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Vollzeitschulische Erstausbildung – zukunftsfähig aber nicht finanzierbar? Die Kosten einer...
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Vollzeitschulische Erstausbildung – zukunftsfähig aber nicht finanzierbar? Die
Kosten einer Schritt weisen Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung und
Alternativen ihrer Finanzierung
Prof. Dr. Dieter Timmermann
Universität Bielefeld, Fakultät für Pä[email protected]
Dieter Timmermann 2
Gliederung des Vortrags
1. Stärken und Schwächen der betrieblichen Erstausbildung
2. Mögliche Gründe für eine Verstaatlichung
3. Kosten bzw. Ausgaben für die berufliche Erstausbildung im Jahr 2000
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: Modellrechnungen
5. Finanzierungsalternativen
Dieter Timmermann 3
1. Stärken und Schwächen der betrieblichen Erstausbildung
• 1.1 Stärken
– die technologische Effektivität
– die organisationale Effektivität
– die qualifikatorische Effektivität
– die bildungspolitische Effektivität
– die arbeitsmarktpolitische Effektivität
– die pädagogische Effektivität
– die sozialisatorische Effktivität
– die integrative Effektivität
Dieter Timmermann 4
1. Stärken und Schwächen der betrieblichen Erstausbildung
• 1.2 Schwächen– Rationalitätsfalle I: keine Garantie eines ausreichenden Ausbildungsplatzan-
gebots bei bedarfsscharfem Angebot– Rationalitätsfalle II: keine Marktausgleichsgarantie aufgrund asynchroner
Angebots- und Nachfragezyklen– Rationalitätsfalle III: bei Ausbildungsplatzknappheit und daraus folgender
Fachkräfteknappheit Poaching- und Unterinvestitionsgefahr– Rationalitätsfalle IV: Ausbildungsplatzstruktur hinkt hinter Arbeitsplatzstruktur
zurück: Modernisierungsrückstand der Ausbildungsplatzstruktur– Wettbewerbsverzerrungen zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden
Unternehmen– Konjunkturabhängigkeit des Ausbildungsplatzangebots– Qualitätsstreuungen– Exklusionstendenzen zu Lasten von Mädchen, ausländischen, behinderten,
schulschwachen Jugendlichen und Jugendlichen in ländlichen Regionen– Karrieremäßige Sackgassen– hohe und steigende Abbruchquoten
Dieter Timmermann 5
3. Mögliche Gründe für den Verstaatli- chungsvorschlag
• Marktgleichgewicht herstellbar?• Ausbildungsabbrüche vermeidbar, zumindest senkbar?• Exklusionswirkungen aufhebbar?• höhere Qualität?• Geringere Qualitätsstreuung?• höhere Effektivität?• höhere Effizienz?• Rationalitätsfallen vermeidbar?• Angebots- und Versorgungslücken schließbar?• Konjunkturschwankungen des Angebots vermeidbar?• Wettbewerbsverzerrungen vermeidbar• Fondsfinanzierung politisch nicht durchsetzbar, ggf. nicht
effizient
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4. Kosten bzw. Ausgaben für die berufli- che Erstausbildung im Jahr 2000
Brutto-kosten
Ausgaben Σ ΣΣ
Betrieb Berufs-schule
Berufs-fach-schule
Fach-ober-schule
Fach-gymna-sium
Fach-
schule
Total
(in Mio
€)
27.680Vollk.17.160Teilk.
4.013 2.367 0,414 0.561 0.778 8.133
35.813Vollk.25.293Teilk.
Pro Azubi
(in €)
16.435Vollk.10.178Teilk.
2.100 5.700 4.300 5.700 3.200 5.423
18.535Vollk.12.278Teilk.
