VIECHTACH Der Wahlvorhersager - uni-muenchen.de · Viechtach: Redaktion: 4 0 99 42/94 72 21 Fax: 08...

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Viechtach: Redaktion: 0 99 42/94 72 21 Fax: 08 51/80 21 00 34, E-Mail: [email protected] Geschäftsstelle/Anzeigen: 9 47 20 - Fax: 94 72 41 Öffnungszeiten: Mo. bis Do. 8-12.30 u. 13.30-17 Uhr, Fr. 8-12.30 u. 13.30-15 Uhr VIECHTACH Montag, 19. November 2012 Nummer 267 / Seite 29 Von Natalie Miseré Viechtach. Andreas Gräfe inter- essiert sich vor allem für die Frage, inwieweit sich aus dem Gesicht ei- nes Politikers dessen Chancen auf einen Wahlsieg abschätzen lassen. Selbst Kleinkinder seien in der La- ge, Wahlgewinner auf Basis von Portraitfotos der Kandidaten zu identifizieren. Dies und mehr ver- rät der Wahlforscher Andreas Grä- fe (34) im Interview mit dem VBB. Gräfe ist in Viechtach aufgewach- sen und arbeitet am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München. Heuer hat Gräfe - wie schon vier Jahre zuvor - wieder den Wahlsieg des Demokraten Ba- rack Obama vorhergesagt. Herr Gräfe, mit PollyVote haben Sie schon einmal den Wahlsieg von Barack Obama vorausge- sagt? Lagen Sie auch in diesem Jahr bei den US-Präsident- schaftswahlen richtig? Andreas Gräfe: Wir waren wieder sehr nah dran. Unsere finale Pro- gnose am Tag vor der Wahl verfehl- te den Stimmanteil Obamas um knapp 0,4 Prozentpunkte. Zum Vergleich, der Fehler der finalen Gallup-Umfrage, des wohl be- kanntesten Umfrageinstituts in den USA, lag über die letzten drei Wahlen im Schnitt bei 1,7 Prozent- punkten. Grundsätzlich sind Wahlprognosen am Tag vor der Wahl aber eher uninteressant, da es in den meisten Fällen ausreicht, sich den Durchschnitt der letzen Umfragen anzusehen. Für uns sind daher längerfristige Prognosen, Wochen oder Monate vor der Wahl, von besonderem Interesse. Für die diesjährige Wahl haben wir unsere erste Vorhersage vor fast zwei Jahren veröffentlicht, und seither stets Obama als Sieger pro- gnostiziert, auch als Mitt Romney in den Umfragen vorne lag. Können Sie die Funktionsweise Ihres Vorhersagemodells Polly- Vote möglichst kurz und für Lai- en verständlich erklären? Gräfe: Das ist ja genau das Schöne an PollyVote. Das Verfahren ist einfach zu verstehen und daher auch einfach anzuwenden. Im Prinzip sammeln wir Vorhersagen unterschiedlicher Methoden, wel- che auf unterschiedlichen Infor- mationen basieren. Dazu gehören die klassischen Wahlumfragen, Prognosemärkte, auf denen Teil- nehmer auf den Wahlausgang wet- ten, Einschätzungen von Exper- ten, sowie Vorhersagen von statis- tischen Modellen. Diese unter- schiedlichen Prognosen kombi- nieren wir miteinander, durch Berechnung des einfachen Mittel- werts. Das klingt erst einmal wahnsinnig naiv – ist es auch. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass sich die systematischen und zufäl- ligen Fehler, welche einzelnen Ver- fahren anhaften, in der kombinier- ten Prognose ausgleichen. Die me- chanische Kombination von Pro- gnosen ist eines der einfachsten und besten Prinzipien für die Er- stellung genauer Vorhersagen. Lei- der wird es in der Praxis aus ver- schiedenen Gründen zu selten an- gewendet. Warum wird es nicht angewen- det? Gräfe: Ein Grund ist, dass wir Menschen dazu neigen, die Zu- kunft so zu sehen, wie wir sie gerne hätten. Das führt dazu, dass wir uns Prognosen suchen, oder so zu- rechtschustern, dass diese mit un- serer Sicht der Dinge übereinstim- men. Bleiben wir beim Beispiel Wahlen. Wenn Sie sich den Repu- blikanern näher fühlen, neigen Sie dazu, Inhalte zu konsumieren, welche Mitt Romney vorne sehen. Die mechanische Kombination von Prognosen schützt