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Begriff des Verwaltungsverfahrens § 8 SGB X Nach § 8 SGB X hängt die Anwendung von den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X,1.Kapitel davon ab, dass die behördliche Tätigkeit im Einzelfall darauf gerichtet ist - Außenwirkung zu entfalten - mit dem Erlass eines VA oder eines verwaltungsrechtlichen Vertrages abzuschließen. Verwaltungsverfahren Verwaltungsakt Verwaltungs- vertrag Außenwirkung entfaltet eine behördliche Maßnahme dann, wenn sie den Rechtskreis des handelnden Verwaltungsträger verlässt, um den Rechtskreis einer anderen Person zu berühren.* Der VA ist in § 31 SGB X definiert, Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag finden sich in den Bestimmungen §§ 53 ff SGB X. Wenn die behördliche Tätigkeit diese Vorgaben erfüllt - was im überwiegenden Maße der Fall sein dürfte - liegt nach der Legaldefinition des § 8 SGB X ein Verwaltungsverfahren vor. Beginn des Verwaltungsverfahrens § 18 SGB X 1. Aufbau der Vorschrift § 18,Satz 1 SGB X stellt den Grundsatz auf: Die Entscheidung über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens („ob und wann“) steht

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Begriff des Verwaltungsverfahrens § 8 SGB X

Nach § 8 SGB X hängt die Anwendung von den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X,1.Kapitel davon ab, dass die behördliche Tätigkeit im Einzelfall darauf gerichtet ist

- Außenwirkung zu entfalten

- mit dem Erlass eines VA oder eines verwaltungsrechtlichen Vertrages abzuschließen.

Verwaltungsverfahren

Verwaltungsakt

Verwaltungs-vertrag

Außenwirkung entfaltet eine behördliche Maßnahme dann, wenn sie den Rechtskreis des handelnden Verwaltungsträger verlässt, um den Rechtskreis einer anderen Person zu berühren.* Der VA ist in § 31 SGB X definiert, Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag finden sich in den Bestimmungen §§ 53 ff SGB X.

Wenn die behördliche Tätigkeit diese Vorgaben erfüllt - was im überwiegenden Maße der Fall sein dürfte - liegt nach der Legaldefinition des § 8 SGB X ein Verwaltungsverfahren vor.

Beginn des Verwaltungsverfahrens § 18 SGB X

1. Aufbau der Vorschrift

§ 18,Satz 1 SGB X stellt den Grundsatz auf:

Die Entscheidung über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens („ob und wann“) steht

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im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialleistungsträgers.

In diesem Grundsatz werden folgende Prinzipien verwirklicht

Offizialprinzip (Amtsinitiative)

Behörde entscheidet von Amts wegen

(ex officio) über die Verfahrenseröffnung

Opportunitätsprinzip

Behörde entscheidet nach

pflichtgemäßen Ermessen, also aus

Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten über

die Verfahrenseröffnung

a) Nach § 18 Ziff. 2 SGB X wird das

Recht der Verwaltung ein Verfahren von

Amts wegen in Gang zu setzen,

beschnitten (Durchbrechung des

Offizialprinzips) Sofern für die Einleitung eines Verfahrens

ein Antrag notwendig ist, muss die

Verwaltung den Eingang des Antrages

abwarten, ehe sie das Verfahren beginnt.*

Ob ein Verwaltungsverfahren eröffnet wird,

steht damit in Disposition des Bürgers

(Berücksichtigung des Dispositionsprinzip)

b) Nach § 18 der Ziff. 1 SGB X wird die

Verpflichtung der Behörde zur Einleitung

des Verwaltungsverfahrens begründet.

(Legalitätsprinzip) Die Verpflichtung

kann sich - von Amtswegen (in Verbindung mit

dem Offizialprinzip) ergeben

(Versicherungsträger muss tätig werden,

wenn er von einem

entscheidigungspflichtigen Ereignis

Kenntnis erhält) oder - aufgrund eines Antrages, der vorliegt

(in Verbindung mit dem

Dispositionsprinzip)

Dispositionsprinzip

Die Einleitung des Verfahrens ist vom

Antrag eines einzelnen abhängig

Legalitätsprinzip

Behörde ist aufgrund gesetzlicher

Vorschriften verpflichtet, ein

Verwaltungsverfahren zu eröffnen

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Bedeutung von § 18 SGB X im Bereich der Rentenversicherung

Das Sozialgesetzbuch geht im Regelfall davon aus, dass Sozialleistungen nicht aufgedrängt werden. Feststellungen oder Bewilligungen von Leistungen nach den meisten Einzelgesetzen des SGB inklusive seiner besonderen Teile (vgl. § 68 SGB I) bedürfen daher eines Antrages. Für die Leistungsbewilligung gilt daher grundsätzlich das Dispositionsprinzip. Die Leistungsträger handeln in diesem Bereich zudem nach dem Legalitätsprinzip: sie werden nur auf Antrag tätig, liegt er vor, besteht Verpflichtung zur Einleitung des Verwaltungsverfahrens. In diesem Sinn bestimmt § 115 I SGB VI, dass das Verwaltungsverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig mit einem Antrag beginnt.

Das Offizialprinzip (Amtsinitiative) findet zur Feststellung von Sozialleistungen nur in Ausnahmefällen Anwendung - vgl. dazu § 19,Satz 2 SGB IV; § 115 Abs. III SGB VI, .

In der Rentenversicherung werden nach dem Offizialprinzip aufgrund zwingender gesetzlicher Anordnung (Legalitätsprinzip) folgende Verfahren eingeleitet werden:

- die Umwandlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in ein Altersruhegeld wegen Vollendung des 65.Lebensjahres § SGB VI

- Umwandlung der kleinen Witwenrente in eine große Witwenrente wegen Vollendung des 45.Lebensjahres§ SGB VI

Die Einleitung eines Verfahrens zur Gewährung einer Sozialleistung von Amts wegen ( Offizialprinzip ) aufgrund einer Ermessensentscheidung ( Opportunitätsprinzip) nach § 18,1 SGB X wird im Bereich der Rentenversicherung wohl nur bei einer nicht beantragten Reha - Maßnahme gem. § 115 IV SGB VI in Betracht kommen. Nach § 115 I,2 SGB VI soll es eines Antrages auch dann nicht bedürfen, " wenn eine Rente wegen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedriger als der bisherige Höhe zu leisten ist"

Außerhalb des Leistungsbereiches werden die Verfahren regelmäßig nach dem Offizial- und Opportunitätsprinzip eingeleitet. Dies gilt insbesondere bei Verfahren die zu einer nachteiligen Veränderung der Rechtsposition des Bescheidempfängers führen. Eingriffsentscheidungen zu Lasten eines Betroffenen beruhen auch in der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig auf Verwaltungsverfahren, die ein Sozialeistungsträger von Amts wegen eingeleitet hat.

- Entziehung einer Rente wegen Erwerbsminderung

- Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes

- Rückforderung überzahlter Leistungen

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Antrag: Antragswirkungen - Anhängigkeit

Durch die Antragstellung oder Einleitung der verwaltungsinternen Bearbeitung wird das Verwaltungsverfahren anhängig. Ähnlich wie die Rechtshängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens umschreibt die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens den Zeitraum zwischen rechtlichen Beginn und Abschluss eines solchen konkret individuellen Vorgangs.

Als Ziel des Verwaltungsverfahrens schließt der VA diesen Vorgang ab.

Neben dieser formellen Bedeutung können materiell Vorschriften in ihrem Tatbestand den wirksamen Antrag als Voraussetzung für das Eintreten einer bestimmten Rechtsfolge bestimmen. (materielle Bedeutung). So ist nach § 99 SGB VI die rechtzeitige Antragstellung innerhalb von 3 Monaten nachdem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind notwendig, um von "Anfang an" eine Rentenleistung zu erhalten. Ebenso kann die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen von der Einhaltung bestimmter Fristen abhängig sein.

Ein und derselbe Antrag kann damit sowohl formelle, als auch materielle Bedeutung haben.

Bedeutung des Antrages

formelleAuslöser eines Verwaltungs-

verfahrens

materielleAuswirkungenauf die Sach-entscheidung

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Der Rentenantrag hat nur insoweit Bedeutung, als er dem Versicherungsträger die Kenntnis vom Versicherungsfall vermittelt. Der Antrag ist nicht Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, er entsteht auch ohne Antragstellung, § 40 SGB I. Nach § 99 SGB VI kommt dem Antrag jedoch für den Rentenbeginn materielle Bedeutung zu

Antragsbefugnis

Wer befugt ist einen Antrag zu stellen, regelt § 11 SGB X. Da es sich bei den Verfahrenshandlungen um Willenserklärungen handelt, entspricht die "Handlungsfähigkeit" dem zivilrechtlichen Gegenstück der "Geschäftsfähigkeit"

Handlungsfähig nach § 11 SGB X sind natürliche und juristische Personen sowie Behörden, letztere soweit sie ordnungsgemäß vertreten werden.

Befugnis zur Antragstellung

§ 11SGB X§ 11

SGB X§ 11 Abs.1 Nr.2

i.V.m.§ 36 SGB I

Die Antragsbefugnis kann bei natürlichen Personen auf Dritte übergehen,

a) entweder kraft Gesetzes,

► wenn der Antragsteller in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, - sei es, weil er Minderjährig ist und deshalb seine gesetzlichen Vertreter gem. §

1626 BGB für ihn handeln, - sei es, weil gem. § 1793 BGB ein Vormund für ihn bestellt ist, - sei es, weil gem. § 1896 BGB ein Betreuer bestellt wurde,

► wenn die Antragsbefugnis ausdrücklich auf andere übertragen wurde. So ist das Sozialamt gemäß § 91 a BSHG befugt , Sozialleistungen zu beantragen und gegebenenfalls auch Rechtsbehelfe einzulegen

b) oder kraft Rechtsgeschäftes, weil der Antragsbefugte einen Dritten mit der Wahrnehmung bevollmächtigt hat, § 164 BGB, 13 SGB X. Auf Verlangen ist die Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Im weiteren Verfahren hat sich die Behörde dann an den Bevollmächtigten zu wenden, es sei denn, es werden höchstpersönliche Mitwirkungshandlungen verlangt, für die eine Vertretungsmöglichkeit nicht

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besteht. Höchstpersönlich vorzunehmende Verfahrenshandlungen sind zum Beispiel die Ausübung der Mitwirkungspflichten nach § 61 - § 64 SGB I oder die Abgabe einer eidesstattliche Versicherung.

Ohne Vertretung können auch beschränkt geschäftsfähige Verfahrenshandlungen gem. § 11 I Nr. 2 SGB X vornehmen, wenn

a) sie nach bürgerlichen Recht für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind - §§ 112,113 BGB -

b) sie nach öffentlichen Recht als handlungsfähig anerkannt sind - so wird nach § 36 SGB I Personen mit Vollendung des 15.Lebensjahres speziell für Sozialleistungen die Handlungsfähigkeit für eine Antragstellung gewährt. ; § 8 Abs.2 in Verbindung mit § 7 SGB VIII räumt sogar Kinder unter 14 für bestimmte Bereiche der Jugendhilfe die Antragsfähigkeit ein.

Zuständigkeit

Anträge sind nach § 16 Abs. 1 SGB I

beim zuständigen Leistungsträger,

bei den in den Gemeinden und hier speziell bei den Versicherungsämtern oder ggf.

bei den Auslandsvertretungen zu stellen.

Zuständigkeiten

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Zuständigkeiten

§ 16SGB I§ 16

SGB I§ 12,18ff SGB I§ 12,18ff SGB I

Satz 1

Satz 2

zustän-dig

unzustän-dig

Leistungsträger sind nach § 12 SGB I die in den §§ 18 - 29 SGB I genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden. Zuständig für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind die in § 23 Abs. 2 SGB I aufgezählten Stellen. Konkret ist der Antrag bei den Personen einzureichen, die im Auftrag des zuständigen Rentenversicherungsträger handeln. Damit ist es ausreichend, den Antrag beim Versichertenältesten oder einen Prüfbeauftragten stellen. Mit Gemeinden sind die auf der Ebene der unteren Verwaltungsbehörde der Länder handelnden kreisfreien Städte und den Landkreisen gemeint. Hier sind die Versicherungsämter (§ 92 SGB IV) als besondere Geschäftsbereiche eingerichtet. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB IV sind sie ausdrücklich zur Entgegennahme von Leistungsanträgen aus der Rentenversicherung ermächtigt. Zu den amtlichen Vertretungen im Ausland gehören nicht nur die Botschaften und Konsulate, sondern die Gesandtschaften und Handelsvertretungen.

Stellt sich für den Antrag bei einem Sozialleistungsträger dessen sachliche oder örtliche Unzuständigkeit heraus, gibt die Verwaltungsstelle den Vorgang unverzüglich an die zuständige Stelle weiter. Der Antragseingang auch bei eine unzuständigen Sozialleistungsträger bleibt materiell-rechtlich entscheidend. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I genügt zur Fristwahrung auch der Eingang des Antrages bei der unzuständigen Stelle, so dass für die Berechnung des Leistungsbeginns nach § 99 SGB VI der Eingang beim unzuständigen Leistungsträger maßgeblich ist.

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Antragsinhalt

Auslegung gem.

§133 BGB

Schutz vor verspäteter Antragstellung

Da der Leistungsbeginn materiellrechtlich vielfach von der rechtzeitigen Antragstellung abhängig ist – in der Rentenversicherung regelt dieses § 99 SGB VI – kann eine verspätete Antragstellung zur verspäteten Gewährung oder Verlust von Sozialleistungen führen. Um diese Gefahr abzumildern, hat der Leistungsträger (Neben) Pflichten zu beachten.

Auslegung

Zur Verwirklichung der sozialrechtlichen Ansprüche haben die Leistungsträger die Berechtigten zu unterstützen. § 17 SGB I formuliert dazu einige Betreuungspflichten der Leistungsträger . Für die Gewährung von Sozialleistungen fordert § 17 Abs.1 Ziff.1 eine zeitgemäße, unfassende und schnelle Leistungserbringung. Die Vorschrift vermittelt zwar keine subjektiven Rechte, da sie nur als Programmsatz formuliert ist, kann aber bei der Auslegung (analog § 133 BGB) unklarer oder mehrdeutiger Anträge Bedeutung finden. Stellt sich heraus, dass die ausdrücklich beantragte Leistung nicht gewährt werden kann, hat der Versicherungsträger durch Auslegung des Antrages zu ermitteln, ob der Antrag auch eine alternative Leistungsmöglichkeit mit umfasst. Im Zweifel ist der Antrag im (wohlverstandenen) )Interesse des Betroffenen auszulegen.

