Vivat! Kundenmagazin 02/2013 - Glaube verbindet

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Glaube verbindet. Vom Sinn der Arbeit Norbert Blüm im Interview Christlich und erfolgreich Porträt eines Unternehmers Das Wesentliche schafft Gott Denkanstoß aus Schwaben Das Magazin für Christen EIN UNTERNEHMEN DER KIRCHE. HERBST 2013

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Das Vivat! Kundenmagazin bekommen alle kostenfrei, die den Vivat! Katalog bekommen. Das Magazin erscheint drei Mal im Jahr.

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Glaube verbindet.Vom Sinn der arbeitnorbert Blüm im Interview

Christlich und erfolgreichPorträt eines Unternehmers

Das Wesentliche schafft GottDenkanstoß aus Schwaben

das magazin für christen

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Menschen begleiten

Ich arbeite seit 13 Jahren im Seniorenheim in der Betreuung von Demenz-

kranken. Das ist sehr anstrengend. Wenn dann von den Bewohnern ein

Dankeschön kommt, weiß ich, wofür ich alles mache. oder es wird gesagt:

»Ich freue mich schon, wenn du Montag oder morgen wiederkommst.«…

Sehr zufrieden macht es mich auch, wenn ein alter Mensch in ruhe sterben

kann und ich oder auch eine kollegin in den letzten Stunden bei ihm sein

kann und er nicht allein war. Die Bezahlung ist allerdings schlecht, aber ich

kann frei arbeiten und meine Ideen verwirklichen.

Gisela Brand, Bückeburg

Arbeit macht reich

zum Leben gehört die arbeit wie das tägliche

Brot. Die arbeit ist für den Menschen da, sie

macht mich »reich«, nicht nur durch Geldverdie-

nen. alles Denken, Planen und Gestalten, jeder

handgriff verändert die Welt, Gottes gute Schöp-

fung. auch das manchmal lästige einerlei und die

belastenden zwänge gehören dazu. Wir sind da-

ran beteiligt, leisten unseren Beitrag, diese Welt

zu einem bewohnbaren ort für alle Menschen zu

machen. Und wir werden zusammenarbeitend

immer mehr Mensch, erleben, dass arbeit verbin-

det, solidarisiert. Das macht Sinn: Lasst uns die

arbeit teilen! es geht um Gerechtigkeit. So fängt

das reich Gottes an – auf erden.

Werner Schaube, per e-Mail

kann frei arbeiten und meine Ideen verwirklichen.

Gisela Brand, Bückeburg

belastenden zwänge gehören dazu. Wir sind da-

ran beteiligt, leisten unseren Beitrag, diese Welt

zu einem bewohnbaren ort für alle Menschen zu

machen. Und wir werden zusammenarbeitend

immer mehr Mensch, erleben, dass arbeit verbin-

det, solidarisiert. Das macht Sinn: Lasst uns die

arbeit teilen! es geht um Gerechtigkeit. So fängt

das reich Gottes an – auf erden.

Werner Schaube, per e-Mail

Den Glauben fürs Leben mitgeben

Ich habe einen verantwortungsvollen und vielseitigen

Beruf. als Familien-Managerin bin ich rund um die

Uhr gefragt. es macht mir Freude, als hausfrau, ehe-

frau und Mutter tätig zu sein und ich sehe es als

wichtige aufgabe an, meine kinder im Glauben zu

erziehen und ihnen das nötige rüstzeug mitzugeben.

Susanne küppers, alpen

»Der Wert der arbeit ist nicht in der art und Weise der arbeit zu sehen, sondern in ihrem ziel für andere. Und diesem ziel dienen höchst unterschiedliche Formen des tätigseins. arbeit hat ein transzendentes ziel: In der arbeit kommen die Men-schen über sich hinaus. Der Weg zum eigentlichen führt über die entäußerung durch arbeit. arbeitsfreude schöpft aus dem Vorgang wie aus dem ergebnis der arbeit seine kraft.«Über die arbeit spricht Dr. rudolf Walter mit Dr. norbert Blüm > auf Seite 13

Wann hat Arbeit für Sie einen Sinn ?Im eigenen Schaffen erfüllung fi nden – die Sehnsucht danach begleitet uns bis ins alter. Der biblische Schöpfungs-auftrag, die erde zu gestalten, führt es uns vor augen: Unsere arbeit lässt uns reifen, sie verbindet uns untereinan-der, mit Gott und allem Geschaffenen. Doch unsere zufriedenheit hängt nicht allein davon ab, was wir tun, sondern auch davon, wie wir es tun. Sie haben uns geschrieben, wann Sie Ihr Schaffen als erfüllend erlebt haben:

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Danke für Ihre Post!

Glaube verbindet.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

arbeit haben, die so entlohnt wird, dass die Familie gut über die runden kommt, dabei Begabungen entfalten können und Wertschätzung erfahren – von diesem Glück können manche nur träumen, die sich mit schlecht be-zahlten Minijobs und immer wieder enttäuschten hoff-nungen auf eine Chance am arbeitsmarkt über Wasser halten.

Mich beeindrucken Frauen und Männer, die solche trostlosigkeit jahrelang ertragen und trotzdem immer neu Lebensmut schöpfen, die mit ihren Fähigkeiten un-entgeltlich anderen dienen, trotz unsensibler Bemer-kungen der auf traumjobs abonnierten.

Beim Blick auf das titelbild des Magazins kommt mir Je-sus in den Sinn, der seine Jünger nach einer erfolglos durchfi schten nacht auffordert: »Werft eure netze noch einmal aus!« Diese aufforderung können sich nicht nur die zu herzen nehmen, die bei der Mitarbeit in der kir-che enttäuschung erleben. auch denen, die auf der Su-che nach berufl ichem erfolg den Lebenssinn aus dem Blick verloren haben, gilt die zusage: »es ist jemand bei dir, mit dem zusammen du Großes vollbringen kannst!« Wer vertrauensvoll darauf setzt, wird nicht all seine Wünsche erfüllt bekommen, aber er darf Fülle erleben. In welch vielfältiger Weise Menschen in ihrem tun für sich selbst und andere erfüllung suchen, können Sie in diesem heft lesen.

Gemeinschaft als Hilfe und Sinn

Ich bin eine Studienabsolventin … – und musste feststellen,

dass die arbeitswelt nicht auf mich gewartet hatte. nach

ein paar Wochen hielt ich es nicht mehr aus. also begann

ich, als ungelernte aushilfskraft zu arbeiten. Ich war so

dankbar für diesen Job, die zugehörigkeit zu einer kollegen-

schaft und das verdiente Geld, dass ich mich ganz offen und

interessiert auf diese arbeit einließ. objektiv betrachtet ist

diese arbeit wohl wenig sinn- und zufriedenheitstiftend.

Doch ich empfi nde die Situation anders. Ich ließ mich voll

und ganz auf meine kollegen ein, was dazu führte, dass ich

schnell integriert wurde und von ihnen das gleiche Interes-

se zurückbekam, was ich ihnen entgegenbrachte. Dies hat

mir gezeigt, dass der tiefste Sinn und die größte erfüllung in

der arbeit auf den Beziehungen zu den kollegen basieren.

Carolin krummacker, per e-MailCarolin krummacker, per e-Mail

Wir geben der Arbeit einen SinnIch war in knapp 40 Jahren an fünf Grundschulen tätig … Bestätigt fühlte ich mich, wenn jemand mei-ne Interessen erkannte und mir Freiheit zur Lösung der aufgaben ließ. nach meiner Pensionierung habe ich als Vorlesepatin die arbeit mit kindergarten-kindern aufgenommen. Die neugier und Urwüchsig-keit der kleinen bereiten mir in zwei kindertagesstät-ten große Freude … Unscheinbare und schwierige arbeiten haben ihren Sinn, auch wenn wir das nicht sofort, sondern später oder gar nicht erfahren. Wir sind es, die der arbeit einen Sinn geben, indem wir die herausforderungen mutig aufgreifen und den an-reiz, der ihr innewohnt, erkennen. Monika Straub, per e-Mail

ein unternehmen der kirche.

