VIERTELJAHRSSCHRIFT - NGZH

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VIERTELJAHRSSCHRIFT DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN ZÜRICH unter Mitwirkung von C. BURRI, A.U. DÄNIKER, P. FINSLER, H. FISCHER, A. FREY-WYSSLING H. GUTERSOHN, P. KARRER, B. MILT, P. SC HERRER H. R. SCHINZ, FR. STITSSI und M. WALDMEIER herausgegeben von HANS STEINER Beiheft Nr. 3/4 Festigkeitsuntersuchungen und gezielte Extensionsbehandlung der Lendenwirbelsäule unter Berücksichtigung des Bandscheiben-Vorfalles Von Prof. Dr. sc. techn. TH. WYSS und S. P. ULRICH Mit einem Vorwort von Prof. Dr. med. H. KRAYENBÜHL Preis Fr. 9.50 DRUCK UND VERLAG GEBR. FRETZ AG ZÜRICH

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VIERTELJAHRSSCHRIFT

DER NATURFORSCHENDEN

GESELLSCHAFT IN ZÜRICHunter Mitwirkung von

C. BURRI, A.U. DÄNIKER, P. FINSLER, H. FISCHER, A. FREY-WYSSLING

H. GUTERSOHN, P. KARRER, B. MILT, P. SC HERRER

H. R. SCHINZ, FR. STITSSI und M. WALDMEIER

herausgegeben von

HANS STEINER

Beiheft Nr. 3/4

Festigkeitsuntersuchungen und gezielteExtensionsbehandlung der Lendenwirbelsäule

unter Berücksichtigung desBandscheiben-Vorfalles

Von

Prof. Dr. sc. techn. TH. WYSS und S. P. ULRICH

Mit einem Vorwort von

Prof. Dr. med. H. KRAYENBÜHL

Preis Fr. 9.50

DRUCK UND VERLAG GEBR. FRETZ AG ZÜRICH

Vierteljahrsschrift der NaturforschendenGesellschaft in Zürich

unter Mitwirkung vonC. BURRI, A.U. DÄNH{ER, P. FINSLER, H. FISCHER, A. FREY-WYSSLING, H. GUTERSOHN, P. KARRER,

B. MILT, P. SCHERRER, H. R. SCHIN'Z, FR. STÜSSI und M. WALDMEIERherausgegeben von

HANS STEINER, ZÜRICH 7Druck und Verlag: Gebr. Fretz AG., Zürich

Nachdruck auch auszugsweise nur mit Quellenangabe gestattet

Jahrgang 99 Beiheft 3/4 30. September 1954

Festigkeitsuntersuchungen und gezielteExtensionsbehandlung der Lendenwirbelsäule

unter Berücksichtigung desBandscheiben -Vorfalles

Von

TH. WYSS und S. P. ULRICH (Zürich)

Inhaltsverzeichnis

I. Festigkeitsuntersuchungen an den Bandscheiben der Lumbal-Wirbelsäule unterBerücksichtigung des Bandscheibenvorfalles 3

Vorwort von Prof. Dr. med. H. KRAYENBÜEL 41. Einleitung 52. Druckversuche 10

a) Axialer Druckversuch mit den durch eine Bandscheibe verbundenen Wirbel-körpern L 1 und L 2 10

b) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängenden Wirbelkörpern L 1/S 1 14c) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängenden Wirbelkörpern L 1/S 1 17d) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängenden Wirbelkörpern L 1/S 1 19e) Axiale Druckversuche mit einzelnen Bandscheiben L 3/L 4, L 4/L 5 und L 5/S1

Versuche I—III 203. Zugversuche 29

a) Axialer Zugversuch mit der Lumbal-Wirbelsäule L 2/L 5 eines 17jährigenMannes 30

b) Axialer Zugversuch mit der Lumbal-Wirbelsäule L 2/L 3 eines 27jährigenMannes 36

c) Axialer Zugversuch an isolierten Wirbelbögen L 1/S 1 mit Bandapparat . 40d) Axialer Zugversuch mit Interosseussehne am Vorderfuss eines 16jährigen

Kaltblutpferdes 42

1

4. Biegeversuche } 42a) Ventraler Biegeversuch mit Lumbal-Wirbelsäule L 1 bis L 5 . 44b) Dorsaler Biegeversuch mit Lumbal-Wirbelsäule L 1 bis L 5 46c) Ventraler Biegeversuch an Wirbelsäulenabschnitt Th 12/S 1 47d) Ventraler Biegeversuch an Wirbelsäulenabschnitt Th 12/L 4 48e) Ventraler und dorsaler Biegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1 . . 49f) Ermittlung der neutralen Linie durch ventralen und dorsalen Biegeversuch

mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1 51g) Ermittlung der neutralen Linie durch Biegeversuche wie unter f) . 51

5. Torsionsversuch 54a) Torsionsversuch mit Lumbal-Wirbelsäulenabschnitt L 3/L 5 54

6. Schubversuche 56a) Schubversuch mit Wirbelkörper L 3, männlich, 33jährig 57b) Schubversuch unter Schlageinwirkung 61

7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 61I. Druckversuche 62

II. Zugversuche 64III. Biegeversuche 65IV. Torsionsversuch 66V. Schubversuch 66

8. Zur Prophylaxe der Bandscheibenschädigungen 679. Zusammenfassung 74

Resume 75Summary 75Literaturangaben 75

H. Experimentelle Untersuchungen über die dreidimensional wirkende Mikro- undMakro-Lumbal-Wirbelsäulenextension auf die Bandscheiben 77

Einleitung 781. Lineare Zugversuche an der Wirbelsäule 782. Arten der Verformung der Wirbelsäule 803. Die Versuchseinrichtung 844. Die Messmethodik 865. Die Versuchsergebnisse 906. Zusammenfassung der Messergebnisse 1027. Klinische Möglichkeiten der Extension nach ULRICH 1038. Allgemeine Zusammenfassung 1049. Klinische Anwendungen 105

A. Zur Behandlung der lumbalen Diskopathie mittels gezielter Kyphosierung in derMikro- und Makro-Lumbal-Wirbelsäulen-Extension von Dr. med. JOST AMMANN

und S. P. ULRICH 105B. Zur Kyphosierungs-Extension der Halswirbelsäule 125C. Zur funktionellen Röntgendiagnostik der Wirbelsäule von

Dr. med. ANDREAS HOCH 13910. Zusammenfassung 140

Résume 141Summary 142

11. Schlussbetrachtungen und Verdankungen 142Literaturangaben 144

2

I.Fe stigkeitsuntersuchungen

an den Bandscheiben der Lumbal-Wirbelsäuleunter Berücksichtigung des

Bandscheibenvorfalles

VorwortDie Erkenntnis, dass Hexenschüsse, akute oder chronische Kreuzschmerzen,

Ischiasbeschwerden, Genick-, Schulter- und Armschmerzen Folgeerscheinun-gen von alters- oder krankheitsbedingten Zwischenwirbelscheibenveränderun-gen oder -Brüchen (sog. Diskushernien) sind, hat sich in den letzten 10 bis15 Jahren durchgesetzt und behauptet, gegenüber der früheren üblichen Auf-fassung der rheumatischen Natur dieser so ungemein häufigen Leiden.

Wir wissen heute, dass die Bandscheibendegeneration das Endstadium desAlterungsprozesses, also eines biologischen Vorganges darstellt und somit alsein funktionsmechanisch bedingter Verschleissvorgang aufzufassen ist. DieZwischenwirbelscheibe übernimmt als Bewegungssegment im vertebralenFunktionsgefüge die Bewegungsdynamik der Wirbelsäule. Sie ist, besondersim Lendenbereich, infolge dauernder funktioneller Beanspruchung der mehroder weniger vorzeitigen «Abnutzung» ausgesetzt. «Der Mensch ist nicht nurso alt wie seine Gefässe, sondern auch so alt wie seine faserknorpeligen Wirbel-synchondrosen.» (KUHLENDAHL) .

Die vorliegende Monographie von Prof. TH. WYSS und S. P. ULRICH gibtnun an Hand zahlreicher, schöner und äusserst exakter Versuche einen Ein-blick in die Festigkeit der Bandscheiben und in die Folgen der versChiedenenKrafteinwirkungen auf die Zwischenwirbelscheiben.

Diese Versuche haben eine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht nurdie Bewegungsdynamik der Lendenwirbelsäule analysieren, sondern auch dar-tun, dass es eine echte primär-traumatische Bandscheibenzerreissung gibt,ohne vorbestandene Degeneration, ohne gleichzeitigen Wirbelbruch und ohneWirbelluxation, doch nur als seltene Erscheinung und nur nach ungewöhnlichschwerer, äusserer Gewalteinwirkung.

Der zweite Teil der Arbeit stellt einen Versuch dar, mit einer geeignetenApparatur in sinnvoller Weise die Möglichkeiten einer Entlastungsbehand-lung der durch die von den Zwischenwirbelscheibenveränderungen verur-sachten Beschwerden in überzeugender Weise aufzuzeigen.

Es ist zu hoffen, dass diese Repositionsmethode weitgehend Anklang findetund Ansporn zu weiterer Entwicklung und differenziertem Ausbau für klini-sche Zwecke geben wird.

H. KRAYENBüHL

4

EinleitungDie physiologische Bedeutung der Bandscheibe für den Körper ist allge-

mein bekannt. Die Untersuchungen von SCHMORL und seinen Schülern gabenin den letzten 20 Jahren einen Einblick in das pathologische Verhalten derBandscheiben. Das mechanische Verhalten der Bandscheiben wurde u. a. vonGÖCKE (1) untersucht; seine Arbeiten sind grundlegend.

Im Zeitalter der genauen Diagnostik der Bandscheibenvorfälle sind jedochweitere Festigkeitsuntersuchungen erwünscht, die Hinweise auf deren mecha-nische Entstehung und auf die Möglichkeit der Behandlung geben. Aus die-sem Grunde dient die vorliegende Arbeit in erster Linie als Ergänzung derAbhandlung von GöCKE.

Die Bandscheiben der Wirbelsäule sind als eines der wichtigsten und vital-sten Verbindungsglieder des menschlichen Körpers zu betrachten. Sie unter-liegen dauernd einer mechanischen Beanspruchung, und es können über-mässige Beanspruchungen aller Art Schädigungen hervorrufen. Der Ausdruck«übermässige Beanspruchung» ist als relativer Begriff zu betrachten, denn siehängt je nach Konstitution, lokalen Fehlern, Routine, Alter usw. von einerReihe von Faktoren ab.

Die Untersuchung der Bandscheiben und ihre Verbindung mit den Wir-belkörpern in festigkeitstechnischer Hinsicht dürfte daher von allgemeinemInteresse sein. Im Nachfolgenden werden nun die Ergebnisse folgender Ver-suchsarten bekanntgegeben:

a) Druckversuche mit einzelnen Bandscheiben und ganzen Abschnitten derLumbal-Wirbelsäule.

b) Zugversuche mit ganzen Abschnitten.c) Biegeversuche mit ganzen Abschnitten.d) Torsionsversuche mit ganzen Abschnitten.e) Schubversuche mit ganzen Abschnitten.

Alle diese Versuche wurden unter steigender Belastung mit Hilfe von Ver-formungsmessungen durchgeführt, wobei entweder Messapparate verwendetworden sind, oder die Ausmessung direkt am Röntgenbild stattgefunden hat.Besonderes Gewicht wurde auf die Feststellung der bleibenden Verformun-gen und der Erholung gelegt. Die Ergebnisse gehen aus einer grossen Anzahlvon Diagrammen hervor.

Die vorliegende Untersuchung ist als Grundlage zur nachfolgenden Ab-handlung

«Experimentelle Untersuchungen über diedreidimensional wirkende Mikro- und Makro-

Lumbal-Wirbelsäulenextension auf die Bandscheibe»

zu betrachten.

5

51-(4ä) -'1

Abb. 1 Ansicht des lumbo-sakralen Teils der menschlichen Wirbelsäule

In den nachfolgenden Abb. 1 bis 4 werden als Einführungder lumbo-sakrale Teil der Wirbelsäule in Ansicht und Längsschnitt,Abb. 1 und 2,ein Querschnitt durch einen Wirbelkörper, Abb. 3sowie Einzelheiten der Bandscheiben, Abb. 4,

gezeigt.Zu diesen Abbildungen dürften noch einige Erläuterungen zweckmässig

sein.

1. Die B a n d s c h e i b en (Zwischenwirbelscheiben)

Die Bandscheiben bestehen aus:

a) dem Faserring (anulus fibrosus),b) dem Gallertkern (nucleus pulposus),c) den Deckplatten von ca. 1 mm Dicke, die mit der Spongiosa der Wirbel-

körper verbunden sind.

Der F a s er r i n g bildet die feste Verbindung zwischen je zwei Wirbel-körpern und besteht aus 10 bis 12 konzentrisch angeordneten Lamellen, derenstarke Dehnbarkeit auf den kollagenen, spiralartig ausgebildeten Fasern be-ruht. Diese Fasern endigen je nach der Lage der Lamellen an den Randleisten-knochen oder an den inneren Zonen der Deckplatten, Abb. 29II. Beachtenswert

6

Abb. 2 Längsschnitt durch den lumbo-sakralen Teil der menschlichen Wirbelsäule

Abb. 3 Querschnitt durch einen Wirbelkörper. 2. Lendenwirbel

7

BandscheibeNucleus

pulposus

WirbetKörper

Lamellen 4erBandscheibe

äusseresLängsband

DiagonalerVerlauf derkollagenen

Fasern

Hauptsponnungs-Imlen

c) Querschnitt durch eine BandscheibeFl

mit NucleusSchnitt fl-B

be i Druckbeanspr.

a) Detail aus dem Längsschnitt durch Wirbelkörper und Bandscheiben

b) Rnsicht zweier Wirbelkörper mit BandscheibeAuf Torsion beanspruchter Zylinder

Abb. 4

ist, dass die Fasern benachbarter Lamellen sich kreuzen. Ihr Verlauf ist ähn-lich demjenigen der Hauptspannungslinien eines auf Torsion beanspruchtenZylinders (Abb. 4b).

Der Nucleus p u l p o s u s besteht aus Bindegewebefasern und einergallertartigen Masse. Durch einen inneren Überdruck im Nucleus pulposuswerden die Lamellen des Faserringes in Spannung versetzt. Infolge der exzen-trischen Lage des Nucleus pulposus ist der Faserring auf der dorsalen Seitewesentlich dünner als auf der ventralen.

8

2. Die Gefahrstellen für Diskushernien (Abb. 4c)

Vom festigkeitstechnischen Standpunkt aus sind besonders die dorsalenZonen des Faserringes als Gefahrquellen zu betrachten, und zwar weil:

a) der Faserring in der dorsalen Zone die dünnste Wandung aufweist,b) der Faserring in diesem Bereich infolge der zylindrischen Form des

Wirbelkanals gegen den Nucleus pulposus zu gewölbt ist, und so durchden inneren Wanddruck sehr ungünstige Beanspruchungen verursachtwerden (Abb. 4c),

c) ähnliche ungünstige Verhältnisse sich auch an den Übergangszonenzeigen (Abb. 4c).

3. Arten der Diskushernien

Die lumbalen Diskushernien treten am meisten zwischen dem 20. und30. Altersjahr auf. Sie können in einer Schwächung der Bandscheibe als Folgeeiner Degeneration, oder, wie die vorliegende Arbeit zeigt, auch durch, aller-dings besonders schwere, äussere Einwirkungen entstehen. Insbesondere wirdihr Entstehen bei stark gespannten kollagenen Fasern und momentaner Kraft-einwirkung begünstigt, weil unter diesen Umständen die elastischen Reservennicht mehr sich geltend machen können.

Der Durchbruch der gallertartigen Masse des Nucleus pulposus kann ent-weder durch die Wandungen des Faserringes oder durch die Verbindungs-stelle zwischen Faserring und Wirbelkörper erfolgen. Unter Umständen kannauch die Deckplatte durchbrochen werden.

Die Masse des Nucleus pulposus kann nach erfolgtem Durchbruch durchden Faserring bei entsprechender Stellung der Wirbelkörper wieder in diealte Lage zurückgleiten, was als m o b i l e r P r o l a p s bezeichnet wird.Für solche Fälle ist das Verfahren der Makro- und Mikroextension von beson-derer Bedeutung, nach welchem versucht wird, durch mechanische Einwir-kung die günstigste und wirksamste Stellung der Wirbelkörper für das Zu-rückgleiten der ausgedrungenen Masse festzustellen.

Bei f i x i e r t e m P r o 1 a p s findet ein Zurückgleiten der aus der Band-scheibe ausgetretenen Masse des Nucleus pulposus nicht mehr statt, so dassunter solchen Umständen vorherrschend chirurgische Eingriffe zur Beseiti-gung der verursachten Störungen notwendig sind.

Im weiteren sei auf die «Documenta rheumatologica», herausgegeben vonder Fa. J. R. GEIGY AG., Basel, verwiesen, worin Prof. Dr. med. H. KaAYEN-BÜHL und Dr. med. et phil. E. ZANDER aus der neurochirurgischen Universitäts-klinik des Kantonsspitals Zürich berichten «Über lumbale und cervikaleDiskushernien».

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2. DruckversucheFolgende Druckversuche wurden ausgeführt:a) Axialer Druckversuch mit den durch eine Bandscheibe verbundenen

Wirbelkörpern L 1 und L 2, unter Aufnahme eines Spannungs-Verformungs-diagrammes (Abb. 5 bis 7).

b) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängenden WirbelkörpernL 1 bis L 5 und S 1 unter Ermittlung des Diagrammes der seitlichen Auswei-chung bei zunehmender Belastung (Abb. 8 bis 11).

c) Druckversuch mit sechs zusammenhängenden Wirbelkörpern L 1 bis L 5und S 1 unter Ermittlung der ganzen Verformungslinie für einen bestimmtenBelastungszustand (Abb. 12 bis 15) .

d) Gleicher Druckversuch mit direkten Verformungsmessungen (Abb. 16).e) Axiale Druckversuche mit einzelnen Bandscheiben und zwar:

1 Versuch mit Lumbal-Bandscheibe L 3/L 4,Alter 74 Jahre, männlich, Abb. 17.

4 Versuche mit Lumbal-Bandscheiben L 4/L 5,

Alter 21 Jahre, weiblich, Abb. 18 und 19,31 Jahre, männlich, Abb. 20 und 21,56 Jahre, männlich, Abb. 22 und 23,60 Jahre, männlich, Abb. 24 und 25.

1 Versuch mit lumbo-sakraler Bandscheibe L 5/S 1,Alter 20 Jahre, männlich, Abb. 27 und 28

sowie ein Vergleichsversuch mit Bandscheibe L 4/L 5eines männlichen Pudels, 3 Jahre alt, Abb. 26.

Die Ergebnisse sind die folgenden:

a.) Axialer Druckversuch mit den durch eine Bandscheibe verbundenenWirbelkörpern L 1 und L 2 (Abb. 5 bis 7)

In die Druckmaschine wurde ein Präparat von 6,3 cm Länge, bestehendaus den Wirbelkörpern L 1 und L 2 mit dazwischen befindlicher Bandscheibe,eingebaut (Abb. 5 und 6) und einem Druckversuch bis zum Bruch der Wir-belkörper unterworfen. Das diesbezügliche Kraft-Verformungsdiagrammgeht aus Abb. 7 hervor. Dieses durch stufenweise Belastung ermittelte Dia-gramm weist anfangs einen ziemlich geradlinigen Anstieg bis ca. 400 kg auf,von da an treten grössere Verformungszunahmen auf, als sie sich bei niedri-gerer Belastung zeigten. Die Bandscheibe hielt bis ca. 600 kg, cl. h. 40 kg/cm2,bzw. 40 atü stand. Erst bei dieser Belastung zeigte sich ein Austreten einerzähen Flüssigkeit, die vom Nucleus aus dem Inneren der Bandscheibe stammt.

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Der Druckversuch wurde durchweg mit Belastungen und Entlastungenausgeführt, woraus ersichtlich ist, dass bis ca. 50 kg, d. h. ca. 3,3 atü einstabiler Zustand mit nahezu völlig elastischem Zurückfedern besteht, wäh-rend von da ab die Entlastungs- und anschliessenden Belastungslinien in zu-nehmendem Masse auseinandergehen.

Beachtenswert ist die Zusammendrückung der Bandscheibe. Diese ist

bei 50 kg ca. 0,4 mm,bei 100 kg ca. 0,75 mm und steigt dann bei

300 kg auf ca. 1,7 mm an.

Da bei diesen Verkürzungen nach Abb. 5 vorherrschend die mittlere unddie Teile der beiden äusseren Bandscheiben in Betracht kommen, d. h. eineLänge von ca. 25 mm, so ergibt sich bei 100 kg Belastung ein prozentualesZusammendrücken von ca. 3 % und bei 300 kg von ca. 7 % des Bandscheiben-materials.

Wesentlich ist, dass der 63 mm lange Prüfkörper auf 56 mm zusammen-gedrückt werden konnte und mach erfolgter Entlastung, sowie längerer Warte-zeit eine Erholung eintrat und die Länge nach Beendigung des Versucheswieder auf 60 mm anstieg. Diese Erholung ist in erster Linie den Bandscheibenmit Nucleus zuzuschreiben.

Im vorliegenden Fall war die Druckfestigkeit der Bandscheibe nahezu gleichderjenigen der Wirbelkörper. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass bei

Pmax. = 600 kg

4 VI =4ö4/AY

Abb. 5 Versuche mit menschlichen WirbelsäulenDruckversuch mit Wirbelkörpern L1 und L 2

Ursprüngliche Länge des Körpers = 6,3 cmLänge des zusammengedrückten Körpers = 5,6 cmMaximale Zusammendrückung = 0,7 cmLänge des Körpers nach Erholung = 6,0 cmBleibende Zusammendrückung = 0,3 cm

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Abb. 6 Druckversuch mit Wirbelkörpern L 1 und L 2 in Druckmaschine

rein axialer Belastung und einwandfreier Beschaffenheit der Wirbelsäule imBereich L 1/L 2 ein beträchtlicher Sicherheitsgrad gegen Bruch vorhandenist. In Abb. 6 ist der zusammengedrückte Zustand des Präparates dargestellt.Die bleibende Verformung nach dem Versuch betrug 3 mm oder 5 % derGesamtlänge des Versuchskörpers.

Die Bandscheiben können bei Druckbeanspruchung mit einem durch einegallertartige Masse (Nucleus) gefüllten Druckbehälter verglichen werden.Aus dem Diagramm, Abb. 7, kann in dieser Hinsicht gefolgert werden, dassein wesentliches Nachgeben der Wandungen von einem Innendruck von ca.30 atü an stattfindet. Wie eingehend schon erwähnt, erfolgte der Durchbruchder gallertartigen Masse bei ca. 40 atü.

Beachtenswert ist neben der Kurve der totalen Zusammendrückung die-jenige der bleib enden V e r f o r m u n g, die schon bei verhältnismässigniedriger Belastung anfängt. Die Kurve der bleibenden Zusammendrückungergibt sich aus dem zickzackförmigen Verlauf der Belastungs- und Entlastungs-

12

P-kg

pbshscherheed

Starke Oef rmalion I*tweet/ abgebrochen

Knochen vnsich zusammengefallen.

0

linien. Die totale Verformung kann dadurch in einen plastischen und einenelastischen Anteil unterteilt werden. Der elastische Anteil stellt die Z u -r ü c k f e d e r u n g des Nucleus pulposus sowie des Bandscheibenmaterialsdar. Der plastische Anteil wird nach längerer Wartezeit sich infolge weitererErholung noch etwas vermindern und im untersten Belastungsbereich ganzverschwinden.

Um einen Begriff zu erhalten, welche Kräfte an der meist beanspruchtenBandscheibe L 5/S 1 auftreten, sei auf Messungen hingewiesen, die nachWILLE WARIS (2) an der Universität Helsinki ausgeführt worden sind. Nachdiesen beträgt die Distanz zwischen Processus spinosus und Zentrum Nucleuspulposus auf der Höhe von L 5 ca. 6,7 cm. Der Hebelarm des Erector Spinae-Systems kann somit auf ca. 5 cm geschätzt werden.

Es wird angenommen, ein Mann, dessen Rumpf um 45° gebeugt ist, hebeein Gewicht G von 20 kg. In diesem Fall ist der Hebelarm zwischen Gewichtund Nucleus pulposus ca. 30 cm. Es müssen nach Abb. la sich somit auf derHöhe von L 5 im Gleichgewicht halten

20 X 30 = 5 X Z = 600 cm kg, somitZ=120 kg.

Demnach wird unter diesen Umständen

die Zugkraft Z im Bandapparat der Wirbelbögen ca. 120 kgdie Druckkraft D auf die Bandscheibe L 5/S 1 ca. 140 kg.

Bei 90° gebeugtem Rumpf ist der Hebelarm zwischen Gewicht und Nuc-leus pulposus ca. 40 cm. Bei der Hebung des gleichen Gewichtes wird

die Zugkraft Z im Bandapparat ca. 160 kgdie Druckkraft D auf die Bandscheibe ca. 180 kg.

Abb. 7 Druckversuch mit Wirbelkörpern L 1 und L 2 mit Entlastungen

13

ursprüngliche tinge des Kdgers = 21.1 cmLange dessusonme9edreicklenXbrpers =16,8 ehles.Zusnmmendruckung 4,3 cLangqe des It pers nach Erholung = 205 nbleibende Z sammendrJckung 0,6 a

Abb. 8Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule.

Messung der Ausbiegung

In vielen Fällen werden wesentlich höhere Gewichte gehoben, unter Um-ständen ruckweise. Zur Verminderung der Beanspruchungen im lumbalenTeil der Wirbelsäule ist daher notwendig, dass der Hebelarm zwischen Lastund Nucleus pulposus möglichst klein gehalten wird, d. h. dass die Lastmöglichst nahe am Körper gehoben wird. Beim Heben eines Gewichtes von50 kg und mehr treten auf der Bandscheibe L 5/S 1 unter Berücksichtigungdes Gewichtes des menschlichen Körpers Drücke von 300 bis 400 kg undsomit Pressungen im Nucleus pulposus zwischen 20 und 26 atü auf (vgl.Abb. 7). Unter solchen Umständen machen sich in den Bandscheiben schonganz wesentliche Verformungen geltend.

Wird nach Abb. 1 noch berücksichtigt, dass im Bereich L 5/S 1 wesentlicheSchubkräfte Q zur Wirkung kommen, so ist leicht erklärbar, weshalb so vieleSchäden an den Bandscheiben L 4/L 5 und L 5/S 1 auftreten. Nach Abb. 1kann die Schubkraft Q bei der Bandscheibe L 5/S 1 ca. die Hälfte der Druck-kraft D betragen.

b) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängendenWirbelkörpern L 1/S 1 (Abb. 8 bis 11)

Dieser Druckversuch wurde mit der ganzen Lumbal-Wirbelsäule ausge-führt, wobei die seitliche Ausbiegung in halber Höhe gemessen wurde. Überdie Durchführung dieses stufenweisen Druckversuches geben die Abb. 8, 9und 10 einen Einblick, woraus hervorgeht, in welchem Mass die Zusammen-drückung ausgeführt worden ist.

14

Abb. 9 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule in Druckmaschine mit Messung derseitlichen Ausbiegung. Ausgangszustand

Die Messergebnisse sind im Belastungs-Verformungsdiagramm, Abb. 11,zusammengestellt, woraus hervorgeht, dass auch hier Belastungen und Ent-lastungen stattgefunden haben. Der Anstieg der Kurve, d. h. die seitlicheAusbiegung geht 'am Anfang auch hier bis 100 kg ziemlich proportional denBelastungen; von ca. 150 kg an findet dann eine stärkere Zunahme der Aus-biegung statt. Bei einer Last von 400 kg hat eine sprunghafte Verformungder Knochen stattgefunden, so dass der Versuch abgebrochen wurde.

Bemerkenswert ist, dass die Bandscheiben äusserlich allen Beanspruchun-gen, die infolge des Biegeeinflusses ganz beträchtlich waren, Stand hielten.

Der ursprünglich 211 mm lange Prüfkörper wurde nach Abb. 8 auf 168 mmzusammengedrückt und erholte sich nach der Entlastung und einer längerenRuhepause bis auf 205 mm. Die bleibende Zusammendrückung war somitbloss 6 mm oder 2,9 %. Auch hier ist das Zurückfedern des Wirbelsäulenab-schnittes in erster Linie dem elastischen Verhalten der Bandscheiben zuzu-schreiben.

15

400

9

Abb. 10 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule in Druckmaschine mit Messung derseitlichen Ausbiegung. Zustand der maximalen Zusammendrückung

P=kg

500—

Abb. 11 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule mit Entlastungen

16

Ausser der Kurve der totalen Ausbiegungen ist noch diejenige der blei-benden Ausbiegungen eingezeichnet worden, die sich bei Berücksichtigungder Erholung gegen die durch o gehende Vertikale zu verschiebt. Auchhier kann bei der totalen Ausbiegung ein plastischer und ein elastischer(= zurückfedernder Anteil) unterschieden werden.

Aus dem Vergleich mit den in Wirklichkeit auftretenden Beanspruchungenim lumbalen Teil der Wirbelsäule (siehe Druckversuch a) ist ersichtlich,dass je nach Umständen schon Druckkräfte im Bereich zwischen 200 und300 kg kritisch werden können.

Dieser Versuch wurde unter Mitwirkung von Herrn P.-D. Dr. med. ERNSTBAUMANN, Chefarzt des Bezirksspitals Langenthal, ausgeführt.

c) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängendenWirbelkörpern L 1/S 1 (Abb. 12 bis 15)

Bei diesem weiteren Druckversuch wurde unter Zuhilfenahme der Rönt-genbilder der ganze Verformungsvorgang aufgenommen. Der Ausgangszustand

Abb. 12 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule. Ausgangszustand

Vergleiche Abb. 66

Abb. 13 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule. Belastungszustand

Vergleiche Abb. 67

2 17

Wirbelsäuleim Endzustand

3 e

Netz derAusgangsstellung

2 3 4

35 37 38 49 42 5

39 39 38 37 37 4

40 35 33 30

41 'to 40 41 42 2

48 39 31 23 14 1

Netz des Rusgon9s-zustandes (unbelastet)Netz des Endzu-standes (belastet)

Yerformungsmasse in mmbez Pusgangszustand

5

190

Dorrifortsälze

lrlrate

ae,R: zustand

usland

o E. zustand

laowe

woossitio%

A :on sz

Abb. 14 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule. Darstellung der Verformung beimBelastungsvorgang

mit den Messmarken ist in Abb. 12, der Endzustand in Abb. 13 dargestellt.In Abb. 14 sind die beiden Netze der Messmarken ineinandergezeichnet,so dass daraus deutlich der Unterschied zwischen Ausgangs- und Endstellungersichtlich ist. Die eingetragenen Zahlen geben die Grösse der Verformungder betreffenden Strecke in Millimeter an. Die Verkürzung der Achse der190 mm langen Meßstrecke ist unter dem Einfluss der Kraft P total 23 mm.Beachtenswert sind hierbei die Verschiebungen der Dornfortsätze. Bei denBandscheiben wunde eine maximale Längung von 2 mm, d. h. ca. 20 % undeine maximale Verkürzung von 4 mm, d. h. ca. 30 % festgestellt. Es betrifftdies bei der Verkürzung in erster Linie die Bandscheiben L 5/S 1 und L 4/1, 5.

In Abb. 15 ist ein Längsschnitt durch die Bandscheiben und Wirbelkörpernach dem Druckversuch dargestellt. Daraus geht hervor, dass infolge derstarken örtlichen Zusammendrückung sich bei der Bandscheibe L 5/S 1 eineHernie bildete. Auch der Wirbelkörper L 4 weist Schäden auf. Das innereLängsband ist intakt geblieben.

18

Hernie

Abb. 15 Längsschnitt durch die Lumbal-Wirbelsäule L 1 bis L 5 nach erfolgtemDruckversuch

Bildung einer Hernie zwischen L 5/S 1. Eindringen der Masse des Nucleus in denWirbelkörper L 4

d) Axialer Druckversuch mit sechs zusammenhängendenWirbelkörpern L 1/S 1 (Abb. 16)

(weiblich, 48 Jahre)

Dieser Druckversuch mit den Messungen der Längenänderungen . an Wir-belkörpern mit Bandscheiben und am Processus transversus sowie an denDornfortsätzen soll als Ergänzung zu dem vorgehend aufgeführten Druckver-such dienen.

Die Versuchsergebnisse sind in Abb. 16 zusammengestellt, woraus hervor-geht, dass die Verformungen bei stufenweiser Belastung bis 350 kg gemessenworden sind. Die einzelnen Meßstellen sind in einer besonderen Skizze ein-getragen.

19

0-350 -300 -

Pinky Messreihe

f. Messreihe (Mrbelkdrper)

32j 1ref.WI A (L1)

350 -300

ain 8(L2)C(L3)

200 41u 0 (L 4)100 - E(L5)

0

0 '8 -6 -k -2 0 + 2 +4 - !0 -8 -6 -ü -2 0 rl - 6 -4 - 2 D mm -2 -I 0 + /mm

Messtrecken: A-B

B-C C-D D-E

Abb. 16 Resultate des Druckversuches an L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

Aus den gemessenen Längenänderungen, aufgeführt in Millimeter, ergibtsich, dass die Belastung exzentrisch zur Wirkung kam, was als Folge desleicht gekrümmten Ausgangszustandes dieses Wirbelsäulenabschnittes anzu-sehen ist. Aus diesem Grunde sind die Verkürzungen längs den Wirbelkör-pern relativ gering und dementsprechend um so grösser bei den Dornfort-sätzen und den Processus transversi. Stellenweise treten bei der MessreiheA—B (L 1/L 2) Zugbeanspruchungen auf, was auf lokale Einwirkungen durchdie Auflager zurückzuführen ist.