Gesetzliche Auslegung

Einige Rechtsvorschriften geben bereits eine bestimmte Auslegung einer Erklärung zwingend vor. So führt § 28 SGB X zu einer Rückwirkung einer Antragstellung, wenn eine andere Sozialleistung beantragt war, diese aber nicht gewährt werden konnte. Wurde Sozialhilfe vor Arbeitslosenhilfe beantragt oder Waisenrente vor einer Leistung nach dem BAFöG, kann der zunächst gestellte Antrag bis zu einem Jahr Rückwirkung entfalten.

Nach § 116 Abs. 2 SGB VI gilt ein Antrag auf eine Reha – Maßnahme als Rentenantrag, wenn die Reha – Maßnahme nicht erfolgversprechend scheint oder eine frühere Behandlung erfolglos geblieben war.

Hinweispflichten

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Ebenso mit dem Ziel die sozialrechtlichen Ansprüche zu gewährleisten existieren die Aufklärungs- Beratungs- und Hinweispflichten nach §§ 13- 15 SGB I. Als spezielle Ausprägung ergibt sich in der Rentenversicherung nach § 115 Abs.6 SGB VI die Verpflichtung in „geeigneten Fällen“ auf die Notwendigkeit einer Antragstellung hinzuweisen. Damit soll der Gefahr einer verspäteten Antragstellung und der damit verbundenen materiellrechtlichen Ausschlusswirkung des Leistungsbezuges entgegengewirkt werden.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

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Verlauf des Verwaltungsverfahrens

Verfahrensgrundsätze

Zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens zählen

- Grundsatz der Nichtförmlichkeit, § 9 SGB X = das Verfahren ist nicht an bestimmte Formalien gebunden

- Grundsatz der Zweckmäßigkeit, § 9 SGB X = das Verfahren ist möglichst einfach , sachgerecht und zügig durchzuführen

- Grundsatz der behördlichen Neutralität = der Sozialleistungsträger als Behörde muss alle Umstände des Einzelfalles, ohne vorgefasste Entscheidungsprognose berücksichtigen

Untersuchungsgrundsatz

§ 20 SGB X Untersuchungsgrundsatz § 21 SGB X Auswahlfreiheit der Beweismittel § 22 SGB X Aussagepflicht § 23 SGB X Versicherung an Eides statt

Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung begründet den Untersuchungsgrundsatz, nachdem die Verwaltung verpflichtet wird, die entscheidungserheblichen Tatsachen von Amtswegen zu ermitteln

"Wenn es den Verfahrensbeteiligten überlassen bliebe, die für die Behördenentscheidung erheblichen Tatsachen aufzuklären und zu beschaffen, wäre die Gefahr lückenhafter oder einseitiger Ermittlungen und mithin das Risiko, eine Fehlentscheidung hervorzubringen, viel zu groß. Deshalb ist die Ermittlung des Sachverhalts Aufgabe der Behörde = Untersuchungsgrundsatz."

Ermittlungsumfang

Der Ermittlungsumfang wird durch die formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen bestimmt.

Beispiel: Witwenrente: Todesfall, Witwenstatus, Wartezeit aber Waisenrente nach dem 18. Lebensjahr

Je schwerwiegender die Rechtsfolgen, um so eingehender muss ermittelt werden

Beispiel: § 49 SGB VI Rente wegen Todes bei Verschollenheit

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

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Der Untersuchungsgrundsatz bedeutet aber nicht, dass jede Behauptung bezweifelt werden muss und erst dann einer Entscheidung zugrunde gelegt werden kann, wenn sie bewiesen ist; vielmehr beschränkt sich die Aufklärungspflicht auf die Behebung eigener Zweifel der Behörde. Wird ein Umstand von niemanden bezweifelt und drängen sich nach der Gesamtlage des Falles auch keine Zweifel auf, hat der Leistungsträger den Tatumstand nicht durch eigene Ermittlungen zu erforschen.

Bewiesen ist ein Tatumstand, wenn für sein Vorliegen ein so hoher Grand der Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass eine andere Auffassung bei vernünftiger Überlegung nicht denkbar ist. Der Sozialleistungsträger wertet die Unterlagen rechtmäßig nach seiner freien Überzeugung aus; er ist nicht an bestimmte "Bewertungsregeln" gebunden (Grundsatz der freien Beeiswürdigung)

Beweismittel

In der Art ihrer Ermittlungsführung ist die Behörde frei. Die Mittel der Sachverhaltsaufklärung stehen im Ermessen der Behörde, § 21 I SGB X. Gem. § 20 I,2 SGB X ist sie an Beweisanträge nicht gebunden.

Einzelne Beweismittel sind in § 21 Abs.1 S.2 SGB X aufgeführt. Wie aus der Formulierung „insbesondere“ zu entnehmen ist, sind hier nicht alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung aufgezählt. Neben den auch im Gerichtsverfahren üblichen Beweismitteln ( vgl. § 106 Abs.3 SGG), kann sich die Behörde auch auf andere Erkenntnisquellen stützen. Jedes rechtlich zulässige Mittel, das den Nachweis der Richtigkeit der zu ermittelnden Tatsachen dienen kann, kann verwandt werden (Freibeweis).* Wichtig ist, dass sie zu tauglichen Ergebnissen führen und dem Grundsatz der Einfachheit und Zweckmäßigkeit entsprechen. Demnach wird man erst ev. schon bestehende Akten beiziehen und erst später - falls noch erforderlich Zeugen vernehmen. *

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Auskünfte

Die Auskünfte können sowohl von Privatpersonen als auch von Behörden eingeholt werden

Beispiel: Versicherungsträger möchte überprüfen, ob die Hinzuverdienstgrenze bei einer EU-Rente / einer anteilig gezahlten Altersrente überschritten ist. Versicherungsträger bittet daher den Arbeitgeber die Angaben des Versicherten zu bestätigen. Der Arbeitgeber lehnt dies mit Hinweis darauf, dass die Entlohnung seiner Beschäftigten zum Geschäftsgeheimnissen gehöre, ab.

Gesetzliche Auskunftspflichten sind in §§ 98 ff SGB X aufgezählt:

§ 98 SGB X: Auskunftspflicht des Unternehmers über das Einkommen seines Arbeitnehmers.

§ 99 Auskunftspflicht von Angehörigen, Unterhaltspflichtigen und sonstigen Personen

§ 100 Auskunftspflicht des Arztes.

Beispiel: Da der Versicherte im EU-Rentenantrag auch Angaben zum behandelnden (Haus)arzt machte, möchte der Versicherungsträger zur Ermittlung des Gesundheitszustandes dessen Befundberichte einsehen. Geeignetes Beweismittel ?

Ablehnung des Arztes mit Hinweis auf die Schweigepflicht. - Tatsächlich befürchtet der Arzt die Aufklärung eines ärztlichen Behandlungsfehlers.

Die Anhörung des behandelnden Arztes darf erfolgen, wenn dieser von seiner Schweigepflicht entbunden ist. Entsprechende Erklärung ist vom Versicherten vorher einzuholen. Liegt die Befreiung vor, besteht eine Auskunftsverpflichtung des Arztes.

Auskünfte anderer Behörden werden im Rahmen der Amtshilfe gewährt.

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Amtshilfe

Zulässigkeit - Unterscheidung zwischen Ersuchen und Durchführung Unter Amtshilfe ist im wesentlichen die öffentlich rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörde zu verstehen, mit der sie lediglich eine anderen Behörde bei deren Aufgabenerfüllung Hilfe leistet. Die Legaldefinition des § 3 SGB X definiert es als die

• auf Ersuchen geleistete • ergänzende Hilfe • zwischen Behörden im gesetzlichen Rahmen (von § 4 SGB X) • ohne dass ein Weisungsverhältnis zwischen den Behörden besteht • und die ersuchte Behörde die Amtshandlung als eigene Aufgabe

wahrzunehmen hätte.

Verfahrensbeteiligter Antrag Entscheidung

Behörde A

Ersuchen um Amtshilfe

Durchführung der Amtshilfe

Behörde B

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§ 4 Abs. 1 SGB X regelt die Möglichkeiten ein Ersuchen an fremde Behörden stellen zu können. Voraussetzungen:

• Rechtliches Unvermögen = Rechtsgründe stehen der Ausübung der Amtshandlung entgegen; gegeben etwa bei örtlicher Unzuständigkeit.

Im Recht der Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII) besteht für die Jugendämter für bestimmte Maßnahmen eine örtlich Begrenzung ihrer Zuständigkeit. So kann für die Inobhutnahme eines Kindes ein anderes Jugendamt um Amtshilfe ersucht werden Da in der Rentenversicherung eine örtliche Begrenzung der Zuständigkeit nicht besteht, kommt diese Regelung hier nicht zum Tragen; bei Unzuständigkeit in der Sache wird statt einer Amtshilfe regelmäßig die Abgabe des Verfahrens an die zuständige Behörde erfolgen;

• tatsächliches Unvermögen = Fehlen von Dienstkräften oder Einrichtungen zur Wahrnehmung der Amtshandlung

Nachfragen an die deutschen Auslandsvertretungen sofern Ermittlungen vor Ort vorgenommen werden müssen

• Ermittlungsunfähigkeit = Nur die ersuchte Behörde kann die erforderliche Tatsachenkenntnis ermitteln = Regelfall

Um die Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit nachprüfen zu können sind Nachfragen beim Registergericht (Amtsgericht) (Handelsregisterlöschung ?) oder Ordnungsamt erforderlich Rentenrechtliche Zeiten der ArV /AnV beim jeweils anderen Versicherungsträger können über ein Ersuchen ermittelt werden Nachfragen beim Einwohnermeldeamt (Feststellung des ständigen Aufenthaltsortes) Nachfragen beim Arbeitsamt (AA) - Meldung als Arbeitsloser Voraussetzung für die Anerkennung der Anrechnungszeit; sind vom AA Beiträge an Versicherungsträger oder andere Versorgungseinrichtung gezahlt ? ( § 58 Abs. 4 SGB VI) StA zur Frage, ob gegen den Witwer ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Tötung läuft.

• Vermeidung eines unverhältnismäßigen Aufwandes; Fachkompetenz

liegt bei einer anderen Behörde Anfragen nach § 250 Abs.1 Nr. 4 SGB VI; § 1 BEG

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Das Recht ein Ersuchen zu stellen bedeutet aber noch nicht für die ersuchte Behörde eine Verpflichtung zur Durchführung der gewünschten Amtshilfe !

§ 4 Abs.2 und Abs.3 SGB X weist die Möglichkeiten auf, unter den die Durchführung der Amtshilfe abgelehnt werden kann. Es wird dabei zwischen der Weigerungspflicht und dem Ablehnungsrecht unterschieden. Die Amtshilfe muss verweigert werden,

• wenn sie auch der ersuchten Behörde gesetzlich untersagt ist. Dies liegt immer dann vor, wenn die ersuchte Amtshandlung nicht im Aufgabengebiet der ersuchten Behörde liegt; Aufgabengebiet der Rentenversicherungsträger ist in § 30 SGB IV umschrieben.

• wenn sie gegen rechtliche Vorgaben verstoßen würde, insbes. gegen den Schutz des Sozialgeheimnisses § 35 SGB I i.V.m. §§ 67 – 77 SGB X

• wenn sie das Wahl des Bundes oder eines Landes beeinträchtigen würde.

Nach § 4 Abs.3 SGB X besteht die Möglichkeit die Amtshilfe nicht durchzuführen,

• wenn eine andere Behörde für die Aufgabenerledigung besser geeignet ist,

• wenn die Durchführung der erbetenen Amtshandlung für die ersuchte Behörde einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde

• wenn die Durchführung der erbetenen Amtshandlung die Erfüllung der eigenen Aufgaben ernsthaft gefährden würde.

Da im Rahmen der Amtshilfe Behörden aus unterschiedlichen Sachgebieten zusammenarbeiten, bedarf es einer Klärung, welche Verfahrensgesetze im Rahmen des Amtshilfeverfahrens maßgeblich sein soll. Für Ersuchen nach § 4 Abs.1 SGB X ergibt sich das aus dem Anwendungsbereich des § 1 SGB X Zur Rechtslage bei der Durchführung gibt § 6 SGB X eine (klarstellende) Aussage: Die Durchführung der Amtshilfe richtet sich nach dem Recht der ersuchten Behörde, die Haftung für die Rechtmäßigkeit jeder Amtshilfemaßnahme trägt die ersuchende Behörde; die Kostenerstattung zwischen den Amtshilfebehörden ist sachlich begrenzt.*

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Anhörung Beteiligter

Unter diese Regelung fällt vor allem die Anhörung, die die Behörde im eigenen Interesse für notwendig hält.* Anders als unter den in § 24 SGB X genannten Voraussetzungen haben die Beteiligten aber keinen Anspruch auf Anhörung.*

Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen oder Einholung von schriftlichen Äußerungen

Zeugen sind natürliche Personen, die aus eigener Wahrnehmung etwas über bestimmte Tatsachen Aussagen können (oder von denen dies angenommen wird). *

Sachverständige vermitteln der Behörde das ihr fehlende Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen, ziehen aus den Tatsachen konkrete Schlüsse oder vermitteln ihr die Kenntnis von Erfahrungssätzen. *

Sachverständige Zeugen sind Zeugen, die Wahrnehmung aufgrund ihrer besonderen Sachkunde bekunden können *

Die Aussageverpflichtung von Zeugen und Sachverständigen ist in § 21 III SGB X geregelt.

Beiziehung von Urkunden und Akten

Urkunden sind schriftliche Erklärungen, die einen Gedankeninhalt vermitteln. *. Zu den Urkunden zählen auch die Geschäftsunterlagen sowie Entgeltbelege von Arbeitgebern, ärztliche Unterlagen und Krankenberichte. (str.: Röntgenbilder )

Augenscheinnahme

Augenschein ist die unmittelbare Sinneswahrnehmung zur Beweisaufnahme durch Kenntnisnahme der äußeren Beschaffenheit einer Sache, eines Menschen oder eines Vorgangs; der Augenschein kann alle Sinne beanspruchen. *

Beispiel: Feststellung des Sozialhilfebedarfs * Betriebsbesichtigung des den Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung

Mitwirkungspflichten des Beteiligten

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Da die wichtigste Erkenntnisquelle zur Sachverhaltsaufklärung beim Beteiligten selbst liegt, hat der Gesetzgeber in § 21 II SGB X die Forderung mit aufgenommen, dass die Beteiligten selber an der Aufklärung mitzuwirken haben. Der Umfang der Mitwirkungspflichten ist unter anderem näher bestimmt in den §§ 60 ff SGB I.