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Vertrauen prägt das BetriebsklimaChristen können auch Unternehmer sein – diese Erkenntnis brauchte bei dem Augsburger Immobilienverwalter Thomas Hüttl lange Zeit zum Reifen. Dorothee Wanzek

Christ-Sein und Unternehmer-Sein ist ein Ge-gensatzpaar. Das glaubte Thomas Hüttl auch dann noch, als er sich Anfang der 90er Jahre mit seiner ersten Firma selbstständig gemacht hatte. Bedauerlich fand er das, aber offenbar nicht zu ändern. Als er in seiner Kirchenge-meinde zum Verantwortlichen für die Ge-meindekasse gewählt wurde, hat ihn das in seiner Meinung noch bestärkt: Wenn’s um Geld geht, greifen christliche Ideale nicht. Von dem unbeschwerten Gottvertrauen der »Vögel des Himmels«, zu dem das Evangeli-um einlädt, konnte er da wenig spüren. »Christen können auch Unternehmer sein«, sagt der In-haber der augsburger Wohnungsverwaltungs-Firma Contecta Immobilienverwaltung heute. auslöser für den Sinneswandel war, dass er die christliche Unterneh-

merinitiative »Wirtschaft in Gemeinschaft« kennen-lernte. er traf dort Geschäftsleute, die ihre Gewinne nicht nur in die eigene Firma investierten, sondern da-mit auch Menschen in notlagen halfen und Bildung auf allen ebenen förderten. noch bevor er selbst etwas von diesen Ideen umsetzen konnte, rutschten er und sein damaliges Unternehmen unerwartet in die Pleite. Das Vorhaben, neben der Wohnungsverwaltung auch in das Bauträgergeschäft einzusteigen, war gründlich daneben-gegangen. Der Firmen-Mitinhaber zog sich von heute auf morgen zurück. thomas hüttl und seine Frau Chris-tine blieben allein mit dem Insolvenzverfahren, einer halbfertigen Wohnanlage, den Forderungen der Banken und handwerker. »als es gerade ganz langsam wieder aufwärtszugehen begann, wurde uns wegen unbeglichener rechnungen das telefon abgestellt«, erinnert sich der Immobilienver-walter. Vom handy aus fragte er bei der telefongesell-schaft an, ob die für die Geschäfte dringend benötigte Leitung wieder freigeschaltet werden könnte.

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Begegnet

Die antwort war angesichts der kassenlage nicht son-derlich ermutigend. »kein Problem. Sie müssen uns nur die offenen 1200 Mark bringen!«

Vor den Ideen kam die Pleite

Christine und thomas hüttl überlegten sich, dem tele-fonanbieter mit einem kontoauszug zu veranschauli-chen, dass ihre finanzielle Situation zwar nicht rosig war, dass es aber anlass zur hoffnung gab. am konto-auszugsdrucker erlebten sie eine Überraschung: Gerade an diesem tag war die zahlung eines kunden eingegan-gen, der sonst immer erst nach der zweiten oder dritten Mahnung überwies – fast genau 1200 Mark. am nächs-ten tag konnten sie ihr Firmentelefon wieder nutzen. Ihre private eigentumswohnung stand in dieser zeit vor der zwangsversteigerung. als Fachleute wussten sie, dass bei diesem Verfahren in der regel erheblich nied-rigere erlöse erzielt werden als beim freien Verkauf auf dem Wohnungsmarkt. Doch ihre Verkaufsinserate wa-ren erfolglos geblieben. Da fiel ihnen das ehepaar ein, an das sie einige Jahre zuvor ihre damalige, für die wachsende Familie zu kleine Wohnung verkauft hatten. Bei einer einladung in hüttls neue Wohnung hatten die beiden damals begeistert reagiert: »Wenn Sie die irgend-wann einmal verkaufen wollen, denken Sie an uns!« Doch seither hatte es keinen kontakt mehr gegeben. Sich nun an diese

Leute zu wenden, schien äußerst peinlich. noch nie hatte thomas hüttl erlebt, das jemand an ein und den-selben käufer zweimal eine Wohnung verkauft. Und wie hätte er sein plötzliches Verkaufsinteresse erklären sollen?Unerwartet traf Christine hüttl ihre eins tigen Woh-nungskäufer in einem Laden, in dem sie sonst nie ein-kaufen ging. »Mein herz schlug bis zum hals«, erinnert sie sich. Beim Packen ihres einkaufswagens fasste sie sich ein herz und erzählte von ihren Verkaufsabsichten und von ihrem Vorhaben, Wohnen und arbeiten auf dem Land zusammenzulegen. tatsächlich kam der kauf wenig später zustande.

Wir sind nicht allein

Die Familie musste sich in der folgenden zeit extrem einschränken. »es war ein rückschritt auf der ganzen Linie«, erzählt Christine hüttl. Dennoch möchte sie diese erfahrung nicht missen. »Sie hat uns Demut ge-schenkt, die erkenntnis, dass alles, was wir unterneh-men und erreichen, auf keinen Fall allein auf unserem Mist gewachsen ist.« Leichter und freier fühlt sie sich seither. Dinge, an die sie ihr herz zu hängen beginnt,

kann sie schneller loslassen. »Wenngleich das immer wieder von neuem Übung verlangt«, schränkt sie

sogleich ein. »Wir sind nicht allein. Da geht je-mand mit uns und unserem Unternehmen«,

glaubt sie. Seit der Firmeninsolvenz haben viele erlebnisse sie in diesem Glauben be-

stärkt.

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Ein fairer Umgang zahlt sich aus

Vieles, worauf hüttls in ihrem Unternehmen Wert le-gen, ist in ihren augen nichts exklusiv Christliches. ein fairer Umgang mit den kunden zum Beispiel. »Dass sich das auszahlt, hat sich mittlerweile herumgespro-chen«, meint thomas hüttl. Für weniger verbreitet hält er hierzulande einen fairen Umgang mit Liefe-ranten. »häufig werden sie in der Preisgestaltung so gedrückt, dass sie kaum mehr schnaufen können«, be-dauert er. Ihm ist es wichtig, dass auch der Lieferant

von seinem auftrag leben kann. Diese haltung vertritt er auch gegenüber Wohnungseigentümern, die ihn dazu drängen, aufträge grundsätzlich an den billigsten anbieter zu vergeben. Um Fairness und offenheit bemüht er sich auch gegen-über seinen konkurrenten. Wie sehr Contecta davon selbst profitiert, hätte er sich noch vor einigen Jahren nicht träumen lassen. Vor zehn Jahren unterzog er sein Unternehmen einem Qualitätssicherungsverfahren. In der annahme, dabei Geld sparen zu können, tat er sich für die zertifizierung mit drei anderen Verwaltern zu-sammen. Für die gemeinsame erstellung eines hand-buchs über die arbeitsabläufe war es wichtig, sich abzu-stimmen. Beim ersten treffen wurde nur das nötigste gesprochen. »keiner wollte sich in die karten schauen lassen«, war thomas hüttls eindruck.

Offenheit als prägendes Prinzip

anders wurde das erst, nachdem er selbst über die Feh-ler zu erzählen begann, die ihm bei Wohnungseigentü-mer-Versammlungen unterlaufen sind, und darüber, was er aus diesen Fehlern gelernt hat. Seine offenheit wirkte ansteckend, bewegte seine konkurrenten, ihre karten ebenfalls auf den tisch zu legen, und hatte eine neben-wirkung, die thomas hüttl überraschte: er gilt seither in der Branche als Spezialist für Wohnungseigentümer-Versammlungen. Mittlerweile wird er dazu deutsch-landweit als referent eingeladen. Im Gegenzug geben andere Spezialisten ihm ihr Fachwissen weiter. offenheit ist bei Contecta auf vielen ebenen prägendes Prinzip: Selbst Praktikanten sollen so viel wie möglich

»Es ist der Abschied vom alten Leben und der Beginn eines neuen.«

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thebox-augsburg.de

ein unternehmen der kirche.