Nach der Entlastung aus 350 kg sind durchweg beträchtliche bleibendeVerformungen feststellbar.

e) Axiale Druckversuche mit einzelnen Bandscheiben L 3/L 4, L 4/L 5und L 5/S 1 (Abb. 17 bis 28)

Bei diesen Versuchen wurden durchweg die Spannungs-Verformungsdia-gramme aus stufenweise ansteigender Belastung ermittelt. Da bei jeder Be-lastungsstufe wieder entlastet wurde, so war es möglich, auch die Kurve derbleibenden Zusammendrückung zu bestimmen. Hierzu ist zu bemerken,dass bei dieser Kurve der bleibenden Zusammendrückung, infolge allmäh-licher Erholung, noch Verschiebungen gegen die Nullachse zu stattfinden wer-den. Da die Präparate von Personen verschiedenen Alters stammen, so ist esmöglich, den Einfluss des Alters auf das elastische Verhalten der Bandschei-ben zu überprüfen.

Da die Verformbarkeit der Bandscheiben gegenüber derjenigen der Wirbel-körper ganz ausserordentlich überwiegt, so können die in den nachfolgendaufgeführten Kraft- oder Spannungs-Verformungsdiagrammen angegebenenZusammenpressungen in erster Linie den Bandscheiben zugeschrieben wer-

20

den. Bei vielen Präparaten wurde ausserdem die Dicke der Wirbelkörper-schicht auf ein Minimum beschränkt, so dass in diesen Fällen praktisch nurnoch eine dünne Scheibe der Wirbelplatte zur Geltung kommt. Diese Prä-parate sind an der geringen Höhe erkennbar.

Bei der Beurteilung des Verhaltens der Bandscheiben unter Druckeinwir-kung ist hervorzuheben, dass sie als nachgiebiges Auffangkissen zwischen deneinzelnen Wirbelkörpern aufzufassen sind. Dieses Problem wird im vorliegen-den Fall durch die Natur in der Form eines Druckbehälters gelöst, mit demgallertartigen Nucleus als Inhalt, dem stark verformbaren, aus verschiedenenLamellen bestehenden Faserring und dem sehr steifen Deckel oder Boden,der von den Wirbelplatten gebildet wird.

Durch das Zusammendrücken der Wirbelkörper findet eine Erhöhung desInnendruckes im Bandscheibenkörper statt, wodurch die Fasern in tangen-tialer Richtung auf Zug beansprucht werden und sich ausweiten. Hierbei istvon Wichtigkeit die Verbindung der Seitenwände mit den Wirbelkörpern,d. h. mit den Deckflächen und den Wirbelkörperrandleisten.

Findet infolge Durchbruch des Nucleus pulposus durch die Bandscheibeeine operative Beseitigung desselben statt, so treten veränderte Verhältnisseein. Der Druckausgleich fällt weg, der Faserring wird entspannt und erfährteine verstärkte Ausbuchtung, ferner stellt sich lokale Druckbelastung ein.Diese kann unter Umständen zur Bildung einer Druckatrophie an Faserringund Wirbelkörpern führen.

Die Ergebnisse der axialen Druckversuche mit einzelnen Bandscheibensind die Folgenden:

I. Druckversuch mit einer Bandscheibe Lumbal L3/L4

eines 74jährigen Mannes

Die Ergebnisse des Druckversuches mit dem 38 mm hohen Präparat gehenaus Abb. 17 hervor. Der Verlauf der Kurve der totalen Zusammendrückungsteigt vom Nullpunkt ausgehend relativ rasch an, so dass bei einem Druckvon 50 kg, bzw. 3 kg/cm 2 eine Zusammendrückung der Bandscheibe um0,6 mm und bei 100 kg, bzw. 6 kg/cm2 eine solche von ca. 1,0 mm stattfindet.Bei einer Belastung von 255 kg, bzw. 15 kg/cm 2 weist die Kurve eine starkeUmbiegung auf, worauf die Zusammendrückungen rascher zunehmen.

Die Rissbildung an der Bandscheibe findet bei 400 kg, bzw. 23,5 kg/cm2Belastung statt. Die Zusammendrückung beträgt 7,5 mm.

Einen ähnlichen Verlauf weist die Kurve der bleibenden Zusammendrük-kung auf, wobei jedoch im Vergleich zu den Bandscheiben jüngerer Men-schen der Abstand zwischen den Kurven totaler und bleibender Zusammen-drückung relativ beschränkt ist. Als Vergleich sollen die Abb. 18 und 20 so-wie 27 herangezogen werden. Der Einfluss des Alters kommt in dem Sinnezum Ausdruck, dass die Elastizität abnimmt und die bleibenden Verformun-gen schon sehr früh sich in verstärktem Masse geltend machen. Er zeigt sich

21

— Totale Zusammendrücku g

--- Bleibende Zusammendrücku 9nach Entlastungen

Fläche = 070 cm ef — 11,58ne,

gibe der Bandscheibe h- anon

Fläche des Lumba/wirbelkö per caleoc,,,2

Totale Zusammendrückuns trimm

-- Bleibende Zusammendrückun9 in mm

Abb. 17 Resultate des Druckversuches an L 3/L 4(männlich, 74 Jahre)

somit in erster Linie im Verhältnis des plastischen zum elastischen Anteilder Totalverformung.

Beachtenswert ist, dass im vorliegenden Fall eine Belastung der Bandscheibemit 240 kg schon kritisch wird.

II. Druckversuche mit den ZwischenbandscheibenLumbal L4/L5

1. Bandscheibe L 4/L 5, weiblich, Alter 21 Jahre (Abb. 18 und 19)

Das Kraft-Verformungsdiagramm für steigende Belastung mit zugehörigerEntlastung bei jeder Belastungsstufe ist in Abb. 18 dargestellt. Die Bela-stungs- wie die Entlastungskurve weisen zuerst einen flachen, dann einenimmer mehr ansteigenden Verlauf auf. Es deutet dies darauf hin, dass in den

05 (0 2,0 2.0 25 Fin Mtn

Zusammendrächung fin trim

Abb. 18 Resultate des Druckversuches mit Zwischenbandscheiben L 4/L 5(weiblich, Alter 21 Jahre)

22

Abb. 19 Bandscheibe L 4/L 5, weiblich, Alter 21 Jahre.Zustand nach dem Druckversuch

ventraler Vorfall

untersten Laststuf en die Bandscheiben viel nachgiebiger sind als bei höhernBelastungen und deutlich wie ein Puffer wirken, der besonders in den prak-tisch auftretenden Belastungsgrenzen sich geltend macht. So wurde bei einer

Belastung von 25 kg eine Zusammendrückung von 0,5 mm, d. h. ca. 4,2 %und von 50 kg eine solche von 0,7 mm, d. h. ca. 5,7 %

festgestellt. Die totale Zusammendrückung beträgt bei 450 kg, bzw. 25 kg/cm2Belastung ca. 2,5 mm oder ca. 20 % der Bandscheibenhöhe. Bei dieser Be-lastung trat der Bruch der knöchernen Deckplatte ein (Abb. 19) und dieNucleusflüssigkeit gelangte zum Austritt. Die kritische Belastung liegt beica. 300 bis 350 kg.

2. Bandscheibe L 4/L 5, männlich, Alter 31 Jahre (Abb. 20 und 21)

Das Kraft-Verformungsdiagramm für steigende Belastung weist bezüglichtotaler wie bleibender Zusammendrückung den gleichen charakteristischenVerlauf auf wie beim vorgehenden Druckversuch (Abb. 18), nur ist dieseBandscheibe in den untersten Belastungsstufen viel nachgiebiger und die blei-bende Verformung ist geringer. Im Vergleich der Abb. 18 und 20 kommenz. B. die Werte bei einerBelastung von 2,5 kg/cm2 : Verformung total 1,1 (0,6), bleibend 0,15 (0,3 ) mmBelastung von 5,0 kg/cm2 : Verformung total 1,3 (0,9), bleibend 0,3 (0,45) mmin Betracht.

Diese Erscheinung macht sich bis zum Bruch geltend, wenn auch in denhöheren Belastungsstufen nicht mehr in so ausgeprägtem Masse. Der B r u c hentstand im dorsalen Teil des Wirbelkörpers mit Aus-

23

tritt der Bandscheibenmasse nach hinten und zwar beieiner Totallast von 900 kg oder 45 kg/cm2. Die totale Zusammendrückung istbeim Bruch 2,6 mm, d. h. ca. 22 % bezüglich einer Bandscheibendicke vonca. 12 mm. Die Belastung von 300 kg scheint hier noch im sicheren Bereichzu liegen. -

Pin kg (Vice)(45/000

1357010_-

a9 --1.11111111

(f7onnbch> nee/ 1

415 iJenne

245.

FilrBaBruch

>.ob6ondos

®f

B

P

50

400

300051

200(5)0

e/arHsther *le195 I'f H•176mm.

IO.

/

5

t P

;.mm_m '—ücku 9 In m "

055

^^

45 Totale Zusammendrückung

Bleibende Zusammend^

0 05 1.0 15 2.0 25Pin mm

Abb. 20 Resultate des Druckversuches mit Zwischenbandscheiben L 4/L 5(männlich, Alter 31 Jahre)

Abb. 21 Zwischenbandscheibe L 4/L 5 (männlich, Alter 31 Jahre)Zustand nach dem Druckversuch

dorsaler Vorfall

24

:rüch7 .05 z 40

,- (6knn/ich.Aller56dahre)

3._ _

ja8 ^ 495 / P

9 ®^ 13

055 ' r

Talale 9Zusammendrücku in mmil

eleibende Zusammendrückung in mm6^) PFläche des Lum .0car,belkärper,ca 78.0cm 81

....A1

Pin k9/cm2(hg)

20.

(5025,(05

22,

N-V

m mm

5

(50l3,(25

(10

(1S

(f0

(52

3. Bandscheibe L 4/L 5, männlich, Alter 56 Jahre (Abb. 22 und 23)

Diese Bandscheibe weist ähnliche Verhältnisse bezüglich totaler und blei-bender Zusammendrückung auf (Abb. 22), wie diejenige des 31jährigenMannes, nur trat der Bruch schon bei 550 kg, bzw. 30,6 kg/cm 2 ein, wobeieine Totalverformung von 4,6 mm oder ca. 36 % sich zeigte. Der Bruchwurde wieder dorsalseitig am Übergang der Bandscheibe in den Wirbelkör-per (Abb. 23) festgestellt. Hier rückt die Belastung von 300 kg bereits inden kritischen Bereich.

Abb. 22 Resultate des Druckversuches mit Zwischenbandscheiben L 4/L 5(männlich, Alter 56 Jahre)

Abb. 23 Bandscheibe L 4/L 5 (männlich, Alter 56 Jahre)Zustand nach dem Druckversuch

dorsaler Vorfall

25

05)

0-uchfläche F.- 10un'hkhe der Zwischenbandscheibe IPh = /5¢mminhale Zusammendrüeku g m mm

Bleibende Zusammendrückung m inm

(a)

(5)

pres/ischer -2.0

h e/es/isther- hde/ +2 P

1

4. Bandscheibe L 4/L 5, männlich, Alter 60 Jahre (Abb. 24 und 25)

Beachtenswert ist bei dieser Bandscheibe, dass die Kurven der totalen undder bleibenden Zusammendrückung wesentlich näher aneinandergerückt sind,als dies z. B. bei der Wirbelsäule des 31jährigen Mannes, Abb. 20, der Fallist. Dies deutet daraufhin, dass, eventuell durch das Alter bedingt, das ela-stische Verhalten der Bandscheiben ganz wesentlich nachgelassen hat undeine weitere Rückfederung im entlasteten Zustand nur noch in geringemMasse in Frage kommen dürfte.

Bei einer Belastung von 450 kg, bzw. 22,5 kg/cm Z fand ein Abfliessen vonNucleusflüssigkeit statt; der völlige Zusammenbruch trat bei 500 kg, bzw.25 kg/cm2 und einer totalen Zusammendrückung von 8,1 mm ein (Abb. 25).

Pre kg (kg/m+)500(25)

Ausfluss von Sekret

400

Resultate des Druckversuches(20)

millwischenbandscheibe,Lumbal4=5.

Abb. 24 Resultate des Druckversuches mit Zwischenbandscheiben L 4/L 5(männlich, Alter 60 Jahre)

Abb. 25 Zwischenbandscheibe L 4/L 5 (männlich, Alter 60 Jahre)Zustand nach dem Druckversuch

Zusammenbruch der Decke des Wirbelkörpers

26

5. Bandscheibe L 4/L 5 eines 3jährigen männlichen Pudels (Abb. 26)

Zu Vergleichszwecken wurde die analoge Bandscheibe eines 3jährigen Pu-dels auf analoge Weise einem Druckversuch unterworfen. Auch hier zeigtesich in Abb. 26 eine Kurve totaler und eine solche bleibender Zusammen-drückung. Beachtenswert ist jedoch, dass viel höhere spezifische Drücke not-wendig sind, um den völligen Zusammenbruch herbeizuführen. Hierzu warein Druck von 595 kg, bzw. 197 kg/cm 2 erforderlich.

Es dürfte dies in erster Linie an den veränderten Bedingungen liegen, denendie Bandscheiben eines Hundes unterworfen sind, ferner spielt auch derwesentlich geringere Durchmesser und die geringere Höhe des Bandscheiben-ringes eine wesentliche Rolle. Die tangentialen Beanspruchungen nehmennämlich bei gleich dickem Bandscheibenring und gleichem Innendruck pro-portional dem Durchmesser ab.

Re

0.45 ^

*Ascher -Ilasil.`s°r Ailedc

0.4 ( 0.95i Drucklache F - 5,0 an'Ikhe der Zwischenbandscheibe hea6mm

Zusammendreicku 9- Tohale

0 Y l _ Bleibende

iZusamendückun9

05 1,5 5 mmZusammendrückung fin mm

Abb. 26 Resultate des Druckversuches an L 4/L 5(Pudel männlich, 3 Jahre)

III. Druckversuch mit einer Bandscheibe L5/S1(Abb. 27 und 28)

Von besonderem Interesse ist das Ergebnis des Druckversuches mit derdurch Flexion am meisten beanspruchten Bandscheibe L 5/S 1. Die vorliegenduntersuchte Bandscheibe stammt von einem 20jährigen Manne. Was beimVergleich der Kraft-Verformungskurven in Abb. 27 mit denjenigen derLumbal-Bandscheiben L 4/L 5 sofort auffällt, ist der ausserordentlich flacheVerlauf der Kurve der totalen Zusammendrückung in den unteren Bela-stungsstufen und der grosse Abstand zwischen den Kurven der totalen undder bleibenden Zusammendrückung. Es deutet dies auf ein starkes Nachgebender Bandscheibe infolge Druckbeanspruchung und demnach raschen Druck-ausgleich, ferner aber auch auf ein fast völliges Zurückfedern und rasches

Pin kgIcm2 (k9)200(600)175

/50(450)

(350)

(/50)

27

0% kena Bruch

5 17 iJ 33

O 44V phalischer /Wed) ebsfikr,

11 r I f

IIIIIIMW Druc0)

®Höhe

I Or0 095

- Totale Zusammendr

5) Bleibende Zusammeneach &Was

03 i ^ 1.

0

Pie kg/cm2(kg)4

(10d

4.(51

3(82i

(23

(11

N• 20mm

kflachef 23,5cm2der eondschebe h-04em

'cluing in mm

rückeng in mmnn9

n Zusommendruckunyfi eoe

Abb. 27 Resultate des Druckversuches an L 5/S 1(männlich, 20 Jahre)

Abb. 28 Druckversuch an L 5/S 1 (männlich, 20 Jahre)Röntgenaufnahme nach dem Druckversuch

Kein Vorfall, kein Zusammenbruch des Wirbelkörpers

Erholen hin. Dieses ganze Verhalten der Bandscheibe L 5/S 1 ist einerseitsauf das jugendliche Alter des betreffenden Mannes, anderseits auf die sehrgrosse Verformbarkeit dieser Bandscheibe im allgemeinen zurückzuführen.Dies zeigt sich besonders deutlich bei den Biegeversuchen.

Die Röntgenaufnahme (Abb. 28) des Wirbelkörpers L 5 zeigt, dass dieserbei der Belastung von 1000 kg, bzw. 42,5 kg/cm 2 deutlich ausgeprägte Gleit-figuren aufweist; der Bruch wäre demnach bald eingetreten. Die Druckbe-lastung von 300 kg dürfte wesentlich unterhalb des kritischen Bereichs liegen.

28

Um einen allgemeinen Überblick über die Ergebnisse der Druckversuchemit Bandscheiben zu erhalten, sind alle Werte in Zahlentafel 1 nochmalszusammengestellt worden.

Zahlentafel 1Zusammenstellung der Ergebnisse der Druckversuche mit Zwischenbandscheiben

Zusammendrückung f in mm bei

Bean-spru-chung

σ

kg/cm'

L3/L4 | Lumbal-Bandscheibe L4/L5 L5/S1

Alter des Menschen Alter d. Pudels Alt. d. Menschen

74 Jahremännlich

21 Jahreweiblich

31 Jahremännlich

56 Jahremännlich

60 Jahremännlich

3 Jahremännlich

20 Jahremännlich

total bleib. total bleib. total bleib. total bleib. total bleib. total bleib. total bleib.

2,5 0,5 - 0,6 0,3 1,1 0,15 0,6 0,15 1,8 0,9 - - 1,6 0,15,0 0,9 0,15 0,9 0,45 1,3 0,3 1,0 0,3 2,4 1,3 0,1 0,05 2,0 0,357,5 1,2 0,25 1,1 0,55 1,4 0,5 1,2 0,4 2,75 1,5 - - 2,1 0,5

10,0 1,5 0,4 1,25 0,61 1,5 0,55 1,5 0,5 3,2 1,7 0,2 0,13 2,3 0,7512,5 1,65 0,6 1,35 0,65 1,6 0,55 1,7 0,6 3,8 1,8 - - 2,4 0,8515 2,2 1,0 1,5 0,75 1,65 0,55 1,85 0,75 4,25 2,0 0,25 0,14 2,5 1,017,5 3,5 2,1 1,65 0,85 1,75 0,65 2,0 0,85 5,0 2,45 - - 2,6 1,020 5,1 3,9 1,85 0,9 1,8 0,7 2,2 1,0 5,7 3,0 0,3 0,15 2,7 1,122,5 7,5 1) 6,1 2,1 1,0 1,9 0,7 2,5 1,2 6,5 4,1 - -- 2,8 1,225 - - 2,5 - 1,95 0,7 3,2 1,7 8,1 5,2 0,35 0,17 2,9 1,230 - - - - 2,1 0,8 4,6') - - - 0,4 0,2 3,1 1,435 - - - - 2,25 0,9 - - - - - - 3,3 1,740 - - 2,45 1,15 - - - - 0,55 0,22 3,5 4) 1,945 - - - - 2,6 - - - - - - -50 - - - - - - - - - - 0,7 3) 0,25 - -

') Bruch bei 400 kg = 23,5 kg/cm' durch Rissbi dung.') Bruch durch Bandriss am Übergang in den Wirbelkörper bei 650 kg = 30,6 kg/cm'.') Bruch erst bei 590 kg, bzw. 197 kg/cm'.') Versuch abgebrochen, Bruch höher als bei 1000 kg, bzw. 42,5 kg/cm'.

3. ZugversucheFolgende Zugversuche wurden mit dem Lumbalteil der Wirbelsäule durch-

geführt:a)Axialer Zugversuch mit direkten Verformungsmessungen zwischen Lum-

balwirbelkörper L 3/L 4 und L 4/L 5 eines 17jährigen Mannes (Abb. 29 bis 35) .b) Axialer Zugversuch mit direkten Verformungsmessungen zwischen Lum-

bal-Wirbelkörper L 3/L 2 eines 27jährigen Mannes (Abb. 36 bis 40).c) Axialer Zugversuch mit direkten Verformungsmessungen an isolierten

Wirbelbögen mit Bandapparat zwischen L 1 und S 1 (Abb. 41 bis 43) .d) Axialer Zugversuch mit Interosseussehne am Vorderfuss eines Pfer-

des (Abb. 43a) .Die Ergebnisse sind die folgenden:

29

Rechts1=2

I I 1 I

r/esrre;he • linksnessVi ye: te 20

a) Axialer Zugversuch mit der Lumbal-Wirbelsäule L 2/L 5 eines 17jährigenMannes (Abb. 29 bis 35)

Zugversuch 1 (Abb. 29 bis 31a)

Das Präparat kam zur Einspannung zwischen L 2 und L 5/S 1. Als Mess-stellen an den Wirbelkörpern dienten die Abstände zwischen L 5/L 4 (Mess-länge 1-2), sowie L 4/L 3 (Messlänge 2-3) rechts, ventral und links(Abb. 29). Abstand der Messmarken je 40 mm.

Der Belastungsversuch wurde stufenweise durchgeführt, so dass Bean-spruchungen von 1.35/2.70/4.05/5.40 kg/cm 2 bezüglich Querschnitt der Wirbel-körper F = 22,2 cm2 entstanden. Die Ergebnisse der Dehnungsmessungengehen aus den Spannungs-Dehnungskurven (Abb. 29) hervor. Demnach zeigtesich eine ziemlich symmetrische Verformung bezüglich der linken und rech-ten Messreihe, wobei allerdings gegen den sakralen Teil zu grössere Ver-formungen festgestellt wurden. So ergaben sich bei einer mittleren Bean-spruchung von 5,4 kg/cm 2 = 120 kg totale Zugkraft bei L 5/L 4 Längungenbezüglich 40 mm Messlänge von ca. 6 %, währenddem sie zwischen L 3/L 4 nurca. 3,5 % betrugen. Analoge Verhältnisse, nur noch ausgeprägter, zeigen sichauf der ventralen Seite, der die Werte von 5 % gegen 1 % gegenüberstehen.Diese Unterschiede dürften den Verschiedenheiten in der Einspannung zuzu-schreiben sein.

Bei der Beurteilung dieser Dehnungswerte ist zu beachten, dass sie sichhauptsächlich auf die Bandscheiben beziehen, die ca. 1/3 der Messlänge aus-machen. Die maximale Dehnung bezüglich der Bandscheiben beträgt dem-nach bei der mittleren Zugbeanspruchung von 5,4 kg/cm 2 ca. 18 %. NachEntlastung aus 120 kg gingen die Längungen fast vollständig wieder auf Nullzurück. Der Zugversuch wurde mit steigender Belastung weitergeführt, wo-bei Beanspruchungen von 6,75, 9,0 und 11,25 kg/cm 2 erzeugt wurden. Der

Abb. 29 Resultate des Zugversuches mit Entlastungen(männlich, 17jährig)

an Lumbal L 2 bis L 5/S 1

30

a>Nach too Belasf-u. Fall&furrgen mif Zwlschen-pauserr(P=0-1 1 6kg/cl72 )

Messreihe: Mitte (ventral) PMesslänge :2-3

en

N 1350(300)

/1.25O 1750)

-5\ 900(7001

C 5: 75• (50)

4, _.(00)

ti 2,25• (50)

m 0

Rechts2'3

Sacral

0 1 2 3 11 0 1 2 3 4

Oehnunge7 1n % äezthasM2s5te'nge.

Abb. 31 Resultate der Zugversuche (männlich, 17jährig)

5

Riss unddorsaler Vorfall

Abb. 30 Längsschnitt durch den Wirbelsäulenabschnitt L 4/S 1 mit Riss anBandscheibe L 5/S 1 und dorsalem Vorfall

0 I 2 3 4 P 0 I 2 3 1-/ 5

b) Nach 131 Betast-u. EnHasfunyert reif ZwischenpausenMrss lönye: 203 (P= 0-15,751Cg/cm2) 2'3

31.

Versuch musste abgebrochen werden, als die lumbo-sakrale BandscheibeL 5/S 1 bei der Zugbeanspruchung von 12,6 kg/cm2 = 280 kg Totallast imBereich der Fassung abriss. Die Rissbildung längs Bandscheibe L 5/S 1 undWirbelkörper S 1 und dorsaler Vorfall sind in Abb. 30 deutlich ersichtlich. Beider Belastung 11,25 kg/cm 2 (250 kg) wurde auf der Meßstrecke 1-2 links eineLängung von 7,52 % ermittelt, was bezüglich der Bandscheibe ca. 22 % beträgt.

Infolge des Bandscheibenbruches wurde die kaudale Fixation auf L 4 ver-schoben, so dass bei den weiteren Dehnungsmessungen sich diese auf dieBandscheibe zwischen L 3/L 4 beschränken. Die Ergebnisse der ventralen undseitlichen (rechts) Dehnungsmessungen bei stufenweiser Belastung ergebensich aus Abb. 31. Die unter a) aufgeführten Spannungs-Dehnungsdiagrammewurden nach 100 Belastungen und Entlastungen zwischen 0 und 12,6 kg/cm2aufgenommen. Die Kurven verlaufen bis zur maximalen Beanspruchung von13,5 kg/cm2 (300 kg) ziemlich geradlinig, gehen jedoch nach Entlastung nichtmehr voll auf Null zurück. Die maximale Dehnung ist ca. 4,5 % bezüglichtotaler Messlänge von 40 mm oder ca. 13,5 % bezüglich der Bandscheibe.

Ähnliche Verhältnisse zeigen sich beim Versuch b) , bei dem 131 Belastun-gen und Entlastungen zwischen 0 und 15,75 kg/cm 2 (350 kg) vorgenommenwurden. Auch hier zeigen sich nach der völligen Entlastung bleibende Ver-

Abb. 31a Linearer Zugversuch mit Wirbelsäulenabschnitt eines 17jährlgen MannesBelastung 180 kg

32

formungen. Vermutlich weisen diese Erscheinungen einen ähnlichen Charak-ter auf, wie sie schon bei den Druckversuchen festgestellt worden sind.

Bei den durchgeführten Zugversuchen ist hervorzuheben, dass die be-rechneten Spannungen in kg/cm2 sich auf den ganzen Querschnitt der Wirbel-körper beziehen. In Wirklichkeit beschränkt sich der Teil, der befähigt ist,Zugkräfte zu übertragen, nur auf die äusseren Randzonen der Bandscheibeund die Bänder der Artikulation. Es treten somit in diesem Bereich ganzwesentlich höhere Beanspruchungen auf, als sie in der vorgehenden Rechnungbekannt gegeben worden sind.

In Abb. 31a ist noch die Versuchseinrichtung dargestellt, mit welcher derZugversuch mit Belastungen und Entlastungen ausgeführt worden ist. VonInteresse dürfte die Befestigungsvorrichtung sein.

Zugversuch 2 (Abb. 32 bis 35)

Mit demselben Präparat wurde ein Zugversuch bis 100 kg ausgeführt undAusgangs- sowie Endzustand unter Belastung im Röntgenbild festgehalten.Hiebei stellen dar:

Abb. 32 Zugversuch mit Wirbelsäule eines 17jährigen Mannes.Lumbalabschnitt L 3/L 4 mit zugehörigen Fassungen. Seitenansicht in unbelastetem Zustand

3 33

RechtsLinks

Abb. 33 Zugversuch mit Wirbelsäule eines 17jährigen Mannes. Abb. 34 Zugversuch mit Wirbelsäule eines 17jährigen Mannes.Lumbalabschnitt L 3/L 4 mit zugehörigen Fassungen. Lumbalabschnitt L 3/L 4.

Seitenansicht in belastetem Zustand von 100 kg Ventrale Ansicht in unbelastetem Zustand

Abb. 35 Zugversuch mit Wirbelsäule eines 17jährigen Mannes.Lumbalabschnitt L 3/L 4. Ventrale Ansicht in belastetem Zustand von 100 kg

Abb. 32 den Ausgangszustand, seitliche Ansicht von L 3/L 4,Abb. 33 den belasteten Endzustand, seitliche Ansicht undAbb. 34 den Ausgangszustand, ventrale Ansicht, ebensoAbb. 35 den belasteten Endzustand, ventrale Ansicht.

Demnach ergeben sich bei einer Belastung von 100 kg, d. h. ca. 4,5 kg/cm2folgende Längenänderungen:

Bandscheibe L 3/L 4 seitlich links von 41 auf 43 mm = 2 mm,seitlich rechts von 43 auf 45 mm = 2 mm,ventral von 42 auf 42 mm = 0 mm.

Wird die Längenänderung voll der Bandscheibe von ca. 12 mm Längezugeschrieben, da sie bei den Wirbelkörpern selbst gering ist, so ergibt sichbezüglich dieser Belastung seitlich eine Verlängerung um 17 %.

Eine Dehnungsmessung wurde auch im Bereich des Wirbelkanals im dor-salen Abschnitt zwischen dem 2. und 4. Wirbelkörper vorgenommen; dieLängenänderung betrug hier 74-71 = 3 mm (Abb. 32 und 33).

35

Da das Röntgenbild etwas vergrössert war, so sind die in den Abbildungeneingetragenen Zahlen als relativ zu betrachten, hingegen entsprechen dieprozentualen Dehnungen den wirklichen Verhältnissen.

Bezüglich der effektiven Zugbeanspruchung der Bandscheiben gelten diegleichen Bemerkungen wie bei den Zugversuchen 1, d. h. dass nicht der volleQuerschnitt der Bandscheiben die Zugkräfte überträgt, sondern nur dieäussere Randzone und die Bänder der Artikulation. Die effektiven Zug-beanspruchungen an den Faserringen der Bandscheiben sind daher auchhier ein Mehrfaches.

b) Axialer Zugversuch mit der Lumbal -Wirbelsäule L 2/L 3 eines 27jährigenMannes (Abb. 36 bis 40)

Das im Röntgenbild (Abb. 36) dargestellte Präparat wurde zwischen L 1und L 4 eingespannt, so dass Messungen zwischen L 2/L 3 vorgenommenwerden konnten. Folgende Meßstellen wurden angebracht:

an den Wirbelkörpern L 2 und L 3: Ventral, sowie links und rechts;an den Artikulationen von L 2 und L 3, links und rechts.

Abb. 36 Zugversuch mit der Wirbelsäule eines 27jährigen Mannes.Lumbalabschnitt L 2/L 3. Angabe der Meßstellen an. Wirbelkörpern und Wirbelbögen.

36

0

Gemessene Dehnungen zwischen L3-L2Messunghetl 177d erW belsäule Messungen an der Arliculahon

Mess 0)0 e 40mnVenhel links rechhs Dorsal ks

— li1.16—2.40—

`1W)—630(+1n1

• 7.05-0001

2b20—1,05—375 —

2,1705(ml

0 0 123

f 2 11 I I I

01 2 01234

Dehnungen in mrn I 0 +1 0,2

Abb. 37 Zugversuch an Wirbelsäule L 5 bis L 1(männlich, 27jährig)

Zugversuch 1 mit Artikulation:

Die Ergebnisse der stufenweisen Belastung mit näherer Angabe der Mess-stellen sind in Abb. 37 dargestellt. Aus dem Verlauf der Kraft-Dehnungs-kurven geht hervor, dass zeitweise Entlastungen stattgefunden haben. Diemaximale mittlere Belastung von 7,4 kg/cm 2, bezüglich einer Querschnitts-fläche von 19 cm2, erzeugte bei den Bandscheiben L 3/L 2 Dehnungen zwi-schen 0,5 und 2,0 mm, bzw. 5 % und 20 %, bezüglich 10 mm Bandscheiben-höhe, und bei der Artikulation zwischen 2,5 und 3,5 mm, bzw. 6 und 9 %,wenn im letzteren Fall die prozentuale Dehnung auf die ganze Messlängevon 40 mm bezogen wird.

Aus dem Vergleich der Kurven geht hervor, dass die Längungen in mmbei der Artikulation wesentlich grösser sind als an der Wirbelsäule selbst,ferner sind sie ventral am kleinsten, dorsal am grössten. Ein Teil dieser Unter-schiede ist auf den Einfluss der Einspannung zurückzuführen.

Die Kraft-Dehnungsdiagramme zeigen, dass die Verformungen nach derEntlastung aus 140 kg wieder ganz auf den Ausgangszustand zurückgegangensind. Bandscheibe und Bänder der Artikulation arbeiten demnach in diesemBelastungsbereich völlig elastisch.

Z u g v er such 2 ohne Artikulation:

Dieser Zugversuch wurde mit den Wirbelkörpern allein, d. h. bei ent-fernter Artikulation ausgeführt (Abb. 38). Um die Dehnungen am ganzenUmfang messen zu können, wurde ausser den Meßstellen V, R und L nocheine solche bei D eingeführt. Der zackige Verlauf der Spannungs-Dehnungs-kurven zeigt wieder, dass bei der stufenweisen Belastung auch Entlastungenvorgenommen worden sind.

37

Gemessene Dehnungen zwischen L3-L2F- Con'

es9/irpe 45 mm/010

Me c ' - chei5,e femur

Derrell rechts

1,1.132

Ventral links

Abb. 38 Zugversuche an Wirbelsäule ohne Artikulation L 5 bis L(männlich, 27jährig)

Bei einer maximalen Zugkraft von 120 kg entsprechend einer mittlerenBeanspruchung von 6,30 kg/cmz wurden bezüglich des Nullzustandes Län-gungen zwischen 1,25 und 1,6 mm festgestellt, was bei einer Höhe der Band-scheibe von ca. 10 mm prozentualen Dehnungen zwischen 12,5 und 16 %entspricht. Da im vorliegenden Fall die Dehnungen über den ganzen Umfangziemlich gleichwertig sind, so geben sie einen ziemlich einwandfreien undeindeutigen Einblick in die Dehnbarkeit des Bandscheibenmaterials.

Beachtenswert ist, dass nach einer Zugbelastung von 100 kg = 5,25 kg/cm2praktisch noch ein vollständiges elastisches Zurückgehen der Bandscheibenauf den Ausgangszustand von 1,05 kg/cm 2 stattgefunden hat. Im weiteren istvon Interesse, dass mit ansteigender Beanspruchung die Dehnung nicht pro-portional, sondern in geringerem Masse zunimmt. Dies deutet darauf hin,dass bei vermehrter Beanspruchung Reserven in Aktion treten und mit-tragen helfen. Es dürften dies die verschiedenen Lamellen des Faserringessein, aus denen der auf Zug tragende Teil der Bandscheiben zusammen-gesetzt ist.

Z u g v ersuch 3 ohne Artikulation:

Dieser Zugversuch wurde mit durchschnittenem hinterem Längsband beiD ausgeführt (Abb. 39). Die Ergebnisse der Dehnungsmessungen sind inAbb. 40 zusammengestellt. Aus diesem stufenweisen Zugbelastungsversuchergibt sich bei einer Belastung von 120 kg = 6,30 kg/cm 2 eine Dehnungbezüglich des Nullzustandes und 10 mm Bandscheibenhöhe von

1,9 mm = 19 % ventral, 1,15 mm = 11,5 % dorsal,1,2 mm = 12 % rechts und 1,3 mm = 13 % links.

