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Dieter Nittel Von der Mission zur Profession? Stand und Perspektiven der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung

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Dieter Nittel

Von der Missionzur Profession?Stand und Perspektivender Verberuflichung in derErwachsenenbildung

Theorie und Praxisder Erwachsenenbildung

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THEORIE UND PRAXIS DER ERWACHSENENBILDUNG

HerausgeberProf. Dr. Sigrid Nolda, Universität DortmundProf. Dr. Ekkehard Nuissl von Rein, Universität MarburgProf. Dr. Rudolf Tippelt, Universität München

Herausgebende InstitutionDas Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) ist eine Einrichtung derWissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL), der gemein-samen Forschungsförderung von Bund und Ländern. Als wissenschaftlichesServiceinstitut vermittelt es zwischen Forschung und Praxis der Erwachse-nenbildung.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Nittel, Dieter:Von der Mission zur Profession? : Stand und Perspektiven derVerberuflichung in der Erwachsenenbildung / Dieter Nittel. Hrsg.:Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. - Bielefeld : Bertelsmann,2000 (Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung) ISBN 3-7639-1801-9

Verlag:W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KGPostfach 10 06 3333506 BielefeldTelefon: (0521) 9 11 01-11Telefax: (0521) 9 11 01-19

Bestell-Nr.: 14/1067

© 2000 W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, BielefeldSatz+Grafiken: Grafisches Büro Horst Engels, Bad VilbelHerstellung: W. Bertelsmann Verlag, BielefeldISBN 3-7639-1801-9

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InhaltVorbemerkungen ............................................................................. 7

Kapitel I: Über den Bedarf an professionstheoretischerSelbstaufklärung ........................................................................................... 11

1. Problemaufriss ....................................................................................... 112. Erster Versuch einer begrifflichen Differenzierung ........................ 153. Anspruch und Aufbau der vorliegenden Studie ............................... 19

Kapitel II: Begriffserläuterung: Profession – Professionalisierung –Professionalität ............................................................................................. 22

1. Vorbemerkung ........................................................................................ 222. Professionen: Im Spannungsverhältnis von sozialer Welt

und Funktionssystem............................................................................. 232.1 Konstruktion und Wandelbarkeit von Professionen .............. 232.2 Lizenz und Mandat des Erwachsenenpädagogen .................. 292.3 Weitere zentrale Attribute von Professionen aus

der Sicht des Symbolischen Interaktionismus ........................ 342.4 Historische und systemtheoretische Hintergrund-

informationen ................................................................................. 402.5 Relevanz für die Erwachsenenbildung – Zwischen-

bilanz ............................................................................................... 473. Professionalisierung – der Weg ist das Ziel? .................................. 49

3.1 Professionalisierung: nur eine Variante vonVerberuflichung? ........................................................................... 49

3.2 Merkmalbezogene Konzepte ...................................................... 533.3 Der Bedarf an machttheoretischen Analyse-

instrumenten .................................................................................. 573.4 Orte der Durchsetzung von Berufsinteressen:

der Arbeitsplatz, die öffentliche Meinung undjuristische bzw. staatliche Instanzen ........................................ 62

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3.5 Die Synchronisation von leistungsmäßigem undsozialem Anspruchsniveau ......................................................... 66

4. Professionalität als Synonym für „gekonnte Beruflichkeit“oder: „Ich weiß, was ich tue“ ............................................................. 704.1 Das kompetenzbezogene Verständnis von

Professionalität ............................................................................. 744.2 Das differenztheoretische Verständnis von

Professionalität ............................................................................. 80

Kapitel III: Die Geschichte der Professionalisierung in derErwachsenenbildung: Von der Berufung zur (steckengebliebenen)Verberuflichung? ........................................................................................... 86

1. Vorbemerkung ........................................................................................ 862. Volksbildung in der Weimarer Republik ........................................... 87

2.1 Die Ungleichzeitigkeit von expandierender Institutiona-lisierung und verzögerter Verberuflichung .............................. 87