uns letzt- lich davor, uns selbst zu belügen. Werden Ihre Prognosen auch in den Medien veröffentlicht? Gräfe: Mit der Medienaufmerk- samkeit ist es so eine Sache. Zum einen haben wir nicht die Kapazi- tät, aktiv Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Zum anderen sind unse- re Vorhersagen sehr stabil und än- dern sich kaum im Zeitverlauf. Sta- bilität ist zwar wünschenswert, wenn es darum geht, verlässliche Prognosen zu liefern. Nicht aber, um Aufmerksamkeit zu generie- ren. Letztlich geht es in den Medi- en oft darum, den Wahlkampf als enges Wettrennen zwischen den Kandidaten darzustellen, und dar- über zu spekulieren, welche Ereig- nisse noch wahlentscheidend sein könnten. Die PollyVote-Prognose, welche über den Zeitverlauf nur um Zehntel eines Prozentpunktes variiert und kaum von Ereignissen wie Debatten oder einem Hurrika- ne beeinflusst wird, eignet sich da- her nicht, eine interessante Ge- schichte zu erzählen. So werden Zeitungen, Radio und Fernsehen in der Regel erst wenige Tage vor der Wahl auf uns aufmerksam. Für die Zukunft planen wir aber Ko- operationen mit Medien in den USA und auch in Deutschland. Nun arbeiten Sie an einem Pro- jekt, dass Prognosen für die Bundestags- und Landtagswah- len erstellen soll? Handelt es sich dabei auch um PollyVote oder ist es ein anderes Vorhersa- gemodell? Gräfe: Ziel dieses Projekts am Center for Advanced Studies der LMU München ist es in der Tat, den Ausgang der Bundestagswahl sowie der bayerischen Landtags- wahlen vorherzusagen. Dabei wird sicher auch PollyVote eine wichtige Rolle spielen. Ein Pro- blem ist, dass uns für deutsche Wahlen weit weniger Verfahren und Daten zur Verfügung stehen als für die USA. Insbesondere gibt es kaum Modelle, welche den Wahlausgang auf Basis von Funda- mentaldaten, wie dem Zustand der Volkswirtschaft oder der Populari- tät der Amtsinhaberin vorhersa- gen. Unsere Aufgabe wird es sein, derartige Modelle zu entwickeln. Ziel ist es, ähnlich gute Prognosen des Wahlausgangs zu liefern wie für die USA. Könnten Sie zum Beispiel auf Landtagsebene die Chancen der Kollnburger Bürgermeisterin Jo- sefa Schmid auf einen Sitz im Landtag errechnen? Gräfe: Für die Wahlen im nächsten Jahr wird es knapp werden. Grundsätzlich sind derartige Wah- len aber aus Forschungssicht sehr interessant, da die Wähler gerade in kleineren Wahlen oftmals nach Der Wahlvorhersager Andreas Gräfe hat erneut den Sieg von Barack Obama vorausgesagt - Nun folgen die Bundes- und Landtagswahlen einfachen Heuristiken wie Partei- zugehörigkeit oder dem äußeren Erscheinungsbild der Kandidaten entscheiden. Besonders interes- siert mich hierbei die Frage, inwie- weit sich bereits aus den Gesich- tern der Kandidaten deren Chan- cen auf einen Wahlsieg abschätzen lassen. Eine Reihe von Arbeiten aus den letzten Jahren hat gezeigt, dass selbst Kleinkinder in der Lage sind, Wahlgewinner auf Basis von Portraitfotos der Kandidaten mit erstaunlicher Zuverlässigkeit zu identifizieren. Als Wissenschaftler und Wahl- forscher halten Sie sich mit Ihren Präferenzen wahrscheinlich eher zurück, aber haben Sie sich trotzdem gefreut, als Barack Obama zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt wurde? Gräfe: Ich habe mich für Polly ge- freut. Grundsätzlich ist es aber in der Tat unsere Politik, hierzu keine Stellung zu beziehen. Trotzdem be- kommen wir genügend Emails, in den letzen beiden Wahlen von Re- publikanern, im Jahr 2004 von De- mokraten, in denen uns vorgehal- ten wird, parteiisch zu sein. Noch einmal zurück zu Ihnen: Welches berufliche Ziel haben Sie sich noch gesteckt? Gräfe: Ziel meiner Forschung ist die Entwicklung