38

0 ID

--.0" Ventralt■i- f°6-- - - ."----

th.6„, 00— r totobat4,2

-, Off .

g °. 410 1-

Ib, ON 1

45 :.11, 21

f05-(hJ

0 I I I

0 0.6 10 15

-125

F - 19 DeMesslänge 45

Gemessene Dehnungen zwischen L3-L2

Dorsal rechte

Abb. 39 Ansicht der Wirbelsäule ohne Artikulationmit durchschnittenem Längsband auf der dorsalen Seite der Wirbelkörper

Bornorkung Mach der letzten Stufe Pr 6,30 kg/cat'vor definiFiver Entlastung,istdie Wirb/s0/,,noch ‚alt Belast-und EntlastOngen von P105-030 kg/cm 0 bcarnprolcht worden

Abb. 40 Zugversuche an Wirbelsäule ohne Artikulation L 5 bis L 1.Nach Durchschneiden des hinteren Längsbandes an den Wirbelkörpern (männlich, 27jährig)

39

Infolge des Durchschneidens des Längsbandes auf der dorsalen Seite findetdemnach ein vermehrtes Mitarbeiten der ventralen Seite, wieder unter Bei-ziehung von Reserven, statt.

c) Axialer Zugversuch an isolierten Wirbelbögen L 1/S 1 mit Bandapparat(Abb. 41 bis 43)

Durch diesen Zugversuch (Abb. 41 und 42) wurde das Kraft-Dehnungs-diagramm (Abb. 43) des Bandapparates allein bei steigender Belastung er-mittelt. Die Messlänge war 10,5 cm. Die Versuche wurden wieder mit Ent-lastungen durchgeführt.

Bel. dieser Belastungs-Verformungskurve (Abb. 43) ist bemerkenswert,dass bis zur Zugkraft von 60 kg ein verhältnismässig flacher Anstieg, d. h.starke Dehnungszunahmen, hernach ein steiler Anstieg, entsprechend einerverminderten Dehnungszunahme, sich zeigt. Im Bereich der Belastung von120 kg trat ein Riss in der Gelenkkapsel S 1/L 5 und später ein solcher inder Deckplatte S 1 auf. Vermutlich wird der steile Anstieg der Spannungs-Dehnungskurve durch das Einwirken der Verbindungen an den Wirbel-bögen verursacht.

Bei der Belastung von 60 kg zeigte sich eine Längung von 12 mm, wasbezüglich einer Messlänge von 105 mm einer Dehnung von 11 % entspricht.Bemerkenswert ist, dass bei der Entlastung aus 100 kg Beanspruchung sich

Abb. 41 Zugversuch an isolierten Wirbelbögen mit Bandapparat (Ventralansicht)

40

Abb. 42 Ansicht des Zugversuches anisolierten Wirbelbögen mit Bandapparat.

Bruchstelle zwischen S 1 und L 5

Abb. 43 Zugversuch mit Entlastungen an isolierten Wirbelbögen mit Bandapparat

41

bereits starke bleibende Verformungen zeigen. Hiezu ist zu bemerken, dassdiese 100 bzw. 120 kg Belastung sich allein auf die isolierten Wirbelbögenmit Bandapparat beziehen.

Wie aus vorgehenden Untersuchungen (Druckversuche) sich ergibt, könnenim Zugapparat Zugkräfte zwischen 200 bis 300 kg auftreten. Im vorliegendenZugversuch trat daher der Bruch viel zu früh ein, was auf die Einspannungs-verhältnisse zurückzuführen ist. Es wären daher Ergänzungsversuche not-wendig.

d) Axialer Zugversuch mit Interosseussehne am Vorderfuss eines 16jährigenKaltblutpferdes 3) (Abb. 43a)

Als Vergleich zu den vorgehend aufgeführten Zugversuchen mit den Band-scheiben und dem Bandapparat der Wirbelbögen soll noch das Ergebniseines der vielen in der EMPA durchgeführten Zugversuche mit Sehnen amVorderfuss der Pferde dienen (Abb. 43a).

In Abb. 43a wird das Kraft-Dehnungsdiagramm des linken und rechtenInterosseus mit steigender Belastung gezeigt. Demnach besteht innerhalbgewisser Grenzen Proportionalität zwischen Zugkraft und Dehnung. DieLängung geht nach Entlastung fast völlig wieder auf Null zurück. Die Pro-portionalität reicht fast bis zum Bruch. Die Fassung des Präparates erfolgtean den mit der Sehne verwachsenen Knochen.

Als Mittelwerte wurden festgestellt:

Elastizitätsmodul E = 95 kg/mm2 = 9500 kg/cm2Zugfestigkeit = 7,5 kg/mm2 = 750 kg/cm2Bruchdehnungen bezüglich 50 mm 8 bis 11 %

4. BiegeversucheBewegungsphysiologisch sowie klinisch für Extensionszwecke als auch zur

Erklärung des Entstehungsmechanismus des Bandscheibenvorfalles kommtden Biegeversuchen besondere Bedeutung zu.

Folgende Biegeversuche wurden durchgeführt:

a) Ventraler Biegeversuch an Lumbal L 1 bis L 5, weiblich, 48jährig, mitDurchbiegungs- und Verformungsmessungen (Abb. 44 bis 47).

b) Dorsaler Biegeversuch an Lumbal L 1 bis L 5, weiblich, 48jährig, inanaloger Weise durchgeführt wie unter a) (Abb. 48 bis 49).

c) Ventraler Biegeversuch an Abschnitt Th 12/S 1, weiblich, 26jährig, mitVerformungsmessungen (Abb. 50).

d) Ventraler Biegeversuch an Abschnitt Th 12/L 4, männlich, 40jährig(Abb. 51) .

3 ) W. WILLI: Versuche über die Elastizität und Festigkeit der Beugesehnen des Pferdes.Inaugural-Dissertation an der veterinär-chirurgischen Klinik der Universität Zürich.

42

I IBrich

0ilförper

Schenke/

0I Bruch

^0

I;.0

p/440

d

o cc

Anordnung der Meßstrecken auf der Interosseussehne

Zugkraft-Dehnungs-Diagramm von Kaltblutpferd, 16jährig

Interosseus r. — — — Interosseus 1 Entlastungspunkte t Meßstrecke 100 mm AB und AC

kg1800

1700

1600

/500

1400

/300

1200

1/00

/000

900

800

700

600

S00

400

300

200

100

/ 2 3 4 5 6 7 9

Abb. 43a Zugversuch mit Interosseussehne am Vorderfuss eines 16jährigen Kaltblutpferdes

9 /0 mm

e) Ventraler und dorsaler Biegeversuch mit Abschnitt L 1/S 1, männlich,33jährig (Abb. 52 bis 55).

f) Ventraler und dorsaler Biegeversuch an Abschnitt L 1/S 1, männlich,40jährig, Ermittlung der neutralen Linie (Abb. 56) .

g) Ventraler und dorsaler Biegeversuch an Abschnitt L 1/S 1, männlich,48jährig, Ermittlung der neutralen Linie (Abb. 57).

Nachfolgend sollen folgende Einzelheiten dieser Versuche bekanntgegebenwerden:

a) Ventraler Biegeversuch mit Lumbal -Wirbelsäule L 1 bis L 5,weiblich, 48jährig (Abb. 44 bis 47)

Der Versuchskörper mit zugehöriger Belastungs- und Messvorrichtung istin Abb. 44 und 45 dargestellt. Wie daraus hervorgeht, wurden die Durchbie-gungen bezüglich einer Stützweite von 125 mm sowie die Längenänderungenzwischen den Wirbelkörpern (Messreihe 1), am Processus transversus (Mess-reihe 2) sowie zwischen den Dornfortsätzen (Messreihe 3) ermittelt. Die Be-lastung wurde stufenweise ausgeführt und kam über Wirbelkörper L 3 zurWirkung.

Die Ergebnisse der Durchbiegungen bei den einzelnen Laststufen zwischen0 und 30 kg sind in Abb. 46 dargestellt. Innerhalb diesem Lastbereich ver-läuft die Durchbiegung ziemlich proportional der Belastung; so wurde bei der

Abb. 44 Biegeversuche an L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

44

es

o //

e I) 0- Venfruler Druck

Z) 0---- Dorsaler Druck

F 5

Abb. 45 Anordnung für den ventralen Biegeversuch L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

Pin kg30

25

20

15

Gemessene Durchbiegung rin mm

P

so ^I) Bleibende Veränderung nach Enflasku g /alma

ap^^

ID

5

2

$5 2 •2.5Durchb

•egung in inne

Abb. 46 Resultate der Biegeversuche an L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

Last P = 2 kg eine Durchbiegung von 0,2 mm und beider Last P = 30 kg eine solche von 3,3 mm festgestellt.

Die Längenänderungen zwischen den einzelnen Meßstellen und für dieverschiedenen Laststufen gehen aus Abb. 47 hervor. Hierbei zeigt sich, dassdie Verkürzungen bei den Bandscheiben im Bereich der Messreihe 1 relativgering sind. Höhere Werte wären bei Anbringung der Messmarken im Schei-tel der Wirbelkörper festgestellt worden.

Diesen Ergebnissen gegenüber weisen die Abstände A—B und B—C anden Dornfortsätzen ganz beträchtliche Längungen von ca. 3,5 mm bezüglich26,5 mm Messlänge = 13 % bei 30 kg Belastung auf.

05

45

Veniraler Druck,auf L 3i

24

(2 -

0

3. Messreihe (oanforls.itze)

24—

I25 ^0 1 ) I I

-2 -f +I +2 +3 +++ 0 +f +2 +3 -f 0 +f mm -2 -/ 0 /Messtrecken .4-B B-C C-D

D-E

Abb. 47 Resultate des Biegeversuches an L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

b) Dorsaler Biegeversuch an Lumbal-Wirbelsäule L 1 bis L 5,weiblich, 48jährig (Abb. 48 bis 49)

Die Lage des Versuchskörpers bezüglich Auflast und Auflagerpunkte so-wie bezüglich Messmarken geht aus Abb. 48 hervor. Es handelt sich hiebeium analoge Messreihen, wie sie schon beim Versuch a) festgelegt worden sind.

Die Ergebnisse der Durchbiegungsmessungen sind in Abb. 46 zusammen-gestellt. Diese Durchbiegungen sind im Vergleich zu denjenigen des ventra-len Druckversuches etwas grösser.

Die Messungen der Längenänderungen in den Messreihen 1 bis 3 habennach Abb. 49 analoge Resultate ergeben, wie sie beim ventralen Druckver-such festgestellt worden sind, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Es deutetdies darauf hin, dass bei beiden Versuchsarten die Lage der Nullinien nichtwesentlich verschieden sein wird. Hierüber geben die Versuche f) und g)näheren Aufschluss.

Abb. 48 Anordnung für den dorsalen Biegeversuch L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

46

Wirbelkörper 77/12 21 2

Messreihe 7 _ A B CMessreibe TMeasreihe 32Pleessreihe

30 —

2Y —

t

IT —

I

l6 11

C] l6—

Am

Wt 3O—

2E^

a _

24 III6 —

I

V11- 1 1< 1 I 1 I'I I I I 1 I I 11 1 1 1 1 1 1 I I

-1 0 'I -1 0 *I -2 -1 3 04 7 +2 •'3 -I 0 II 0 2 '3 +4 -1 0 11 12 e3 14 05 08 17 08 -1 0 81

D-E E-Foehnnng in mm

F-6Messfrecker,: A-B B-C C-D

Dorsaler Druck.dome) A R PD

Pinkg

0-30

+ +

le —12—

'— I I I 1 I I 1 Dehnungen

-4 -3 -2 - I a -3 -2 -1 0 * m1 -3 - 2 -1 0 - 2 -1 0 01 in a

Messtrecken: A-B B-C CI) D-E

Abb. 49 Resultate des Biegeversuches an L 1 bis L 5(weiblich, 48 Jahre)

c) Ventraler Biegeversuch an Wirbelsäulenabschnitt Th 12/S 1 (Abb. 50)

Von besonderem Interesse ist das Ergebnis des umfangreicheren ventralenBiegeversuches, der sich über einen grösseren Wirbelsäulenabschnitt er-streckt, eine Stützweite von 200 mm aufweist und bei dem 4 Messreihen an-gebracht worden sind. Die Messreihe 1 befindet sich bei diesem Versuch aufdem Scheitel der Wirbelkörper; die Messergebnisse sind daher viel eindeu-tiger (Abb. 50).

Abb. 50 Biegeversuch vom TH 12/S 1 (1 bis 5 mit Sacrum)(weiblich, 26 Jahre)Ventraler Druck L 4

47

Der Versuch wurde wieder mit steigenden Belastungsstufen zwischen 0 und30 kg ausgeführt und nachher wieder auf 0 entlastet. In der Messreihe Ikommt nun ein deutlich ausgeprägtes Druckdiagramm zur Geltung, das mitzunehmender Belastung fast gradlinig ansteigt. In der Messreihe II tretenDiagramme teils mit Druck-, teils mit Zugspannungen auf. Eindeutige Zug-spannungen kommen bei den Messreihen III und besonders bei IV zum Aus-druck. Besonders beachtenswert sind die grossen Dehnungen im Bereichder Dornfortsätze bei C—D, D—E und E—F. Im letzteren Fall ist es bezüg-lich einer Messlänge von 44,5 mm und einer Auflast von 30 kg eine Dehnungvon 8,2 mm, d. h. von 18,2 %. Von besonderem Interesse ist aber auch, dassnach der Entlastung der grösste Teil der Diagramme wieder auf den Null-punkt abfällt, also trotz der grossen Dehnungen praktisch keine bleibendeVerformung eingetreten ist.

d) Ventraler Biegeversuch an Wirbelsäulenabschnitt Th 12/L 4,männlich, 40jährig (Abb. 51)

Ermittlung der Auswirkung eines ventralen Maximaldruckes (Abb. 51). DerVersuchskörper wurde auf einer Länge von 14 cm, ähnlich wie in Abb. 44, un-terstützt und der ventrale Druck auf L 3 gerichtet.

Beim Druck von 500 kg erfolgte ein reissendes Geräusch, ohne dass dasPräparat äusserlich verletzt aussah. Im Röntgenbild lässt sich keine Frakturder Wirbelkörper oder eine Abrissfraktur der Dornfortsätze erkennen. ImSagittalschnitt des Präparates, Abb. 51, zeigt sich hingegen ein Längsriss der

Riss L 4 L 3 L2 L Th12

Abb. 51 Ventraler Biegeversuch an Wirbelsäulenabschnitt Th 12/L 4(männlich, 40jährig)

Ermittlung der Auswirkung eines ventralen Maximaldruckes von 500 kg

48

4. Bandscheibe. Die übrigen 3 Bandscheiben im Bereiche der Druckzone sindvollkommen intakt, zu einem dorsalen Bandscheibenvorfall ist es bei diesemVersuch nicht gekommen.

Die Zwischenbogen, beziehungsweise die Zwischendornbänder L 3/L 4sind fast völlig zerrissen, während die übrigen mehr durch den Druck desAuflagers verletzt wurden.

Dieser Versuch zeigt, dass es bei einer maximalen ventralen Biegungs-belastung nicht zu einem dorsalen Bandscheibenvorfall kommen muss; in ersterLinie werden die Zwischenbogen, bzw. die Zwischendornbänder verletzt, dieals Sicherung der Bandscheiben bei übermässiger Biegebeanspruchung imventralen Sinne dienen.

e) Ventraler und dorsaler Biegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1männlich, 33jährig (Abb. 52 bis 55)

im Versuchsapparat TSCHOLL-BRANDENBERGER, Abb. 63

Eine besondere, leicht transportable Einrichtung nach TSCHOLL-BRANDEN-BERGER ermöglicht, Festigkeitsversuche an der Wirbelsäule unter Röntgen-kontrolle zu verfolgen. Bei diesen Biegeversuchen wurde der Nucleus pul-posus mit einem Kontrastmittel gefüllt, so dass es möglich ist, eventuelle Ver-änderungen festzustellen.

Beim ventralen Biegeversuch (Abb. 52 und 53) wurde über L4eine Druckkraft von 60 kg zur Wirkung gebracht. Nach Abb. 53 findet da-durch auf der ventralen Seite eine ziemlich gleichmässige Verkürzung, undauf der dorsalen Seite eine Verlängerung in analoger Weise statt. Die Ver-formung im Bereich der Bandscheibe L 5/S 1 unterscheidet sich bei diesem

Abb. 52. ,Ventraler Biegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1, männlich, 33jährig.Nucleus pulposus mit Kontrastmittel gefüllt

49

Abb. 53 Ventraler Biegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1, männlich, 33jährig.Verformungen in mm

Abb. 54 Dorsaler Biegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1, männlich, 33jährig.Nucleus pulposus mit Kontrastmittel gefüllt

50

Abb. 55 Dorsaler Biegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1, männlich, 33jährig.Verformungen in mm

Versuch nicht wesentlich von den anderen Bandscheiben. Durchweg bezie-hen sich die eingetragenen Verformungen auf den unbelasteten Zustand.

Beim dorsalen Biegeversuch (Abb. 54 und 55) zeigen sich in-folge einer auf den Processus spinosus von L 4 angebrachten Druckkraft von60 kg im Bereich der Bandscheiben L 5/S 1 und L 5/L 4 auf der dorsalenSeite besonders grosse Druckverformungen, währenddem sich auf der ven-tralen Zugseite keine aussergewöhnlichen Längungen zeigen.

Das Verhalten des Nucleus pulposus lässt sich bei diesen Versuchen imZentralstrahl des Röntgenbildes bei der Bandscheibe L 3/L 4 genau verfolgen.Eine merkliche Verschiebung in dorso-ventraler Richtung kann bei den obenangewendeten Drücken nicht festgestellt werden. Sie tritt erst bei wesent-lich grösseren Kräften ein, wie dies aus dem Schubversuch mit dem gleichenPräparat hervorgeht.

f) und g) Ermittlung der neutralen Linie durch ventralen und dorsalenBiegeversuch mit Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 1 (Abb. 56 und 57)

Die vorgehenden Biegeversuche haben gezeigt, dass es wünschbar wäre,die neutrale Linie aus ventraler und dorsaler Biegung eindeutig zu ermitteln.Zu diesem Zweck wurden im Mittelteil des Wirbelsäulenabschnittes ver-mehrte Meßstellen eingeführt, insbesondere am Scheitelpunkt der Wirbel-körper und an der äussersten Stelle des Dornfortsatzes. Diese Versuche wur-den durchgeführt mit

51

SchniltA-AAVentraler Biegeversuch gemessene Verschiebungen

der Wirbelkörper

I/!f Neufra/e Axe

G9N P= kg

Auflager Auflager

Tabelle derMiffelwerle von4Messungen in mm

bei P=kgMessfelle 0 10 20 30 40 50

0 +0,3 +0,5 +0,7 +1,0 +1,2b 0 +0,1 +0,2 +43 +q5c 0 -0,1 -0/1 -42 -0,1 -41d 0 -0,2 -0,4 -45 -0,6 -0,7

e 0 -0,4 -0.7 -1,0 -1,2 -1,4P 0 -0,9 -1,4 -2,5 -2,5 -2,9

P=kg

Schnitt A-A b) Reklinafion.Schrillt A-A gemessene Verschiebungen

der WirbelkörperDorsaler Biegeversuch

P=50 kkP=0 : \ i1P=330 •eP=20 uP=f0 ro

A

Neufrale

4 e

Tabelle derMilfelwerfe von4 Messungen in mm

bei P=kgMessfelle 0 10 20 30 40 50

a 0 -0,4 -0,8 0,9 -1,0 -1,1

b 0 -0,2 -0,4 -04 -0,4 -0,4C 0 0 0 +0,1 +0,2 +0,3

d 0 +0,2 +0,4 0,e +0,9 + 09

e 0 +0,4 +0,8 +1,1 + 1,4 +1,8P +0,9 +1,7 +2,3 *2,9 f 43

Auflager Auflager

Abb. 56 Biegeversuch mit Wirbelkörper

SchniftA-AA!

!aVentraler Biegeversuch

48 Jahre alter Mann

140 mm

gemessene Verschiebungender Wirbelsäufers

0 1 2 3177,

a

h Neu/TaleC Linie

6 5 4 3 2 / 0mm

A Schaff

Dorsaler Biegeversuch

dC Neutrale

Linie

Miffelwerfe 1017 4Verschiebungsmessungen

In mma)Jnklinal: I b)Reklinah

P-kg P=kgMessfelle 0 20 40 0 20 40

b 0 -0,4-06 0 •0,3+050 +0,3+0,6 0 -0,2

d 0 0 - 1,2

e 0 + 1,1 +2,5 0 -00 - 18F 0 +•6 +6,0 0 -23 - 50

a 0 -2-27 0 +001+2,3

b) Reklinafion

gemessene Verscebungender Wi

hlrbelkörper

5 4 3 2 1 0mmI i p

0 I 2 mm

Massfab >I` f

Auflagen H I AuFfager

Abb. 57 Biegeversuch mit Wirbelkörper

dem Wirbelsäulenabschnitt eines 40jährigen Mannes (Abb. 56),dem Wirbelsäulenabschnitt eines 48jährigen Mannes (Abb. 57),

durchweg bezüglich einer Stützweite von 140 mm

und Laststufen von 10, 20, 30, 40 und 50 kg beim Versuch Abb. 56,sowie Laststufen von 20 und 40 kg beim Versuch Abb. 57.

Durchweg zeigt sich, dass die Nullinie bei Inklination wie bei Reklinationim dorsalen Bereich der Wirbelkörper verläuft. Ihre Lage ist deutlich in denAbb. 56 und 57 eingezeichnet. Von allgemeinem Interesse ist ferner, dass dieVerformung längs dem gewählten Querschnitt A—A fast geradlinig verläuft,die Wirbelsäule demnach als etwas Einheitliches arbeitet.

Über die Grösse der Längungen und Verkürzungen geben die in denZahlentafeln der Abb. 56 und 57 zusammengestellten Zahlenwerte Aufschluss.Demnach wurde nach Abb. 57 an den äussersten Punkten bei einer BelastungP = 40 kg gemessen:

Ventraler Biegeversuch (Inklination) :Wirbelkörper —2,7 mm = —22,5 % bezüglich Bandscheibe, 12 mm hochDornfortsatz +6,0 mm = +21,5 % bezüglich Messlänge von 28 mm

Dorsaler Biegeversuch (Reklination) :Wirbelkörper +2,3 mm = +19,2 % bezüglich Bandscheibe, 12 mm hochDornfortsatz —5,0 mm = —17,9 % bezüglich Messlänge von 28 mm

5. Torsionsversucha) Torsionsversuch mit Lumbal -Wirbelsäulenabschnitt L 3/L 5

(Abb. 58 und 59)

Da die Wirbelsäule auch Verdrehungen ausgesetzt ist, so dürfte die Durch-führung eines Torsionsversuches mit steigender Belastung und Entlastungbis zum Bruch von Interesse sein. Der nachfolgend bekanntgegebene Ver-such wurde mit dem Wirbelsäulenabschnitt L 3/L 5 nach Entfernung derArtikulation durchgeführt.

Über die Fixierung des Probekörpers in der Torsionsmaschine gibt Abb. 58Aufschluss. Demnach wurden die Wirbelkörper L 3 und L 5 eingespannt undso die Bandscheiben L 3/L 4 und L 4/L 5 mit dem dazwischenliegenden Wir-belkörper L 4 dem Torsionsmoment ausgesetzt.

Die festgestellten Verformungen, ausgedrückt im Verdrehungswinkel ain ° und die zugehörigen Drehmomente, sind in Abb. 59 dargestellt. Darausgeht hervor, dass bis zu einem Torsionsmoment von 1,5 mkg der Ver-drehungswinkel geradlinig zunimmt und auch ein völliges Zurückfedernstattfindet. Von 1,5 mkg an findet bei ansteigendem Torsionsmoment einevermehrte Zunahme des Verdrehungswinkels a statt, so dass sich bei derEntlastung auf Null bleibende Verdrehungen zeigen.

54

Der Bruch der Bandscheibe L 3/L 4 trat bei einem Drehmoment von4,5 mkg ein, und zwar bildeten sich Abrißstellen zwischen Bandscheibeund angrenzenden Wirbelkörpern (Abb. 58). Was schon bei den Druckver-suchen festgestellt worden ist, zeigt sich demnach auch beim Torsionsver-such, dass die Bindestelle zwischen Bandscheibe und Wirbelplatte alsschwächste Stelle aufzufassen ist, Abb. 4c und Abb. 29 II.

Nach dem Bruch der äusseren Zone der Bandscheibe zeigte sich nicht einplötzlicher Abfall des Drehmomentes, sondern dieses hielt sich beim Weiter-drehen der Torsionsmaschine stets noch auf 4,0 mkg, 3,5 mkg, 3,0 mkg undfiel dann nach einem Drehwinkel a = 50° auf ca. 2,0 mkg ab.

Der Verlauf der Torsionsmoment-Verdrehungskurve hängt eng mit demAufbau der Bandscheiben zusammen. Da diese in der Aussenzone aus lauterineinandergereihten Faserringlamellen bestehen, so werden mit zunehmen-dem Drehwinkel die inneren Lamellen immer mehr zur Mitarbeit herange-zogen. Bricht nun eine Aussenlamelle, so sind die übrigen immer noch inAktion. Bricht eine weitere Faserringlamelle, so halten die noch intakt ge-bliebenen Lamellen noch einen gewissen Zusammenhang mit den Wirbel-körpern aufrecht. Der Bruch von Faserringlamellen zeigt sich am lokalenSteilabfall des Diagrammes (Abb. 59) bei einem Verdrehungswinkel a = 20°,26° und 34°.

Über die durch Verdrehung auftretenden Beanspruchungen gibt einekleine Überschlagsrechnung Aufschluss. Es ergibt sich für einen elliptischenHohlkörper, wie er aus den Ringbändern näherungsweise gebildet wird,folgende maximale Beanspruchung:

Abb. 58 Torsionsversuch mit Lumbal-Wirbelsäule (Lateralansicht)

55

Bruch der Bandscheibe

Abb. 59 Torsionsversuch mit Entlastungen an Lumbal-Wirbelkörper L 3/L 5

wenni max. = Mt

16 b (b3 h — blh0

b und bo = kleiner Durchmesser der äusseren, bzw. inneren Ellipse in cmh und h„ = grosser Durchmesser der äusseren, bzw. inneren Ellipse in cmMt= Torsionsmoment in cmkg.Wird die Wanddicke des tragbaren Hohlkörpers zu ca. 4 mm angenommen,so folgt bei einem Torsionsmoment von 450 cmkg und den Aussenabmessun-gen der Bandscheibe von ca. 4,8X 3,8 cm:

450.16.38r max. = 3,14 (3,8 5 .4,8 — 3,0' .4,0) = 56 kg/cm 2

Wird die Wanddicke auf ca. 2 mm reduziert, so erhöht sich das a max. auf96 kg/cm2.

Die Zugbeanspruchung der Diagonalfasern der Bandscheiben wirdin diesem Fall ca. 96 kg/cm2.

Beachtenswert ist, dass die Fasern der Ringbänder unter 45° zur Wirbel-säulenachse verlaufen. Sie sind demnach in die Hauptspannungsrichtung ausTorsionsbeanspruchung eingestellt (Abb. 4b).

6. SchubversucheVon besonderer Bedeutung sind in der Wirbelsäulenpathologie die Wirbel-

verschiebungen in sagittaler und frontaler Richtung bezüglich der Wirbel-säulenachse. Bei den nichttraumatischen Verschiebungen sind von klinischemInteresse einerseits die Verschiebungen nach vorne (Spondylolisthesis) so-wie diejenigen nach hinten.

Im Experiment lässt sich die Wirbelverschiebung durch einen Schubver-such reproduzieren, indem von drei Wirbelkörpern die beiden äusseren festeingespannt werden und auf den mittleren die Schubkraft P zur Einwirkungkommt. Die an den mittleren Wirbelkörper angrenzenden Bandscheiben wer-

den je durch die Querkraft 2 beansprucht.

56

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ff0■■URU■■■■••••••111111•1111111111111111CI Me= III

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!ersrbebungen At a a

4m

a) Schubversuch mit Wirbelkörper L 3, männlich, 33jährig(Abb. 60 bis 63)

Um ein genaues Bild des Verhaltens der Bandscheiben für sich auf Schub-wirkung zu erhalten, wurden an dem Präparat Abb. 52 die Wirbelbögen mitdem zugehörigen Bandapparat entfernt. Ausserdem wurde zur Kenntlich-machung des Verhaltens des Nucleus pulposus dieser mit Joduron B injiziert.Die Schubkraft wurde nach Abb. 60a auf L 3 in dorsaler-ventraler Richtungzur Wirkung gebracht, so dass die Bandscheiben L 2/L 3 und L 3/L 4 zurPrüfung gelangten. Der Schubversuch wurde in einem speziell für solcheUntersuchungen von TSCHOLL-BRANDENBERGER hergestellten Apparat (Abb.63) vorgenommen, wobei während des Belastungsvorganges Röntgenbilderaufgenommen werden konnten.

Die Verformungen wurden einerseits mit Hilfe einer Messuhr, anderseitsvermittels eingeschlagener Nägel im Röntgenbild bei Belastungen von 0,100, 200, 300 und 400 kg ermittelt. Zur Feststellung der bleibenden Verfor-mung wurde nach jeder Belastungsstufe wieder auf null entlastet.

Das Belastungs-Verschiebungsdiagramm aus dem Röntgenbild ist inAbb. 60c, aus dem Apparat in Abb. 60d dargestellt. Es sind darin eingezeich-net die Kurve der totalen Verschiebungen und der bleibenden Verschiebun-gen bei zunehmender Belastung. Bis ca. 200 kg zeigt sich Proportionalität

P

Abb. 60 Schubversuch mit Lumbal-Wirbelsäule(männlich, 33jährig)

Versuchsanordnung und Diagramme

57

Belastung

0 kg

100 kg

200 kg

Abb. 61 Schubversuch mit Lumbal-Wirbelsäule. Gefärbter Nucleus pulposus.Darstellung der Verschiebungen von L 3 mit steigender Belastung (im Röntgenbild)

Belastung

300 kg

400 kg

Entlastungauf0 kg

Abb. 62 Schubversuch mit Lumbal-Wirbelsäule. Gefärbter Nucleus pulposus.Darstellung der Verschiebungen von L 3 mit steigender Belastung (im Röntgenbild)

zwischen Belastung und Verschiebung, d. h. je 1 mm pro 100 kg im Röntgen-bild und je 2,1 mm im Diagramm des Messapparates. Die vergrösserte Durch-biegung beim Messapparat rührt von der Schrägstellung der WirbelkörperL 2 und L 4 her. Von der Belastung P, grösser als 200 kg, an nimmt die Grösseder Verschiebung zu. Beachtenswert ist, dass nach der Entlastung eine Zu-rückfederung stattfindet; so geht z. B. die Verschiebung von 6 mm bei 400 kgnach Entlastung auf 0 kg zurück bis auf 1 mm. Die Grösse der Verformungenund die Zurückfederung ist deutlich in den Röntgenbildern (Abb. 61 und 62)erkennbar.

Der Bruch erfolgte bei einer Belastung P von 740 kg am caudalen Teilvon L 3, wobei die Bandscheibe oberhalb der Deckplatte glatt abriss.

Das Verhalten des Nucleus pulposus während des Schubversuches lässtsich aus den Röntgenbildern bei den verschiedenen Belastungsstufen und denerfolgten Entlastungen verfolgen. Bei 400 kg Belastung (Abb. 62) wird derNucleus infolge der grossen Verformung besonders im ventralen Teil derBandscheibe auseinandergezogen. Dies ist vor allem bei der BandscheibeL 3/L 4 der Fall. Nach der Entlastung gleitet er wieder in seine normale Lagezurück, bleibt jedoch gestört.

®'Abb. 63 Versuchseinrichtung für Druck-, Biege- und Scherversuche.

Der Apparat ist für einen Scherversuch eingerichtetAm Rahmengestell ist die Röntgenplatte angebracht

60

Aus diesem Versuch darf der Schluss gezogen werden, dass die gesundeBandscheibe einen relativ hohen Widerstand gegen seitliche Verschiebungender Wirbelkörper aufweist, und dass ferner der Nucleus pulposus von ca.200 kg an gestaltliche Veränderungen zeigt.

b) Schubversuch unter Schlageinwirkung

Viele traumatische Schadenereignisse sind auf Schlageinwirkung zurück-zuführen. Es besteht ohne weiteres die Möglichkeit, Schub- und Druckver-suche mit bemessener und steigender Schlageinwirkung durchzuführen. Esmusste jedoch angesichts des grossen Umfanges der bereits durchgeführtenVersuche darauf verzichtet werden.

Von besonderem Interesse wären auch Sonderversuche bezüglich der Ver-schiebungen der Bandscheibe L 5/S 1 ohne und mit Artikulation. Es ist diesdiejenige Bandscheibe, die infolge ihrer schrägen Lage am meisten gefährdetist. Einen gewissen Einblick geben bereits die mit solchen Wirbelsäulendurchgeführten Druck- und Biegeversuche (Abb. 8 bis 15, 50, 52 und 54) .

7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

In der vorliegenden Arbeit werden Ergebnisse von Festigkeitsuntersuchun-gen an Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben) der Lumbal-Wirbelsäule be-kanntgegeben, um einen vermehrten Einblick in das mechanische Verhaltendieses wichtigen Körperteils zu erhalten. Diese Versuchsergebnisse sollendie Grundlage bilden für die Klärung der Festigkeitsverhältnisse an der lum-balen Wirbelsäule im allgemeinen, ferner für. die Beurteilung des Kausalzu-sammenhanges von pathologischen Erscheinungen mit inneren und äusserenEinwirkungen sowie für die Entlastungsbehandlung der Discopathien mit derMikro- und Makro-Lumbal-Wirbelsäulenextension im besonderen; sie stehendaher in engem Zusammenhang mit der nachfolgenden Arbeit.