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Mitwirkungspflichten

Von Beteiligten im Sozialleistungs-verfahren

Zweck der Mitwirkung

Aufklärung der Anspruchs-voraussetzungen einer Sozialleistung

Vermeidung gesundheitlicher Nachteile

§ 63 -64 SGB I

§ 60 -63 SGB I

Auslöser der Mitwirkungspflicht

Antragauf

Leistung

Bewilli-gung einerLeistung

Erstattungs-verfahren

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Inhalt der Pflicht

Informationsvermittlung an die Behörde durch

eigene Angaben

Angabevon

Beweismitteln

Zustimmung der Weitergabe

von Informationen Dritter

§ 60SGB I

§ 60 SGB I fordert vom Antragsteller oder Sozialleistungsempfänger, dass er

Tatsachen anzugeben hat, die für die Leistung erheblich sind sowie

auf Verlangen seine Zustimmung dafür zu erteilen, dass Dritte (Hausarzt, Arbeitgeber, Krankenhaus, andere Behörden) über ihn Auskunft geben dürfen und damit von der Geheimhaltungspflicht nach § 35 SGB I entbunden sind,

Änderungen in den Verhältnissen, die wichtig für den Leistungsbezug sind, der Behörde mitzuteilen (so etwa eine Einkommensveränderung, Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit)

Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (Geburtsnachweis oder Familienstandsnachweis)

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Inhalt der Pflicht

Informationsvermittlung an die Behörde durch

Persönliche Kontaktaufnahme

- Erörterungeines Antrages

§ 61SGB I

Soweit eine schriftliche Klärung des Sachverhalts nicht mögliche erscheint, kann der Versicherungsträger das persönliche Erscheinen des Antragstellers oder Leistungsempfängers fordern. Nach der Abfassung der Vorschrift kann eine Erscheinen aber nicht erzwungen werden.

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Inhalt der Pflicht

Informationsvermittlung an die Behörde durch

Gewährungärztlicher

Untersuchungen

Gewährungpsychologische

Untersuchungen

§ 62SGB I§ 62

SGB I

Die Vorschrift stellt klar, dass einerseits ärztliche und psychologische Untersuchungen

grundsätzlich nicht verweigert , andererseits aber nur verlangt werden dürfen, wenn

entscheidungserhebliche Tatsache nicht anders, etwa durch bereits vorliegende ärztliche Atteste, geklärt werden können. *

Die §§ 62 -64 SGB I zeigen die Mitwirkungspflichten bei Leistungsansprüchen wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit auf. Neben der ärztlichen Untersuchung (§ 62 SGB I) hat sich der Antragsteller oder Leistungsbezieher auf Verlangen des Leistungsträgers einer Heilbehandlung (§ 63 SGB I) oder einer berufsfördernden Maßnahme (§63 SGB I) zu unterziehen

24

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

Inhalt der Pflicht

Vermeidung (weiterer) gesundheitlicher Nachteile durch

Einwilligungin Heil-

behandlungen

§ 63SGB I

Inhalt der Pflicht

Vermeidung (weiterer) gesundheitlicher oderberuflicher Nachteile durch

Einwilligung zur Teilnahme anberufsfördernden

Maßnahmen

§ 64SGB I

25

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Begrenzung der Pflicht

§ 65Abs.1SGB I

Allgemein Speziell

§ 65Abs.2SGB I

§ 65 SGB I nennt die Grenzen der Mitwirkungspflichten.

Damit wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprochen, die insbes. durch Art. 2 GG, welcher die Wahrung der Persönlichkeit (Abs.1) und den Schutz der körperlichen Integrität (Abs.2) gebietet, die Grenzen der Mitwirkung aufgezeigt. Während die Abs. 1 und 3 sich auf den sachlichen Bereich der Maßnahme beziehen, wird mit Abs. 2 der private Bereich des Betroffenen berücksichtigt.*

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

Nach § 65 Abs.1 Nr. 1 SGB I wird die Mitwirkungspflicht durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingeschränkt: je bedeutungsloser oder geringfügiger die Leistung im Einzelfall ist, um so geringer ist auch das Ausmaß der Mitwirkung, das gefordert und verlangt werden kann.

Begrenzung der Pflicht

Angemessen Zumutbar Erforderlich

§ 65 Abs.1SGB I

- § 65 Abs. Nr. 2 SGB I schränkt die Mitwirkungsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit ein (Zumutbarkeitsgrenzen sind im einzelnen im Abs.2 der Vorschrift aufgeführt),

- § 65 Abs.1 Nr. 3 SGB I verlangt eine Adäquanz von der Bedeutung der Mitwirkungshandlung und des Aufwandes ihrer Durchführung. Ist mit geringerem Aufwand, etwa auf verwaltungsinternem Weg die Information auch zu erhalten, so ist diese Verfahrensweise zunächst einzuhalten.

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Begrenzung der Pflicht

Gesundheits-gefahren un-

wahrscheinlich

Kein erheblicherEingriff

Ohne Schmerzen

§ 65 Abs.2SGB I

§ 65 Abs.2 SGB I konkretisiert die Weigerungsrechte unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (Abs.1 Nr. 2) bei Behandlungen und Untersuchungen. Es folgt aus der Natur der Sache, dass grundsätzlich unterschiedliche Kriterien für die Zulässigkeit von allgemeinen nicht operativen Heilbehandlungsmaßnahmen und Operationen zugrunde zu legen sind; die Anforderungen an Operationen sind grundsätzlich höher. *

- Als Ausdruck von Art.2 II GG braucht der Betroffene nur dann mitzuwirken , wenn ein Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die Beurteilung dieser Frage richtet sich nach dem jeweiligen medizinischen Erkenntnisstand *

- Angesichts der Subjektivität aller Schmerzempfindungen ist es problematisch, sichere Grenzen zu ziehen; zu berücksichtigen sind aber die fortgeschrittenen Möglichkeiten der Betäubung

- Ob ein erheblicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vorliegt kann nur im Einzelfall festgestellt werden.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

Sanktionen bei Pflichtverletzung

Nach Erhalt der Rente

Vor Erhalt der RenteNach Antragstellung

Nach pflicht-gemäßer

Ermessens-ausübung

Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten ist einen Obliegenheit: Die Einhaltung kann der Leistungsträger nicht im Klagewege erzwingen, der Antragsteller oder Leistungsberechtigte hat aber immer dann, wenn aufgrund seiner fehlenden Mitwirkung Aufklärungslücken entstehen, die Nachteile aus der Unaufklärbarkeit zu tragen. Welche Nachteile (oder Sanktionen) bei Verletzung der Mitwirkungspflichten entstehen können, gibt § 66 SGB I vor.

Sanktionen nach Erhalt der Rente

Feststellung desRentenanspruchs

Leistung aufgrund des Anspruchs

Leistungs-entzug

§ 66SGB I

29

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Nachholung der Mitwirkung

Feststellung desRentenanspruchs

Leistung aufgrund des Anspruchs

§ 67SGB I

Sanktionen vor Erhalt der Rente

Leistungbeantragt

§ 66SGB I

Feststellung desRentenanspruchs

Leistungs-versagung

30

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

Nachholung der Mitwirkung

Leistungbeantragt

§ 67SGB I

Feststellung desRentenanspruchs

31

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Verfahren I

Überprüfung, ob eine Mitwirkungspflicht besteht

Verfahren II

Mit Schreiben vom ...

Gemäß § 66 Abs......

Briefkopf

Sehr geehrte(r)

Wir geben Ihnen Gelegenheit bis zum..

Anmahnung der Mitwirkung

Androhung von Sanktionen

Fristsetzung

32

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.1. 20.02.07 Verwaltungsrecht Ablauf des Verwaltungsverfahrens Lernstoff

Verfahren III

Überprüfung, der Zweckmäßigkeit der Sanktion -Ermessensausübung

Verfahren IV

Sehr geehrte(r)

Briefkopf

Ihrem Antrag auf Leistung kann nicht entsprochen werden

Versagungsbescheid

33

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Akteneinsicht Lernstoff

Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Verfahrensrechte – Akteneinsicht

• Lernstoff

• Arbeitsaufgaben

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Akteneinsicht

§ 25 SGB X

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2.1. Zweck

Durch dieses Recht wird den Beteiligten die Möglichkeit geboten, über die an ihn gerichteten Bescheide hinaus Kenntnis von den zugrunde liegenden Ereignissen, Motiven oder Stellungnahmen der Behörde zu erlangen. Dieses Recht steht im engen Zusammenhang mit dem Anhörungsrecht, da dieses zumeist erst sinnvoll wahrgenommen werden kann, wenn Kenntnis der Aktenlage, also Kenntnis von Ermittlungsstand der Behörde besteht. Das Recht dient zudem der Transparenz des Verwaltungshandelns und soll zur "Waffengleichheit" der Beteiligten beitragen *1

Zweck der Regelung

Akzeptanz der Entscheidung

1 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rz 21

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Zweck der Regelung

Transparenz des Verwaltungs-handelns

Zweck der Regelung

Ergänzung zur Anhörung

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Berechtigter

Verfahrensbeteiligte

§ 12 SGB X§ 12

SGB X

2.2. Persönliche Eingrenzung

Persönlich ist das Einsichtsrecht auf die Beteiligten des Verfahrens eingegrenzt.

Entweder besteht eine Beteiligteneigenschaft kraft Gesetzes

§ 12 I SGB X statuiert sie für Antragsteller/gegner, VA Empfänger, Vertragspartner - oder nach § 12 II SGB X wird der Status durch hoheitlichen Akt, der Heranziehung begründet.

Die (formfreie) Entscheidung ergeht auf Antrag oder von Amts wegen. Wer keine Beteiligtenstellung hat, aber meint, dass seine rechtlichen Interessen berührt werden können und deshalb am Sozialverwaltungsverfahren teilnehmen möchte und deshalb Akteneinsicht verlangt, muss zunächst seine Hinzuziehung zum Verfahren bei der Behörde beantragen (§ 12 II,1 SGB X).*2 Nach einem Antrag m u ß die Behörde einen Dritten hinzuziehen, wenn die in Aussicht genommene Verwaltungsentscheidung für ihn rechtsgestaltende Bedeutung haben kann. Einen solchen Betroffenen ist deshalb zur Vorbereitung seines Antrages auch v o r seiner Hinzuziehung analog § 25 SGB X Akteneinsicht zu gewähren

2 Grüner/Dalichau/Podlech/Prochnow, Verwaltungsverfahren (SGB X) § 25 IV,1.

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Wird ein Antrag auf Hinzuziehung nicht gestellt, so kann*3 (str.:hat*4) die Behörde den Dritten von Amts wegen hinzuziehen, wenn das rechtliche Interesse am Ausgang des Verfahrens belegt ist.

Nicht ausreichend für eine Akteneinsicht der Hinweis auf - die Bedeutung des Verfahrens als "Musterverfahren" - die Beispielswirkung des Verfahrens - Verbandsinteressen

Anspruch auf Akteneinsicht

Laufendes Verwaltungsverfahren

RechtlichesInteresse

Keine Geheimhaltungs-Interessen von Dritten

Das Recht auf Akteneinsicht ist ein Verfahrensrecht. Unter den Bedingungen des § 25 SGB X besteht ein Anspruch auf Einsichtnahme; Es besteht das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit. § 25 Abs.2 und Abs.3 begrenzen das Recht.

3 Schroeder-Prinztzen, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren - SGB X 2.Auflage § 12 Rz 10 4 Grüner/Dalichau/Podlech/Prochnow, Verwaltungsverfahren (SGB X) § 25 IV,1.

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Verwaltungsverfahren

§ 8 SGB X

laufend

2.3. Zeitliche Eingrenzung

Nach der Gesetzesfassung steht das Recht nur den Beteiligten während des laufenden Verwaltungsverfahrens zu. Damit ist eine zeitliche Eingrenzung des Akteneinsichtsrechts vom Beginn des Verwaltungsverfahrens (§ 18 SGB X) bis zu seinem Abschluss durch VA oder Vertrag erfolgt.

Aber auch außerhalb eines laufenden Verfahrens ist eine Akteneinsicht möglich: So umfasst das Recht des Datenschutzes auch den Anspruch, Auskunft über die zur eigenen Person gespeicherten Sozialdaten und den Zweck der Speicherung zu verlangen (vgl. § 83 Abs.1 SGB X ) Darüber hinaus liegt die Gewährung von Akteneinsicht außerhalb des Verwaltungsverfahrens im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (h.M. vgl. BSG SozR 3 – 1500 § 144 Nr.3 . Abgeleitet aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben hat derjenige, der ein berechtigtes Interesse am Informationszugang geltend macht, außerhalb des gesetzlichen Anspruchs einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht.

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Rechtliches Interesse

Einsichtnahme bezweckt

Unsicherheiten im Rechtsverhältnis aufzuklären

Entscheidungsfindung zu unterstützen

2.4. Sachliche Eingrenzung

Die sachliche Eingrenzung wird dadurch vorgenommen , dass der

- (positiv) der Beteiligte ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme darlegen muss und

Das notwendige rechtliche Interesse soll gegeben sein, "wenn die Einsichtnahme bezweckt, - eine tatsächliche Unsicherheit über Rechtsverhältnis zu klären, - ein rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu regeln oder - eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu erhalten."* 5

Erst wenn das Ersuchen querulatorisch oder nur aus Zwecken der Verfahrensverzögerung gestellt wurde, kann ein Antrag auf Einsichtnahme mangels rechtlichen Interesses abgelehnt werden.

5 Schroeder-Prinztzen, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren - SGB X 2.Auflage § 25 Anm.3

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Keine anderen Geheimhaltungsinteressen

Personenbezogene Informationen, die nicht den Antragsteller betreffen und

die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind oder sein könnten

Von der Akteneinsicht ausgenommen sind

(negativ) andere Beteiligte oder Dritte kein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung geltend machen können, § 25 III SGB X.

Nach § 25 Abs.3 SGB X wird die Verpflichtung zur Akteneinsicht in Bezug auf bestimmte Aktenteile eingeschränkt, wenn für einen anderen Beteiligten oder einem Dritten ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Enthält die Akte die Akte Angaben über die geschiedene Ehefrau, die Witwe oder die Waise muss der Rentenversicherungsträger prüfen, ob diese Informationen von der Akteneinsicht ausgenommen werden müssen

Kein Anspruch auf Akteneinsicht besteht jedenfalls bezüglich Daten, die nach einem Gesetz (§ 35 SGB I oder BDSG) geheimzuhalten sind. Dies sind sämtliche Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse, wie insbes. die gegenwärtigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen, familiären Verhältnisse und Tatsachen aus dem bisherigen Leben des Schutzberechtigten. *6

Der Gesetzgeber hat in erster Linie an den Schutz der Privat- und Intimsphäre unbeteiligter (oder beteiligter) Dritter gedacht, deren Einkommensverhältnisse, familiäre Zustände, Geschäftsgeheimnisse, Gesundheitszeugnisse, .... geheimzuhalten sind. *7

Eine Auskunftserteilung und damit eine Akteneinsicht hat auch zu unterbleiben wenn nach einer Interessenabwägung die berechtigten Interessen eines Dritten überwiegen. Der Begriff des "berechtigten

6 Grüner/Dalichau/Podlech/Prochnow, Verwaltungsverfahren (SGB X) § 25 VII,2 m.Hw.a.BSG 7 Schweikhardt, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz 818

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Interesses" umfasst ein nach vernünftiger Erwägung gerechtfertigtes Interesse. Dem Betroffenen muss von seinem Standpunkt aus ein derartigesInteresse zustehen, so dass allein die Wahrscheinlichkeit einer Gefäberechtigter Interessen ausreiche

hrdung

nd ist. (also im Zweifel immer das berechtigte Interesse vorliegt.*8)

r Informationen

t, dereine Leistung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält.