von Methoden und Verfahren, welche uns dabei helfen, künftige Entwicklungen und Ereignisse genauer vorherzu- sagen, um auf diese Weise zu besse- ren Entscheidungen zu gelangen. Wahlen sind hierbei nur eines von vielen Anwendungsgebieten. In diesem Zusammenhang interes- siert mich insbesondere die Ent- wicklung von Modellen, welche Entscheidungsunterstützung für politische Parteien und Kandida- ten liefern, beispielsweise zu Fra- gen, welche Kandidaten nominiert oder welche Themen im Wahl- kampf thematisiert werden sollten. Grundsätzlich sehe ich mich lang- fristig eher in der Forschung als in der Privatwirtschaft, eine Progno- se wage ich allerdings noch nicht. aufgewachsen in Viechtach Jahrgang 1978 Studium der VWL und Wirt- schaftsinformatik an der Uni Regensburg Promotion an der Uni Karlsru- he am Institut für Technikfol- genabschätzung und System- analyse zweijähriger Forschungsauf- enthalt an der University of Pennsylvania in Philadelphia, verantwortlich für das Progno- seportal PollyVote.com Mitarbeiter bei Sky Deutsch- land Seit Dezember 2011 LMU Re- search Fellow am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München. - nem Lebenslauf 5 Prozent nur der etwa 5500 Katholiken sind gestern in Viechtach zur Wahl ihrer Kir- chenverwaltung gegangen. Die niedrige Betei- ligung ist indes nicht ungewöhnlich bei der Wahl dieses Gremiums. - Seite 30 ZAHL DES TAGES 16 Angeklagte vor Gericht Viechtach. 16 Verhandlungen weist der Sit- zungsplan des Amtsgerichts für diese Woche auf. Nur eine Verhandlung ist am heutigen Montag angesetzt: Die Jugendrichterin urteilt in einem Fall von Körperverletzung. Weiter geht’s am Mittwoch. Vor dem Strafrichter muss sich ein Mann wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten. Zwei Männer und eine Frau sind danach we- gen Betrugs angeklagt. Auf der Anklagebank Platz nehmen müssen zudem ein Mann wegen Verletzung der Unterhaltspflicht, einer wegen Beleidigung und ein weiterer wegen Strafverei- telung. Am Donnerstag werden Ordnungswid- rigkeiten behandelt. Acht Mal geht es um Ver- gehen im Straßenverkehr, außerdem um Ver- stöße gegen das Abfallgesetz und gegen das Tierschutzgesetz. - age Wie hoch werden die Steuern? Teisnach. Am Donnerstag, 22. November, ab 18.30 Uhr findet im Sitzungssaal des Rathau- ses in Teisnach die nächste Sitzung des Markt- gemeinderates statt. Die Tagesordnung: Be- richt der Bürgermeisterin über laufende Ange- legenheiten; Marktfest 2013; Zuschuss zur Be- schaffung eines Mähtraktors für den FC Kai- kenried 1958; Beschluss zur Gestaltung der Granitsäulen im Naturfriedhof; Beschaffung einer Einbauküche für die Kindertagesstätte; Vergabe der Ingenieurleistungen für die Er- schließung im GI Teisnach Oed II; Festsetzung der Steuerhebesätze für das Haushaltsjahr 2013; Wünsche und Anträge. Eine nichtöffent- liche Sitzung schließt sich an. - vbb KURZ NOTIERT Vorfahrt missachtet Patersdorf. Am Freitag gegen 13.45 Uhr kam es in Patersdorf zu einem Verkehrsunfall, zum Glück ohne Verletzte. Ein 48- jähriger VW-Fahrer aus dem Landkreis Cham fuhr mit einem Firmen-Mehrzweckfahrzeug die B 11 von Ruhmannsfelden kom- mend in Richtung B 85. Zum selben Zeitpunkt fuhr ein 74- Jähriger aus dem Altlandkreis Viechtach mit seinem Ford die Staatsstraße 2136 von Paters- dorf kommend in Richtung B 11. An der Einmündung missachte- te er die Vorfahrt des VW-Fah- rers und fuhr in die Bundesstra- ße ein, wodurch es zum Zusam- menstoß kam. Der Gesamtscha- den beträgt etwa 6000 Euro. Diesel abgezapft Ruhmannsfelden. In der Nacht auf Samstag entwendeten Unbe- kannte aus drei Lkw, die auf ei- nem Abstellplatz in der Hoch- straße