Bei der Beurteilung der Ergebnisse, die noch wesentlich weiter ausgebautwerden können, ist zu berücksichtigen, dass Alter, Lebensweise, Konstitu-tion, Krankengeschichte und Ereignisse aller Art die Festigkeitsverhältnissewesentlich beeinflussen können. Im weiteren machen sich bezüglich Aufbauauch genetische Einflüsse geltend, da ja die Bandscheiben auf das engstemit der Entwicklung der Wirbeltiere verbunden sind.

Das Studium der Wirbelsäule kann auch bezüglich Verlauf der Kraftlinienund dem damit zusammenhängenden inneren Aufbau und der Ausbildungdes Knochengerüstes erweitert werden. Von besonderem Interesse wäre dasKraftfeld des Lumbalteils L 4/5 1 mit den zugehörigen Bandscheiben undAngriffspunkten der Bänder. Einen gewissen Einblick gibt Abb. 64. Siehe auchTH. WYSS «Die Kraftfelder in festen Körpern», Sonderheft der Naturforschen-den Gesellschaft Zürich vom 30. September 1948.

61

Abb. 64a Lumbal-Wirbelkörper L 4 eines Höhlenbärs (Alter etwa 20 000 Jahre).Röntgenbild in dankenswerter Weise von P.-D. Dr. med. E. BAUMANN, Chefarzt Bezirks-

spital Langenthal, zur Verfügung gestellt.

Abb. 64b Räumliches Kraftfeld im Wirbelkörper L 4.Deutliche Ausbildung der Spongiosa, besonders im Dornfortsatz und im Wirbelbogen, ent-sprechend dem räumlichen Verlauf der Kraftlinien. Beachtenswert ist ihr Verlauf im Wir-belbogen, wo starke Scherkräfte zur Wirkung kommen. Am Dornfortsatz macht sich dieInterspinalmuskulatur geltend. Der auf Druck beanspruchte Teil des Wirbelkörpers weistvertikal und horizontal verlaufende Kraftlinien (Hauptspannungslinien) auf, dementspre-

chend ist auch der Aufbau der Spongiosa

Die Versuchsergebnisse lassen sich generell wie folgt zusammenfassen:

I. Druckversuche

a) Art en der V e r f o r m u n g. Bei den Druckversuchen mit einzel-nen oder in Verbindung mit Wirbelkörpern stehenden Bandscheiben machtsich stets eine elastische und eine bleibende Verformung geltend. Diese blei-bende Verformung wird sich nach erfolgter Entlastung des Körpers in denuntersten Belastungsstufen wieder voll ausgleichen. Der ganze Verformungs-vorgang in der Bandscheibe hängt eng mit dem Druckausgleich durch den

62

mwmmmm

202131566074

1060450900550500400

L 5/S 1L 4/L 5 ca. 350L 4/L 5 ca. 600L 4/L 5 ca. 400L 4/L 5 ca. 350L 3/L 4 ca. 250

kein BruchBruch d. DeckplatteBruch d. DeckplatteBruch d. DeckplatteBruch d. DeckplatteBruch d. Deckplatte

Nucleus pulposus zusammen, wobei auch eine dämpfende Wirkung sichgeltend macht.

b) B e 1 a s tun g. Im üblichen Gebrauch und bei normaler Körperstaturdürften im Bereich der Bandscheibe L 5/S 1 einschliesslich Eigengewicht dernoch in Betracht kommenden Körperteile Druckkräfte zwischen ca. 100 und250 kg auftreten. Die daraus sich ergebende Schubkraft ist ca. die Hälfte undvariiert demnach zwischen 50 und 125 kg. Sie muss durch die Gelenke anden Wirbelbögen auf das Becken übertragen werden. In Sonderfällen könnenan den Lumbalbandscheiben noch wesentlich höhere Druckkräfte zur Wir-kung kommen.

c) F e s t i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e. Die folgende Zusammenstellungsoll einen gewissen Aufschluss geben.

AlterJahre

Geschlecht LageKritischeBelastung

kg

MaximaleBelastung

kgBemerkung

a) Isolierte Bandscheiben. Abb. 17 bis 27

ß) Bandscheibe zwischen zwei Wirbelkörpern (Abb. 7)

20 m Ll/L2 450 600 Riss d. Bandscheibe

y) Wirbelsäulenabschnitt (ungünstige Versuchsverhältnisse) (Abb. 11)

22 m L 1/S 1 250 400 Riss d. Bandscheibe

Aus diesen Versuchsergebnissen geht hervor, dass beim normalen Ge-brauch die Bandscheiben eines gesunden Menschen eine genügende Festig-keit gegen Druckbeanspruchung aufweisen, dass hingegen beim Heben sehrgrosser Gewichte oder bei starker Ruck- oder Schlageinwirkung die Mög-lichkeit eines Schadenfalles besteht.

d) G r ö s s e der V er f o r m u n g. Die Zusammendrückungen an denBandscheiben können nur bei gleichem spezifischem Druck miteinander ver-glichen werden, wie dies in Zahlentafel 1 geschehen ist. Ausserdem mussauch die Höhe der Bandscheiben berücksichtigt werden.

Über die Verkürzung einzelner Bandscheiben im lumbalen Bereich dürf-ten folgende Zahlen einen generellen Begriff geben:

63

ZusammendrückungSpezifische Belastung

kg/cm'

Totale Druckkraft

kg in mmin °/° der

Bandscheibenhöhe

5,0 ti 100 ,., 0,9 bis 2,0 — 7 bis 137,5 — 150 1,1 bis 2,1 9 bis 14

10 — 200 1,25 bis 2,3 10 bis 1515 ,,, 300 1,5 bis 2,5 12 bis 18

II. Zugversuche

Mit Hilfe der Zugversuche wurde versucht, einen Einblick in das elastischeVerhalten der Bandscheiben bei einmaliger sowie wiederholter Belastungund Entlastung zu erhalten.

Dem Zugversuch wurden unterworfen:

a) ganze Wirbelsäulenabschnitte mit Artikulation;b) ganze Wirbelsäulenabschnitte ohne Artikulation;c) die Bänder der Artikulation.

Von Interesse sind bei diesen Versuchen die Dehnungsverhältnisse, derennachfolgend aufgeführte Werte wieder als ganz generell zu betrachten sind.

Spezifische Belastungbezüglich Wirbelkörper

kg/cm'

Zugkraft

kg

Dehnungbezüglich Messlange

°/°

Dehnungbezüglich Bandscheibe

a) Wirbelsäulenabschnitte mit Artikulation (Abb. 29 L 4/L 5)

1,35 — 30 ,,. 2 64 90 ^- 4 125,4 120 — 5 15

b) Wirbelsäulenabschnitte ohne Artikulation (Abb. 38 L 2/L 3)

1 --- 20 — 0,4 43 60 1,1 115 100 1,5 156,3 120 1,6 16

Da die Dicke der die Zugkraft übertragenden Ringe der Bandscheibe nichtbekannt ist, so lässt sich die Grösse der spezifischen Zugbeanspruchung desBandscheibenmaterials nicht eindeutig feststellen. Auf jeden Fall ist jedochdie Dehnbarkeit der Bandscheiben auf Zug ganz wesentlich grösser, als sieauf Grund der Untersuchungen an Pferdesehnen (Abb. 43a) ermittelt wor-

64

den ist. Diese Erscheinung ist zurückzuführen einerseits auf die kreuzweiseunter 45° zur Zugrichtung angeordneten kollagenen Fasern und anderseitsauf das Geraderichten der ausgebuchteten Lamellen.

c) Die Wirksamkeit des inneren Längsbandes am Wirbelkörper wurdedurch besonderen Zugversuch ermittelt. Es trägt wesentlich zur Verstärkungdes dorsalen Bandscheibenteils bei.

d) Die Bänder der Artikulation haben beim Heben von Lasten ganz be-deutende Kräfte aufzunehmen. Es ist dies auch der Fall bei den durchge-führten Biegeversuchen, wenn sie sich in der Zugzone befinden. Der Zugver-such mit isolierten Wirbelbögen hat zu geringe Festigkeitswerte ergeben, wasauf die Schwierigkeiten bei der Einspannung des Versuchskörpers zurückzu-führen ist.

Die Zugversuche zeigen, dass infolge der relativhohen Zugfestigkeit der Bandscheibe lineare Züge fürtherapeutische Zwecke ungeeignet sind.

III. Biegeversuche

Die Biegeversuche zeigen das mechanische Verhalten der Wirbelsäule beiBiegebelastungen, die im Hinblick auf das Entstehen des Bandscheibenvor-falles und der Extensionsbehandlung von Bedeutung sind. Diese Versuchegeben ferner einen Einblick in das Entstehen von Wirbelverschiebungen.Die Anwendung eines Kontrastmittels beim Nucleus pulposus ermöglicht,einen vermehrten Einblick in die inneren Verformungsvorgänge zu erhalten.

Den Biegeversuchen wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt, weilsie in engem Zusammenhang mit den Untersuchungen über Makro-Mikro-Extension der nachfolgenden Arbeit stehen. Die aufgewendeten Querdrückevon 30 und 60 kg befinden sich im Bereich der praktischen Anwendung.

Die Ergebnisse sind die folgenden:

1. Durchbiegung

Die Biegeversuche mit einem Wirbelsäulenabschnitt L 1/S 5 bezüglicheiner Stützweite von 125 mm und einer Belastung von 30 kg ergaben beiventraler Kraftwirkung eine Durchbiegung von 3,3 mm und bei dorsalereine solche von 3,6 mm (Abb. 46). Die Belastungs-Durchbiegungskurvenweisen bei ventraler wie dorsaler Belastung den gleichen Charakter einesnahezu proportionalen Anstieges auf, nur sind bei dorsaler Kraftwirkung dieDurchbiegungen etwas grösser.

2. Verformungen der Bandscheiben und Bänder

Die charakteristischen Werte der Verformungen sind in nachfolgenderTafel zusammengestellt.

5 65

Versuch

Nr.

Stütz-weite

min

Druck-kraft

kg

Kraft-i

Längenänderungen an

BemerkungBandscheiben Wirbelbögen

mm ob mm o/o

1 125 30 dorsal + 0,5 — 4 —3,5 — 10 nahezu vollesAbb. 49 Zurückfedern

ventral — 0,5 — 4 +3,5 — 10 völligesAbb. 47 Zurückfedern

2 200 30 ventral —1.2 --- 10 +3,8 ti 10 völligesAbb. 50 Zurückfedern

+8,5 1) ,,, 20 völligesZurückfedern

3 200 60 dorsal + 2 —16Abb. 55 — 9

ventral — 2 --- 16Abb.53 + 2 — 16

') An der Bandscheite L5/S 1

3. Neutrale Linie

Die neutrale Linie wurde an zwei Wirbelsäulenabschnitten L 1/S 1 bezüg-lich einer Stützweite von 140 mm ermittelt. Sie befindet sich bei der vor-liegenden Belastungsart und bei dorsaler wie ventraler Druckwirkung durch-weg in den Wirbelkörpern unweit vom Wirbelkanal. Die Verformung längsder Mittelachse eines Querschnittes durch die Präparate ist nahezu gerad-linig, was auf ein einheitliches Zusammenarbeiten der einzelnen Teile derWirbelsäule hindeutet.

IV. Torsionsversuch

Beim Torsionsversuch wurde die Verdrehung der zwei an den Wirbelkör-per L 4 angrenzenden Bandscheiben L 3/L 4 und L 4/L 5 ermittelt. Bei der Ein-wirkung von 1 mkg findet in diesem Bereich eine Verdrehung um ca. 2'statt, die nach Entlastung wieder voll zurückgeht. Bei 2 mkg ist die Ver-drehung 5°, beim Entlasten zeigt sich eine kleine bleibende Verformung. DerBruch tritt bei 4,5 mkg und einer Verdrehung von ca. 20° am Übergang derBandscheibe L 3/L 4 in den Wirbelkörper ein. Diese Übergangszone ist dem-nach auch bei Torsionsbeanspruchung als schwächste Stelle zu bezeichnen.

V. Schubversuch

Die Schubversuche sind im Hinblick auf die Möglichkeit von Wirbel-körperverschiebungen von Bedeutung. Es wurde daher versucht, einen Ein-blick in das elastische Verhalten der Bandscheiben bei Schubbeanspruchun-gen sowie in die Schubfestigkeit zu erhalten.

66

Der durchgeführte Schubversuch wurde mit einem WirbelsäulenabschnittL 1/S 1 vorgenommen, bei dem die Artikulation entfernt worden ist. DerQuerdruck kam auf Wirbelkörper L 3 zur Wirkung, so dass die BandscheibenL 2/L 3 sowie L 3/L 4 auf Abscheren geprüft wurden. Bis zu einer Schub-

kraft 2 von 100 kg pro Bandscheibe zeigt sich ein proportionaler Anstieg der

Verschiebung, die ohne Berücksichtigung der Verdrehung der Wirbel 2 mmund mit Berücksichtigung derselben 4,5 mm beträgt. Aus diesen Ergebnissenist ersichtlich, wie wichtig die Aufnahme der Schubkraft durch die Gelenkeder Wirbelbögen ist, denn bei der Bandscheibe L 5/S 1 können nach vorgehen-dem Abschnitt Ib Schubkräfte zwischen 50 bis 125 kg und mehr auftreten.Der Bruch einer Bandscheibe trat bei 370 kg Schubkraft am Übergang inden Wirbelkörper ein. Der Nucleus pulposus wird, so weit aus dem Röntgen-bild geschlossen werden kann, von einer gegenseitigen Verschiebung zweierWirbelkörper um etwa 2 mm an in Mitleidenschaft gezogen.

Der durchgeführte Schubversuch lässt den Schluss zu, dass infolge relativhohen Schubwiderstandes bei der gesunden Bandscheibe und unter normalenBeanspruchungen eine bleibende Wirbelverschiebung nicht eintritt.

Bei allen Versuchen wurde die schwächste Stelle der Band-s c h e i b e ermittelt. Sie befindet sich durchweg am Übergang der Band-scheibe in den Wirbelkörper, indem dort der Bruch beim Zug-, Biegungs-, Tor-sions- und Schubversuch eintrat. Im weiteren geht aus allen Versucheneindeutig hervor, dass die Bandscheibe L 5/S 1 gegen mechanische Einflüsseam empfindlichsten ist.

8. Zur Prophylaxe der BandscheibenschädigungenAbb. 65 bis 67

Motto: Anpassung tilgt Leiden. LAOTSE.

Je nach Arbeit, Ruhe, Sport und allgemeiner Bewegung wirken Druck,Zug, Schub, Torsionskräfte und die Kombination derselben auf die Wirbel-säule ein.

Der Mensch mit seiner vertikalen Wirbelsäule setzt den Lendenteil auchin dynamischer Hinsicht der grössten Belastung aus, wo sich daher auch diemeisten Überlastungsschäden zeigen.

Mit Überlastungsschäden und Unfallbegriff hat sich insbesondere ERNST

BAUMANN (3 und 19 II) auseinandergesetzt.Der von der Technik her bekannte Gewaltbruch wird von dem Bruch

durch Materialermüdung unterschieden. Diesbezügliche Untersuchungen wur-den von H. R. SCHINZ, E. BRANDENBERGER und C. HENSCHEN durchgeführt (16,17, 18) .

In der Technik, wie im Organismus, sind wesentliche Unterschiede zwischender Zusammenhangstrennung durch einmalige Gewalt und der dauerndenÜberbeanspruchung vorhanden. Die dauernde Überbelastung führt zu Ermü-

67

dungs- und Zermürbungsprozessen, die jedoch von der physiologischen Ab-nutzung oft nicht differenziert werden können.

Chronischer Belastung ist die Bandscheibe schlechter gewachsen als anderesGewebe, da dieses, wie zum Beispiel der Muskel, mit einer Arbeitshypertro-phie reagieren kann.

Nach BAUMANN ist die Erkrankungsneigung proportional der Höhe derBelastung und sie wird um so grösser, je geringer die Widerstandskraft desGewebes ist. Dies trifft im besonderen bei der krankhaft veränderten Band-scheibe zu, wo infolge mangelnder Widerstandskraft schon eine minimale Be-lastung genügt, um einen dorsalen Bandscheibenvorfall zu verursachen. NachKRAYENBÜHL bilden diese Fälle das Hauptkontingent der operativ behandeltenPatienten. Nach seiner Statistik sind es vor allem die körperlich Arbeitenden,bei den Männern Arbeiter und Handwerker, bei den Frauen Hausfrauen undHausangestellte, welche den grössten Prozentsatz dieser Patienten ausmachen.

Was das Alter dieser Patienten betrifft, so ist die Diskushernie besonderszwischen dem 20. und 30. Altersjahr häufig. Dabei ist zweifellos der Faktorvon Bedeutung, dass diesem Lebensalter die grösste körperliche Aktivitätentspricht.

Es ist dies auch das Alter, in welchem die ersten Zermürbungserscheinungenan den Bandscheiben einsetzen. Im folgenden seien einige Bemerkungen überBandscheiben bei gesunden Verhältnissen mitgeteilt.

Bei den Sportlern imponiert z. B. die grosse Leistung der Gewichtsheber,die mit Leichtigkeit grosse Gewichte stemmen, reissen oder drücken.

Leistungen anlässlich eines Wettkampfes:

Alter Körpergewicht kg Drücken kg Reissen kg Stossen kg

B. W. 27 82,5 95 110,0 135E. F. 33 100,0 105 100,0 125E. K. 30 82,5 85 95,0 120S.A. 32 75,0 85 85,0 110B. H. 48 82,5 90 85,0 110W. H. 26 58,0 85 70,0 90

Der Vorgang des Gewichtshebens kann wie folgt skizziert werden: zunächstkommt eine Beugung der Wirbelsäule nach vorne zustande; Arm- und Schul-termuskeln setzen ein, dann wird die Wirbelsäule durch die Rückenstreckerund Bauchmuskeln fixiert, denn nur die ab ges t e if t e Lendenwirbelsäuleist voll tragfähig. Diese Steifhaltung wird durch den Willen erzeugt, da derAkt des Hebens neuro-muskulär gesteuert wird. Der Neurologe Dr. N.MESSERLE, der seit 15 Jahren Sportarzt eines Schwerathletikvereins mitdauernd über 30 Aktiven im Durchschnittsalter von 27 Jahren ist, konnte imdirekten Zusammenhang mit der Ausübung dieser Sportart, dank besondererVorsichtsmassnahmen, keinen dorsalen Bandscheibenvorfall beobachten.

Hierbei wird dem Training der Bauchmuskulatur ein grosser Wert beigelegt,die für die Fixierung der Wirbelsäule in gestreckter Stellung von Bedeu-tung ist.

68

Abb. 65 Durch Training entwickelte Bauchmuskulatur eines Gewichtshebers. Diese istfür die Fixierung der Wirbelsäule in gestreckter Stellung von Bedeutung und verhindert

eine Lordose

Von den Athleten wird das Heben von Gewichten in der Lordose als gefähr-lich angesehen, und diese Stellung ist reglementarisch verboten. Dies dürftenicht zuletzt auf die schlechten Erfahrungen zurückzuführen sein. Abb. 65zeigt einen Athleten und seine kräftig entwickelte Bauchmuskulatur.

Bei den Gewichtshebern wird oft ein straff sitzender Gürtel getragen, wel-cher den Beckenring in der Höhe des Sacrums zusammenhält.

Bei Schwerarbeitern stützt ein solcher Gurt die Lendenwirbelsäule eben-falls günstig ab und wird besonders von MENNEL (4) als «pelvic-support»empfohlen.

Die Versuche haben gezeigt, dass die lumbo-sakrale Bandscheibe auf mecha-nische Einflüsse am empfindlichsten ist. Die grössere Beweglichkeit gehtauf Kosten der Festigkeit, eine Tatsache, die praktisch im grösseren Ver-schleiss dieser Bandscheibe zum Ausdruck kommt. Aus Erfahrung haben z. B.die Schwerarbeiter in Italien und Spanien durch ihre etwa 6 m langen, straff-sitzenden Lendenbinden, oder die Hamburger Zimmerleute durch ihren Len-dengurt einen ausgezeichneten Schutz gegen dynamische Überlastungsschäden(Schubwirkung) gefunden. Durch eine solche Binde wird eine Einschränkung

69

der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in ventro-dorsaler Richtung erzielt,so dass das Heben von Gewichten vorwiegend durch Bein- bzw. Armarbeitgeschieht. Bei Schockwirkungen wird die so gestützte Wirbelsäule nicht maxi-mal überdehnt. Zudem bildet eine solche Binde einen willkommenen Kälte-schutz.

Im Gegensatz zu diesen Gewichtshebern sind die häufigen Bandscheiben-schädigungen infolge Hebens von Lasten durch das Hinzukommen von un-koordinierten, überraschenden Ereignissen bezeichnend, durch die der Willeplötzlich abgelenkt wird oder nicht Zeit hat zur Wirkung zu kommen; z. B. durchFall, durch Nachlassen der Last eines mittragenden Kameraden oder durchschlagartige Einwirkung von äusseren Kräften usw. In diesem Moment wirddie Lumbalwirbelsäule der fixierenden Kraft der Rückenstrecker beraubt. Dieganze Last ruht nun auf der leicht beweglichen Lumbalwirbelsäule, die jenach dem ventralen Beugungswinkel zusammengedrückt wird.

Über die Hubkraft der Lendengegend sind mehrfach Untersuchungen an-gestellt worden. KOELSCH (5) gibt sie in Kilo für die verschiedenen Lebens-alter folgendermassen an:

Alter männlich weiblich

5 Jahre 2110 Jahre 45 3112 Jahre 52 3914 Jahre 71 4716 Jahre 95 5718 Jahre 118 6720 Jahre 132 7425 Jahre 153 8240 Jahre 122 8360 Jahre 93 59

Bei diesem Mechanismus muss auch berücksichtigt werden, wie die Lastgehoben wird. Bei den Gewichtshebern wird sie zur Verminderung der Be-anspruchung möglichst nahe am Körper gehoben.

Die bei den axialen Druckversuchen (Abschnitt 2) geschilderten Verhält-nisse dürften auch beim Lebenden zutreffen.

Beim Anheben von Gewichten entspricht diese Leistung mechanisch demventralen Biegeversuch, wobei auch in erster Linie die Zwischenbogen bzw.die Zwischendornbänder als Sicherung des dorsalen Bandscheibenanteiles beiBiegebeanspruchung dienen (Abb. 51). Dass eine Bandscheibenverletzungnicht immer zu einem Bandscheibenvorfall führt, zeigt dieser Versuch, derradiäre Rissbildungen verursachte. Beim Lebenden dürften ähnliche Ereig-nisse zu späteren Vorfällen führen. In diesem Zusammenhang sei die allge-mein bekannte Tatsache erwähnt, dass es bei den ventralen Biegungsfrakturender Wirbelsäule nicht zu einem dorsalen Bandscheibenvorfall kommen muss,weil der Nucleus pulposus durch den Bruch der ventralen Deckplatte in dieserRichtung ausweichen kann und somit der dorsale Bandscheibenanteil unbe-rührt bleibt. Siehe Druckversuch, Abb. 19, ventraler Vorfall.

70

Im umgekehrten Sinne, bei dorsaler Krafteinwirkung, sind dorsale Band-scheibenvorfälle weit häufiger, weil diese Ausweichsmöglichkeit nicht besteht,und eine Band- bzw. Muskelsicherung nicht vorhanden ist.

Bei der Ausübung von Turnen und Sport wird verschiedentlich eine schöneHaltung gefordert, die durch eine Lordosierung gekennzeichnet ist. Dies be-sonders beim Wasserspringen und bei einigen Überschlägen. Dass diese Hal-tung in Verbindung mit einer plötzlichen Schlagbeanspruchung Gefahren insich birgt, geht z. B. daraus hervor, dass bei Wasserspringern klinisch diagnosti-zierte dorsale Bandscheibenvorfälle beobachtet wurden. Hier wird der Mecha-nismus durch den Hyperlordosierungsversuch (siehe Abb. 12 und 13) charak-terisiert, wodurch auch durch die Verkleinerung des Promotoriumswinkelsdie lumbo-sakrale Bandscheibe herausgequetscht wird (Abb. 15).

Auf Grund der festigkeitstechnischen Untersuchungen in Verbindung mitder praktischen Erfahrung will FREUDIGER (6) die Leibesübungen auf ihreGefährlichkeit in Bezug auf Bandscheibenschädigungen überprüfen. Dass eshier zu Einschränkungen von gefährlichen Übungen kommen muss, zeigenunsere Beispiele.

Bei den vorgehenden Festigkeitsversuchen wurde die Übergangsstelle Deck-platte-Bandscheibe als die schwächste Stelle ermittelt, und dies dürfte auchbeim Lebenden zutreffen.

So konnte REIMERS (7) in seinen operativ entfernten BandscheibensequesternDeckplattenanteile nachweisen, die jedoch nicht unbedingt für eine trauma-tische Entstehung des Bandscheibenvorfalles sprechen sollen.

Den Einfluss der Haltung der Lendenwirbelsäule auf die Bandscheibenzeigt die Praxis. Die natürliche Lordose mit ihrer optimalen Federwirkungist die beste Voraussetzung zur Erhaltung der gesunden Bandscheibe. Hal-tungsanomalien wie lumbale Hyperlordose, Skoliose oder Kyphose begünstigeninfolge der Fehlbelastung den Zermürbungsprozess der Bandscheiben. Wäh-rend die Hyperlordose zu einer Überbeanspruchung des dorsalen Teils desFaserrings führt, verhindert die Lumbalkyphose eine normale Federung der-selben.

Die Behandlung der Haltungsfehler gehört in die Hand des Spezialarztesund wird u. a. von HOHMANN (8) besprochen.

In diesem Zusammenhang sei auf die Konsolidierung einer guten Haltunghingewiesen, die besonders bei Frauen vor und nach der Geburt wichtig ist.Durch Erschlaffung der Bauchmuskulatur wird das Becken nach vorn rotiert,wie es auch bei poliomyelitisch Gelähmten der Fall sein kann. Diese lordotischeHaltung kann durch eine geeignete vorbeugende Gymnastik verhindert wer-den, wobei die Stellung des Beckens in bezug auf die Haltung berücksichtigtwird.

So dürfte die Frauengymnastik nach MENSENDIECK auch heute noch wert-voll sein.

Allgemeine Muskelschwäche der ventro-dorsalen Stamm-Muskulatur sollnach den Untersuchungen von KRAUS der Grund für die Entwicklung vonKreuzschmerzen sein.

71

An Hand eines grossen Untersuchungsgutes beweist KRAUS (9) diese Mus-kelinsuffizienz überzeugend. Ebenfalls wird im besonderen die Haltungs-schwäche der Kinder im Testverfahren nachgewiesen, wobei bei seinen Unter-suchungen die amerikanischen Kinder eine schwächere Stamm-Muskulaturaufweisen sollen als die europäischen Kinder.

Als Vorbeugung gegen «low back pain» empfiehlt KRAUS eine systema-tische Trainierung der Stamm-Muskulatur und schlägt entsprechende ein-fache Übungen hiefür vor.

Über den Einfluss der Leibesübungen bzw. Arbeit auf die in E n t w i c k -lung begriffene Bandscheibe wurde unseres Wissens noch keinesystematische Untersuchung gemacht.

Die Voraussetzung hiefür ist die Kenntnis der normalen Entwicklung derWirbelsäule in den zwei ersten Lebensjahrzehnten.

Es sei hier im allgemeinen auf die Literatur von SCHMORL und JUNG-HANNS (10) hingewiesen, während sich im speziellen TÖNDURY (11) mit derEntwicklung der Bandscheiben auseinandergesetzt hat.

Es sei hier vermerkt, dass die j u g en d l i c he Wirbelsäule infolgedes vermehrten Knorpelanteiles elastischer ist. Bei vergleichender Betrach-tung mit der Wirbelsäule des Erwachsenen (Abb. 12, 13) zeigt das Röntgen-bild eines Säuglings grundlegende Unterschiede, siehe Abb. 66, Lumbal-wirbelsäule eines Säuglings im entlasteten Zustand. Die Bandscheibe nimmteinen verhältnismässig grossen Raum ein. Der Wirbelkörper erscheint voneiförmiger Gestalt. Er ist in diesem Zeitpunkt röntgenologisch noch deutlichvom Wirbelbogen getrennt, was an der Aufhellung im Bild deutlich erkennbarist. Erst zwischen dem dritten bis sechsten Lebensjahr verschwinden dieseAufhellungen, dem Zeitpunkt, wo sich Wirbelkörper und Wirbelbogen knö-chern vereinigen.

Schon in den ersten Lebensjahren werden die Zwischenwirbelräume imVerhältnis zum Wirbelkörper niedriger. Das spätere Wachstum ist u. a. durchdie Bildung der knorpligen Wirbelkörper-Randleiste und ihrer späteren Ver-knöcherung gekennzeichnet. Dieser Vorgang lässt sich auch röntgenologischverfolgen. Abb. 67 zeigt die Wirbelsäule eines Säuglings bei einem axialenDruck von 10 kg. Dieser Druck erzeugt eine beträchtliche Verformung imSinne der Lordose, die im entlasteten Zustand noch nicht vorhanden ist.

In diesem Zusammenhang sei auf die enorme Beweglichkeit der Lenden-wirbelsäule von Akrobaten im Sinne der Lordose hingewiesen. Im jugend-lichen Alter, von etwa 3 Jahren an, wird die Wirbelsäule auf das «weicheKreuz» trainiert. Diese Übungen nehmen mehrere Jahre in Anspruch, so dasssich die Bandscheiben langsam an diese funktionelle Überdehnung anpassen.Hört jedoch das systematische Training, besonders bei älteren Akrobaten, auf,so vermindert sich die Beweglichkeit der Wirbelsäule innert kurzer Frist.

Schlag- und Druckbeanspruchungen in der Lordose, wie z. B. «Flic-Flac»,werden von den Artisten als gefährlich bezeichnet.

So beschreibt BRADFORD-SPURLING (12), wie es bei einem Athleten im An-schluss an mehrere Saltos rückwärts zu einem akuten Prolaps der lumbo-

72

Abb. 66 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule eines Säuglings.

Ausgangslage

Abb. 67 Druckversuch mit Lumbal-Wirbelsäule eines Säuglings. Belastungca. 10 kg. Bemerkenswert ist die starke

Verformung im Sinne der Lordose

sakralen Bandscheibe kam, der zu einer kompletten Paralyse sämtlicher Sakral-wurzeln führte.

Als Berufskrankheit wird der Kreuzschmerz als häufig bezeichnet. Das«weiche Kreuz» darf als eine gewisse Sicherung gegenüber Ruck- und Schlag-beanspruchung angesehen werden.

Nach JUNGHANNS (13 II) sollen die Fahrer von Panzern, Traktoren undFernlastzügen zu Bandscheibenvorfällen neigen. Diese Veränderungen derBandscheiben sind zum grossen Teil auf das Rütteln (Schlagbeanspruchung)der modernen Verkehrsmittel zurückzuführen. Zur Verhütung schlägt JUNG-

HANNS eine bessere Abfederung der Fahrersitze vor.Dass neben der dynamischen Überlastung wahrscheinlich auch eine stati-

73

sehe vorkommt, dürfte bei Jugendlichen nachweisbar sein, bei denen sichinfolge Tragens schwerer Lasten spätere Schädigungen zeigen. Es sind unsaus der Praxis vier gesunde Kinder aus einer Gärtnersfamilie bekannt, diedann im Alter von 20 bis 25 Jahren an Beschwerden infolge lumbo-sakralerBandscheibenschädigungen litten.

In einer Arbeit über die Rheumamorbidität in einem Schweizer Bergdorfwird diese Hypothese von BACHOFNER-ALIESCH (13) vertreten. Die schwerenArbeitsbedingungen und besonders das Lastentragen im Knabenalter werdenfür die späteren Affektionen der Wirbelsäule, die beim männlichen Geschlechtüberwiegen, verantwortlich gemacht. Als Verhütung wird u. a. die Erleich-terung der körperlichen Arbeit durch Technisierung der Landwirtschaft vor-geschlagen.

Das Tragen von Lendenbinden wäre auch hier eine einfache Vorbeugung.Da erwiesen ist, dass der dorsale Teil des Faserringes der Lumbalwirbel-

säule die gefährdetste Stelle ist, so sollte versucht werden, diesen durch ge-eignete Übungen in festigkeitstechnischer Hinsicht zu verbessern.

Die Jahrtausende alten Übungen und Erfahrungen des indischen Hata-Yoga (v. 14) mögen hierzu einen gewissen Hinweis geben. Hier werden durchdie Asanas (Stellungen) im Zeitlupentempo die einzelnen Wirbelsäulenab-schnitte einem Training unterzogen.

Ein gleichsinniges System hat der Schwede PER HENRIK LING (15) ent-wickelt, das die jugendliche Wirbelsäule und ihre Haltungsfehler physiolo-gisch zu beeinflussen sucht. Sein System bildet ein Grundelement des ortho-pädischen Turnens.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bandscheiben durch erheblicheSchlag- und Ruckbeanspruchungen, aber auch durch statische Überlastung ver-letzbar sind. In extremen Stellungen, wie starker Lordosierung oder Kyphosic-rung, ist das Einwirken dynamischer Kräfte besonders gefährlich, weil dieelastischen Reserven der Bandscheiben plötzlich erschöpft werden.

Es scheint gerechtfertigt, dass durch eine erheblich vermehrte Zusammen-arbeit zwischen Orthopäden, Sport-, Schul-, Militär- und Arbeitsarzt einerseitsund dem Leibeserzieher andererseits die Prophylaxe der Bandscheibenschädi-gungen eingehend überprüft wird.

9. Zusammmenfassung

In dieser Arbeit wird versucht, die Bandscheiben der menschlichen Wirbel-säule unter Berücksichtigung des Bandscheibenvorfalles in festigkeitstechni-scher Hinsicht zu prüfen. Die Ergebnisse werden in einer Reihe von Röntgen-aufnahmen und Diagrammen verschiedenster Beanspruchungsarten bekannt-gegeben und daraus die Schlussfolgerungen gezogen. Der klinischen Bedeu-tung entsprechend wurden die Untersuchungen auf die Lumbal-Wirbelsäulebeschränkt, da sich dort die meisten Schädigungen zeigen.

