VO Augustinus

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1 VO Augustinus: De civitate Dei Vortrag: Michael Wladika, ws 2010 Mitschrift: Alexander Seifert [@] Feedback/Korrekturen: http://crocodoc.com/kyABAw Version: 24. Januar 2011, 22:38 Uhr I. Zum Werk (Entstehung ≈ 413–427) In De civitate Dei macht sich die starke Veränderung von Augustinus' Denken bemerkbar, weswegen sich verschiedenste Traditionen auf ihn berufen können. Das Werk enthält einerseits viele Gebete, die für Augustinus ein Erheben über die menschliche Ebene bedeuten (für einige Denker, wie etwa Parmenides, ist nur dadurch wahre Erkenntnis möglich), andererseits gibt es auch einige rein philosophische Passagen (vgl. insbesondere Kap. 8–10). Augustinus ist um eine Synthese zwischen christlichem Glauben und philosophischem Denken bemüht, ist dabei allerdings nicht synkretistisch. Sein Denken ist von dogma- tischer Ausrichtung, der Glaube soll rational gedeutet werden und ist gleich- zeitig Grundstein für weitere Überlegungen. Charakteristisch für Augustinus ist auch der Miteinbezug des eigenen Lebens (!), das seine Bedeutung aus der christlichen Inkarnationslehre gewinnt. De civitate Dei ist neben der Summe gegen die Heiden vielleicht sein wichtigs- tes apologetisches Werk. Die Bücher 1–10 enthalten fast keine Bibelzitate, weil er hier mit Leuten spricht, die erst von der christlichen Philosophie überzeugt werden sollen. Er möchte u. a. Sallust umschreiben: Er liefert die eigentliche Weltgeschichte, weil er christliche Voraussetzungen hat. Im Anschluss an die Bücher 1–10 lässt sich ein deutlicher Bruch feststellen. Hauptmotive des Werkes sind: 1. Der Primat des Willens (gegenüber dem Verstand – voluntas vs. intellectus): Augustinus habe »das dunkelste Mysterium des Christentums erschaffen: die Lehre von Gnadenwahl und Erbsünde«, so Kurt Flasch. Gnadenthe- orie und Willenstheorie hängen zusammen – kurz: Der Wille hat eine Geschichte. Die Gnadenbestimmung ist ganz grundlegend für Augustinus, er wird auch als doctor gratiae bezeichnet. Die Rede vom »freien Willen« (liberum arbitrium voluntatis) geht auf Augustinus zurück. Es gibt mindestens 3 status des Willens (frei, unfrei, befreit), d. h. er kann sich in unterschiedlichen Situationen befinden, die determinieren, was der Wille wollen und wie er handeln kann. Wille und Gnade sind nicht voneinander unabhängig, das wäre eine akademische Illusion; der unfreie Wille ist begründet in der Erbsünde. Wille, Gnadenwahl und Erbsünde sind also bei Augustinus eng verknüpft. 2. Die Zerrissenheit des Menschen und der Geschichte: Der Mensch kann nicht rein anthropologisch gefasst werden, man muss von einer höheren Warte aus interpretieren. 3. Die Geschichte: Es geschieht tatsächlich Neues, aber Geschichte ist nur deswegen von Bedeutung, weil Gott (das eigentlich substantiell Wirkli- che) darin eingetreten ist. Individuelle Erscheinungen, nicht nur im Le- ben des einzelnen Menschen, sondern auch in der (Welt-)Geschichte werden relevant. 4. Der Hochmut (superbia) ist eine Zentralkategorie seiner Ethik und sei- ner Geschichtsphilosophie und steht der Kardinaltugend der Demut (humilitas) gegenüber. Sie hängt stark mit der Bestimmung der Autarkie zusammen, welche eine zentrale Kategorie bei den Stoikern ist. Autarkie ist für Augustinus eine falsche Nachahmung Gottes; bei Platon hingegen ist die imitatio dei uneingeschränkt Aufgabe des Menschen.

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VO Augustinus: De civitate DeiVortrag: Michael Wladika, ws 2010

Mitschrift: Alexander Seifert [@]

Feedback/Korrekturen: http://crocodoc.com/kyABAw

Version: 24. Januar 2011, 22:38 Uhr

I. Zum Werk (Entstehung ≈ 413–427)In De civitate Dei macht sich die starke Veränderung von Augustinus' Denken bemerkbar, weswegen sich verschiedenste Traditionen auf ihn berufen können. Das Werk enthält einerseits viele Gebete, die für Augustinus ein Erheben über die menschliche Ebene bedeuten (für einige Denker, wie etwa Parmenides, ist nur dadurch wahre Erkenntnis möglich), andererseits gibt es auch einige rein philosophische Passagen (vgl. insbesondere Kap. 8–10). Augustinus ist um eine Synthese zwischen christlichem Glauben und philosophischem Denken bemüht, ist dabei allerdings nicht synkretistisch. Sein Denken ist von dogma-tischer Ausrichtung, der Glaube soll rational gedeutet werden und ist gleich-zeitig Grundstein für weitere Überlegungen. Charakteristisch für Augustinus ist auch der Miteinbezug des eigenen Lebens (!), das seine Bedeutung aus der christlichen Inkarnationslehre gewinnt.

De civitate Dei ist neben der Summe gegen die Heiden vielleicht sein wichtigs-tes apologetisches Werk. Die Bücher 1–10 enthalten fast keine Bibelzitate, weil er hier mit Leuten spricht, die erst von der christlichen Philosophie überzeugt werden sollen. Er möchte u. a. Sallust umschreiben: Er liefert die eigentliche Weltgeschichte, weil er christliche Voraussetzungen hat. Im Anschluss an die Bücher 1–10 lässt sich ein deutlicher Bruch feststellen.

Hauptmotive des Werkes sind:1. Der Primat des Willens (gegenüber dem Verstand – voluntas vs. intellectus):

Augustinus habe »das dunkelste Mysterium des Christentums erschaffen: die Lehre von Gnadenwahl und Erbsünde«, so Kurt Flasch. Gnadenthe-orie und Willenstheorie hängen zusammen – kurz: Der Wille hat eine Geschichte. Die Gnadenbestimmung ist ganz grundlegend für Augustinus, er wird auch als doctor gratiae bezeichnet. Die Rede vom »freien Willen« (liberum arbitrium voluntatis) geht auf Augustinus zurück. Es gibt mindestens 3 status des Willens (frei, unfrei, befreit), d. h. er kann sich in unterschiedlichen Situationen befinden, die determinieren, was der Wille wollen und wie er handeln kann. Wille und Gnade sind nicht voneinander unabhängig, das wäre eine akademische Illusion; der unfreie Wille ist begründet in der Erbsünde. Wille, Gnadenwahl und Erbsünde sind also bei Augustinus eng verknüpft.

2. Die Zerrissenheit des Menschen und der Geschichte: Der Mensch kann nicht rein anthropologisch gefasst werden, man muss von einer höheren Warte aus interpretieren.

3. Die Geschichte: Es geschieht tatsächlich Neues, aber Geschichte ist nur deswegen von Bedeutung, weil Gott (das eigentlich substantiell Wirkli-che) darin eingetreten ist. Individuelle Erscheinungen, nicht nur im Le-ben des einzelnen Menschen, sondern auch in der (Welt-)Geschichte werden relevant.

4. Der Hochmut (superbia) ist eine Zentralkategorie seiner Ethik und sei-ner Geschichtsphilosophie und steht der Kardinaltugend der Demut (humilitas) gegenüber. Sie hängt stark mit der Bestimmung der Autarkie zusammen, welche eine zentrale Kategorie bei den Stoikern ist. Autarkie ist für Augustinus eine falsche Nachahmung Gottes; bei Platon hingegen ist die imitatio dei uneingeschränkt Aufgabe des Menschen.

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5. Der Platonismus: Augustinus spricht von einer Bekehrung (conversio) (vgl. etwa Confessiones 8, Gartenszene), diese wird aber als passiver Vorgang verstanden: Es müssen uns die Fesseln abgenommen werden. Bei Au-gustinus geschieht das durch die Paulusbriefe und platonische Bücher (d. h. Platon sowie der Mittel- und Neuplatonismus). Platonische Bücher scheinen eine Transzendenzerfahrung zu ermöglichen, wir transzendie-ren die phantasia, erreichen eine alles übersteigende Weisheit, erreichen letztlich ein id ipsum, also die eigentliche, höchste Wirklichkeit.

6. Auctoritas (Autorität): Autoritative Texte und Textvermittlung sind unent-behrlich für die Wahrheitssuche, ohne Leitfaden bliebe die philosophi-sche Suche orientierungslos. Es stellt sich die Frage: Falls platonisches Wissen wahr sein sollte (was er bejaht), ist es dann auch ausreichend (d. h. orientierend)? Philosophie ist keine intellektuelle Spielerei für Augusti-nus, sondern sie muss uns in praktischer Hinsicht leiten können (»Rück-kehr in die Heimat«).