standen, insgesamt 1100 Liter Diesel im Wert von rund 1600 Euro. Dabei wurden von zwei Lastern die Tankdeckel aufgebrochen. An einem Lkw war der Tank nicht versperrt. Unfall unter Alkohol Viechtach. Am frühen Sonntag- morgen kam es in Viechtach zu einem Unfall mit einem Verletz- ten. Gegen 4.30 Uhr befuhr ein 23-Jähriger mit seinem Audi die Staatsstraße 2139 von Bad Kötz- ting kommend in Richtung Viechtach. Kurz nach der Ort- schaft Lammerbach kam er in ei- ner scharfen Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab und prallte gegen mehrere Sträucher und kleinere Bäume. Der Audi- fahrer wurde leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht. Ein Al- koholtest ergab, dass er erheb- lich alkoholisiert war. Am Pkw entstand Totalschaden in Höhe von etwa 1000 Euro. - vbb POLIZEI Von Jörg Klotzek Viechtach. Es gehört zum Volkstrauertag wie das Gebet des Pfarrers oder die Rede des Bürgermeisters: das Lied vom guten Kameraden. Johann Penzkofer, Vorsitzender der Sol- daten- und Reservistenvereini- gung Viechtach, hat gestern beim traditionellen Gedenken vor der Stadtpfarrkirche eine kurze Abhandlung über das vor gut 200 Jahren komponierte Sol- datenlied gehalten. „Ich hatt einen Kameraden, einen bessern findst du nit . . .“ beginnt der von Ludwig Uhland 1809 gedichtete Liedtext, der schnell Eingang in die militäri- sche Tradition fand. Johann Penzkofer erinnerte daran, dass das Lied vor allem nach dem 1. Weltkrieg bei militärischen An- lässen Verwendung fand und deshalb bis heute zum Volks- trauertag gehört. Denn 1919 führte der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge das Erin- nern und Mahnen an die Toten des Weltkrieges ein. Mit der un- säglichen Zeit des Dritten Rei- ches hat „Der gute Kamerad“ demnach wenig zu tun. Das Lied wird auch immer wieder als heimliche Hymne der Deut- schen bezeichnet. Gestern intonierte die Stadt- kapelle Viechtach unter Leitung von Robert Strasser erneut das Lied in Anwesenheit von einem Dutzend Fahnenabordnungen und neben einem Ehrenspalier der SRV Viechtach, verstärkt durch die Marinekameradschaft Regen-Viechtach und mehrere Feuerwehren sowie von Verei- nen und der Kolpingsfamilie. Stadtpfarrer Berthold Helgert betete zusammen mit dem evan- gelischen Geistlichen Ernst- Martin Kittelmann Fürbitten und mahnte die Einhaltung christlicher Fundamentalwerte bei den politisch Verantwortli- chen an. Bürgermeister Georg Bruck- ner forderte im Beisein von rund 200 Personen, darunter zahlrei- che Stadträte, auf dem sonnen- beschienenen Platz beim Krie- gerdenkmal ebenfalls die Han- delnden auf politischer Ebene auf, „ihr Tun an den Geboten Gottes auszurichten“. Bruckner rief die toten Soldaten der Kriege in Erinnerung, aber auch die Vermissten und Gefangenen, ebenso die Vertriebenen und Geflohenen. Er sprach auch von Bürgern aus Viechtach, die un- ter dem 2. Weltkrieg gelitten hat- ten und legte einen Kranz nieder. Für alle Opfer von Krieg, Terror und Gewalt bat der Rathauschef: „Möge der Frieden erhalten und gestärkt werden.“ SRV-Vorstand Johann Penzkofer informierte am Volkstrauertag über das deutsche Liedgut Gedanken zum Lied vom guten Kameraden Mit Staatsmann Benjamin Franklin: Andreas Gräfe (34) hat zwei Jahre an der University of Pennsylvania in Philadelphia geforscht und war dort ver- antwortlich für das Prognoseportal PollyVote.com. - Foto: privat Die Stadtkapelle Viechtach unter Leitung von Robert Strasser spielte gestern neben der Deutschland-Hymne das Lied vom guten Kame- raden, das zur Tradition bei Gedenkfeiern am Volkstrauertag gehört. - Fotos: Klotzek Die Trauerbänder präsentierten die Fahnenträger der Vereine.