2.2 Die „Lehrerfrage“ innerhalb der Weimarer Erwach-senenbildung und lokale Formen der Akademisierung ......... 95

2.3 Hintergründe der Ungleichzeitigkeit von institutionel-lem Ausbau und hinterherhinkender Verberuflichung ........ 101

3. Die Entwicklung in der Bundesrepublik ......................................... 1053.1 Die sechziger Jahre: Die Formierung eines günstigen

Resonanzbodens ......................................................................... 1063.2 Die Entwicklung von der ‚Erntephase‘ in den siebziger

Jahren bis zur Phase des Abklingens der Bildungs-reform Anfang der achtziger Jahre .......................................... 114

3.3 Vergleich zwischen der Weimarer Republik undder Zeit der Bildungsreform ...................................................... 127

4. Die Rahmenbedingungen in den achtziger Jahren:Von der Qualifizierungsoffensive bis zur deutschenWiedervereinigung.............................................................................. 1334.1 Allgemeine Einschätzung .......................................................... 1334.2 Die kulturelle Wende Anfang der achtziger Jahre ............... 134

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4.3 Qualifizierungsoffensive und Konzertierte AktionWeiterbildung .............................................................................. 138

4.4 Die soziokulturelle Durchsetzung des lebenslangenLernens und die Folgen für die Berufskultur ......................... 140

4.5 Die deutsche Wiedervereinigung ............................................ 1454.6 Die Konsolidierung der Disziplin ............................................. 1494.7 Resümee ....................................................................................... 151

Kapitel IV: Professionstheoretische Positionen in dergegenwärtigen Erwachsenenpädagogik ............................................... 154

1. Vorbemerkung ...................................................................................... 1542. Planerisches und disponierendes Berufshandeln: die

Positionen von Hans Tietgens und Wiltrud Gieseke .................... 1563. Der wissenssoziologische Ansatz: die Position

von Bernd Dewe................................................................................... 1654. Professionelles Handeln im berufs- und betriebs-

pädagogischen Kontext: die Position von Rolf Arnold ................. 175

Kapitel V: Stand und Perspektiven der Professionalisierung ............ 184

1. Vorbemerkungen .................................................................................. 1842. Die Lage des Weiterbildungspersonals – Versuch einer

Annäherung........................................................................................... 1842.1 Was ist der Fall? .......................................................................... 1842.2 Das in expliziten Bildungseinrichtungen tätige

Personal ........................................................................................ 1882.3 Das in impliziten Bildungseinrichtungen tätige

Personal ........................................................................................ 1932.4 Berufspolitische Rahmenbedingungen und die Lage

des Weiterbildungspersonals in den neunziger Jahren ...... 1972.5 Zwischenbilanz ........................................................................... 208

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3. Die Grenzen zukünftiger Professionalisierungsbemühungen .... 2093.1 Erwachsenenbildung zwischen den Grenzen

gesellschaftlicher Funktionssysteme: lockereInstitutionalisierung ................................................................... 211

3.2 Die Spannung zwischen Mandat und Lizenz ......................... 2183.3 Die Vermischung von Profession und Organisation ............. 2233.4 Die doppelte Wissensbasis der professionellen

Erwachsenenbildung ................................................................. 229

Kapitel VI: Chancen und Grenzen einer zukünftigenVerberuflichung ........................................................................................... 234

1. Zwei Optionen: Begrenzung oder Erweiterung derberuflichen Zuständigkeit .................................................................. 234

2. Intelligente Selbstbegrenzung und die Gleichwertigkeitberuflicher Habitusformen ................................................................. 238

Anmerkungen............................................................................................... 244

Literatur ........................................................................................................ 253