7. Weitere Motive:a. Das Christentum ist letztlich nicht eine Alternative zum Platonis-

mus, sondern liefert eine Ergänzung, nämlich einen ontologischen Mittler zwischen Gott und Mensch.

b. Die Daimonologie (vgl. Buch 8): Dämonen sind bei Augustinus ne-gativ belegt, können keine Mittlerrolle spielen.

c. Die Zeitthematik (vgl. Confessiones XI).d. Antagonistische Unterscheidung von 2 Staaten: Gottesstaat und

Weltstaate. Auseinandersetzung mit dem Manichäismus. Dieser geht zurück auf

Mani, einen Zeitgenossen Plotins, der eine grundlegend dualistische Weltauffassung vertritt, welche eine einfache Erklärung des Bösen ermöglicht.

f. Verhältnis zwischen Religion und Politik – Friedens- und Kriegs-

theorie, Theorie eines gerechten Krieges Die Kriegstheorie bleibt im säkularen historischen Bereich. Die Friedenstheorie ist demgegenüber wichtiger, weil der Friede im Ge-gensatz zum Krieg Ewigkeitscharakter hat.

g. Civitas ist zu übersetzen als »Rechts- und Kultgemeinschaft«. Es stellt sich die Frage: Wie substantiell ist die Gemeinschaft? In plato-nischer und aristotelischer Ethik ist der Einzelne der Gemeinschaft untergeordnet, ist gar nicht wirklich substantiell. Augustinus betont zwar auch die Gemeinschaft, es geht ihm aber auch stark um eine Hinwendung zur Innerlichkeit; insbesondere aber um zwei Dinge: Deus et anima mea.

II. Biographische SkizzeAugustinus ist der antike Denker, dessen Leben uns am besten bekannt ist. Sein Vater war Heide, die Mutter Christin. Seine Mutter Monika vertritt ein eher primitives, kultisches Christentum, Träume sind ihr von besonderer Wichtig-keit (vgl. Confessiones IX). Augustinus selber wurde nicht getauft, wird später aber eine wichtige Rolle bei der endgültigen Einführung der Kindertaufe spie-len, die durch die Voraussetzung der Erbsünde notwendig wird. Nord afrika (Hippo, Karthago) ist zu dieser Zeit intellektuell sehr wichtig, Augustinus zu-folge herrscht dort aber eine trockene und unfruchtbare Gelehrsamkeit.

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Zeittafel354

0Augustinus kommt in Thagaste zur Welt.

36915

Mit 15 beginnt er das Studium der Literatur und Rhetorik in Madaura (im heutigen Algerien), er konzentriert sich auf Vergil, Cicero, Sallust und Terenz. Seine Griechischkenntnisse waren allerdings eher mangelhaft.

370–37316–19

Augustinus studiert Rhetorik in Karthago, wo er sich vor allem mit Cicero beschäftigt.

37319

Durch die Lektüre von Ciceros Hortensius (eine Aufforderung zum Philosophieren) kommt es zu einer Hinwendung zur sapientia. Philosophie soll Weisheit geben, die tröstet und läutert, sie soll den göttlichen Teil in uns (d. i. die Vernunft) stärken. Im selben Jahr kehrt er nach Thagaste zurück.

37420

Mit 20 wird er (9 Jahre lang) Manichäer: Nach dem Manichäis-mus ist alles in der Welt und in uns eine Mischung von Gut und Böse, Christus erscheint als Weisheit in Person (–> Illuminati-onsgedanke, geht zurück auf Platon; bei Augustinus: illuminatio und recollectio). Der Manichäismus kann platt als Platonismus fürs Volk bezeichnet werden.

38026

Über das Schöne und das Angemessene

38329

Allmähliche Abkehr vom Manichäismus nach einer enttäuschen-den Diskussion mit Faustus. Augustinus wird als Lehrer nach Rom berufen; Symachus, der Stadtpräfekt Roms, gehörte heidni-scher Reaktion gegen das Christentum an

38430

Versetzung nach Mailand, wo viel Interesse an Neuplatonismus herrschte; Kontakt mit Bischof Ambrosius, der gegen den Mani-chäismus predigte

ab 38632+

Studium Plotins – mehrere Stufen der Wirklichkeit (Seinsgradu-alisierung), z. B. Ewiges im Vergleich zu Zeitlichem

38632

Bekanntschaft mit Simplicianus, der Ambrosius' Nachfolger wurde; Augustinus' Bekehrung; er verlässt Mailand und zieht auf ein Landgut mit Freunden, wo er ein Leben der freien Muße (otium liberale) führt; er schreibt Contra academicos (gemeint sind die Skeptiker – Platons Akademie war zwischenzeitlich skep-tizistisch geprägt); er schreibt weiters De beata vitae, De ordine, Soliloquia (Selbstgespräche)

38733

Rückkehr nach Mailand; Taufe; schreibt De immortalitate animae (Über die Unsterblichkeit der Seele); beschließt anschließend mit Freunden nach Afrika zurückzukehren, wollen von Ostia aus übersetzen, allerdings sind die Häfen Roms wegen des Bürger-kriegs blockiert; Tod der Mutter; damit zusammenhängend das »Gespräch in Ostia« / »Vision von Ostia« – Gespräch mit seiner Mutter kurz vor ihrem Tod, in den Confessiones als Transzen-dierungsgespräch dargestellt, inhaltlich ganz ähnlich wie neupla-tonistische Prinzipienlehre; wartet auf Aufhebung der Seesperre und schreibt dort Buch I

38834

kommen sie nach Afrika zurück, zuerst nach Karthago, dann nach Thagaste

388/38934/35

erste Anti-Manichäische Schriften, also erste kirchliche Streit-schriften.

39036

De vera religione

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39137

Priesterweihe in Hippo

391–39537–41

Bücher 2–3 von De libero arbitrio; führt weiterhin klösterliches Leben

39440

Augustinus beginnt Paulus zu lesen und über ihn zu schreiben; hält Vorlesungen über den Römerbrief; viele Denker verfassten zu dieser Zeit Pauluskommentare

39541

Augustinus wird Bischof von Hippo, was mit vielen Aufgaben verbunden ist, er ist Richter, Vormund der minderjährigen Wai-sen, etc.; führt seine zweite große Auseinandersetzung, diesmal mit den Donatisten, welche am ehesten durch die besondere Be-stimmung der Reinheit charakterisiert werden können: Christen sind völlig rein, wer sündigt, wird ausgeschlossen, d. h. Sünde und Sündenvergebung gibt es innerhalb der Kirche nicht

39945

Beginn der Arbeit an De trinitate (bis 419)

≈ 396–401≈ 42–47

Arbeit an den Confessiones

41056

24. August: Plünderung Roms durch die Goten; Rom galt damals als mundus; war zwar nicht mehr politische Hauptstadt, aber Symbol römischer Kultur (»heidnischer Vatikan«); manche Kom-mentatoren machten den Einfluss des Christentums für den Fall Roms verantwortlich

≈ ab 410≈ 56+

dritte große Auseinandersetzung, jetzt mit den Pelagianern, christliche Gruppe, die die Bestimmung der Erbsünde leugnet

421–42367–69

Enchiridion ad Laurentium, seu de f ide, spe et caritate ([Handbüch-lein über] Glaube, Hoffnung und Liebe)

42874

Augustinus schreibt die Retractationes (Rückblick), ordnet das Werk aber nicht nach Sachgebieten, sondern chronologisch, was den Weg zeigt, den er gehen musste, um zu seinen letzten Leh-ren zu kommen.

42975

Letzte Werke, beide willenstheoretisch: De praedestinatione sanctorum (Über die Vorherbestimmung der Heiligen), De dono perseverantia (Über die Gabe der Beharrlichkeit); Vandalen kom-men von Spanien

43076

Augustinus stirbt knapp vor der Einnahme Hippos durch die Vandalen; erste Biographie durch seinen Schüler Possidius von Calama

III. Erste SelbstverständigungAugustinus ist stark beeinflusst durch Cicero, Cicero hat in ihm die Liebe zu Wahrheit und Weisheit geweckt (in Augustinus' Fall christliche Weisheit). Seine Weisheitssuche erfolgt zunächst aus bloßem Elitismus, eine Art Pole-mik gegen gewöhnliches Leben, gegen Reichtum. Er wendet sich in der Folge auch der Bibel zu, ist von der Lektüre zunächst aber enttäuscht, denn er findet dort keine Weisheit im Sinn Ciceros.

Als 20-Jähriger liest er Aristoteles' Kategorienschrift und findet die Subs-tanz (substantia, für Augustinus synonym mit essentia; substantia bei Platon: Idee) als wichtigste Kategorie (= grundlegendste Weise ein Seiendes als sol-ches anzusprechen).

Augustinus liest auch (wenngleich aus sprachlichen Gründen wieder nur teilweise) Platon, insbesondere den naturphilosophischen Dialog Timaios, ebenso Phaidon und das Symposion. Davon abgesehen ist er eher von Mittel- und Neuplatonikern beeinflusst.

Der Stoizismus ist ein weiterer wichtiger Einfluss, aber nur in eklektizisti-

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scher Weise, z. B. was die Lehre der Zustimmung (zu Gefühlen usw.) betrifft, andere Elemente (beispielsweise die Bedeutung der Autarkie) lehnt er ab.

1. ManichäismusNach der Lehre des Mani muss man sich aus dem Reich der Finsternis in das Reich des Lichts hinüberretten, was Dank des Abstiegs des Boten aus dem Lichtreich möglich wird. Man muss also – ähnlich wie im Platonismus, man denke ans Höhlengleichnis  – anfangs zur Umkehr gezwungen werden (vgl. auch das Bibelwort: compelle intrare, »zwingt sie einzutreten«).

Der Manichäismus lehrt zwei Seelen: Wenn wir uns selbst erfahren, erfah-ren wir uns dualistisch: als gute Seele, aber auch zurückgehalten, gehemmt, verletzt. Es folgt der Schluss von der Selbsterfahrung zur Welterfahrung.

Augustinus' Einwand: Der behauptete Kampf zwischen den ersten Prinzi-pien impliziert Veränderlichkeit bzw. Leidensfähigkeit Gottes, was im Wider-spruch zu seiner vorausgesetzten Unwandelbarkeit steht. (Vgl. Politeia, Bücher 2–3: Erziehungszusammenhang; dort auch erstes Auftretten des Wortes theo-logía) (Wenn Gott vollkommen gut ist, könnte er sich grundsätzlich nur zu etwas Schlechterem verändern.)