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an der erfahrung des Unternehmens teilhaben, auch wenn sie die hier erworbenen kenntnisse aller Wahr-scheinlichkeit nach später in anderen Unternehmen ein-bringen. Die Mitarbeiter werden regelmäßig über die auftragslage, über erfolge und Misserfolge informiert und auch an den Gewinnen beteiligt. Die Geschäftsfüh-rung ist offen für ihre Verbesserungsvorschläge, die dazu beigetragen haben, dass das Unternehmen schon mehrfach für seine Qualität und Innovationsfreu-de ausgezeichnet wurde. Fehler werden den kunden gegenüber nicht vertuscht, sondern offen ein-gestanden. »Das schafft Vertrauen«, ist Christine hüttl überzeugt. »Gell, wir können uns doch vertrau-en!?«, sagte ihr eine eigentümerin kürzlich bei der Belegprüfung der Wohnanlage, deren Bau der Firma einst den kragen kostete und die bis heute von Contecta verwaltet wird. Darüber freute sich die Buchhalterin umso mehr, als ihr die erinnerung an das Misstrauen noch sehr leben-dig war, das ihr vor Jahren entgegen-geschlagen war: harte kämpfe um zahlungen, die ihnen zustanden, das zähe ringen mit anderen Be tei-lig ten vor dem entschluss, den karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen ... Vertrauen gehört immer weniger zum allgemeinen Ge-schäftsklima, beobachten hüttls. Gerade wer mit dem

Geld anderer Leute umgehe, bekomme ein wachsendes Misstrauen zu spüren. »oftmals ist es schwer, das aus-zuräumen, besonders wenn es ausschließlich auf Gefüh-len beruht«, fi ndet Christine hüttl. Sie versucht, auf ihre kunden zuzugehen, bemüht sich, sie zu verstehen.

Gut zuhören und versuchen zu verstehen

Besonders herausfordernd war das für sie in Dresden, wo die Firma 1998 eine Filiale gründete. »anfangs konnte ich gar nicht verstehen, warum es dort so viele einsprüche gegen abrechnungen gab, die absolut kor-rekt und fair waren«, erinnert sie sich. Fünfzehn Jahre später kann sie manches besser verstehen. Sie hat vielen Dresdnern zugehört, die nach der Wende mit

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Glaube verbindet.

»Immobilienhaien« und unlauteren Vesicherungsver-tretern zu tun hatten und die jahrelang auf Baustellen wohnen mussten. ein älterer herr reagierte in der an-fangszeit auf eine abrechnung mit einem vierseitigen handgeschriebenen Beschwerdebrief. Christine hüttl hielt die einwände für unberechtigt, schluckte aber ihren Ärger herunter und nahm sich bei ihrem nächs-ten Dresden-Besuch zeit für ihn. Der kunde erzählte ihr von seiner schweren krebserkrankung und den Sor-gen um seine zukunft. »Schön, dass wir uns mal ken-nengelernt haben«, sagte er zum abschied. Christine hüttl holte tief Luft, als sie zwei Wochen später in der Post die handschrift dieses herrn erkannte. Doch statt der befürchteten neuerlichen Beschwerden fand sie im Umschlag eine entschuldigung, einen Fleurop- Gutschein und die Worte: »Sie sind mir ans herz ge-wachsen!«aufeinander zugehen, den anderen gut zuhören und sie zu verstehen versuchen – das ist hüttls auch im Mitar-beiterteam wichtig. Manchmal sind die dabei gewon-nenen erkenntnisse auch schmerzlich. zum Beispiel gehörten zur Firmentradition jährliche Planungs-wochenenden mit einer längeren konferenz und einer

einladung zu gutem essen und einem kulturerlebnis, durch die der Chef dem team seine anerkennung zei-gen wollte. als hüttls nach Jahren mitbekamen, dass die Mitarbeiter sich über diese Wochenenden gar nicht

freuten, fühlten sie sich zunächst vor den kopf gesto-ßen. Doch dann entstand aus einem offenen Gespräch eine alternative: einmal im Quartal gibt es seither ei-nen Planungs-Freitag, hin und wieder mit anschlie-ßendem restaurantbesuch oder kultur-event. eine gute Lösung nicht nur für die Mitarbeiter, die auf ihr freies Wochenende Wert gelegt hatten. »Die konfe-renzen sind nun fruchtbarer und intensiver«, freut sich thomas hüttl.

Über den Horizont hinaus schauen

nach wie vor fühlt sich thomas hütte der Unterneh-merinitiative »Wirtschaft in Gemeinschaft« verbunden. Schon mehrfach konnte er einen teil des jährlichen Be-triebserlöses für soziale Bedürfnisse zur Verfügung stel-len. Vor allem sieht er seinen Beitrag aber darin, Mitar-beitern eine Chance zu geben, die es sonst auf dem arbeitsmarkt schwerer hätten – auch wenn sein Perso-nalbestand dadurch höher und seine Gewinne geringer sind als bei vergleichbaren Mitbewerbern. »Da der Wert des Menschen in unserem Land an seiner arbeitsleis-tung gemessen wird, sehe ich die größte armut in der arbeitslosigkeit«, begründet er.Im vergangenen Jahr zog er mit der Firma aus dem Dachgeschoss seines Privathauses in ein gemeinsames Bürogebäude mit gleichgesinnten Unternehmen. ein-fallsreiche köpfe der mitbeteiligten Designerfirma elf-genpick brachten das kistenförmige haus in Verbindung mit einer englischen redensart: »thinking outside the box« bedeutet so viel wie »über den horizont hinaus-blicken« und ist für die nutzer des hauses zum Motto geworden. In der »Box« – wie sie ihr Bürogebäude ge-nannt haben – wollen sie sich nicht nur gegenseitig in einer Wirtschaftsmentalität bestärken, die über das Wohl des eigenen Unternehmens hinausreicht. Sie tref-fen sich dazu wöchentlich zu einem gemeinsamen Frühstück mit gleichgesinnten Unternehmern aus der Umgebung. hin und wieder laden sie andere Führungskräfte zum »Boxenstopp« ein, um den erfahrungsaustausch über alternative oder uralte Werte anzuregen und ein posi-tives Bild von Wirtschaft aufzuzeigen, das Maß nimmt an den Bedürfnissen der Menschen.

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ein unternehmen der kirche.

»Von der Stelle als Geschäftsführerin eines Eine-Welt-Ladencafés hatte ich geträumt.«

»Ich wurde immerun- scheinbarer«

Edith Säuberlich war selbst arbeitslos. Diese Erfahrung hilft ihr, das Vertrauen der Arbeitslosen zu gewinnen, mit denen sie heute berufl ich zu tun hat. Dorothee Wanzek

»Ich bin in ein Loch gefallen«, hatte edith Säuberlich von vielen gehört, die ihre arbeit verloren hatten. Sie fühlten sich überfl üssig, wussten nichts mehr mit ihrer zeit anzufangen, hatten keinen antrieb, morgens aufzu-stehen. »Mir passiert das nicht!«, war die Dresdnerin überzeugt. Ihre Berufstätigkeit war in ihrem Leben nie die hauptsache gewesen. Jahrelang hatte sie – in der DDr eher ungewöhnlich – ihren vier kindern zuliebe auf erwerbstätigkeit verzichtet. Jetzt, da die kinder groß waren, spielten neben der arbeit die ehrenämter im Ge-meinderat und im hospizverein und die vielfältigen kontakte in der kirchengemeinde eine wichtige rolle. Von der Stelle als Geschäftsführerin eines eine-Welt-La-dencafés hatte sie geträumt. Dafür gab die gelernte In-dustriekauffrau ihren vorherigen Job auf. aber dann war es doch nicht so traumhaft im Ladencafé, wie sie sich erhofft hatte. edith Säuberlich arbeitete fast bis zum

Umfallen, bekam wenig anerkennung und viel Druck, wurde aufgerieben in den Querelen zwischen ihren Vor-gesetzten. Die kün-digung nach knapp zwei Jahren war kei-ne Überraschung. »endlich kannst du zu hause mal alles gründlich sauber machen und dich um all das kümmern, was sonst noch liegengeblieben ist«, war ihr erster Gedanke. Und: »Wenn du wieder eine neue arbeit hast, bist du wieder ausgesöhnt mit all dem, was du in letzter zeit erlebt hast.« Doch dann ging es ihr kaum anders als den arbeits losen, die sie vorher bedauert hatte. edith Säuberlich erinnert sich noch gut an sich selbst als morgendlich heulendes