Beispiel: Wenn durch Dritte der Rentenversicherungsträgeüber die Verbesserung des Gesundheitszustandes eines Rentenempfängers erhäl

Einsichtnahme der Akten

Akten sind die gesammelten schriftlichen Vorgänge in einer Verwaltungsangelegenheit

Ausgenommen sind Entscheidungsvorlagen

Abs1,2

wenn sie die beigezogenen Verfahren von anderen Behörden geführt wurden.

rden

Akten sind die gesammelten schriftlichen Vorgänge in einer Verwaltungsangelegenheit.*9 Das sind alle Schriftstücke die von der Behörde in diesem Verfahren angefertigt wurden oder für das Verfahren kopiert wurden; hierzu zählen auch formell beigezogene Akten anderer Verfahren, selbst dann

Ausgenommen sind Entscheidungsvorlagen und Entscheidungsvorbereitungenum die Unbefangenheit in der Aktenführung zu gewährleisten. Erfasst we

8 Grüner/Dalichau/Podlech/Prochnow, Verwaltungsverfahren (SGB X) § 25 VII 3 9 Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 29 Rz 5

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sollen nach Sinn und Zweck allerdings nur die vorläufigen behörBewertungen des ermitte

dlichen lten Sachverhalts, nicht die einzelnen

Ermittlungsergebnisse.

es Verfahrens angelegt oder hinzugezogen wurden, eingesehen

werden

Es können nur Akten, die das konkrete Verwaltungsverfahren betreffen, diewährend

Ort der Einsichtnahme

Bei der Behörde,die die Akten führt

Abs4,S.1

en führt. Weitere Ausnahmen sind nach § 25 Abs.4 S.2 2.Halbs. möglich.

§ 25 IV Ort der Einsichtnahme grundsätzlich in der Behörde, die die Akt

Einsichtnahme

Bei einer anderen Behörde oder diplomatischen Vertretung

Nach pflichtgemäßen Ermessen an Rechtsanwälte und Berater

Abs4,S.2,1.HS

Abs4,S.2,2.HS

lten sowie Rentenberatern die Einsichtnahme in ihren Büroräumen.

BfA gestattet grundsätzlich bevollmächtigten Rechtsanwä

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§ 25 V Folgerecht aus der Möglichkeit der Akteneinsicht: Anspruch auf Ablichtungen, zu erstellen durch die Bediensteten der Behörde.. Kosten derzeit 0,50 € pro Kopie

Einsichtnahme

Bei sensiblen medizinischen Fakten

Angebot der ärztlichen Vermittlung

§ 25 II,2 SGB X soll sicherstellen, dass der Akteninhalt durch einen Arzt zu

vermitteln ist, wenn zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten

einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an seiner Gesundheit

zufügen könnte.

Nach § 25 Abs.2 Satz 4 wird das Recht auf Akteneinsicht nach Abs.1 durch

dieses Gebot der ärztlichen Vermittlung nicht beschränkt. Eine Versagung des

Akteneinsichtrechtes aus gesundheitlichen Gründen kommt daher nicht in

Betracht, vielmehr enthält der Absatz Regelungen zur Vermittlung des

Akteninhalts in besonders gelagerten Fällen.

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Akteneinsicht Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

Ärztliche Besorgnis

Der Versicherte R. bezieht seit Jahren eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit

nach § 44 SGB VI. Dem damaligen Leistungsfall liegt eine psychiatrische

Behandlung zugrunde (Teilzeitarbeitsmarkt). Im Rahmen einer

Nachuntersuchung wird festgestellt, daß R. trotz vorliegender weiterer

Krankheitsbefunde insoweit wieder hergestellt ist, daß die Rente entzogen

werden könnte.

R. wird von diesem Ergebnis unterrichtet (=Anhörung). Bevor R sich zu diesem

Sachverhalt weiter äußern möchte, beantragt er eine umfassende,

"insbesondere ärztliche Unterlagen betreffende Akteneinsicht". Das Begehren

des R. wird dem beratungsärztlichen Dienst vorgelegt, dessen Votum negativ

ausfällt: Aus ärztlicher Sicht sei eine Akteneinsicht nicht geboten, es könnte zu

negativen gesundheitlichen Einflüssen und damit zu einer gesamten

Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen. Der Antrag auf

Akteneinsicht wird daraufhin mit Bescheid abgelehnt.

Zu Recht ?

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Akteneinsicht Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

Ärztliche Besorgnis - Lösungshinweise

§ 25 II,2 SGB X soll sicherstellen, daß der Akteninhalt durch einen Arzt zu

vermitteln ist, wenn zu befürchten ist, daß die Akteneinsicht dem Beteiligten

einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an seiner Gesundheit

zufügen könnte.

Nach § 25 Abs.2 Satz 4 wird das Recht auf Akteneinsicht nach Abs.1 durch

dieses Gebot der ärztlichen Vermittlung nicht beschränkt. Eine Versagung des

Akteneinsichtrechtes aus gesundheitlichen Gründen kommt nicht in Betracht,

vielmehr enthält der Absatz Regelungen zur Vermittlung des Akteninhalts in

besonders gelagerten Fällen.

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Akteneinsicht Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Akteneinsicht Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

Ärztliches Gutachten

Herr Böse hat eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens wurde dabei auch ein fachorthopädisches Gutachten für den Versicherungsträger erstellt.

Noch bevor über die Rentengewährung abschließend entschieden werden konnte, geht beim Rentenversicherungsträger ein Schreiben ein, in welchem Herr Böse Akteneinsicht fordert. Wie sich aus dem Schreiben des Versicherten ergibt, ist er insbesondere am fachorthopädischen Gutachten interessiert. Er beabsichtigt wegen eines ärztlichen Kunstfehlers einen Haftpflichtprozess zu führen und benötigt zu diesem Zweck, wie er überzeugend vorträgt, alle verfügbaren Arztunterlagen.

Auf Anfrage des Rentenversicherungsträgers teilt der Gutachter mit, er sei nicht damit einverstanden, dass sein Gutachten als Beweismittel gegen einen Kollegen verwandt werden solle, und lehne daher die Akteneinsicht ab.

Prüfen Sie, ob Herrn Böse ein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Verfahrensrechte – Anhörung

• Lernstoff

• Arbeitsaufgaben

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

Anhörung• Bevor ein Verwaltungsakt

erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern

§ 24 SGB X

Zweck des Gesetzes

Unterstützung eines Vertrauensverhältnisses durch

Vorbereitung auf die Entscheidung

Gewährung rechtlichen Gehör (Art. 103 GG)

Die Anhörung ist nach § 24 Abs. 1 SGB X zwingend vorgeschrieben, wenn mit

einem Verwaltungsakt in bereits bestehende Rechte eines Beteiligten eingegriffen

werden soll; insoweit besteht ein Rechtsanspruch auf die Anhörung.

Diese Vorschrift dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs. Die Anhörung soll den

Versicherten vor "Überraschungsentscheidungen" schützen, um das

Vertrauensverhältnis zur Verwaltung nicht zu beeinträchtigen. Es soll gewährleistet

werden, dass die Beteiligten alle für sie günstigen Umstände vorbringen können. Der

Betroffene soll Gelegenheit erhalten, durch sein Vorbringen zum

entscheidungserheblichen Sachverhalt die vorgesehene Entscheidung zu

1

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff beeinflussen . Hierzu ist es notwendig, dass der Verwaltungsträger die

entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet,

dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen, ggf nach ergänzenden Anfragen

bei der Behörde, sachgerecht äußern kann1

Zweck des Gesetzes

Sachverhalts-aufklärung

Die Behörde kann mit der Anhörung letzte Sachverhaltsaufklärung betreiben, um so

eine den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende, d.h. rechtmäßige

Entscheidung zu treffen ( Verwirklichung des Grundsatzes vom Vorrang des

Gesetzes). Auf diese Weise erspart sie sich möglicherweise den

Verwaltungsaufwand der nachträglichen Bescheidkorrektur oder macht eine

Verwaltungsentscheidung überhaupt überflüssig:

Die Anhörung kann auch dazu dienen, einen an sich weggefallenen Anspruch unter

anderen Voraussetzungen aufrechtzuerhalten, so dass eine Bescheidkorrektur

entbehrlich ist.

Beispiele:

1. Eine Witwenrente nach § 46 Abs. 2 SGB VI soll zurückgewandelt werden, weil ein waisenrentenberechtigtes Kind nicht mehr erzogen wird. Vor der Rückwandlung ist die Anhörung erforderlich, weil die erhöhte Rente auch wegen Vorliegens von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sein kann (BSG vom 28.05.80 - 5 RKnU 6/79 -).

1 BSG v. 15.8.2002, Az.: B 7 AL 38/01 R

2

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

2. Eine Waisenrente soll wegen Vollendung des 18. Lebensjahres oder wegen Beendigung der Ausbildung wegfallen. Aus der Anhörung kann sich das Vorliegen von Gebrechlichkeit des Kindes ergeben, so dass die Waisenrente weiterzuzahlen ist.

Berechtigter

Verfahrensbeteiligte

§ 12 SGB X§ 12

SGB X

Entstehen der Anhörungspflicht

Keine Ausnahme

gründe nach Abs.2

VA wirdEingriff

be-wirken

Erlasseines VAist beab-sichtigt

3

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

Verwaltungsakt

§ 31 SGB X

Maßnahme Behörde ÖffentlichesRecht hoheitlich

ZurRegelung

EinesEinzelfalles

MitAussen-wirkung

Eingriff

§ § § § § § § Rechtssphäre des Einzelne§ § § § § § §

VA muss nach seiner Zielsetzung in die Rechte des Betroffenen eingreifen. Ein

Eingriff ist nur anzunehmen, wenn durch einen belastenden VA der "Status quo" des

Betroffenen in einen "Status quo minus" verwandelt wird.*2 Für einen

begünstigenden VA ist damit keine Anhörung erforderlich. Die Rspr. des BSG geht

dahin, einen Eingriff immer dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Status quo

in einen Status quo minus verwandelt wird *3.

2 Krause/ v.Mutius /Schnapp /Siewert Gemeinschaftskommentar zum SGB - Verwaltungsverfahren

§ 24 Rz. 10 3 Krause/v.Mutius/Schnapp/Siewert Gemeinschaftskommentar zum SGB - Verwaltungsverfahren §

24 Rz. 14 - m. weiteren Erläut.

4

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff In bestehende Rechte i.S. von § 24 Abs. 1 SGB X wird stets eingegriffen, wenn ein

begünstigender Bescheid nach §§ 45, 47, 48 oder 49 SGB X korrigiert werden soll.

Die Anhörung soll vor der Korrektur des Bescheides durchgeführt werden. Das gilt

grundsätzlich auch dann, wenn es sich um ein Ruhen, eine Kürzung oder einen

Wegfall kraft Gesetzes handelt, soweit nicht ausnahmsweise nach Abs.2 auf die

Anhörung verzichtet werden kann.

Mit der Anhörung sind gleichzeitig Ermittlungen über die wirtschaftlichen

Verhältnisse und sonstigen Umstände zu verbinden, die bei der endgültigen

Entscheidung einschließlich einer evtl. Ermessensentscheidung sowie bei der

Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 1 SGB X erheblich

sein können. Damit wird gewährleistet, dass eine sachgerechte Entscheidung

entsprechend den Korrekturvorschriften getroffen werden kann.

Kein Ausnahmegrund nach

§ 24 Abs.2SGB X

Öffentliches InteresseNr.1

Nr.2

Nr.3

Einhaltung einer maßgeblichen Frist

Kein Abweichen von den Angaben zu Ungunsten

Nr.1. Gefahr im Verzug oder öffentliches Interesse Gefahr im Verzug: Verzögerung des Erlasses des VA durch die Durchführung des

Anhörungsverfahren birgt die konkrete Gefahr eines Schadens. (Dringlichkeit zur

Schadensverhinderung)

5

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff Sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse; Anhörung selbst würde ein

öffentliches Interesse entgegenstehen.

Aus der Arbeitsanweisung der BfA dazu: Zur Unterlassung der Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X ist der

Rentenversicherungsträger nur berechtigt, wenn ein den Einzelfall besonders

betreffendes öffentliches Interesse vorhanden ist. Das allgemeine öffentliche

Interesse an der Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes reicht hierfür nicht

aus.

Kann jedoch der gesetzmäßige Zustand durch rechtzeitigen Erlass eines

Verwaltungsakts von vornherein in einem Einzelfall hergestellt werden, der

Eintritt einer Rechtswidrigkeit also verhindert werden, rechtfertigt dies die

Unterlassung der Anhörung. Fälle nach §§ 45, 48 Abs. 1 Satz 2 und 50 SGB X

werden hiervon nicht erfasst, weil die Rechtswidrigkeit bzw. Änderung in den

Verhältnissen bereits eingetreten ist; hier ist stets die Anhörung erforderlich.

Denkbar sind nur Fälle, in denen ein Bescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X

rechtzeitig wegen Änderung der Verhältnisse für die Zukunft aufgehoben

werden kann. Von der Anhörung kann in der Praxis somit nur dann abgesehen

werden, wenn bei einem Nichtleisten von Rentenbeträgen oder Wegfall kraft

Gesetzes der Aufhebungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtzeitig

zum vorgesehenen Nichtleistungs- oder Wegfallzeitpunkt erteilt werden kann,

kein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X geltend gemacht wird und

der Rentenversicherungsträger über das Vorliegen des Nichtleistungs- oder

Wegfalltatbestandes keinen eigenen Entscheidungsspielraum hat (z.B.

rechtzeitige Aufhebung der Bewilligung und Zahlungseinstellung von

Waisenrente wegen Vollendung des 27. Lebensjahres). Ist jedoch zu

übersehen, dass um den Wegfall- oder Nichtleistungstatbestand Streit

entstehen wird, ist die vorherige Anhörung erforderlich.

6

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

Nr.2. Einhaltung einer Frist Würde die Wahrung einer Frist durch die Anhörung nicht möglich sein, so kann von

der Anhörung abgesehen werden.

Beispiele:

Rücknahmefrist nach § 45 III SGB X; Beanstandung von rechtsunwirksamen Beiträgen gem. § 26 Abs.2 SGB IV

Nr.3 Keine Abweichung von Angaben des Beteiligten zu seinen Ungunsten Eine Anhörung ist nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X entbehrlich, wenn mit der

beabsichtigten Entscheidung von den tatsächlichen Angaben nicht zuungunsten des

Berechtigten abgewichen werden soll. Sie ist erst recht nicht erforderlich, wenn

die Entscheidung den Berechtigten über das Begehren hinaus begünstigen soll

(z.B. bei Neufeststellungen nach § 44 SGB X).

