Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg...

23
53 Vitamine & Coenzyme Vitamine gehören zu den essentiellen Nahrungsbestandteilen, d.h. sie können vom Organismus nicht (oder zumindest nicht in ausreichender Menge) synthetisiert werden. Werden sie nicht in ausreichendem Maße zugeführt, sind meist schwerwiegende Mangelerscheinungen die Folge. Im Gegensatz zu (essentiellen) Aminosäuren und Fettsäuren werden sie jedoch nur in sehr kleinen Mengen (Tagesbedarf zwischen 5 μg ... 60 mg) benötigt. Die B-Vitamine (B 1 ,B 2 -Komplex, B 6 ,B 12 , H) und Vitamin K sind Vorstufen wichtiger Coenzyme, die für alle Zellen lebensnotwendig sind. Die Vitamine A, C, D und E werden dagegen nur von höheren Lebewesen benötigt. Der Name "Vitamin" setzt sich zusammen aus vita = Leben und Amin (stickstoffhaltige, basisch reagierende organische Verbindung). Die Bezeichnung wurde zunächst für Thiamin (B 1 ) eingeführt und erst später (aufgrund der unzutreffenden Annahme, dass es sich bei allen Vitaminen um Amine handelt) auch für die anderen Verbindungen verwendet. Die Vitamine werden aus historischen Gründen mit Großbuchstaben bezeichnet. Man unterteilt die Vitamine nach ihrer Löslichkeit in zwei Gruppen: Fettlösliche Vitamine Name Tagesbedarf *) Mangelkrankheit (beim Menschen) A Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 μg Rachitis , Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt K Phyllochinon (Menachinon) 0,15 - 1,0 mg Blutgerinnungsstörungen Wasserlösliche Vitamine B 1 Thiamin 1,3 - 1,7 mg Beriberi (Polyneuritis) B 2 Riboflavin (Lactoflavin) 1,6 - 2,0 mg Ariboflavinose Nicotinsäureamid (Niacin, Vitamin PP) 20 mg Pellagra Pantothensäure 10 mg unbekannt Folsäure 0,4 - 0,8 mg megaloblastäre Anämie B 6 Pyridoxol (Pyridoxin) 1,5 - 2,5 mg unbekannt B 12 Cobalamin 5 - 8 μg perniziöse Anämie H Biotin 0,25 - 0,3 mg unspezifisch C Ascorbinsäure 40 - 75 mg Skorbut *) empfohlene Tageszufuhr für den Erwachsenen. Die Angaben schwanken in der Literatur z.T. erheblich. Vitamine - Vorkommen + in den (frischen) Nahrungsmitteln ist das Vitamin enthalten, ++ zur Vitamin-Versorgung besonders wichtig, c enthalten -Carotin als Provitamin, (+) von den Darmbakterien synthetisiertes Vitamin B 12 kann nicht resorbiert werden.

Transcript of Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg...

Page 1: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

53

Vitamine & Coenzyme

Vitamine gehören zu den essentiellen Nahrungsbestandteilen, d.h. sie können vom Organismusnicht (oder zumindest nicht in ausreichender Menge) synthetisiert werden. Werden sie nicht inausreichendem Maße zugeführt, sind meist schwerwiegende Mangelerscheinungen die Folge.Im Gegensatz zu (essentiellen) Aminosäuren und Fettsäuren werden sie jedoch nur in sehr kleinenMengen (Tagesbedarf zwischen 5 µg ... 60 mg) benötigt.Die B-Vitamine (B1, B2-Komplex, B6, B12, H) und Vitamin K sind Vorstufen wichtiger Coenzyme,die für alle Zellen lebensnotwendig sind. Die Vitamine A, C, D und E werden dagegen nur vonhöheren Lebewesen benötigt.Der Name "Vitamin" setzt sich zusammen aus vita = Leben und Amin (stickstoffhaltige, basischreagierende organische Verbindung). Die Bezeichnung wurde zunächst für Thiamin (B1) eingeführtund erst später (aufgrund der unzutreffenden Annahme, dass es sich bei allen Vitaminen umAmine handelt) auch für die anderen Verbindungen verwendet.Die Vitamine werden aus historischen Gründen mit Großbuchstaben bezeichnet. Man unterteilt dieVitamine nach ihrer Löslichkeit in zwei Gruppen:

Fettlösliche Vitamine

Name Tagesbedarf *) Mangelkrankheit (beim Menschen)

A Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie

D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie

E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

K Phyllochinon (Menachinon) 0,15 - 1,0 mg Blutgerinnungsstörungen

Wasserlösliche Vitamine

B1 Thiamin 1,3 - 1,7 mg Beriberi (Polyneuritis)

B2 Riboflavin (Lactoflavin) 1,6 - 2,0 mg Ariboflavinose

Nicotinsäureamid (Niacin, Vitamin PP) 20 mg Pellagra

Pantothensäure 10 mg unbekannt

Folsäure 0,4 - 0,8 mg megaloblastäre Anämie

B6 Pyridoxol (Pyridoxin) 1,5 - 2,5 mg unbekannt

B12 Cobalamin 5 - 8 µg perniziöse Anämie

H Biotin 0,25 - 0,3 mg unspezifisch

C Ascorbinsäure 40 - 75 mg Skorbut

*) empfohlene Tageszufuhr für den Erwachsenen.Die Angaben schwanken in der Literatur z.T. erheblich.

Vitamine - Vorkommen+ in den (frischen) Nahrungsmitteln ist das Vitamin enthalten,++ zur Vitamin-Versorgung besonders wichtig,c enthalten -Carotin als Provitamin,

(+) von den Darmbakterien synthetisiertes Vitamin B12 kann nicht resorbiert werden.

Page 2: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

54

B2A B1Ribofl. Nicot. Pant. Fols.

B6 B12 C D E H K

Fleisch + + ++ + + + + +

Leber ++ + ++ ++ + ++ + ++ + ++ + + +

Fisch + + + ++ + + + + + +

Eier + + + + + + + + + + ++

Milch &Milchprodukte + + ++ ++ + + + + + +

grüne Pflanzenteile + + ++ ++

Gemüse / Kartoffeln c + + + + ++ ++ ++ +

Früchte c + + ++

Pflanzenöle ++ +

Vollkorn-Produkte ++ + + + ++ ++ +

Hefe ++ + + + ++ + +

Eigensynthesemöglich + ++

Page 3: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

55

Coenzyme

Viele Enzyme bestehen aus einem Apoenzym (dem Protein-Körper) und einem Coenzym.Zusammengesetzt ergeben diese das Holoenzym, wobei das Coenzym ein Teil des aktivenZentrums des Enzyms darstellt. Im Gegensatz zu einem Katalysator wird das Coenzym bei derReaktion verändert. Es muss über einen Folgeprozess wieder in seine ursprüngliche Formzurückversetzt werden. Man unterscheidet hierbei zwei Fälle:Bei prosthetischen Gruppen ist das Coenzym fest an das Apoenzym gebunden (z.B.

FAD, Liponsäure, Häm).Wird das Coenzym nach der Reaktion wieder freigesetzt, bezeichnet man es als

Cosubstrat (z.B. ATP, NADH, PLP).

