sein. Und bei Pelzig erzählte Bosbach voller Stolz wieder seine Statistik-Geschichte, die er mit einer Ärzteorganisation erlebte (die er auch in seinem Buch ausbreitet).

Der Vorsitzende brauchte Zahlen für ein Kosten-dämpfungs-Gespräch im Gesundheitsministerium. Tenor: Die Ärzte hätten schon genug geblutet, weitere Einkommens-Einbußen unmöglich.

Kein Problem – Bosbach lieferte das statistische Datenmaterial

Drei Tage später wollte der Vorsitzende auf der Bundesdelegiertenkonferenz wiedergewählt werden. Jetzt brauchte er Jubelzahlen – wie gut sich die Ein-

Derdoppelte Bosbach

Von Michael Manns

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kommensentwicklung der Ärzte entwickelte hätte (dank des Engagement des Verbandes).

Wieder kein Problem – Bosbach half wieder mit passenden Daten.

Wie war das noch mit „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing...“

Was machte der Kabarettist? Kam hier seine „investigative“ Stunde? Kritisches Bohren, Entlarven ethischer Doppelbödigkeit? Warum hat Bosbach, der strenge Inquisitor, sich nicht geweigert, derart miß-brauchen zu lassen? Ist er Moralapostel oder Doppel-moralapostel?

Nichts kam.Ex-BDI-Chef Olaf Henkel saß unter den Zuschau-

ern und lächelte sehr fein, als sich der Statistik-Aufklä-rer so inszenierte.

Und dann legte Bosbach noch nach. Er jammerte: Keiner will mich fördern...(im Gegensatz zu den Miegels, Rürups und Co). Doch Bosbach sei getröstet: Der Verlag, der sein Buch vertreibt, tut doch schon einiges, damit es in seiner Kasse klingelt. Und die Me-dien (vorwiegend linke – allein zweimal die extreme junge welt) interviewen und loben ihn gerne.

Anz

eige

Gerd Bosbach/Jens Jürgen Korff:Lügen mit Zahlen320 SeitenHeyne VerlagISBN-10: 345360248XISBN-13: 978-3453602489Taschenbuch: 8,99 EuroKindle: 7,99 Euro

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T\ I\ T\ E\ L\

verum: Frau Otto, warum befinden wir uns in einer Euro-Krise?

Cornelia Otto: Weil die Bereit-schaft, Verantwortung zu überneh-men, nicht mehr wahrgenommen wird. Das gilt für das Individuum in der Bevölkerung, für Politiker, aber auch für Institutionen und Unter-nehmen. Nehmen wir das Beispiel Banken: Sie gehen davon aus, dass Gewinne allein ihnen zustehen, Ver-luste aber, und seien sie auch selbst verschuldet, Sache des Gemeinwe-

sens seien. Das ist zutiefst unseriös und verantwortungslos.

verum: Wenn sie aber die Verluste nicht aus eigener Kraft ausgleichen können...

C.O.: ...hätten sie das mit höheren Eigenmitteln locker geschafft. Des-halb treten wir für eine gesetzlich verankerte Pflicht der Banken, ihr Eigenkapital zu erhöhen, ein. Es geht doch nicht an, dass der Steuerzah-ler die Fehler der Vorstände, die

Unsummen in riskante Geschäfte investieren, mit schöner Regelmä-ßigkeit auszugleichen hat. Notfalls muss man eben auch über eine Ver-staatlichung nachdenken.

verum: Was schlägt die Piratenpar-tei zur Sanierung der Staatsfinanzen der südeuropäischen Länder vor?

C.O.: Einen radikalen Schulden-schnitt, sonst haben diese Länder doch gar keine Chance mehr, jemals wieder auf die Beine zu kommen. Zudem sind wir für die Einführung von Eurobonds. Wir Piraten for-dern eine Art Marshall-Plan: kon-krete finanzielle Unterstützung, aber vor allem Hilfe zur Selbsthilfe. Wir Deutsche haben ja auch unsere schwächelnde Konjunktur mit Pro-grammen gestützt; ich nenne hier nur als ein Beispiel die Abwrack-prämie. Andererseits können sich die südeuropäischen Länder natür-lich nicht ausschließlich auf die Hil-fe von außen verlassen, sie müssen selbst derartige Programme entwi-ckeln. Ich persönlich wäre für die Einführung von Euro-Bonds.

,Wir Piratensind eine globale

Bewegung‘

Cornelia Otto beim Interview im Hotel Atlantic in Hamburg: „Ich halte uns - die Piratenpartei - in...

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verum: Mit dem Europäischen Fis-kalpakt hätte man doch die Mög-lichkeit, Sanktionen einzuleiten ge-gen jene Staaten, die sich nicht an beispielsweise die Schuldenober-grenze halten.

C.O.: Diesen Fiskalpakt lehnen wir grundsätzlich ab. Er ist ein typisches Beispiel für diese Überlegungen und Beschlüsse, die in Brüssel ge-fasst werden, aber an der Realität vorbeigehen; er würde nur noch mehr Ungleichgewicht schaffen.

verum: Die Realität zeigt aber auch, dass Sparen in Deutschland einiger-maßen funktioniert, in Südeuropa dagegen offenbar nicht. Müssen wir den Euro nicht mit allen Mit-teln verteidigen, und sei es mit der Schaffung etwa eines Parallel-Euro?

C.O.: Das Dilemma ist doch, dass eine einheitliche Währung nur im Rahmen einer einheitlichen Fiskal-politik funktioniert. Wir können eben nicht mehr über Wechsel-kurse innerhalb der Währungs-union abwerten. Wenn der Euro bröckelt, bröckelt Europa. Daher wollen wir den Schuldenschnitt,

und zwar möglichst sofort. Grie-chenland wurde eben viel zu früh in die gemeinsame Währungsunion aufgenommen. Und Spanien krankt an der Immobilienblase.

verum: Also doch der Fiskalpakt?

C.O.: Eher eine neue Form eines „europä-ischen Völkervertrags“. Dieser müsste von der breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen werden, und zwar der ge-samten europäischen Be-völkerung. Nehmen wir nur ein Beispiel: Wenn Brüssel, also die EU-Kommission, bestimmte, sehr hohe Ausgaben tä-tigt, dann fehlt ihr häufig die Legitimationsbasis. Die wäre aber durch eine stärkere Demokratisie-rung und Möglichkeiten der Mitbestimmung, wie zum, Beispiel Volksabstim-mungen zu erreichen. In diesem „europäischen Völkervertrag“ müsste auch dringend verankert werden, dass es – bei aller Notwendigkeit z u sparen – auf keinen Fall

in den Bereichen Bildung und So-ziales zu Kürzungen kommen darf. Erst kommt der Mensch und erst weit dahinter kommen die Märkte! - Vielleicht schaffen wir es ja 2014 ins Europaparlament; dort werden

Sie ist gerade sieben Jahre jung und hat doch schon den Einzug in vier Landesparlamente geschafft: Die Piraten, eine Partei, die sich seit ihrer Gründung den Vorwurf gefallen lassen musste, überhaupt kein Programm zu haben. Allen zumeist öffentlich ausgetragenen Zwistigkeiten im Vorstand zum Trotz könnte sie sich jedoch zur ernsten Gefahr für die etablierten Parteien entwickeln. Um den Einzug auch in den Bundestag zu schaffen, arbeiten führende Mitglieder an den Standpunkten nicht nur zur Hauptforderung, der so genannten „liquid democracy“, sondern auch zu klassischen Themen. Wir sprachen mit Cornelia Otto, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Berlin und Mitglied des „Squad Finanzen, Haushalt, Steuern“.

...unseren Breitengraden für eine der wichtigsten gesell-schaftspolitischen Bewe-gungen unserer Zeit.“

Fotos: jed

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wir uns vehement für ein Optimum an Transparenz und direkterer De-mokratie einsetzen.

verum: Sie fordern auch das be-dingungslose Grundeinkommen für alle. Wie wollen Sie das finanzie-ren?