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• Prozessanordnung (Abfolge der Ausbildungsprozesse)• Prozessdauer• Prozesskombination (Ausbilder- zu Ausbildungsplatzleistungen)• Prozessintensität (Menge und Qualität der Ausbilder zur Zahl der
Lernenden)• Personalstruktur• Faktormengen• Faktorpreise• Faktorqualitäten• Pagatorische versus wertmäßige Kosten, Kosten versus
Ausgaben
4. Kosten bzw. Ausgaben für die berufliche Erstausbildung im Jahr 2000: Einflussgrößen
Dieter Timmermann 8
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: Modellrechnungen
• Was heißt „schrittweise“?
– schrittweise nach Berufen?– schrittweise nach Berufsgruppen?– schrittweise nach Branchen oder Sektoren?– schrittweise nach Ausbildungsbereichen?– schrittweise nach identifizierbaren Bereichen mit der größten
Ausbildungsnot?
• Modellüberlegungen: nicht schrittweise, sondern Frage: Wie hoch wären die staatlichen (zusätzlichen) Ausgaben für die berufliche Erstausbildung im Jahr 2000 (Jahr der letzten BIBB-Erhebung über die Kosten der betrieblichen Ausbildung) gewesen, wenn die betriebliche Erstausbildung vollständig verstaatlicht gewesen wäre?
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• Kostenarten der betrieblichen und der vollzeitschulischen Berufsausbildung im Vergleich
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: Modellrechnungen
PersonalkostenAzubis8.269 €
PersonalkostenAusbilder5.893 €
Anlage- undSachkosten
545 €
Sonstige Kosten1.728 €
hauptamtliche
nebenamtliche
externe
Am Arbeitsplatz
Lehrwerkstatt
Unterricht
Material/ Medien
Kammergebühr
Schutzkleidung
externe Ausbild.
Verwaltung
Dieter Timmermann 10
Datenprämissen:
1. Struktur der Vollkostenarten pro Auszubildenden im Jahr 2000Bruttokosten produktive Erträge
Nettokosten
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: Modellrechnungen
16.435 € 7.730 € 8.705 €
PersonalkostenAuszubildendeKosten Ausbil- dungspersonalAnlage- undSachkostenSonstige Kosten
8.269 €
5.893 €
545 €
1.728 €
Verwaltung
Externe Ausb.
Kammergebühren
Medien/ Material
Schutzkleidung
1.141 €
310 €
136 €
75 €
65 €
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2. Struktur der Voll- und Teilkosten der Hauptprozesse an Lernorten
Vollkosten Teilkosten (pro Kopf in €)
Kosten am Arbeitsplatz
Kosten der Lehrwerkstatt
Kosten innerbetriebl. Unterricht
Kosten Auszubildende
Sonstige Kosten
Durchschnittskosten
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: Modellrechnungen
5.775
421
242
8.269
1.728
16.435
421
242
8.269
1.592
10.524
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• Generelle Prämisse: bei Verstaatlichung fallen die Personalkosten der Auszubildenden und die Kosten des Hauptprozesses Lernen am Arbeitsplatz weg.
• Modell 1– Übernahme der Durchschnittskosten der betrieblichen Ausbildung in
den Hauptprozessen Unterricht und Lehrwerkstatt.– Annahme, dass in Abweichung von der betrieblichen Lernzeitstruktur
(94 % am Arbeitsplatz, je 3 % in Lehrwerkstatt und Unterricht) die Aufteilung der schulischen Lernzeit auf 50 % zu 50 % zwischen Lehrwerkstatt und Unterricht erfolgt.
• Modell 2: – Annahme, dass in Abweichung von der betrieblichen Lernzeitstruktur
die Aufteilung der schulischen Lernzeit auf 70 % zu 30 % zwischen Lehrwerkstatt und Unterricht erfolgt.
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
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• Modell 3
– Es wird angenommen, dass die „verstaatlichten“ Auszubildenden im Durchschnitt genauso viel Ausgaben pro Kopf verursachen wie die bisher an den berufsbildenden Schulen verweilenden Vollzeit- Schüler.
• Modell 4
– Es wird angenommen, dass der Staat die ausgabengleichen (paga- torischen) Kosten der betrieblichen Ausbildung übernimmt (Modell 4 a). Alternativ wird berücksichtigt, dass produktive Ausbildungs- erträge anfallen. Dies spricht dafür, die pagatorischen Nettokosten als Basis zu wählen (Modell 4 b).