Coenzym Funktion VitaminEnergiereiche Nucleosidtriphosphate

Adenosintriphosphat (ATP) Transphosphorylierung,Gruppentransfer -

Cytidintriphosphat (CTP) Gruppentransfer -

Guanosintriphosphat (GTP) Transphosphorylierung,Monosaccharidtransfer -

Uridintriphosphat (UTP) Monosaccharidtransfer -

Gruppenübertragende CoenzymeBiotin CO2-Transfer Biotin

Coenzym A Acetyl- und Acylgruppentransfer,Fettsäure-Stoffwechsel Pantothensäure

Desoxyadenosyl- bzw.Methylcobalamin (B12)

Gruppentransfer, Isomerisierung Cobalamin

Liponsäure (6,8-Dithio-octansäure)

Acyltransfer bei oxidativerDecarboxylierung -

Phyllohydrochinon Spezifischer Carboxyltransfer Phyllochinon

Pyridoxalphosphat (PLP) Transaminierung, Decarboxylierung,Racemisierung Pyridoxol

Retinylphosphat Monosaccharidtransfer Retinol

Tetrahydrofolsäure (THF) C1-Transfer Folsäure

Thiaminpyrophosphat Oxidative Decarboxylierung,Aldehydtransfer Thiamin

Wasserstoff-, Elektronen- und Sauerstoff-übertragende CoenzymeEisenporphyrine (Häm-Systeme) Sauerstoff- und Elektronentransfer -

Eisen-Schwefel-Cluster Elektronentransfer -

Flavin-Adenin-Dinucleotid (FAD) Wasserstofftransfer Riboflavin

Flavin-Mono-Nucleotid (FMN) Wasserstofftransfer Riboflavin

Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid(NAD) Wasserstofftransfer Nicotinsäure

Nicotinamid-Adenin-Dinucleotidphosphat (NADP) Wasserstofftransfer Nicotinsäure

proteingebundenes Kupfer Elektronentransfer -

Ubichinon (Coenzym Q) Wasserstoff- und Elektronentransfer -

Page 4: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

56

Vitamin A: Retinol (Axerophthol)

Retinol (Axerophthol) gehört zu den Isoprenoiden. Der menschliche Organismus kann Retinolaus -Carotin erzeugen, daher bezeichnet man -Carotin auch als "Provitamin A".

-Carotin ist ein Kohlenwasserstoff mit vielen konjugierten Doppelbindungen und ist deshalbfarbig. Auch Retinol weist ein ausgedehntes konjugiertes -System auf und ist gefärbt; beideSubstanzen sind orange-gelb.Retinol erfüllt verschiedene Funktionen im Organismus. Es ist ein Schutzstoff für die Epithel-Gewebe des Ektoderms, es stabilisiert insbesondere die normale Struktur der Epithelien.Durch Oxidation geht Retinol in den zugehörigen Aldehyd, Retinal, über. Retinal ist Bestandteildes Rhodopsins (Sehpurpurs). Als solches ist es unerläßlich für den Sehprozess.

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/vitamine/vita01.html

Vitamin A: Retinol (Axerophthol)

Die Hauptmenge des aufgenommenen Retinols wird zu Retinal oxidiert. Retinal ist Bestandteil desRhodopsins (Sehpurpurs). 11-cis-Retinal wird als prosthetische Gruppe an Opsin gebunden.Durch Lichtquanten kommt es zu einer Umwandlung in all-trans-Retinal (vgl. cis-trans-Isomerie),wodurch Konformationsänderungen des Opsins und die Abspaltung des Retinals induziert werden.Dabei wird Transducin (ein heterotrimeres G-Protein) gespalten und eine cGMP-abhängiePhosphodiesterase aktiviert. Es kommt zu einem Abfall der cGMP-Konzentration und damit zumSchließen von Ionenkanälen. Durch die folgende Hyperpolarisierung der Sehzelle wird dieGlutamat-Freisetzung an der Synapse gestoppt, was als "Licht-Signal" dient. Das freie all-trans-Retinal wird von der Retinalisomerase in 11-cis-Retinal umgewandelt und wieder an Opsingebunden.

Retinyl-Phosphat dient als Träger für Mannose und Galaktose beim Transport dieser Zuckerdurch die ER-Membran und ist am Aufbau von Glycoproteinen beteiligt.Die Retinsäure induziert eine Vermehrung der Rezeptoren für Wachstumsfaktoren.

Page 5: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

57

Hypovitaminosen:Ein Vitamin A-Mangel wirkt sich zunächst in einer Funktionsverminderung desGesichtssinns aus, da nur unzureichend Rhodopsin produziert bzw. regeneriertwerden kann. Dies zeigt sich insbesondere bei abnehmender Lichtstärke:"Nachtblindheit" (Nyktalopie). Bei fortschreitendem Retinol-Mangel tretenVeränderungen der Epithelien in den Vordergrund: Es bilden sich verhornteEpithelschichten, die leicht von Mikroorganismen besiedelt werden können. HäufigeFolgen sind Xerophthalmie (Verhornung der Cornea - daraus resultiert die alteBezeichnung "Axerophthol" für Vitamin A), Glossitis (Zungenentzündung),Vulvadystrophie, sowie bei Kindern und Jugendlichen Wachstumsstörungen.

Hypervitaminosen:Vitamin A gehört zu den wenigen Vitaminen, bei denen bei übermäßiger ZufuhrHypervitaminosen beobachtet wurden. Sie kamen z.B. bei Polarforschern nach demVerzehr von Eisbärleber vor. Häufige Symptome sind Schmerzen, Schwindel undErbrechen, Haarausfall und Verdickung der Knochenhaut (Periost). Während derSchwangerschaft sind teratogene Wirkungen möglich.

Xerophthalmie

Bei der Xerophthalmie handelt es sich um Augenveränderungen, die durch Vitamin A-Mangelverursacht sind. Sie ist die häufigste Ursache für eine Erblindung bei Kleinkindern und kommtheute noch häufig in Entwicklungsländern vor.Die ersten Anzeichen sind Nachtblindheit (Nyktalopie) und eine trockene und verdickte Bindehaut.Dann treten Bitot-Flecken und später Epithelläsionen auf. Bei den Bitot-Flecken handelt es sichum mattweiße, meist dreieckige Hautschuppen, die aus verdicktem Oberhautgewebe bestehenund fest auf der darunterliegenden Bindehaut haften. Dehnt sich die Austrocknung auf dieHornhaut aus, nimmt diese ein trübes, glanzloses Aussehen an. Unbehandelt kommt es zuHornhautgeschwüren mit Einschmelzungsvorgängen (Keratomalazie), wobei das Gewebe abstirbt.Die Folge ist Erblindung.

Bitot-Flecken fortgeschrittene XerophthalmieBildquelle: Karl-May-Stiftung

Möglicherweise war auch Karl May von der Xerophthalmie betroffen.