C.O.:: Ja, und un-sere Forderung gilt für alle Europäer. Das bedingungslose Grundeinkommen ließe sich auch relativ einfach finanzieren. In Deutschland werden jährlich rund 760 Mil-liarden Euro für Sozi-alleistungen ausgege-ben. Das allein ergäbe schon rund 800 Euro monatlich für jeden Bürger. Das Geld würde ja auch wieder ausgegeben, das Steu-ersystem stark ver-einfacht und transpa-renter. Zugleich sind wir für garantierte Mindestlöhne in allen Branchen. Unser So-zialsystem hängt doch schließlich von guten Löhnen ab.

verum: Die Staats-quote liegt ja schon bei 56 Prozent. Wäre es also nicht zunächst wichtiger, an bei-spielsweise der Ein-kommenssteuer zu arbeiten?

C.O.:: Schon in unserem Wahlprogramm fordern wir die Beseitigung der kalten Progression. Gemeinsam mit anderen Parteien wollen wir das Steuersystem ver-einfachen, alle Ausnahmen beseitigen und dadurch auch die Wirtschaftskorruption eliminieren.

verum: Apropos Steuersy-stem...

C.O.:: Unser Steuersystem ist das umfangreichste und komplizierteste der Welt; das versteht kein Mensch mehr. Wir müssen es daher, sagen wir einmal „barriere-frei“ gestalten. Wir wollen, dass jeder erfährt, wohin sein Geld fließt. Wie das jetzt gehandhabt wird, ist es bar jeglicher Legitimation! Alle Haushaltsdaten sollten maschinenlesbar zur Verfü-gung gestellt werden, nur so schaffen wir echte Transpa-renz.

verum: Sie engagieren sich nach eigenen Angaben ge-gen „die Schwächung der Zivilgesellschaft durch eine repressive Finanzpolitik in Europa“. Wie dürfen wir das verstehen?

„Ich engagiere mich gegen ... die Schwächung der Zivilgesellschaft durch eine repressive Finanzpolitik in Europa.“ Fotos: jed

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C.O.:: Da muss ich noch einmal auf die Banken zurückkommen. Sie kassieren Milliarden für ihre Kon-solidierung, während der Staat in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur ständig kappt, - und dazu gehören auch Vereine, Sport, Kran-kenhäuser. Wir müssen doch unse-re Gesellschaft so aufbauen, dass sie den folgenden Generationen ein solides Fundament bietet.

verum: Das klingt ein wenig philo-sophisch...

C.O.:: Ja, das ist auch unsere Phi-losophie. Unsere heute bestehen-de Leistungsgesellschaft ist aus der protestantisch-puritanischen Vor-stellung entstanden, dass nur gut ist, was durch Eifer und Fleiß geschaf-fen wurde. Wir wollen, dass alle Bürger, auch die Politiker und Un-ternehmer, Verantwortung tragen für unser Gemeinwesen. Politik ist Verantwortung. Wobei die Bedürf-nisse der Allgemeinheit das Wich-tigste sind.

verum: ...ein friderizianischer Ge-danke, der Fürst als erster Diener des Staates.

C.O.:: Natürlich braucht es auch Macht, denn nur wer eine gewisse

Macht hat, kann Entscheidungen treffen. Aber er muss sich bewusst machen, für wen, in wessen Auftrag er handelt.

verum: Wie wollen die Piraten der europäischen Krise vorbeugen?

C.O.:: Ich mache mir wirklich große Sorgen. Wir sind schon mitten drin. Die Situation in Südeuropa könnte jederzeit in bürgerkriegsähnliche Zustände münden. Dann können wir nicht mehr sagen: Ach, die da unten. Es betrifft uns alle. Wir müs-sen unsere immer noch vorhandene Kleinstaaterei besiegen. Alle großen Probleme heutzutage sind globaler

Natur. Gerade weil aber die Welt so zerstritten ist, wird unsere Stimme – wir deutsche Piraten sind ja Teil einer globalen Bewegung – immer mehr Gewicht bekommen. Wir for-mulieren eine politische Vision und sprechen sie laut und deutlich aus – allen Zynikern wie Helmut Schmidt zum Trotz.

verum: Konkret also?

C.O.:: Zunächst sollten wir einen starken europäischen Binnenmarkt schaffen. Denn unser Problem kön-nen wir nicht immer nur China an-lasten. Auch die Väter der sozialen Marktwirtschaft (Walter Eucken, Al-

fred Müller-Armack, Ludwig Erhard) hielten regulierende Eingriffe für durchaus legitim. Sie sprachen von einer „bewusst gesteuerten, und zwar sozial gesteuerten Marktwirt-schaft“. Denn je liberaler es auf den Märkten zugeht, desto ungleicher entwickelt sich unsere Gesellschaft. Folglich müssen wir unsere Finanz-

Im Gespräch mit Franz Wauschkuhn: „Wir sind schon in vier Landtagen vertreten: 2011 schafften wir in Ber-lin 8,9 Prozent, 2012 zogen wir in Nordrhein-Westfalen mit 7,8 Prozent ins Parlament, im Saarland mit 7,4 der Stimmen und in Schleswig-Holstein mit 8,2 Prozent. Das macht uns Mut auch für die Bundestagswahlen kommenden September.“

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märkte regulieren, um die einzelnen Volkswirtschaften nicht immer wei-ter auszuquetschen. Ganz konkret heißt das auch, Wasser und Grund-nahrungsmittel dürfen nicht länger Spielbälle des derzeit herrschenden „Finanzmarktkapitalismus“ sein. Und wo keine Einsicht in diese Notwen-digkeit herrscht, müssen wir eben dirigistisch eingreifen. Wieder das Beispiel Banken: Wir brauchen das Trennbank-System, Banken nur fürs Business, andere nur für Privatkun-den. Um unsere Bürger besser in-formieren zu können, brauchen wir auch eine unabhängige europäische Rating-Agentur, die nicht im Auftrag irgendwelcher Lobbies arbeitet.

verum: Nun sind unsere regie-

renden Politiker von uns gewählt.C.O.:: Ja, wobei die Hälfte der Wahlberechtigten ja gar nicht wäh-len geht, Stichwort „Politikverdros-senheit“. Durch eine breitere De-mokratisierung, auch unseres Wahl-systems, könnten wir all die teuren Großprojekte stoppen oder gar verhindern, den Großflughafen BER beispielsweise oder den bis jetzt schon 600 Millionen teuren Euro-Hawk. Sind solche reinen Prestige-objekte denn nötig? Könnten wir das Geld nicht besser verwenden? Um das rechtzeitig einschätzen zu können, muss die Haushaltsführung völlig transparent gestaltet werden.

verum: Liquid Democracy, Refe-

renden, totale Transparenz – wer sagt, dass „der kleine Mann“ immer Recht hat?

C.O.:: Bisher konnten wir noch im-mer feststellen: Je mehr mitreden, sich informieren, mitmachen, desto realistischer wird das Ergebnis. Wir sollten den Menschen durchaus et-was zutrauen. Es gibt immer mehr Menschen, die den Wandel wün-schen. Je größer unsere Bewegung

ad personam

Cornelia Otto hat von 1998 bis 2001 an der damaligen Universität Karlsruhe Philosophie, Literaturwissenschaften und Soziologie studiert.

Nach diversen Tätigkeiten als Redakteurin und Webdesignerin hat sie 2009 an der Humboldt-Universität Sozial- und Politikwissenschaften, Soziologie und Volkswirtschaftslehre belegt.

Heute arbeitet sie - neben ihrem Engagement für die Piratenpartei - als Selbständige im Bereich Mediendesign, Konzeption und Kommunikation

Foto Titel und rechts: Daniel Ritthanondh

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wird, desto konkreter wird die De-mokratie und desto größer die Ge-rechtigkeit.verum.: ...bis der primus inter pares kommt.

C.O.: Egoismus wird es immer ge-ben, doch die Allgemeinheit wird dies egalisieren, desto rascher, je mehr sich beteiligen.

verum.: Vielen Dank!