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Viechtach: Redaktion: 4 0 99 42/94 72 21Fax: 08 51/80 21 00 34, E-Mail: [email protected]äftsstelle/Anzeigen: 4 9 47 20 − Fax: 94 72 41Öffnungszeiten: Mo. bis Do. 8−12.30 u. 13.30−17 Uhr,

Fr. 8−12.30 u. 13.30−15 Uhr

VIECHTACHMontag, 19. November 2012 Nummer 267 / Seite 29

Von Natalie Miseré

Viechtach. Andreas Gräfe inter-essiert sich vor allem für die Frage,inwieweit sich aus dem Gesicht ei-nes Politikers dessen Chancen aufeinen Wahlsieg abschätzen lassen.Selbst Kleinkinder seien in der La-ge, Wahlgewinner auf Basis vonPortraitfotos der Kandidaten zuidentifizieren. Dies und mehr ver-rät der Wahlforscher Andreas Grä-fe (34) im Interview mit dem VBB.Gräfe ist in Viechtach aufgewach-sen und arbeitet am Institut fürKommunikationswissenschaftund Medienforschung der LMUMünchen. Heuer hat Gräfe − wieschon vier Jahre zuvor − wiederden Wahlsieg des Demokraten Ba-rack Obama vorhergesagt.

Herr Gräfe, mit PollyVote habenSie schon einmal den Wahlsiegvon Barack Obama vorausge-sagt? Lagen Sie auch in diesemJahr bei den US-Präsident-schaftswahlen richtig?

Andreas Gräfe: Wir waren wiedersehr nah dran. Unsere finale Pro-gnose am Tag vor der Wahl verfehl-te den Stimmanteil Obamas umknapp 0,4 Prozentpunkte. ZumVergleich, der Fehler der finalenGallup-Umfrage, des wohl be-kanntesten Umfrageinstituts inden USA, lag über die letzten dreiWahlen im Schnitt bei 1,7 Prozent-punkten. Grundsätzlich sindWahlprognosen am Tag vor derWahl aber eher uninteressant, daes in den meisten Fällen ausreicht,sich den Durchschnitt der letzenUmfragen anzusehen. Für uns sinddaher längerfristige Prognosen,Wochen oder Monate vor derWahl, von besonderem Interesse.Für die diesjährige Wahl haben wirunsere erste Vorhersage vor fastzwei Jahren veröffentlicht, undseither stets Obama als Sieger pro-gnostiziert, auch als Mitt Romneyin den Umfragen vorne lag.

Können Sie die FunktionsweiseIhres Vorhersagemodells Polly-Vote möglichst kurz und für Lai-en verständlich erklären?

Gräfe: Das ist ja genau das Schönean PollyVote. Das Verfahren isteinfach zu verstehen und daherauch einfach anzuwenden. ImPrinzip sammeln wir Vorhersagenunterschiedlicher Methoden, wel-che auf unterschiedlichen Infor-mationen basieren. Dazu gehörendie klassischen Wahlumfragen,Prognosemärkte, auf denen Teil-nehmer auf den Wahlausgang wet-ten, Einschätzungen von Exper-ten, sowie Vorhersagen von statis-tischen Modellen. Diese unter-schiedlichen Prognosen kombi-nieren wir miteinander, durchBerechnung des einfachen Mittel-werts. Das klingt erst einmalwahnsinnig naiv – ist es auch. DerVorteil dieses Ansatzes ist, dasssich die systematischen und zufäl-ligen Fehler, welche einzelnen Ver-fahren anhaften, in der kombinier-ten Prognose ausgleichen. Die me-chanische Kombination von Pro-gnosen ist eines der einfachstenund besten Prinzipien für die Er-stellung genauer Vorhersagen. Lei-der wird es in der Praxis aus ver-schiedenen Gründen zu selten an-gewendet.

Warum wird es nicht angewen-det?

Gräfe: Ein Grund ist, dass wirMenschen dazu neigen, die Zu-kunft so zu sehen, wie wir sie gernehätten. Das führt dazu, dass wiruns Prognosen suchen, oder so zu-rechtschustern, dass diese mit un-serer Sicht der Dinge übereinstim-men. Bleiben wir beim BeispielWahlen. Wenn Sie sich den Repu-blikanern näher fühlen, neigen Siedazu, Inhalte zu konsumieren,welche Mitt Romney vorne sehen.Die mechanische Kombinationvon Prognosen schützt uns letzt-lich davor, uns selbst zu belügen.

Werden Ihre Prognosen auch inden Medien veröffentlicht?