2. Skeptizismus und Neuplatonismus (383–385)Wenn Augustinus besonders gründlich argumentieren will, dann tut er das in anti-skeptizistischer Weise: Dieses oder jenes kann nicht bezweifelt werden. Augustinus findet skeptische Argumente bei Cicero, der die Gedanken der (skeptischen) Neuen Akademie zugänglich macht. Die Skepsis bei Cicero richtet sich allerdings nicht gegen religiöse Inhalte (vgl. Cotta in De natura deorum ist Skeptiker und zugleich Priester).

Augustinus beschäftigt sich speziell mit den akademischen Skeptikern Ar-kesilaos und Karneades. Beispielsweise versucht er das Traumargument zu entkräften, welches darauf aufbaut, dass im Traum Gewissheit und Wahrheit

auseinander fallen. Aber, so Augustinus, nicht alles ist dort ungewiss, beispiels-weise kategoriale Wahrheiten, der Satz vom zu vermeidenden Widerspruch, oder Zuschreibungen der Art »das Ruder erscheint mir geknickt«.

Augustinus unterscheidet nicht zwischen Mittel- und Neuplatonismus, zu-meist bezieht er sich auf Plotin und Porphyrios. Im Prinzipienbereich sei Plo-tin derjenige, der Platon darlegt. Porphyrios bezeichnet er als den gelehrtesten und bedeutendsten Philosophen.

Der Platonismus postuliert eine 2-Welten-Lehre. Ideen sind rein intelligi-bel, zeitlos, wandellos, sind causa exemplaris. Auf der anderen Seite, der Welt der onta (Wahrnehmungsgegenstände), sind die Dinge stets in Bewegung, sie sind sinnlich wahrnehmbare Abbilder, zeitlicher Nachvollzug zeitfrei ewiger Strukturen. Das Denken ist der bewegte Nachvollzug der Ideen. Bei Augusti-nus sind – im scheinbaren Gegensatz zum populären Platonismus – Ideen Ge-danken Gottes. Allerdings: Platons Handwerker-Gott (der demiurgos) und die Ideenwelt (im Christentum: logos) werden von Platon nur aus pädagogischen Gründen als 2 Wesen außer einander dargestellt, eigentlich sieht sich Platon selbst als Prinzipienmonist. Die Stufenordnung der Wirklichkeit ermöglicht Abstufungen des Einen (Plotin: »Alles was ist, ist aus dem Einen ausgeflos-sen«), wo bei den Manichäern eine dualistische 2-Teilung angesetzt wird. Jede Stufe sucht sich zu vervollkommnen, indem sie sich auf die jeweils höhere hin richtet (exitus—redditus; vgl. Jens Halfwassen, »Plotin und der Neuplatonis-mus«). Das Böse verliert von daher seine Substanzialität, Selbständigkeit und Unvermeidlichkeit.

3. Zeit bis zur Bekehrung (386)Wichtigste Autorität für Augustinus in dieser Zeit ist der Mailänder Bischof Ambrosius, der seinerseits Neuplatoniker ist und einen damit kompatiblen (christlichen) Gottesbegriff hat. Autorität wird eine wichtige Bestimmung, al-

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lerdings nicht als Gegensatz oder Ersatz zum eigenen Denken, sondern in dem Sinn, dass eine Lehre zunächst glaubhaft verkörpert und (in einer Ge-meinschaft) dargestellt sein muss (vgl. Lessings »Die Erziehung des Men-schengeschlechts«), um sich danach selbständig denkend zu ihr zu erheben.

Ambrosius legt das AT so aus, dass es für Neuplatoniker – die sich an an-thropomorphistischen Gottesdarstellungen stoßen (Zorn, Herabsteigen, Reue Gottes, etc.) – annehmbar wird. Gedanken soll nichts Körperliches anhaften, wenn es um Gottes Seele geht, denn sie sind selbst nicht körperlich. »Un-ter dem schweren körperlichen Buchstaben des AT schaut der Geist hervor« (spiritus et littera).

Augustinus sieht viele Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Pla-tonismus: »Die Platoniker, sie bräuchten nur wenige Worte und Sätze zu än-dern, und sie wären Christen.« (De vera religione) Ihnen fehlt lediglich das verwirklichte Beispiel des Abstiegs (descensus) als ontologischer Mittler. In den Confessiones VII schreibt Augustinus: Ich habe bei Paulus [Anm.: pars pro toto] wiedergefunden, was ich aus dem Platonismus schon wusste, aber mit Rückverweis auf Deine Gnade.

4. Zu den Confessiones:Die Confessiones beschäftigen sich mit der Geschichte eines Individuums, der Einzelne wird bedeutend auf Grund der Lehre von der Inkarnation. Er be-schäftigt sich mit den Zeitformen: Sie dauern unterschiedlich lange, können durcheinander kommen (»Die Vergangenheit kommt sehr nahe heran«). Die innere Welt hat viel mit Vergangenheit und Gewohnheit zu tun. Vergangen-heit ist lebendig in der Gegenwart. Die Gewohnheit spielt eine erhebliche Rolle, denn sie bestimmt die Willensausrichtung.

In Buch IX, der Vision von Ostia, legt Augustinus dar, dass wir Sinnlich-keit und Einbildungskraft (phantasia, imaginatio) transzendieren müssen. Bei Aristoteles noch ist Denken ohne Einbildungskraft nicht möglich, sie gehören

notwendig zusammen, ebenso und insbesondere später bei Thomas von Aquin: Wir brauchen zuerst Vorstellungsbilder, aus diesen abstrahieren wir intelligi-ble Formen (Spezies und Genus), mit denen wir denken können. Bei Platon ist das schon möglich: Ein einzelnes sinnliches Datum würde grundsätzlich ausreichen, um sich an die zugehörige Idee und alle anderen Ideen zu erinnern.

Zur Zeitabhandlung (speziell Buch XI):Die Zeitabhandlung resultiert aus Augustinus' Genesis-Exegese. Er stellt sich die Frage: Was bedeutet Schöpfung? Platon und Aristoteles kennen keine creatio (ex nihilo), nur generatio (Hervorbringen einer Substanz aus Materie) und alteratio (Veränderung einer akzidentellen Bestimmung, an etwas, das seiner Substanz nach gleich bleibt). Es stellen sich bei der Exegese genauer 3 Fragen:• Was heißt: »Im Anfang schuf Gott …«• In welchem Sinn schuf er durch das Wort?• Was tat Gott vor der SchöpfungDie dritte Frage führt zum Zeitproblem. Augustinus schiebt zunächst einmal die platonische Unterscheidung zwischen aion (Ewigkeit) und chronos (Zeit-lichkeit) beiseite. Er bestimmt die beiden Formen gegensätzlich: stans eternitas (stehende Ewigkeit – kein endloses Hintereinander, sondern etwas, das durch Zeitbestimmung überhaupt nicht affiziert ist) vs. tempora nunquam stantes (die niemals stehenden Zeiten).

Die Zeiten sind als Gegenwarten in uns (»tempus est in anima«), d. h. die Gegenwart ist allen Zeiten vorgeordnet. Die verschiedenen Gegenwarten hei-ßen Gedächtnis, Präsenz und Erwartung. Die Seele schafft Einheit, ist Angel-punkt, und ermöglicht so die Zeiterfahrung. Aber die Zeitlichkeit distanziert uns auch von dem Einen. Die Seele kann den Moment nicht fassen, er zerrinnt mit der Zeit, sofern ihm nicht von wo anders Einheit geschaffen wird. Die Theorie verliert sich nicht in Subjektivierung, weil die Weltseele hinzukommt,

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die einen intersubjektiven Maßstab ermöglicht. Die Außenzeit beruht somit auf der Weltseele, die Innenzeit auf der Verbindung von Einzelseele und Welt-seele.

Die Weltseele ist schon bei Platon wichtig, sie ist – als creatura (Geschöpf ) – das organische Lebensprinzip des Universums.

5. ErkenntnistheorieDie zentralen Begriffe von Augustinus' Erkenntnistheorie sind memoria und illuminatio. Die illuminatio gewinnt im Laufe seiner Werke immer stärker an Bedeutung, inhaltlich ändern sich ihre Bestimmungen aber nicht. Die memo-ria-Lehre stützt sich auf die platonische anamnesis-Lehre.

Wahrnehmung ist aktive Aufmerksamkeit/Ausrichtung der Seele auf ge-wisse körperliche Merkmale (Eindrücke), sie entspricht in etwa dem äußeren Sinn bei Aristoteles. Die Vorgänge des Auswählens, Messens und Bewertens benötigen aber auch einen inneren Sinn. In der aristotelischen Systematik kommen diese Aufgaben dem Gemeinsinn zu (denn sie können auch von Tieren vollzogen werden, die allerdings keine Vernunft haben). Sie gehen ei-nerseits über das Sehen/Hören/etc. hinaus, sind aber andererseits noch nicht Denken im eigentlichen Sinn. Im Zusammenhang mit dem inneren Sinn ge-winnen die Zahlen große Bedeutung, denn sie führen über Wahrnehmung hinaus. Sie verweisen auf etwas, das es in der sinnlichen Wirklichkeit nicht gibt, nämlich Unendlichkeit und Unteilbarkeit. Sie sind das Instrument, mit dem die Welt geschaffen wurde und in ihrer Ordnung gehalten wird (vgl. den Pythagoreismus).

Ideen sind Gedanken im Geist Gottes. Gott ist die Idee des Guten und gleichzeitig Erkenntnis- und Seinsgrund. Gott denkt beim Denken der Ideen sich selbst.