Das Gespräch mit Cornelia Otto führten Jochen Dersch und Franz Wauschkuhn

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B\ E\ R\ U\ F\ E\

Geachtet, geächtet, überarbeitet Arzt sein in Deutschland

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Der Kittel macht’s: Der Beruf des Arztes ran-giert im Ansehen der

Deutschen seit Beginn ent-sprechender Erhebungen 1966 mit geradezu benei-denswerter Regelmäßigkeit auf Platz eins, und das im letzten Jahr mit sagenhaften 82 Prozent. Die Schluss-lichter dieses Rankings bil-den übrigens Politiker mit sechs, Banker und Fern-sehmoderatoren mit jeweils vier Prozent. Dass dieses Prestige der Mediziner mit weit über dem Durchschnitt liegenden Arbeitszeiten und gleichzeitig viel geringerem Einkommen beziehungswei-se Gehältern, als der Rest der Bevölkerung offensicht-lich annimmt, erkauft ist, bleibt den meisten verbor-gen.

Geachtet, geächtet, überarbeitet Arzt sein in Deutschland

Foto: spotmatikphoto/Fotolia

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Die normale Arbeitszeit ei-nes Arztes beträgt durch-schnittlich 55 Wochen-

stunden. Das ergab eine Umfrage der Kassenärztlichen Bundesverei-nigung (KBV) 2012. Wer das nicht glauben mag, sollte sich folgende Zahlen vor Augen halten: Ein Fach-arzt behandelt pro Tag 41 Patienten, ein Hausarzt gar 53. Andreas Köhler, KBV-Vorsitzender, stellt denn auch lakonisch fest: „Ärzte sind häufig zur Fließbandarbeit mit einer ho-hen Taktung gezwungen!“ Rund ein Drittel der niedergalssenen Ärzte fühlen sich – was Wunder – oft aus-gebrannt; „Beruf und Privatleben“, so das Umfrage-Ergebnis, „sieht die Mehrzahl als nicht oder nur einge-

schränkt vereinbar“, obwohl genau dieser Punkt ganz oben auf der Wunschliste der Mediziner steht. Die eigentliche Überraschung aber ist, dass die Damen und Herren in Weiß so zufrieden mit ihrem Beruf sind: 98 Prozent sehen ihre Arbeit als „nützlich und sinnvoll“ an, 93 Prozent haben sogar Spaß an ihrer Tätigkeit. Die überwiegende Mehr-heit sieht sie denn auch nicht als

bloßen Beruf, sondern als Berufung.Kann ja jeder sagen, wie? Wer sich die Gehaltstabellen in deutschen Krankenhäusern – dort arbeitet rund die Hälfte aller 320.000 akti-ven Ärzte – ansieht, muss den Be-teuerungen glauben. Ein angestellter Arzt mit einem bis drei Jahren Be-rufserfahrung verfügt über ein jähr-liches Netto-Einkommen zwischen 28.700 und 34.500 Euro; das sind monatlich knapp 2.400 beziehungs-weise knapp 2.900 Euro. Dafür hat er dann mindestens sechs Jahre stu-diert. Nach seinem Facharzt – die Qualifizierung nimmt weitere vier

Ärzte müssen teamfähig sein. Bei operativen Eingriffen hängt im Extremfall die Gesund-heit, wenn nicht das Leben des Patienten vom Können und der Tagesverfassung des medizinischen Personals ab

Foto: Franck Boston/Fotolia

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bis sechs Jahre in Anspruch – kann er mit fünf bis acht Jahren Tätigkeit über rund 58.000 Euro, also gut 4.800 netto monatlich, verfügen. Ein leitender Arzt, acht bis zwölf Jahre im Beruf, verdient immerhin durch-schnittlich 5.500 Euro im Monat. Hinzu kommen Aufschläge für Wo-chenend- und Bereitschaftsdienste – für den, der sie wahrnimmt.Lachende Gewinner des Gehaltska-russells in Deutschlands Kranken-häusern sind – natürlich – die Chef-ärzte. Ihr Jahresbrutto-Einkommen bewegt sich zwischen 80.000 und 750.000, je nach Bettenzahl und Trägerschaft des Krankenhauses; mit diesen durchschnittlich 279.000 Euro sind sie die Topverdiener – es gibt sogar einige, die bis zu fünf Mil-lionen im Jahr bekommen; hierbei übertreffen allerdings ihre Privatli-quidationen die Angestellten-Bezü-ge um ein Vielfaches. Zum Vergleich: Krankenhaus-Vorstände beziehen Gehälter von durchschnittlich rund 157.000 Euro p. a.

Nicht jeder will dasunternehmerischeRisiko einerPraxisgründungeingehen Ärzte in eigenen oder Gemein-schaftspraxen verdienen einiges mehr: Nach der KBV-Studie blei-

ben ihnen jeden Monat rund 5.500 Euro zur freien Verfügung, also nach Abzug aller Aufwendungen für die Praxis, Altersvorsorge und Steu-ern. Nicht üppig also, aber mehr als das Doppelte des bundesdeut-schen Durchschnittsverdieners, den hat das Bundesamt für Statistik mit 2.400 Euro netto angesetzt.Und doch: „Angesichts der langen Ausbildung, der hohen Verantwor-tung, einer kontinuierlichen Fortbil-dung und des unternehmerischen Risikos sind die Verdienstmöglich-keiten im Vergleich zu anderen akademischen Berufen eher unat-traktiv“, findet Dirk Heinrich, Vor-

sitzender des NAV-Virchow-Bunds, des Verbands der niedergelassenen Ärzte Deutschlands. Und das wird ihm niemand abstreiten können.

Jeder zehnte Arztist suchtkrank Was Heinrich wohlweislich dabei verschwiegen hat, ist ein Drama des gesamten Berufsstands: Fast jeder zehnte Arzt ist suchtkrank. Das ergab eine Langzeitstudie, die 2012 veröffnelticht wurde. Tablet-ten (Opiate und Stimmungsaufhel-ler) und Alkohol sind die Mittel, mit denen sie dem immensen Er-

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wartungsdruck der Patienten, der überdurchschnittlichen Arbeitsbe-lastung und Existenzängsten begeg-nen. Damit liegt die Quote um rund 30 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufsgruppen. Wie viele von ihnen zu weiteren Drogen, etwa Kokain, greifen, um das wach und aktiv durchzustehen, verrät keine Statistik. Pro „Fall“, wie die Behandlung eines Patienten fast schon zynisch heißt, kann der niedergelassene Kassen-arzt knapp 42 Euro abrechnen. Dass die Ärzte also die größten Profi-teure unseres Gesundheitssystems sind, trifft nicht zu. Die Gesund-heitskosten in Deutschland steigen weiter: auf rund 300 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Das entspricht 3600 Euro pro Kopf der Gesamtbe-völkerung. Damit fließt jeder zehn-te Euro, der ausgegeben wird, in das Gesundheitswesen. Davon gehen

knapp 170 Milliarden auf das Kon-to der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) – 57 Prozent der gesamten Summe. Die privaten Kassen gaben neun Prozent aus, der Rest ent-fällt auf die privaten Haushalte und nichtgewerbliche Organisationen.Eine Umfrage des Deutschen In-dustrie- und Handelskammertags (DIHK) bei Unternehmen aus der Gesundheitsbranche ergab zudem

einen eklatanten Mangel an Fach-kräften. 40 Prozent der Betriebe können offene Stellen oft über Mo-nate hinweg nicht neu besetzen, weil es keine geeigneten Bewerber gibt. Das betrifft nicht nur die inzwi-schen schon notorisch unterbesetz-ten Abteilungen in den Pflege- und sozialen Diensten, sondern auch in Betrieben der Medizintechnik. Fata-le Folge: 84 Prozent der befragten Unternehmensführer gehen von einer weiteren Mehrbelastung des vorhandenen Personals aus.Unter diesen Voraussetzungen fällt es dem deutschen Gesundheitssy-stem künftig immer schwerer, sei-nen Ruf als das beste der Welt zu halten.Die Protagonisten dieses Systems schenken sich nichts. Die Kranken-kassen versuchen, die Forderung der Ärzte nach höheren Honora-ren zu deckeln; die x-te Stufe der so