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VorbemerkungenDie wissenschaftliche und fachliche Begleitung der Professions-

entwicklung, die permanente Verständigung über Professionalität unddie Förderung des professionellen Handelns in der Erwachsenenbildunggehören seit jeher zu den Kernaufgaben des intermediär agierendenDeutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE). Dies schlägt sich nichtnur in zahlreichen Publikationen zu Entwicklungen und Untersuchun-gen des Professionsfeldes Erwachsenenbildung nieder. Das DIE bietetSupport in der entwicklungsorientierten Forschung in innovativen ma-kro- und mikrodidaktischen Handlungsfeldern, sammelt Daten für dieProfession und wertet diese aus. Es veranstaltet zu ausgewählten Anfor-derungsfeldern berufsbegleitende Fortbildungen und offeriert Organisa-tionsberatung. Träger- und institutionenübergreifend bietet es sozial or-ganisierte Möglichkeiten, „geteilte professionelle Standards“ (Gieseke)zu erarbeiten und zu kommunizieren. Schon seit Jahrzehnten organisiertdas Institut Berufseinführungen für hauptberufliche pädagogische Mitar-beiter und Mitarbeiterinnnen, in denen berufsfeldbezogenes Wissen struk-turiert, die zentralen Schlüsselsituationen erwachsenenpädagogischenHandelns behandelt und im Hinblick auf ein Professionsverständnis re-flektiert werden.

Das DIE ist dabei nur eine Supportinstitution in einem differen-zierten Feld von weiteren Unterstützungsleistungen seitens der Trägerauf Landes- und Bundesebene, der Verbände und überregional agieren-der Institute. Universitäten bilden seit Jahrzehnten Diplompädagogen mitdem Schwerpunkt Erwachsenenbildung aus. In einer sich zunehmendmarktförmig entwickelnden Erwachsenenbildungslandschaft sind nachernstzunehmenden Schätzungen mehrere hunderttausend Menschenbeschäftigt. Und trotzdem: In der hier vorliegenden Zwischenbilanz zumStand und den Perspektiven der Verberuflichung in der Erwachsenenbil-dung spricht Dieter Nittel immer wieder von der „zurückgebliebenen“,der „steckengebliebenen“ oder der „unbestimmten Profession“.

In der Tat ist ein Bedarf an professionstheoretischer Selbstauf-klärung festzustellen. Die historische Nachzeichnung der Entwicklungder Verberuflichung, die Einordnung der oft unklaren Diskussionen umProfessionalisierung und Professionalität in der Erwachsenenbildung inerziehungswissenschaftliche und soziologische Begriffssysteme sowie die

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Darlegung professionstheoretischer Positionen in der gegenwärtigen Er-wachsenenpädagogik bieten eine geeignete Grundlage, sich in den Aus-einandersetzungen innerhalb des differenzierten Berufsfeldes und derdamit verbundenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung konstruktivzu verständigen. Der vorliegende Forschungsreport verweist darüber hin-aus pointiert auf eine Reihe von Ursachen, die für die unvollendete Pro-fessionalisierung verantwortlich sind: Im Gegensatz zu anderen (klassi-schen) Professionen ist es der Erwachsenenbildung trotz steigender ge-sellschaftlicher Relevanz nur ansatzweise gelungen, sich durch entspre-chende Institutionalisierung und juristische Absicherung fest zu etablie-ren. Sicherlich wird das organisatorische Bedingungsgefüge der lockergekoppelten Systeme zwar dem Anspruch einer am gesellschaftlichenBedarf und dem individuellen Bedürfnis orientierten und sich weiterent-wickelnden Erwachsenenbildung gerecht, es schränkt damit aber aucheine systematische Verberuflichung ein. Die Ausdifferenzierung der Lehr-und Lernarrangements, die Entgrenzungstendenzen der Erwachsenen-bildung, die fluiden Übergänge zwischen organisiertem und informel-lem Lernen, die damit verbundenen Ausdifferenzierungen, Veränderun-gen und Überschneidungen der traditionellen Berufsrollen der Leitung,der disponierenden Mitarbeitenden, des haupt-, neben- und freiberufli-chen Personals sowie die von Nittel festgestellte mangelnde Passungzwischen Mandat und Lizenz grenzen die Verberuflichung weiter ein.Angesichts der auch vor der Erwachsenenbildung nicht Halt machen-den gesellschaftlichen Veränderungsdynamik kann aber zu Recht über-legt werden, ob dies nicht auch eine positive Seite für die Entwicklungder Professionalität hat. Kann man angesichts des Zustandes der vorhan-denen Säulen unseres Bildungssystems und der sich verändernden An-forderungen an die Organisationen der Weiterbildung und die darin Be-schäftigten oder dort Tätigen der nicht vollendeten Professionalisierungnicht auch etwas Positives abgewinnen? Provokativ gefragt werden kannetwa, ob die unvollendete Professionalisierung nicht auch Vorausset-zung für Professionalität sein kann, weil es hier im Gegensatz zu ande-ren Professionen weniger erforderlich ist, fossilisierte Wissensbeständeund Handlungsrituale entsprechend den sich verändernden Bedingun-gen anzupassen. Sicherlich klänge es zynisch angesichts der materiellenund sozialen Lage zahlreicher freiberuflicher Erwachsenenbildner, die-ser größer werdenden Beschäftigtengruppe zu attestieren, dass sie be-reits jetzt schon dem in der Literatur beschriebenen Bild des zukünftigenArbeitnehmers als „Lebensunternehmer“ entsprechen. Ich möchte aber