Gräfe: Mit der Medienaufmerk-samkeit ist es so eine Sache. Zumeinen haben wir nicht die Kapazi-tät, aktiv Öffentlichkeitsarbeit zubetreiben. Zum anderen sind unse-re Vorhersagen sehr stabil und än-

dern sich kaum im Zeitverlauf. Sta-bilität ist zwar wünschenswert,wenn es darum geht, verlässlichePrognosen zu liefern. Nicht aber,um Aufmerksamkeit zu generie-ren. Letztlich geht es in den Medi-en oft darum, den Wahlkampf alsenges Wettrennen zwischen denKandidaten darzustellen, und dar-über zu spekulieren, welche Ereig-nisse noch wahlentscheidend seinkönnten. Die PollyVote-Prognose,welche über den Zeitverlauf nurum Zehntel eines Prozentpunktesvariiert und kaum von Ereignissenwie Debatten oder einem Hurrika-ne beeinflusst wird, eignet sich da-

her nicht, eine interessante Ge-schichte zu erzählen. So werdenZeitungen, Radio und Fernsehenin der Regel erst wenige Tage vorder Wahl auf uns aufmerksam. Fürdie Zukunft planen wir aber Ko-operationen mit Medien in denUSA und auch in Deutschland.

Nun arbeiten Sie an einem Pro-jekt, dass Prognosen für dieBundestags- und Landtagswah-len erstellen soll? Handelt essich dabei auch um PollyVoteoder ist es ein anderes Vorhersa-gemodell?

Gräfe: Ziel dieses Projekts am

Center for Advanced Studies derLMU München ist es in der Tat,den Ausgang der Bundestagswahlsowie der bayerischen Landtags-wahlen vorherzusagen. Dabeiwird sicher auch PollyVote einewichtige Rolle spielen. Ein Pro-blem ist, dass uns für deutscheWahlen weit weniger Verfahrenund Daten zur Verfügung stehenals für die USA. Insbesondere gibtes kaum Modelle, welche denWahlausgang auf Basis von Funda-mentaldaten, wie dem Zustand derVolkswirtschaft oder der Populari-tät der Amtsinhaberin vorhersa-gen. Unsere Aufgabe wird es sein,derartige Modelle zu entwickeln.Ziel ist es, ähnlich gute Prognosendes Wahlausgangs zu liefern wiefür die USA.

Könnten Sie zum Beispiel aufLandtagsebene die Chancen derKollnburger Bürgermeisterin Jo-sefa Schmid auf einen Sitz imLandtag errechnen?

Gräfe: Für die Wahlen im nächstenJahr wird es knapp werden.Grundsätzlich sind derartige Wah-len aber aus Forschungssicht sehrinteressant, da die Wähler geradein kleineren Wahlen oftmals nach

Der WahlvorhersagerAndreas Gräfe hat erneut den Sieg von Barack Obama vorausgesagt − Nun folgen die Bundes- und Landtagswahlen

einfachen Heuristiken wie Partei-zugehörigkeit oder dem äußerenErscheinungsbild der Kandidatenentscheiden. Besonders interes-siert mich hierbei die Frage, inwie-weit sich bereits aus den Gesich-tern der Kandidaten deren Chan-cen auf einen Wahlsieg abschätzenlassen. Eine Reihe von Arbeitenaus den letzten Jahren hat gezeigt,dass selbst Kleinkinder in der Lagesind, Wahlgewinner auf Basis vonPortraitfotos der Kandidaten miterstaunlicher Zuverlässigkeit zuidentifizieren.

Als Wissenschaftler und Wahl-forscher halten Sie sich mit IhrenPräferenzen wahrscheinlicheher zurück, aber haben Sie sichtrotzdem gefreut, als BarackObama zum zweiten Mal zumPräsidenten gewählt wurde?

Gräfe: Ich habe mich für Polly ge-freut. Grundsätzlich ist es aber inder Tat unsere Politik, hierzu keineStellung zu beziehen. Trotzdem be-kommen wir genügend Emails, inden letzen beiden Wahlen von Re-publikanern, im Jahr 2004 von De-mokraten, in denen uns vorgehal-ten wird, parteiisch zu sein.

Noch einmal zurück zu Ihnen:Welches berufliche Ziel habenSie sich noch gesteckt?