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genannten Gesundheitsreform hat sich – besonders unter dem frühe-ren Bundesminister Rösler (FDP), einem Arzt – in erster Linie Arz-neimttelmarktneuordungsgesetz - AMNOG), statt den Hauptgeldver-schlingern besser auf die Finger zu schauen Arzneimittelmarktneuor-dungsgesetz Arzneimittelmarkt-neuordungsgesetz – AMNOG), statt den Hauptgeldverschlingern besser auf die Finger zu schauen, nämlich den Krankenhäusern. In den letz-ten 20 Jahren ist zwar die Zahl der Häuser um rund ein Fünftel auf inzwischen gut 2.000 deutschland-weit gesunken, analog dazu die Bet-tenzahl auf eine halbe Million, und selbst die Berechnungstage sind um ein Viertel auf 142 Millionen im Jahr herunter gegangen, die Zahl der „Fälle“ allerdings im selben Zeit-

raum von 14 auf 18 Millionen und die GKV-Ausgaben dafür um mehr als 100 Prozent gestiegen.

Befehl von oben: „Fallzahlen erhöhen!“

Die kaufmännisch Verantwortli-chen der Krankenhäuser trietzen die Ärzte zu immer höheren Fall-zahlen, um den Umsatz zu steigern, weshalb in Deutschland so viel wie

sonst nirgends chirurgisch eingegrif-fen wird. Der Chefarzt eines gro-ßen Universitätsklinikums in West-deutschland wechselte kürzlich in eine private Klinik nach München, weil sein kaufmännischer Direktor ihm die Sinnfrage stellte: „Entweder Sie erhöhen die Fallzahlen um 20 Prozent im nächsten Geschäftsjahr oder Sie können sich einen neuen Job suchen!“ Der Professor ist ei-ner der angesehensten Onkologen des Landes.Im gleichen Atemzug kündigen die Klinikchefs allerorten dem gesam-ten Pflegepersonal, um die Betrof-

Bereitschafts- und Nachtdienste belasten Körper und Psyche. Kann ein Arzt nach 18 oder gar 36 Stunden wirklich die not-

wendige Konzentration für eine rasche, aber sichere Diagnose aufbringen, geschweige denn für einen komplizierten Eingriff?

Foto: Tyler Olson/Fotolia

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fenen umgehend von Subunterneh-mern zum Pauschalpreis wieder zu beschäftigen, zu weit günstigeren Konditionen selbstverständlich. Die Leidtragenden sind, wer hätte es gedacht, die Patienten: Sie sind nicht nur krank, sondern mutieren zu wehrlosen Insassen gestresster Schwestern/Pfleger und nicht min-der getriebenen Ärzten, verbrin-gen die Nächte oft genug im Bett auf dem Flur und müssen die not-wendigen Röntgen- und sonstigen Untersuchungen vor einer geplan-ten Operation selbst organisieren, denn schließlich bringt das dem Unternehmen Krankenhaus Geld. Dafür dürfen sie 8,2 Prozent ihrres Lohns/Gehalts an die Kasse zahlen

(der Arbeitgeber übrigens 7,3 Pro-zent), gegebenenfalls kommt ein Ex-tra dazu, wenn die Krankenkassen meinen, dies erheben zu müssen. Für diese Zuzahlung, die allein der Versicherte zu entrichten hat, gibt es nach oben keine Grenze.

Der Wunsch der PKV:Forever young-verständlich,aber nicht ganz fair

Wer denkt, bei den privaten Kas-

sen aufgehoben zu sein, hat Recht – solange er jung ist. Die Beiträge richten sich nicht nach dem Ein-kommen des Versicherten, sondern nach Alter, Gesundheitszustand und vereinbarten Leistungen. Sie steigen mit dem Alter, aber auch durch die allgemeine Kostensteigerung, medi-zinischen Fortschritt, Veränderun-gen der Kapitalmarkterträge der Versicherung, usw. Kinder müssen grundsätzlich gesondert versichert werden – im Gegensatz zur GKV, in der Familienversicherungen üblich

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sind. Selbstbeteiligungen des Versi-cherten können vereinbart werden; falls in einem Jahr die Versicherung nicht in Anspruch genommen wird, wird ein gewisser Prozentsatz der Prämie erstattet.Ärzte freuen sich natürlich über möglichst viele Privatpatienten. Die niedergelassenen ohnehin, da die Patienten die Arzt-Rechnung umge-hend zu begleichen haben und sich

selbst um die Erstattung durch die PKV kümmern müssen. Aber auch die Krankenhaus-Docs empfangen jeden „Privaten“ mit offenen Ar-men, zumindest ab Oberarzt auf-wärts. Denn die Behandlung durch den Chefarzt lässt dieser sich gut bezahlen; nach einem internen Schlüssel werden „seine“ Oberärz-te an diesen Privat-Liquidationen beteiligt.Etwa jeder zehnte Krankenversi-cherte vertraut auf die bevorzugte Behandlung aufgrund seiner priva-ten Versicherung. Doch Sozialöko-

nomen haben nach Durchsicht von einigen tausend Verträgen in einer Studie festgestellt: Rund 80 Pro-zent der PKVen leisten weniger als die durchschnittliche gesetzliche Krankenversicherung. Bleibt nur der simple Rat: werden Sie niemals krank! jed

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Es ist schönes Wetter, endlich scheint die Sonne mal wieder, aber ich denke schon die gan-

ze Zeit an meinen Nachtdienst vor; ich glaube, ich habe sogar davon geträumt. Und doch: Es ist herrlich, ich kann ausschlafen, denn ich fange erst um 14 Uhr im Krankenhaus an. Keine Hetze, kein Stau auf dem Weg zur Arbeit zu erwarten, in Ruhe frühstücken und vielleicht noch in einem Buch lesen, bevor es losgeht, denn ich komme erst am nächsten Morgen wieder nach Hause. Da möchte ich am liebsten vorschlafen, denn ich weiß, dass ich bis spät in die Nacht arbeiten könnte, je nach-dem, was heute passiert.

Als „Nebenjob“die Dissertation

Ich bin angekommen. Ich arbeite in einem so genannten freigemein-nützigen, akademischen Lehr-Kran-kenhaus als Assistenzärztin, mit rund 60.000 ambulanten und statio-nären Patienten jährlich das größ-te seiner Art in der Großstadt, in

selbst in die Notaufnahme kommen oder mit einem RTW oder Trans-port gebracht werden, werden sie zunächst von einer Schwester ge-sehen, die das Problem erkennen muss und entscheidet, ob der Pati-ent etwas für die Internisten oder für uns Chirurgen ist.

Das Pflegeheim in der Nähe beschert uns viele ältere Patienten

Unsere Patienten sind Kinder, Jugendliche, Erwachsene und sehr alte Leute (bei den Pflegeheimen genießen wir einen exzellenten Ruf), die entweder gestürzt sind, Beschwerden mit dem Bauch oder Urogenitaltrakt haben, oder einfach welche, die sich auf der Arbeit ge-schnitten haben und versorgt wer-den müssen. Die „Fälle“ werden in Dringlichkeit eingestuft und direkt in ein Zimmer gebracht oder müs-sen zunächst warten.

Ich sehe mir die nächste Patientin an, sie wird aus einem Pflegeheim

der ich lebe. Ich befinde mich in der Facharztausbildung und schreibe nebenbei an meiner Dissertation.Zunächst schaue ich bei meinen Kollegen auf der Station vorbei und schaue, ob ich noch etwas helfen kann. Briefe diktieren, Entlassungs-briefe vorbereiten oder Fremdblut-konserven transfundieren. Ich infor-miere mich, ob ich vielleicht später nochmal in den OP muss, denn wir operieren 24 Stunden rund um die Uhr. Momentan steht noch nichts außerhalb der normalen Dienst-zeit an. So gegen 15 Uhr gehe ich in die Notaufnahme und begrüße meine Kollegen, die heute schon den ganzen Tag da waren und die ich ablösen werde. Sie haben in ei-ner Stunde Feierabend, können die Sonne genießen und freuen sich auf das Wochenende, wenn sie denn frei haben.