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elend. Sie zog die Bettdecke über ihren kopf und dachte nach: »hat mein Mann mich geärgert? hast du Pro-bleme mit den kindern?« nichts von allem traf zu. ei-gentlich war alles bestens. Sie konnte sich selbst nicht erklären, was mit ihr los war. Sie hatte doch gleich zu Beginn ihrer arbeitslosig-keit dafür gesorgt, dass sie jeden tag etwas vorhatte – und wenn es nur der einkauf bei aldi war. Doch offen-bar reichte die durchgeplante zeit als rettungsanker nicht aus. Die Gespräche in ihrem Familienkreis drehten sich auf einmal nur noch um arbeit – Dienstreisen, Vorträge,

kongressauftritte ... War das vorher an-ders gewesen oder war es ihr nur nicht aufgefallen? Sie hatte das Gefühl, nicht mehr dazuzugehö-ren, immer unschein-barer und unwich-tiger zu werden. Sie fühlte sich in Gesell-schaft nicht mehr

wohl. In die Unterhaltungsrunden hatte sie nichts mehr einzubringen, was die anderen interessiert hätte. Schwer zu sagen, was für sie schlimmer war: gar nicht beachtet zu werden oder mit wohlmeinenden ratschlä-gen von selbst ernannten experten überhäuft zu wer-den, die sich in ihrem eigenen Leben besser auszuken-nen glaubten als sie selber. »es hätte mir gut getan, wenn jemand mal gefragt hätte, wie es mir geht ohne arbeit«, erinnert sie sich. Manche Freundschaft ging in

dieser zeit zu ende. »Ich kannte mich irgendwann selbst nicht mehr wieder«, erzählt edith Säuberlich. »Ich wollte mich freuen am Leben, aber es ging nicht.«nach einem Jahr und drei Monaten fand sie eine neue arbeitsstelle. nachdem sie aus Gefälligkeit für eine Freun-din die neue Satzung der Dresdner obdachlosen-Straßen-zeitung (DroBS) ins reine geschrieben hatte, wurde sie dort Projektkoordinatorin. »Ich habe großes Glück ge-habt«, ist ihr bewusst. Wie es sonst mit ihr weitergegan-gen wäre, mag sie sich kaum vorstellen. Im nachhinein ist sie sogar für die erfahrung der arbeitslosigkeit dank-bar. Ihr Blick für Menschen am rand der Gesellschaft ist dadurch weiter und aufmerksamer geworden. Das Ver-trauen der Straßenzeitungsverkäufer zu gewinnen, wäre ihr früher schwerer gefallen, vermutet sie. In vielen Beiträgen, die sie als autorin selbst für die DroBS verfasst, wirbt sie um Verständnis für arbeitslo-se und verteidigt ihre Würde. auch Christen lassen es bisweilen an respekt und Wertschätzung fehlen, beob-achtet sie. Im angesicht verdreckter kirchentoiletten fällt manchem Gemeinderat ein: »Wo sind denn unsere vielen arbeitslosen? könnten die sich nicht kümmern?« Stattdessen sollten Gemeinden persön-lich auf »ihre« ar-beitslosen zugehen, schlägt edith Säu-berlich vor. Sie könnten sie einladen, sich in das Leben der Gemeinde einzubringen und dabei nach ihren Stärken und Begabungen fragen, nach dem, was sie gerne tun.

»Schwer zu sagen, was schlimmer war:

Gar nicht beachtet zu werden oder mit wohlmei-

nenden Ratschlägen von selbst ernannten Experten

überhäuft zu werden.«»Wo sind denn unsere vielen Arbeitslosen? Könnten die sich nicht kümmern?«

Glaube verbindet.

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Wenn edith Säuberlich klienten zum arbeitsamt oder zur arge begleitet, merkt sie immer wieder, dass von arbeitslosigkeit Betroffene unfreundlicher behandelt werden als ihre Begleiter. »Wer keine arbeit hat, ist sel-

ber schuld«, hört sie manchmal von (noch) nicht Betrof-fenen. ein

sehr aktiver Christ provozierte sie einmal mit dem Bibel-zitat »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.« Solche Bemerkungen verletzen arbeitslose in ihrem ohnehin angeschlagenen Selbstwertgefühl. »endlich sagt mal jemand: es ist schön, dass Sie kom-men!« bekam edith Säuberlich neulich von einem Stra-ßenzeitungsverkäufer zu hören. es schmerzt sie, dass viele ihrer klienten schon seit vielen Jahren arbeitslos sind und die hoffnung auf einen bezahlten arbeitsplatz längst verloren haben. Sie weiß, dass ihr Mitleid ihnen nicht helfen würde. »Sie ernst nehmen und auf augen-höhe mit ihnen zu reden, ist das einzige, was ich für sie tun kann«, meint sie.es gab eine zeit, da hat sie mit Gott gehadert: »Warum hat er uns Menschen so unterschiedlich mit seinen Ga-ben ausgestattet? Warum entscheidet das elternhaus, aus dem einer kommt, so sehr darüber, wie ihm sein komplettes Leben gelingt?...« Immer intensiver schaute sie auf das kreuz mit torso in ihrer damaligen heimat-gemeinde St. Paulus: »Ihr sollt meine arme sein.« De-nen, die mit reichen Fähigkeiten ausgestattet sind, hat Gott zugleich die Verantwortung gegeben, sie zum Wohle aller einzusetzen.

Und da ist noch ein weiterer Gedanke, der sie zuver-sichtlich auf ihrem Lebensweg mit Gott weitergehen lässt: Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Da er so unendlich groß ist, lässt sich dieses Bild nicht in einem einzelnen Menschen abbilden, sondern nur in der Vielfalt aller, in jedem einzelnen ein bisschen. »Mit jedem Menschen, der mir begegnet, will Gott mir etwas sagen«, glaubt edith Säuberlich. Wenn sie sich über klien ten ärgert, die in langen Jahren der arbeitslosigkeit selbstbezogen und aggressiv geworden sind, sagt sie sich manchmal: »hier muss ich mir wohl ein bisschen mehr Mühe geben, um herauszufi nden, was er mir sa-gen will.« Das kostbarste in ihrem Leben sind Bezie-hungen, hat die 62-Jährige erkannt. »Je älter ich werde, umso bewusster wird mir: Mein reichtum sind die Menschen, denen ich begegne.«

»Mit jedem Menschen, der mir begegnet,

will Gott mir etwas sagen«

»Wo sind denn unsere vielen Arbeitslosen? Könnten die sich nicht kümmern?«

ein unternehmen der kirche.

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Glaube verbindet.

Im Café »kreuzberger himmel« hängt ein großes kreuz an der Wand. Dicke weiße kerzen auf wuchtigen Leuch-tern erhellen den raum. Die Gäste sitzen auf kirchen-bänken unter einem gemalten himmel und genießen ihren Cappucino oder die Gnocchi mit Salbeibutter. Der Pfarrer zapft Sonntag abends gern mal selbst, es sind auch die Diakone oder ehemalige Pfarrer bzw. kapläne, die mal einen zapfdienst am Bierhahn übernehmen – kirchlich angehauchte atmosphäre auf angenehm un-aufdringliche art. Die Betreiber des restaurants in der Berliner Yorkstraße gehören zur katholischen Pfarrei St. Bonifatius in kreuz-berg. Das ist der Stadtteil mit dem zweitgrößten Migran-tenanteil in der Berliner Bevölkerung. Der ist, was frü-her »multikulti« und heute eher »bunt« heißt: eine

Der Himmel hat geöffnetEhrenamtlich: Ein ungewöhnliches Projekt

Mischung aus nationalitäten und religionen. Die ange-bote auf der Speisekarte, übrigens zu günstigen Preisen, und ebenso die Veranstaltungen wie ausstellungen, konzerte oder Lesungen richten sich an alle, unabhän-gig von sozialer herkunft, nationalität oder religiösem Bekenntnis. In den »kreuzberger himmel« kann jeder kommen. Christliche ansätze sind dem Ladenlokal jedoch anzu-merken, zum Beispiel die Idee des Gutschein-Spendens: kauft man sich einen Milchkaffee und ein Croissant und hat noch paar euro übrig, kann man die spenden. Für solche Gutscheine können sich diejenigen einen kaffee oder einen Snack leisten, für die ein Gaststättenbesuch sonst unerschwinglicher Luxus wäre. Der »kreuzberger himmel« steht allen offen. (Juliane Bittner)

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ein unternehmen der kirche.

Kartoffeln schälen, Dome bauenSoziale Gerechtigkeit ist Norbert Blüms Lebensthema – nicht nur politisch, etwa als ehemaliger Bundesminister für Arbeit und Sozialord-nung, auch im philosophischen Nachdenken und im persönlichen Handeln. Er sprach über den Sinn von Arbeit mit dem Herausgeber von »einfach leben«, DR. rUDoLF WaLter.