Beispiel :

Teilt ein Versicherter mit, dass er jetzt einen Arbeitsplatz gefunden habe und entscheidet sich der Versicherungsträger daraufhin zur Entziehung oder Umwandlung einer Rente, so bedarf es keiner Anhörung *4

Kein Ausnahmegrund nach

§ 24 Abs.2SGB X

AllgemeinverfügungNr.4

Nr.5

Nr.6

Anpassung einer einkommensabhängigen Leistung

Bei Maßnahmen der -Verwaltungsvollstreckung

4 VDR-Kommentar zum SGB SGB X § 24 Anm. 11c Weitere Beispiele bei Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr 2.Auflage § 24

7

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

Nr. 4 Allgemeinverfügung Bei Allgemeinverfügungen oder gleichartigen in größerer Zahl zu erlassenden VAen

würde eine vorherige Anhörung aller Betroffenen die Behörde erheblich belastet und

wegen der zwangsläufigen Verzögerungen auch der Bürger zum Nachteil

gereichen.5

Beispiel: Beitragsbescheide für Handwerker anlässlich der jährlichen Erhöhung;

Nr.5 Anpassungsbescheide wegen Veränderung der Einkommensverhältnisse. Die Vorschrift hat vor allem Bedeutung bei der Anpassung von

einkommensabhängigen Leistungen. Ein Absehen von der Anhörung ist in diesen

Fällen sinnvoll, weil der Berechtigte bereit in den Bewilligungsbescheiden auf die

Rechtsfolge beim Zusammentreffen mit anderen Leistungen hingewiesen wurde. *6

Beispiel: Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe, .......

Nach Auffassung des Renteversicherungsträgers (BfA) findet diese Vorschrift in

erster Linie Anwendung auf die Einkommensanrechnung nach §§ 93, 95, 97 SGB VI.

Da es sich bei der Regelung des § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X um eine

Ermessensvorschrift handelt ("kann"), sind - zumindest bei §§ 93, 97 SGB VI -

folgende Besonderheiten zu beachten:

• Soll in Fällen des § 93 SGB VI die Rente mit Wirkung für die Zukunft neu

berechnet werden, ist eine Anhörung nicht erforderlich.7

5 VDR-Kommentar zum SGB SGB X § 24 Anm. 11d 6 VDR-Kommentar zum SGB SGB X § 24 Anm. 11e 7 Soll die Rente auch mit Wirkung für die Vergangenheit neu berechnet werden, ist eine Anhörung

nicht erforderlich, wenn der Neuberechnungsbescheid innerhalb von drei Monaten nach Änderung bzw. Hinzutritts der UV-Daten erteilt werden kann und der Rentenempfänger während dieses Zeitraums keine Rentenanpassungsmitteilung erhalten hat.

8

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• In Fällen des § 97 SGB VI gilt grundsätzlich die Sonderregelung des § 18e

Abs. 6 SGB IV. Danach bedarf es bei der Berücksichtigung von

Einkommensänderungen nicht der vorherigen Anhörung.

Ist eine nachträgliche Einkommensanrechnung vorzunehmen und soll die Rente

mit Wirkung nur für die Zukunft neu berechnet werden, ist eine Anhörung nicht

erforderlich. Ist die Rente auch mit Wirkung für die Vergangenheit neu zu

berechnen, ist eine Anhörung nicht erforderlich, wenn bei Erteilung des

Neuberechnungsbescheides lediglich ein Anpassungszeitpunkt berührt wird.

In allen anderen Fällen ist ein Anhörungsverfahren durchzuführen.

Gemäß Rechtshandbuch der BfA ist zu beachten Erhebt der

Rentenempfänger in Fällen der §§ 93, 97 SGB VI Widerspruch gegen die

Bescheidkorrektur, ist vorsorglich das Anhörungsverfahren nach § 24 SGB X

nachzuholen. Dazu ist es erforderlich, dass im Widerspruchsbescheid

ausführlich auf die Einwände des Rentenempfängers eingegangen wird.

Nr. 6 Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung Eine vorherige Anhörung würde die Vollstreckung gefährden.

Kein Ausnahmegrund nach

§ 24 Abs.2SGB X

Bei geringen Aufrechnungen / VerrechnungenNr.7

9

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff Nr.7 Aufrechnung/Verrechnung bei Bagatellbeträgen Arbeitsanweisung Ein Anhörungsverfahren ist nach § 24 Abs. 2 Nr. 7 SGB X nicht zwingend

durchzuführen, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70,00

€ aufgerechnet (§ 51 SGB I) oder verrechnet (§ 52 SGB I) werde soll; dabei bleibt Nr.

5 unberührt Die Regelung dient der Vermeidung unverhältnismäßiger

Verwaltungskosten, die bisher durch die Anhörungspflicht bei einer Entscheidung

über Bagatellebeträge im Wege der Aufrechnung oder Verrechnung entstanden sind.

Nachteiliges für den Rentenberechtigten ergibt sich hierdurch nicht. Dieser kann

materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw. Verrechnung in einem ggf.

anschließenden Widerspruchsverfahren vorbringen

Gelegenheit zur Äußerung

Für die Anhörung ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. Neben der

schriftlichen Anhörung ist auch die mündliche, ggf. fernmündliche Befragung

zulässig. Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Anhörung ist, dass dem

Betroffenen rechtzeitig, d.h. noch mit tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeit auf

die beabsichtigte Entscheidung, die Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für

die Entscheidung erheblichen Tatsachen (z.B. Ermittlungsergebnisse) zu äußern.

Gelegenheit zur Äußerung bedeutet, dass eine angemessene Frist für eine

Äußerung zur Verfügung stehen muss.

10

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff Eine unangemessen kurze Frist steht der unterlassenen Anhörung gleich (BSG vom

24.07.80 - 5 RKnU 1/79 - in SozR 1200 § 34 Nr. 13).

Nach Lage des Einzelfalles kann eine Frist bis zu vier Wochen als angemessen

gelten, sie sollte jedoch nicht kürzer sein als 14 Tage zuzüglich der Postlaufzeiten

von 3 Tagen. Die Anhörungsfrist kann auf begründeten Antrag gemäß § 26 Abs. 7

SGB X verlängert werden, auch wenn dadurch der Erlass der Entscheidung

verzögert wird.

Durchführung der Anhörung

Es ist beabsichtigt, ...

Nach Aktenlage .....

Briefkopf

Sehr geehrte(r)

Nach § ... des SGB..

Beabsichtigte Regelung

Ermittelter Sachverhalt

Rechtsgrundlagen

Dem Beteiligten muss Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die

Entscheidung erheblichen Tatsachen zuäußern. Das bedeutet, dass er über die

beabsichtigte Entscheidung ausreichend unterrichtet werden muss, um ihm die

Möglichkeit zu geben, durch Gegenvorstellungen die Entscheidung zu beeinflussen

oder evtl. abzuwenden. Nach der Konzeption von § 24 SGB X als Verfahrensrecht

besteht jedoch keine Verpflichtung zur Äußerung ( was auch kaum mit § 31 SGB I

vereinbar wäre) Die Verpflichtung für die Behörde zur Anhörung nach § 24 SGB X

wirkt sich insbesondere dort aus, wo der Rentenversicherungsträger von Amts

wegen tätig werden will.

Damit sich der Betroffene zu allen für die Entscheidung erheblichen Tatsachen

äußern kann, sollte das Anhörungsschreiben folgendes enthalten:

• Ankündigung der beabsichtigten Entscheidung,

• den maßgeblichen Erkenntnisstand nach Aktenlage, ggf. unter Einschluss von

medizinischen Sachverständigengutachten,

11

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Anhörung Lernstoff

• Ausführungen zum materiellen Recht; dabei wird es vielfach nicht ausreichend

sein allein die Rechtsgrundlage zu benennen, sondern es muss auch

dargelegt werden, welche Voraussetzungen für die Anwendung der Norm

gegeben sein müssen. Darlegung der Gründe, die die Anwendung der Norm

im konkreten Fall ermöglichen etwa die Umstände, die die Bescheidkorrektur

und ggf. Rückforderung von Leistungen rechtfertigen (z.B. §§ 45, 48, 50 SGB

X); dazu muss unter anderem der Grund der Rechtswidrigkeit bzw. Grund

für den Wegfall oder die Minderung der Leistung sowie den Zeitpunkt und der

fehlende Vertrauensschutz belegt werden.

• Gegebenenfalls der Hinweis, dass die Entscheidung eine

Ermessensentscheidung ist verbunden mit der Nachfrage nach besonderen

noch nicht aktenkundigen Umständen, die die beabsichtigte Entscheidung

(ggf. auch im Rahmen einer Ermessensausübung) beeinflussen können.

Durchführung der AnhörungBriefkopf

Bei der Aktenlage ergibt sich für Sie bei Anwendung der gesetzlichen Regelung(en) .....

Sie können sich zur beabsichtigten Entscheidung bis .... zum äußern

Subsumtion

Äußerungsfrist

- Für die Wirksamkeit der Anhörung ist es nicht erforderlich, dass sich der Betroffene

innerhalb der Anhörungsfrist äußert. Anhörung bedeutet, dass er die Gelegenheit zur

Äußerung hatte. Macht er von diesem Recht keinen Gebrauch, liegt keine Verletzung

des § 24 SGB X vor.

12

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Sozialverwaltungsrecht Anhörung Arbeitsbogen

Fragen zum Artikel

Die Anhörung gem. § 24 SGB X im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren von Oliver Schur 1

1. Ist Vor Erlass eines Entziehungsbescheides gem. § 66 Abs.1 SGB I eine

Anhörung durchzuführen ?

2. Was sind „entscheidungserhebliche Tatsachen“ ? - Gehören dazu auch

Rechtsvorschriften ?

3. Wie lang muss eine mindestens Anhörungsfrist sein, wie lang darf sie

höchstens sein ?

4. Kann eine Frist nachträglich verlängert werden ? Benennen Sie die

maßgeblichen Rechtsvorschriften

5. Was bedeutet „Heilung eines Anhörungsfehlers“

6. Kann eine Heilung auch noch im Klageverfahren stattfinden? Benennen Sie

die maßgeblichen Rechtsgrundlagen!n

1 DAngVers 1989, 175 ff

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Die Anhörung gem. § 24 SGB X

im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren

Von Oliver Schur*

Die Frage des rechtlichen Gehörs ist keineswegs nur von untergeordnetem Interesse für die sozial-rechtliche Praxis. Das zeigt insbesondere die nicht unerhebliche Anzahl von Entscheidungen des Bun-dessozialgerichts (BSG) zu § 24 Zehntes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB X) bzw. § 34 Erstes Buch Sozial-gesetzbuch a. F. (SGB I a. F.). Auch das Bundesver-fassungsgericht (BVerfG) hat den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in seinen Entscheidungen immer wieder betont. Vielmehr muss zunehmendes Augen-merk in der Verwaltungspraxis darauf gerichtet wer-den, dass die Anhörung ordnungsgemäß durchge-führt wird, denn nicht erst seit dem - noch später näher zu behandelnden - Urteil des Großen Senats s BSG1 von 1992 birgt eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung stets das Risiko, trotz materieller Richtigkeit alleinige Ursache für die Aufhebung eines Verwaltungsakts zu sein. Dieses Risiko gilt es also zu minimieren. Im folgenden werden die wichtigsten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung erläutert, wobei hier im wesentlichen nur auf die Fortentwicklung der Rechtsprechung in den Jahren 1992 bis 1995 eingegangen wird. Anschließend werden grundsätzliche Schlussfolgerungen für die Praxis ge-zogen.

1. Einführung

Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist vor Erlass eines belasten-den Verwaltungsaktes dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheb-lichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann grundsätzlich nur unter den engen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB X abgesehen werden. Ausnahms-weise bedarf es darüber hinaus bei Entziehungsenteidungen wegen fehlender Mitwirkung2 (§ 66

* Oliver Schur ist Student der Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

1 Urteil vom 19.2.1992 (GS 1/89), SozR 3-1300 § 24 Nr. 6; BSGE 70, S. 133 ff.; NJW 1992, S. 2444 f.; NZS 1992, S. 38 ff.

2 Die Mitwirkung im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren wird im weiteren nicht näher behandelt.

3 BSG, Urteil vom 22. 2.1995 (4 RA 44/94), NZS 1995, S. 523 (525), zur Veröffentlichung in SozR und BSGE vorgesehen.

4 BSG, a.a.O. (Fn. 3). 5 BSG, Urteil vom 30. 3.1982 (2 RU 73/81), SozR 1300 § 24 Nr. 4. 6 BSG, Urteil vom 26.9.1991 (4 RK/91), BSGE 69, S. 247 (252); zu

letzt - wenn auch für den Bereich der Arbeitslosenversicherung - SG Marburg, Urteil vom 15. 9.1993 (S 5 Ar 402/91), Inform. zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht 1994, S. 137 ff.

7 Urteil vom 28. 7.1992 (5 RJ 31/89), HV-Info 1992, S. 2462 f. 8 Vgl. BSG, Urteil vom 23.6.1993 (9/9a RvS 1/92), HVBG-Info

1994, S. 726 ff. 9 BSG, Urteil vom 24.3.1994 (5 RJ 22/93), HVBG-Info 1994,

S. 1829 ff. 10 BSG, a.a.O. (Fn. 6). 11 BSG, a.a.O. (Fn. 6).

Abs. 1 SGB I) keiner zusätzlichen Anhörung, wenn die Behörde den Betroffenen auf seine Mitwir-kungspflicht hingewiesen hat und eine angemes-sene Frist zu ihrer Nachholung gesetzt hat1. Denn durch den Hinweis besteht für den Adressaten die Möglichkeit der Äußerung zur Frage des Bestehens der Mitwirkungspflicht. Die Vorschriften über die Anhörung werden somit durch die Hinweispflicht gem. § 66 Abs. 3 SGB I verdrängt4. Die Folgen der un-terbliebenen Anhörung ergeben sich aus den Vor-schriften der §§41 Abs. l Nr. 3, 41 Abs. 2 und 3, 42 SGBX.

2. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung

2.1 Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen

Der Sozialversicherungsträger hat dem Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts die nach seiner Ansicht entscheidungserheblichen Tatsachen mitzu-teilen oder ihm wenigstens die Gelegenheit zu geben, diese in Erfahrung zu bringen5.