Einige Patienten sind noch nicht „gesehen“ in der chirurgischen Ambulanz. Nachdem sie entweder

Notaufnahme - der ganz normale

WahnsinnIn praxe: 18 Stunden Nachtdienst aus Sicht der Assistenzärztin Antonia D.

Vor Mitternacht: Ein Patientin ist gestürzt und hat sich eine Platzwunde am Hinterkopf zugezogen. Assistenzärztin Antonia bereitet sich aufs

Nähen vor. Was sie nicht versteht: „Die Menschen haben die ganze Woche Zeit, aber Samstagnacht merken sie plötzlich, dass ihnen das

Knie wehtut oder die Ohrenschmerzen nicht mehr auszuhalten sind oder dass es ,ganz plötzlich‘ ein fürchterliches Ziehen im Unterleib gibt.“

Foto: Privat

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gebracht, wo sie aufgrund ihrer Demenz und anderen Krankheiten lebt, weil sie sich zu Hause nicht mehr alleine versorgen kann oder sie keine Kinder hat, die sie in ihre Obhut nehmen können. Die Patien-tin ist vom Pflegepersonal auf dem Boden liegend vorgefunden wor-

den. Meistens stürzt diese Art von Patienten, wenn sie auf dem Weg zur Toilette sind. Sie sind wackelig auf den Beinen, sehen in der Dun-kelheit nichts und stolpern über

eine Teppichkante. Mein „Fall“ hat Schmerzen in der linken Hüfte und kann ihr Bein nicht mehr bewegen. Und zusätzlich noch eine Kopfplatz-wunde. Diese wird erstmal nur not-dürftig versorgt, weil es zunächst

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wichtiger ist zu wissen, ob Frau M. ihren Oberschenkel gebrochen hat. Meistens ist das für mich eine Blick-diagnose, denn das Bein ist ver-dreht und verkürzt und kann nicht mehr bewegt werden. Also schnell die Röntgenanmeldungen per PC und die Röntgenassistentin anrufen, dass gleich Arbeit auf sie zukommt. Da die Patientin an Demenz leidet, muss ich erstmal herausfinden, wer der gesetzliche Betreuer ist, ihn an-rufen und ins Krankenhaus zitieren: Hier muss er die Aufklärung und Einwilligung über mögliche Eingrif-fe und damit verbundene Gefahren unterschreiben.

Immer einen Blickauf die Uhr

Was hat sich beim Röntgen bei Frau M. ergeben? Richtig: Der Oberschenkelhals ist gebrochen. Das heißt, in ihrem Falle sollte man mit dem Eingriff nicht länger als sechs Stunden warten, denn sonst ist die Blutzufuhr des Hüftkopfes unterbrochen und ich habe keine Chance mehr, die Patientin mit ei-ner weniger belastenden Operation zu versorgen. Ich informiere mei-nen Oberarzt, der „Hintergrund“ hat, informiere Frau M. und kläre sie für die OP auf. Wir planen, den Bruch mit einem Nagel, der in den Oberschenkelhals eingebracht wird und den Bruch schient, zu versor-gen. Jetzt heißt es noch schnell die Kopfplatzwunde zu nähen, dann ein Bett auf der Station für Frau M. zu suchen, meinem Pfleger Bescheid zu geben, damit er schnell die Vor-bereitungen für die OP trifft: Blut abnehmen, Dauerkatheter legen, EKG schreiben und und und... Ich informiere noch die Anästhesisten,

damit sie eine Prämedikation und die Narkose mit der Patientin be-sprechen können. Momentan läuft im OP aber noch das normale Ta-gesprogramm, so dass wir wahr-scheinlich erst am Abend operieren können.

Wir sind zu zweit in der chir-urgischen Notaufnahme und mein Kollege ist aus dem Bereich der Viszeralchirurgie; wir teilen uns die vorhandenen Patienten schon in unsere Fachbereich ein, schauenuns aber natürlich auch ande-re Patienten an. Ich er-zähle ihm, dass ich nachher noch in den OP muss und Frau M. operieren werde. Das heißt für ihn: Er muss dann für eineinhalb Stunden allein mit einem Pfleger in der Notaufnahme aushalten.Ok, weiter...

Ah, das ist ja schon wieder Herr M.. Manche der eingelieferten Pa-tienten kenne ich nach einer Wei-le, sie besuchen regelmäßig unsere Ambulanz. Herr B. lebt auch in ei-nem Pflegeheim und hat aus ver-schiedenen Gründen einen Dauer-katheter liegen. Laut Pflegepersonal fördert er nicht mehr.

Teure Transporte: Einmal hin und zurück 1500 Euro

Das Pflegepersonal im Heim hat keine Ausbildung oder darf einen Katheter nicht einfach wechseln oder hat einfach kein Material oder keine Zeit dafür. Der Transport des Herrn B. kostet in diesem Augen-blick für eine Fahrt ca. 750 Euro! Mein Pfleger und ich schauen, was das Problem bei Herrn B. ist. Letzt-endlich wird sich herausstellen, dass der Katheter verstopft war, weil er schon zu lange liegt. Wir wechseln ihn, der Urin kann wieder abgelas-sen werden, ich schreibe schnell

einen kleinen Bericht und gebe eventuell noch ein Antibiotikum ge-gen einen Harnwegsinfekt mit. Mein Pfleger bestellt den Transport zu-rück ins Heim, wieder 750 Euro!

Das ging schnell. Nun der näch-ste Patient. Er hat sich auf der Ar-beit mit einer Säge in den Finger geschnitten. Das heißt nun für mich: unendlich viel Papierkramaus-fül-

len. Da ist die Wunde zu versorgen meistens das Geringste, was ein Arbeitsunfall für uns bedeutet.

Es gibt manch-mal Tage, da kann ich jetzt um diese Zeit erstmal eine kurze Pause einlegen und mich mit meinem Kollegen und Pflegern unterhalten. Klatsch und Tratsch aus dem Haus oder es wird vom letz-ten Urlaub erzählt. Aber es gibt auch Tage, an denen arbeiten wir in einem durch bis abends um elf, zwölf Uhr, dann erst nimmt der Strom der Patien-ten erfahrungsgemäß ein wenig ab. Jetzt merke ich erst, wie durstig und hungrig ich bin und dass ich - Verzeihung! - noch gar nicht auf der Toilette war. Aber ich muss ja gleich noch in den OP. Also schnell mein mitgebrach-tes Essen verzehren, dann darf ich Frau M. operieren, gemeinsam mit meinem Oberarzt. Ich freue mich

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darauf, denn das macht mir wirklich Spaß und ich bin für ein bis zwei Stunden nicht in der Ambulanz, die manchmal ganz schön nerven kann.Nun behandle ich mit meinem Kol-legen die letzten Patienten, die peu à peu eintrudeln. Eine junge Frau, die beim Sport „umgeknickt“ ist und zunächst dachte, sie könne das zu Hause kurieren. Aber nun wer

den die Be-schwerden

schlimmer und sie kommt um elf Uhr abends

in die Notaufnahme. Ich schaue mir das

Sprunggelenk an und sehe eine Schwel-

lung und einen Blut-erguss; sie gibt Druck-schmerzen über dem

Außenknöchel an.

Krankschreiben darf der

Kliniksarzt nicht

Ich lasse ein Röntgenbild anfertigen. Die Patientin hat Glück gehabt: nur eine Dis-

torsion, nichts gebrochen. Sie bekommt eine Schiene zur Stabili-sierung und Schmerzmedikamente

für heute und den nächs-ten Tag mit. Sie fragt mich, ob ich

sie krankschreiben und ihr noch mehr Schmerztabletten mitgeben kann. Aber sie wird am nächsten Tag bei ihrem Hausarzt oder Or-thopäden vorbeischauen müssen, um sich krankschreiben zu lassen und Medikamente verschrieben zu

bekommen, das ist uns Weisung der Leitung untersagt.