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
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4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
Status quo Modell 1 Modell 2
Zeitanteil Kosten € Zeitanteil Kosten € Zeitanteil Kosten €
Lehrwerk 3 % 421 50 % 7.067 70 % 9.823
Unterricht
3 % 242 50 % 4.033 30 % 2.420
Kleidung 65 65 65
Medien 75 75 75
Verwaltg 69 96 69
Σ 940 11.309 12.452
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• Kosten der Verstaatlichung nach Modell 1:
1.529.971 Auszubildende X 11.309 € = 17,3 Mrd. €
Länder und Gemeinden hätten Mehrausgaben von 17,3 Mrd. € gehabt.
• Kosten der Verstaatlichung nach Modell 2:
1.529.971 Auszubildende X 12.452 € = 19,05 Mrd. €
Länder und Gemeinden hätten Mehrausgaben von 19,05 Mrd. € gehabt.
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
Dieter Timmermann 16
• Modell 3
– Im Jahr 2000 lagen die Gesamtausgaben für die berufsbildenden Schulen bei insgesamt 6,218 Mrd. €
– Zu berechnen ist, welche Ausgaben die 1.529.971 Auszubildenden verursacht hätten, wenn sie nicht als Teilzeitschüler (Ausgabenan- teil lag im Jahr 2000 bei 3,2 Mrd. €), sondern als Vollzeitschüler ausgebildet worden wären.
1.529.971 Azubis X 2.100 € Ausgaben pro Berufsschüler = 3,2 Mrd. €
– Folglich sind 3.018 Mrd. € für Vollzeitschüler ausgegeben worden– Zu berechnen sind nun die durchschnittlichen Ausgaben pro
Vollzeitschüler. Dazu ist eine Gewichtung zwischen den Gruppen erforderlich.
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
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4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
SchultypAusgaben pro Schüler €
SchülerzahlGewichtung nach Schüler- zahl
Gewichtete Ausgaben Vollzeitschüler €
Berufsschule 2.100 1.529.971 - -
Berufssfach-schule
5.700 498.764 0,55 3.135
Fachober-schule
4.300 116.601 0,13 559
Fachgymna-sium
5.700 114.526 0,13 741
Fachschule 5.200 168.831 0,19 988
Σ bzw. Ø 898.722 1,0 5.423
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Staatliche Mehrausgaben für den Transfer von Auszubildenden in berufliche Vollzeitschüler:
1.529.971 X 5.423 € = 8,297 Mrd. €
Staatliche Gesamtausgaben für die berufliche Erstausbildung nach Verstaatlichung:
8,297 Mrd. € + 3,018 Mrd. € = 11,315 Mrd. €
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
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Modell 4: Der Staat übernimmt die gesamten Kosten der betrieblichen Erstausbildung, belässt die Ausbildung aber in den Betrieben (bloße Kostenübernahme)
• Variante A: der Staat übernimmt die Bruttokosten.
27,68 Mrd. € (betriebliche Bruttokosten) + 6,22 Mrd. € (Ausgaben für die beruflichen Schulen)= 33,90 Mrd. €
• Variante B: der Staat ersetzt die Nettokosten.