Entscheidungserheblich sind alle Tatsachen, auf die die Behörde den Verfügungssatz gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt6. Zu den entscheidungserhebli-chen Tatsachen gehört nach einem Urteil des 5. Se-nats des BSG7 auch die Mitteilung des Ergebnisses eines Sachverständigengutachtens (in diesem Fall mit der Folge des Rentenentzuges). Eine Übersen-dung von Gutachtenabschriften ist jedoch nur dann erforderlich, wenn der Betroffene es verlangt. Dabei ist allerdings offen geblieben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten für Abschriften und Übersendung der in der Regel umfangreichen Gutachten vom Betroffenen eingefordert bzw. im Wege der Kostenerstattung geltend gemacht werden können.

Auch die Tatsache, dass eine Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) im Ermessen der Behörde steht, gehört zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und ist daher dem Adressaten grundsätzlich mitzuteilen8.

Die Mitteilungspflicht beschränkt sich auf Daten, die dem Betroffenen nicht bekannt sind. Tatsachen, die dem Betroffenen schon aus dem Verwaltungs-verfahren bekannt sind, können daher auch im Widerspruchsverfahren als bekannt vorausgesetzt werden9.

Die entscheidungserheblichen Tatsachen müssen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet werden, daß dieser sie als für die Entscheidung erheblich er-kennen10 und sich zu ihnen sachgerecht äußern kann11. 175

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2.2 Anhörungsfrist Für die Rückäußerung muss dem Betroffenen eine angemessene Frist gewährt werden. Eine unangemes-sen kurze Anhörungsfrist steht einer unterlassenen Anhörung gleich und stellt somit einen erheblichen Verfahrensfehler dar.

Was angemessen ist, hängt nach der grundlegen-den Rechtsprechung des BSG12 von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei der Schwierigkeitsgrad der entscheidungserheblichen Tatsachen von Bedeutung sein kann. Die Frist von einer Woche ist bei An-hörung eines mit dem Sozialrecht nicht vertrauten Versicherten bezüglich eines die Rentenentziehung betreffenden Gutachtens zu kurz bemessen, zwei Wo-chen sollen dagegen ausreichen. Diese Rechtspre-chung hat das BSG" nun ausgedehnt und entschie-den, dass bei einer erforderlichen ärztlichen Beratung eine Frist von zwei Wochen als Mindestfrist anzuse-hen ist. Beim Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls könne die Verwaltung jedoch verpflichtet bzw. berechtigt sein, ausnahmsweise eine längere bzw. kürzere Anhörungsfrist einzuräumen".

Die Postlaufzeiten für die Hin- und Rücksendung sind dabei hinzuzurechnen15. Eine Nichtberücksichti-gung der Postlaufzeiten ist aber gerechtfertigt, wenn der Betroffene bereits durch ein früheres Urteil über den Inhalt des späteren Anhörungsschreibens und die entscheidungserheblichen Tatsachen informiert war"'.

Die Anhörungsfrist ist grundsätzlich - auch rück-wirkend - verlängerbar. Dieser Umstand darf jedoch nicht dazu führen, dass die Anhörungsfrist von vorn-herein zu kurz bemessen wird17. Diese Vorgehensweise würde dem Sinn der Anhörung widersprechen, denn der Beteiligte hat nur dann Veranlassung eine Fristverlängerung zu beantragen, wenn er diese aus besonderen Gründen nicht einhalten kann18. Eine Verlängerung braucht nur gewährt zu werden, wenn der Betroffene die Frist ohne sein Verschulden nicht einhalten kann. Verschulden liegt allerdings nicht immer schon dann vor, wenn sich die Ursache für die Verzögerung im persönlichen Umfeld des Betroffe-nen befindet: Das LSG Rheinland-Pfalz hat entschie-den19, daß kein schuldhaftes Versäumen der Frist vor-liegt, wenn sich der behandelnde Arzt im Urlaub be-findet.

2.3 Nachholung der Anhörung

Ist die Anhörung vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 SGB X nicht vor, bestimmt § 41 Abs. 2 SGB X, dass die Anhörung nur im Vorver-fahren bzw. bis zur Klageerhebung nachgeholt wer-den kann. Hinsichtlich ihrer Anforderungen unter-scheidet sich eine nachgeholte Anhörung nicht von einer Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes20.

Diese Heilung des Verfahrensmangels ist immer wieder Gegenstand von - auch höchstrichterlichen -Entscheidungen, wobei auffällt, dass die Gerichte hinsichtlich der Anforderungen an die Nachholung im Vorverfahren relativ großzügig sind, im gericht-

lichen Verfahren dagegen auf diesen Mangel ein sehr starkes Gewicht legen. So soll, nach Auffassung des BSG, ein Verfahrensmangel durch unterlassene An-hörung auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Behörde bereits vor Ablauf der Anhörungs-frist entschieden habe, durch tatsächliche Äußerung des Betroffenen vor Erhebung der Klage geheilt wer-den. Ebenso bedarf es für die Heilung keiner geson-derten Nachholungshandlung, wenn der erlassene Bescheid alle Tatsachen enthält, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde ankommt21. Sogar ein während des Gerichtsverfahrens erlassener Verwal-tungsakt, der einen Bescheid ersetzt, der mangels An-hörung rechtswidrig ist, soll, auch unter Berücksich-tigung, dass der neue Bescheid gem. § 96 Sozialge-richtsgesetz (SGG) Bestandteil des Verfahrens wird, nicht gegen das Verbot i. S. des § 41 Abs. 2 SGB X ver-stoßen22. Nicht geheilt wird hingegen ein An-hörungsverstoß aufgrund unangemessen kurzer An-hörungsfrist durch stillschweigendes weiteres Abwar-ten der Behörde, bevor sie nach dem Fristablauf den Bescheid erläßt23.

Die Folgen eines Verfahrensverstoßes durch unter-lassene bzw. fehlerhafte und nicht wirksam geheilte Anhörung sind gravierend. Denn daraus entsteht ein absoluter Aufhebungsanspruch (§ 42 S. 2 SGB X) und zwar unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt im übrigen rechtmäßig ergangen ist. Der Große Senat des BSG24 hat diesen Aufhebungsanspruch sogar einem Betroffenen zugebilligt, der die fehlende Anhörung erstmalig im Revisionsverfahren gerügt hatte. Hierzu hat das Gericht ausgeführt, dass der Auf-hebungsanspruch nicht - wie Verfahrensrügen im Zi-vilverfahren25 - durch rügelose Einlassung verloren-

Urteil vom 24. 7. 1980 (5 RKnU 1/79), SozR 1200 § 34 Nr. 12 und Urteil vom 30.3.1982 (2 RU 73/81), SozR 1300 § 24 Nr. 4. Urteil vom 6. 8.1992 (8/Sa RKnU 1/87), SozR 3-1300 § 24 Nr. 7; BSGE71, S. 104 (105); NJW 1993, S. 1614; BSG, Urteil vom 13.10.1993 (2 RU 5/93), BSGE 73, S. 175 (180); SozR 3-1300 § 48 Nr. 31; NZS 1994, S. 232 (234). BSG, a.a.O. (Fn. 13). Vgl. BSG, Urteil vom 24. 7.1980, a. a.O. (Fn. 12). 1

BSG, Urteil vom 13.10.1993, a.a.O. (Fn. 13). BSG, Urteil vom 6. 8.1992, a. a.O. (Fn. 13). :

BSG, Urteil vom 24. 7.1980, a. a.O. (Fn. 12). Urteil vom 1.12.1993 (L 3 U 35/93), Breith. 1994, S. 648; HVBG- Info 1994, S. 1920. ' St. Rspr., zuletzt BSG, Urteil vom 26. 9.1991 (4

RK 4/91), BSGE 69, S. 247 (251); SGb 1992, S. 259 (261 f.) m. Anm. Dörr. BSG, Urteil vom 14.7.1994 (7 Ar 104/93), SozR 3-4100 §117 Nr. 11. Großer Senat des BSG, Beschluss vom 6.10.1994 (GS 1/91), BSGE 75, S.159 (162); NZS 1995, S.285 (287); Breith. 1995, S. 529 ff. BSG, Urteil vom 6. 8.1992, a.a.O. (Fn. 13). Urteil vom 19.2.1992 (GS 1/89), SozR 3-1300 § 24 Nr. 6; BSGE 70, S. 133 ff.; NJW 1992, S. 2444 f. Vgl. hierzu § 295 Zivilprozessordnung (ZPO): (1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei [. . .] bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Ver fahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. (2) [. . .].

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gehe. Denn es handele sich nicht um einen Mangel im Gerichtsverfahren, sondern um einen des Verwal-tungsverfahrens. Wende man § 202 SGG i.V. m. § 295 ZPO an, werde dem Betroffenen nicht nur eine ver-fahrensrechtliche Möglichkeit, sondern auch ein ab-soluter Aufhebungsgrund abgeschnitten.

3. Schlussfolgerungen für die sozialrechtliche Praxis Aus den empfindlichen Konsequenzen der unter-

lassenen oder fehlerhaften Anhörung ergibt sich die Notwendigkeit für die Praxis, bei der Durchführung des Verwaltungs- und ggf. des Widerspruchsverfah-rens besondere Aufmerksamkeit auf eine ordnungs-gemäße Anhörung zu richten. Denn neben dem regelmäßig durch die Aufhebung und ggf. den Neu-erlass eines Verwaltungsaktes entstehenden Verwal-tungsmehraufwand läuft der Sozialversicherungs-träger auch Gefahr, Ansprüche zu verlieren.

Im folgenden sind daher einige Grundsätze dar-gestellt, bei deren Beachtung das Risiko eines Formfehlers reduziert werden kann:

3.1. Angabe entscheidungserheblicher Tatsachen

Im Anhörungsschreiben sollte zunächst der Sach-verhalt, von dem die Behörde ausgeht, dargestellt und Ausführungen zum materiellen Recht gemacht werden.

Ferner ist die beabsichtigte Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Rechtsgrundlagen an-zukündigen. Die Angabe lediglich der relevanten Vorschrift ist jedoch - auch mit Blick auf die Neurege-lungs- und Änderungshäufigkeit der einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften - kaum ausreichend, so dass deutlich gemacht werden muss, von welchen Voraussetzungen der Erlass des Rücknahme- bzw. Aufhebungsbescheides abhängt. Ist im Verwaltungsverfahren ein Sachverständi-gengutachten erforderlich, sollte bereits bei der Be-auftragung des Sachverständigen (z.B. ein Arzt) darauf hingewirkt werden, dass zumindest eine zusätzliche Abschrift des Gutachtens vom Sachverständigen gefertigt wird (z.B. mittels Durchschlag), um den Folgeaufwand bei Anforderung des Gutachtens durch den Betroffenen gering zu halten.

3.2 Anhörungsfrist

Da der Begriff der Angemessenheit der Anhörungs-frist durch die Rechtsprechung ausgefüllt worden ist,

empfiehlt es sich, eine zweiwöchige Frist nur bei besonderer Notwendigkeit zu unterschreiten. Das kann jedoch nicht ausnahmslos gelten, denn es kommt auch und vor allem auf die Umstände des Einzelfalls an, die eine längere Frist gebieten kön-nen. Soweit verwaltungsinterne Gründe nicht ent-gegenstehen, mag es daher naheliegen, im Zweifel eine längere Frist zu gewähren, zumal in Einzel-fällen von den Gerichten erheblich längere als zweiwöchige Anhörungsfristen gefordert werden26. Meistens wird eine großzügigere Behandlung den Arbeitsablauf zumindest nicht wesentlich hemmen, da eine Entscheidung auch während der Anhörungs-frist vorbereitet werden kann. Doch muss die ggf. längere Anhörungsfrist nebst möglicher Verlänge-rung in den Arbeitsablaufplanungen berücksichtigt werden, so dass nicht etwa infolge der längeren Frist der rechtzeitige Erlass eines Verwaltungsakts ver-säumt wird27.

Wie bereits ausgeführt, müssen die Postlaufzeiten für den Hin- und Rücklauf berücksichtigt werden. Als Anhaltspunkt kann hier die Regelung des § 37 Abs. 2 SGB X gelten, die bestimmt, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt. Entsprechend erscheint die Berücksichtigung einer Postlaufzeit von insgesamt sechs Tagen angemessen. Im Ergebnis sollte also eine Anhörungsfrist von insgesamt drei Wochen nach Möglichkeit nicht unterschritten werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei der Anhörung im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren die vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften empfohlene Formulierung im Anhörungsschreiben zu verwenden: „Sie haben Gelegenheit, sich bis zum . .. (Tag des Eingangs bei uns) hierzu zu äußern."

Die Verlängerung der Anhörungsfrist sollte - je-denfalls in Zweifelsfällen - zumindest im Wider-spruchsverfahren gewährt werden, soweit eine Be-gründung gegeben wird, die wenigstens ansatzweise erkennen lässt, dass nicht nur eine vom Betroffenen verschuldete Versäumung der Frist vorliegt. Denn hier steht die mögliche - regelmäßig aber wohl uner-hebliche - Verzögerung des Verfahrens gegen das Ri-siko aufgrund eines Verfahrensmangels einen mate-riell rechtmäßigen Verwaltungsakt u. U. erst nach Jahren aufheben zu müssen; letzteres mit der Folge, dass bestehende Ansprüche erheblich schwerer oder gar nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden können28.

26 Z.B. ein Monat, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.2. 1987 (L 15 BU 34/86), HV-Info 1988, S. 1380 ff.

27 Bedeutsam ist dies z.B. bei vorläufig festgestellten Unfallrenten, die nach zwei Jahren automatisch zur Dauerrente umgewandelt werden, wenn sie nicht bis dahin wirksam entzogen worden sind (§§ 622 Abs. 2, 1585 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung [RVOJ). Durch diese Umwandlung sind sie auch erheblich schwerer auf zuheben, s. § 48 SGB X.

28 S. z. B. die Rücknahmefristbegrenzungen in § 45 Abs. 3 SGB X; s. auch Fn. 27.

29 BSG, Urteil vom 24.3.1994 (5 RJ 22/93), HVBG-Info 1994, S. 1829.

3.3 Nachholung der Anhörung

Auch wenn, wie bereits ausgeführt, sogar die höchstrichterliche Rechtsprechung z. T. relativ gerin-ge Anforderung an die Nachholung der Anhörung stellt (ja sogar die Möglichkeit der Heilung eines Ver-fahrensfehlers in die Hände des davon Betroffenen legt, wenn sie es davon abhängig macht, ob dieser sich tatsächlich noch geäußert hat)29, sollte diese Möglichkeit nicht einkalkuliert werden. Es erscheint vielmehr sicherer, die Heilung des Verfahrensfehlers

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mittels Nachholung der Anhörung nur als den „letz-ten Ausweg" zu betrachten, um einen notwendig oder unbeabsichtigt ohne die erforderliche An-hörung erlassenen Bescheid noch „in die Recht-mäßigkeit zu retten", insbesondere wenn Rechts-streitigkeiten drohen.

4. Zusammenfassung Die Übersicht der neueren Rechtsprechung zeigt,

dass die Anhörung erhebliche praktische Bedeutung hat und bei Unterlassung oder Fehlerhaftigkeit ein-schneidende Konsequenzen drohen.