Die phantasia ist nicht ein weiterer Schritt zur Versinnbildlichung der Ideen, sie hat vielmehr verführerische Tendenz. (Vgl. dazu das 6. Buch von De musica,

in dem Augustinus versucht, den Irrtum grundsätzlich auf die phantasia zu-rückzuführen.) Augustinus setzt also intellektuell und intelligibel gleich.1

Die memoria ist die Grundlage des Wissens. Augustinus weitet die platoni-sche Anamnesis-Lehre noch aus, indem er sich auf Plotin beruft, und weist ihr 3 Aufgaben zu:1. die Konstitution/Reproduktion von sinnlichen Erfahrungen2. die Umformung von Erfahrungen3. die freie Erfindung von Erfahrungen

Es gibt viele Felder der memoria:• immerpräsente Gedanken, die je bereits vorhanden sind (per praesentiam).

Ein Beispiel: Nur weil wir den Begriff des Glücks (beatitudo) bereits in der memoria haben, können wir danach streben.

• Grundlage zur (Vor-)Beurteilung von Erfahrung• Nur durch die memoria können wir mehrere aufeinanderfolgende Blicke

auf ein Ding als Blicke auf dasselbe Ding identifizieren.• Erinnerung ans Vergessen (allerdings stehen die beiden nicht auf gleicher

Ebene). Vergessen wird als steresis, als Beraubung verstanden (der letzte Grund hierfür ist der Sündenfall).

• Selbstbewusstseinsmoment der memoria: Die memoria fasst sich durch sich selbst; sie ist sich selbst durch sich selbst gegenwärtig.

1 Kants Definition von intellektuell/intelligibel: »Intellektuell sind die Erkenntnisse durch den Verstand, und dergleichen (Erkenntnisse) gehen auch auf unsere Sinnenwelt; in-telligibel aber heißen Gegenstände, sofern sie bloß durch den Verstand vorgestellt werden können, und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann.« (Prolegomena § 34, Fußnote 11).

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6. Zur illuminatio (Erleuchtung):Die Menschen (eigtl. die ratio) sind Abbild Gottes. Die Lichtmetaphorik, der sich auch der Begriff der illuminatio bedient, kommt sowohl in der Schrift (»ego sum lux mundi«) wie auch in der philosophischen Tradition (Platon, Parmenides) häufig zum Ausdruck. Erkenntnis wird als Erleuchtung gefasst, es bedarf der Präsenz des inneren Lichts (= Gott). Illuminatio wird allerdings nicht okkasionalistisch verstanden: Der Mensch wird ständig erleuchtet, macht aber nicht immer rechten Gebrauch davon, ebenso wie das Licht auf Sehende genau wie auf Blinde scheint.

Augustinus entwickelt auch ein cogito-Argument, das man im 2. Buch von De libero arbitrio und später auch im XI. Buch von De civitate Dei findet: Nur was existiert kann getäuscht werden (»si enim fallor, sum«). Der Stellenwert dieser Erkenntnis ist nicht so zentral für Augustinus wie für Descartes, aber er überwindet dadurch den Skeptizismus. Der Geist kann nichts von dem sein, was ungewiss ist.

Über die Selbsterkenntnis gelangt Augustinus zur Gotteserkenntnis, er führt das »ich erkenne« auf ein »ich werde erkannt« zurück, denn Veränderli-ches setzt unvergängliche Bewertungskriterien voraus. Die Wahrheit ist ewig, sie ist der Ideenkosmos.

Der Glaube ist zwar, psychologisch gesehen, Ausgangspunkt seiner Überle-gungen, Augustinus will aber strenge Beweise (demonstrationes) liefern.

7. Zur Sprach- und ZeichentheorieWichtigste Schrift zu dem Thema ist De magistros. Man denke zurück an die Neuplatonische Stufentheorie: Jedes Seiende verweist auf die höhere Stufe, aus der es hervorgegangen ist (bei Plotin: Spur). Ähnlich verhält es sich mit dem Zeichen (semeion), man denke auch an Joh.: Die Wunder Christi sind Zeichen; sie verweisen innerhalb der sinnlichen Wirklichkeit auf etwas, das diese transzendiert.

Die gesprochene Sprache braucht Lauteinheiten. Das verbum (lautliches Wort) und das dicibilem (begrifflicher Inhalt, das Gemeinte) verbinden sich beide zur dictio (Wort als Einheit dieser beiden Aspekte). Wir gelangen zu dieser Ein-heit durch das Hinweisen des Wortes auf eine Sache (res; sie ist bei Aristoteles die causa f inalis des Wortes).

Wir sprechen, um1. Wissen zu vermitteln oder um2. andere oder uns selbst an etwas zu erinnern. Zum Beispiel im Gebet:

Über das Sprechen von Gebeten findet man die Präsenz Gottes in einem selbst (d. i. Erinnerung wegen der memoria-Bestimmung).

Sinnvolles Sprechen setzt immer schon Sachwissen voraus (–> illuminatio). Letztlich können wir nicht durch einen gewöhnlichen Lehrer, sondern nur durch einen »inneren Lehrer« lernen.

Worte sind wichtig zur Erkenntnis, aber wollen wir oberste Inhalte erfassen, so müssen wir transzendieren (vgl. Neuplatonismus) und bei Augustinus schließ-lich natürlich wieder inkarnieren. Wenn das schlechthin Einfache, das Eine, berührt werden soll, so reichen Worte nicht aus. Augustinus schwächt aber die neuplatonistische Unnennbarkeit Gottes – nach der man dem Einen sogar das Sein absprechen müsse – ab.

8. Weltordnung und malumAugustinus interessiert sich vor allem für zwei Dinge: deus et anima mea. Wenn man als oberstes Prinzip die Idee des Guten ansetzt, ergibt sich natürlich auch für Augustinus bald die Frage nach dem Ursprung des Bösen: Unde malum? Aristoteles löst dies durch seine Zufallstheorie; Platon führt das Böse auf die Notwendigkeit als eine zweite Ursache zurück.

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Stoisch gefragt: Warum gibt es neben dem Weisen (dem sapiens) auch den Toren (den stultus)? Anfangs gibt Augustinus eine intellektualistische Antwort und erklärt diese Möglichkeit durch den Hinweis auf den freien Willensent-schluss, das Böse wird dadurch zum Irrtum. Torheit ist wie die Finsternis, die niemand sieht, d. h. privatio. Später vertritt er eine voluntaristische Auffassung, dazu später.

9. Ethische LehrenEinfach zusammengefasst: Man soll so leben, wie der Weise lebt (vgl. Stoizis-mus). Auch hier wieder die Bewegung vom Intellektualismus zum Voluntaris-mus. Ziel des Lebens des Weisen ist die visio dei, eine rein intellektuelle Schau.

In De beata vita (Über das glückselige Leben) schreibt Augustinus, dass Glück das letzte Ziel ist. Allerdings macht nicht alles, was erstrebt wird, auch tatsächlich glücklich, deswegen muss man 1) nach dem Guten streben, und das Gute soll 2) auch dauerhaft besessen werden. Das heißt: Das Gute muss in sich dauerhaft und unwandelbar sein. Augustinus schreitet also direkt aus glücks-theoretischen Überlegung zur Theologie. Glück entsteht durch Nachahmung Gottes, d. h. es ist stark mit Tugend und Vernunft verknüpft. Wir sind Abbild Gottes, und wir sollen dies auch sein. Wir haben ein pondus (Gewicht/Schwer-kraft) in der Seele, nämlich die delectatio (Freude, Liebe zu Gott) –  pondus meum amor meus –, woraus die Rückkehrtendenz der Seele zu Gott folgt.

In seinem späteren Werk kritisiert er diese frühen ethischen Bemerkungen wegen ihrer Leichtigkeit und Naivität. Von uns selbst aus können wir uns nicht aus dem malum-Bereich befreien. Seine frühe Lehre erscheint dadurch als sehr pelagianistisch. (Pelagius: »Da die Vollkommenheit dem Menschen möglich ist, ist sie verpflichtend.«)

10. Lehre von der pulchritudoDie Lehre von der pulchritudo wird einerseits in der uns nicht überlieferten

Schrift De pulchro et apto entwickelt, andererseits in den Schriften De vera religione und De musica.

Das sinnliche Gefallen weist immer über sich hinaus (vgl. Phaidros), das Schöne ist Stellvertreter ideenhafter Wirklichkeit im Sinnlichen. Platon behauptet im Symposion sogar, dass die Idee der Schönheit sinnlich wahr-genommen werden kann (was wahrscheinlich nicht wörtlich zu verstehen ist). Schönes gefällt aufgrund der Zahlen (»pulchra numero placet«). Letztlich ru-fen aber nicht die Zahlen, sondern die Formen (platonische Ideen) Schön-heit hervor. Die forma omnium (Form aller Dinge) schließt creatio ex nihilo ein. Schönheit ist daher erst dort vollständig wirklich, wo die Einheit keinen Anteil mehr an der Vielheit hat, also beim obersten Wirklichkeitsprinzip. Das Sein, das Eine, das Gute, das Wahre und das Schöne bedingen sich gegenseitig (ens et unum et bonum et verum et pulchrum convertuntur) nach Art einer wech-selseitigen Implikation. Wahrnehmung ohne jegliche Einheit ist unmöglich, weswegen überall auch Spuren der Schönheit vorzufinden sind.

Einschub (?): Vom Jahr seiner Priesterweihe an (391) befasst sich Augustinus immer intensiver mit der heiligen Schrift. Einzelne Teile des Neuplatonismus (der Aufstieg) können ganz einfach in die christliche Tradition übersetzt wer-den. In anderen Teilen stellt er große Differenzen fest, nämlich was den Ab-stieg betrifft (Inkarnation), die Gnadenthematik und den Primat des Willens.

