Völkerrechtliche Untersuchung zu Maßnahmen gegen Hooligangewalt

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Völkerrechtliche Untersuchung zu Maßnahmen gegen Hooligangewalt Immer wieder werden internationale Fußballspiele von Hooligan-Ausschreitungen begleitet. Um die Gewalttäter gar nicht erst an den Ort des Geschehens kommen zu lassen, verweigern ihnen Staaten wie Deutschland oder England die Ausreise. Der Sportrechtler Dr. Marius Breucker aus der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker untersuchte die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen.

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Völkerrechtliche Untersuchung zu Maßnahmen gegen Hooligangewalt

Immer wieder werden internationale Fußballspiele von Hooligan-Ausschreitungen begleitet. Um die Gewalttäter gar nicht erst an den Ort des Geschehens kommen zu lassen, verweigern ihnen Staaten wie Deutschland oder England die Ausreise. Der Sportrechtler Dr. Marius Breucker aus der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker untersuchte die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen. Seine Analyse erbrachte differenzierte Ergebnisse, darunter die Erkenntnis, unter welchen Voraussetzungen ein Staat völkerrechtlich zu Präventivmaßnahmen verpflichtet sein kann.

Wenn Behörden einem Hooligan die Ausreise verweigern, geht es regelmäßig um die Frage, ob die jeweilige Maßnahme nach dem nationalen Recht zulässig ist. Daneben gibt es aber noch eine zweite rechtliche Ebene: Die Rechte und Pflichten der betroffenen Staaten untereinander. In einer völkerrechtlichen Untersuchung ging Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker der Frage nach, ob und inwieweit ein Staat verpflichtet sein kann, Hooligans die Ausreise in einen Zielstaat zu untersagen. Die Frage hat besonders vor Welt- und Europameisterschaften, aber auch vor einzelnen Länderspielen und Europapokalbegegnungen praktische Bedeutung.

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Grundsatz der GebietshoheitNach dem Grundsatz der Gebietshoheit entscheidet jeder Staat unabhängig („souverän“) darüber, ob er Maßnahmen auf seinem Staatsgebiet trifft. Er erlässt autonom die für sein Territorium geltenden Gesetze. „Grundsätzlich kann kein Staat von einem anderen verlangen, bestimmte Gesetze zu verabschieden oder gar bestimmte Maßnahmen gegen seine Bewohner zu ergreifen“ erläutert Rechtsanwalt Marius Breucker. Der Grundsatz der Gebietshoheit garantiert jedem Staat die Unversehrtheit seines Territoriums und seiner hoheitlichen Befugnisse. Andere Staaten dürfen sich nicht in fremde Staatsangelegenheiten einmischen. Der Grundsatz der Gebietshoheit wird gegen Eingriffe anderer Staaten durch das völkerrechtliche „Interventionsverbot“ abgesichert.

Das Interventionsverbot gilt umfassend: „Untersagt sind nicht nur gezielte Einwirkungen auf fremdes Staatsgebiet, etwa bewaffnete Übergriffe, sondern auch mittelbare Beeinträchtigungen“, führt der Stuttgarter Sportrechtsanwalt in seiner Expertise aus. Und da wird es interessant: Der einfache Grundsatz der Gebietshoheit – jeder kehre vor seiner Tür – genügt nicht, um das Verhältnis der Staaten untereinander befriedigend zu regeln. Denn jedes Verhalten eines Staates kann in einem anderen Staat – ob gewollt oder nicht – Auswirkungen haben. Auf eine „böse Absicht“ kommt es dabei nicht an: Auch ein „normales“, friedliches Verhalten kann sich faktisch auf fremdem Staatsgebiet auswirken.

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Gebot der RücksichtnahmeSolche mittelbaren, faktischen Auswirkungen wurden zuerst im Umweltbereich relevant: Aus einer Fabrik drangen schädliche Emissionen auf fremdes Staatsgebiet und verursachten dort Gesundheitsschäden. Ein Internationales Schiedsgericht entschied, dass kein Staat schädliche Emissionen von seinem Gebiet auf ein anderes Staatsgebiet leiten darf. „Im Völkerrecht gilt über das bloße Interventionsverbot hinaus das Gebot der Rücksichtnahme“, erläutert Breucker. Das Rücksichtnahmegebot verbietet nicht nur Schädigungen durch den Staat selbst: Wenn Private schädliche Emissionen verursachen, muss ein Staat hiergegen einschreiten und darf nicht tatenlos zusehen, wie diese auf fremdem Staatsgebiet Schäden verursachen. Letztlich gilt also völkerrechtlich nichts anderes als im herkömmlichen Nachbarrecht: Nachbarn leben auch bei größtem Bemühen nicht völlig beziehungslos nebeneinander, sondern beeinflusse sich immer bis zu einem gewissen Grad wechselseitig. Daher müssen sie aufeinander Rücksicht nehmen und etwa die vom eigenen Grundstück ausgehenden Gefahren beseitigen. Dieses Prinzip gilt grundsätzlich auch im Völkerrecht, und zwar über den Umweltschutz hinaus. Demnach ist jeder Staat verpflichtet, von seinem Gebiet ausgehende schädliche Einwirkungen auf fremdes Staatsgebiet zu unterbinden, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Denn jeder Staat ist völkerrechtlich für sein Handeln oder Unterlassen verantwortlich.