Gräfe: Ziel meiner Forschung istdie Entwicklung von Methodenund Verfahren, welche uns dabeihelfen, künftige Entwicklungenund Ereignisse genauer vorherzu-sagen, um auf diese Weise zu besse-ren Entscheidungen zu gelangen.Wahlen sind hierbei nur eines vonvielen Anwendungsgebieten. Indiesem Zusammenhang interes-siert mich insbesondere die Ent-wicklung von Modellen, welcheEntscheidungsunterstützung fürpolitische Parteien und Kandida-ten liefern, beispielsweise zu Fra-gen, welche Kandidaten nominiertoder welche Themen im Wahl-kampf thematisiert werden sollten.Grundsätzlich sehe ich mich lang-fristig eher in der Forschung als inder Privatwirtschaft, eine Progno-se wage ich allerdings noch nicht.

� aufgewachsen in Viechtach� Jahrgang 1978� Studium der VWL und Wirt-schaftsinformatik an der UniRegensburg� Promotion an der Uni Karlsru-he am Institut für Technikfol-genabschätzung und System-analyse� zweijähriger Forschungsauf-enthalt an der University ofPennsylvania in Philadelphia,verantwortlich für das Progno-seportal PollyVote.com� Mitarbeiter bei Sky Deutsch-land� Seit Dezember 2011 LMU Re-search Fellow am Institut fürKommunikationswissenschaftund Medienforschung der LMUMünchen. − nem

Lebenslauf

5Prozent nur der etwa 5500 Katholiken sindgestern in Viechtach zur Wahl ihrer Kir-

chenverwaltung gegangen. Die niedrige Betei-ligung ist indes nicht ungewöhnlich bei derWahl dieses Gremiums. − Seite 30

ZAHL DES TAGES

16 Angeklagte vor GerichtViechtach. 16 Verhandlungen weist der Sit-zungsplan des Amtsgerichts für diese Wocheauf. Nur eine Verhandlung ist am heutigenMontag angesetzt: Die Jugendrichterin urteiltin einem Fall von Körperverletzung. Weitergeht’s am Mittwoch. Vor dem Strafrichtermuss sich ein Mann wegen Vergehen gegendas Betäubungsmittelgesetz verantworten.Zwei Männer und eine Frau sind danach we-gen Betrugs angeklagt. Auf der AnklagebankPlatz nehmen müssen zudem ein Mann wegenVerletzung der Unterhaltspflicht, einer wegenBeleidigung und ein weiterer wegen Strafverei-telung. Am Donnerstag werden Ordnungswid-rigkeiten behandelt. Acht Mal geht es um Ver-gehen im Straßenverkehr, außerdem um Ver-stöße gegen das Abfallgesetz und gegen dasTierschutzgesetz. − age

Wie hoch werden die Steuern?Teisnach. Am Donnerstag, 22. November, ab18.30 Uhr findet im Sitzungssaal des Rathau-ses in Teisnach die nächste Sitzung des Markt-gemeinderates statt. Die Tagesordnung: Be-richt der Bürgermeisterin über laufende Ange-legenheiten; Marktfest 2013; Zuschuss zur Be-schaffung eines Mähtraktors für den FC Kai-kenried 1958; Beschluss zur Gestaltung derGranitsäulen im Naturfriedhof; Beschaffungeiner Einbauküche für die Kindertagesstätte;Vergabe der Ingenieurleistungen für die Er-schließung im GI Teisnach Oed II; Festsetzungder Steuerhebesätze für das Haushaltsjahr2013; Wünsche und Anträge. Eine nichtöffent-liche Sitzung schließt sich an. − vbb

KURZ NOTIERTVorfahrt missachtetPatersdorf. Am Freitag gegen13.45 Uhr kam es in Patersdorfzu einem Verkehrsunfall, zumGlück ohne Verletzte. Ein 48-jähriger VW-Fahrer aus demLandkreis Cham fuhr mit einemFirmen-Mehrzweckfahrzeug dieB 11 von Ruhmannsfelden kom-mend in Richtung B 85. Zumselben Zeitpunkt fuhr ein 74-Jähriger aus dem AltlandkreisViechtach mit seinem Ford dieStaatsstraße 2136 von Paters-dorf kommend in Richtung B 11.An der Einmündung missachte-te er die Vorfahrt des VW-Fah-rers und fuhr in die Bundesstra-ße ein, wodurch es zum Zusam-menstoß kam. Der Gesamtscha-den beträgt etwa 6000 Euro.

Diesel abgezapftRuhmannsfelden. In der Nachtauf Samstag entwendeten Unbe-kannte aus drei Lkw, die auf ei-nem Abstellplatz in der Hoch-straße standen, insgesamt 1100Liter Diesel im Wert von rund1600 Euro. Dabei wurden vonzwei Lastern die Tankdeckelaufgebrochen. An einem Lkwwar der Tank nicht versperrt.