Diese können jedoch minimiert werden, und zwar wenn

die Anhörung formgerecht, insbesondere durch Mitteilung aller entscheidungserheblichen Tatsa-chen und unter Gewährung einer mindestens dreiwöchigen, besser noch längeren Frist erfolgt Anträge auf Verlängerung der Anhörungsfrist großzügig gehandhabt werden die längere Anhörungsfrist und ggf. eine

Fristverlängerung bei der Arbeitsablaufplanung berücksichtigt wird und schließlich die Nachholung der Anhörung nur erforderlich wird, weil der Erlass des Bescheides ohne An-hörung notwendig war oder die Anhörung unbe-absichtigt unterblieben ist.

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Anhörung Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

Prüfen Sie, ob in folgenden Situationen eine Anhörung gem. § 24 SGB X durchzuführen ist:

Nach einer ärztlichen Kontrolluntersuchung will der Versicherungsträger Anton A. seine EU-Rente entziehen, weil aus medizinischer Sicht eine Erwerbsminderung nicht mehr vorliegt. Die zuständige Sachbearbeiterin bezweifelt, dass vor der Aufhebung gem. § 48 Abs.1,1 SGB X eine Anhörung durchgeführt werden müsse, weil A bereits im Rahmen der ärztlichen Untersuchung angehört worden sei. Ist eine Anhörung durchzuführen ?

Die LVA beabsichtigt, einen Antrag auf eine Reha-Maßnahme abzulehnen. Muss der Antragsteller vorher angehört werden?

Ein Sozialversicherungsträger beabsichtigt, vom Rentenempfänger H Leistungen durch Bescheid nach § 50 Abs.1 SGB X zurückzufordern. Da der Bewilligungsbescheid bereits in einem ordnungsgemäßen Verfahren – nach Durchführung einer Anhörung – zurückgenommen wurde, hält die Sachbearbeiterin Inge W. die nochmalige Anhörung für überflüssig. Zu Recht ?

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Anhörung Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

Eine Zeitrente soll zum Ende des Bewilligungszeitraumes eingestellt werden. Ist eine Anhörung vor der Einstellung erforderlich ?

Auf Basis der Angaben eines Selbstständigen zu seinem Einkommen soll die Versicherungspflicht nach § 4 II SGB VI festgestellt werden. Ist eine Anhörung erforderlich ?

Da der EU-Rentenempfänger der Aufforderung zur medizinischen Nachuntersuchung nicht nachkam soll in ordnungsgemäßer Anwendung des § 66 SGB I die Rente entzogen werden. Ist eine Anhörung erforderlich ?

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Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Schaer Anhörung Sozialverwaltungsrecht Arbeitsaufgabe

Eine Witwenrente nach § 46 II SGB VI soll zurückgewandelt werden in eine Rente nach § 46 I SGB VI weil das 17-jährige Kind aus dem Haushalt ausgezogen ist. Ist eine Anhörung erforderlich ?

Nach einer Mitteilung des Beziehers einer Witwerrente, dass er wieder geheiratet habe, soll die Rente entzogen werden.

Dem Versicherten A wurde mit Bescheid 12.11.1990,zugestellt am 15.11.1990 eine Rente in Höhe von 15oo.- DM bewilligt. Nach materiellem Recht war die Rente zu hoch berechnet, da eine Anrechnungszeit zu Unrecht berücksichtigt worden war. Dies wird dem Versicherungsträge Anfang November 1992 bekannt. Die Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheides ist nach § 45 III SGB X bis zum 15.11. 1992 möglich.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit 20.02.07 Verwaltungsrecht Anhörung Arbeitsbogen

Inaktive Lungentuberkulose

Klaus Arndt (A) bezieht aufgrund einer Lungentuberkulose seit 1999 eine EU - Rente. Am 30.7.2001 teilt der zuständige Rentenversicherungsträger dem A. schriftlich mit, es sei beabsichtigt, ihm die laufende Rente zu entziehen. Die Lungentuberkulose sei jetzt inaktiv und A. nunmehr wieder in der Lage, seinen erlernten Beruf vollschichtig wieder auszuüben. Es folgte eine Angabe der ärztlichen Diagnose und der einschlägigen Rechtsgrundlagen. Während der eingeräumten Äußerungsfrist von 3 Wochen reagierte A. nicht.

Daraufhin wird A. mit formgerechten Bescheid vom 24.8. 2001(Zugang beim Versicherten) die Rente mit Ablauf des Monats August entzogen.

Aufgaben :

1. Welchen Sinn und Zweck hat die Anhörung nach § 24 SGB X

2. War in obigen Fall eine Anhörung erforderlich ?

3. Kann eine Anhörung auch mündlich, z. Bsp. telefonisch erfolgen?

4. Entspricht das Schreiben vom 30.7.2001 - soweit das aus dem gegebenen Sachverhalt ersichtlich wird - inhaltlich den Anforderungen, die an eine Anhörung zu stellen sind ?

5. Welche rechtliche Wirkung hat das Schweigen des A. auf das Schreiben vom 30.7.2001 ?

6. Unter welchen Voraussetzungen kann auf eine an sich gem. § 24 Abs.1 SGB X gebotene Anhörung verzichtet werden?

Bearbeitungshinweis:

Bei dieser Aufgabe ist davon auszugehen, dass A. tatsächlich wieder vollschichtig einsatzfähig ist.

Begründen Sie Ihre Lösungen jeweils unter Heranziehung einschlägiger Rechtsnormen!

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretungsrecht Lernstoff

Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Verfahrensrechte – Recht auf Vertretung

• Lernstoff

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

3. Recht auf Vertretung

3.1. Systematik der Vorschrift

Beteiligte haben das Recht, sich entweder durch eine Bevollmächtigten vertreten zu lassen (§ 13 I - III SGB X) oder einen Beistand zu beauftragen (§ 13 IV SGB X).Während der Bevollmächtigte für den Beteiligte handelt, ihn also vertritt, erscheint der Beistand neben und mit dem Beteiligten, um ihn beim mündlichen Vortrag zu unterstützen *1 Gemeinsame Regelungen sind in den Absätzen V - VII aufgenommen.

Keine Anwendung findet § 13 SGB X auf den gesetzlichen Vertreter, den Vertreter von Amts wegen (§ 15 SGB X) und den Empfangsbevollmächtigten ( § 14 SGB X).

3.2. Rechte des Bevollmächtigten

Soweit in der Vollmacht keine Beschränkungen enthalten sind, kann der Bevollmächtigte nahezu alle Verfahrenshandlungen des Beteiligten übernehmen. Ausgeschlossen sind lediglich

• - unvertretbare Handlungen, nämlich Maßnahmen höchstpersönlicher Natur, die nur der Beteiligte wissen kann. (Beispiel: eidesstattliche Versicherung über eines Anrechnungszeit/ Ersatzzeit)

• - die Empfangnahme von Geldleistungen, weil sich die Vollmacht auf das Verfahren beschränkt, welches mit dem gewährenden VA endet, so daß mit einer Verfahrensvollmacht die Empfangnahme nicht mit eingeschlossen ist.

• - die Erklärung über die unbare Zahlung aus gleichen Erwägungen.

1 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rz 24

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

3.3. Form der Bevollmächtigung

Vollmacht kann grundsätzlich formlos erteilt werden. Aus § 67,2 SGB X ist aber abzuleiten, daß auf Verlangen die Vollmacht schriftlich vorzulegen ist. Der Widerruf ist ebenfalls formlos möglich. Wirksam ist er mit seinem Zugang.

Ist von Verwandten gerader Linie der Nachweis der Vollmacht notwendig oder kann die Bevollmächtigung unterstellt werden ? - str.: nach der amtlichen Begründung galt eine Vermutungsregel, § 73 II,2 SGG ist analog anzuwenden;*2 <--> § 73 II,2 SGG gilt nur für das gerichtliche Verfahren; ebenso BSG*3: aus dem ehelichen Verhältnis erwachse noch keine Anscheinsvollmacht, § 73 SGG enthalte keine allgemeinen Rechtsgrundsatz.*4

3.4. Rechtsfolgen der Bevollmächtigung

Muß die BfA den Rentenbescheid dem Bevollmächtigen bekanntgeben ?

str.: Gem. § 13 III m u ß die Behörde mit dem BV den Schriftverkehr führen. Andererseits k a n n sie nach § 37 I,2 den VA gegenüber einen Bevollmächtigten bekanntgeben. Da der VA noch zum Verwaltungsverfahren zählt, ist der VA dem BV bekanntzugeben. 5* § 37 Abs.1 S.2 SGB X wird überlagert von § 13 Abs.3 SGB X und ist so zu verstehen, daß neben der zwingenden Bekanntgabe an den Bevollmächtigten die Möglichkeit der zusätzlichen Information des Beteiligten durch die Behörde noch möglich ist. 6*

2 Schroeder-Prinztzen, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren - SGB X 2.Auflage § 13 Anm 4 3 BSGE 52,245,247 4 Krause/v.Mutius/Schnapp/Siewwert Gemeinschaftskommentar zum SGB - Verwaltungsverfahren § 13 Rz 20 5 Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr Handbuch der Rentenversicherung Verwaltungsverfahren - SGB X § 13 III,1. 6 Kommentar zum SGB X Bodemann, Dörr, Eibs, Mey, Michaelis, Schöning Herausgeber BfA, LVA ,BKn und VdR; § 13, 5. VdR Kommentar SGB X § 37 Rdnr. 8 m.w.Nw.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

Andere Ansicht: Möglichkeit von § 37 I,2 SGB X wurde ganz bewußt ins Gesetz aufgenommen, so daß diese

Vorschrift eine Ausnahme des Grundsatzes von § 13 III SGB X darstellt *7

Wird die Korrespondenz nicht mit den BV geführt, hat dies zur Folge, daß Fristen (nach § 66 SGB I) nicht wirksam gesetzt werden können.

Verkehr mit dem Beteiligten erfolgt bei einer Bevollmächtigung nur dann, wenn eine (höchstpersönliche) Mitwirkungshandlung gefordert wird. Aber auch hier muß der Bevollmächtigte darüber informiert werden.

3.5. Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen

Die Möglichkeit der Zurückweisung von Beiständen und Bevollmächtigten regelt sich nach den § 13 Abs. 5 - 7 SGB X

Die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten bedarf grundsätzlich einer Erlaubnis, § 1 I,1 RBerG. Eine Geschäftsmäßige Besorgung liegt vor, wenn sie selbständig (nicht als Angestellte eines anderen) ausgeübt wird und als eine gelegentliche Haupt- oder nebenberufliche entgeltlich oder unentgeltlich Tätigkeit vorgenommen wird. Nicht geschäftsmäßig ist lediglich das Tätigwerden in einem besonderem Einzelfall aufgrund persönlicher Beziehungen zu den vertretenen Beteiligten oder aufgrund besonderer Fachkunde. *8

Befugnis zur Vertretung ist dem RBerG zu entnehmen. Es haben eine entspr. Befugnis Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, Zwangs- Konkurs- Nachlaß oder Vermögensverwalter ..... .

7 VDR-Kommentar zum SGB SGB X § 13 Rz 9 8 Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr Handbuch der Rentenversicherung Verwaltungsverfahren - SGB X § 13 V 1.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

4. Betätigungsverbote, §§ 20,21 VwVfG

Die §§ 20,21 VwVfG sollen gewährleisten, daß die Aufgaben der Behörden sachlich und unvoreingenommen erfüllte werden. Die Bestimmungen schließen daher die Personen von der Mitwirkung aus, bei denen die Gefahr bestehen könnte, daß sie sich durch sachfremde Erwägungen in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen. *9 Damit dienen die Vorschriften zur Verwirklichung eines rechtsstaatlichen (fairen,objektiven,unparteiischen, allein an Gesetz und Recht orientierten) Verwaltungsverfahren. 10

Ein förmliches, subjektives Ablehnungsrecht für die Beteiligten besteht nicht, vielmehr richten sich die §§ 20,21 VwVfG an die Behörde und ihre Bediensteten. Eine derartige Regelung wurde nicht mit aufgenommen, weil eine mißbräuchliche Ausnutzung zur Verschleppung des Verfahrens befürchtet wurde.*11

Die Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlich vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, daß der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich entscheiden werde. *12

9 Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz,3.Auflage, § 20 Rz 2 10 Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 20 Rz 1 11 Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 20 Rz 3 12 Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz,3.Auflage, § 21 Rz 3.2

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

Vollmachtsprobleme1

Die Versicherte Valberg (V) beauftragt Rechtsanwalt Rudinski (R) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Rentenantragsverfahren gegenüber der BfA. Die ordnungsgemäße Vollmacht lautet daher an der entsprechenden Textstelle „Vollmacht für das Rentenverfahren bei der BfA".

Aufgaben: 1. Ist die Rechtsbeziehung zwischen V und R privatrechtlicher oder

öffentlichrechtlicher Natur ? 2. Ist die Rechtsbeziehung zwischen R und der BfA privatrechtlicher oder

öffentlichrechtlicher Natur ?

3. Muss oder kann die BfA den Rentenbescheid an R bekannt geben ? 4. Gilt die Vollmacht auch für ein ggf. später durchzuführendes

Widerspruchsverfahren ? 5. Eine Woche nach Zugang des Rentenbescheids möchte V die Vollmacht

widerrufen, da sie mit den Leistungen von R nicht zufrieden ist. MUSS dies gegenüber der BfA schriftlich geschehen ?

1 Die Aufgabe wurde in der Zwischenprüfung im September 2004 gestellt; es waren 50 LP zu erzielen

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.2. 20.02.07 Verwaltungsrecht Rechte des Beteiligten im Verwaltungsverfahren – Vertretung

Vertretungsrecht § 13 SGB X - Bevollmächtigung §§ 611 / 662 BGB

Steuerberater F legt - mit mündlicher Zustimmung des Arbeitgebers - gegen den

Beitragsbescheid Widerspruch ein. Zur Begründung wird angeführt, daß die

Beitragsnacherhebung entfalle, da alle Beschäftigten des Arbeitgebers die

Beitragsbemessungsgrenze in der KV, RV, PV und BA überschritten haben. Trotz

mehrfacher Erinnerung übersendet der Steuerberater keine Vollmacht. Dem

Widerspruch ist bereits nach Aktenlage abzuhelfen, weil der Prüfer der BfA die BBG

nicht beachtet hatte.

Wie ist im Widerspruchsverfahren zu entscheiden?

Frau Mariam Möller soll einen Rentenbewilligungsbescheid und ein Bescheid zur

Nachforderung von Pflichtbeiträgen erhalten. Da Frau Möller in Rentenverfahren

anwaltlich vertreten ist, wird der Rentenbescheid an den Bevollmächtigten Dr.

Wagemut am 3.10. und der Nachforderungsbescheid direkt an Frau Möller am 4.10.