Als Politiker hatten Sie einen 16-Stunden-Tag. Ist das Leben »danach« einfacher geworden?nicht einfacher, sondern anders. Ich lebe beispielsweise nicht mehr in einem engen zeitkorsett, das aus amts-pfl ichten geschnürt ist. Meine zeitsouveränität ist ge-wachsen. Geschrumpft sind allerdings die Möglichkeiten, an politischen entscheidungen direkt mit zu wir ken. Jede Lebensphase eröffnet neue Perspektiven. erst im tod sind wir »fertig«. aber selbst dann erwarte ich noch neuig-keiten. Ich zähle nicht nur die Verluste, sondern auch die Gewinne, die sich in jeder Lebenssituation als Chancen anbieten. Ich habe zeit für meine enkel, die ich für meine kinder nie im gleichen Maße hatte. Mitzuhelfen, dass ihr Leben gelingt, ist eine schöne arbeit. Das Wichtigste ist, die Fähigkeit zum Mitleid zu pfl egen.

Im Rückblick: Wann ist man erfolgreich? Wenn et-was durch eigene Leistung gelungen ist?Ich habe mir weder zeit noch ort ausgesucht, in denen ich lebe. Jede unserer handlungen ist ein Gemisch aus eigenem Willen und Gnade, Schicksal, zufall, Umstän-den, Umgebung, ...! Die eigene Leistung ist nie autark produziert. Sartre behauptet: »Der Mensch ist seine Wahl«. Das halte ich für ein hybrides Missverständnis. Ich bin nicht nur das ergebnis meiner Wahl. Und viel-leicht, vielleicht ist die arbeit für andere die glücklichste Leistung. Denn wahrscheinlich muss man außer sich geraten, um zu sich zu kommen.

Ob Arbeit für andere oder um eines Sachzwecks wil-len: Der Mensch sei zur Arbeit geboren wie der Vo-gel zum Flug, steht bei Luther. Was, wenn es keine Arbeit mehr gibt?

zunächst: Ja, wir sind auf arbeit angelegt. Der Mensch entwickelt sich ja nicht nur biologisch. entwicklung ist Verwirklichung. Wirklichkeit ist Wirkung, also auch arbeit. arbeit ist also wichtig. Und angesichts einer von elend überschwemmten Welt zu behaup-ten, der Menschheit gehe die arbeit aus, das verwechselt den nabel von Wohl-standskindern mit dem Mittelpunkt der Welt. es gibt genug zu tun, wobei arbeit nicht nur arbeit für Geld ist. arbeit hat viele Gesichter. neben der arbeit, die unsere Überlebenschancen in der natur sichert, ist arbeit auch »produzieren«. Wir stellen Pro-dukte her, welche die natur sogar übertreffen. Und

Gespräch

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schließlich: Wir kommunizieren nicht nur mit Worten. Wir »bedienen« uns wechselseitig. Das ist das fast uner-schöpfliche Feld der Dienstleistung.

Früher wurde Arbeit auch als Sündenfolge verstan-den. Heute hat man oft den Eindruck: Wir arbeiten, um glücklich zu werden?nach biblischem Verständnis hat die arbeit immer zwei Gesichter, die sich bereits in den Schöpfungsberichten zeigen: Fluch und Segen. teilhabe an der arbeit ist teil-habe an der Schöpfung Gottes. Das kann kein tier. Das schafft nur der Mensch. Lautet der name für Glück also eher: kreativität? oder Glück durch die erfahrung: Was ich tue, macht Sinn? Und liegt der Segen meines Lebens gar nicht in der »Selbstverwirklichung«, sondern in der »Mitverwirklichung«, also der entfaltung Gottes in der Welt? arbeit bleibt aber immer auch Mühe. Unsere antriebskraft ist nicht instinktgesichert. Wir müssen Widerstände überwinden, uns anstrengen. Das Glück,

das vom himmel fällt, ist Gnade. Und die regnet nicht vom himmel, sondern kommt tropfenweise in homöo-pathischer Dosis.

Philosophen sagen, Arbeit sei ein »Tätigsein der See-le gemäß ihrer wesenhaften Tüchtigkeit«. Was heißt das für die Arbeit, die unter Druck und um des Brot-erwerbs willen gemacht wird?arbeit, mit der Menschen ausgebeutet, ausgelaugt, zerstört werden, ist wider den Schöpfungsauftrag, nach dem der Mensch die »krone der Schöpfung« ist. ausbeuter sind schlimmer als Diebe, die Sachen klauen. ausbeuter sind Mörder des Gottesebenbildes Mensch.

Was ist das Ziel einer sinnvollen Arbeit, die auch Freude macht?es ist ebenso gut, dem lieben Gott zuliebe kartoffeln zu schälen wie Dome zu bauen. Der Wert der arbeit ist

Glaube verbindet.

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nicht in der art und Weise der arbeit zu sehen, sondern in ihrem ziel für andere. Und diesem ziel dienen höchst unterschiedliche Formen des tätigseins. arbeit hat ein transzendentes ziel: In der arbeit kommen die Men-schen über sich hinaus. Der Weg zum eigentlichen führt über die entäußerung durch arbeit. arbeitsfreude schöpft aus dem Vorgang wie aus dem ergebnis der arbeit seine kraft.

Kochen, Spülen, Waschen, Aufräumen? Ist das Sisy-phusarbeit, immer wieder neu, ohne definiertes Ergebnis? Die routinearbeit von Müttern und hausfrauen ist, wenn man sie richtig versteht, nicht selbstsüchtig, son-dern vielmehr uneigennützig. Das macht ihren Wert aus. Deshalb ist sie auch wertvoller als arbeit, die aus Gier ums Geld betrieben wird. nicht der Weg ist das ziel, sondern das ziel macht den Weg wertvoll oder wertlos – je nach dem.

Hängt der Wert unseres Lebens davon ab, dass wir eine Arbeit haben, mit der wir Geld verdienen?nein. aber ohne Geld lebt es sich auch nicht gut, jeden-falls für den, der arbeiten kann.

Sinnvolles tun kann man auch im Ehrenamt. Warum ist das doch nicht das Gleiche wie Arbeit?arbeit ist nicht erst arbeit, wenn sie für eine geldwerte Gegenleistung vollbracht wird. Wenn ehrenamt und

f r e iw i l l i g e nächstenlie-be nur noch gegen Be-rechnung ge-leistet wer-den, verliert solche tätig-keit ihre ei-

genständigkeit und ist eine Form von Leistung für Ge-genleistung. Die »ehrenamtliche arbeit« steht aber quer zu diesem Prinzip. Das macht ihre eigenart aus. Wir dürfen nicht die ganze Welt verwirtschaften. Der homo oeconomicus ist ein krüppel, weil er nur rechnen kann, sonst nichts.

Arbeitslosigkeit wird unerträglich, wenn damit die Vorstellung verbunden ist, man werde durch sie sei-nes Wertes als Mensch beraubt.Die Würde des Menschen ist nicht von seiner arbeits-leistung abhängig. eine gesellschaftliche realität, die den Menschen nur als Leistungsträger akzeptiert, hat ihn verwirtschaftet. Diskriminierung durch arbeitslosig-keit liegt in dem Stigma »nicht gebraucht zu werden, also überflüssig« zu sein. Das ist die moderne Form des ausgestoßenseins.

Politiker reden immer noch gerne von Vollbeschäfti-gung. Ist das nicht Augenwischerei? es gibt noch viel zu tun bei den großen, unerfüllten Be-dürfnissen in einer Welt, in der täglich 30 000 kinder verrecken, weil sie nichts »zum Fressen« haben. auch in den sogenannten Wohlstandsgesellschaften wächst die armut. Und selbst der herkömmliche Wohlstand lässt Bedürfnisse unbeackert. es wachsen nachfragen nach Betreuung, Beratung. In einer Gesellschaft, die mehr alte hat, gibt es neue und andere nachfragen.

Geld ist in unserer Gesellschaft ein Symbol bzw. ein Maßstab der gesellschaftlichen Anerkennung. Welche Möglichkeiten der Anerkennung sind darü-ber hinaus wichtig?anerkennung ist nicht allein auf Öffentlichkeit angewie-sen. Wenn sie allerdings auch privat ist, dann sollte sie auch privat bleiben und nicht von Öffentlichkeit zen-siert werden. Liebe ist zum Beispiel anerkennung ohne Öffentlichkeit. allerdings: hungerlöhne sind nicht nur defizitäre einkommen, sondern auch eine Form von Verachtung.