Wenn also die Behörden eines Staates positiv wissen, dass Gewalttäter zu einem Fußballspiel ins Ausland reisen wollen, dürfen sie grundsätzlich nicht „tatenlos zusehen“. Kein Staat darf einen anderen schädigen oder absehbare Schädigungen durch Privatpersonen einfach zulassen. Diese völkerrechtliche Verpflichtung hat durchaus praktische Bedeutung. Denn entscheidend zur Verhinderung von Ausschreitungen bei Fußballspielen ist die frühzeitige Prävention. Wenn erst einmal eine kritische Masse von Gewalttätern zusammen gekommen ist, kann man diese kaum noch kontrollieren. Wenn von einem Staat Gewalttaten Einzelner ausgehen, kann sich das klassische Interventionsverbot durch das Gebot der Rücksichtnahme zu einem innerstaatlichen Interventionsgebot wandeln: „Es ist dann die Pflicht eines jeden Staates, die von seinem Gebiet ausgehende Gewalttaten möglichst zu verhindern“, erklärt Breucker.

Recht auf freie AusreiseWas bedeutet das völkerrechtliche Gebot der Rücksichtnahme in der Praxis? Keinesfalls dass ein Staat bei einem bloßem Verdacht die Ausreise eigener Staatsbürger verhindern muss. Denn die international geltenden Grundrechte und besonders das Grundgesetz garantieren jedem das Recht auf freie Ausweise. Der Bedeutung dieses Grundrechts ist man sich in Deutschland nach jahrzehntelangen Ausreiseverboten für weite Teile der Bevölkerung besonders bewusst. Das Grundgesetz garantiert die Ausreisefreiheit und lässt eine Beschränkung nur unter engen Voraussetzungen zu. „Die freie Ausreise ist der Normalfall. Jede Ausnahme muss gesetzlich geregelt und sachlich begründet sein.“, erläutert Marius Breucker die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Daher ist in Deutschland ein Ausreiseverbot nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen zulässig. Danach ist insbesondere erforderlich, dass vom jeweils Betroffenen im Einzelfall eine konkrete Gefahr ausgeht. Dies wird man nur bejahen können, wenn man eine konkrete, auf individuelle Fakten gestützte Prognose anstellen kann. Eine allgemeine „Zugehörigkeit zur Hooliganszene“ oder ein einmaliges geringfügiges Fehlverhalten wird nicht genügen, um eine Passbeschränkung oder ein Ausreiseverbot zu rechtfertigen. Umgekehrt ist es nicht erforderlich, dass der Betroffene strafrechtlich verurteilt wurde: Das Ausreiseverbot ist keine (zusätzliche) „Strafe“, sondern eine Präventivmaßnahme zur Verhinderung von Gewalttaten auf fremdem Staatsgebiet.

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GüterabwägungWie in vielen vergleichbaren Fällen pochen die Staaten in der Regel nicht auf die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen, geschweige denn ziehen sie wegen solcher Fragen vor ein internationales Gericht. Dessen ungeachtet besteht neben der moralischen auch eine völkerrechtliche Verpflichtung, bekannten Hooligans die Ausreise im Vorfeld eines Fußballgroßereignisses zu verweigern. Wie so oft im Recht geht es um eine Güterabwägung. „Das hohe Gut der freien Ausweise steht nicht absolut, sondern muss ins Verhältnis gesetzt werden zu den Schäden, die im Ausland drohen“, erklärt Rechtsanwalt Breucker. Dabei muss neben den drohenden Personen- und Sachschäden nach dem Passgesetz auch der damit verbundene Ansehensverlust für die Bundesrepublik in Betracht gezogen werden.

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Gesetzlich gefordert ist, dass die zuständigen Ordnungsbehörden sorgfältig differenzieren und jeden Einzelfall gesondert betrachten. „Auf diese Weise soll sichergestellt werden, das sich etwaige Maßnahmen nur gegen die wenigen richten, die tatsächlich eine konkrete Gefahr darstellen“, resümiert Marius Breucker. Dies gewährleistet eine rechtsstaatliche Legitimation präventiver Maßnahmen und zugleich die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen.

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