74

Resume

Les auteurs ont étudie l'influence de sollicitations mécaniques sur les dis-ques intervertébraux de la partie lombaire de la colonne vertébrale. Leursrésultats expérimentaux et leurs conclusions sont présentés accompagnésd'une série de radiographies et de diagrammes correspondant aux différentessortes de sollicitations appliquées. L'étude a été limitée, conformément à l'in-téret clinique présenté par le problème, à la partie lombaire de la colonne verté-brale, dans laquelle se produisent la majeure partie des accidents.

Ces analyses constituent la base du traité suivant, intitulé «Recherches etexpériences relatives à la micro- et macro-extension de la region lombaire dela colonne vertébrale, avec action en trois dimensions sur le disque inter-vertébral'>.

Summary

It is attempted in this paper to test the strength of the discs of the humanspinal column in association with the slipping of intervertebral discs. Theresults are disclosed in a number of x-ray pictures and diagrams for a varietyof stresses, and conclusions are drawn. In view of their greater clinical im-portance, the examinations were confined to the lumbar section, since this iswhere most injuries (discopaty) occur.

This examination form the basis of the following paper, entitled "Experi-mental examination of the effect of three dimensional micro- and macro-exten-sion of the lumbar section of the spinal column on intervertebral discs".

Literaturangaben

(1) GÖCKE: Arch. Orth. 32.350: «Das Verhalten der Bandscheiben bei Wirbelverletzungen.»(2) WILLE WARIS: «Lumbar Disc. Herniation.» Acta chir. stand. Supplementum 140.(3) BAUMANN: «Überlastungsschäden und Unfallbegriff.» Zeitschrift für Unfallmedizin und

Berufskrankheiten, 39. Jahrgang, Nr. 4.(4) MENNEL: «The science and art of joint manipulation.» London, 1952.(5) KOELSCH: Zitiert nach ZOLLINGER: «Beiträge zur Lumbagofrage.» Bern, 1919.(6) FREUDIGER: «Bandscheibenschädigungen durch Leibesübungen und ihre Verhütung.»

In Vorbereitung.(7) REIMERS: «Die Chondrosis dissecans der Knorpeldeckplatte.» Langenbecks Archiv für

klinische Chirurgie, Bd. 267, 1951.(8) HOHMANN und JEGEL: «Orthopädische Gymnastik.» Stuttgart, 1949.(9) KRAUS: «Diagnosis and Treatment of low back pain.» GP, April 1952, Volume V,

Number 4.(10) SCHMORL und JUNGHANNS: «Die gesunde und kranke Wirbelsäule in Röntgenbild und

Klinik.» Stuttgart, 1951.

75

(11) TöNDURY: «Zur Anatomie der Wirbelsäule, Entwicklung, Bau und Altersveränderungder Zwischenwirbelscheiben.» Jahresk. ärztl. Fortbildung. 35, 1, 1944.

— «Neuere Ergebnisse über die Entwicklungsphysiologie der Wirbelsäule.» Archivorthop. Unfallchir. 45, 313, 1952.

(12) BRADFORD-SPURLING: «Die Bandscheibe.» Stuttgart, 1950.(13) BACHOFNER-ALIESCH: «Die Rheumamorbidität in einem Schweizer Bergdorf.» Diss.

Zürich, 1952.(14) YESUDIAN und HAICH: «Sport und Yoga.» 1949.(15) TÖRNGREN: «Lehrbuch der schwedischen Gymnastik» (nach LING). 1908.(16) H. R. ScHINZ: «Der Dauerbruch.» Zeitschrift für Unfallmedizin und Berufskrankheiten,

Nr. 1, 1947.(17) H. R. ScHINZ und E. BRANDENBERGER: «Momentanbruch und Dauerbruch des Knochens,

Spontanfraktur I. und II.-Art.» Zeitschrift für Unfallmedizin und Berufskrankheiten,Nr. 2, 1944.

(18) C. HENSCHEN: «Die aus Materialzerrüttung kommenden Erschöpfungszustände der me-chanischen Gewebe des menschlichen Körpers.» Merkblatt.

(19) TH. WYss: «Die Kraftfelder in festen Körpern. Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zürich,93. Jahrg. 1948.

76

II .Experimentelle Untersuchungen

über die dreidimensional wirkendeMikro- und Makro-Lumbal-Wirbelsäulenextension

auf die Bandscheiben

Einleitung

Motto: «Die Dosis macht es.» Paracelsus.

Die Entlastungsbehandlung der durch die von Zwischenwirbelscheiben-Ver-änderungen verursachten Beschwerden im Gebiete der Wirbelsäule hat eineallgemeine Bedeutung erlangt, wobei im speziellen die Behandlung des lum-balen. Bandscheibenvorfalles im Zentrum des Interesses steht. Genauen Ein-blick in das mechanische Verhalten der Bandscheiben bei den in Frage kom-menden Kräften zu erhalten, war das Ziel der Untersuchungen.

Dies war aber erst möglich, als eine geeignete Apparatur konstruiert wurde,die alle in Frage kommenden Kräfte auf die Wirbelsäule überträgt und eineMessung und Dosierung erlaubt.

Innerhalb dieser Untersuchungen ist es von Wichtigkeit festzustellen, wel-che Kräfte eine örtliche Entlastung erzeugen, was für den klinischen Ge-brauch wesentlich ist.

1. Lineare Zugversuche an der WirbelsäuleDie Zugversuche, die FESSLER (1) an der Wirbelsäule von zwei Frauen und

zwei Männern ausführte, zeigen, dass dieselbe von oben nach unten an Festig-keit zunimmt. Die Bruchbelastung der Wirbelsäule stellt sich im Mittel

für die Halswirbelsäule auf 113 kgfür den Brustwirbel auf 210 kgfür den Lendenwirbel auf 412 kgfür die Verbindung des Lendenwirbels mit dem Kreuzbein auf 262 kg

Die ganze Wirbelsäule nimmt also an Festigkeit von oben nach unten zuund ist am stärksten im mittleren Lendenteil. Erwähnt sei noch, dass beidiesen Prüfungen nie zwei Wirbel allein für sich zur Einspannung gelangten,sondern immer ganze Abschnitte, wodurch auch der schwächste Punkt ermit-telt wurde.

Die Verbindung zwischen Lendenteil und Kreuzbein ist wieder schwächer.Spezielle Zugversuche an der Lumbal-Wirbelsäule wurden von WYSS-ULRICHin der vorhergehenden Arbeit unternommen.

Nach BAKKE (2) ist die Beweglichkeitsamplitude des untersten Diskus L 5/S 1in ventro-dorsaler Richtung am grössten, d. h. ca. 1/3 der Totalamplitude. Diegrössere Beweglichkeit dieses untersten Diskus geht somit auf Kosten derFestigkeit. Aus den Versuchen FESSLER'S ergibt sich ferner, dass bei einerlinearen Extension der mittlere Lendenteil, der die stärkste Festigkeit auf-weist, von einer Dehnung praktisch am wenigsten berührt wird.

78

. `9

1 1 1 1 1 1 l I 1 1 I l 1 1 1

0 20 40 60 80 100 120 440 160 480 200 220 240 260 280 300 320 340 360 380

Abb. 1 Übersicht über 750 Fälle von Bandscheibenvorfall, verteilt auf Hals-, Brust-und Lendenwirbelsäule nach ADSON

204 klinische Fälle nach Haumann)

----- 112 tödliche Fälle (nach Brack )40%

20

40

1 C 3 .1) 12 L 5

Abb. 2 Prozentuale Häufigkeit der Brüche der einzelnen Wirbel

Die Geschichte der Extensionsbehandlung zeigt, dass diese Verhältnissebisher zu wenig praktisch berücksichtigt wurden (BÖHLER) (3). Dass bei derExtension gerade aber im Lendenteil aus neurochirurgischen Gründen eineDehnung gewünscht wird, ist evident und geht aus den beiden Tabellen vonADSON (4) und HAUMANN-BRACK (5) hervor (Abb. 1 und 2).

Das Problem der Dehnung wurde durch die Konstruktion einer Extensions-vorrichtung gelöst, deren Prinzip auf einer lokalen Biegung beziehungsweiseTorsion der Lendenwirbelsäule beruht.

II■_ Ir

i 1

.1

79

2. Die Arten der Verformung der WirbelsäuleFür die experimentelle Untersuchung der Wirbelsäulenextension und für

die spätere klinische Auswertung der Versuchsergebnisse wird eine Vorrich-tung benötigt, die alle Formänderungsmöglichkeiten der Wirbelsäule als einvöllig zusammenhängendes Gebilde künstlich auszuführen gestattet. Dabeimüssen die verschiedenen Bewegungsarten einzeln für sich verursacht, wieauch beliebig kombiniert werden können, ausserdem muss die Möglichkeit derMessung der räumlichen Verschiebung bestehen. Währenddem bei der klini-schen Anwendung der Wirbelsäulenextension die Erzielung g e e i g n et erDilatationen durch Formänderung angestrebt wird, sind zu Forschungs-zwecken ausserdem noch die Ergebnisse bezüglich Beanspruchungen an derWirbelsäule, sowie bezüglich der Festigkeitsverhältnisse erwünscht, was be-reits in der ersten Arbeit zur Behandlung kam.

Die vier ausgezeichneten Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule, dieden Formänderungen des ganzen Gebildes entsprechen, sind, wenn die Ver-bindungsstelle zwischen Apparat und Becken als Fixpunkt angenommen wird:

1. die Neigung des Oberkörpers nach vorne und hinten entsprechend einerBiegung der Wirbelsäule in der dorso-ventralen Symmetrie-ebene;

2. die seitliche Neigung des Oberkörpers entsprechend einer Biegung in derEbene senkrecht zur Symmetrieebene — die L a t e r a 1 f 1 e x i o n —;

3. die Drehung des Oberkörpers entsprechend einer T o r s i o n der Wir -belsäule um ihre Achse, sowie

4. die Dehnung o der V e r k ü r z u n g der Wirbelsäule infolge Zug-oder Druckkräften in axialer Richtung.

In Abb. 3 sind einige Verformungsarten der Wirbelsäule aufgeführt, wiesie für experimentelle Untersuchungen sowie für die klinische Anwendungvorkommen können. In allen Abbildungen a bis d wird der Ausgangs- undEndzustand dargestellt für:

a) eine Einzelkraft bei elastischer Einspannung der Enden;b) ein Torsionsmoment Mt am Becken wirkend, so dass eine Verdrehung um

die Achse C—C entsprechend einem Winkel τ stattfindet;c) ein Biegemoment Mb am Becken wirkend, so dass dieses sich um die

Achse B—B entsprechend einem Winkel a verdreht;d) ein Biegemoment Mb am Becken und eine Druckkraft P in der Nähe des

Beckens wirkend, so dass dieses sich um die Achse B—B entsprechendeinem Winkel a' verdreht.

Über die Art der Beanspruchungen infolge Biegung in einem Querschnittdurch die Bandscheiben geben Abb. 4 (a bis c) einen näheren Einblick. InAbb. 4a wird die in diesem Querschnitt auftretende Schnittfläche schema-tisch dargestellt, wobei der obere Teil die Bandscheibe, der untere die dorsal-seitigen Gelenkverbindungen und Bänder betrifft. Bei Zugbeanspruchung

80

Endzustand (Torsionswinkel gegenSchulter zu abnehmend

A Becken

c) Verformung infolge eines Biegemomentes M h in der Ebene R-C(Drehung des Beckens um die Achse B-B pFlexian) / B

Schulter

Ausgangszustand

C

b) Verformung infolge eines Torsionsmomentes Mt.(Drehung des Beckens um die Achse C-C um einen Winkel `11

d) Verformung infolge eines Biegemomentes Mh und eines Pelottendruckes PDrehung des Beckens um die Achse B-B =Flexion)

I A J fiM h

Abb. 3 Schematische Darstellung der Verformungen an der Wirbelsäule infolgeKraft- und Momenteneinwirkung

kommen vor allem die Bänder, bei Druckbeanspruchung die Mittelzone inder Bandscheibe und die Gelenke der Wirbelbogen zum Tragen.

Wird für einen durch eine Kraft P belasteten auskragenden Teil der Wir-belsäule der Schnitt I—I (Abb. 4b) betrachtet, so tritt dort ausser einer Quer-kraft P das Moment Mb auf. Dieses Moment ist im vorliegenden Fall

Mb=Pd=J*cdFs

6 81

Gz—nMittelzone mit Nucleus(Oruckräfte Lbertragend)

0 /o_ (Bänder (Zugkräfte übertragend)1Gelenke(Druckkräfte übertragend)

a) ltuerschnitt durch die Wirbelsäule (Tragflächen)I Bandscheibe

Wirbelkörper ^.;.; Faseryin iamellenn v.^^^^^^^ ^ dF (Zugkraft¢ übertragend)

0

c) Spannun9sverteilun9 im Schnitt I -II +

Gg +G

0

Abb. 4 Schematische Darstellung der Beanspruchungen an der Wirbelsäule infolge Biegung

F Tragfläche je nach Pit der

wenn bezeichnet wird mit

F die Tragfläche, je nach Beanspruchungsart,dF ein Flächenelement der jeweiligen Tragfläche

die Normalspannung, die auf dieses Flächenelement wirkt,s der Abstand des Flächenelementes von der Nullachse.

Die Beanspruchungen sind äusserlich an der Verformung des Materialserkennbar. Im allgemeinen Fall wird der Zusammenhang zwischen Spannungund Dehnung wie folgt ausgedrückt:

E =E.on

82

wenn angenommen wird:

ε = Dehnung in %,E = Elastizitätsmodul des Bandscheiben- und Bändermaterials,n = Exponentialwert, der dem betreffenden Material eigen ist.

Um hierüber einige Anhaltspunkte zu geben, soll erwähnt werden, dassbei Untersuchungen in der EMPA1 ) betreffend Elastizität der Beugesehnendes Pferdes gefunden wurde

E 90 bis 100 kg/mm2n — 1

(Siehe Abb. 43a I)

Unter der Annahme, es sei für das Sehnenmaterial

ε _ (HooKsches Gesetz),

ergibt sich, wenn keine Längskraft S vorhanden ist, näherungsweise eineSpannungsverteilung über den Querschnitt I—I nach Abb. 4c. Bei dieser wirdfür S=0

So • dF = 0

woraus folgt, dass bei Biegung eine gezogene und eine gedrückte Zone imQuerschnitt vorhanden sein muss, die beide durch die Nullinie voneinandergetrennt sind. Eingehende Biegeversuche mit Wirbelsäulenabschnitten habenergeben, dass eine solche Neutralaxe eindeutig vorhanden ist. Diese Versuchs-ergebnisse wurden in der vorhergehenden Arbeit bekanntgegeben .Siehe Abb. 56und 57 I.

Diese durch Biegungen hervorgerufenen Verformungen und Beanspru-chungen kommen bei der Wirbelsäulenextension weitgehend zur Anwen-dung. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass eine genaue theoretischeErfassung der Beanspruchungsverhältnisse. aus Biegung und ebenso auch derübrigen Beanspruchungsarten auf Schwierigkeiten stösst, da die Wirbelsäuleim Vergleich zu einem Stab aus homogenem Material ein sehr kompliziertesund heterogenes Gebilde ist. Vor allem ist hervorzuheben, dass die Wirbel-körper und die mit diesen in direkter Verbindung stehenden Artikulationenund Dornfortsätze als starre Einzelgebilde aufzufassen sind, die durch diesehr elastischen und nachgiebigen Bandscheiben und zahlreichen Längsbän-der fest miteinander verbunden sind. Die Wirbelsäule besteht demnach ausGliedern mit ganz verschiedenem elastischem Verhalten, wobei bezüglichVerformung die Bandscheiben und Längsbänder eine ausschlaggebende Rollespielen. Diese Verhältnisse kommen insbesondere bei der Biegung zurGeltung.

1 ) WALTER WILLI: Versuche über die Elastizität und Festigkeit der Beugesehne desPferdes. Diss. an der veterinär-chirurgischen Klinik der Universität Zürich.

83

Beachtenswert ist, dass auch bei den Bandscheiben selbst infolge ihresAufbaues die Beanspruchungen ganz verschiedenartig sein können. Hiezugeben insbesondere die ineinandergereihten Lamellen des Faserringes sowieder aus einer gallertartigen Masse bestehende Nucleus pulposus Anlass. ZurÜbertragung der Zugkräfte ist vor allem erforderlich, dass die hiefür be-stimmten Faserringlamellen der Randzone in fester Verbindung mit denWirbelkörpern sich befinden und diese Verbindungen durchweg den auf-tretenden Beanspruchungen standhalten. Es sind vor allem die Verbindungenzwischen Bandscheiben und Wirbelkörpern, die in festigkeitstechnischer Hin-sicht eine ausschlaggebende Rolle spielen und beim örtlichen Versagen zumBandscheibenvorfall führen können, Abb. 29 II. Die bereits erwähnten Son-derversuche der Verfasser geben hierüber einen vertieften Einblick.

3. Die Versuchseinrichtung

Für die experimentelle Untersuchung der Wirbelsäulenextension und fürdie spätere klinische Auswertung der Versuchsergebnisse wurde von S. P.ULRICH der in Abb. 5 bis 7 dargestellte Apparat hergestellt.

Dieser besteht aus:

a) einer Grundplatte I, auf welcher montiert sind:b) ein viereckiger, offener Rahmen II, der an der Basis durch ein Handrad

mit Spindel und Schlitten längs und quer verschieblich gelagert ist und

Abb. 5 Versuchseinrichtung ULRICHfür dreidimensionale Verformung der Wirbelsäule

84

Fassung des Beckensdrehbar um die Achse C-C

B

Photogr. Platte

Rahmen, drehbarum Rchse B- B

Rahmen. drehbarum Rchse R-11

------Verschiebungsvorrichtung

d = - 20°

a = +20°

R

Abb. 6 Seitenansicht des Apparates ULRICH mit eingebautem menschlichem Körper.Schematlsche Darstellung

Röntgenapparat

Abb. 7 Querschnitt durch den Apparat ULRICH mit gefasstem Becken

85

ausserdem um einen vertikalen Zapfen A—A gedreht werden kann. Da-durch ist es möglich, die L a t er a l f l e x i o n auszuüben;

c) einem weiteren offenen Rahmen III, der in den Rahmen II eingebaut istund zur Fixierung des Beckens des menschlichen Körpers dient. Da er umdie Achse B—B drehbar ist, so wird dadurch ermöglicht, die d o r s o -v en t r a 1 e Beugung auszuüben. Die Grösse des Drehwinkels kann aneiner besonderen Vorrichtung abgelesen werden.

d) einer im Rahmen III gleitenden, halbringförmig ausgebildeten Fas-sung IV, durch welche eine T o r s i o n s b e w e g u n g um die AchseC—C ausgeführt werden kann.

Die Teile II bis IV sind demnach so zusammengefügt, dass sie eine ArtKardangelenk bilden.

e) einer brettartigen Verlängerung V, die fest mit dem Rahmen III verbun-den ist und zur Auflagerung der Beine dient;

f) einer vertikalen, federartig ausgebildeten Stütze VI mit einer Vorrich-tung zur Fassung des menschlichen Körpers am Schultergürtel und zurAuflagerung des Kopfes. Die auf diese Stütze wirkende Horizontalkraftkann gemessen werden;

g) einer Pelotte VII zur Ausübung lokaler Drücke auf die Wirbelsäule. DieseDrücke sind messbar. Die Pelotte kann in eine feste Verbindung mit demRahmen III gebracht werden, so dass sie dessen Drehbewegungen um dieAchse B—B mitmacht.

Über die praktische Anwendung dieses Apparates geben Abb. 6 sowieAbb. 7 näheren Aufschluss. In letzterer Abbildung sind noch weitere De-tails über die vorhandenen Messvorrichtungen ersichtlich.

4. Die Messmethodik(Abb. 8)

Zur genauen Ermittlung der gegenseitigen Lage der Wirbelkörper imRöntgenbild wurden N ä g e 1 in der dorsal-ventralen Symmetrieebene ven-tral in der Mitte eines jeden freigelegten Wirbelkörpers eingeschlagen, so dasssie als Messpunkte eines Netzes (Abb. 8) dienen können. Da die Wirbel-körper selbst praktisch keinerlei Formveränderung unterworfen sind, solassen sich damit eindeutig die Formveränderungen in den dazwischen liegen-den Bandscheiben verfolgen. Durch die seitlichen Röntgenaufnahmen wirdinsbesondere die Beobachtung der Vorgänge im Längsschnitt durch die Band-scheiben ermöglicht. Abb. 8a und 8b.

Der erste Nagel im Apex des Os sacrum wurde gemäss seiner ausgezeich-neten Lage als Fixpunkt für die Ermittlung der Relativbewegungen der Wir-belsäule gewählt. Die einzelnen Meßstellen wurden nach Abb. 8 wie folgtbezeichnet:

86

Abb. 8 Röntgenbild einer menschlichen Wirbelsäule im Nullzustand mit Angabe derMeßstellen und des Netzes der Messungen für den Längsschnitt

MeßstelleNr.

BereichBandscheibe zwischen Wirbelkörper

1 S 1 und L 5 (lumbo-sakrale BS)2 L 5 und L 43 L4 und L34 L3 und L25 L 2 und L 16 L1 und TH12

Röntgentechnische Gründe zwangen in gewissen Fällen zu einer Verschie-bung des Bildes, so dass statt der Meßstelle Nr. 1 die folgende, Nr. 2 alsAnfangspunkt und überdies die Meßstelle Nr. 6 verwendet wurden.

Die Verbiegung der Wirbelsäule wird in den nachfolgend zu beschreiben-den Fällen immer von der Beckenneigung abhängig gemacht (Beckennei-gungswinkel) entsprechend Neigungswinkel der Achse B, vgl. Abb. 6, 8aund 8b.

DieLordosierung wird durchpositive Winkelwerte,die Kypho-sierung durch negative charakterisiert. Versuche haben ergeben,dass, dank der dreidimensionalen Bewegungsfreiheit der Extension der Wir-belsäule, leicht Verbiegungen von +20° bis —80° (ohne Pelotte), ferner Tor-sionen von 50° und Lateralflexionen von 40° erteilt werden können. Dadurchlassen sich z. B. an Leichen die Untersuchungen über den ganzen physiolo-gischen Bewegungsbereich ausdehnen. Für die klinische Auswertung istinnerhalb davon die ventral-dorsale Flexion von besonderer Bedeutung. Um

87

3I

2d4 III 68(f) /4 SII 04-1) I

R /S

IS ^ 4L SZCPUITT

DI 580-2) L5Beckenneiqung;

LE/, C°a ° Lim?

1 „-0kgR P„ -20 w- 315A1P„-30 *^.

•Schulte,,f/ %erunQ 570 mrr

Abb. 8a Lagen der Lumbal-Wirbelsäule L 1 bis L 5 bei verschiedenen Neigungendes Beckens

Beckenneigung:

SchulferFizierun9 540 mm

Abb. 8b Lagen der Lumbal-Wirbelsäule L 1 bis L 5 bei verschiedenen Neigungendes Beckens und verschiedenen Pelottendrücken auf L 5/S 1

ein Mass für die Formänderungen der Bandscheiben zu erhalten, werden dieeinzelnen Fälle mit Kontrollaufnahmen so verglichen, dass D i l a t a t i o n e ngrundsätzlich mit positiven, Verkürzungen mit negativenWerten der Längenänderung gegenüber den entsprechenden Kontrollängenbezeichnet werden.

Die Kontrollaufnahmen werden im allgemeinen im entlasteten Zustand(Nullzustand) der Wirbelsäule aufgenommen.

Bei der kritischen Beurteilung der Messresultate in den nachfolgendenAbb. 9 bis 23 ist noch der Einfluss der Gelenke und Bänder sowie die Nach-giebigkeit der Auflagerung von Schulter und Becken zu berücksichtigen.

Verzeichnis der Versuche

Alter Abbildung Beckenneigung Pelottendruckund Richtung

Zug, bzw. Druck amSchultergttrtel

gemessen

22 Jahre 9 + 20° Zug = 2 kg10 — 20° Druck = 11 kg

42 Jahre 11 .1- 25° Zug = 45 kg

48 Jahre 12 + 20° Zug = 8 kg13 + 20° 58 kg B.S. L4/L5 Zug = 3 kg14 — 42° 32 kg B.S. L 1/L 2 Druck = 4 kg

52 Jahre 15 + 20°16 — 20°17 0 105 kg TH 12/L1 fixiert

55 Jahre 18 0 32 kg B.S. L 3/L 4 Zug = 6 kg19 + 20° Zug = 15 kg20 + 20° 45 kg B.S. L 4/L 5 Zug = 20 kg21 — 20° Druck = 8 kg22 + 17° 65 kg B.S. L 3/L 4 fixiert23 — 17° 56 kg B.S. L 3/L 4 Druck = 6 kg

5. Die Versuchsergebnisse

Die Untersuchungen bezüglich Wirbelsäulenextension wurden an folgendenfünf nicht infektiösen Leichen nach Abb. 6, 7 und 8 vorgenommen:

a) männlich, 22jährig d) männlich, 52jährigb) männlich, 42jährig e) männlich, 55jährigc) männlich, 48jährig

Dabei zeigen sich, wie nach den theoretischen Betrachtungen zu erwartenist, je nach dem Belastungszustand verschiedene charakteristische Lageände-

90

45 4643 45 37 2

3

4

5

4244 4544 30Nullzustand / Masse in mm

— Drehung des 8ecken* um •20°

Verformungsmasse in mm beziigl. Nullzustand

43424144 23

40 40 42.43 16

+20045

rungen, die auf die Verformung der Bandscheiben zurückzuführen sind. Imnachfolgenden werden die Versuchsergebnisse näher erläutert.

a) 22jähriger Mann

In Abb. 9 und 10 werden die Verformungen der Wirbelsäule im lumbalenBereich bezüglich der Nullstellung (Ausgangsstellung) dargestellt infolge:

a) Drehung des Beckens um +20° (Lordosierung), Abb. 9, mit ausgeprägterDehnung auf der ventralen und Verkürzung auf der dorsalen Seite.

β) Drehung des Beckens um —20° (Kyphosierung) , Abb. 10, wobei dieDehnung auf der dorsalen und die Verkürzung auf der ventralen Seitesich zeigt.

Die festgestellten Dehnungen und Verkürzungen bezüglich des Nullzustandessind in der Abbildung im zugehörigen Endzustand eingetragen.

In beiden Fällen zeigt sich, dass die wesentlichsten Verformungen bei denBandscheiben im Bereich des Beckens auftreten, d. h. in den Feldern 1, 2und 3, währenddem sie in den Feldern 4 und 5 nur noch von untergeordneterGrösse sind. Werden die Verschiebungsbilder von Zustand a) und β) in dasBild der Ausgangsstellung so eingezeichnet, dass sie sich bei A—A in derZone 5 genau überdecken, so zeigt sich, dass die Abschlussgeraden B +20 undB_ 20 praktisch genau Winkel von 20° mit der Geraden 0-0 der Ausgangs-stellung einschliessen.

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass bei der vorliegenden Wirbelsäuledie Verformungen infolge Drehung des Beckens um die Achse B—B zum

Abb. 9 Verformung der Wirbelsäule eines 22jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens bezüglich der Nullstellung um +20°

91

5

5 4 3 247 42 46 55 + 25 °47 40 47 44 48

46 39 42 36 37

46 38 47 32 28

46 34 47 27 20d^4rston

— Nullzustand , Masse in mmDrehung des Betkiens um •25°

Verformungsmasso in mm bez. Nullzustand

m

a

Nullzustand— Drehung des Beckens um -20°

Verformungsmasse in mm beziiyl. Nullzustand

Abb. 10 Verformung der Wirbelsäule eines 22jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens bezüglich der Nullstellung um —20°

wesentlichsten Teil sich auf die drei untersten Bandscheiben beschränken,wobei vor allem die Bandscheibe S 1/L 5 sich auszeichnet (Meßstelle 1) . DieNullinie befindet sich da, wo die gezogene Zone in die gedrückte Zone über-geht.

b) 42jähriger Mann

Aus Abb. 11 gehen die Verformungen der Wirbelsäule im lumbalen Be-reich bezüglich der Nullstellung hervor, wenn die Drehung des Beckens um

Abb. 11 Verformung der Wirbelsäule eines 42jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens um +25° bezüglich der Nullstellung

92

+25° erfolgt. Im vorliegenden Fall werden alle Bandscheiben der Felder 1bis 5 in Mitleidenschaft gezogen. In analoger Weise wie in Abb. 9 treten aufder ventralen Seite Zug-, auf der dorsalen Seite Druckbeanspruchungen auf.

Auch hier ist beachtenswert, daß wenn die Bilder von Ausgangs- und End-zustand so übereinandergelegt werden, dass sie beim Schnitt A—A überein-stimmen, der Winkel zwischen den Abschlussgeraden 0-0 und B+ 25 wiederpraktisch genau 25° ist.

Die Verformungsverhältnisse sind im allgemeinen ähnlich denjenigen des22jährigen Mannes.

c) 48jähriger Mann

In den Abb. 12 bis 14 werden die Verformungen des lumbalen Teils derWirbelsäule bezüglich der Ausgangsstellung (Nullstellung) dargestellt, infolge

a) Drehung des Beckens um +20° (Abb. 12) wieder mit ausgeprägter Deh-nung auf der ventralen und Verkürzung auf der dorsalen Seite.

β) Drehung des Beckens um +20° und gleichzeitiger Belastung durch einenPelottendruck von 58 kg (Abb. 13), Druckrichtung B. S. L 4/L 5, Zug amSchultergürtel gemessen 3 kg.

y) Drehung des Beckens um —42° und gleichzeitiger Belastung durch einenPelottendruck von 32 kg (Abb. 14), Druckrichtung B. S. L 1/L 2, Druck amSchultergürtel gemessen 4 kg, mit starker Verkürzung bei den Bandschei-ben L 5/L 4 und L 4/L 3 auf der ventralen und Dehnung auf der dorsalenSeite.

43 44 52 45 62

Nullzustand. Masse in mm 41 43 43 50 43 58 2

— um •20° 42 43 43 43 42 54 3D rehung des Beckens

Verformun9smasse in mm bez. Nullzustand 43 43 42 45 50 443 43 42 43 40 46 5

Abb. 12 Verformung der Wirbelsäule eines 48jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens um +20° bezüglich Nullstellung

93

Nullstellung (Busgangsstellung)---- Drehung des Beckens um +20°

Drehung des Beckens um +20° und Pelottendruck von 58kg

- NullzustandDrehung des Beckens um -42' und

Peloftendruck von 32kgVerformun9smasse in mm bezigl, Nullzustand

Die Verformungsmosse beziehen sich auf den Zustand +20°

Abb. 13 Verformung der Wirbelsäule eines 48jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens um +20° sowie eines zusätzlichen Pelottendruckes von 58 kg im Vergleich

zur Nullstellung

Im Falle a) treten ähnliche Verhältnisse auf wie beim 22jährigen Mann(Abb. 9). Der Winkel zwischen 0-0 und B +20 ist wieder ziemlich genau 20°.Die Bandscheibe S 1/L 5 (Meßstelle 1) weist wieder die grössten Verfor-mungen auf.

P-4kg Druck

an der Schultergemessen

Abb. 14 Verformung der Wirbelsäule eines 48jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens um —42° und eines Pelottendruckes von 32 kg bezüglich der Nullstellung

94

6 5 R 3 240 45 47 52 54 14o 42 4i 50 50 240 39 4 9 48 4? 3

39 36 47 49 44 4

39 33 47 5

Nullzustand. Masse in mm- Drehung des Beckens um .20°Verformmgsumasse in mm bez . Nullzustand

Becken

Mit dem Fall β) werden der Ausgangszustand (Nullzustand) und der Zu-stand a) ohne und mit Pelottendruck miteinander in Vergleich gebracht. Dieverschiedenen Zustände ergeben sich aus der Lage der Abschlussgeraden0-0, B +20 und B+20+P•

Durch den Pelottendruck findet bezüglich dem Zustand a) eine gewisseZurückdrehung statt.

Zum Fall y) ist zu bemerken, dass sich die Verformungen auf die Felder2 bis 6 beziehen. Durch die Einwirkung des Drehmomentes und des Pelotten-drucks wird die Wirbelsäule in den Intervallen 2 bis 4 nahezu gerade.

Bezüglich der Pelottendrücke ist zu bemerken, dass ihre lokale Wirkungsich über einen mehr oder weniger grossen Bereich der Wirbelsäule erstreckt.

d) 52jähriger Mann

Bei der Wirbelsäule dieses Mannes wurden folgende Biegeversuche aus-geführt:

a) Drehung des Beckens um +20° (Abb. 15)./3) Drehung des Beckens um —20° (Abb. 16).,i) Verformung des lumbalen Teils infolge eines Pelottendrucks von 105 kg,

(Abb. 17), Druckrichtung TH 12/L 1.

Beachtenswert ist, dass bei der Drehung des Beckens die Verformungensich über eine wesentlich grössere Anzahl Bandscheiben erstrecken, als diesbeim 22jährigen Mann der Fall ist. Die Verformungen sind auch ganz be-trächtlich grösser, wenn berücksichtigt wird, dass die Meßstrecke 1 fehlt.Vergleiche Abb. 15 und 16 mit Abb. 9 und 10.

Abb. 15 Verformung der Wirbelsäule eines 52jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens bezüglich der Nullstellung um +20°

95

Nullzustand- arehung des Beckans um -20°

Verformun9smassa in mm beziigl. Nullzustond

Abb. 16 Verformung der Wirbelsäule eines 52jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens bezüglich der Nullstellung um —20°

Von Interesse ist die starke Verbiegung der Wirbelsäule infolge Einwirkungeiner Pelottenkraft von 105 kg (Abb. 17), Druckrichtung TH 12/L 1, wobeihervorzuheben ist, dass bei diesem Versuch das Federblatt zur Messung deslinearen Zuges (s. Abb. 6 VI) fixiert wurde.

Die maximalen Verformungen treten in den Feldern 5 und 6 auf, d. h. un-mittelbar im Bereich der Kraftwirkung.

Infolge der starken Biegeeinwirkung trat ein Bruch in der Bandscheibezwischen L 1 und TH 12 ein.

Einen besonderen Einblick in die Verformungsverhältnisse geben die Ab-bildungen 16a und 17a.