Wenn Sie einmal »Kassensturz« machen: Alles in allem, was ist wirklich wichtig im Leben?Sympathie und Solidarität – Vertrauen und Verlässlich-keit.

Dr. Norbert Blüm (geb. 1935) ist verheiratet und hat 3 erwachsene kinder. er ist gelernter Werkzeugmacher, arbeitete einige Jahre in diesem Beruf und studierte dann Philosophie, Germanistik, Geschichte und theologie. Von 1982 bis 1998 war er Bundesarbeits-minister. Das Miteinander in der Gesellschaft ist sein thema geblie-ben, dem er sich heute vor allem als referent, Buchautor und kaba-rettist widmet.

»Hungerlöhne sind nicht nur defizitäre

Einkommen, sondern auch eine Form

von Verachtung.«

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Unser großer, kleiner Beitrag

»Macht euch die erde untertan!« lautet im Buch Gene-sis der auftrag Gottes an den Menschen. Die aussicht, an Gottes Schöpfung mitzuwirken, gibt all unserem tun atemberaubende Größe. Fast könnte uns die Verantwor-tung, die damit auf unsere Schultern gelegt ist, erdrü-cken. Doch sie ist verbunden mit Vertrauen, einem Vor-schuss an nachsicht für all die Fehler, die wir machen, und der einladung, dabei in das Beziehungsgeflecht göttlicher Liebe einzutreten. Was unsere aufgabe als Mitschöpfer ist, erahnen wir nur dann, wenn wir alles, was gemeinsam mit uns geschaffen wurde, mit einem liebevollen Blick betrachten und dabei auch wahrneh-men, wie alles miteinander verbunden ist. Unser Part ist wichtig, aber er ist nicht der Größte. Wir sind diejeni-gen, die pflanzen, gießen und beschneiden. Wachstum geschieht dann ohne unser zutun und trotz unserer Fehler und Versäumnisse. Diese einsicht kann uns Ge-lassenheit schenken.

Meditation

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We ma im Ländle do dozughöre well, muss ma scho an ama häusle schaffa – auf Deutsch: Wer sich im Schwaben-land ansiedeln will, sollte von vornherein wissen, welche Werte dort bis heute gelten. Für ordnung, Sauberkeit und Gründlichkeit steht die traditionelle schwäbische kehr-woche, für Fleiß und Sparsamkeit ein in Materie hinein sich ergießendes ziel aller Bemühungen: letzten endes eben jenes »häus-le«, das in seiner Größe in aller regel genau dies nicht ist; zumindest nicht dann, wenn man das übliche sprachliche anhängsel als Verniedlichung ver-steht. Für neigschmeckte – also hinzugezogene – gibt es da, außer man lebt wie wir in einer pluralen Universitäts-stadt, oft nur die Möglichkeit, sich anzupassen oder das Ländle früher oder später wieder zu verlassen. Denn über Generationen hinweg verinnerlichte Grundhaltungen hochdeutsch analytisch anzugehen, widerspräche der hie-sigen rustikal-praktischen art. Schaffst du was, dann bist du was – ein Satz, der sich daher nirgends so vehement hält wie im Land der Schaffer und Sparer und an dem sich auch der im unweit gelegenen heidelberg seiner zeit stu-dierende erich Fromm seine philosophischen zähne aus-gebissen hätte: Sich der Gedanken um das haben zu ent-ledigen, um ganz frei zu werden für das Sein, das scheint

so philosophisch undenkbar – oder vielmehr praktisch un-möglich – im schwäbischen Schafferland.Doch was bedeutet vor diesem Mentalitätshintergrund das »rechte« Schaffen für das Leben einer kirchengemein-de? als sich vor Jahren abzeichnete, dass eine Gemeinde personellen Veränderungen ins auge sehen musste, machte ich interessante entdeckungen: zum Beispiel nahm ich die tendenz wahr, den neuen jungen Vikar an der sorgenden Vaterfigur des scheidenden langjährigen Pfarrers zu messen. Vor allem aber ließ sich entdecken, wie beherzt und engagiert sich ehrenamtliche einbringen können, allerdings auch bis hin zur Versuchung, gut ge-meint den Gemeindeleiter abgeben zu wollen. Für mich als jungen Diakon waren es wichtige erfahrungen in mei-nen ersten Jahren, solche Dynamiken in kirchengemein-den zu erleben und darüber nachzudenken, bieten sich darin nämlich nicht nur Gefahren, sondern auch Chan-cen: Identifikation schlägt sich oft im tatkräftigen einsatz nieder. Gerade in krisen- und Umbruchszeiten ist das zu-packen gefragt – und können andererseits noch so gut gemeinte ratschläge als das verstanden werden, was sie nicht sein wollen: Schläge. Und im gemeinsamen aufbau-en, erhalten, Pflegen wird Gemeinschaft gestiftet und be-

Vom Schaffertum befreitDenkanstöße eines Diakons in Schwaben

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Impuls

wahrt. als Falle wurde in all diesen Prozessen und Dyna-miken jedoch auch erkennbar: Wenn das element des Schaffens zum – unreflektiert – letzten Wert gesetzt wird, wenn das Sein einer Gemeinde von der Fähigkeit zum – gemeinsamen – Schaffen ausgehend definiert wird, kann sich die Größe des Darüber-hinaus-Schauens nicht mehr frei entfalten, wird der Blick eingeengt auf das hier und Jetzt – maximal noch auf das angst besetzte Morgen. Diese menschlichen, allzu menschlichen Prozesse lassen sich auf jede Gemeinschaft übertragen – und besitzen ein letzt-entscheidendes Qualitätskriterium: Ist im Schaffen und der Besinnung, im tun und ausruhen noch Leben-digkeit erkennbar, die Bereitschaft, miteinander zu lernen, Bewegung, und zwar losgelöst von jeder aktivität?als sich unmittelbar nach meiner ordination mit meinem einsatz als nebenberuflicher Diakon die Frage nach mei-nen arbeitsfeldern stellte, provozierte ich – mitten hinein in gemeindliche Umbruchsituationen – damit, dass ich feststellte, erst einmal »nur« da zu sein. So verstand ich meine Weihe – und so definiere ich meinen auftrag bis heute. Freilich haben wir nach den ersten Monaten mög-liche tätigkeitsbereiche sondiert, was sich davon aber tat-sächlich als Bereiche meines Wirkens herausstellen sollte, überließ ich von anfang an dem Lauf der Dinge – oder vielmehr den Beziehungsgeschehen zwischen den Ge-meindegliedern – besonders denen an den vermeintlichen »rändern« der Gemeinde – und mir. nur so sollte sich eine Leichtigkeit einstellen, durch die hindurch ich mei-nen Dienst verrichten und das evangelium verkünden kann. eine vielleicht auch zum Schmunzeln anregende Begebenheit mag dies verdeutlichen:zu Beginn dieses Jahres kam über nacht plötzlich Blitzeis auf. am Sonntagmorgen wurde ich von einem Pfarrer noch während unseres gemütlichen Familienfrühstücks angerufen. Ich war für den Sonntagsgottesdienst in dieser Gemeinde nicht als Diakon eingeteilt und hatte mir auch selbst noch nicht die texte des tages zu Gemüte geführt. Wir standen zeitlich zwanzig Minuten vor Beginn des Gottesdienstes und für meinen priesterlichen Mitbruder war klar, dass er unter keinen Umständen zur Messe kom-men könne. nachdem er mich gebeten hatte, mit einem Wortgottesdienst einzuspringen, stand ich – nach einer rutschpartie per pedes – zehn Minuten später vor zwei Dutzend bereits eingekleideten Ministranten und vor