Wir sind müde und haben alle Patienten zunächst versorgt und können uns aufteilen für die Nacht. Es ist mittlerweile eine halbe Stunde nach Mittarnacht. Es ist schon ein großer Vorteil, dass wir uns aufteilen können. Wir rechnen bis zum näch-sten Morgen halb acht, denn unsere Ablösung kommt um acht Uhr. Ich werde die erste Hälfte arbeiten, die zweite macht mein Kollege.

Wir gehen in unsere Dienstzim-mer. Kaum liege ich

im Bett,

kommt ein Anruf von

einer Station im Krankenhaus, die wir ab nach-

mittags ebenfalls mitversorgen, weil unsere Kollegen ja bereits ihren wohlverdienten Feierabend genie-ßen.

Eine Patientin kann nicht schlafen und braucht ein Schlafmittel, das kann ich zum Glück über das Tele-fon klären.

Ich muss wohl doch noch einge-schlafen sein, denn als das Telefon das nächste Mal klingelt, ist es zwei Uhr nachts und mein Pfleger aus der Notaufnahme ruft mich an: Ein Patient mit einer Kopfplatzwunde ist gekommen und muss versorgt werden. Also schäle ich mich müde aus meinem warmen Bett und gehe in die Ambulanz. Herr P. ist gestürzt, als er zur Toilette wollte und hat sich eine Kopfplatzwunde am Hinter-kopf zugezogen. Auf dem beiligen-dem Pflegeheimplan sehe ich, dass er blutverdünnende Medikamente einnimmt; er könnte also kurz be-wustlos gewesen sein. Oh no, denke ich. Das heißt, erst die Wunde ver-sorgen, dann die arme Röntgenas-sistentin anrufen und eine CT des Schädels anmelden, damit ich eine Blutung oder einen Schädelbruch ausschließen kann. Das wird dau-ern, leider nichts mit zurück in die Federn. Während der Patient im

CT ist, schreibe ich schon mal den Notfallbericht, in der Hoffnung, dass nichts weiter sein wird. Nach einer Weile ist der Patient zurück und ich werte die Bilder aus, manchmal auch mit einem Neurologen, der auch vor Ort ist.

Endlich der erste Kaffee

Gott sei Dank, Herr P. kann wie-der zurück ins Heim. Und ich kann auch wieder zurück. Ich schaue auf die Uhr, bald ist meine Schicht vor-bei und mein Kollege müsste arbei-ten, wenn neue Patienten kommen. Ich habe Glück und kann bis zum nächsten Morgen durchschlafen. Ich treffe meinen Kollegen in der Not-aufnahme und wir trinken einen Kaffee zusammen. Er erzählt mir, dass noch zwei Jugendliche gekom-men seien, die in eine Schlägerei verwickelt waren. Einer der beiden hat sich einen Bruch in einem der Mittelhandknochen zugezogen. Ty-pischer Bruch, wenn man mit der Faust zuschlägt. Nun hat er einen Gips für mindestens sechs Wochen. Jippieh, gleich ist unsere Ablösung da. Wir übergeben an die Kollegen, schildern, was letzte Nacht los war, geben Informationen über Patien-ten auf den Stationen weiter und wünschen einen ruhigen Tagdienst. Wir ziehen uns um, und jeder fährt seines Wegs.

Beim Frühstück automatisch Fachgespräche

Ich halte beim Bäcker bei mir um die Ecke und komme mit fri-schen Brötchen nach Hause. Mein Freund – ebenfalls Arzt – schläft noch, also bereite ich das Früh-stück vor. Er hat mich wohl in der Küche hantieren gehört, denn er krabbelt aus dem Bett. Wir setzen uns an den Tisch und ich erzähle, was letzte Nacht alles passiert ist. Jetzt bin ich aber doch müde, auch

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wenn ich drei Stunden letzte Nacht geschlafen, aber zu Hause ist doch am schönsten und ich gehe heute zufrieden in mein Bett. Ich schlafe bis mittags, denn ich möchte doch keinen Sonnenstrahl am heutigen Tag verschlafen. Ich genieße den Tag, abends kommen noch ein paar Freunde zum Essen vorbei, aber ich muss mich jedoch frühzeitig verab-schieden, weil ich morgen um acht Uhr – am Sonntag – wieder in der Notaufnahme sein muss. Aber dar-an denke ich jetzt noch nicht und genieße die Sonne und die Freizeit mit meinem Freund.

Das war eine ruhige Nacht, doch so ist es nicht immer. Manchmal kommen bis zu 50 Patienten. Nicht alle haben wirklich sehr schlimme Beschwerden; ich glaube, oft brau-chen sie nur etwas Zuneigung, je-manden, der sich um sie kümmert. Aber in anderen Nächten, gerade auch an den Wochenenden, häu-fen sich die Unfälle: Im Winter bei Schnee und Glatteis, bei Großveran-staltungen, während derer sich viele verletzen, usw. Wie auch immer: Ich habe meinen Beruf gewählt, weil ich Menschen helfen will, und das kann ich hier am besten.

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Äskulap (auch Asklepios) war der ge-riechische Gott der Heilkunst. Nach ihm wurde der Äaskulapstab benannt.

Foto: Lizenz GNU

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L\ E\ B\ E\ N\ S\ A\ R\ T\

Kleine Füller-Parade (v. l.): Pilot Capless, Cross Cardinal, Roting Newton, Pelikan Souverän, Waterman, Waterman Man 100, Lamy cp1 (Porschedesign), Waldmann, Faber-Castell Emotion, kleiner Damen-Reisefüller (Hebelfüller) aus den 1940-er Jahren

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per manumSie sind nicht nur eine Frage des Stils: Wer heutzutage Füllfederhalter nutzt, ist entweder Grundschüler oder Big Boss eines Unternehmens. Oder Politiker. Oder er macht gerade sein Testament.

Von Jochen Dersch

Wer schreibt schon noch mit der Hand? Offenbar unsere Bundes-tagsabgeordneten. Zumindest etli-che von ihnen sind fleißige und stil-bewusste Vielschreiber. Sonst ließe sich die Vorliebe für edle Schreib-geräte nicht erklären, die einem Reporter der „Bild-Zeitung“ auf-gefallen war: In den Monaten vor der letzten Bundestagswahl hatten 115 Mandatsträger 396 Schrei-ber der deutschen Nobelmarke „Montblanc“ gekauft, davon 180 Füllfederhalter. Gesamtpreis: knapp 68.000 Euro! Bezahlt wurden die Utensilien mit dem besonderes Chic – richtig: vom Steuerzahler. Das macht im Schnitt 3,5 Schreiber pro Besteller zum ebenfalls durch-schnittlichen Preis von etwas mehr als 171 Euro. Dabei waren sie noch sparsam, schließlich stehen jedem unserer Vertreter im Bundesstag rund 12.000 Euro für Büromate-rial zu, im Jahr wohlgemerkt. Die Namen der Montblanc-Liebhaber musste die Bundestagsverwaltung übrigens nicht herausrücken. Die

eigenwillige Begründung des Ge-richts: Das gehöre zum Geschäfts-geheimnis des Lieferanten. Seltsam nur, dass um dieselbe Zeit vermehrt Füller und Kugelschreiber des Ham-burger Herstellers auf der Aukti-onsplattform „ebay“ im Internet auftauchten, regelmäßig mit dem Hinweis „leider ohne Verpackung“; die spart sich der Lieferant nämlich bei Lieferungen an den Bundestag.