Th 12 (6) L 1 (5) L 2 (4) L 3 (3) L 4 (2)

L5

Abb. 16a Verformung der lumbalen Wirbelsäule durch Kyphosierung um —200

96

— Nullzustand— Verformung infolge Pelottendruck von 105 kg

Verformungsmasse in mm bez. Nullzustand

Th 11 Th 12 Riss L 1 (5) L 2 (4)

Abb. 17 Verformung der Wirbelsäule eines 52jährigen Mannes infolge Pelottendruckesvon 105 kg bezüglich des Nullzustandes

Das Röntgenbild Abb. 16a zeigt die Wirbelsäule in kyphosiertem Zustand,während im Röntgenbild 17a die Einwirkung einer Pelottenkraft von 105 kg,Druckrichtung TH 12/L 1, dargestellt ist. Am kaudalen-ventralen Abschnittvon TH 12 lässt sich unschwer der Abriss der Bandscheibe erkennen. Wieauch bei den isolierten Versuchen zeigt sich der Übergang zwischen Band-scheibe und Wirbelkörper als die schwächste Stelle bei maximaler Biegeein-wirkung.

Der Bruch in der Bandscheibe TH 12/L 1 hat ein Klaffen des Wirbelge-lenkes hervorgerufen. (Helle Zone am Wirbelkörper TH 12, Abb. 17a.)

Abb. 17a Verformung der lumbalen Wirbelsäule durch einen Pelottendruck von 105 kg.Rissbildung in der Bandscheibe TH 12/L 1 infolge Hyperlordosierung

7 97

13)

C)

Gegenüber der Abb. 16a im kyphosierten Zustand lässt sich bei dieser Hyper..lordosierung ferner die ausserordentliche Verkleinerung der Zwischenwirbel-löcher feststellen.

Ebenso sieht man bei L 4/L 3 (Abb. 17a) eine Wirbelverschiebung nachhinten, indem der dorso-kaudale Anteil des Wirbelkörpers infolge der Dre-hung das Intervertebralloch verkleinert.

Bei der Lordosierung werden nicht nur die Intervertebrallöcher mechanischverkleinert, sondern auch das gesamte Lumen des Wirbelkanals.

e) 55jähriger Mann

Bei einem 55jährigen Mann wurden im Verhältnis zur Ausgangsstellungfolgende Verformungsbilder (Abb. 18 bis 23) aufgenommen:

a) Pelottendruck von 32 kg (Abb. 18), Druckrichtung B. S. L 3/L 4 Zug amSchultergürtel gemessen 6 kg.Drehung des Beckens um +20° (Abb. 19), Zug am Schultergürtel gemes-sen 15 kg.Drehung des Beckens um +20° unter gleichzeitigem Pelottendruck von45 kg (Abb. 20), Druckrichtung B. S. L 4/L 5, Zug am Schultergürtelgemessen 20 kg.

8) Drehung des Beckens um —20° (Abb. 21), Druck an der Schulter ge-messen 8 kg.

e) Drehung des Beckens um +17° unter gleichzeitigem Pelottendruck von65 kg (Abb. 22), Druckrichtung B. S. L 3/L 4.

Drehung des Beckens um —17° unter gleichzeitigem Pelottendruck von56 kg (Abb. 23), Druckrichtung B. S. L 3/L 4, Druck am Schultergürtelgemessen 6 kg.

Zu diesen Verformungsbildern dürften die folgenden Bemerkungen weite-ren Aufschluss geben.

a) P e l o t t e n d r u c k a 11 ei n. Wie aus Abb. 18 hervorgeht, bewirkt die-ser Pelottendruck von 32 kg nur eine leichte Zunahme der Krümmung.

D r eh u n g des B eck e n s um +20° (Abb. 19) . Die Verformung istähnlich wie beim 22jährigen Mann (Abb. 9), nur nicht so stark ausge-prägt. Vor allem sind die Verformungen der Bandscheibe S 1/L 5 (Feld 1)wesentlich geringer. Vergleiche auch Abb. 11, 12 und 15.

Drehung des Beckens um +20° und gleichzeitiger Pe-1 o t t e n d r u c k von 45 k g (Abb. 20) . Im Vergleich zum Zustand ,B)

wird durch den Pelottendruck nahe am Becken eine Verstärkung derKrümmung bewirkt. Die Wirkung ist etwas grösser als beim Zustand a),sie erstreckt sich über alle Felder 1 bis 5 und bewirkt eine wesentlicheZunahme der Beanspruchung auf der ventralen Seite.

β)

Y)

98

Becken

Becken1

2

3

4

5

41 465049 48-- Nullzustand, Masse in min® Drehung des Beckens um +20°Verformungsmasse in nun bez Nullzustand

4i 4i 314543

46 46 46 41 29

46 44 44 38 20

Nullzustand , P<o < RusgongsstellungZustand noch Peloltendruck von 32kg

Verformun9smassa in nun bez. Nullzustand

Abb. 18 Verformung der Wirbelsäule eines 55jährigen Mannes infolge eines Pelottendruckesvon 32 kg. Leicht verstärkte Krümmung zwischen 1 und 2

6) Drehung des Beckens um —20°, Abb. 21. Bei der Drehung um—20° treten wesentliche Verformungen auf, die sich über die Meßstrecken1 bis 5 erstrecken. Die Verformungsverhältnisse in dieser Drehrichtungsind trotz des Alters noch stärker ausgeprägt als beim 22jährigen Mann(Abb. 10). In Vergleich zu ziehen ist ferner die Abb. 16.

Abb. 19 Verformung der Wirbelsäule eines 55jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens um +20° bezüglich der Nullstellung

99

Zu9.20kgan der Schulter

gemessen dorsal

A Ä +20°

45/9

5

-- +20°-Stellung20' Stellung und Pelottendruck von 4519

Verformungsmasse in mm bez. Nullzustand( )Verformungsmasse in mm bez. 20°-Zustand

Abb. 20 Verformung der Wirbelsäule eines 55jährigen Mannes infolge Pelottendruckesvon 45 kg bei Drehung des Beckens um +20°

f ) Drehung des Beckens um +17° und Pelottendruck von65 kg. Druckrichtung B. S. L 3/L 4, Abb. 22. Die Verformung in diesemZustand wird auf den Ausgangszustand (Nullstellung) bezogen. Hierbeizeigt sich eine bedeutende Zunahme im Vergleich zum Zustand fi (Abb. 19),was auf den Pelottendruck zurückzuführen ist. Pelottendruck und Dre-

Becken

— NullzustandDrehung des Beckens um -20°

Verformungsmasse in mm bez. Ndlzustand

Abb. 21 Verformung der Wirbelsäule eines 55jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens bezüglich der Nullstellung um —20°

100

Schulterfixiert

I

- NullzustandOrehung des Beckens um +11° undPelottendruck von 65 kg

Verformungsmasse in mm bez. Nidlzuste,nd

5

Abb. 22 Verformung der Wirbelsäule eines 55jährigen Mannes infolge Drehung desBeckens um +17° und Anbringen eines Pelottendruckes von 65 kg

hung des Beckens in positivem Sinn unterstützen einander in ihrer Wir-kung auf die Verformung. Rissbildung am ventr alen Längsband zwischenL 1 und L 2, Feld 5.

C) Drehung des Beckens um —17° und Pelottendruck von56 kg. Druckrichtung B. S. L 3/L 4, Abb. 23. Aus dem Vergleich zwischen

NullzustandDrehung des Beckens um -17 t.Pelottendruck von 56 kg

Verformungsmasse in mm bez. Nullzustond

Abb. 23 Verformung der Wirbelsäule eines 55jährigen Mannes infolge Drehung des• Beckens um L_17° und Anbringung • eines Pelottendruckes VOn 56 kg

1.01

diesem Endzustand und der Nullstellung folgt, dass nur im Feld 1 wesent-liche Veränderungen eingetreten sind. Es ergibt sich daraus, dass eineDrehung des Beckens im negativen Sinn der Verformung aus Pelotten-druck entgegengewirkt hat.

6. Zusammenfassung der MessergebnisseMit Hilfe des Extensionsapparates ULRICH lassen sich an der menschlichen

Wirbelsäule dreidimensionale Extensionen auf die Bandscheiben ausführen.Die vorgehend bekanntgegebenen Versuche beschränken sich auf die Ver-formungen infolge Dehnung des Beckens in ventro-dorsaler Richtung sowieauf direkte Pelottendrücke oder Kombination beider Beanspruchungen.

Im folgenden werden aus diesen Versuchsreihen die wesentlichen Fälle anHand der Abbildungen 9 bis 23 nochmals kurz zusammengestellt.

a) Die Lordosierung infolge Beckenneigung im positiven Sinne bewirktdeutliche Dilatationen entlang der ventralen Seite der Wirbelsäule und dieentsprechenden Verkürzungen im dorsalen Teil der Bandscheibe. Vgl. Abb. 9,11, 15 und 19.

b) Demgegenüber verursacht die Kyphosierung durch Beckenneigung imnegativen Drehsinn — wie in Abb. 10 und 16 dargestellt — ventral entspre-chende Verkürzungen der Bandscheibe bei relativ geringen Dilatationendorsal.

c) Ebenso ergeben die dorsalen Pelottendrücke P die vorauszusehendenDilatationen des Faserringes auf der ventralen Seite, wie das z. B. in Abb. 18und ganz besonders deutlich in Abb. 17 ersichtlich ist; letzterer Fall zeigt imVergleich zur Kontrollaufnahme, dass am Ort der grössten Dilatation derFaserringe die maximale Verbiegung der Wirbelsäule auftritt, die in der Folgezu einem Bandscheibenbruch zwischen TH 12 und L 1 führte.

d) Örtlich verstärkte Dilatationen ergeben sich durch Beckenneigung impositiven Sinne zusammen mit Pelottendrücken (Kombination der Fälle (a) +(c); in Abb. 20 lassen sich solche Dilatationen bei den Bandscheiben-Mess-stellen 1 und 2 konstatieren) .

e) Bei stehender Pelotte und Beckenneigung im negativen Sinne tritt einebesonders starke dorsale Dilatation bei den Bandscheiben zwischen Kraft-und Momentenangriffspunkten auf (vgl. Abb. 14); die Abstützung auf diePelotte kommt dort einer Verkürzung der freien Länge und indirekt aucheiner Vergrösserung des negativen Beckenneigungsmomentes weitgehendgleich. Im Bereich der grössten Krümmung bei Bandscheibe 2 und 3 sindin der Folge auch die Dilatationen am grössten geworden.

Auf zwei etwas abweichende Erscheinungen sei noch hingewiesen:f) Abb. 13 zeigt, dass bei sehr starken Pelottendrücken infolge der star-

ken Vberhöhung im unteren Lendenteil die umgekehrte Formänderung ein-treten kann, indem bei Bandscheibe 1 die Dilatation d o r s a l auftritt.

102

g) Bei einer längsgestellten Pelotte, wie auf Abb. 22 ersichtlich, trat wegender beidseitigen starren Fixierung und der relativ grossen Streckung derWirbelsäule im obern Lendenteil oberflächliche Rissbildung im vorderenLängsband ein. Dies ist die Folge einer zusätzlich erhöhten Zugbeanspru-chung. Ein Bruch konnte nicht erzielt werden.

Neutralachse. In den meisten Versuchen lässt sich der Verlauf der N e u -t r a 1 a c h s e, wenigstens innerhalb eines gewissen Bereiches, gut verfolgen.Es zeigt sich z. B., dass die Neutralachse in Abb. 15 und 16 bei Bandscheibe 2und 3, in Abb. 21 bei Bandscheibe 1 sich in der Gegend des N u c 1 e u sp u 1 p o s u s befindet, wo die Dehnungen bzw. Verkürzungen verschwinden.

Bei einer Flexion des Beckens in ventraler oder dorsaler Richtung werdenhauptsächlich die drei untersten Bandscheiben, insbesondere der unterste Dis-kus L 5/S 1 betroffen. Zur klinischen Behandlung von Affektionen der Lum-bal-Wirbelsäule sind die Flexionen des Beckens um die Achse B---B viel wirk-samer als die Pelottendrücke.

Hingegen kann bei geeigneter Kombination ihre gemeinsame Wirkungverstärkt werden, Abb. 20.

Bei der klinischen Anwendung der Extension muss darauf geachtet wer-den, dass alle Verformungen im r ein elastischen Bereich statt-finden, dass also keine Schädigung eintritt (Rissbildung, Bruch der Band-scheiben) .

Diese Versuchsreihen geben einen Überblick über die qualitative Beur-teilung der Wirbelsäulenextension.

B e m e r k u n g: Bei Anwendung dynamischer Kräfte lassen sich mit be-schriebener Versuchseinrichtung Biegungsbrüche (Kompressionsfrakturen)experimentell erzeugen.

7. Klinische Möglichkeiten der Extensiona) Als Mikroextension zur Reposition des nicht fixierten

dorsalen Bandscheibenvorfalls und zur Entlastung andererdurch Diskopathien hervorgerufener Beschwerden.

Als Kriterium der Reposition kann das Myelogramm dienen. Bei Patientenmit einem positiven Lasegue oder seinen Modifikationen kann experimentellin jeder Bewegungsrichtung so lange extendiert werden, bis derselbe zumVerschwinden gebracht wird.

b) Als Makroextension zur Reposition der Frakturen,beziehungsweise Luxationsfrakturen der Lumbal-Wirbelsäule mit Rücken-markbeteiligung. Hier ermöglicht die Extension, die gewünschten Reposi-tionsbewegungen leicht und schnell auf die Lumbal-Wirbelsäule zu übertragen.Da sich die Extension in jeder beliebigen Stellung fixieren lässt, ist eine exakteRöntgenkontrolle während des ganzen Repositionsverlaufes möglich.

c) Die Messungen am Schultergürtel haben ergeben, dass die Beanspru-chung der Brustwirbelsäule gering ist, so dass für die klinische Extension die

103

Fixierung des Schultergürtels im allgemeinen nicht notwendig ist. Da dieFixierung die Spina iliaca und das os pubis freilässt, kann in der gewünschtenStellung ein Gips angelegt werden.

d) Feststellung bei der lokalen Extension eventuell auftretender abnorma-ler oder fehlender Verformungen mit Hilfe der Röntgenbilder. Hier dient dieExtension als Röntgenstativ, wobei jede beliebige Stellung räumlich gemessenwerden kann.

e) Die Repositionsbewegungen der Extension an der Leiche wurden fernerdurch einen Film aufgenommen, wobei die Bandscheibenbewegungen ventralzur Darstellung kommen. (Film: A. WÖRTH.)

8. Allgemeine Zusammenfassung

Es wurde eine dreidimensional wirkende Lumbal-Wirbelsäulen-Extensionbeschrieben, die durch Verbiegung an gewünschter Stelle ö r t 1 i c he Exten-sionen erreicht, ohne dass dabei die . gesamte Wirbelsäule einer entsprechendgrossen Beanspruchung unterzogen werden müsste.

Die Extensionen können a) durch die reine Verbiegung und Torsion er-reicht werden, b) durch Pelottendrücke und c) durch die Kombination derbeiden Beanspruchungsarten.

Die Verbiegung der Lumbal-Wirbelsäule wurde durch den Beckenneigungs-winkel bestimmt, und die Pelottendrücke in kg gemessen. Für den klini-schen Gebrauch der Extension erlauben diese Möglichkeiten die Dosierungder Kräfte.

Resume

Etude expérimentale des macro- et micro-extensions appliquées, suivant lestrois dimensions, aux disques intervertébraux de la partie lombaire de lacolonne - vertébrale.

On décrit une méthode de mise en. extension (agissant selon les trois di-mensions de l'espace) de la partie lombaire de la colonne vertébrale. Cetteméthode étant caractérisée par le fait que les extensions locales désirées sontobtenues sans qu'il soit nécessaire de soumettre la colonne vertébrale dansson ensemble à une forte sollicitation.

Les extensions sont obtenues:

a) par flexion ou par torsion simple,b) grace .a des pressions exercées. par .l'intermédiaire de pelottes,c) par combinaison des deux méthodes.

Le fléchissement de la partie lombaire de la colonne vertébrale a été déter-miné d'après l'inclinaison du bassin -et les pressions exercées par les pelottesont été 'me5urées .eri :.kg., ce' qui permet lors de l'application clinique de l'ex-tension le dosage des force5.

1104

Summary

A method for the treatment of the discus prolaps and fractures with parti-cipation of the spinal cord is described, which allows the extension in threedimensions of the lumbar part of the vertebral column.

This method is characterized by the fact, that the extension is obtained bya bending which is 1 o c al, so that the whole vertebral column has not tobe submitted to a strong sollicitation.

The extension can be obtained:

a) by means of purely bending,b) by means of pad pressures,c) by means of both above mentioned ways combined.

The bending of the lumbar part of the vertebral column was determinedby measuring the inclination of the basin and the pressures exercised withthe pad were indicated in kg. For the clinical application of the extension thismethod permit the dosing of the forces.

9. Klinische Anwendungen

A. Zur Behandlung der lumbälen Diskopathie mittels gezielter Kyphosierungin der Mikro- und Makro-Lumbal-Wirbelsäulen-Extension

von Dr. med. JOST AMMANN und S. P. ULRICH

a) Allgemeines

Die Behandlung der infolge Bandscheibenveränderungen verursachten Be-schwerden, Kreuzschmerzen und Ischias, durch Heilgymnastik oder Mani-pulationen an der Wirbelsäule, ist schon lange bekannt. Hierbei kommen dieverschiedensten Methoden zur Anwendung, die jedoch eines gemeinsam haben,dass die Möglichkeit, örtlich mechanisch auf die Wirbelsäule einzuwirken,durchaus begrenzt ist.

Die Methoden beruhen auf dem Biegungs- oder Torsionsmechanismus, wenndies auch in den meisten Fällen nicht klar zum Ausdruck kommt. Hierbeikommen statische und dynamische Kräfte zur Anwendung. Die im folgendenbeschriebene Extensionsbehandlung ist durch ein schonendes, örtliches Vor-gehen gekennzeichnet, wobei die angewandten Kräfte dosiertund gezielt werden können.

Ausgehend von den experimentellen Untersuchungen des I. und II. Teileswurde die Extension zur Behandlung von Schmerzen im Bereiche der Lumbal-Wirbelsäule und beiradikulären Symptomen angewendet.

Bei. dorsalem Prolaps kann eine Reposition durch örtliche Kyphosierungerreicht werden. Bei dorso-lateralem Prolaps mit Kompression im Foramen

105

intervertebrale lässt sich eine Erweiterung desselben durch folgende örtlicheBewegungen erzielen:

1. Kyphosierung.2. Lateralflexion nach der gesunden Seite zu.3. Rotation nach der gesunden Seite zu.4. Kombination der einzelnen Bewegungsarten.Die Begründung geht aus Abb. 30 hervor.Es sei in der Folge auf unsere Erfahrungen hingewiesen.

b) Theoretische Bemerkungen

Wie aus den experimentellen Untersuchungen hervorgeht, tritt bei derKyphosierung der Lumbal-Wirbelsäule eine Erweiterung der Zwischenwirbellöcher und eine Vergrösserung der dorsalen Abstände der Wirbelkörper aufKosten einer Verkleinerung der ventralen Abstände ein, während bei derLordosierung das Gegenteil der Fall ist. Die Biegungsachse aus reiner Bie-gung bleibt bei normalen Verhältnissen bei beiden Stellungen unverändertim hinteren Drittel des Wirbelkörpers, Abb. 56, 57 I. Bei der lateralen Ver-biegung vergrössern sich die Wirbelabstände auf der konvexen Seite auf Kostenderjenigen auf der konkaven. Däss diese Verschiebungen, bei den dorso-ven-tralen Bewegungen recht beträchtliche Werte annehmen, kann an Hand derAbmessungen in den Abbildungen 9. bis 23, II. Teil, gezeigt werden.

Übertragen wir diese Vorgänge auf eine Lumbal-Wirbelsäule, die infolgeeiner Diskopathie folgende Veränderungen aufweist: Verschmälerung der Zwi-schenwirbelscheibe, Gleiten des über der veränderten Bandscheibe gelegenenWirbels nach hinten mit Verengung des Zwischenwirbelloches, Abb. 24, nachGüNTZ, so müsste sich in diesem Falle bei der Kyphosierung der dorsaleZwischenwirbelabstand wieder vergrössern, das Intervertebralloch öffnen unddie Wirbelverschiebung ausgleichen. Bei der Lordosierung würde der um-gekehrte Vorgang eintreten.

a b

Abb. 24 Mechanismus der Dorsalverschiebung infolge Bandscheibenverschmälerung (nachGtr rz). Die Richtung der Gelenkflächen lässt erkennen, warum es bei einer Zermürbungder Bandscheibe zu einer Verschiebung nach hinten kommen kann, a) Normale Stellungder Wirbelkörper zueinander. b) Durch Verschiebung des oberen Wirbels nach hinten wird

das Zwischenwirbelloch in ventro-dorsaler Richtung enger

106

Dass ersteres der Fall ist, kann an Hand von zwei Röntgenaufnahmen aneinem Patienten gezeigt werden (siehe Tabelle Fall 19 und Abb. 25 und 26) .

Es ist offensichtlich, dass hier eine dorsale Wirbelverschiebung, wenigstensfür die Zeit der Extensionswirkung, in eine normale Stellung gebracht wurde.Ferner ist anzunehmen, dass sich nach Entfernung des Zuges die ursprüng-liche Lage wieder herstellt. Zum Vergleich dienen Röntgenbilder eines gesun-den 27jährigen Mannes (Abb. 27 und 28).

Der klinische Verlauf des obigen Falles sei hier kurz erwähnt: Ein halbesJahr vor Eintritt in unsere Behandlung half Patient beim Heben eines 800 kgschweren Radiators, wobei er in starker Hyperlordosierung einen Teil derLast zu tragen hatte. Kurze Zeit nachher Auftreten von Schmerzen in derLumbal-Wirbelsäule, hauptsächlich bei Belastung. Zeitweise ausstrahlendeSchmerzen an der Hinterseite des linken Oberschenkels. Starker Stauchungs-schmerz der Lumbal-Wirbelsäule. Antirheumatische Therapien verschiedensterArt ohne Erfolg.

Nach sechsmaliger Kyphosierungs-Extension trat Beschwerdefreiheit ein.Solche und ähnliche Beobachtungen konnten wir bei den Behandlungen unse-rer Patienten immer wieder machen. An Hand dieses Falles sollen in derFolge einige Überlegungen zu den sich hier stellenden Problemen gemachtwerden.

c) Über das anatomische und pathologisch-anatomischeVerhalten der Zwischenwirbelscheibe

Über den Aufbau der Zwischenwirbelscheibe gibt die Einleitung im I. Teilder Arbeit Auskunft.

Diese Verhältnisse werden hier in einem histologischen Schnitt noch deut-licher zur Darstellung gebracht (Abb. 29) . Wichtig erscheint die Tatsache,dass der Nucleus pulposus und die Deckplatte keine Nerven enthalten. Da-gegen finden sich sensible Nervenfasern aus dem Ramus meningeus nervispinalis im dorsalen Teil des Anulus fibrosus. Dieser Nerv enthält auch Fasernaus dem Sympathicus.

Im Alter stellen sich an der Bandscheibe physiologische Veränderungenein, die in einer Abnahme des Wassergehaltes des Nucleus pulposus bestehen.Er entwickelt sich zu einer amorphen, azellulären Masse. Auch die Faserndes Anulus fibrosus zeigen Schwellung und Hyalinisation und radiäre Riss-bildungen.

Die Deckplatten werden dünner, und es kann zu Einbrüchen kommen. DieBandscheibe ist nun aber auch Sitz von pathologisch-degenerativen Ver-änderungen, die gewisse Ähnlichkeit . mit den normalen Alterungsvorgängenaufweisen. BÄRTSCHI (6) hat die degenerativen Veränderungen in drei Kate-gorien eingeteilt:

1. Die einfache Form ist die primäre Bandscheibendegeneration oder Atro-phia simplex. Sie kann klinisch symptomlos verlaufen, kann aber auch zuhartnäckigen Kreuzschmerzen führen.

107

L2 L3 L4 L5

Abb. 25 Lendenwirbelsäule in Ausgangslage. Fall 19. Hier bestehen ausgesprochene Band-scheibenveränderungen; der Hauptbefund liegt in der 4. Lendenbandscheibe, wo wir einezentrale Protrusion derselben in die Bodenplatte von L 4 und die Deckplatte von L 5 vor-finden. Daneben massive spondylotische Randzacken, hauptsächlich an L 4/L 5, aber auchweiter oben an L 2 und L 3. Man beachte die Verschiebung von L 4 nach hinten. Man misst

6 mm Niveaudifferenz in Bezug auf die Hinterkanten dieser beiden Wirbel

L1 L2 L3 L4 L5 S1

4=

Abb. 26 Lendenwirbelsäule in gezielter Kyphosierungs-Extension. Fall. 19. Beckenneigungs-winkel = —80°, Pelottendruck auf L 1 = 30 kg. Bandscheibenbefund sowie Randzackenkommen in identischer Weise zum Vorschein. Die Retroposition ist unter der K y p h o s i e -r u n g vollständig verschwunden. Die Zwischenwirbellöcher zeigen eine normale Eröffming

108

Li L2 L3 L4 L5 S1

Abb. 27 Ausgangslage einer gesunden Wirbelsäule. Die Knochenstruktur zeigt intaktesVerhalten. Die Bandscheiben sind überall etwa gleich hoch, die Stellung der Wirbel zuein-ander ist richtig. Eine ganz geringe Asymmetrie zwischen L 5 und S 1 mit leichtem Hervor-

treten des einen Gelenkfortsatzes ist stellungsbedingt

Abb. 28 Lendenwirbelsäule in gezielter Kyphosierungs-Extension. Beckenneigungswinkel_ —80°, Pelottendruck auf L 1 = 30 kg. Es handelt sich um dieselbe Wirbelsäule wieunter Abb. 27. Das Durchbiegen verteilt sich regelmässig auf die gesamte dargestellte Wir-belsäule. Abgesehen von den lagerungsbedingten Veränderungen sind die Bandscheiben

wiederum gleichartig geblieben. Die Zwischenwirbellöcher sind eröffnet

109

2. Infolge Schwächung des Anulus fibrosus kann sich die Zwischenwirbel-scheibe bereits in den Wirbelkanal vorpressen, was zu einer Dehnung des mitsensiblen Nerven versorgten Anulus fibrosus und des Ligamentum longitu-dinale posterius führt. Es handelt sich hier um die Protrusio anuli laesi, dieklinisch mit heftigsten Kreuzschmerzen einhergehen kann. Wird gleichzeitigein Druck auf die benachbarten Nervenwurzeln ausgeübt, treten Ischiasbe-schwerden mit radikulärem Kompressionsbild auf.

3. Die eigentliche Diskushernie oder der Diskusprolaps entsteht durch einenEinriss im Anulus fibrosus. Durch diesen Spalt quillt Nucleus pulposus-Masseunter das Ligamentum longitudinale dorsale. Der Riss kann genau hinten oderseitlich liegen. Man spricht dann von einer medialen oder lateralen Hernie.Die Nucleusmasse kann eventuell auch durch die Öffnung wieder zurück-schlüpfen. Man spricht dann von mobilem Prolaps. Nicht allzuselten bleibt

Abb. 29 Normale Bandscheibe. a = Anulus fibrosus. b = Nucleus pulposus. c = Knorpel..platte des Wirbelkörpers. d = Knöcherne Randleiste des Wirbelkörpers

110

b) Protrusion

c) lateral gelegenem Pulposusprolapsmit Wurzelkompression

cl) median gelegenem Pulposusprolapsmit Kompression des Duralsackes und

der Cauda equina

Abb. 30 Schematische Darstellung des Verhaltens der Zwischenwirbelscheibe beiverschiedenen Verhältnissen

aber der durch den Riss ausgetretene Anteil des Nucleus pulposus luxiert oderkann abgeschnürt werden und liegt dann als freier Körper im Wirbelkanal.

Aus den Abb. 30 und 31 geht im Prinzip hervor, auf welche Art die Nerven-wurzeln durch die ausgetretenen Bandscheibenmassen komprimiert werden.Die klinischen Auswirkungen müssen je nach Lage und Grösse der Hernieverschieden sein.

Die Abb. 29, 30 und 31 wurden uns freundlicherweise von der Fa. J. A. GeigyAG, Basel, aus «Documenta rheumatologica No. 1 und 2» zur Verfügung ge-stellt (17 und 18).

Nach LINDENMANN und KUHLENDAHL (7) soll prinzipiell zwischen zwei Zer-mürbungsprozessen unterschieden werden. Der erste betrifft die faserknorpe-ligen Bandscheiben (Wirbelsynchondrosen), der zweite die hyalinknorpeligenWirbelkörper-Deckplatten.

Wie in den Bildern Abb. 9 bis 23, II. Teil, gezeigt wird, entsteht bei derKyphosierung eine wesentliche Vergrösserung der dorsalen Abstände der Wir-

111

Abb. 31 Schematische Darstellung der topographischen Beziehungen zwischen medianenund mehr oder weniger weit lateral gelegenen Diskushernien (Kreise) und den benachbarten

Nervenwurzeln. Die Pfeile geben die Richtungen der austretenden Spinalnerven an.

belkörper. Hierbei entsteht eine Extension des dorsalen Faserringes. Es scheintdaher durchaus im Bereich der Möglichkeit zu liegen, dass sich dabei eineProtrusion ausebnen liesse. Auch wäre möglich, dass eine Hernie durch Saug-wirkung zum Zurückschlüpfen gebracht werden könnte. Diese Beobachtungkonnte auch von SCHACHTSCHNEIDER (8) an Präparaten nachgewiesen werden.Andrerseits zeigten BECK und FALCONER (9) an Hand von Myelogrammen Ver-grösserungen von Prolapsen bei der Lordosierung.

Wir verweisen auch auf die Untersuchungen im I. Teil, Abb. 14 und 15, beiwelchen durch Hyperlordosierung ein Bandscheibenvorfall bei L 5 erzeugtwerden konnte, während bei extremer Kyphosierung kein Vorfall eintrat(Abb. 51) .

Bekannt ist auch die Tatsache, dass bei Patienten durch die Hyperlordo-sierung in vielen Fällen der Kreuzschmerz oder die radikulären Symptomeprovoziert werden können.

Andrerseits darf wohl die Lumbalkyphose der Wirbelsäule mit oder ohneSkoliose als Entlastungshaltung gewertet werden.

Um sich eine Vorstellung über die Grösse eines solchen Vorfalles zu machen,sei auf die Abb. 15 und 21 im I. Teil hingewiesen. Während Fall 21 einen Vor-fall mit einer teilweisen Kontinuitätstrennung der Deckplatte zeigt, ist beiFall 15 nur eine Protrusion ersichtlich. Die Grösse des Vorfalles bei Fall 21würde wahrscheinlich keine Reposition erlauben, während bei Fall 15 einRelaps möglich erscheint.

112

d) Das Verhalten des Zwischenwirbelloches (Foramenintervertebrale) bei der ventro-dorsalen und

lateralen Bewegung

Infolge der Kompressionsmöglichkeiten der Nervenwurzeln kommt demForamen intervertebrale besondere Bedeutung zu. Der Kanal, der durchzwei Wirbelkörper entsteht, ist dorsal durch die Wirbelgelenke, ventromedialdurch die Bandscheiben bzw. Wirbelkörper begrenzt (Abb. 1, I. Teil) . Indiesem liegt die Vereinigung der dorsalen und ventralen Nervenwurzeln zumSpinalnerv. Während der Längsschnitt der lumbalen Foramina intervertebraliaein schuhsohlenförmiges Aussehen besitzt, ist der Längsschnitt des unterstenForamen intervertebrale infolge der anatomischen Verschiedenheit der Wir-belsäule kleiner. Auf diese Verschiedenheit der Raumverhältnisse der Fora-mina intervertebralia unter Berücksichtigung der Diskushernie hat DuBS (10)hingewiesen. Prinzipiell kann im Foramen intervertebrale folgende Einengungstattfinden:

1. Protrusion der Bandscheibe, wobei neuere Forschungen ergeben haben,dass sich der Sitz der Hernie im Eingang oder noch häufiger im Ausgangdes Foramen intervertebrale befindet (LINDBLOM und REXED zitiert nachKRAYENBÜHL (11) . Diese Art von Bandscheibenvorfall soll ebenso häufig vor-kommen wie der im Wirbelkanal gelegene. Hier können infolge der geringenAusweichsmöglichkeiten des Spinalnervs schon relativ kleine Hernien gravie-rende radikuläre Symptome verursachen.

2. Spondylotische Randwulstbildung an den Wirbelkörpern und Wirbel-gelenken.

3. Bandscheibenverschmälerung siehe Abb. 32 und 33. Hierdurch kommt esoft zu einer Dorsalverschiebung des höher gelegenen Wirbelkörpers, wobeidas Foramen intervertebrale in dorso-ventraler Richtung konzentrisch ver-kleinert wird. Über den Mechanismus der Dorsalverschiebung gibt die Abb. 24von GüNTZ näheren Aufschluss.

Wir verweisen auf Abb. 12 und 13, I. Teil. Bei diesem Versuch entstanddurch Hyperlordosierung ein Bandscheibenvorfall bei L 5. Bemerkenswert ist,dass bei diesem Versuch mit einer messbaren Verengung des lumbo-sakralenForamen intervertebrale sich der Promotoriumswinkel verkleinerte. Die Ver-grösserung durch Kyphosierung des Foramen intervertebrale kommt im Ver-such Abb. 16a und 17a, II. Teil, zum Ausdruck.

Bei der Dorsalverschiebung mit Einengung des entsprechenden Foramenintervertebrale durch L 4 (siehe Fall Nr. 19) zeigt sich bei der Kyphosierungeine normale Eröffnung dieses Foramen intervertebrale.

In diesem Zusammenhang sei auf die Monographie von HAGELSTAMM (12)über die Dorsalverschiebung hingewiesen, die er bei rund 75% aller an Kreuz-schmerzen und Ischias leidenden Patienten fand. In maximaler Lordosierungwird eine Verschiebung nach hinten festgestellt, während in maximaler Kypho-

8 113

Abb. 32 Lendenwirbelsäule mit Einengung des Zwischenwirbelloches von L 4 durch ent-sprechende Bandscheibenverschmälerung bei einer 52jährigen Frau, die an schweren Kreuz-schmerzen mit zeitweisen radikulären Ausstrahlungen leidet. Durch Kyphosierungs-Extension

weitgehende Besserung

sierung die Verschiebung auf ihr Minimum zurückkehrt. Wie aus dem Schub-versuch Abb. 61 und 62 im I. Teil hervorgeht, tritt bei der gesunden Band-scheibe keine bleibende Wirbelverschiebung ein.