übersandt. Als Dr. Wagemut den Bescheid am 4.10. im Posteingang vorfindet,

möchte er Mariam Möller davon sofort telefonisch unterrichten. Vom Ehemann

erfährt er, daß Mariam Möller in der letzten Nacht infolge eines Autounfalles

verstorben ist.

Sind die an Mariam Möller gerichteten Verwaltungsakte wirksam geworden ?

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.3. 20.02.07 Verwaltungsrecht Abschluss des Verwaltungsverfahrens Form und Begründung des VA Übersicht

Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Abschluss des Verwaltungsverfahrens – Form und Begründung des Verwaltungsakts

• Bescheidtechnik anhand von Rechtsgrundlagen aus dem SGB X

• Typische Bescheide eines Rentenversicherungsträgers

• Lernstoff Begründung eines Verwaltungsakts

• Arbeitsaufgaben

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.3. 20.02.07 Verwaltungsrecht Abschluss des Verwaltungsverfahrens Form und Begründung des VA Lernstoff

Form des Verwaltungsaktes

Der Verwaltungsakt ist an keine bestimmte Form gebunden; es herrscht der Grundsatz der Formfreiheit, §§ 9, 33 Abs.2 S.1 SGB X ( §§ 10, 37 II,1 VwVfG.) Die Verwaltung entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Form sie zur effektivsten Aufgabenerledigung wählt.

Entscheidet sich die Verwaltung für die Schriftform - was in der Praxis der häufigste Fall ist und für Leistungsbescheide gem § 107 SGB VI im Rentenversicherungsrecht zwingend vorgeschrieben ist - müssen gem.§33 Abs.3 SGB X ( § 37 III VwVfG) gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein:

a) Die erlassende Behörde muss erkennbar sein;

b) Eine Unterschrift bzw. die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Stellvertreters oder seines Beauftragen müssen vorhanden sein. Eine Ausnahme gilt für EDV-Bescheide, bei denen die Behördenbezeichnung genüg

Begründung des Verwaltungsaktes

1. Zweck der Begründung

Das Gebot, eine VA zu begründen, zwingt die Behörde zur gedanklichen Genauigkeit. Sie gibt mit der Begründung sich selbst und dem Betroffenen Rechenschaft darüber, dass die tatsächliche und rechtlichen Voraussetzungen für ihren VA vorliegen und dass gerade diese und keine andere Rechtsfolge gewählt wurde.*1

Im einzelnen dient die Begründungspflicht dem Zweck,

1.1. Befriedungsfunktion

die sachlichen und rechtlichen Gründe der Entscheidung zu vermitteln und die Betroffenen so von der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung zu überzeugen,

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.3. 20.02.07 Verwaltungsrecht Abschluss des Verwaltungsverfahrens Form und Begründung des VA Lernstoff

1.2. Rechtsschutzfunktion

den Betroffenen, falls sie die Entscheidung nicht billigen, Kriterien an die Hand zu geben, damit sie sich entscheiden können, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll,

1.3. Klarstellungs- und Beweisfunktion

den Regelungsgegenstand es VA und damit auch den Streitgegenstand der gerichtlichen Nachprüfung einzugrenzen,

1.4. Kontrollfunktion

letztlich auch der Behörde selbst und der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit der kritischen Überprüfung der Entscheidung zu geben. *2

Die Begründungspflicht stellt damit ein wesentliches Erfordernis jedes rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens dar. *3

2. Inhalt der Begründung, § 35 S.2,3 SGB X; § 39, S.2,3 VwVfG

Dem Betroffenen sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der Umfang dieser Angaben ist von Fall zu Fall und je nach Rechtsgebiet verschieden, muß jedoch zumindest eine Überprüfung der Entscheidung ermöglichen *4

2.1. Tatsächliche Gründe

Bei den tatsächlichen Gründen handelt es sich um den nach den §§ 20,21 SGB X ( 24,26 VwVfG) festgestellten Sachverhalt (einschließlich einer ev. notwendigen Beweiswürdigung) *5

2.2. Rechtliche Gründe

Die rechtlichen Gründe umfassen Auslegung und Subsumtion (sowie ggf. Ermessenserwägungen ) unter die Ermächtigungsgrundlage.*6 Stets muss die

1 Schweikhardt, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz 836 2 Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz,3.Auflage, § 39 Rz 2.2 3 Schweikhardt, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz 836 m.w.Nw. 4 Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 39 Rz 10 5 Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 39,Rz 15 6 Schweikhardt, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz 838

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.3. 20.02.07 Verwaltungsrecht Abschluss des Verwaltungsverfahrens Form und Begründung des VA Lernstoff

Begründung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen; formelhafte Wendungen oder schlichte Angaben des Gesetzestextes genügen nicht.*7 Aus der Funktion der Begründung ergibt sich, dass jedenfalls die Rechtsgrundlage der Entscheidung mit anzugeben ist *8 (Zitiergebot)

7 Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 39 Rz 17 8 Schweikhardt, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz 838 - str,a.A. bei Stelkens / Bonk / Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz,3. Auflage, § 39 Rz 17

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.3. 20.02.07 Verwaltungsrecht Abschluss des Verwaltungsverfahrens Form und Begründung des VA Lernstoff

3.1. Rechtswidrigkeit

Rechtswidrigkeit = Angreifbarkeit des VA; trotz des Fehlers bleibt der VA zunächst wirksam. Wird vom Betroffenen der Fehler nicht durch Rechtsmittel beanstandet, bleibt die Regelung des VA bestehen. Wehrt sich dagegen der Bürger gegen den VA, wird regelmäßig - d.h. mit Ausnahmen - der Umstand, der zur Annahme der Rechtswidrigkeit führte, auch dem Bürger einen Anspruch auf entsprechende Korrektur des VA geben.

3.2. Fallgruppen :

Zuständigkeits- Verfahrens- Form- und Inhaltsfehler.

3.3. § 45 VwVfG

Innerhalb der Fallruppen, die zur Rechtswidrigkeit des VA führen, lassen sich auch noch Unterschiede feststellen. So soll nach der Gesetzeskonzeption bei bestimmten Verfahrens- Form- oder Zuständigkeitsfehlern nicht jeder Verstoß zur Aufhebung und Neubescheidung des VA führen. Hier hat der Gesetzgeber den Verstoß gegen diese formellen Vorschriften als weniger gewichtig angesehen als den Verstoß gegen materielles Recht.

Für bestimmte Verfahrens- und Formfehler sieht das Gesetz nach § 45 VwVfG die Heilung vor,d.h. die Verwaltung kann nachträglich ihren Fehler noch ausbügeln. Als Folge der Heilung wird der urspüngliche Fehler unbeachtlich, aus dem Fehler können gegenüber der Verwaltung keine rechtlichen Sanktionen eingeleitet werden.

Zeitliche Grenze der Heilbarkeit wird durch § 45 II VwVfG gebildet, derzufolge die Korrektur nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens möglich ist.

3.4. § 46 VwVfG

Andere weniger gewichtig eingeschätzte Verstöße sollen nach § 46 unbeachtlich sein. Neben Verfahrens- und Formverstößen können von dieser Regelung auch Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit erfaßt sein. Diese Fehler sollen keiner Auswirkungen haben (= unbeachtlich sein), wenn die inhaltliche Entscheidung fehlerfrei war und nach Behebung des formellen Fehlers ebenso neu ergehen müßte, eine andere sachlich Entscheidung nach den gesetzlichen Vorgaben nicht getroffen werden dürfte.

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Schaer Formelle Rechtmäßigkeit Kapitel 5.1.3. 20.02.07 Verwaltungsrecht Abschluss des Verwaltungsverfahrens Form und Begründung des VA Lernstoff

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Bescheidaufbau nach den Vorschriften des SGB X Einleitungsteil

►Erlassende Behörde ►Anschrift des Adressaten

Hauptteil

►Regelung - Tenor ►Ggf. Nebenbestimmungen ►Begründung

□ Ausgangssituation □ Rechtsnormen und ihre Anwendung in der Ausgangssituation □ Ermessenserwägungen

Schluss ►Rechtsbehelfsbelehrung ►Unterschrift

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BUNDESVERSICHERUNGSANSTALT FÜR ANGESTELLTE

Bei Schriftwechsel bitte dieses Zeichen angeben Postanschrift: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte D-10704 Berlin

Hauptverwaltung: Berlin-Wllmersdorf. Ruhlstr- 2 •• (0 301 8 65 Fax (030186527240-T-Online

Datum Ihres Schreibens Fax-Nr Durchwahlnummer. Datum

(0 30) 8 65 (0 30) 8 65

23.Juni 2004

Bescheid

Sehr geehrte Frau ,

Ihrem Antrag auf Altersrente gem. § 36 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) kann nicht entsprochen werden. Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte haben nur Versicherte, die

1. das 62. Lebensjahr vollendet, 2. die Wartezeit von 35 Jahren (420 Monate) erfüllt haben.

Sie haben bisher rentenrechtlich anerkannte Zeiten von 395 Kalendermonaten zurückgelegt und damit die Anspruchsvoraussetzungen dieser Altersrente nicht erfüllt.

Wir haben daher die Anspruchsvoraussetzungen einer Altersrente gem. § 37 SGB VI geprüft. Eine Altersrente gem. § 37 SGB VI wird gewährt, wenn der Versicherte

- das 60. Lebensjahr vollendet hat - bei Beginn der Rente als Schwerbehinderter (§ 1 Schwerbehindertengesetz) anerkannt, berufs-

oder erwerbsunfähig ist und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt hat.

Laut telefonischer Rücksprache mit Ihnen am 18.06.04 sind Sie nicht im Besitz eines Schwerbe-hindertenausweises, somit haben Sie auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt und der Antrag ist abzulehnen.

Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch er-heben. Der Widerspruch ist schriftlich bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstr. 2, Berlin-Wilmersdorf (Postanschrift: 10704 Berlin) einzureichen. Sie können diese Stelle auch aufsuchen und Ihren Widerspruch schriftlich aufnehmen lassen.

Bestand während des Rentenverfahrens eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner, empfehlen wir Ihnen, sich wegen Fortsetzung einer Krankenversicherung sofort an die bisherige Krankenkasse zu wenden. Sofern Sie vor der Rentenantragstellung in der privaten Krankenversicherung versichert waren, empfehlen wir Ihnen, sich wegen einer eventuellen Wiederinkraftsetzung Ihres Versicherungsverhältnisses schnellstens mit Ihrem privaten Versicherungsuntemehmen in Verbindung zu setzen.

Sollten Sie einen Schwerbehindertenausweis mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 50 % erhalten, so werden wir Ihren Antrag überprüfen. Den Ausweis müssten Sie ggf. bei Ih-rem zuständigen Versorgungsamt beantragen.

Hochachtungsvoll

Im Auftrag

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Aufgaben

Zu dem als Anlage beigefügten Bescheid vom 23. Juni 2004 sind die nachfolgenden

10 Aufgaben zu bearbeiten:

1. Musste in diesem Fall überhaupt durch Bescheid entschieden werden ?

2. Ist die Überschrift „Bescheid" erforderlich ?

3. Was ist der Tenor des Bescheids ?

4. Wann wurde der Bescheid bekannt gegeben, wenn er am Donnerstag, d.25.

Juni 2004, zur Post gegeben wurde ?

5. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung (RBB) erforderlich ?

6. Ist die Stellung der RBB im Bescheid korrekt ?

7. Handelt es sich bei der im letzten Satz des Bescheids erwähnten

Rentenauskunft um einen Verwaltungsakt ?

8. Warum heißt es am Schluss „Im Auftrag" ?

9. Welchen formlosen Rechtsbehelf könnte die Versicherte gegen den

Bescheid bei der BfA einlegen ?

10. Könnte sich die Versicherte im Widerspruchsverfahren durch ihren 17-

jährigen Sohn Lars vertreten lassen ?

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Datum 16.07.00

Knobelsdorffstr 92

14059 Berlin Telefon (030) 3002-0

Landesversicherungsanstalt Berlin

Versicherungsnummer AIGR ...................................................

Bitte beide Zeichen angeben

Frau Bertha Berlin

Bescheid

Berliner Str. 15 C

12345 Berlin

Erstattung von Beiträgen aus der gesetzlichen Rentenversicherung

Sehr geehrte Frau Berlin,

auf den Antrag vom 01.04.2000 werden aus der Rentenversicherung Beiträge in Höhe von 398,16 DM erstattet.

Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. Beiträge aufgrund einer selbständigen Tätigkeit oder freiwil-lige Beiträge werden dagegen nur zur Hälfte erstattet.

Berechnung des Erstattungsbetrages

14.05.79 - 02.08.79 Entgelt 3.895.00 DM x 9,00 % 350,55 DM

06.08.79 - 22.08.79 Entgelt 529,00 DM x 9,00 % 47,61 DM

Erstattungsbetrag insgesamt 398.16 DM

Dieser Betrag wird auf das angegebene Konto überwiesen.

Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr. Die Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden.

Sofern Sie Unterlagen eingereicht haben, sind diese, soweit sie hier nicht mehr benötigt werden, beigefügt.

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Versicherungsnummer AIGR Seite 02 Datum 16.07.00

.....................................................

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widersprach erheben.

Der Widerspruch ist schriftlich bei der

Landesversicherungsanstalt Berlin Knobelsdorffstr. 92 14059 Berlin

einzureichen.

Sie können diese Stelle auch aufsuchen und Ihren Widerspruch schriftlich aufnehmen lassen.

Dieser Bescheid ist maschinell erstellt und deshalb auch ohne Unterschrift und Siegel wirksam.

Mit freundlichen Grüßen

Landesversicherungsanstalt Berlin

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Unterstellen Sie für die nachfolgenden Aufgaben, dass es sich bei dem oben dargestellten Schreiben um einen Verwaltungsakt handelt.

Aufgaben

Was ist der Tenor dieses Bescheides ?

Erläutern Sie die weiteren Bestandteile des Schreibens und ihre rechtliche

Bedeutung !

Wann ist der Bescheid wirksam geworden, wenn er am 17.7.2000 (Donnerstag)

zur Post gegeben wurde

War es erforderlich, dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung anzufügen ?

Welchen formlosen Rechtsbehelf könnte Bertha Berlin erheben ?

Trifft der Hinweis im letzten Satz auf Seite 02 des Schreibens - unmittelbar

vor der Grußformel - zu?

Am 19.8.2002 beantragt Bertha Berlin beim zuständigen Versicherungsträger den Erstattungsbescheid rückgängig zu machen, weil sie nunmehr durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung seit dem 1.8.2002 ihr Versicherungsverhältnis in der Angestelltenversicherung fortsetzen möchte.

Aufgabe

Bitte prüfen und bestimmen Sie, nach welcher der folgenden Vorschriften über den Antrag vom 19.8.2002 zu entscheiden ist.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X

§ 45 Abs. 1 SGB X

§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X

§ 77 SGG

§ 39 Abs. 2 SGB X

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