Ihren Kindern werden die Be-

sitzer ihre teuren Luxus-Schrei-ber wohl kaum gegeben haben. Die lernen – meist in der dritten Klasse, die ersten zwei Jahre geht es mit Bleistift und Faserschreiber zu Werke – zwar noch das Schrei-ben per manum mit dem Füller, doch um die „vereinfachte Aus-gangsschrift“ zu üben, tut’s auch ein preiswerteres Exemplar „Federhal-ter mit eingebautem, nachfüllbarem Tintenbehälter“, so die Duden-

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Neunfacher Chinalack in Braun marmoriert, 18-Karat-Goldfeder: der S. T. Dupont „Montparnasse“. Unten: Autograph von Werner Bergengruen

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Definition. Schulfüller verschaffen einem der führenden deutschen Hersteller, „Pelikan“ in Hannover, immerhin noch mehr als die Hälf-te des Jahresumsatzes, trotz der so genannten digitalen Revolution, die auch vor dem Schreiben nicht Halt gemacht hat. Das Unternehmen Montblanc erholte sich von einer existenziellen Krise, indem es sich erstens wieder auf die ausschließ-liche Produktion von teuren Qua-litätsschreibern konzentrierte und zweitens das Portfolio um ebenso teure Accessoires wie Taschen und Schreibtischzubehör, Uhren und Schmuck erweiterte; aber auch die Hamburger, inzwischen zu einem Schweizer Luxus-Konzern gehö-rend, erwirtschaften gut die Hälfte des Umsatzes mit ihren Füllern, Ku-lis und Rollerballs.

106 Arbeitsschritte sind nötig, um das „Meisterstück“ Montblancs zu fertigen. Das ist seit 1924 so, als man mit seiner Produktion unter der prosaischen Bezeichnung „146“ begann. Seither wird er in unver-

ändertem Design, wenn auch in verschiedenen Größen (das Para-destück ist der 149 Le Grand), her-gestellt und angeboten. Durch die hohe Qualität – jede einzelne Feder wird noch immer per Hand einge-schliffen – und geschicktes Marke-ting schafften es die Hamburger, ihr Meisterstück zum beliebtesten Schreibgerät bei den Wichtigen die-ser Welt werden zu lassen. Kenne-dy unterschrieb Staatsverträge mit ihm, Barroso und auch Frau Merkel. Etliche Vorstandschefs großer Kon-zerne vertrauen auf seinen satten, gleichmäßigen Tintenfluss, und vor den meisten Goldenen Büchern in Deutschlands Städten liegt er ohnehin. Das hat ihm in Amerika den Spitznamen „Power Pen“ ein-gebracht, auch wenn er dort von

Sammlern und Puristen immer noch „Masterpiece“ genannt wird.

Für besondere Kunden hat sich das Unternehmen – wie einige an-dere auch – einen ebenso beson-deren Service ausgedacht: Nach eingehender persönlicher Beratung werden individuelle Schreiber auf der Basis des Meisterstücks herge-stellt, einschließlich Diamantenbe-satz; den Herstellungsprozess kann der Kunde, sitzt er nun in Cloppen-burg oder Riad, via Webcam sozu-sagen live verfolgen! Das bislang teuerste Exemplar hat mehr als 180.000 Euro gekostet.

Viel mehr als ihre Namen bringen die heutigen Nutzer von Füllfeder-haltern nicht mehr zu Papier. Wenn Einkaufszettel geschrieben werden, nimmt man meist den Kugelschrei-ber, kurze Notizen wie Telefonnum-mern werden gleich in den Spei-cher des Funktelefons getippt. So gerät das Gerät aus Kunstharz, Me-tall, Karbon oder schlichtem Plastik immer mehr zum Prestigeobjekt – und zum Sammlerstück. Wobei die

„Der Herzog von Braunschweig“, Handschrift aus der Universitätsbibliothek Heidelberg, verfasst 1464

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meisten Sammler heute ihre Stücke auch nur noch in staubfreien Glas-vitrinen ihren Gästen zeigen, wes-halb unbenutzte Stücke, und seien sie noch so alt, die höchsten Preise erzielen. Nur die Minderheit nutzt die Schreiber noch im Alltag.

Aber auch sie bevorzugen un-

benutzte Füller. Schließlich wollen die edlen Stücke nur von ihrem Besitzer eingeschrieben werden, besonders wenn es sich um solche mit älteren Stahl- oder Goldfedern handelt, die noch keine Iridiumspit-ze haben. Dieses Metall ist so hart wie Diamant, die Feder nutzt sich so gut wie nie ab, weshalb sie auch nicht auf die spezifische Handhal-

tung ihres Nutzers reagieren muss. Anders ist das bei geschliffenen Fe-dern ohne Iridiumspitze, weshalb es unter ihnen auch solche für die rund zehn Prozent Linkshänder in der Bevölkerung gibt.

Der Schliff der Federspitze prägt, zusammen mit Druck und Winkel, mit dem sie aufs Papier trifft, die persönliche Handschrift des jewei-ligen Schreibers. Dabei spielen na-türlich auch die Flexibilität der Fe-der und die Breite der Spitze eine große Rolle.

Wer viel und schnell schreiben will, ist mit einer feinen (F) oder ex-trafeinen (EF) Feder am besten be-dient: Der Schreiber braucht wenig Kraft, die Feder gleitet leicht und flüssig übers Papier.

„M“ steht für mittelstarke Fe-dern; sie eignen sich für die meisten Schreiber und verzeihen auch Un-geübten so manchen Haltungsfeh-ler, besonders wenn sie über einen „Iridiumpunkt“ verfügen.

Breit (B) oder extrabreit (BB) verlangt eine große Schrift, was be-deutet: Man kann nicht so schnell

schreiben. Dafür entstehen aus-drucksstarke Handschriften, wes-halb sie gern für Unterschriften ge-nommen werden.

Alle anderen Formen – kursive Schliffe zum Beispiel – sind eher für kalligraphische Übungen bezie-hungsweise künstlerisches Schaffen geeignet.

Dass im Jahr 2013 überhaupt noch das Schreiben per manum in

O. l.: Feder eines Montblanc Meisterstück, die 4810 als Symbol der Höhe des Berges. O. r.: Bicolor-Feder eines Pelikan Celebry. Unten: Aus-zug aus dem Manuskript Goethes („Werther“), mit dem Federkiel geschrieben

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den Schulen gelehrt wird, ist trotz schnellerer Tastaturen und E-Mail-Manie ein Glücksfall. Es geht nicht nur darum, ein Stück Kultur zu er-halten, sondern hat ganz wichtige Effekte, sowohl was die Motorik als auch das Lernen an sich betrifft: Beim Schreiben mit der Hand füh-len wir die Buchstaben. Die mikro-motorischen Bewegungen graben

sich förmlich in die Hirnrinde ein, weshalb Kinder beispielsweise das Alphabet besser lernen können. Un-tersuchungen in Frankreich haben ergeben, dass Handschreiber auch besser lesen können als Tastatur-schreiber. Selbst bei Erwachsenen macht sich das noch bemerkbar. Wer nur noch tippt, hat häufiger Lese- und Schreibschwächen.

Da fragt man sich, warum in deutschen Grundschulen seit 1972 die vereinfachte Ausgangsschrift ge-lehrt wird, eine Schrift, die sich auf Druckbuchstaben stützt, die Let-tern also nicht legiert. Das wird erst später gelernt. Das ist so ähnlich, wie Radfahren mit Stützrädern zu lernen; da muss man auch zweimal in den Prozess eintauchen. Diese

Handschrift aus der Zeit Ludwig XIV (1638 - 1715). Er amtierte 72 Jahre lang als König von Frankreich; nur die Unterschrift stammt von ihm

Vereinfachte Ausgangsschrift, wie sie seit 1972 in Grundschulen gelehrt wird. R.:Deutsche Kurrentschrift, von ca. 1500 bis 1950 gebräuchlich

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Schreibschrift basiert übrigens auf der „lateinischen“, die von den Na-tionalsozialisten 1941 qua Erlass die „deutsche Kurrentschrift“ – nicht zu verwechseln mit der ähnlichen Sütterlin-Schrift – ersetzte. Gra-phologen stellen bis heute fest, dass, wird doch ausnahmsweise mit der Hand geschrieben, dies oft in Form von Druckbuchstaben geschieht.