Vitamin D: Calciferol

Die aktive Form der Calciferole ist das Calcitriol. Calcitriol reguliert zusammen mit Calcitonin undParathormon den Calcium- und Phosphatstoffwechsel, es wirkt als Hormon. Calcitriol entstehtdurch Hydroxylierung aus Calciol (Cholecalciferol, Vitamin D3) oder Ergocalciol (Ergocalciferol,Vitamin D2). Im menschlichen Organismus werden Ergocalciol aus Ergosterol (kommt in Hefe undeinigen Pflanzen vor) und Calciol aus 7-Dehydro-cholesterol und synthetisiert.Da 7-Dehydro-cholesterol aus Cholesterin hergestellt werden kann, handelt es sich bei Calciferolnicht um ein Vitamin im eigentlichen Sinne. Bei unzureichender UV-Einstrahlung treten jedochAvitaminosen auf: Rachitis bzw. Osteomalazie.

Page 6: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

58

Vitamin D und seine Provitamine sind lipophil und werden normalerweise leicht resorbiert. Da dasVitamin im Körper gespeichert wird, kommt es bei (erheblicher) Überdosierung zu einerHypervitaminose, die zu vermehrter Calciumfreisetzung führt. Sie äußert sich in Nephrokalzinose(Ablagerung von Calciumsalzen in den Tubulusepithelien und dem Nierengewebe), Kopf- undGelenkschmerzen, Muskelschwäche und Verdauungsstörungen; es können sich Nierensteinebilden.

Vitamin D: Calcitriol - Biosynthese und Wirkungsweise

Page 7: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

59

An der Biosynthese von Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol) sind mehrere Organebeteiligt. Zunächst wird in der Leber aus Cholesterin 7-Dehydro-cholesterol (Provitamin D) gebildetund dieses zur Haut transportiert. In einer photochemischen Reaktion wird der B-Ring des 7-Dehydro-cholesterols aufgebrochen, es entsteht Präcalciol (Präcalciferol), das sich unterVerschiebung der Doppelbindung zu Calciol (Cholecalciferol) umlagert. Für die photochemischeReaktion ist UV-Licht (Sonne!) notwendig. Reicht die Sonneneinstrahlung nicht aus, muß Calciolals Vitamin zugeführt werden. Calciol wird in der Leber an C-25 hydroxyliert, es entsteht Calcidiol(25-Hydroxycholecalciferol), das zur Niere transportiert wird. In der Niere erfolgt, stimuliert durchParathormon (Parathyrin, in den Nebenschilddrüsen gebildet), eine Hydroxylierung an C-1 zumaktiven Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol).

Calcitriol wirkt einem Absinken des Calcium-Spiegels im Serum entgegen:

In den Dünndarm-Mucosazellen wird die Calciumresorption erhöht, indem ein spezifischesCalcium-bindendes Protein und eine Calcium-abhängige ATPase synthetisiert wird.

In der Niere bewirkt Calcitriol eine vermehrte Rückresorption von Ca2+ und Phosphat. Im Knochen wirkt Calcitriol mit Parathormon (Parathyrin) synergistisch bei der Stimulierung

der Osteoklasten und Osteozyten. Es fördert die Mineralisierung der Epiphysenfugen,unterstützt jedoch gleichzeitig die Calcium-mobilisierende Wirkung des Parathormons.

Die Calcitriol-Biosynthese wird von Ca2+- und Phosphat-Ionen gehemmt, durch Parathormonaktiviert.

Vitamin D Avitaminosen

Rachitis ("Englische Krankheit", Glisson-Krankheit)Die häufigste Form der Rachitis resultiert aus einem Vitamin D-Mangel. Es gibt daneben einigeVitamin D-resistente Rachitis-Formen. Ein Vitamin D-Mangel beim Erwachsenen führt zurOsteomalazie.Als Rachitis bezeichnet man eine gestörteMineralisation der Knochen aufgrund einerBeeinträchtigung des Calcium- oder Phosphat-Stoffwechsels. Das Röntgenbild zeigt eine fürdiese Krankheit typische Knochendeformation:"O-Beine".Ein Mangel an Vitamin D führt zu Störungendes Calcium- und Phosphat-Stoffwechsels. Eskommt zunächst zu mangelhafter Calcium-Resorption aus dem Darm. Die dadurchhervorgerufene Hypokalzämie (Absinken desCalciumspiegels im Blut) induziert einensekundären Hyperparathyreoidismus(kompensatorische Überfunktion derNebenschilddrüsen Ausschüttung vonParathormon). Parathormon bewirkt dieKnochenentkalkung, also die Freisetzung vonCalcium aus dem Skelett, sowie eineverminderte Rückresorption von Phosphat inden Nierentubuli.Eine beginnende Rachitis führt zunächst zuUnruhe und Schreckhaftigkeit, Kopfschweißund Haarausfall am Hinterkopf. Es treten Muskelhypotonien mit Erschlaffung der Bauchdecke(sog. "Froschbauch"), ammoniakalischer Harngeruch und Krämpfe auf. Aufgrund der mangelndenVerkalkung der Knochen verformen sich diese durch Körpergewicht und Muskelzug. Es kommt zu

Bildquelle: Prof. Dr. S. Ott, Univ. Washington

Page 8: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

60

charakteristischen Knochenverformungen, die sich zunächst in einer Erweichung desSchädelknochens (sog. "Kraniotabes") zeigen, gefolgt von einer Abplattung des Kopfes (Caputquadratum). Später kommt es durch Störungen des Knorpelabbaus und Anlagerung von nichtverkalktem Osteoid zu Auftreibungen an den Knochen-Knorpel-Grenzen: "RachitischemRosenkranz" an den Rippen, "Doppelhöcker" (Marfan-Zeichen) an Hand- und Fußgelenken,"Perlschnurfingern" und Erweiterung der unteren Brustkorböffnung ("Glockenthorax"). Es kommtzu verzögertem Zahndurchbruch mit Schmelzschäden und bei Belastung des Skeletts zu Becken-und Röhrenknochen-Deformationen. Häufige Komplikationen sind rachitische Tetanie undKnochenbrüche ("Grünholzfrakturen").Die Diagnose erfolgt meist durch Röntgen-Untersuchungen und Bestimmung der Calcium- undPhosphat-Konzentration im Serum. Als Therapie werden hohe Dosen an Vitamin D gegeben (oral,außer bei Resorptionsstörungen), ggf. verbunden mit UV-Bestrahlung. Daneben müssen bereitsaufgetretene Knochendeformationen durch Gipsverbände und Krankengymnastik korrigiertwerden.

Vitamin D resistente RachitisHäufigste Ursache ist eine genetisch bedingte Störung des Phosphat-Stoffwechsels, diechronische Phosphat-Diabetes. Hierbei ist die tubuläre Phosphatrückresorptionvermindert, verbunden mit einer Vitamin D-Regulationsstörung. Da sich diese Krankheitmeist erst nach dem 1. Lebensjahr auswirkt, sind vor allem die Extremitäten betroffen.Bei der hyperphosphatämischen renalen Rachitis ist die Phosphatausscheidungreduziert, es kommt zu einer Erhöhung des Serum-Phosphatspiegels. DieseHyperphosphatämie führt zur kompensatorischen Ausschüttung von Parathormon(Parathyrin) und induziert damit eine Knochenentkalkung.Rückresorptionsstörungen von Calcium oder Phosphat werden als Rachitis renalisbezeichnet. Sie können außer bei der chronischen Phosphat-Diabetes auch als Folgeanderer Stoffwechselstörungen auftreten, z.B. bei der Cystinose oder Tyrosinose (Typ I).