Mittels der funktionellen Röntgendiagnostik, wie sie von JUNGHANNS (13),

BROCHER (14) und anderen gefordert wird, kann man sich ein plastisches Bilddieser Vorgänge machen. Das Gerät von ULRICH ermöglicht die Anfertigungsolcher Röntgenbilder in technisch einfacher Weise, eventuell mit elektroni-schem Bildverstärker in direkter Sicht. Es bleibt noch abzuklären, welchesBewegungsausmass für die Eröffnung bzw. Schliessung des Foramen inter-vertebrale in Bezug auf die totale Bewegungsexkursion der Wirbelsäulein ventro-dorsaler Richtung notwendig ist. Da die Öffnung ventromedial vomdorsalen Abschnitt der Bandscheibe gebildet wird, liegt derselbe im Bereicheder Nullachse, wobei bei der Bewegung unter normalen Verhältnissen keinegrossen Dehnungen bzw. Stauchungen stattfinden. Durch die Verschiebung

114

Abb. 33 Lendenwirbelsäule mit Einengung des lumbo-sakralen Zwischenwirbelloches durchVerschmälerung der entsprechenden Bandscheibe. Siehe Fall 20 der Tabelle

der dachziegelförmig gelagerten Gelenkfacetten bei Bewegungen verkleinertoder vergrössert sich das Foramen intervertebrale wesentlich. Ausgehend vonder Normalstellung bewirkt eine geringe Lordosierung eine relativ starkeVerkleinerung des Foramen intervertebrale. Umgekehrt benötigt man einestarke Kyphosierung, um das Foramen entsprechend zu vergröorn.

Die 1 a t e r a 1 e Er ö f f n u n g des Foramen intervertebrale erfolgt beider entsprechenden Lateralflexion. Bei der Linksverbiegung entsteht somiteine laterale Eröffnung des rechten Foramen intervertebrale und umgekehrt.Die Biegungsachse liegt unter normalen Verhältnissen in der Mitte der Band-scheibe.

Da durch die Kyphosierung in Verbindung mit der Lateralflexion das Inter-vertebralloch maximal eröffnet werden kann, dürfte auch die Möglichkeiteines Relapses bei lateralen Hernien bestehen, obschon bei denselben dieFixierungstendenz des Prolapses bedeutend grösser ist.

115

e) Zu den Raumverhältnissen des lumbalenWirbelkanals

Auf diese Verhältnisse, welche spezielle topographisch-anatomische Kennt-nisse voraussetzen, sei kurz hingewiesen. Der Wirbelsäulenkanal ist keinzylindrischer Hohlraum, sondern eine halbelastische, biegsame Röhre vonungleichem Querschnitt. So ist der Kanal im lumbalen wie cervikalen Ab-schnitt, wo die Beweglichkeit am grössten ist, weit und dreieckig geformt,während er in der Brustregion, mit ihrer beschränkten Beweglichkeit ovalund eng ist.

Der Duralsack ist durch die beidseitig abgehenden Duramanschetten derNervenwurzeln fixiert. Nach LANZ beeinflusst die Richtung des Austrittesder Wurzeln die Spannung.

Die Wirkung der Flexion und Extension der Wirbelsäule auf die Dura bzw.Nervenwurzeln wurde von CHARNLEY (15) studiert. Er fand, dass diese infolgeihrer Lage an der Dorsalfläche der Wirbelkörper bei maximalen Bewegungenin ventro-dorsalem ' Sinne nur kleine lokale Verschiebungen mitmachen, dasich die Dura bzw. die Nervenwurzeln dicht in der Nähe der Biegungsachsebefinden, die als ruhige Zone angesehen werden kann. Die Biegeversuche(Abb. 52, 54, 56, 57, 58, I. Teil) geben über den Verlauf der Biegungsachsenäheren Aufschluss und bestätigen die Beobachtungen CHARNLEY'S.

Während es sich bei diesen Versuchen um die normale Mechanik der Wirbel-säule handelt, wurde der Versuch unternommen, die Biegungsachse durchdie Verletzung des dorsalen Bandscheibenanteiles und die Entfernung desNucleus pulposus zu verändern. Eine nennenswerte Achsenverschiebung kamhierbei nicht zustande. Bei der Beobachtung des Achsenverlaufes im Fall 19(siehe Abb. 25 und 26), der in Normallage eine dorsale Wirbelverschiebungzeigt, ist ein pathologischer Achsenverlauf unschwer zu erkennen, da bei derLordosierung die Biegungsachse entsprechend der Wirbelverschiebung mehrdorsal, bei der Kyphosierung mehr ventral verläuft. Dieses Verhalten lässtauf eine Gefügestörung der ganzen Bandscheibe schliessen. Hier wird beiextremen Bewegungen die Dura, bzw. die Nervenwurzeln, einer verändertenBeanspruchung ausgesetzt, was sicher auch zu Reizungen führen kann.

Der gesamte Querschnitt des Wirbelkanals vergrössert sich bei der Kypho-sierung, weil das Ligamentum flavum, welches einen Teil der Wandung bildet,gestrafft wird.

f) Technik der Extensionsbehandlung

Wir verwendeten für die Behandlung unserer Patienten die gleiche Appara-tur, wie sie für die vorhergehenden Versuche benützt worden ist (Absatz 3 undAbb. 5, 6 und 7). Die federartig ausgebildete Stütze VI und die Pelotte VIIwurden nachträglich zu einer flachen, mit einer Federwaage versehenen Auf-lageplatte für den Oberkörper abgeändert.

116

Im Prinzip ist die Arbeitsweise des Gerätes folgende:'Das Becken des Patienten wird in einem kardanisch aufgehängten Halb-

bogen fixiert. Verstellbare Gurten halten das Becken an den Spinae derBeckenschaufeln fest. Die Beine liegen auf zwei Brettern, die sich synchronmit dem das Becken fixierenden Halbbogen bewegen lassen. Der Oberkörperliegt auf einer flachen Auflageplatte, die sich in horizontaler wie vertikalerLage beliebig verstellen lässt und als Pelotte wirkt. Die dorsale Durchbiegungkann durch diesen Pelottendruck verstärkt werden. Der beckenwärts ge-legene Rand der Pelotte bestimmt den Auflagedruck. Dieser Punkt kann so-wohl in der Horizontalen wie in der Vertikalen beliebig verstellt werden.

Viper die Wirkungsweise gibt der in Abs. 6e, S. 102, Zusammenfassung derMessergebnisse, beschriebene Versuch nähere Auskunft. Durch Erhöhung derAuflageplatte gegenüber dem Drehpunkt im Halbbogen kann der Pelottendruckverstärkt werden, wobei durch Vergrösserung des Beckenneigungswinkelsder Auflagedruck gleichförmig verstärkt wird. Dieser Pelottendruck steht inRelation mit der horizontalen Erhöhung, was die Abbildungen Nr. 34 bis 37am besten zeigen.

In den Fällen, in denen sich die Diskopathie auf die untersten drei Band-scheiben beschränkte, wurde die Pelotte auf den ersten Lumbalwirbel ge-richtet, wodurch die dorsale Extension gezielt wurde. Mittels eines Mano-meters lässt sich der Pelottendruck ablesen, der gleichzeitig auch ein Aus-druck der Biegungselastizität der Wirbelsäule bei entspannter Muskulatur ist.

Abb. 34 Extensionsapparat ULRICH (Neukonstruktion) . Ausgangslage zur Extension.Bei A ist die Einstellung der Vorrichtung zur Fixierung des Beckens ersichtlich

117

Abb. 35 Extensionsapparat ULRICH. Gezielte Kyphosierungs-Extension mit Beckenneigungs-winkel = 800 und Pelottendruck = 30 kg auf L 1. Durch Verschiebung in horizontalerRichtung wirkt die Auflagefläche des Oberkörpers als Pelotte. Bei der Entlastungsbehand-lung der lumbalen Diskopathie wird P 1 auf den ersten Lumbalwirbel gerichtet. Bei dernachfolgenden Kyphosierung erhöht sich der Druck gleichzeitig mit der Biegung (Abb. 35a).Dosierung des Pelottendruckes: Durch Erhöhung der Auflagefläche des Oberkörpers gegen-über der Beckenfixierung kann der Pelottendruck dosiert werden. Die gewünschte Höhen-einstellung erfolgt hydraulisch durch die Beckenfixierung der Extension. Drücke von30 bis 50 kg haben sich als therapeutisch wirksam erwiesen und werden von den Patientenkaum gespürt. Vergleiche die Stellung des Manometers mit derjenigen der Ausgangslage,

Abb. 34.

Das Beckenbeinstück kann von den Beinplatten aus in jede beliebige Lagegebracht und dort fixiert werden, wobei das Becken gekippt wird und dieKräfte via Darmbeinstacheln-Kreuzbein auf die Lumbal-Wirbelsäule übertra-gen werden. Die Drehkraft greift an den Darmbeinstacheln an, die auch beiadipösen Patienten gut gefühlt werden können. Diese Stellen müssen gutgepolstert werden, gleichzeitig muss aber auch auf eine sichere Fixierunggeachtet werden. Bei dieser Fixierung können nun dank der kardanischenAufhängung Bewegungen im ganzen physiologischen Bereich an der Lumbal-Wirbelsäule ausgeführt werden. Es sind Lordosierungen bis +30 Grad, Kypho-sierungen bis —110 Grad, Lateralflexionen bis 40 Grad, Torsionen bis 40 Gradmöglich. Nach richtiger Lagerung des Patienten wird die Beinplatte stufen-

118

40

20

0 ->I

0 5 10 20 30 40 50 Druck kg

Abb. 35a. Beziehung des Beckenneigungswinkels zum Pelottendruck bei der Kyphosie-rungs-Extension. Der Druck P ist auf Lumbalwirbel 1 gerichtet. Je nach der vertikalen Ein-stellung der Pelotte nimmt der Druck gleichzeitig mit der Kyphosierung der Wirbelsäule zu.Diese Kurve ist der Ausdruck der Biegungselastizität der Wirbelsäule, die z. B. bei einer

Erkrankung mit lokalen Versteifungen einen anderen Verlauf nehmen würde.

weise nach oben gehoben und damit die Lumbal-Wirbelsäule kyphosiert. Diesemuss anfänglich langsam geschehen, um keine reflektorische Muskelspannungder Rückenmuskulatur zu erzeugen, oder diese sukzessive zu überwinden.Dabei konnten wir oft beobachten, dass die anfänglich sehr starke Muskel-spannung plötzlich nachlässt, was aus einer Abnahme des Druckes auf demManometer sichtbar wird. Man geht mit der Kyphosierung so weit, bis derPatient eine deutliche Abnahme, oder was öfters der Fall ist, ein völligesVerschwinden der Schmerzen verspürt.

Diese Phase dauert im allgemeinen 20 bis 30 Minuten. Kleine Differenzenin der Stärke der Kyphose können schon entscheidende Beeinflussungen derBeschwerden zur Folge haben.

Bei radikulären Symptomen gelingt es oft schon bei geringer Lateralflexionin Verbindung mit der Kyphosierung eine Entlastung herbeizuführen, dabeiist bei Symptomen auf der linken Seite eine Verschiebung nach rechts oderumgekehrt notwendig (siehe Abb. 36) .

Beispiel einer spontanen Entlastung eines lateralen Bandscheiben-vorf alles L 5/S 1

30jähriger Autobuschauffeur erlitt nach jahrelangem Fahren auf der Achse(Schlagbeanspruchung) eine akute Ischialgie links mit Ausstrahlungen insHüftgelenk und Gefühllosigkeit im lateralen Fussrand. Patellar-Reflex positiv,

119

Abb. 36 Gezielte Kyphosierungs-Extension, —80° Beckenneigung, Lateralflexion nach links15°, Torsion nach links 10°. In dieser Stellung gelingt es oft, bei rechtsseitigen radikulärenBeschwerden eine Entlastung herbeizuführen, wobei durch Lateralflexion in Verbindungmit der Kyphosierung das Intervertebralloch maximal eröffnet werden kann. Bei linksseitigen

Beschwerden ist die Stellung umgekehrt

Achilles schwach positiv, Lasegue 60° positiv, Versteifung der LWS, Finger-Boden-Abstand, als Ausdruck der Beweglichkeit, Mitte Patella. Das Röntgen-bild zeigt entsprechende Osteochondrose.

Chiropraktik führte zu keinem Erfolg. Der Patient wurde mit antirheuma-tischen Mitteln ohne Erfolg behandelt. Sechswöchige Dauerzug-Extension mitmax. 30 kg Beckenzug brachte leichte Entlastung.

Erste gezielte Kyphosierungs-Extension —110°, 50 kg Pelottendruck Rich-tung L 1 mit leichter Lateralflexion rechts brachte eine spontane Entlastungnach 15 Minuten. Lasègue links negativ, Achilles lebhafter, Finger-Boden-Abstand Mitte Tibia. Der Schmerz ist verschwunden. Der Ausstrahlungsschmerzins Hüftgelenk ist bei längerem Sitzen noch vorhanden.

Bei fixierten Bandscheibenvorfällen, die weder auf Kyphosierung noch aufLateralflexion ansprechen, bleibt noch die Anwendung der Rotation in Be-tracht zu ziehen, indem man durch Drehung gegen die gesunde Seite zu eineEntlastung herbeiführen kann (Abb. 37 und 38) .

120

Abb. 37 Fixierung des Beckengürtels in der Extension. Die Pfeile geben die Richtung dermöglichen Bewegungsexkursionen und ihre Messung an. Jede Stellung kann bellebig repro-duziert werden. 1 = Lateralflexion, 2 = Ventro-dorsale Bewegung, 3 = Torsion um die

Längsachse der Wirbelsäule. A B C zeigen die entsprechenden Meßstellen

Beispiel einer Entlastung eines lateralen Bandscheibenvorf alles durchT orsionsb ewegung

Eine 30jährige Hausfrau hat schon vor zwei Jahren einen akuten Schubeines Bandscheiben-Ischias links durchgemacht, der sie für einige Wochen ansBett fesselte. Erneuter Schub zeigte radikuläre Beschwerden links (Hyper-ästhesie des Oberschenkels, Anästhesie des lateralen Fussrandes, distale Exten-sorenparese, Lasègue links 30° positiv, ASR links aufgehoben, der fünfteLumbalwirbel ist druckdolent) . Das Röntgenbild zeigt lumbosacrale Osteo-chondrose. Drei gezielte Kyphosierungs-Extensionen mit Lateralflexion nachlinks bewirken keine Veränderung. Torsionsbewegungen nach der gesundenSeite zu, in kyphosierter Stellung, bringen sofortige Erleichterung. Nach zweiBehandlungen ist der Lasègue negativ, die Hyperästhesie und Anästhesie ver-schwunden, während die Parese unbeein flusst bleibt.

121

5 4 3 2

Abb. 38 Torsionsversuch im Apparat ULRICH mit der Lelche eines 22jährigen Mannes.Verdrehung der Wirbelsäule um 25° und Kyphosierung um —20°. Die Verformungen lassensich an Hand der Stellung der Nägel gut erkennen. Die Wirbelkörper sind in der unterenLWS entsprechend der grossen Verdrehung am stärksten verzeichnet, währenddem sieweiter nach oben infolge Abnahme des Verdrehungswinkels immer weniger fehlprojiziertsind. Wir sehen ferner eine versetzte Darstellung der Gelenkfortsätze sowie eine Freilegung,respektive eine Verkürzung der beiden Interartikularportionen. Auch hier hat sich, in Bezugauf die Anhangsgebilde, die Torsion auf die gesamte LWS verteilt. Vergleiche die Aus-

gangsstellung der Wirbelkörper und Nägel in Abb. 8

Man versucht solange, bis die für den Patienten entlastende Stellung ge-funden worden ist und belässt diese Position bis zu einer halben Stunde.Darauf folgt langsames, stufenweises Zurückkehren zur Ausgangslage. Ambesten lässt man nachher den Patienten mit angezogenen Knien noch etwaeine halbe Stunde in kyphosierter Stellung liegen, siehe unter h. — Die Ex-tension wird durch das Beinbrett gesteuert, die Bewegungen können leichtauf die Wirbelsäule übertragen werden, wobei das Gefühl des Therapeutenfür diese mechanische Übertragung massgebend ist.

g) Beschreibung der Tabelle

Die Beschwerden der von uns behandelten Fälle wurden durch eine Ge-samtuntersuchung differentialdiagnostisch von anderen Leiden abgegrenzt, sodass dafür eine Diskopathie verantwortlich gemacht werden konnte. Röntgen-ologisch ist diese durch eine Bandscheibenverschmälerung gekennzeichnet. Eshandelte sich in den meisten Fällen um eine Chondrosis oder Osteochondrosisintervertebralis (Bandscheibenzermürbung mit reaktiver Sklerose der Wir-beloberfläche) . In vielen Fällen war auch röntgenologisch eine Spondylosis

122

deformans als Begleiterscheinung sichtbar. In einigen Fällen waren keineröntgenologischen Veränderungen festzustellen.

Die wichtigsten Punkte der Anamnese und des Untersuchungsbefundes so-wie der Behandlungsergebnisse haben wir zwecks besserer Übersicht in einerTabelle wie folgt zusammengefasst:

Art und Sitz der Schmerzen: Kreuzschmerzen oder Hexen-schuss von verschiedener Intensität, die sich durch Niesen und Husten ver-stärken. Die Schmerzen sind stellungsbedingt und nehmen oft durch die Be-lastung bei körperlicher Arbeit zu, oft verschwinden sie im Ruhezustandgänzlich.

Von den behandelten Ischiaspatienten werden in den meisten Fällen gleich-zeitig Kreuzschmerzen angegeben, und nur in zwei Fällen wurde ein Ischias-symptom allein festgestellt.

Entsprechend dem Wurzeldruck wird der Schmerz in der Gegend des Ge-sässmuskels, der Kniekehle oder der Knöchelgegend angegeben.

Einige Fälle zeigen Sensibilitätsstörungen im Dermatomgebiet L 5—S 1,motorische Störungen in Form leichter Paresen sowie Reflexstörungen. In denmeisten Fällen ist die Geradehaltung der Lendenwirbelsäule charakteristisch,in leichter Vorbeugehaltung ist oft eine Skoliose ersichtlich, deren Konvexi-tät oft entgegengesetzt der Schmerzseite liegt. Bei den meisten Patienten istdas Rumpfbeugen nach vorne eingeschränkt und wird durch den Finger-spitzen-Bodenabstand bei durchgestreckten Knien geprüft (FAB). Für dieEntlastungsbehandlung bildet diese Prüfung ein wertvolles Kriterium. In denmeisten Fällen wird eine Druckdolenz über der Lumbal-Wirbelsäule gefunden,die oft der röntgenologisch veränderten Bandscheibe entspricht. Als Kriteriumder Wurzelkompression kommt dem LAsEGuEschen Versuch für den Erfolgder Behandlung besondere Bedeutung zu. CHARNLEY fand bei seinen systema-tischen Untersuchungen über den LAsEGuEschen Versuch in neuer mechani-scher Beleuchtung, dass ein positiver LASEGUE von unter 40 Grad auf eine Dis-kushernie schliessen lässt, was er auch meistens operativ bestätigt fand.Positiver LASEGUE von 60-90 Grad soll mehr auf eine Wurzelreizung ohneProtrusion hinweisen.

Nach KRAYENBUHL ist der LAsEGuEsche Versuch nicht nur für die Diagno-stik, sondern auch für die Indikationsstellung zur Therapie von ausschlaggeben-der Bedeutung. Bei vielen Patienten fanden wir auch ein positives NExrschesZeichen (Schmerzen im Kreuz bei Neigung des Kopfes nach vorne). Das Nega-tivwerden dieses Zeichens lässt sich oft direkt unter der Behandlung beob-achten.

In einigen Fällen wurde uns auch von Patienten spontan angegeben, dassschon während langer Zeit bestehende Bauchschmerzen nach der Behandlungverschwunden seien.

Über die Dauer des Leidens: Die Dauer der Beschwerden wirdvon einigen Wochen bis zu zehn und mehr Jahren angegeben. Teilweise tretendie Schmerzen schubweise mit längeren schmerzfreien Intervallen auf. Kreuz-schmerzen werden oft als chronisch empfunden. Einige Patienten wurden im

123

akuten Stadium behandelt. Während der Beobachtungszeit rezidivierten einigeFälle, diese wurden entweder einer erneuten Behandlung unterzogen oder siegelangten (in 2 Fällen) zur Operation. Schwerste Fälle von medialem Massen-prolaps mit Caudaquerschnittsschädigungen und entsprechenden Lähmungenfinden sich nicht unter unseren Fällen. Es kann noch hervorgehoben werden,dass uns von den Patienten nie eine Verschlimmerung der Beschwerden durchdie Behandlung angegeben wurde.

In der Zeit vom Mai 1953 bis Dezember 1953 wurden nach dieser Methodevon uns 47 Patienten behandelt. Um eine bessere Ubersicht über unser Mate-rial zu erhalten, haben wir die Fälle in einer Tabelle zur Aufzeichnung ge-bracht, wie sie auch GÜNTZ (16) in seiner Monographie «Schmerzen undLeistungsstörungen bei Erkrankung der Wirbelsäule» verwendet hat. SieheTabellen Seiten 126 bis 137.

h) Kyphosierungslagerung nach ULRICH

Die Wirkung der Entlastungsbehandlung durch die Extension kann durcheine geeignete Lagerung des Patienten im Bett unterstützt werden, indem einekonsequente Kyposierungsstellung der Wirbelsäule auch hier angestrebt wird.Der Patient liegt in Rückenlage flach im Bett. Beide Oberschenkel werdennun maximal im Hüftgelenk flexiert, wodurch die dorsale Beckenneigungvergrössert wird. Eine weitere Vergrösserung kann noch mit Hilfe einer zirka10 cm hohen Unterlage unter dem Becken geschehen. In dieser Stellung wirdnun der Patient fixiert, indem eine Binde durch die Kniekehle gezogen und

Abb. 39 Kyphosierungslagerung

124

am Kopfende der Bettstatt beidseitig in gleicher Höhe befestigt wird. DieUnterschenkel werden ferner durch Kissen hochgelagert.

Diese Stellung, welche in den akuten Fällen oft stundenlang eingenommenwerden muss, wird vom Patienten als wohltuend empfunden. Sie ist oft dieeinzige Stellungsart, die dem Patienten Schmerzfreiheit verschafft. Abb. 39.

Diese Kyphosierungslagerung ist infolge ihrer einfachen Durchführbarkeitgeeignet a l s er s t e Hilf e beim Bandscheibenvorfall zu dienen; siewird aber auch bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen als angenehmempfunden.

B. Zur Kyphosierungs-Extension der Halswirbelsäule

Die Zugbehandlung durch die GLissoNsche Schlinge bei der Entlastung derdurch die Diskopathie verursachten Beschwerden der Halswirbelsäule hateine allgemeine Bedeutung erlangt. Infolge der geringen Zugfestigkeit, dienach FESSLER bei 100 kg zum Bruch führt, genügt im allgemeinen ein linearer

Abb. 40 Apparat nach ULRICH für die Kyphosierungs-Extension der Halswirbelsäule

125

T.,

P N r. F;

Männlichänn Weiblich Sitz i. `ro qaa

HaltungHaltun derLendenwirbelsäule

Ringer-Bodenabstand

bei Rumpfbeugenvorwärts

Beschwerdenseit wann

B 1 22 Bufett-dame

o. B. Mitte Tibia Schubweise,erstmals mit

15 Jahren

W 2 24 Student o. B. Geradehaltungund

6 Monate

Rechtsskoliose

W 3 26 Kauf-mann

o. B. Geradehaltungund

Mitte Tibia 3 Monateinfolge

Linksskoliose Überheben

B 4 26 Student L 5 + + Mitte Tibia 2 Jahre

S 5 27 Schlosser o. B. Geradehaltung Oberhalb 3 MonateLinksskoliose Patella

T 6 28 Hausfrau L 4, 5 + Hyperlordose OberhalbPatella

1 Jahr, schub-weise, zeitweise

bettlägerig

M 7 28 Spengler L 5 + GeradehaltungLinksskoliose

UnterhalbPatella

3 Monatearbeitsunfähig

126

Behandlungsergebnisse

Nach erster Extension Ver-schwinden des Nerischen Zei-chens, nach 4 Extensionen Las.negativ, rechts schmerzfrei. Pat.fühlt sich auch von einem frü-heren Kopfschmerz frei.

Patient fühlt sich nach ersterExtension subjektiv wohler, nach4 Extensionen Las. beidseitignegativ, zeitweise noch leichteSchmerzen, Rechtsskoliose bleibterhalten, Rumpfbeugen bisMitte Tibia möglich.

Patient fühlt sich nach ersterExtension subjektiv wohler, nach10 Extensionen verschwindet dieSkoliose, nach 15 Extensionenschmerzfrei. Spürt noch Witte-rungswechsel.

Nach erster Extension be-schwerdefrei, Rezidiv beim Ski-lauf, nach nochmaliger Exten-sion beschwerdefrei.

Nach 3 Extensionen subjektiveErleichterung, nach 15 Exten-sionen keine Besserung. Patientkommt zur Operation, Entfer-nung einer grossen lateralenDiskushernie rechts, seither be-schwerdefrei.

Nach 5 Extensionen Las. rechtspositiv, Rumpfbeugen Mitte Ti-bia möglich. Plötzliches Rezidiv,muss hospitalisiert werden.

Nach 3 Extensionen beidseitigLas. negativ, Neri negativ.Nach 10 Extensionen Rumpfbeu-gen bis Knöchel möglich. MitStützmieder zur Arbeit entlas-sen. Nach 2 Monaten leichtesRezidiv, nach 2 Extensionenwieder beschwerdefrei.

Art und Sitzder

Schmerzen

NeurologischeSymptome

Druck-schmerz

Art derEntlastungsbehandlung

Kreuzschmerzen Las. 60° links L4,5 —80° +100 rechtsmit Ausstrah-lung ins Hüf t-

gelenk und äus-seren Fussrand

NerischesZeichen bisin die Zehe

+40 kg --> L 1

Hyperästhesiedes Oberschen-

kels, links

Akute Kreuz- Las. rechts 30° L5 —60°schmerzen,

liegt zeitweiseim Bett

Las. links 50° steigernd—110°

+40 kg —> L 1

Akute Kreuz- o. B. Ganze —80°schmerzen. LWS steigernd

Kann nur in ge-bückter Stellung

gehen

—100°+40 kg --> L 1

Chronische o. 13. L5 —110°Kreuzschmer-zen, Lordosie-rungsschmerz

+40° -> L 1

SchmerzenIschias rechtsund Lumbago.

Hyperästhesierechts

Las. rechts 40°

L4,5 —80° + 10° rechts

Fühlt sich im Las. links 60°Stehen besser als

im Liegen

Ischias rechts,Kreuzschmer-

zen, trägt

Las. rechts 60° L5 —60° +10° links

Stützmieder

Akute Kreuz- Patellarreflex —60° + 10° rechtsschmerzen schwächer links

als rechts, Neristark positiv

steigernd—110°

+40 kg -a L1Las, beidseitig

schwach positivbei 60°

127

w? Nr.

a"iMännlich Weiblich Sitz

4 anw g gr.

a

Haltung derLenden-

wirbelsäule

Finger-Bodenabstand

bei Rumpfbeugenvorwärts

Beschwerdenseit wann

B 8 30 Hausfrau L 5 + Geradehaltung Mitte Tibia 2 Jahre

Z 9 32 Architekt L 3, 4, 5 SchmorlscheProtusionen in

den Deckplatten

Mitte Tibia 2 Jahreschubweise

B 10 33 Ver-käuferin

L 5 + + GeradehaltungLinksskoliose

OberhalbPatella

5 Jahreschubweise

(Übergangs-wlrbel)

Sch 11 34 Rechts-anwalt

L 4, 5 + Hyperlordose,Dorsalverschie-bung von L 4

Mitte Tibia 1 Jahrschubweise

U 12 37 Kauf-mann

L 5 + L 5 dorsalverschoben

Mitte Patella 3 Jahre

B 13 37 Glätterin L 5 + Rechtsskoliose Unterhalb Einige JahrePatella

D 14 38 Hausfrau L 5 + + Geradehaltung Mitte Tibia 4 Jahre

128

Las. links 60°,Anästhesie deslinken äusseren

Fussrandes

o. B.

Art und Sitzder

SchmerzenNeurologische

SymptomeDruck-

schmerzArt der

Entlastungsbehandlung Behandlungsergebnisse

L5 —80°+30 kg - L 1

Nach 10 Extensionen kehrt dasGefühl im Fuss zurück, beigleichzeitigem Verschwindender Ischiasschmerzen. Arbeitmit Stützmieder im Haushaltmöglich. Bei Schmerzzunahmewird Patientin periodisch exten-diert.

Chronischeireuzschmerzenbei Belastung,Ischias links,

Lordosierungs-schmerz

ChronischeKreuzschmer-

zen, akuteHexenschüsse

Nach 4 Extensionen beschwerde-frei.

L4

Ischias beid-seitig, Kreuz-

schmerzen,Lust- und Nies-chmerz. Stuhl-

verhaltung

Ischlas rechts,besonders imLiegen, Be-chwerden beimtufrichten ausebückter Hal-ung. ZeitweiseBeschwerdenbeim Wasser-

lösen

Ischias rechts,nit Ausstrah-ung ins Hüft-

gelenk

beidseitiger Las.40°, NerischesZeichen stark

positiv

Las. rechts 40°,Neri positiv,Patellarreflex

schwächerrechts als links

Las. rechts 60°,Parästhesien im

rechten Fuss

—50°steigernd

—100°-f30kg-aL1

—80° +10° links

—100° +10° links+30 kg -> L 1

Nach erster Extension Las. 60°wesentliche subjektive Erleich-terung, nach 5 Extensionen Las.beidseitig 90°, Rumpfbeugen bisKnöchel, nerisches Zeichennegativ.

Nach 5 Extensionen subjektiveBesserung, nach 14 Extensionenunverändert, in klinische Be-handlung entlassen.

Fühlt sich jeweils nach Exten-sion beschwerdefrei. Schmerzkehrt jedoch bei Belastung zu-rück.

.reuzschmerzenbeim Bückenausstrahlende

auchschmerzen

o. B. —80'±30 kg -› L 1

Kreuz- Las. rechts 60° L5 —80°schmerzen,

Ischias linkslinks 50° steigernd

—110°-r 40 kg -> L 1

Nach 10 Extensionen subjektiveErleichterung, noch Kreuz-schmerzen beim Arbeiten, Aus-strahlungsschmerz im Unter-bauch verschwindet.

Nach 10 Extensionen Las. beid-seitig positiv. Ischias links istbehoben. Noch leichte Kreuz-schmerzen. Stützmieder wirdempfohlen.

9 129

•qNr. °' Männlich Weiblich Sitz

7a-'yr,d .i

F P°m

Haltung derLenden-

wirbelsilule

Finger-Bodenabstand

bei Rumpfbeugenvorwärts

Beschwerdenseit wann

G 15 38 Hausfrau L 4, 5 + Geradehaltung OberhalbPatella

9 Jahre, schubweise, durch

Sturz ausgelös

K 16 39 Confiseur L 5 + GeradehaltungLinksskoliose

OberhalbPatella

Akut einsetzender Schmerz b

Überheben

H 17 40 Reisender L 5 -'r Mitte Tibia 2 Jahre

T 18 40 Hausfrau L 5 + Geradehaltung Unterhalb 6 MonatePatella

B 19 40 Kauf-mann

L 4, 5 + + Dorsalverschie-bung von L 4

Mitte Tibia 6 Monate, imAnschluss an

Schmorlsche ÜberhebenProtusionen in

DeckplattenL 4/5

B 20 40 Coiffeur L 5 + Geradehaltungund

OberhalbPatella

5 Jahre,schubweise

Rechtsskoliose

G 21 41 Hausfrau L 4, 5 + Geradehaltung Oberhalb 10 JahrePatella

130

Las. rechts 60°Neri positiv.

BeidseitigPatellarreflexe

schwach

BeidseitigerLas. 40°

Neri stark pos.

Las. rechts 60°

Las. rechts 40°

Las. links 60°

Las. rechts 60°

Las. beidseitigschwach 80°

—60° +10° linkssteigernd

—100°

—50°steigernd

—100°+40 kg -> L 1

—80° +10° rechtssteigernd

—100° +40 kg -> L 1

—80° +10° linkssteigernd

—100° +30 kg --- L 1

80° + 10° rechtssteigernd

—100° +40 kg --* L 1

—80°steigernd

—100° +40 kg -* L 1

—80°steigernd

—100°

Art und Sitzder

SchmerzenNeurologische

SymptomeDruck-

schmerzArt der

EntlastungsbehandlungBehandlungsergebnisse

ganzeLWS

L4,5

L5

L5

L5

Kreuzschmerzenbeim Sitzen

ausstrahlendeSchmerzenim Bauch

Akute Kreuz-4chmerzen, beid-seitiger Ischias,Harn- u. Stuhl-

verhaltung

ChronischeKreuz-

schmerzen,Ausstrahlungenin Unterbauch

Kreuz-schmerzen,

Ischias rechts,äusserer Fuss-rand rechts ge-fühllos, Fuss-extensoren-schwäche

Kreuz-schmerzen,

bei Belastungzeitweise Ischias

links

Akute Kreuz-schmerzen

Kreuzschmerzen(febrile Poly-

arthritis), Aus-strahlungen inlen Unterbauch

Nach 10 Extensionen Las. rechtsnegativ, Neri negativ, Rumpf-beugen bis Mitte Tibia möglich,Kreuzschmerz und ausstrahlen-der Schmerz im Unterbauchverschwunden.

Nach erster Extension Las. beid-seitig 60°, subjektives Wohlbe-finden, nach 10 Extensionen Las.beidseitig negativ, Stuhl- undWasserlösen normal, Rumpfbeu-gen bis Knöchel, Stützkorsett.

Nach 4 Extensionen Bauch-schmerzen verschwunden, Bes-serung der Kreuzschmerzen,Rumpfbeugen bis Knöchel.