Die deutsche Kurrentschrift basierte auf der so genannten „gotischen Kursive“, wie sie seit Jahrhunderten in ganz Europa ge-

bräuchlich war - für den, der über-haupt lesen und schreiben konnte. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts ver-band man die einzelnen Buchstaben mit feinen Haarstrichen und konnte so rascher und flüssiger schreiben. Im 16. Jahrhundert erfand der Vene-zianer Niccolo Niccoli zudem die „humanistische Kursive“, die rund-er und „lateinischer“ war. Sie setzte sich in Europa weitgehend durch, nur im deutschen Sprachraum wur-zelte die gotische Kursive so tief, dass man sie beibehielt.

Ob nun Kursive, Kurrent oder Ausgangsschrift: Dass eine schö-ne Handschrift auch ästhetischer Genuss ist, wird ohnehin niemand abstreiten wollen, vom Gefühl der Wertschätzung, den ein handge-schriebener Brief beim Empfänger hervorruft, ganz zu schweigen.

Ein absolutes Muss ist die Handschrift übrigens beim Abfassen des Testaments: Wer seinen letzten Willen nicht gleich beim Notar aufsetzen lassen und nur noch unterschreiben will, ist per Gesetz zur eigenhändigen Schrift verpflichtet.

Kurzer Abriss der Füllfederhalter-Geschichte

Tinte kennt man in China seit rund 3000 Jahren. Geschrieben wurde mit Pinsel oder Gänsekielen. Die Römer sollen bereits eine Eisenfeder, montiert an einem Holzstäbchen genutzt haben, was allerdings bis heute nicht eindeutig bewiesen werden konnte.

Schon 1636 konstruierte Daniel Schwenter aus Altdorf eine Feder aus drei ineinander geschobenen Gänsekielen; damit schuf er eine Art Kapillarstruktur, die das Vakuum im �Reservoir� (der Feder) durch Luftzufuhr ausglich.

1786 meldete der Leipziger Mechanikus Scheller die Erfindung einer „Reiseschreibfeder mit beständig Dinten“ zum Patent an.

Der New Yorker Versicherungsmakler Lewis Edson Waterman erfand 1884 den modernen Füllfederhalter, nachdem ihm eine klecksende Feder, die man noch in einen Tintenfass tauchen musste, einen lukrativen Vertrag zunichte gemacht hatte. So will es zumindest die Legende. Sein Füller hatte ein Tintenreservoir, einen Tintenkanal (Kapillare) und eine Stahlfeder.

„Die Tinte macht uns wohl gelehrt, doch ärgert sie, wo

sie nicht hingehört.“ Johann Wolfgang von Goethe

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EntwicklungsstufenEyedropper (auch Umsteckfüller, ca. 1884 bis1920): Waterman Regular: Die einfachste und eine der frühesten Formen des Füllhalters. Zum Befüllen wird das Kopfstück abgeschraubt und Tinte mit einer Pipette in den senkrecht gehaltenen Schaft gefüllt. Das Kopfstück wieder aufgeschraubt, konnte man schreiben.

Sicherheitshalter (auch Safety, ca. 1912 bis 1956):Der Halter hat eine versenkbare Feder. Die wird zum Befüllen mit der Pipette abgeschraubt. Die Tinte trocknet um die Feder nicht aus.Schlauchfüller (ab ca. 1905):Aus einem Gummischlauch im Innern des Korpus/Schafts wird mittels eines Hebels bzw. Federblechs Luft herausgepresst. Wird der Füller mit der Feder in die Tinte getaucht und bringt man den Hebel wieder in die Ruhelage, saugt sich der Schlauch mit Tinte voll.

Druckknopffüller (ab. Ca. 1916):Ein Druckknopf am Schaftende betätigt ein Federblech, das einen Gummischlauch im Innern des Füllers zusammenpresst und beim Loslassen Tinte einsaugt.

Touch Down (ab ca. 1950):Ebenfalls ein Schlauchfüller. Der Schlauch befindet sich in einem Metallröhrchen, das ihn beim Herausziehen zusammenpresst und beim Zusammenschieben mit Tinte füllt.

Kolbenfüller (Pelikan ab ca. 1929):Durch eine Gewindespindel wird eine mit einer Dichtung versehene Kolbenstange im Schaft in Richtung Mundstück bewegt. Beim Zuschrauben saugt der Füller Tinte an.

Kapillarfüller (Waterman 1954, Parker 1956):Ein Röhrchen, gefüllt mit saugfähigem Material, ist fest mit dem Kopf (Tintenleiter) verbunden. Das Röhrchen wird bei abgeschraubtem Korpus ins Tintenfass gestellt und kann sich so vollsaugen.

Patronenfüller (1935 bis heute):Die Tinte wird nicht mehr in den Schaft geträufelt oder den Gummisack gesogen, sondern befindet sich in einer Kunststoffpatrone, deren Verschluss mit einem verstärkten Tintenleiter aufgestoßen wird.

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U\ M\ F\ R\ A\ G\ E\ N\

Die Besten! Nein, die Schlimmsten!

Die Deutschen sind arrogant, unsensibel und egoistisch! So lautet das Ergebnis einer Um-frage des Pew Research Center in Washing-ton (benannt nach dem US-amerikanischen Ölindustriellen Joseph Newton Pew). „Wir müssen es aushalten, nicht gemocht zu werden“, schrieb die Tageszeitung „Die Welt“ am 18. Mai dieses Jahres. Und: „Das größte Feindbild im Europa der Krise ist Deutschland.“ Befragt wurden ausschließlich Europäer. Ganz anders lautete das Ergebnis, das dieselbe Zeitung nur fünf Tage später zi-tierte. Im Auftrag der britischen BBC haben die Meinungsforschungsinstitute GlobeScan und PIPA festgestellt: Weltweit sind die Deut-schen das beliebteste Volk, noch vor Kanada beispielsweise. Fragt sich, warum die Unter-schiede so immens sind, denn auch in der BBC-Erhebung wurden Europäer, einschließ-lich der Südeuropäer, gefragt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass derlei Erhebungen sich immer mehr oder minder nach den Vorstel-lungen beziehungsweise Vorurteilen der Auf-traggeber richten. E.v.T.

Zwei Umfragen zum Deutschland-Bild im Ausland ermitteln völlig konträre Ergebnisse - man beachte die Auftraggeber

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K\ U\ N\ S\ T\

Das Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks ist einer der besten Klangkörper Europas. Für eine Ausstellung und ein Buchprojekt hat der Fotograf Tim Wegner aus Frankfurt am Main das Orchester eine Zeitlang begleitet. Entstanden sind diese Bilder. Es scheint, als könnten sie dem Betrachter einen Einblick ins Seelenleben der Musiker vermitteln. Bewegend, intim, fantastisch! Tim Wegner besuchte die Fotoschule des Lette-Vereins in Berlin. Er arbeitet seit 25 Jahren als Freiberufler für Zeitungen und Magazine. Legendär sind seine Reportagen aus den Krisengebieten der Welt. Seit 1998 ist er Mitglied der Fotoagentur Laif. Kontakt: [email protected]

Klang-Bilder

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In den Nachkriegstrümmern Hamburgs florieren Schwarzmarkt und Korruption. Babette will leben, endlich wieder. Doch im Sommer 1951 begegnet sie dem Mörder ihres Mannes, der sich als Held des Wirtschaftswunders feiern lässt. Seine schwarze Uniform hat er im KZ Bergen-Belsen an den Nagel gehängt. Das geraubte Vermögen, Hamburgs Richter und das Schweigen der Mitläufer schützen ihn. Mit Witz und Chuzpe beginnt Babette, ihren Todfeind einzukreisen. Als rassisch Verfemte ist aus der behüteten Bankierstochter eine starke Frau geworden.

Wolf LevienDie Passion der Babette308 Seiten mit zahlreichen AbbildungenBoD 2013ISBN 978 3848 227 129Paperback EUR 19,90als eBook EUR 9,99