OsteomalazieKommt es beim Erwachsenen zu Vitamin D-Mangel, bezeichnet man die Hypovitaminoseals Osteomalazie. Ursache ist meist eine Störung der Vitamin D-Resorption, Osteomalaziekann jedoch auch bei chronischen Leber- und Nierenerkrankungen auftreten.Die Krankheit äußert sich zunächst in diffusen Skelettbeschwerden, gefolgt vonschmerzhaften Knochendeformationen. Im Röntgenbild zeigen sich insbesondere bei denstatisch nicht belasteten Röhrenknochen der oberen Extremitäten eine verminderte Dichteund Konturunschärfen. Häufig treten Looser-Umbauzonen auf, im Röntgenbild als deutlicheAufhellungsstreifen sichtbar. An diesen Stellen kommt es oft zu Frakturen("Ermüdungsbrüchen").Die Therapie richtet sich nach der Ursache: orale oder parenterale Gabe von Vitamin D,Calcium bzw. Phosphat, ggf. auch von Vitamin D-Metaboliten.

Vitamin E: Tocopherol

Zu den Tocopherolen ("Vitamin E") gehören mehrere fettlösliche, strukturell ähnlich gebauteSubstanzen. Das verbreitetste ist -Tocopherol.

Page 9: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

61

Tocopherol wirkt als lipophiles (fettlösliches) "Antioxidans". Es verhindert insbesondere dieOxidation von Bestandteilen der Zellmembran. Die Oxidation wird meist durch einen Angriff "freierRadikale" eingeleitet. Tocopherol kann diese freien Radikale abfangen. ("Radikalfänger") Mannimmt an, daß darauf die eigentliche Wirkung des Tocopherols beruht. Es kann die Alterung -insbesondere der Haut - verlangsamen, beugt Muskelschäden vor, verzögert diabetischeSpätschäden und besitzt anticarcinogene Wirkung.Tocopherol darf fettreichen Nahrungsmitteln, z.B. Pflanzenölen, Margarine und Kakao-Produkten,zugesetzt werden, wobei als Höchstgrenze 500 mg/kg für Lebensmittel und 1000 mg/kg fürEssenzen und Arzneimittel festgesetzt wurde. Außerdem kommt Vitamin E in Kosmetika zumEinsatz.Die menschliche Nahrung ist tocopherolreich, daher ist eine Unterversorgung sehr selten.Tocopherol kommt in fast allen Pflanzenfetten vor, besonders tocopherolreich sind Weizenkeim-und Baumwollsamenöl. Vitamin E-Mangelkrankheiten sind beim erwachsenen Menschen nichtbekannt. Bei Frühgeborenen wurden - bei stark erniedrigten Plasma-Tocopherol-Werten -Anämien, Ödeme und verstärkte Erregbarkeit beobachtet.In den USA wird -Tocopherol Räucherschinken zugesetzt, um die Bildung cancerogenerNitrosamine zu verhindern.

Vitamin E: Tocopherol als Radikalfänger

Man nimmt an, dass die wichtigste Funktion des Tocopherols imAbfangen freier Radikale besteht, bevor diese Radikale die Lipideder Zellmembran angreifen. Mit seiner unpolaren Isoprenoid-Seitenkette ist es in der Membran verankert.Der radikalische Angriff ungesättigter Fettsäuren führt zu einerirreversiblen Strukturänderung der Fettsäure. Die Zellmembranwird dabei destabilisiert und ihre Funktionsfähigkeit gestört. Dieskann zum Absterben der Zelle führen.

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/vitamine/vite02.html

Als "Radikalfänger" dienen Systeme, die besonders leicht mit Radikalen reagieren, wobei einrelativ stabiles, weniger reaktives Produkt entsteht. Meist handelt es sich um leicht oxidierbarearomatische Systeme. Das entstehende aromatische Radikal ist mesomeristabilisiert und dadurchwenig reaktiv. Tocopherol besitzt ein dem Ubihydrochinon ähnliches Hydrochinon-System, das beider Reaktion mit dem Radikal in ein Chinon-System übergeht.

Als Radikalfänger und Antioxidantien dienen außer Tocopherolen auch Ascorbinsäure (Vitamin C),Ester der Gallussäure sowie Derivate und Salze von Milchsäure, Weinsäure und Zitronensäure.

Vitamin K: Phyllochinon (Menachinon)

Phyllochinone gehören, wie auch die Vitamine A, D und E, zu den Isoprenoiden, die dertierische Organismus nicht selbst aufbauen kann, aber für den Stoffwechsel benötigt. Sie gehörenzur Gruppe der fettlöslichen Vitamine.Phyllochinone sind eine Gruppe mehrerer Substanzen: Phyllochinon (Vitamin K1) und Menachonin(Vitamin K2), kommen natürlich vor, Menadion (Vitamin K3), Hydroxychinon (Vitamin K4) undandere Derivate sind synthetische Produkte.Vitamin K wird vor allem bei der Blutgerinnung benötigt. Ein Vitaminmangel führt daher vor allemzu einer Verlängerung der Gerinnungsdauer.

Page 10: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

62

Die natürlichen Phyllochinone sind an der 3. Positon des Ringes substituiert: Die Seitenkette bestehtbei Vitamin K1 aus vier und bei Vitamin K2 aus sieben Isopren-Resten.

Vitamin K1 kommt hauptsächlich in grünen Pflanzen (z. B. Luzerne, Brennesseln und Früchten)vor, wohingegen Vitamin K2 ein Stoffwechselprodukt einiger Darmbakterien ist. Deshalb ist eineHypovitaminose bei einem Erwachsenen nahezu ausgeschlossen. Zu einer Unterversorgung kannes nach oraler Antibiotikagabe (Wachstumshemmung der Vitamin K liefernden Darmbakterien)kommen; dies passiert aber nur bei gleichzeitiger Mangelernährung. Wie bei anderen fettlöslichenVitaminen auch, kann es es bei einer intestinalen Fettresorptionsstörung (z. B. beiGallengangsverschluss) zu Mangelerscheinungen kommen.

Vitamin K: Phyllochinon (Menachinon)

Die Phyllochinone werden zur Synthese von Prothrombin (Gerinnungsfaktor II) und anderenGerinnungsfaktoren (VII, IX und X) benötigt. Sie dienen als Co-Faktoren für die -Carboxylierungvon aminoterminalen Glutamylseitenketten der entsprechenden Enzyme.Die funktionelle Bedeutung der -Carboxylierung liegt darin, dass erst sie die Wechselwirkungzwischen den Gerinnungsfaktoren und den für ihre Aktivierung notwendigen Phospholipiden undCalciumionen ermöglicht.