11. Populus Dei und die Predigt (2. Teil von De civitate Dei)Der wichtigste Begriff in diesem Zusammenhang ist die Erlösungssehnsucht, Endlichkeitserfahrungen (Leid, Tod, malum, das moralisch Böse, …) werden damit besonders wichtig. Für Augustinus wächst die Kluft zwischen alltäg-lichen Erfahrungen und dem obersten, unaffizierbaren Gott: Die Welt, sie liegt »in den tiefsten Tiefen des Weltalls«. Der Mensch ist in einen Kampf (agon) verwickelt, Kampfplatz ist der mundus (die Welt) bzw. cor (das Herz).

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Ursprung des Kampfes (bzw. der beiden Gemeinschaften) ist somit ein spiri-tueller, worin wieder die systematische Wichtigkeit des Willens deutlich wird.

Voraussetzung aller augustinischen Überlegungen ist immer die intellektu-elle Superiorität des Christentums, sowie die Autorität und besondere Digni-tät der Bibel.

12. Zur TrinitätAugustinus’ Trinitätslehre ist in der Hauptsache in De trinitate (399–419 ent-standen) dargelegt. Die Welt, so Augustinus, ist Theophanie: Der Geist (mens) des Menschen ist als Abbild Gottes (imago dei) aufzufassen. Er erkennt sich selbst und ist Voraussetzung aller weiterer Wahrheiten. Der Geist ist wesent-lich ein Sich-selbst-Wissen, das auch das Wissen um Nicht-Wissen umfasst. Er ist eine eigene Wesenheit (was theologisch vielleicht problematisch ist) und ist nicht vorstellbar, sondern nur rein intellektuell denkbar. Selbstbewusstsein ist der Anblick dessen, was im Geiste per praesentiam anwesend ist.

Nach Porphyrios ist der Geist eins und enthält verschiedene Elemente, die unvermischt vereint werden.

Der menschliche Geist, so Augustinus, ist zwar nach dem Sündenfall de-formiert, er bleibt aber imago dei, bildet also die göttliche Trinität ab. Er hat (entsprechend dem Erinnern, Einsehen und Wollen) die 3 Komponenten1. memoria,2. intelligentia und3. voluntas,die nur gemeinsam auftreten, aber jeweils eigene relative Selbständigkeit und Selbstbezüglichkeit haben.

Memoria ist diejenige Instanz, die der Einsicht ihre Gegenstände vorhält. Dabei ist memoria exterior das Gedächtnis, verantwortlich für die Erinnerung empirischer Inhalte. Die memoria interior erlaubt einem, sich auf den Grund von allen Selbsterkenntnistätigkeiten überhaupt zurückzubesinnen. Sie hat zu

tun mit dem expliziten Denken dessen, das immer präsent ist, dem Denken vor dem Denken (vgl. Aristoteles: Jedes Wissen stammt von einem Wissen).

13. Geschichte, Staat, GesellschaftWeltgeschichte ist für Augustinus ein einheitlicher und zeitlicher Vorgang (also kein Kreislauf ), sie hat einen Anfang und ein Ende. Diese Charakteristi-ka sind nicht selbstverständlich. Er interpretiert Platon dahingehend, dass der Kosmos zwar einen Anfang, aber kein Ende hat, denn der gute Demiurg will das Bestehen des guten Kosmos. Unklar ist, ob Platon wirklich einen »zeitli-chen Anfang« des Kosmos gemeint hat.

Weltgeschichte hat ein jenseitiges, eschatologisches Ziel. Sie ist ein Kampf zwischen zwei Reichen (bei Platon sind es fünf Staatsformen). Ursprung, Fort-gang und Ende der Reiche sollen in De civitate Dei untersucht werden.

Augustinus unterscheidet zwei Arten/Anhänglichkeiten von Menschen, die Zugehörigkeit zu einem der Staaten ergibt sich aus der Willenssetzung eines obersten Ziels. Er wendet sich aber immer stärker von der Konzeption eines von vornherein freien Willens ab: Nur wer durch Gnade bestimmt ist, das höchste Gut zu verfolgen, der hängt dem Gottesstaat an. Geschichte wird von Augustinus als Rückkehr/Aufstieg der Seele zum Einen verstanden.

Die Weltalterlehre hat für ihn hingegen kaum Bedeutung. Es gibt nicht so etwas wie eine Kontinuität geschichtlichen Fortschritts. Die Staaten ins-gesamt stehen in einem einheitlichen weltgeschichtlichen Gesamtablauf. Der Unterschied zwischen den empirischen geschichtlichen Staaten wird damit radikal nivelliert.

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IV. Konspekt2

EinleitungAugustinus zögerte sehr lange, bevor er die Bücher schrieb, es ist aber sein selbstbewusstestes Werk. 413 erschienen die Bücher 1–2. Er richtet sich an ein gebildetes Publikum, insbesondere an konservative Heiden, und will in den Büchern 1–10 die Überlegenheit des Christentums demonstrieren. Gleichzei-tig versucht er an einigen Stellen durch zahlreiche Zitate seine Kenntnis römi-scher Autoren wie Cicero und Vergil zur Schau zu stellen.

Unmittelbarer Anstoß des Werks ist der Vorwurf, für den Fall Roms sei das Christentum verantwortlich. Gleich im ersten Buch legt Augustinus dar, dass der Verfall römischer Moral längst vor dem Auftreten des Christentums eingesetzt habe.

Die Bücher 1–5 beschäftigen sich mit jenen Menschen, die Götter verehren, um Glück auf Erden zu erlangen. Bücher 6–10 mit denjenigen, die Götter verehren, um ewiges Glück zu erlangen.

Eine vielleicht bessere Einteilung trennt die Bücher 1–7 von den Büchern 8–10, indem sie sich an dem stark ansteigenden Niveau der Diskussionspartner orientiert.

Bücher 11–14 beschreiben den Ursprung der zwei Reiche, 15–18 ihre Ent-wicklung und 19–22 schließlich ihren Ausgang.

Die zentralen Themen der ersten fünf Bücher sind:1. Die Säkularisierung: Durch die Trennung der Einheit von Politik und

Religion werden Staat und Politik relativiert, die eigentlichen Interessen

2 Alle Zitate (Stellen teilweise nur unvollständig, anreißend zitiert) beziehen sich auf:Aurelius Augustinus: Vom Gottesstaat. Buch 1 bis 10. 19852, München: DTV Aurelius Augustinus: Vom Gottesstaat. Buch 11 bis 22. 1978, München: DTV

können nicht auf dieser Ebene befriedigt werden. Bei Platon gab es noch eine Identität von Staat und Seele. Es stellt sich die Frage, was dann noch der Staat ist (anders als eine Räuberbande) (vgl. Buch 4).

2. Geschichte ist keine Fortschrittsgeschichte, sie impliziert notwendig auch Niederlagen: Schon vor dem Christentum gab es Katastrophen im römi-schen Reich, seine Verfallsgeschichte kulminiert in den Bürgerkriegen im 1. Jhd. v. Chr. Rom ist dabei keine Ausnahme unter den großen Reichen.

3. Gibt es einen Plan der Geschichte? Münden Vorsehung (providentia, sie ist causa f inalis) und Schicksal (fatum, dieses ist causa eff iciens) in den Zu-fall? Dass Kriege stattfinden steht nicht im Widerspruch zur Vorsehung. Prädestination bedeutet außerdem nicht schon Determinismus. Die Rol-le Gottes bei der Prädestination ist zweierlei: Einerseits lenkt Gott die Geschichte (per se), andererseits lässt er sie auch zu (per accidens). Dies führt aber zur Unde-malum-Frage: »Warum scheint die Sonne auch für böse Menschen?« (vgl. etwa Buch 1, Kap. 8)

4. Polytheismuskritik:a. Augustinus betont die enorm große Zahl der römischen Götter. Im-

manente Probleme des Polytheismus führen zu immer und immer mehr Göttern, es werden außerdem Mittlerwesen gebraucht, wenn der oberste Gott nicht richtig gedacht ist.

b. Durch die Vielzahl der Götter entstehen Probleme der Verhältnis-bestimmung: Jeder Gott tendiert dazu, der größte Gott zu werden.

c. Der Polytheismus leidet an einem grundsätzlichen Mangel an Transzendierungsfähigkeit. Der Neuplatonismus ist wenigstens in der Lage, von allem zu abstrahieren, es gibt hier schon die klare Trennung zwischen creator (Schöpfer) und creatura (Geschöpf ), alle Wirklichkeits-/Emanationsstufen befinden sich auf der einen Seite, der auf der anderen Seite das Eine/Wahre/… gegenübersteht.

5. Die Menschen der civitas terrena bedienen sich einer »edlen Lüge« (Pla-

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ton), indem sie Vergängliches absolut setzen. Augustinus schreibt Sallust um: Die Geschichte Roms wird zur Geschichte einer Gemeinschaft ohne Christentum, weswegen es auch keine einheitliche Ausrichtung gibt und es letztendlich zu Bürgerkriegen kommt.

6. Die moralische Größe der Römer hat ihr Reich wenigstens vergleichs-weise lange andauern lassen. So ermöglicht ihnen beispielsweise ihre ex-treme Ruhmesliebe das Transzendieren vieler Interessen und damit auch das Ertragen von Entbehrungen.

Buch 1Kriege werden als moralische Relativierung aufgefasst, mitunter sind sie auch signa (Zeichen, vgl. Buch 5), Darstellungen der Umkehr (conversio): »Wenn sie bei rechtem Verstande wären, sollten sie vielmehr das Bittere und Harte, das sie von den Feinden erlitten, auf die göttliche Vorsehung zurückführen. […]« (Kap. 1, S. 5).