Unfall unter AlkoholViechtach. Am frühen Sonntag-morgen kam es in Viechtach zueinem Unfall mit einem Verletz-ten. Gegen 4.30 Uhr befuhr ein23-Jähriger mit seinem Audi dieStaatsstraße 2139 von Bad Kötz-ting kommend in RichtungViechtach. Kurz nach der Ort-schaft Lammerbach kam er in ei-ner scharfen Rechtskurve nachlinks von der Fahrbahn ab undprallte gegen mehrere Sträucherund kleinere Bäume. Der Audi-fahrer wurde leicht verletzt insKrankenhaus gebracht. Ein Al-koholtest ergab, dass er erheb-lich alkoholisiert war. Am Pkwentstand Totalschaden in Höhevon etwa 1000 Euro. − vbb

POLIZEI

Von Jörg Klotzek

Viechtach. Es gehört zumVolkstrauertag wie das Gebetdes Pfarrers oder die Rede desBürgermeisters: das Lied vomguten Kameraden. JohannPenzkofer, Vorsitzender der Sol-daten- und Reservistenvereini-gung Viechtach, hat gesternbeim traditionellen Gedenkenvor der Stadtpfarrkirche einekurze Abhandlung über das vorgut 200 Jahren komponierte Sol-datenlied gehalten.

„Ich hatt einen Kameraden,einen bessern findst du nit . . .“beginnt der von Ludwig Uhland1809 gedichtete Liedtext, derschnell Eingang in die militäri-sche Tradition fand. JohannPenzkofer erinnerte daran, dassdas Lied vor allem nach dem 1.Weltkrieg bei militärischen An-lässen Verwendung fand unddeshalb bis heute zum Volks-

trauertag gehört. Denn 1919führte der Volksbund deutscheKriegsgräberfürsorge das Erin-nern und Mahnen an die Totendes Weltkrieges ein. Mit der un-säglichen Zeit des Dritten Rei-ches hat „Der gute Kamerad“demnach wenig zu tun. Das Liedwird auch immer wieder alsheimliche Hymne der Deut-schen bezeichnet.

Gestern intonierte die Stadt-kapelle Viechtach unter Leitungvon Robert Strasser erneut dasLied in Anwesenheit von einemDutzend Fahnenabordnungenund neben einem Ehrenspalierder SRV Viechtach, verstärktdurch die MarinekameradschaftRegen-Viechtach und mehrereFeuerwehren sowie von Verei-nen und der Kolpingsfamilie.

Stadtpfarrer Berthold Helgertbetete zusammen mit dem evan-gelischen Geistlichen Ernst-Martin Kittelmann Fürbitten

und mahnte die Einhaltungchristlicher Fundamentalwertebei den politisch Verantwortli-chen an.

Bürgermeister Georg Bruck-ner forderte im Beisein von rund200 Personen, darunter zahlrei-che Stadträte, auf dem sonnen-beschienenen Platz beim Krie-gerdenkmal ebenfalls die Han-delnden auf politischer Ebeneauf, „ihr Tun an den GebotenGottes auszurichten“. Brucknerrief die toten Soldaten der Kriegein Erinnerung, aber auch dieVermissten und Gefangenen,ebenso die Vertriebenen undGeflohenen. Er sprach auch vonBürgern aus Viechtach, die un-ter dem 2. Weltkrieg gelitten hat-ten und legte einen Kranz nieder.Für alle Opfer von Krieg, Terrorund Gewalt bat der Rathauschef:„Möge der Frieden erhalten undgestärkt werden.“

SRV-Vorstand Johann Penzkofer informierte am Volkstrauertag über das deutsche Liedgut

Gedanken zum Lied vom guten Kameraden

Mit Staatsmann Benjamin Franklin: Andreas Gräfe (34) hat zwei Jahre ander University of Pennsylvania in Philadelphia geforscht und war dort ver-antwortlich für das Prognoseportal PollyVote.com. − Foto: privat

Die Stadtkapelle Viechtach unter Leitung von Robert Strasser spielte gestern neben der Deutschland-Hymne das Lied vom guten Kame-raden, das zur Tradition bei Gedenkfeiern am Volkstrauertag gehört. − Fotos: Klotzek

Die Trauerbänder präsentiertendie Fahnenträger der Vereine.