Cumarinderivate und 1,3-Indandione sindAntagonisten zu Vitamin K. Sie werden beiTherapien verwendet, bei denen dieBlutgerinnungszeit verlängert werden soll(Thrombose- und Infarktprophylaxe).Ein Beispiel für ein Antikoagulans istPhenprocoumon (4-Hydroxy-3-(1-phenylproply)-cumarin; Marcumar®). Der durch Vitamin-K-Antagonisten gesenkte Prothrombinspiegelnormalisiert sich in der Regel nach 12-36Stunden wieder.

Phenprocoumon (Marcumar®)

Page 11: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

63

-Carboxylierung

Vitamin B1: Thiamin (Aneurin)

Thiamin (Aneurin) ist ein wasserlösliches, gegenüber Hitze und Sauerstoff sehr empfindlichesVitamin. Es kommt in fast allen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln vor, bei Getreidejedoch nur in der dunklen Samenschale. Wird diese vollständig entfernt, kann es zur Avitaminose(Beriberi) kommen, wenn keine anderen Thiamin-Quellen bedient werden.Thiamin wird in der Leber durch die Thiaminkinase in Thiaminpyrophosphat überführt, das alsCoenzym von Decarboxylasen, Transketolasen und Phosphoketolasen benötigt wird. EinThiaminmangel wirkt sich daher insbesondere in Geweben aus, die viel Pyruvat oder Lactatumsetzen: im Herzmuskel (Glycolyse & Pyruvat-Decarboxylierung) und im Nervengewebe(Resynthese von Acetylcholin).

Page 12: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

64

Vitamin B1: Thiamin (Aneurin)

Bei der Pyruvat-Dehydrogenase reagiert Thiaminpyrophosphat mit der Carbonylgruppe desPyruvats. Nun erfolgt die Decarboxylierung (CO2-Abspaltung). Das C2-Fragment wird anschließendauf Liponsäure übertragen.

Bei Thiaminmangel ist zunächst die Transketolase des Pentosephosphatzyklus betroffen. Dabeisteigt die Pentosephosphat-Konzentration im Erythrozyten auf das dreifache des Normalwertes an.Die reduzierte Enzym-Aktivität kann als Nachweis eines Thiaminmangels dienen.Bei Alkohol-Kranken kann es auch bei normaler Thiamin-Zufuhr zu einem Vitaminmangelkommen, da bei übermäßigem Alkohol-Konsum der Thiamin-Bedarf erhöht ist. Der Vitaminmangeläußert sich meist im Wernicke-Korsakow-Syndrom (Wernicke-Enzephalopathie), das mitAugenbewegungs- und Bewußtseinsstörungen, Areflexien, zerebralen Ataxien, vegetativenStörungen und Psychosen einhergeht.

Beriberi

Thiamin-Mangel führt zu der besonders in Ostasien verbreiteten Krankheit Beriberi. Verursachtwird dort der Vitaminmangel durch die Gewohnheit, nur polierten Reis zu verwenden, bei dem dieVitaminhaltige dunkle Samenschale abgeschliffen wurde. 1882 bewies der Japaner KanehiroTakaki den Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Reisnahrung, 1895 führte derHolländer Christiaan Eijkman umfangreiche Untersuchungen durch, unter anderem den erstenTierversuch: Bei der Fütterung von Hühnern durch polierten Reis traten Beriberi-ähnlicheSymptome auf, die beim Zufüttern von Reiskleie (zerkleinerten unpolierten Reiskörnern) wiederverschwanden.

Die akute Säuglingsberiberi, die bei brustgestillten Kindern von Müttern mit Thiaminmangel auftritt,führt über eine akute Herzinsuffizienz oft zum Tode.

Die chronische Beriberi führt zu Appetitmangel, Erbrechen, Müdigkeit, Muskelatrophie, Ödeme,Störungen der peripheren Nerven und geistige Störungen. ("Polyneuritis") Auch bei dieser Formkann es zu einer Herzinsuffizienz kommen.

Page 13: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

65

Vitamin B2: Riboflavin (Lactoflavin)

Schleimhautläsionen (besonders auf der Zunge) sind häufig Symptome einer Avitaminose. Mannahm zunächst das Fehlen eines Vitamins B2 an. Später stellte sich heraus, daß die Ursachen"komplexer" sind, es also mehrere B2-Vitamine geben muß. Diese Substanzen faßte man zum"Vitamin B2-Komplex" zusammen, zu dem man Riboflavin, Nicotinsäureamid, Pantothensäure undFolsäure zählt. Heute bezeichnet man als Vitamin B2 im engeren Sinne nur das Riboflavin.

Riboflavin ist in den meisten Nahrungsmitteln enthalten.Besonders vitaminreich sind Milch (daher der alte NameLactoflavin), Pilze, Nüsse und Leber. Getreidekörner sindvitaminarm, erst bei der Keimung wird Riboflavin gebildet.Riboflavin wird zur Bildung der Coenzyme FMN (Flavin-Mononucleotid) und FAD (Flavin-Adenin-Dinucleotid)benötigt, die als prosthetische Gruppen anwasserstoffübertragenden Enzymen ("Flavo-Proteine")gebunden sind.Ein Riboflavin-Mangel ist in Europa sehr selten. In einigentropischen Gebieten tritt die Ariboflavinose auf.

FAD

FAD (Flavin-Adenin-Dinucleotid) besteht aus einem Molekül Riboflavin das über einePyrophosphat-Brücke mit einer Adenosin-Gruppe verbunden ist. FAD dient, gebunden alsprosthetische Gruppe, als Redox-System in Oxidoreductasen. Der Redox-aktive Teil ist dabei dasheterocyclische System des Riboflavins. FAD wird dabei zu FADH2 reduziert.

Riboflavin kommt auch ohne Adenosin-Gruppe vor. Dann wird es als FMN (Flavin-Mononucleotid) bezeichnet. Auch FMN ist ein Redox-Coenzym

Page 14: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

66

Experiment: Riboflavin in Puddingpulver

Das orange-gelbe Riboflavin ist auch als Lebensmittelfarbstoff zugelassen. (E 101) Es istunter anderem der Hauptfarbstoff in Vanille-Puddingpulver. Aus diesem kann das Vitaminleicht extrahiert werden. Dazu dispergiert man Vanille-Puddingpulver in Wasser und filtriertdie Lösung ab. (1)-(2) Unter Ultraviolettem Licht zeigt sich die für Riboflavincharakteristische Fluoreszenz. (3)

Quelle: Experiment des Monats 08/2001

http://www.chemie.uni-ulm.de/experiment/edm0108.html

Durch Reduktionsmittel, z.B. Natriumdithionit, kann Riboflavin reduziert werden, die Fluoreszenzerlischt. Beim Schwenken des Kolbens an der Luft erfolgt eine Reoxidation durch Sauerstoff, dieFluoreszenz kehrt zurück.Das Experiment ist ein Modellversuch zur Funktionsweise von FAD und FMN als Redox-Coenzym,beispielsweise für die Succinat-Dehydrogenase. Dieses Enzym nimmt im Citrat-ZyklusReduktionsäquivalente auf (FAD FADH2) und gibt sie in der Atmungskette an Ubichinon ab.