In Kapitel 8 schreibt Augustinus über (Un-)Angenehmes, welches Bösen und Guten gleichermaßen zukommt. Das Leben muss zwar transzendiert werden, es ist aber nicht unwichtig. In der Welt ereignet sich viel Irrsinn und Gleich-gültigkeit des Geschehens gegenüber den Ertragenden, was durch die Tren-nung zwischen irdischer und eigentlicher Welt aufgelöst wird.

Es muss so etwas wie revelatio (Offenbarung) geben, denn andernfalls wür-de der Glaube enden. Zusätzlich wird sie notwendig, um uns zu den grund-legenden Fragen zu führen und die Alltagserfahrung zu transzendieren. Man vergleiche das mit der sinnlichen Wahrnehmbarkeit des Schönen bei Platon: Es muss in der sinnlichen Welt einen Anstoß geben, der zum Denken über sie hinaus anregt.

»Doch lässt Gott häufig auch bei der Verteilung der irdischen Lose seine Hand deutlich genug spüren. […]« (Kap. 8, S. 13f ) Würde jede Sünde offen-

kundig bestraft werden, so käme es zu einer Identität der zwei Welten. Würde er umgekehrt keine Sünde bestrafen, fielen die zwei Welten in dualistischer Weise auseinander. An den Zeichen in der Geschichte zeigt sich ihre Unselb-ständigkeit.

Durch das jüngste Gericht kommt es zur Entfanatisierung (?) des Weltge-schehens.

»[S]o trachte man vor allem nach der wahren Tugend, damit durch sie auch der Staat glücklich werde. […]« (Kap. 15, S. 29) Der Staat ist nichts anderes als eine Einheit von Menschen (d. h. der Einzelne ist vorrangig), weshalb sein Ziel im Glück der einzelnen Menschen liegen muss. Eine derartige Einheit kann nur durch die Tugend zustande kommen, die am bonum commune (Ge-meingut) ausgerichtet ist, was wiederum nur sinnvoll möglich ist, wenn dieses am Endziel partizipiert.

Buch 2»Es regnet nicht. Wer ist Schuld? Die Christen!« (Kap. 3, S. 63)

»Daher will ich mir Beschränkungen auferlegen […]« (Kap. 18, S. 84)»[W]as sollen wir dann von dem darauf folgenden Zeitalter sagen und ur-

teilen, in dem [der römische Staat] sich, um mich der Worte [Sallusts] zu be-dienen ›allmählich wandelte und aus dem schönsten und besten der häßlichste und abscheulichste wurde‹, nämlich, wie bereits erwähnt, nach dem Untergang Karthagos?« (Kap. 18, S. 86)

Der Staat nach römischem Muster ist hedonistisch (Kap. 20), Augustinus spricht von einer künstlich aufgeregten Welt.

»Doch wenn man auch nach dem Manne nichts fragt […]« (Kap. 21, S. 90)»Was die Musiker beim Gesang die Harmonie nennen, ist im Staate die

Eintracht, das festeste und beste Band der Wohlfahrt, und ohne Gerechtigkeit ist sie undenkbar.« (Kap. 21, S. 91) Augustinus wird diese Staatsdefinition spä-ter modifizieren, weil der Staat aus Sündenfallgründen nur konventionell ein-

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gesetzt wird (es gibt also keine substantielle Gerechtigkeit wie bei Platon (?))

Buch 3Die Römer werden von ihrer Herrschsucht beherrscht. ≈«Wenn wir den Schleier […]« (Kap. 14, S. ?)

Buch 4»Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räu-berbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anders als kleine Reiche.« (Kap. 4, S. 173) »remota iustitia« kann konditional (»wenn Gerechtigkeit fehlt«) aber auch unkonditional gelesen werden. Es gibt einen Unterschied zwischen guter und schlechter Politik.

Zu den immanenten Problemen des Polytheismus und dessen natürlicher Affinität zum Pantheismus äußert sich Augustinus in Kapitel 8. Die vielen Götter tendieren dazu, Aspekte eines Gottes zu sein.

Buch 5In den ersten Kapiteln widerlegt Augustinus die Bedeutung des Zufalls und des Sternenschicksals für die Größe des römischen Reiches. Es regiert Vorse-hung, nicht Schicksal. Cicero meint, er könne die Astrologie nur dann wider-legen, wenn er das Vorherwissen generell leugne, aber Augustinus entgegnet: »[W]enn er Gottes Dasein zugibt, aber sein Vorherwissen des Künftigen leug-net, behauptet er tatsächlich auch nichts anderes, als was jener Tor in seinem Herzen spricht: ›Es ist kein Gott.‹« (Kap. 9, S. 240) Manche Ursachen ent-springen dem Willen, manche der Natur, das steht nicht im Widerspruch zur Vorsehung.

Eigenschaften wie Ruhmsucht und Patriotismus haben Rom groß werden lassen, insofern, als sie manche schwerere Laster unterbinden können, wie in

dem Sprichwort »Wer schläft, sündigt nicht.« (Kap. 12–21).Die Dauer und das Resultat von Kriegen hängt von der Vorsehung ab

(Kap. 22–23). In den Kapiteln 24–26 streicht Augustinus die Neuerungen eines christlich gewordenen Imperiums anhand von Konstantin und Theodosius hervor. Es stellt sich die Frage: Wie kann man überweltlich in der Welt leben? Gerechtigkeit, Nachsicht, Milde und Güte sind spezifische Eigenschaften ei-nes christlichen Herrschers. Es kommt zu einer Selbstrelativierung des Herr-schers, zu einer Hinordnung auf ein transzendentes Maß. Es muss christliche Herrscher wie Konstantin in der Welt geben, damit die komplette Wirklich-keit nicht in zwei völlig unabhängige Seiten zerfällt: »Damit nun niemand, der des Glaubens ist, um des ewigen Lebens willen Gott anrufen zu müssen, sich einbilde, hohe Würde und irdische Herrschaft könne nur erlangen, wer bei den Dämonen Hilfe suche, da das der Machtbereich dieser Geister sei, hat Gott in seiner Güte den Kaiser Konstantin […] mit solcher Fülle irdischer Gaben gesegnet, wie niemand sie sich zu wünschen gewagt hätte.« (Kap. 25, S. 275)

Buch 6Nachdem in den Büchern 1–5 gezeigt wurde, dass die heidnischen Götter nicht des irdischen Wohls wegen verehrt werden sollen, zeigt er in den Büchern 6–10, dass sie auch nicht des jenseitigen Wohls wegen verehrt werden dürfen.

In den Büchern 6 und 7 wird die große Achtung deutlich, die Augustinus gegenüber Marcus Varro hat. Varro mache die Römer erst mit ihrem Glauben bekannt. Er trennt menschliche und göttliche Dinge, räumt aber den mensch-lichen Dingen den Vorrang ein. Theologie wird als systematische Lehre von den Göttern gefasst.

Augustinus übernimmt die Dreiteilung der Theologie von Varro (links Var-ro – rechts Augustinus):1. genus mythicon – theologia mythica (geschaffen von Dichtern)2. genus physicon – theologia naturalis (geschaffen von Philosophen)

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3. genus civile – theologia civilis (geschaffen von Bürgern).Die beste/erstrebenswerteste Form der Theologie ist die natürliche Theologie.

Buch 7Augustinus demonstriert, dass theologia mythica und theologia civilis sich nicht wirklich unterscheiden lassen. Eine Rückführung heidnischer Göttervorstel-lungen (bürgerliche Theologie) auf philosophische Positionen (natürliche Theologie) könnte weiters die grundsätzlichen Polytheismusprobleme nicht beseitigen: Es gibt in der bürgerlichen Theologie keinen Gott, der ewiges Le-ben verleihen kann, es müsste ein ausgezeichneter Gott sein, was alle anderen Götter zu Dämonen herabstufen würde.

Varro fasst die Götterwelt als Manifestation der Weltseele (Kap. 5 und 6). Mythische Deutungen sind für Augustinus nur bei Platon in anspruchsvoller Form zu finden.

Jede Theologie ist bis zu einem gewissen Grad auch natürliche Theolo-gie (für den frühen Augustinus sogar vollständig). Die natürliche Theologie Varros erhebt sich nur bis zur Weltseele. Allerdings ist Augustinus zufolge Gott nicht die Seele aller Dinge, sondern ist selbst Erschaffer der Seelen.

Varro unterscheidet drei Stufen der Seele:1. die Pflanzenseele, sie durchdringt alle natürlichen Dinge, kommt aber

noch vor jeglicher Sensibilität,2. diejenige Seele, die Sensibilität gibt und sich bis zu unseren Augen etc.

erstreckt, und3. der Geist, wo die Intelligenz den höchsten Platz einnimmt.Der dritte Teil, so Augustinus, entspricht Gott.

Inkonsistenzen müssen bei den Heiden bleiben, weil sie die Weltseele nicht transzendieren und Schöpfer und Geschöpf zusammenbringen.

Buch 8Die natürliche Theologie ist der Kulminationspunkt der Metaphysik, der prōtē philosophia. Metaphysik besteht aus Ontologie und Theologie. Augustinus setzt sich ab nun also mit intellektuell hoch stehenden Philosophen auseinan-der, schränkt sein Interesse aber auf diejenigen ein, die sich mit einer Gottheit beschäftigen, die sich 1) um uns kümmert und 2) eine höchste, vollkommene Gottheit ist.

Er beginnt mit dem Platonismus, der zwar ein Monotheismus ist, der aber neben dem obersten Gott auch die genannte »jüngere Götter« kennt. Dieser Pseudo- Polytheismus ist dementsprechend problematisch und könnte als Fol-ge des fehlenden Inkarnationsgedanken gesehen werden.