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nur darauf hinweisen, dass die „steckengebliebene“ Professionalisierungund deren Partikularisierung gleichzeitig auch erhebliche Entwicklungs-potentiale hat. Hierüber sich praktisch und theoretisch wie auch poli-tisch zu verständigen, bleibt eine Zukunftsaufgabe. Wie eine solche Ver-ständigung angesichts des von Nittel zu Recht festgestellten Bedeutungs-verlusts der klassischen erwachsenenpädagogischen Professionalisie-rungsorte und angesichts einer „vagabundierenden Erwachsenenbildungin unterschiedlichen sozialen Systemen“ herzustellen ist, lässt sich si-cherlich nicht leicht beantworten. Vielleicht ist dies angesichts der allge-meinen Trends zur Entgrenzung auch immer weniger möglich. Die nüch-terne Einschätzung der Verberuflichungschancen und der Grenzen derProfessionalität mindert die Gefahr realitätsferner programmatischer An-sprüche. Zumindest sollte es aber möglich sein, für eine weitergehendeAuseinandersetzung die notwendige Basis zu schaffen. Angesprochenist damit beispielsweise die Tatsache, dass es derzeit nicht möglich ist,statistisch nachvollziehbar zu beschreiben, wie groß die Gruppe der inder Weiterbildung Beschäftigten wirklich ist. Ob die Beschäftigtenstruk-tur tatsächlich noch dem klassischen Modell (leitendes, hauptberuflichdisponierendes, hauptberuflich lehrendes und nebenberufliches Perso-nal) entspricht, kann begründet in Frage gestellt werden. Aber der Autorverweist zu Recht darauf, dass es für die behaupteten Veränderungs-trends keinen breiteren empirischen Nachweis gibt. Und es ist keineneue Klage, wenn in diesem Zusammenhang auch auf die unzureichen-den empirischen Untersuchungen der zunehmend komplexeren erwach-senenpädagogischen Handlungsfelder verwiesen wird. Mit diesen Hin-weisen soll der vorliegende Forschungsreport aber nicht ausschließlichfür perspektivische Forschungsdesiderate funktionalisiert werden, son-dern auch auf den Anspruch des Autors hingewiesen werden, in ein fürdie Erwachsenenbildung relevantes Themengebiet einzuführen, beimLeser Lust auf weitere Beschäftigung zu wecken und dazu beizutragen,die eine oder andere Folgeaktivität anzustoßen.