14,37 Mrd. € (betriebliche Nettokosten) + 6,22 Mrd. € = 20,59 Mrd. €
4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
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4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
Folgen für die Anteile der Ausgaben für die berufliche Erstausbildung am Bildungshaushalt, am Bruttoinlands- produkt, am Staatshaushalt und am Haushalt der Länger und Gemeinden:
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4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
Anteile an
In %
Staatl. Bil- dungsausga-ben
Bruttoin- landsprodukt
Staatshaus-halt
Haushalt der Länder u. Gemeinden
Status quo 8,0 0,3 0,7 1,5
Modell 1 26,2 1,16 1,9 4,0
Modell 2 25,9 1,25 2,05 4,45
Modell 3 12,6 0,56 1,2 2,6
Modell 4, A 31,7 1,7 3,5 7,4
Modell 4, B 22,0 1,0 2,2 4,7
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4. Kosten der Verstaatlichung der betrieblichen Erstausbildung: 4 Modellrechnungen
Folgen der Verstaatlichungsalternativen für die Staatsquote (in %):
Status quo
Modell 1 Modell 2 Modell 3 Modell 4, A
Modell 4, B
45,8 46,7 46,8 46,4 47,2 46,5
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4.Finanzierungsalternativen
• Ausbildungssteuer auf (private und öffentliche) Betriebe (Umsatz, Wertschöpfung oder Lohn- und Gehaltssumme) zwecks
– Finanzierung der Kosten der Verstaatlichung oder
– Finanzierung der gesamtem (staatlichen) berufl. Erstausbildung
Belastungsfolgen für die Betriebe– Für ehemalige Ausbildungsbetriebe: Entlastung von den pagato-
rischen Kosten der eigenen Ausbildung versus Belastung durch die Ausbildungssteuer.
– Für nicht ausbildende Betriebe: Belastung, Verlust von eventuellen Wettbewerbsvorteilen.
zu beachten: eventuelle Preis- bzw. Inflationseffekte
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• Umschichtungen innerhalb der Bildungshaushalte
– Von den allgemein bildenden Schulen zu den beruflichen Schulen– Von den Hochschulen zu den beruflichen Schulen– Von der Weiterbildung und Erwachsenenbildung zu den beruflichen
Schulen
derzeit und auf absehbare Zeit nicht verantwortbar, weil auch dort zu-sätzlicher Ressourcenbedarf
• Umschichtungen in den Länger- und Gemeindehaushalten zwischen den Ressorts und Aufgaben zugunsten schulischer beruflicher Erst-ausbildung kaum erwartbar, politisch schwer durchsetzbar
• Allgemeine Einführung von Schulgeld für die berufliche Ausbildung in der Sekundarstufe II
4.Finanzierungsalternativen
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• Generelle Ausbildungssteuer auf die Unternehmen und Haushalte
• Generelle Ausbildungssteuer nur auf die Haushalte
• Anhebung von Einkommen-, u./o. Mehrwert- u./o. Verbrauchsteuer(n)
generelle erwartbare Folge: steigende Steuer- bzw, Abgabenquote
4.Finanzierungsalternativen
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Literatur und Quellen
• Bundesministerium für Bildung und Forschung: Grund- und Strukturdaten 2001/ 2002, Bonn 2002
• Bundesministerium für Bildung und Forschung: Berufsbildungs- bericht 2003, Bonn 2003
• Hegelheimer, A.: Kosten und Finanzierung der Schul-, Berufs- und Hochschulbildung in der Bundesrepublik Deutschland, Bielefeld 1984
• Kultusministerkonferenz: Schule in Deutschland. Zahlen, Fakten, Analysen, Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonfe- renz Nr. 161, Bonn, Juli 2002
• Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformie- ren. Jahresgutachten 2003/ 2004, Berlin
• Statistisches Bundesamt: Bildung im Zahlenspiegel 2004, Wiesbaden 2004
• Timmermann, D.: Berufsbildungsfinanzierung. Kurseinheit 1: Kosten und Erträge der beruflichen Bildung, Hagen 1994
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• Timmermann, D.: Berufsbildungsfinanzierung. Kurseinheit 2: Makroökonomische Wirkungen und Alternativen der Berufsbil- dungsfinanzierung, Hagen 1995
• Timmermann, D.: Dual Training in Germany:Is it a Model for other Countries?, Bielefeld 1995, unveröffentlichtes Manuskript
• Timmermann, D.: Zur Finanzierung der Beruflichen Bildung, in: Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen: Expertisen für ein Berliner Memorandum zur Modernisierung der Beruflichen Bildung, Schriftenreihe Nr. 38, Berlin 1999, S. 273 bis 300
Literatur und Quellen