Ariboflavinose

Besonders in tropischen Ländern tritt die Ariboflavinose infolge Riboflavin-Mangels auf. Ursachenkönnen mangelnde Zufuhr mit der Nahrung oder Resorptionsstörungen sein. Die Symptome sindDermatitis, Mundwinkelfissuren (Cheilosis) und Glossitis. In schweren Fällen treten Anämien,Entzündungen und Vaskularisierung der Cornea, Linsentrübung und neurovegetative Störungenauf.

Page 15: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

67

Vitamin B2: Nicotinsäure (Niacin)

In der Natur kommt hauptsächlich Nicotin(säure)amid vor, als Vitamin kann ebenso Nicotinsäurefungieren. Der Körper kann Nicotinsäure in kleinen Mengen aus Tryptophan synthetisieren, dieEigenproduktion reicht jedoch nicht aus. Bei unzureichender Zufuhr mit der Nahrung tritt dasKrankheitsbild der Pellagra auf. Früher wurde Nicotinsäure auch als Pellagraschutzfaktor (VitaminPP) bezeichnet.Besonders viel Nicotinsäureamid enthalten Hefe, mageres Fleisch und Leber. Gerösteter Kaffeenthält beträchtliche Mengen Nicotinsäure.Nicotinsäure wirkt gefäßerweiternd, lipidsenkend (durch Hemmung der Lipolyse) und steigert dieHautdurchblutung. Bei sehr hoher Vitaminzufuhr kann es vorübergehend zu einer starkenVasodilatation kommen.Die Hauptmenge des Nicotinamids wird zum Aufbau der Coenzyme NAD und NADP benötigt. AlsCosubstrate sind diese bei sehr vielen Redox-Reaktionen beteiligt.

Pellagra

Pellagra ist in Ländern häufig, in denen Mais oder Hirse Hauptnahrungsmittel sind. Ursache istein Nicotinsäure-Mangel. Nicotinsäure bzw. Nicotinsäureamid kommen zwar in den meistenLebensmitteln vor, bei den genannten Getreidearten reicht die Zufuhr jedoch nicht aus. Mais undHirse besitzen einen hohen Leucin-Gehalt, was zu einem höheren Nicotinsäure-Bedarf führt. Maisenthält außerdem Antimetabolite (strukturell ähnliche Substanzen, die die Resorption und Wirkungdes Vitamins stören).

Die dem Sonnenlicht ausgesetzteHaut zeigt eine Dermatitis("Pellagrosis") mit Hyperpigmen-tierung.Unbehandelt geht sie in starkpigmentierte Hyperkeratosen(Verdickungen der Hornschicht)und schmerzhafte Rhagaden(Einriße, "Schrunden") über. Dazukommen Durchfälle,Polyneuropathien und Anämien,in extremen Fällen Schädigungendes ZNS.

Hyperkeratose mit Rhagadenund Schuppungen

Therapie: orale (bei Resorptionsstörungen parenterale) Gabe von Nicotinsäure bzw.Nicotinsäureamid.

Page 16: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

68

Vitamin B2: Pantothensäure

In der Pantothensäure sind -Alanin (ein biogenes Amin) und Pantoinsäure über eine Peptid-Bindung verknüpft. Pantothensäure kann von Mikroorganismen und Pflanzen synthetisiert werdenund ist in fast allen pflanzlichen und tierischen Geweben vorhanden. Vermutlich kann auch die vonDarmbakterien produzierte Pantothensäure resorbiert werden. Ein Vitaminmangel ist daher beimMenschen äußerst selten, Avitaminosen sind unbekannt.Im Tierexperiment treten bei Pantothensäuremangel Parästhesien, Reflexstörungen undDepigmentierung der Haare bzw. Federn auf. Auf das "Grauwerden" des menschlichen Haares hatdie Pantothensäure offenbar keinen Einfluß.Als Baustein von Coenzym A und Acyl-Carrier-Proteinen ist die Pantothensäure wesentlich amKohlenhydrat- und Fettsäure-Stoffwechsel beteiligt

Folsäure (Pteroylglutaminsäure)

Die Folsäure besteht aus drei Komponenten: Einem Pteridin-Derivat (2-Amino-4-hydroxy-6-methylpteridin), der p-Aminobenzoesäure und Glutaminsäure. Pterin-Systeme spielen in der Naturbei verschiedenen Prozessen eine Rolle, Tetrahydrobiopterin ist unter anderem bei Hydroxylierungvon Phenylalanin zu Tyrosin beteiligt.Folsäure ist in vielen Lebensmitteln enthalten und wird auch von Darmbakterien produziert. InMitteleuropa kommt eine Vitamin-Unterversorgung gelegentlich vor, meist resultiert der Folsäure-Mangel aus Resorptionsstörungen, übermäßigem Alkoholkonsum oder einem (schwangerschafts-oder krankheitsbedingtem) gesteigerten Bedarf. In diesen Fällen kann eine megaloblastäreAnämie auftreten.

Page 17: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

69

Folsäure (Pteroylglutaminsäure)

Im Organismus wird die Folsäure zu Tetrahydrofolsäure (THF) reduziert. Die Tetrahydrofolsäure istals Coenzym beim C1-Stoffwechsel und der Synthese von Nukleinsäuren beteiligt.Für viele Mikroorganismen ist p-Aminobenzoesäure essentiell, das Pteridin-System können siejedoch selbst synthetisieren. Diese Bakterien können durch Sulfonamide, die strukturell der p-Aminobenzoesäure ähneln, gehemmt werden. Höhere Organismen, die nur die komplette Folsäureverwenden können, werden durch Sulfonamide nicht geschädigt.

Vitamin B6: Pyridoxol (Pyridoxin)

Beim Pyridoxol (Pyridoxin) handelt es sich um ein substituiertes Pyridin. Es kann zum Pyridoxaloxidiert werden und ist phosphoryliert, als Pyridoxalphosphat, ein wichtiges Coenzym bei derTransaminierung und Decarboxylierung (Bildung biogener Amine) von Aminosäuren.Pyridoxol kann von vielen Mikroorganismen und einigen Pflanzen synthetisiert werden. Als Vitaminsind außer Pyridoxol auch Pyridoxal und Pyridoxamin aktiv, alle drei Formen können problemlosineinander überführt werden.

Pyridoxalphosphat

Pyridoxalphosphat (PLP) wird als Co-Substrat bei der Transaminierung, der Decarboxylierungund der Seitenketten-Eliminierung von Aminosäuren benötigt. PLP wird aus Pyridoxol bzw.Pyridoxal (Vitamin B6) synthetisiert.Pyridoxalphosphat reagiert mit der -Aminogruppe der Aminosäure unter Bildung einerSchiffschen Base. Diese Schiffsche Base kann hydrolytisch an drei verschiedenen Stellengespalten werden, wobei unterschiedliche Stoffwechselwege beschritten werden:

Erfolgt die Spaltung zwischen -Kohlenstoff- und dem Amino-Stickstoffatom, entstehtPyridoxamin-Phosphat und eine -Ketosäure. Pyridoxamin-Phosphat kann dieAminogruppe auf eine andere -Ketosäure übertragen, wobei PLP zurückgebildet wird. Eshandelt sich also hierbei um die Transaminierung, die von Transaminasen katalysiert wird.