Augustinus spricht von »Platon und seiner Schule«, es gibt aber eine große Entwicklung von Platon bis Plotin und dann weiter bis Porphyrios. Er selbst sieht allerdings keinen Bruch zwischen Mittel- und Neuplatonismus.

Die platonische Philosophie steht ihm sehr nahe. »[Die Platoniker] sahen ein, daß Gott kein Körper ist« (Kap. 5, S. 381). Gott ist der Geber aller Formen, er ist unwandelbar, für ihn ist Existieren gleichbedeutend mit Leben, Verste-hen, Glücklichsein. Die Platoniker zeichnen sich auch in den Gebieten der Logik, Epistemologie (Gott ist das Licht) und Ethik (das summum bonum be-steht im Genuss Gottes) aus.

Augustinus überlegt, wie Platon diese Einsichten erlangen konnte – viel-leicht kannte er Teile des AT? Besonders die Parallele zu Ex 3,14 – »Ich bin, der ich bin« (d. h. das Sein selbst) – gibt zu denken auf. Aber er muss mit der Bibelstelle nicht unbedingt vertraut sein, denn alles, was den deus unus betrifft, müsste mit natürlicher Vernunft erkennbar sein.

Zur Dämonenlehre (speziell von Plutarch und Apuleius):Es stellt sich folgendes Grundproblem: Verzichtet man einerseits auf Trans-zendierung, so bleibt man im Alltagsaberglauben stecken, transzendiert man

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andererseits aber total, so gerät man in eine dualistische 2-Welten-Lehre und muss irgendeine Form von Mittlerwesen ansetzen.

Plutarch etwa gerät in dieses Problem. Das oberste Wesen bei Plutarch tran-szendiert sogar den Geist, es ist so absolut (abgelöst), dass die Verbindung zur irdischen Welt verloren geht. Trotz dieser Differenz kann der Mensch an der göttlichen Sphäre teilhaben, umgekehrt ist ein Abstieg Gottes aber nicht möglich.

Apuleius (2. Jhd. n. Chr.) ist der wichtigste Dämonenlehrer. Zu seinen Schrif-ten zählen die Apologie (eigtl: (Pro se) de magia), De deo Socratis (Über den Gott des Sokrates), De Platone et eius dogmate (Über Platon und seine Lehre).

Apuleius betreibt natürlich Theologie bzw. Prinzipienlehre: Archai, also die principia rerum, sind Gott, Materie und die Ideen. Gott ist unkörperlich, der Eine (is unus), Erzeuger, Auferbauer (architectus), vollständig transzendent (ultra mundanus). Materia ist bestimmungslos (?? ~Einprägung der Ideen in die materia). Die Weltseele ist die Quelle aller weiteren Einzelseelen, sie steht im Dienste des obersten Gottes.

Dämonen sind nötig, um die Leere zwischen dem reinen, affektfreien Gött-lichen und der Menschheit zu überbrücken. Sie sind ein Band, aber auch Schutzschicht.

Augustinus kritisiert, dass den Dämonen die apathia eigentlich nicht zu-kommt. Sie sind keine echten ontologischen Vermittler zwischen Gott und dem Menschen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Man bräuch-te also wieder neue Vermittler, die dann ihrerseits wieder vermittelt werden müssten, usw., man geriete in einen unendlichen Regress.

Buch 9Buch 9 ist eine direkte Fortsetzung von Buch 8.  Augustinus führt hier die Aporien der Dämonenlehre weiter aus. In Kapitel 10 tritt Plotin auf: Men-

schen in ihren sterblichen Körpern sind besser dran als Dämonen in ihren unsterblichen Körpern, was auf die Barmherzigkeit des Schöpfergottes zu-rückgeführt werden kann, da dieser nicht will, dass die Menschen »immer im Elend dieses Lebens festgehalten werden« (Kap. 10, S. 441).

Buch 10Den intellektuell höchststehenden seiner fiktiven Diskussionspartner findet Augustinus in Porphyrios, einem Schüler Plotins, der im Gegensatz zu diesem versucht, die Lehren Aristoteles' mit den platonischen Lehren zu verbinden. Porphyrios ist auch bekannt als Bibelkritiker und Gegner des Christentums.

Bei Plotin ist Gott das Erkenntnisprinzip, Schöpfungsgedanken ?? (Kap. 2). Die drei Prinzipien müssen in irgendeiner Weise eins sein (Kap. 23). ??

Zu Plotin (204–270):Plotin erweist sich als gebildeter als Augustinus, er möchte (unter dem Vor-zeichen Platons) alle Denker der philosophischen Tradition mit einbeziehen. Plotins Lehre kennt drei Prinzipien:1. das Eine,2. den Geist (nous) samt den platonischen Ideen,3. das Seelische (Weltseele und andere Seelen)

ad 1: Das Eine transzendiert sogar das Sein. Seine Lehre wird dadurch zu einer philosophischen Mystik, weil das Eine das Denken übersteigt. Existenz und Essenz verdanken sich dem Einen. So wird Seinsgradualisierung ermöglicht: Etwas ist seiend in dem Maß, in dem es eines/einheitlich ist. Vielheit setzt Einheit voraus, nicht aber umgekehrt – das Eine erhält Vielheit, geht aber nicht in ihr auf, es transzendiert sie. Der Aufstieg zum Einen ist zwar eine Abstraktionsbewegung (also Befreiung von Vielheit), kommt aber nicht einer Entleerung gleich, sondern ist vielmehr Anreicherung an Fülle.

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Bei Augustinus werden die negativ-theologischen Bestimmungen (mög-licherweise aus Offenbarungsgründen) abgeschwächt. Gott ist nun das Sein. Bei Plotin ist der Abstieg vom Einen viel schwieriger (denn er hat ja keine Entsprechung der Inkarnation), dafür bleiben nur Metaphern.

ad 2: Zweiter Urgrund ist der Geist, er weiß sich als Totalität aller Ideen (Iden-tität von Denken und Sein). Die Ideen sind dem Geist immanent, Geist ist das Denken des Denkens. Ohne Transzendenzbezug gibt es auch kein Denken. Plotin rekurriert damit auf die Selbstbewusstseinstheorie des Aristoteles, setzt aber den Geist als zweites Prinzip an, nicht als erstes.

ad 3: Die Seele ist das Bild des Geistes (Bild im Sinne von Sichtbar machung) und gewinnt dadurch Existenz. Die eigenständige Existenz der Seele ist wie eine Art Niederschlag/Bodensatz (hypostasis) des Geistes. Sie ist die Bewe-gung der Rückkehr zum Geist.

Die drei Prinzipien stehen zueinander in einem zeitfrei-ewigen Abstiegsver-hältnis. Die Metapher der Emanation beschreibt den Abstieg vom Einen zum Geist sowie vom Geist zur Seele.

Zu Porphyrios (233–305):Porphyrios versucht, die Philosophie Plotins zu systematisieren. Er entwickelt dabei v. a. die Struktur des Geistes weiter, was grundlegend für die christliche Trinitätstheorie ist, hier aber zweitrangig gegenüber dem Einen bleibt.

Seine Philosophie wird von drei Leitbegriffen charakterisiert: Sein, Leben und Geist. Sie sind Stufen in der Entfaltung des Geistes, und jedes Prinzip enthält jeweils die beiden anderen.

Sein ist Ursprung, Leben ist Entfaltung, und Geist ist Selbstbewusstsein.Das Eine ist überseiend, aber nicht jenseits des Seins. (??)

Zurück zu Buch 10:Die Wichtigkeit der Endlichkeit liegt in der Menschwerdung. Wir brauchen einen Mittler für eine adäquate Erkenntnis und Lebensführung, er löst das Problem des Dualismus.

Augustinus spricht über die neuplatonische Trinität und ihre Nähe zum Christentum, sie führt dort aber eher zum Tritheismus (Kap.  24; vgl. auch Kap. 28).

Der Begriff der Demut meint im augustinischen Sinn, dass wir von uns aus nicht beginnen können, d. h. der Aufstieg setzt einen vorhergehenden Abstieg voraus. (??)

Buch 11Die zwei Staaten stehen einander gegensätzlich gegenüber (Selbstliebe/Got-tesliebe, Hochmut/Demut, …). Der Ursprung der beiden Staaten ist spirituell, er liegt vor der Schöpfung des ersten Menschen im rein geistigen Aufstand der Engel gegen Gott. Der Mensch ist nicht aus sich selbst heraus erklärbar, wir müssen um die Vorgeschichte der Menschheit wissen.

Aus sich selbst heraus kann der Mensch gar nicht handeln. Er hat einen freien Willen, aber dem Willen muss etwas gegeben sein, ähnlich wie es kei-ne Sünde ohne Versuchung gibt und keine Versuchung ohne Versucher (vgl. Theorie vom Engelfall). Engel sind rein geistige Wesen, sie sind immateriell, unwandelbar, aber nicht absolut, sondern geschaffen.

Am Beginn aller Geschichte steht für Augustinus ein Fall: Die menschliche Natur, die ursprünglich gut ist, hat sich durch den Sündenfall verändert.

In den Kapiteln 4–6 legt Augustinus dar, dass man Willkür in den Schöp-fungsakt hineinträgt, würde man von einer Schöpfung in der Zeit sprechen. Augustinus ist aber auch gegen die zeitfreie Ewigkeit der Schöpfung: Sie ist nicht vereinbar mit der Seele, denn wenn diese gleich ewig ist wie Gott, dann

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könnte man ihr Elend nicht erklären. Weil es nun aber Menschen gibt, muss der Kosmos einen zeitlichen Anfang haben. Und wenn es Erlösung gibt, dann muss der Seele etwas Neues widerfahren. Augustinus widerlegt damit zirkulä-re Geschichtsvorstellungen, die Geschichte als bloße Natur deuten.