zwanzig angehenden erstkommunionkindern, die heute vorgestellt werden sollten, und deren eltern, die anders als der Pfarrer offenbar ihren Weg über das eis gefunden hatten. Was mir blieb, war, mit den Gruppenleiterinnen noch die köpfe zusammenzustecken, mit dem organisten kurz den Liedplan zu überfliegen, die Ministranten um besondere Wachheit anzuhal-ten – und ein motivierendes »Unsere hilfe ist im namen des herrn« zu schmettern. Und los ging’s. Warum erzähle ich gerade diese Geschichte? Weil ich mich selten so getragen gefühlt habe in meinem liturgischen Dienst – und dies obwohl, nein weil ich ausschließlich – für mehr war keine zeit mehr geblieben – mit einem Liedzettel be-stückt war. Ich wurde in dieser einen Stunde, die wir spontan, aber ebenso würdevoll und feierlich miteinander erlebten, bezüglich des weit verbreiteten eindrucks von einer Schaffergemeinde eines Besseren belehrt: Wo sonst die Frage nach der klaren arbeitsübernahme doch oft an erster Stelle stand, wo die aufteilung der Dienste stets Si-cherheit gab, wo man im gemeinsamen tun die Bestär-kung erfuhr, immer noch eine gute, da arbeitsfähige Ge-meinschaft zu sein, da erlebte ich ein hinauswachsen über das Schaffen, tun und Leisten(müssen) hinaus, da nahm ich eine große offenheit für das nicht Machbare und den dadurch ermöglichten Seinsgrund des Gemein-delebens wahr. Mir wurde die erfahrung zuteil: Wer sich einlässt, der empfängt. Wer sich zurücknimmt, dem wird gegeben. Wer nichts mehr tun muss, weil er in einer der-artigen Situation aus eigenen Fähigkeiten gar nichts ange-messenes tun kann, durch den – anstatt leistungsbezogen von ihm selbst aus – kann etwas passieren. Ja, ich erlebte ganz konkret, was Paulus im zweiten korintherbrief be-schreibt: »Meine Gnade genügt dir, denn sie erweist ihre kraft in der Schwachheit.« (2 kor 12,9) Die gänzlich frei gesprochenen Gedanken und Gebete konnten nur so der-art klar, präsent und authentisch wirken, dass spürbar wurde, woher sie kamen: aus einer nicht eigenen geist-lichen tiefe, die nie und nimmer selbst er-schaffbar wäre.

Dr. theol. Thomas Hanstein, geboren und auf-gewachsen im eichsfeld, ist Ständiger Diakon und war Bischofsreferent der Diözese rottenburg-Stutt-gart. Derzeit ist der Vater dreier kinder Schulleiter in Ulm. er schreibt geistliche Impulse anhand sei-ner alltäglichen erfahrungen.

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Gigant zum Besteigen502 Meter Gesamtlänge, 204 Meter Breite und eine höhe von fast 80 Metern misst der »Liegende eiffel-turm der Lausitz«, der wegen seiner Größe und kon-struktion zu diesem namen kam. Die richtige Be-zeichnung ist F60 und dahinter verbirgt sich eine abraumförderbrücke aus dem Braunkohle-tagebau-gebiet der Lausitz. Vier von diesen Giganten sind noch in Betrieb, einer kann in Lichterfeld besichtigt werden. Dabei geht es bis in luftige 74 Meter höhe, man erhält einblicke in die konstruktion und gewinnt einen eindruck vom können der Ingenieure, erfährt einiges über den Braunkohlebergbau im Lausitzer re-vier, die rekultivierung von tagebaugebieten und kann einen weiten Blick über die Landschaft werfen. Besucherbergwerk F60; Bergheider Straße 4; 03238 Lichterfeld; tel. 0 35 31 / 6 08 00; ww.f60.de

Zeitloser ChaplinBeinahe achtzig Jahre nach seiner entstehung wird Charlie Chaplins Filmklassiker »Moderne zeiten« im-mer wieder neu aufgelegt. zeitlos hat ihn nicht nur Chaplins sprühender Ideenreichtum und sein augen-zwinkernder Blick auf seine Protagonisten gemacht. Die Frage nach der Bedeutung des Menschen in der zunehmend technisierten Berufswelt, die in dem Film allgegegenwärtig ist, bleibt auch im dritten Jahr-tausend aktuell.

Charlie Chaplin: Moderne zeiten; DVD; arthaus 2013; Vivat-Bestell-nr. 125843; € 9,99 (D/a)

Das Leben von Lieblingsstücken verlängernVon bestimmten kleidungsstücken kann man sich sehr schwer trennen, auch wenn sie vielleicht schon zu eng oder kurz geworden sind. Besonders kinder freuen sich dann, wenn der Lieblingspullover oder die Lieblingsjeans nicht ganz verschwindet. abgelegte t-Shirts oder hosen bekommen eine zweite Chance – und die kann sehr unterschiedlich ausfallen. Laura Sinikka Wilhelm stellt in ihrem Buch 60 attraktive und funktionale objekte vor – vom teppich bis zum kapuzenschal, vom Jeans-Mons-ter bis zum Säckchenspiel. Die meisten neuen Dinge sind aus Jeans- oder t-Shirtstoff genäht, aber es gibt auch Ideen für ausrangierte Bauklötzchen, gesammelte holz-stücke, Segeltuch oder Steine. Und das Gute daran ist: Die neuen Dinge sind nicht nur schön fotografiert, so dass man Lust bekommt, sofort anzufangen, es gibt dafür auch ausführliche anleitungen und zeichnungen. So können auch kinder sich aus-probieren und vielleicht bekommt teddy ein neues Socken-Sweatshirt.Laura Sinikka Wilhelm; Marjo koivumäki: Das war doch meine Lieblingsjeans; Verlag haupt 2013; Vivat-Bestell-nr. 125844; € 24,90 (D) / € 25,60 (a)

Filmtipp

Kreativtipp

Ausflugstipp

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Lynn hat einen teppich ausgerollt und ist dabei, sich ihren arbeitsplatz vorzubereiten. Was mag sie wohl im Sinn haben. Welche Wahl hat sie getroffen? Lynn ist noch keine vier Jahre alt, sie hat sich die »numerischen Stangen« gewählt. Das sind Stangen, bei denen die kin-der die Menge von eins bis zehn konkret erleben, »be-greifen« und zählen können. Ganz mit ihrem tun be-schäftigt, geht sie im kinderhaus hin und her, trägt Stange für Stange zu ihrem Platz. Lynn läuft zehnmal bis alle Stangen auf dem teppich sind. Die längste Stange misst ein Meter.alle zehn Stangen liegen geordnet da. »Welche Stange soll ich bringen?«, fragt mich Lynn. Ich denke nach und wünsche mir die »Stange 4«. Lynn geht den Weg zurück an ihren arbeitsplatz, ihre augen suchen, ihre hände zählen, die rot-blauen Unterteilungen der Stangen hel-fen. Sie erkennt die richtige Stange und trägt sie zu mir, überprüft, indem sie die Stange nochmals zählt und strahlt mich aus ihren leuchtenden augen an. »Das ist ›Stange 4‹ und jetzt, welche Stange soll ich bringen?«

Ruhen Kinder nie?Über die kindliche Lust am Tun. Sr. thereS BrÄnDLI, BaLDeGG

Sie mag es kaum erwarten meinen Wunsch zu hören. Lynn geht hin und her, sucht, zählt und überprüft Stan-ge um Stange. Immer wieder. Die Lust scheint mit jeder Stange zu wachsen. Unermüdlich ist ihr tun. Freude am Selbertun, ernsthaftigkeit, konzentration und aus-dauer prägen ihr handeln. Wenn ich ab und zu wieder die gleiche Stange wünsche, lacht sie und ruft: »Scho wieder!« Mit zunehmender Sicherheit greift sie die Stange, erkennt die Menge, ruft: »Ich muess scho nüme zelle (Ich muss schon nicht mehr zählen).«

Freude am Selbertun

hin und her, Stange für Stange, unermüdlich, doch dann, ganz plötzlich und unerwartet sagt sie: »Jetzt mag ich nüme.«Ja, Lynn hat eine große arbeit geleistet und mehr als eine halbe Stunde kurze und lange Stangen gezählt und hin und her getragen. Die arbeit ist beendet. Und was tut Lynn jetzt? In großer Selbstverständlichkeit trägt sie

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jede Stange einzeln zurück ins regal, angefangen mit der längsten. Lynn geht ruhig, freudig, glücklich, ich könnte sagen fast meditativ. Sie geht zehnmal den Weg, bis auch die kürzeste Stange wieder an ihrem Platz ist.Und dann? Lynn hat sich bereits eine neue arbeit ge-wählt. Sie sitzt still versunken am tisch und ist ganz mit ihrem tun beschäftigt. So wie sie mit den Stangen »eins geworden ist«, so scheint sie jetzt mit der neuen arbeit tief verbunden zu sein.