Page 18: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

70

Erfolgt die Spaltung zwischen -C-Atom und der COOH-Gruppe, erfolgt also eineDecarboxylierung, entsteht aus der Aminosäure - nach der Hydrolyse - ein biogenesAmin.

Auch die Seitenkette (R) kann abgespalten werden. Wird anschließend die Schiffsche Basehydrolysiert, entsteht Glycin und PLP wird zurückgebildet.

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/vitamine/vitb602.html

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/vitamine/vitb602.html

Vitamin B12: Cobalamin

Page 19: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

71

Cobalamin besitzt ein Corrin-System (ähnlich gebaut wie die Porphyrin-Systeme). In dessenZentrum befindet sich ein oktaedrisch koordiniertes Kobalt-Ion. Eine axiale Position des Kobalt-Komplexes wird von dem Corrin-gebundenen 5,6-Dimethyl-benzimidazolribosid (einem"Pseudonukleotid") besetzt. An der zweiten axialen Koordinationsstelle können verschiedeneLiganden gebunden sein. Bei der in der Zelle aktiven Form befindet sich dort eine 5'-Desoxyadenosyl-Gruppe (Coenzym B12) oder eine Methyl-Gruppe (-CH3). Bei der Isolierung desCobalamins entsteht meist Cyano-Cobalamin (X = -CN), es wurden jedoch auch weitereCobalamin-Derivate mit anderen Liganden (-Cl, -OH) gefunden. Als therapeutisch verwendetes"Vitamin B12" kommt meist Cyano-Cobalamin zum Einsatz.

Vitamin B12: Funktion von Cobalamin

Im Intermediärstoffwechsel sind die Cobalamin-Coenzyme an zwei Typen von Prozessen beteiligt:

Methyl-Cobalamin bei MethylierungenCoenzym B12 (5'-Desoxyadenosyl-Cobalamin) bei Isomerisierungen

Bei Methylierungen fungiert Cobalamin als Zwischenstufe beim Methylgruppen-Transfer. Esübernimmt von der Methyltetrahydrofolsäure die Methylgruppe und überträgt sie auf Homocystein.Es entsteht dabei Tetrahydrofolsäure (THF), die wieder neue C1-Reste aufnehmen kann, sowieMethionin:

Coenzym B12 ist beispielsweise an der Umwandlung von Methylmalonyl-CoA in Succinyl-CoAbeteiligt:

Ein Cobalaminmangel kann daher an einer vermehrten Ausscheidung von Methylmalonsäureerkannt werden.

Vitamin B12: Resorption von Cobalamin

Vitamin B12 (Cobalamin) kann ausschließlich von Mikroorganismen synthetisiert werden. Diewichtigste Quelle für dieses Vitamin sind tierische Lebensmittel, insbesondere Fleisch und Leber.In den Nahrungsstoffen ist Cobalamin an Proteine gebunden, erst durch die proteolytischenProzesse im Magen und Zwölffingerdarm wird es freigesetzt. In der freien Form kann es jedochnicht resorbiert werden. Die Belegzellen der Magenschleimhaut produzieren ein speziellesGlycoprotein, den "Intrinsic Factor", der mit dem Cobalamin einen gegen Pepsin und Trypsinbeständigen Komplex eingeht. Dieser Komplex wird im terminalen Ileum resorbiert. Im Blut wird

Page 20: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

72

Cobalamin an Transcobalamin I und II gebunden und zur Leber und zu schnell proliferierendenGeweben (insbesondere dem Knochenmark) transportiert. Das von Darmbakterien im Kolonproduzierte Cobalamin kann daher nicht resorbiert werden.Der Tagesbedarf beträgt ca. 5 µg, die Leber speichert bis zu 2 mg, weitere 2 mg können inanderen Geweben gespeichert werden. Ein Vitamin B12-Mangel führt daher erst nach 1 - 2 Jahrenzu klinischen Symptomen.

Ursachen für Cobalamin-Mangel:

Eine ungenügende Vitamin B12-Zufuhr mit der Nahrung ist sehr selten, am ehesten tritt siebei "Veganern" auf, die sich streng vegetarisch ernähren, also auch keine Eier, Milch etc.zu sich nehmen.

Mangel an Intrinsic Factor. (jährlich ca. 9 Fälle pro 100 000 Einwohner) Häufigste Ursacheist eine Autoimmungastritis Typ A, bei der Antikörper gegen die Belegzellen derMagenschleimhaut gebildet werden. Eine weitere Ursache ist eine Magen(teil) -Resektion.

Vermehrter Cobalamin-Verbrauch durch den Fischbandwurm.o Erkrankungen die zu einem Malabsorptionssyndrom (Verdauungsinsuffizienz)

führen:o Exokrine Pankreasinsuffizienz (z.B. bei chronischer Pankreatitis),

Bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms,o Ileumresektion,o chronische Darminfektionen und Parasitosen.

Folge: Perniziöse Anämie

Schilling-Test

Der Nachweis einer Vitamin B12-Resorptionsstörung erfolgt durch den Schilling-Test(Urinexkretionstest):

Der Patient erhält oral je ca. 1 µg 58Co-Cobalamin ohne Intrinsic Factor und 57Co-Cobalamin mitIntrinsic Factor. (57Co und 58Co sind schwach radioaktive Co-Isotope.) Nach etwa 2 Stundenwerden 1000 µg unmarkiertes Cobalamin i.m. als "Ausschwemmdosis" gegeben und anschließendim 24-Stunden-Harn die Aktivität beider Isotope gemessen. Beim gesunden Menschen werdenbeide markierten Isotope in gleichem Maße mit dem Harn ausgeschieden (10-25%). Liegt einIntrinsic Factor-Mangel vor, ist die 58Co-Ausscheidung stark reduziert (unter 5%). BeiResorptionsstörungen im Ileum ist die Aktivität beider Testsubstanzen vermindert.

Megaloblastäre Anämie

Megaloblastäre Anämien treten bei Mangel an Vitamin B12 und/oder Folsäure sowie beiineffektiver Erythropoese (Blutbildung) auf. Häufigste Form ist die perniziöse Anämie aufgrundVitamin B12-Mangels. Dieser resultiert meist aus einer Störung der Vitamin B12-Resorption.Es handelt sich hierbei um hyperchrome, makrozytäre Anämie-Formen, d.h. die Erythrozyten sinddeutlich größer und hämoglobinreicher als im Normalzustand. Charakteristisch ist das Auftretender Megaloblasten (abnorme, vergrößerte Vorstufen roter Blutkörperchen) im Knochenmark:

Page 21: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

73

Knochenmarkausstrich mit MegaloblastenBildquelle: Innere Klinik - Tumorforschung, UniversitätEssen

Hunter-Glossitis bei perniziöser AnämieBildquelle: Dermatologische UniversitätsklinikErlangen

Die Krankheit hat einen schleichenden Verlauf: Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, Blässe.Als Frühsymptom tritt häufig die Hunter-Glossitis (Glossitis atrophicans), eine Rotfärbung vonZungenspitze und -rücken mit Zungenbrennen, auf. Dazu kommen neurologische Beschwerden:Gangunsicherheit, spastische Paresen (Lähmungen), schmerzhafte Parästhesien(Mißempfindungen) an Händen und Füssen, Areflexien, psychotische Symptome.