Nach 10 Extensionen Las. rechts+60°, Verschwinden der Fuss-schwäche. Rumpfbeugen bisKnöchel möglich. Patientin hatnoch Kreuzschmerzen und Par-ästhesien im rechten Fuss.

Nach erster Extension Las. linksnegativ, Stauchungsschmerzverschwunden, Rumpfbeugenbis Fussknöchel. Nach 6 Exten-sionen beschwerdefrei bei allge-meiner Schonung.

Nach 7 Extensionen Las. rechtsnegativ, Rumpfbeugen bis Knö-chel, Skoliose ist verschwun-den. Schmerzfrei.

Nach 4 Extensionen sind dieSchmerzen im Bauch ver-schwunden, durch die Exten-sionen wird allgemeiner Zu-stand nicht beeinflusst.

131

0I•q

Nr. * Männlich Weiblich Sitz°' eid .S a

D F hHaltung der

Lenden-wirbelsänle

Finger-Bodenabstand

bei Rumpfbeugenvorwärts

Beschwerdenseit wann

W 22 42 Kauf-mann

L 5 + + Geradehaltung OberhalbPatella

½ Jahr, 6 Wo-chen im Bett

St 23 43 Hausfrau L 5 + Hyperlordose OberhalbPatella

2 Jahre, schub-weise, lag etwavor einem Jahi6 Wochen im

Bett

W 24 43 Hausfrau L 5 + + UnterhalbPatella

Vor 10 Jahrenakuter Schub,6 Wochen im

Gips

H 25 44 Bau-arbeiter

L 5 + Geradehaltung UnterhalbPatella

4 Jahre

R 26 45 Kauf-mann

L 5 + Linksskoliose OberhalbPatella

Sturz vor2 Jahren

M 27 46 Werk-meister

L 5 + Geradehaltung UnterhalbPatella

10 Jahreschubweise

N 28 47 Wirt L 4, 5 + Geradehaltung 2 Jahre

M 29 48 Hausfrau L 5 + + 1 Jahr

132

Art und Sitzder

SchmerzenNeurologische

SymptomeDruck-

schmerzArt der

Entlastungsbehandlung

Nur Ischias Las. rechts 40° L5 —80° + 10° rechtsrechts, starke

motorischeNeri positiv steigernd

—110° +40 kg - L 1Schwäche fürDorsalflexion

des Fusses

Akuter Ischiasrechts, Kreuz-

schmerzen

Las. rechts 40° L5 —80° +10° linkssteigernd

—100°

Ischias links,Kreuzschmerzen

Las. links 60° —80° + 10° rechtssteigernd

—100° +30 kg -> L 1

Ischias links,Parästhesien im

linken Fuss,chronische

Las. links 60° L5 —80°steigernd

—110° +40 kg - L 1

Kreuzschmerzen

ChronischeKreuzschmerzen

o. B. —100°steigernd

—100° + 40 kg -> L 1

Akuter held- Las. links 30° —60°seitiger Ischias,Kreuzschmerzen

Las. rechts 60° steigernd—100°

Akuter Ischiasrechts, Kreuz-

schmerzen,Schwäche für

Las. rechts 40°Las. links 60°Anästhesie des

lateralen

L4,5 —80° +10° links

Plantarflexionendes rechten

Fussrandes

Fusses

Ischias rechts,Kreuzschmerzen

Las. rechts 60°ASR rechts fehlt

L5 —80° +10° rechtssteigernd

—100° +30 kg -* L 1

Behandlungsergebnisse

Nach 10 Extensionen Las. un-verändert. Rumpfbeugen er-leichtert bis Mitte Tibia. Erhälteine Irgapyrinspritze. Schmerz-frei. Motorische Schwäche derDorsalflexion bleibt bestehen.

Nach 10 Extensionen unverän-dert, Patientin kommt zur Ope-ration. Entfernung einer late-ralen Diskushernie L 5/S 1.

Nach 4 Extensionen Las. nega-tiv, kein Ischias, noch zeitweiseKreuzschmerzen.

Nach 15 Extensionen Las. nega-tiv, Rumpfbeugen bis Knöchel,Ischias- und Kreuzschmerzenstark gebessert. Verrichtet wäh-rend der Behandlung Schwer-arbeit.

Nach 5 Extensionen beschwerde-frei. Rumpfbeugen bis Knöchel.

Nach erster Extension Las. links50°, rechts 60°. Fühlt sich sub-jektiv wohler. Nach 8 Extensio-nen Las. beidseitig negativ.Schmerzfrei. Patient, der früheran Kopfschmerzen litt, be-schwerdefrei.

Fühlt sich während der Exten-sion subjektiv wohl. Nach 10Extensionen unverändert.

Nach erster Extension starkeKopf- und Kreuzschmerzen.Nach weiteren 8 ExtensionenLas. rechts negativ, beschwerde-frei. Rezidiv beim Tennisspie-len. Wird durch anschliessendeRuhe von selbst besser.

133

Nr. Männlich Weiblich Sitz ti qFm

Haltung derLenden-

wirbelsäule

Finger-Bodenabstand

bei Rumpfbeugenvorwärts

Beschwerdenseit wann

A 30 48 Chirurg L 4 + SteifhaltungLinksskoliose

UnterhalbPatella

10 Jahreschubweise

P 31 49 Hilfs-arbeiter

L 5 + + SteifhaltungBegleit-

spondilose

UnterhalbPatella

10 Jahreschubweise

St 32 49 Hausfrau L 5 + Mitte Tibia 5 Jahre

G 33 49 Kauf-mann

L 5 + Mitte Tibia 13 Jahreschubweise

M 34 52 Bank-beamter

L 5 + Rechts konvexeSkoliose des

UnterhalbPatella

7 Jahre Schub-weise, zuletzt

Sakrums 3 Wochenbettlägerig

G 35 52 Hausfrau L 1 + + Mitte Tibia 3 Monate

R 36 53 Bank-direktor

L 5 + Hyperlordose OberhalbPatella

NachÜberheben

H 37 54 Arzt L 3, 4, 5 + S-Skoliose Mitte Tibia 1 JahrHyperlordose

134

Art und Sitzder

SchmerzenNeurologische

SymptomeDruck-

schmerzArt der

Entlastungsbehandlung

Ischias rechts,Kreuz- und

Las. rechts 40°Las. links 60°

L4,5 —80° +10° linkssteigernd

ausstrahlende Neri stark pos. —110°Schmerzen in

lie rechte Hüfte

Chronische o. B. —100'Kreuzschmerzen +40 kg —> L 1

ichwäche in derDorsalflexation

des linken

Las. links 60° —80° +10° rechtssteigernd

—100'Fusses. Ischias

links undKreuzschmerzen

Ischias rechts,besonders bei

Las. rechts 60°leicht positiv

—80° + 10° linkssteigernd

Belastung, Ver-krampfung in

der Wade,

—100° +40 kg > L 1

Parästhesien

Kreuz-chmerzen, Aus-strahlungen bisins linke Knie

Las. links 60° L5 —80° +10° rechtssteigernd

—100° +30 kg --> L 1

Kreuzschmerzen Las. 80° —80°+20 kg > Th 12

Akuter Ischias Las. links 40° ganze —80° +10° rechtslinks, Kreuz-

schmerzen.Beschwerden

beim

Las. rechts 60°Patellarreflex

links schwächerals rechts

LWS steigernd—100° +40 kg > L 1

Wasserlösen

Kreuz-chmerzen, zeit-weise Ischias

inks. Klagt über

—80°+20 kg > Th 12

Schwäche imlinken Fuss

(Plantarflexion)

Behandlungsergebnisse

Nach erster Extension Las.rechts negativ, links unverän-dert, Neri negativ. Nach wei-teren 9 Extensionen keine we-sentliche Änderung. Wird inleicht lordosierter Stellungdurch ein Gipsmieder fixiert.

Nach 3 Extensionen beschwerde-frei.

Nach 5 Extensionen Las. nega-tiv. Ischias verschwindet, nochKreuzschmerzen. Nach 10 Ex-tensionen mit Stützkorsett ent-lassen.

Nach 5 Extensionen Las. nega-tiv, Rumpfbeugen bis Fussknö-chel, nach 10 Extensionen nochzeitweise Beschwerden bei star-ker Belastung. Macht wiederHochgebirgstouren.

Nach 10 Extensionen Las. linksnegativ, beschwerdefrei. Rechts-skoliose bleibt bestehen, da die-selbe statischer Art ist.

Nach 3 Extensionen beschwerde-frei.

Nach erster Extension Las. links60°, rechts 80°. Nach 10 Exten-sionen beschwerdefrei. Nacheinem Monat erleidet Patientstarkes Rezidiv, bei gleicher Be-handlung teilweise beschwerde-frei. Las. links 60° positiv. TrägtStützkorsett.

Nach 6 Extensionen (wöchent-lich) beschwerdefrei.

135

0 Nr.ti

Männlich Weiblich Sitz°g G

.c7 N,,z

Haltung derLenden-

Wirbelsäule

Finger-Bodenabstand

bei Rumpfbeugenvorwärts

Beschwerdenseit wann

Sch 38 54 Haus-gehilfin

L 5 OberhalbPatella

Im Anschlussan Überheber

2 Wochen im Be

B 39 54 Hausfrau L 3, 4, 5 + + Geradehaltung Unterhalb 1 JahrPatella

R 40 55 Hausfrau L 5 + + Mitte Tibia 4 Jahreschubweise

I I

N 41 56 Kranken-schwester

L 5 + L 5 um 5 mmdorsal

verschoben

OberhalbPatella

10 Jahre, schubweise, zeitweis

bettlägerig

A 42 57 Polizist L 5 + Geradehaltung UnterhalbPatella

10 Jahreschubweise

E 43 57 Architekt o. B. GeradehaltungRechtsskoliose

UnterhalbPatella

4 Jahreschubweise

F 44 59 Kauf-mann

L 3, 4, 5 Hyperlordose UnterhalbPatella

/ Jahr

G 45 59 Reisender L 5 + + Geradehaltung Unterhalb 2 JahrePatella

G 46 60 Elek-triker

L 5 + Geradehaltung UnterhalbPatella

10 Jahre, schubweise, zeitweise

bettlägerig

K 47 63 Kauf-mann

L 5 + - UnterhalbPatella

26 Jahreschubweise

136

Art und Sitzder

Schmerzen

Ischias rechts,Kreuzschmerzen

ChronischeKreuzschmerzen

Schmerzen imSakrum, zeit-

weise Ausstrah-lung in die Knie-kehle, speziellbeim Bergab-wärtslaufen

Akute Kreuz-schmerzen,Ischias links

Kreuzschmerzenu. Ischias rechts

Nur Ischias links

Kreuzschmerzenmit Ausstrah-lungen in dieLeistengegend

und Unterbauch

Kreuz-schmerzen,

Ischias links.Linke grosse

Zeheunempfindlich

Ischias links,Kreuzschmerzen

Ischias links,Ausstrahlungs-schmerz in den

Hoden

NeurologischeSymptome

Druck-schmerz

Art derEntlastungsbehandlung

Behandlungsergebnisse

Las. rechts 40°Neri positiv

L4,5 Nach 10 Extensionen Las. undNeri negativ, Ischias rechtsverschwunden, hat noch leichteKreuzschmerzen.

o. B. —ß0°+40kg -> L1

Nach 10 Extensionen Rumpf-beugen bis Mitte Tibia.

o. B.

Beschwerdefrei.

Nach 6 Extensionen beschwerde-frei.

Las. links 40° —80° +10° rechts Nach 10 Extensionen Las. undNeri stärk

positivNeri negativ. Noch zeitweiseKreuzschmerzen. Kann mitStützkorsett leichte Arbeit ver-richten.

Las. rechts 60° —100°+40kg-L1

Nach 5 Extensionen Las. nega-tiv. Rumpfbeugen nach vor-wärts bis Knöchel. Beschwerde-frei.

Las. links 60° —80° +10° rechts+40kg-->L1

Nach 10 Extensionen unver-ändert.

o. B. L4,5 —80°+30kg-L1

Nach 10 Extensionen beschwer-defrei. Trägt Leibbinde.

Las. links 60° —80° +10° rechts Nach 6 Extensionen Las. nega-tiv, beschwerdefrei. TrägtStützmieder. Starke Fettsucht.Nach jeder Extension ist Rumpf-beugen erleichtert.

Las. links 40° —80° Nach 6 Extenslonen Las. unver-rechts 60°,

Patellarreflexbeidseitig

abgeschwächt

steigernd—110°

ändert. Fühlt sich subjektiv imKreuz erleichtert.

Las. links 60° L5 —80° +10° rechts Nach 6 Extensionen Patient be-ASR fehlt steigernd schwerdefrei. Las. negativ.

—80° +30 kg --- L 1

137

Zug um eine therapeutische Wirkung zu erzielen. Auf Grund der geringenFestigkeit ist auch die sagittal-flexorische Bewegung der Halswirbelsäule be-deutend. Sie beträgt nach BAKKE 92,2 °. In Fällen, wo wir durch den GLISSON-schen Zug keine Entlastung erreichten, wenden wir eine K y p h o s i e-r u n g s- E x t e n s i o n an, die im Prinzip wie die Lumbal-Wirbelsäulen-Exten-sion wirkt. Es kommt dabei zur Eröffnung der Intervertebrallöcher und derdorsalen Intervertebralspalten. Ist eine Retroposition der Wirbelkörper vor-handen, so wird dieselbe ausgeglichen. Wie aus der Abb. 40 hervorgeht, bestehtdie Dosierungsmöglichkeit der einwirkenden Kräfte auf die Halswirbelsäulein der Verstellbarkeit der Zugschlinge am Nacken.

Die Zugschlinge lässt sich wie folgt verstellen:a) Durch die Verstellung in vertikaler Richtung wird mehr die obere Hals-

wirbelsäule erfasst.b) Durch die Verstellung in mehr horizontaler Richtung wird die untere Hals-

wirbelsäule, bzw. obere Brustwirbelsäule erfasst.c) Durch die Verschiebung der Unterlage kranialwärts gegenüber dem fixen

Aufhängepunkt der Nackenlage kann der gewünschte Grad der Kypho-sierung leicht erzielt werden, wobei eine Zugwaage den entsprechendenWert in Kilo angibt.

Die Dosierung der Kräfte erlaubt eine einschleichende Behandlung.

Beispiel eines rezidivierenden Kompressions -Syndroms der linksseitigenHalswurzeln. Laterale Diskushernie

Im Anschluss an Kegelschub erleidet ein 28jähriger, sonst gesunder Kaufmann vonasthenischem Typus mit langer Halswirbelsäule einen plötzlichen Schuss in den linkenArm bei gleichzeitigen akuten Schmerzen in der Nackengegend.

Halswirbeldornfortsätze C 6/C 7 stark druckempfindlich.Kyphosierte Zwangshaltung der Halswirbelsäule nach rechts.

Analgesie im Dermatom-Gebiet C 6/C 7. Patient klagt über Benommenheit im Kopf,Flimmern im linken Auge. Die Pupille zeigt jedoch keine Verengerung. Ebenso klagter über Zerschlagenheit der linken Körperhälfte. Eine motorische Schwäche lässt sich abernicht feststellen. Das Röntgenbild lässt keinen pathologischen Befund erkennen. Patientkommt nach 14tägiger erfolgloser Behandlung mit Kurzwellen, Infrarot, zur Extensions-behandlung.

Nach erster Kyphosierungs-Extension von 20 Minuten gehen die radikulären Beschwer-den zurück, während die Zwangshaltung als vertebrales Symptom bestehen bleibt. Nachzwei weiteren Extensionen sind auch diese verschwunden.

Der Patient erscheint nach 8 Tagen mit den gleichen Beschwerden. Er soll beim Er-wachen im Bett eine starke Torsionsbewegung gemacht haben, welche die Schmerzenwieder auslöste.

Im Verlaufe von 4 Kyphosierungs-Extensionen sind die Beschwerden verschwunden.

Beispiel einer Entlastung von Beschwerden einer cervikalen Osteochondrose

Ein 64jähriger Eisenwarenhändler klagt seit einigen Monaten über Neuralgien imlinken Arm, Schmerzen in der Nackengegend, Ausstrahlungen in die linke Schulter, Parä-sthesien in der linken Hand sowie motorische Schwäche derselben. Das Röntgenbild der

138

Halswirbelsäule ergibt eine starke Osteochondrose der Bandscheibe C 6/C 7 bei kypho-sierter Haltung (Haltungszerfall).

Im Verlaufe von 4 Kyphosierungs-Extensionen ist der Patient beschwerdefrei.

In den meisten von uns behandelten Fällen mit der Kyphosierungs-Exten-sion zeigte sich eine Entlastung schon in den ersten Behandlungen, wobei wirZüge bis zu 15 kg anwandten, die von den Patienten ertragen wurden.

C. Zur funktionellen Röntgendiagnostik der Wirbelsäulevon Dr. med. ANDREAS HOCH

In der Diagnostik und Therapie des ausgedehnten Komplexes der «Rücken-leiden» hat die Röntgenologie seit ihrer Einführung in die Medizin eine ständigwechselnde Doppelstellung eingenommen. Das ärztliche Vorgehen griff zu-nächst zur Röntgenologie als wertvollem Helfer. Umgekehrt hat die Strahlen-untersuchung direkt und indirekt wiederum ganze Reihen von Massnahmenausgelöst und Forschungsgebiete beeinflusst und inauguriert. Der Grundstockfür die Röntgenologie der Wirbelsäule ist klargelegt und durch grundlegendeArbeiten dokumentiert sowie durch eine Reihe hervorragender neuerer Mono-graphien wieder frisch in Fluss gekommen. Es ist hier nicht der Raum, dar-auf im speziellen einzugehen.

Im Zuge der medizinischen Röntgendiagnostik ist seit der Einführung derKontrastmittelmethoden immer wieder der Schritt vom Morphologischen insFunk t i o n e 11 e gemacht worden. Die vorliegende Arbeit zeigt uns genaudiese Richtung, indem der Impuls in einer ähnlichen Weise von aussen erfolgtist. Das beschriebene Gerät von ULRICH eröffnet uns höchst interessante Per-spektiven, indem wir nun einmal die schon im Jahre 1937 von H. JUNGHANNS (13)geforderte funktionelle Röntgendiagnostik der Wirbelsäule angewendet haben.Das Gerät dient gleichzeitig als Röntgentisch für die Wirbelsäule, wobei jedebeliebige Stellung räumlich gemessen werden kann.

Wir haben die Gelegenheit benützt, am gelagerten und kyphosierten Patien-ten die Röntgenuntersuchung durchzuführen. Wir können hier die Bildervon zwei Patienten zeigen von denen der erste dem Normalzustand entspricht,und zwar haben wir bei Abb. 27 die Ausgangslage vor uns, währenddem dieAbb. 28 die gleiche Person in Kyphosierung zeigt. Beim zweiten Patien-ten konnte man schon auf den normalen Röntgenaufnahmen, neben Band-scheibenschädigungen an der 4. und 5. Lendenbandscheibe eine Retropositionvorfinden. Diese Retroposition liegt zwischen L 4 und L 5. Sie ist auf derAbb. 25 gut sichtbar. Die Aufnahme 26 wurde wiederum in der Kyphosierunghergestellt und wir entdecken, zu unserem Erstaunen, wie die Rückwärtsver-schiebung aufgehoben ist. Diese bildmässige Besserung entspricht auch dersubjektiven Schmerzfreiheit in dieser Lagerung.

Das Gerät bietet uns also nicht nur therapeutisch eine höchst willkommeneBereicherung, sondern es versetzt uns in die Lage, auch diagnostisch rechtwichtige Differenzierungen machen zu können. Jeder unter uns kennt hart-näckige Lumbalgien, deren Ursachen wir mit grösster Wahrscheinlichkeit in

139

einem Diskus oder in einer Lageveränderung suchen. Häufig ist es aber trotzaller diagnostischen Massnahmen (Myelographie, Diskographie usw.) nichtmöglich, einen eindeutigen Bescheid zu geben. Dieses funktionelle röntgen-diagnostische Vorgehen ist relativ einfach und ein weiterer Ausbau lässt sichtechnisch durchaus bewerkstelligen.

Es bietet sich dadurch ein interessanter Ausblick und es ist zu hoffen, dassbei späterer Gelegenheit weitere Unterlagen geliefert werden können, dieeine klinisch differenzierte Behandlung ermöglichen, wie dies auch im Vorwortvon H. KRAYENBüHL gefordert wird.

10. ZusammenfassungMit dem beschriebenen Extensionsgerät nach ULRICH wurden in 47 Fällen

lumbaler Diskopathien, unter denen sich akute Bandscheibenvorfälle befan-den, mit gezielter Kyphosierung behandelt. Unter gezielter Kyphosierung istdie optimale Extension des dorsalen Bandscheibenanteiles der in Frage kom-menden veränderten Bandscheiben zu verstehen. Diese Extension kann durcheinen Pelottendruck verstärkt werden, wie es beim Versuch, Abb. 14, gezeigtwird (vgl. auch «Zusammenfassung der Messergebnisse», Abschnitt e). Inunseren Fällen, wo sich die Diskopathie auf die untersten 3 Bandscheibenbeschränkte, wurde die Pelotte auf den ersten Lumbal-Wirbel gerichtet, umbei einer Beckenneigung von —80° bis —110° eine verstärkte dorsale Durch-biegung in diesem Bereiche zu erhalten. Die Pelottendrucke variierten zwi-schen 30 und 50 kg und wurden von den Patienten kaum gespürt. Es zeigtesich, dass bei einseitigen radikulären Symptomen die Möglichkeit einer late-ralen Eröffnung des Intervertebralspaltes klinisch wirksam ist. Ebenso kanndie Torsionsmöglichkeit des Gerätes therapeutisch ausgenützt werden. DasKriterium für die therapeutische Wirksamkeit ist ein Nachlassen des Schmer-zes und ein Negativwerden des LAsEGuEschen Symptomes oder seiner Modifi-kationen unter der Behandlung. Es zeigte sich, dass die akuten Fälle oftschnell entlastet werden konnten, während die chronischen Fälle mehr Zeiterforderten.

Die Möglichkeit der Benützung des Gerätes als Röntgentisch für Serien-aufnahmen zum Zwecke der funktionellen Röntgendiagnostik wird praktischan einem Fall einer Retroposition vertebrae gezeigt.

Unter den von uns behandelten Fällen befanden sich 29 Männer und 18Frauen. Das Durchschnittsalter der Männer betrug 44,8 Jahre, das der Frauen42,2 Jahre. Von den 47 Fällen wiesen 44 Fälle röntgenologisch feststellbareVeränderungen der Lumbal-Wirbelsäule auf und 37 Fälle hatten neurologischeSymptome. Die durchschnittliche Dauer der Beschwerden bis zur Behandlungbetrug 4 Jahre.

Behandlungsergebnisse:Kein Erfolg in 5 Fällen (Nr. 6, 12, 28, 30, 43).Kein Erfolg, durch nachträgliche Operation beschwerdefrei 2 Fälle (Nr. 5

und 23).

140

Leichte Besserung 3 Fälle (Nr. 11, 21, 46).Beschwerdefrei 37 Fälle.

Vom Januar bis Juni 1954 sind noch weitere 40 Patienten mit gezielterExtension behandelt worden. Die Resultate entsprechen den vorhergehenden.

Im weiteren wurde noch eine Kyphosierungs-Extension für die Halswirbel-säule beschrieben.

Résumé47 cas de discopathie lombaire, dont quelques uns présentaient un certain

nombre de discus prolaps aigus, furent traités par cyphose sélective au moyende l'extenseur d'après ULRICH (voir page 117). Par cyphose sélective, nousentendons l'extension optimum de la partie dorsale du disque dévié à traiter.Cette extension peut titre renforcée par la pression d'une pelotte, comme in-diqué à l'essai suivant fig. 14 (voir aussi le résumé des résultats de mesure,paragraphe e). Dans nos cas qui accusaient une discopathie des trois disquesinférieurs, la pelotte fut dirigée sur la première vertèbre lombaire, af in quel'inclinaison du bassin de —80° à —110° entraine une flexion dorsale accrue.Les différentes pressions de pelotte varièrent de 30 à 50 kg et le patient neles ressentit qu'à peine. Il s'est avéré que, logs de symptömes unilatérauxradiculaires, la possibilité d'une ouverture latérale de l'interstice interverté-bral est cliniquement efficace. De meme, la capacité de torsion de l'appareilpeut titre mise à profit du point de vue thérapeutique. Le critere d'efficacitéthérapeutique est une diminution de la douleur et une évolution négativedu symptöme de LAS GUE, ou de ses modifications, par suite du traitement.On a constaté que les cas aigus sont plus rapidement soulagés que les caschroniques.

La possibilité d'employer l'appareil comme table pour les radiographies ensérie aux fins de diagnostics Roentgen fonctionnels est pratiquement dé-montrée.

Parmi les cas que nous avons traités se trouvaient 29 hommes et 18 femmes.L'äge moyen des hommes était de 45 ans, celui des femmes 42 ans. Surles 47 cas, 44 accusaient des déviations de la colonne vertébrale, déviationsqui purent titre constatées aux rayons X. 37 cas accusaient des symptömesnévralgiques. La durée moyenne des maux avant le traitement avait été de4 ans.

Résultats des traitements

Pas de succes dans 5 cas (n° 6, 12, 28, 30 et 43).Pas de succès, plus de douleurs après opération ultérieure —2 cas (n° 5 et 23) .Faible amélioration — 3 cas (n° 11, 21 et 46).Sans douleurs — 37 cas.

Une extension pour la colonne vertébrale cervicale d'après le meme prin-cipe est décrite.

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Summary

Forty-seven cases of lumbar discopathy, including acute hernias of inter-vertebral discs, were treated by local kyphosation with ULRICH'S extensiondevice, described page 117. Local kyphosation here connotes optimum extensionof the dorsal portion of the modified discs requiring treatment. This extensionmay be increased by pad pressure as is shown in test Fig. 14 (also cf. "Summaryof Measuring Data", Section e) . In the cases under report, in which discopathywas confined to the lowest three discs, the pad was located on the first lumbarvertebra in order to obtain greater dorsal flexion in this region with aninclination of the pelvis of —80° to —110°. The pad pressures ranged from30 to 50 kilos and were hardly noticed by the subject. It was found that thepossibility of laterally opening the vertebral interstice is clinically effectivewith unilaterally radicular symptoms. Furthermore, the ability of the deviceto effect torsion can be put to therapeutic account. The criterion of thera-peutic efficacy is that pain is alleviated and that LASEGUE's symptom becomesnegative or is modified under treatment. It was found that acute cases couldoften be rapidly relieved, while chronic cases required more time.

The use of the device as an X-ray table for taking consecutive films for thepurpose of functional Roentgen diagnosis is shown in practical application.

Of the subjects we treated, 29 were men, 18 women. The average age ofthe men was 45 years, that of the women 42 years. 44 out of the total of47 showed modifications of the lumbar spine visible in X-ray films, and 37displayed neurological symptoms. The average duration of the trouble priorto treatment was 4 years.

Results

No result in 5 cases (Nos. 6, 12, 28, 30, 43).No result, trouble removed by subsequent operation, in 2 cases (Nos. 5 and 23) .Slight improvement in 3 cases (Nos. 11, 21, 46).Full recovery in 37 cases.

An extension for the cervical spine after the same principle has beendescribed.

11. Schlussbetrachtungen und VerdankungenDie in der er st en Arbeit bekanntgegebenen Versuchergebnisse beruhen

auf einer Reihe an einzelnen Wirbelsäulenteilen durchgeführ-ten, festigkeitstechnischen Untersuchungen, die sukzessive verbessert und ver-feinert wurden. An der Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten mangeltees nicht.

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Die Möglichkeit liegt vor, dass bei weiter verbesserten Versuchseinrich-tungen und Messapparaten die Untersuchungen noch eingehender und ge-nauer durchgeführt werden können, wodurch die funktionelle Tätigkeit dereinzelnen Teile der Wirbelsäule im allgemeinen und der Bandscheiben im be-sonderen in materialtechnischer Hinsicht eindeutiger in Erscheinung tritt.Hierbei ist besonderes Interesse den bei klinischen Zwecken anwendbarenzulässigen Verformungen und der Erholung beizumessen.

Zur Ermittlung des Einflusses der Zeit, des Alters, der Ernährung sowieverschiedener Krankheiten und Unfälle auf das elastische Verhalten und aufdie Festigkeit der Bandscheiben und ihrer Verbindung mit den Wirbelkör-pern ist noch eine grössere Anzahl systematischer Untersuchungen notwendig.Hierzu können die bereits vorliegenden Versuchsresultate als Unterlage die-nen. Von Interesse ist auch die makro- und mikroskopische Beschaffenheitder Übergangsstellen zwischen Bandscheiben und Wirbelkörper unter Be-rücksichtigung der verschiedenen Beanspruchungsarten.

Am Schluss dieser Arbeit wurde noch auf die Prophylaxe der Bandscheiben-schädigungen eingegangen.

Die zweite Arbeit zeigt eine Anwendung der Biegeversuche aufganze menschliche Wirbelsäulen zu Entlastungs- und Reposi-tionszwecken. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass die klinischeAnwendung der Biegeversuche mit Unterstützung eines Pelottendruckes imApparat ULRICH wesentlich wirksamer ist als nur die Extension durch denreinen Zug.

Dieser zweiten Arbeit wurde noch ein besonderer Abschnitt über klinischeAnwendungen beigefügt, um zu zeigen, welche Erfolge bisher durch diese Be-handlungsart erzielt werden konnten.

Die ersten Anregungen verdanken wir Herrn Dr. med. ERICH KATZENSTEINherzlichst.

Mit allen Versuchen der ersten und zweiten Arbeit befasste sich in ersterLinie die Eidg. Materialprüfungs- und Versuchsanstalt Zürich.

Zum Schluss dieser Gemeinschaftsarbeit sei den Herren F. W. TSCHÄPPELER,ERNST TSCHOLL und ERNST BRANDENBERGER der Dank für ihre wertvolle prak-tische Unterstützung bei der Durchführung der Versuche ausgesprochen,ebenso Herrn HANS STREIFF junior für die ausgezeichnete Hilfe bei der Zu-sammenstellung der Versuchsergebnisse. Im weiteren sei gedankt HerrnP.-D. Dr. med. ERNST BAUMANN, Chefarzt in Langenthal, für die Mitarbeit beieinem Druck- und einem Torsionsversuch, Herrn Dr. med. JOST AMMANN,Zürich, für die Durchführung eines Biege- und Schubversuches unter An-wendung eines Kontrastmittels beim Nucleus pulposus und für seinen Beitragzur praktischen Anwendung der Extension sowie Herrn Dr. med. A. HOCH fürseinen Beitrag zur funktionellen Röntgendiagnostik.

Herrn Prof. Dr. med. H. KRAYENBÜHL, Direktor der neurochirurgischenUniversitätsklinik Zürich, sind wir zu besonderem Dank verpflichtet; durchseine Hilfe wurden die Versuche mit ganzen Wirbelsäulen ermöglicht, undseine Anregungen waren wegleitend.

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Zu Dank sind wir auch verpflichtet

der Naturforschenden Gesellschaft Zürich,der J. R. Geigy AG., Basel,der Schweiz. Sprengstoff-Fabrik AG., Dottikon,sowie einigen nicht genannt sein wollenden Donatoren,

durch deren Beiträge die Drucklegung ermöglicht worden ist.

Zürich, den 30. September 1954.

Literaturangaben

(1) FESSLER: «Festigkeit der menschlichen Gelenke mit besonderer Berücksichtigung desBandapparates.» München, 1894.

(2) BAKKE: «Acta Radiologica» Supp. XIII. «Rörgtgenologische Beobachtungen über dieBewegungen der Wlrbelsäule.» Stockholm, 1931.

(3) BÖHLER: «Technik der Knochenbruchbehandlung.» Wien, 1931.(4) ADSON: «Die gesunde und kranke Wirbelsäule in Röntgenbild und Klinik», aus

SCHMORL-JUNGHANNS. Stuttgart, 1951.(5) HAUMANN-BRACK: Aus Schinz «Lehrbuch der Röntgendiagnostik.» Stuttgart, 1951.(6) BÄRTSCHI-ROCHAIX: «Die Diagnose lumbaler Bandscheibenprolapse und verwandter

Zustände.» Schweiz. Med. Wschr. 72, 729, 1942.«Traumatische und nicht traumatische Bandscheibenschäden und deren konser-vative Therapie.» Schweiz. Arch. Neur. 58, 179, 1946.

(7) LINDENMANN-KUHLENDAHL: «Die Erkrankungen der Wirbelsäule.» Stuttgart, 1953.(8) SCHACHTSCHNEIDER: «Der hintere Bandscheibenprolaps in seiner klinischen Auswir-

wirkung.» Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. 1936. 54. Band.(9) BECK-FALCONER: Zitiert nach CHARNLEY: «Orthopaedic signs in the diagnosis of disc

protrusion.» The Lancet, 27. Jan. 1951.(10) DUss: «Beitrag zur Anatomie der Lumbosacralregion unter besonderer Berücksichti-

gung der Discushernie.» Diss. Zürich, 1948.(11) KRAYENBÜHL: Siehe Einleitung, I. Teil.(12) HAGELSTAMM: «Retroposition of lumbar vertebrae.» Acta Chirurgica Scandinavica,

Supplementum 143, Helsingfors, 1949.(13) JUNGHANNS: «Die funktionelle Pathologie der Zwischenwirbelscheiben.» LANGENBECK'S

Archiv für klinische Chirurgie, Band 267, 1951.(14) BROCHER: «Die Wirbelverschiebungen in der Lendengegend.» Stuttgart, 1953.(15) CHARNLEY: Siehe unter 9.(16) GÜNTZ: «Schmerzen und Leistungsstörungen bei Erkrankungen der Wirbelsäule.»

Stuttgart, 1937.(17) AUFDERMAUER: «Spondylitis ankylopoetica I» in Documenta rheumatologica Geigy Nr. 1.(18) KRAYENBÜHL und ZANDER: «Über lumbale und cervikale Diskushernien» in Docu-

menta rheumatologica Geigy Nr. 2.(19) BAUMANN, E.: «Zur Pathogenese der degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen».

Helvetia Chirurgica Acta Vol. 17 (1950).

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