Kind sein heißt aktiv sein

hatte Lynn nicht gesagt: »Ich mag nüme!«, war das nicht eine Meldung, dass sie nun ausruhen will, berech-tigt müde ist von dieser anspruchsvollen arbeit, eine Stärkung braucht, dem »nichts-tun« frönen möchte, al-les liegen lassen und die Beine hochlegen oder zumin-dest sich eine Weile mit keiner arbeit beschäftigen? Dem ist aber nicht so. kind sein heißt »aktiv sein«. kin-der trennen nicht zwischen arbeit und ausruhen. Das kind lebt ganz im Jetzt. alles, was es tut, tut es mit seinen Sinnen und mit seinem ganzen Sein. Sind kinder müde, so schlafen sie. Sind sie aber wach, wollen sie aktiv sein, wollen erleben, erforschen, erfahren, erkun-den, entdecken, handeln, begreifen, vor allem selber tun. Dem kind ist es gleich, was andere wissen. es will selbst lernen, seine erfahrungen in der Welt machen und sie durch seine persönliche anstrengung wahrneh-men.Unser Bedürfnis und unsere Formen des ausruhens sind den kindern fremd. Ihr ausruhen ist nicht ein »ru-hen im außen«. Ihre Form des ruhens ist ein inneres ruhen, ein »In-sich-ruhen«, ein ganz »Bei-sich-Sein«.Lynn hat in diesem Sinn »geruht«, als sie glücklich, er-füllt und zufrieden die zehn Stangen ins regal zurück-trug. Sie hat damit nicht nur ihre arbeit zu einem guten abschluss geführt, sondern sich auch die zeit gegeben, in diesem meditativen hin und her das erlebte zu ver-innerlichen, zu ihrem »eigenen« zu machen. In solchen Situationen erleben wir die kinder im kinderhaus in einem wunderbaren Gleichgewicht. Ihr inneres tun und ihr äußeres handeln bilden eine einheit. Ist es da verwunderlich, wenn Maria Montessori uns rät: »Unser erster Lehrmeister wird also das kind selbst sein«?

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IMPreSSUM

Das Magazin für ChristenGlaube verbindet.St. Benno-Verlag Gmbh · Stammerstraße 11 · 04159 Leipzigein Unternehmen der kirche.Geschäftsführung: Michael Birknerredaktion: Dorothee Wanzek (verantwortlich), Maria körnerwww.vivat.de · www.vivat-shop.atkontakt redaktion: 0341/46777-12e-Mail: [email protected] und Layout: Ulrike Vetter, LeipzigGesamtherstellung: arnold & Domnick, Leipzig

nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Fotos und texte wird keine haftung übernommen. Die redaktion behält sich beim abdruck von Leserbriefen kürzungen vor.

Das Magazin für Christen »Glaube verbindet.« wird Ihnen dreimal jährlich kostenlos zugestellt. Weitere exemplare sind zum einzelpreis von E 1,95 (ab 10 exemplaren E 0,95/heft) inklusive Versandkosten erhältlich. Bitte bestellen Sie weitere exemplare über www.vivat.de oder rufen Sie uns an: 0341-46 777 11 (aus Deutschland) oder 0810-966061 (aus Österreich). Lieferung solange Vorrat reicht.

TextrechteS. 13–15: »Vom Sinn des arbeitens«, Interview mit Dr. norbert Blüm, geführt von rudolf Walter, in: einfach leben, ein Brief von anselm Grün, Juni/Juli, nr. 6 – 2010 © Verlag herder Gmbh, Freiburg im Breisgau, 2010, S. 8f.

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Lynn ist nicht allein in ihrem unermüdlichen arbeiten. Im Montessori-kinderhaus herrscht ein reges, freudiges und vertieftes tun. Die 30 kinder sind im alter zwi-schen drei und sechs Jahren.kinder in ihrer arbeit zu beobachten ist eine Bereiche-rung. Ihre handlungsweisen sind »eine ständige Quelle der offenbarung«. Sie sind fast unentwegt am arbeiten, alleine, zu zweit, in Gruppen. alles im kindlichen Sein ist aktivität. Der Inbegriff der aktivität ist das Leben.Manuel ist fasziniert von der Wirkung des Magnets. er forscht und entdeckt, was magnetisch ist und was nicht. zwischendurch sind ausrufe des erstaunens und der Überraschung zu hören. ab und zu ein »Jauchzer des Glücklichseins«.eliane liest Wortkarten. Ihre Lippen bewegen sich, bilden Laut für Laut. Sie spricht das Gelesene vor sich hin: » zebra!«, sucht im kistchen das kleine hölzerne zebra und ordnet die Wortkarte zu. Sie lächelt vor sich hin, das Lesenlernen war ihr großer Wunsch. nun ist sie so weit.

Ein Kind wächst an der Arbeit

Janic, Laura und Jenny sitzen am Boden. auf dem tep-pich sind die vier zylinderblöcke bereit. Die vierzig zy-linder stehen auf dem holzbrett. Sie suchen die pas-sende Öffnung und stecken zylinder um zylinder zurück. Ihr gemeinsames tun ist fröhlich und doch kon-zentriert.Sina holt sich den Binderahmen. Schon bald gelingt ihr das Binden ohne hilfe. Sie übt und übt. Der Wille, sel-ber binden zu können, ist in ihrem handeln sichtbar. eines tages wird sie den jüngeren kindern helfen beim Binden.Schwester Christianne begleitet Felicia im Bereitstellen des znünis (zwischenmahlzeit). Voll eifer stellt Felicia Brot, Äpfel, tee und Wasser auf den kleinen znünitisch. Der tisch bietet Platz für vier kinder. nach dem znüni reinigt Felicia den tisch und wäscht tasse und teller, lange zeit, genüsslich und voll hingabe. nun stehen tasse und teller für ein nächstes kind bereit. am znüni-tisch herrscht ein freudiges kommen und Gehen.Ich selber sitze mit dem dreijährigen nikola am tisch und zeige ihm die Farbtäfelchen, immer zwei gleiche gehören zusammen. Ich brauche nicht viele Worte, das

Material spricht für sich. Mit strahlenden augen sucht nikola das jeweils passende täfelchen und ordnet es zu. Das tun steht im Vordergrund, aktiv sein, selber ma-chen. auch nikola geht hin und her, schaut, sucht, bringt, überprüft und erkennt selber, ob er richtig gewählt hat. Strahlende augen zeu-gen von Freude und erfüllung. Müde? nein! Wenn für nikola die arbeit beendet ist, folgt eine neue.Maria Montessori sagt: »Das kind ermüdet nicht bei der arbeit; es wächst an der arbeit, und die arbeit erhöht seine energie. Das kind wünscht nie, dass man es von seiner Mühe erlöse, es will vielmehr seine aufgabe gut und selbständig ausführen. Wird sich der erwachsene nicht dieses Geheimnisses bewusst, so wird er nie die arbeit des kindes verstehen.«oft wünschte ich mir, mein ausruhen wäre auch ein »In-mir-ruhen«, ein »Ganz-in-mir-Sein«.aber es ist dies das Geheimnis des kindes: Das kind ruht »innen«, es ist ganz in sich, bei sich, da, wo die wahre Quelle des Lebens sprudelt.

Entdeckt

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Eine alte Geschichte erzäh

lt vom Besuch eines Indianers bei seinem weißen

Freund. Das Zirpen der Grille, auf das ihn der Indianer aufmerksam macht,

kann der Weiße aus dem Geräuschteppich der Großstadt nicht heraushören.

»Ihr habt nun einmal das bessere Gehör«, folgert der Weiße. Der Indianer

widerspricht und zeigt seinem Freund, wie aufmerksam die Passanten auf den zarten Klang einer fallenden Geldmünze reagieren. »Jeder hört das, worauf

sein Herz gerichtet ist«, sagt der Indianer.

Auf welche Klänge hören Sie? Erzählen Sie uns von sich!

Klangvoll

ADRESSE: »Glaube verbindet.« St. Benno-Verlag GmbH · Stammerstr. 11 · 04159 Leipzig oder per E-Mail: [email protected]

Eine Auswahl Ihrer Texte veröffentlichen wir im nächsten Heft, das zum Advent 2013 erscheint.

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