Therapie: parenterale Gabe von Vitamin B12

Vitamin H: Biotin

Biotin besitzt einen bicyclischen Bau, wobei es sich beim (in der Abbildung) oberen Ring um einHarnstoff-Derivat handelt. Biotin ist die prosthetische Gruppe der Carboxy-Transferasen. Es istüber die Carboxylgruppe mittels einer Peptid-Bindung an einen Lysinrest des Enzyms gebunden.Biotin-Enzyme sind beispielsweise an der Gluconeogenese (Pyruvat-Carboxylase) und amFettsäurestoffwechsel (Propionyl-CoA-Carboxylase) beteiligt.Biotin kommt in den meisten Nahrungsmitteln vor, besonders Biotin-reich sind Leber und Eigelb.Außerdem wird das Vitamin von der Darmflora gebildet. Ein Biotinmangel kann beilängerdauernder Zerstörung der Darmflora auftreten oder künstlich erzeugt werden, wenn großeMengen rohen Eiklar gegessen werden (würden). Im rohen Eiklar ist das Protein Avidin enthalten,das mit Biotin einen stabilen Komplex eingeht, der auch von Proteasen nicht angegriffen werdenkann. (Avidin wird beim Kochen denaturiert, bei gekochten Eiern besteht diese Gefahr also nicht.)Die Symptome des Biotinmangels sind unspezifisch: Dermatitis, Haarausfall, neuronale Störungen.

Page 22: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

74

Vitamin C: Ascorbinsäure

Ascorbinsäure ist essentiell für Menschen und andere Primaten, sowie Meerschweinchen undeinige Vögel. Alle anderen Lebewesen können sie selbst synthetisieren. Der Name deutet bereitsauf die Avitaminose hin: Skorbut.

Bei der Ascorbinsäure handelt es sich um ein En-diol-lacton der L-Gulonsäure, sie stammt alsoaus dem Glucose-Stoffwechsel. Bei tierischen Geweben finden sich die höchsten Vitamin C-Konzentrationen in den Nebennieren und der Leber. Vitaminreicher sind Früchte und Gemüse(z.B. Kiwi, Paprika, Kartoffeln, Tomaten, schwarze Johannisbeeren, Citrusfrüchte, sowie Sanddornund Hagebutten).Ascorbinsäure kann leicht zur Dehydroascorbinsäure oxidiert werden. Bisher sind nur wenigeOxidoreduktasen bekannt, bei denen Ascorbinsäure als Wasserstoff-Donator wirkt, z.B. beiSteroid-Hydroxylasen. Bei einigen Reaktionen, bei denen sie Cofaktor ist, verhindert sie vermutlichdie Oxidation der FeII-Zentren zu FeIII. Zu diesen Reaktionen gehören die Oxidation von p-Hydroxy-phenylpyruvat zu Homogentisinsäure und die Hydroxylierung von Prolin- und Lysin-Seitenketten bei der Kollagen-Biosynthese. Vitamin C ist außerdem bei der Bildung derCatecholamine beteiligt.

Ascorbinsäure kann als Oxidationsinhibitor wirken, sie übt eine Schutzwirkung auf die B-Vitamineund Vitamin A aus und wird vielen Nahrungsmitteln als Antioxidanz zugesetzt.

Skorbut

Skorbut (latinisiert von "Scharbock") war früher eine gefürchteteKrankheit insbesondere der Seefahrer. Er tritt beim Menschenerst nach einem mehrere (3-4) Monate andauernden Mangel desKörpers an Vitamin C auf. Es kommt zu Zahnfleischbluten,Lockerung und Ausfallen der Zähne, Blutungen in der Haut undBauchhöhle, schlechte Wundheilung, Infektanfälligkeit undLeistungsverminderung.

Besonders betroffen von diesem Problem war Großbritannien, denn seine Wirtschaft hingwesentlich von seiner Marine und Handelsflotte ab. Die Nahrungsmittel, die auf den Schiffenmitgenommen wurden, mußten lange Zeit halten, man bevorzugte daher Schiffszwieback undPökelfleisch, doch diese sind praktisch Vitamin-C-frei. Erst im 18. Jahrhundert erkannte man, daßSkorbut eine ernährungsbedingte Krankheit ist und fand in den Zitrusfrüchten ein "Gegenmittel".Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden britische Schiffe mit Zitronen- oder Limonensaftausgestattet, Skorbut kam seitdem nicht mehr vor. Die englischen Matrosen erhielten die

Page 23: Vitamine & Coenzyme - Alpen Adria Gymnasium Vö · PDF fileA Retinol 1,5 - 2,7 mg Nachtblindheit, Xerophthalmie D Calciferol 10 µg Rachitis, Osteomalazie E Tocopherol 10 - 30 mg unbekannt

75

Spitznamen "lime-juicers" oder "limeys", die in Amerika noch heute für Engländer verwendetwerden.Der Name "Ascorbinsäure" für Vitamin C beinhaltet seine Wirkung: die Vermeidung von Skorbut.Skorbut ist heute sehr selten. Zunächst kommt es bei Vitamin C-Mangel zu einer Zahnfleisch-Entzündung (Gingivitis), die in eine Stomatitis übergehen kann. Häufig treten in der Haut"petechiale" Kapillarblutungen (Purpura) auf, insbesondere an Druckstellen. Die Wundheilungist verzögert.Die Ursache liegt in der Funktion der Ascorbinsäure. Sie wird bei der Hydroxylierung der Prolin-und Lysin-Seitenketten während der Kollagen-Synthese benötigt. Fehlt das Vitamin, kann dieserSchritt nur unzureichend erfolgen, es wird wenig Kollagen produziert und das erhaltene Kollagenbesitzt nicht die notwendige Stabilität. Dies wirkt sich insbesondere in der Haut und demBindegewebe aus, wodurch es zu den genannten Krankheitserscheinungen kommt.

Purpura(kleinfleckige Kapillarblutungen)Bildquelle:Dermatologische Universitätsklinik Erlangen

keine Vitamine

Es gibt neben den "echten" Vitaminen einige Verbindungen, die früher als "Vitamine" bezeichnetwurden, obwohl sie nicht den in der Einleitung beschriebenen Kriterien (essentiell, nur in kleinenMengen nötig) genügen. Sie werden heute meist als "vitaminähnliche Wirkstoffe" bezeichnet.

Carnitin ("Vitamin T")Cholin ("Vitamin B4") essentielle Fettsäuren ("Vitamin F")Flavonoide ("Vitamin P") (myo)-Inositol LiponsäureOrotsäure ("Vitamin B13")Ubichinon ("Vitamin Q")

Davon zu unterscheiden sind die "Provitamine", die Vorstufen bestimmter Vitamine sind und diesein der Nahrung (teilweise) ersetzen können, z.B. -Carotin als Provitamin A.