Im Timaios 41a/b lässt Platon den ersten Gott an die jungen Götter spre-chen: Alles ist durch mich entstanden (»Göttliche Göttersöhne, deren Bildner ich bin und Vater von Werken, welche, durch mich entstanden, unauflösbar sind, weil ich es so will.«). Die jungen Götter sind zwar unsterblich, aber sie sind es nicht aus sich selbst heraus, sondern aus der Güte Gottes.

Am Ende von Kapitel 4 attestiert Augustinus der Welt ihre zeitliche Er-schaffung, aber innerhalb eines ewigen Plans. Insofern ihre Erschaffung immer geplant war, steht sie nicht im Widerspruch zur Unveränderlichkeit Gottes.

Er weist in Kapitel 5 auf den Zusammenhang mit der Bestimmung des Raums hin. So sagt etwa Aristoteles: Für sich genommen sind Raum & Zeit Abstraktionen, Akzidenzien, wirklich sind sie nur als Charakteristika physi-scher Substanzen. Räumliche Grenze ist notwendig, zeitliche Grenze aber un-möglich. Aristoteles erachtet die von Platon vertretene Lehre vom zeitlichen Anfang von Welt und Zeit für unsinnig. Das Prinzip der Erschaffung von Zeit und Welt ist ein einzelnes (Kap. 6).

Platon charakterisiert Ewigkeit (aion) durch Fülle, sie ist in dem unausge-dehnten Ist. Zeit (chronos) hingegen ist Anteilnahme an der Ewigkeit. Er lehrt als Einziger die Erschaffenheit von Zeit.

Ewigkeit meint bei Augustinus nicht einfach unbegrenzte Dauer, Sukzessi-on (denn das wäre ein Mangel sowohl dessen, was schon war, wie auch dessen, was erst kommt), sondern Fülle des Lebens/des Seins. Augustinus macht Zeit von Veränderlichkeit abhängig. Daraus folgt, dass Zeit Kreaturen braucht, die durch Bewegung Veränderung hervorrufen. Die Welt ist also nicht in der Zeit, sondern mit der Zeit erschaffen.

Gibt es eine echte creatio ex nihilo, also eine echt voraussetzungslose creatio, im Unterschied etwa zu alteratio (also akzidenteller Veränderung) und generatio (substantieller Veränderung, die nur Materie, aber nicht Substanz voraussetzt)?

[Antwort??]Augustinus geht von einem ontologischen Stufenbau der Welt aus, bei Exis-

tenz jeder Stufe muss die jeweils höhere ebenso existieren (Kap. 16, 18). Das heißt, die Stufe der Tiere verweist auf die Stufe der Menschen, die der Men-schen auf die Stufe der Engel.

Wenn gilt, dass es ohne Versuchung keine Sünde gibt, dann muss eine vor-menschliche Sünde (d. i. der Engelfall) stattgefunden haben. Wegen der Prä-Existenz der Seele vor ihrer Verkörperung ist eine Verschuldung vor der Geburt möglich (Sündenfall; deswegen: Kindstaufe). Die Engel werden bei Augustinus also nicht aus Gründen der Mittlerschaft eingesetzt.

Die Sünde setzt die Natur voraus (Kap. 17). Die Güte Gottes ist Grund aller Dinge, die Verkörperung als Strafe wird aus Inkarnationsgründen abgelehnt (Kap. 23).

Kapitel 26–28 bilden die Selbstreflexionskapitel: Wir ähneln der Trinität darin, dass wir existieren, davon wissen und unser Sein sowie das Wissen lie-ben (d. h. affirmieren). Kapitel 26 enthält das augustinische cogito: »Bei diesen Wahrheiten machen mir die Argumente der Akademiker keinerlei Sorge. Mö-gen sie sagen: Wie, wenn du dich täuschst? Wenn ich mich täusche, bin ich ja. Denn wer nicht ist, kann sich auch nicht täuschen; also bin ich, wenn ich mich täusche. […] Da ich also, auch wenn ich mich täuschte, sein müßte, um mich täuschen zu können, täusche ich mich darin gewiß nicht, daß ich weiß: ich bin. Folglich täusche ich mich auch darin nicht, daß ich weiß: ich weiß es. […] Und indem ich beides liebe, füge ich den Dingen, die ich weiß, als drittes von nicht geringerer Gewißheit die Liebe hinzu. […]« (Kap. 26, S. 43)

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Buch 12 – Unde malum?Nachdem Augustinus in den Kapiteln 10–21 grundlegende Bemerkungen zu einer linearen Geschichtsauffassung trifft, kommt er in den Kapiteln 22–28 auf die Menschennatur und den Sündenfall zu sprechen. »Ehe ich von der Er-schaffung des Menschen spreche, […] muß ich noch einiges von den Engeln sagen.« (Kap. 1, S. 58)

Gute und böse Engel haben dieselbe Natur, ihre Verschiedenheit liegt in ih-rem Wollen und Begehren. Geschöpfe erlangen Glückseligkeit nur durch den Schöpfer. Wer Gott anhangt, ist auf seine causa finalis hin ausgerichtet. Durch Selbstüberhebung/Autonomiestreben (Hochmut) kann man von diesem Weg auch abweichen.

Was ist also nun das malum (morale)? Es ist privativ bestimmt: Es ist ein Defekt, d. h. das malum setzt schon Natur voraus, kann also selbst keine Natur sein.

»Ego sum, qui sum« (Ex 3,14): Gott ist das höchste Wesen (gemeint ist essentia, die lateinische Übersetzung von ousia, und geht auf das Wörtlich esse zurück), kein Wesen ist ihm entgegengesetzt. Die Verfehlung ist etwas an ei-ner Natur, sie kommt durch Abkehr von Gott und Hinwendung zu sich selbst (d. i. Hochmut).

Doch wie kommt es zum Hochmut? Die Natur ist aus dem Nichts ge-schaffen. Aber: Kann das Nichts eine Ursache sein? Es kann zwar keine causa eff iciens sein, so lautet Augustinus' Antwort, dafür aber eine causa deficiens.

Bei Platon und Plotin hängt das malum noch mit der Materialität zusam-men. Bei Augustinus ist nun nicht länger ontologisch Böses dem moralisch Bösen vorausgesetzt.

Die Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen würde eine Lösung für das Problem des Anfangs darstellen, sie wäre dadurch bloße Natur. In Ka-pitel 14 macht Augustinus aber eine Schwierigkeit dieser Auffassung deutlich: »Wenn [die Seele] aber aus diesem Elend, ohne jemals dahin zurückkehren zu

müssen, zur Seligkeit eingeht, geschieht ja in der Zeit etwas Neues, was kein zeitliches Ende hat. Warum soll dann nicht von der Welt das gleiche gelten, und warum nicht auch vom Menschen, der in der Welt geschaffen ward?« (Kap. 14, S. 80)

Kapitel 21 enthält Bemerkungen zur Erlösung der Seele.In den Kapiteln 22–28 beschäftigt sich Augustinus mit der Erschaffung des

Menschen. Den Anfang bilden ein ethisches und ein ontologisches Argument für den Monogenismus (Kap. 22 und 23): Das ethische Argument lautet, dass die Menschen eine gemeinsame Verwandtschaft teilen, um ihnen die Lebens-form der Gesellschaft zu empfehlen. Ontologisch wird der Monogenismus durch den höheren Stellenwert der Einheit gegenüber der Vielheit erklärt.

Nicht nur die Seele, auch der Leib des Menschen ist von Gott geformt (Kap. 25).

Bücher 13–14, 15–18 und 19–22Die Bücher 13 und 14 handeln vom Fall des ersten Menschen. Mit diesem Ereignis hat sich der Mensch durch seine eigene Willensentscheidung geän-dert. Diese Ur-Sünde hat zwei Folgen: den Tod und die ungeordneten Leiden-schaften. Augustinus wendet sich von der Todesdefinition aus Platons Phai-don (also Trennung von Seele und Leib) ab: Wichtiger wird die Trennung von Gott und Mensch, diese führt zum Tod der Seele (Hochmut). Individuell eschatologisch kann mit dem Tod auch die Endgültigkeit dieser Abwendung gemeint sein. Der Tod gehört insofern also nicht zur Natur, sondern ist eine Folge der Sünde.

In Büchern 15–18 wird die weitere Geschichte der Menschheit beschrieben.In den Büchern 19–22 schließlich erläutert Augustinus das Endziel der

menschlichen Geschichte: In Buch 19 wird das summum bonum als Ziel pos-tuliert. Buch 22 spricht von der Auferstehung des Fleisches, die sich auch aus platonischer Sicht herleiten lasse.

19

V. OrganisatorischesLiteratur:• De civitate Dei, insbesondere die Bücher 8–10, 11–12, am besten auch 13–14 • Augustinus- und Orosius-Kapitel bei Karl Löwiths Meaning in History

(Weltgeschichte und Heilsgeschichte)• Außerdem:

» Confessiones, De libero arbitrio, De gratia et libero arbitrio » Peter Brown: Augustinus von Hippo (historisch) » Kurt Flasch: Augustin: Einführung in sein Denken (neuzeitlich philo-

sophisch) » Étienne Gilson: (?) Introduction á l'étude de S. Augustin (Der Heilige

Augustin: eine Einführung in seine Lehre) (?)

Prüfung:• Termin: Montag, 31. 1. 2011, 10:00–11:30 Uhr, hs 2g• Alternativ: Dienstag, 18. 1. 2011, 15:00–16:30 Uhr, hs 3 (d 0212, im Institut für

Politikwissenschaft, nig, 2. Stock) – zusammen mit anderer Prüfung (link)• Schriftliche Prüfung bestehend einerseits aus Kenntnisfragen, zusätzlich

müssen 2 von 4 Interpretationsfragen bearbeitet werden