Klaus MeiselDeutsches Institut für Erwachsenenbildung

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I Über den Bedarf an professions-theoretischer Selbstaufklärung

1. Problemaufriss

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre fanden in der Rhein-Main-Region zwei größere Tagungen zur Verberuflichung in der Erwachse-nenbildung statt: Der Hessische Volkshochschul-Verband lud 1996 un-ter dem Motto „Professionalität ohne Profession: Kursleiterinnen undKursleiter an Volkshochschulen“ zu einer landesweit ausgeschriebenenFachtagung ein, und das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung botzum Thema „Veränderungen in der Profession Erwachsenenbildung“ einbundesweites Kolloquium an. Der entscheidende Aspekt im hier anvi-sierten Vergleich ist, dass die bildungspolitischen Grundpositionen derbeiden Veranstalter (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung undHessischer Volkshochschul-Verband) in Fragen der Verberuflichung nurgraduell und keineswegs essentiell voneinander abweichen. Die Gemein-samkeiten der beiden Tagungen wurden nicht zuletzt in ähnlich gelager-ten Forderungen manifest, so z. B. für eine bessere personelle Ausstat-tung der Weiterbildungsinstitutionen zu sorgen, die Fortbildungsaktivi-täten zu intensivieren und die Erwachsenenbildungsinteressen im Kon-zert der bildungspolitischen Akteure offensiver zu artikulieren (vgl. Otto1997; Meisel 1997).

In einem nicht ganz unerheblichen Punkt trennt jedoch eineKluft die beiden Veranstaltungen. Der Titel „Professionalität ohne Pro-fession ...“ deutet in seinem leicht provokanten Gestus an, dass Kurslei-tende keinen Anspruch auf die Zugehörigkeit zu einer Profession formu-lieren können. Mit der Zuschreibung von Professionalität als einem all-seits als wünschenswert erachteten beruflichen Handlungsmodus ist hierdie Behauptung verbunden, dass die Arbeit des lehrenden Personals ei-nerseits einem spezifischen Güteanspruch gerecht, den Kursleitendenund Dozenten andererseits aber der damit eigentlich einhergehende be-rufliche Status vorenthalten werde. Die Wendung „Professionalität ohneProfession: Kursleiterinnen und Kursleiter an Volkshochschulen“ decktdas vermeintliche Skandalon auf, dass die Arbeit der Kursleitenden, ob-wohl sie hochwertigen professionellen Qualitätsstandards entspreche,

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keine angemessene materielle und symbolische Honorierung erfahre.Ganz anders der Titel der zweiten Veranstaltung: Hier werden unter Zu-grundelegung einer diachronen Sichtweise wichtige Veränderungen imBerufsfeld Erwachsenenbildung lokalisiert. Die Formulierung „Verände-rungen in der Profession Erwachsenenbildung“ beinhaltet die Propositi-on, dass das diesbezügliche pädagogische Handlungsfeld den Status ei-ner Profession bereits erreicht habe. Mit dem Mittel einer von Relativie-rungen gänzlich freien Als-ob-Annahme wird Sicherheit in der Grund-position erzeugt, dass die Erwachsenenbildung im Gefüge der übrigenProfessionen schon längst einen unangefochtenen Platz eingenommenhabe. Während also die regionale Fachtagung die Existenz einer die Kurs-leitenden einschließenden Profession der Erwachsenenbildner in Zwei-fel zieht, geht das bundesweite DIE-Kolloquium wie selbstverständlichvon dem Tatbestand aus, dass die Erwachsenenbildung sich bereits zueiner Profession formiert hat. Beide Ankündigungen operieren also mitvoraussetzungsreichen, jeweils anders gelagerten Unterstellungen im Hin-blick auf die Kategorien Profession und Professionalität.1

Warum wird hier eine vergleichsweise langatmige Darstellungbemüht, um die Unterschiede in der Ankündigung zweier im gleichenJahr stattgefundener Tagungen herauszuarbeiten? Die Etikettierungspra-xis öffentlicher Veranstaltungen hat neben ihrer Werbefunktion immerauch eine Tiefenstruktur. Gerade weil es sich um Tagungen zweier Ver-anstalter zu einem ähnlichen Thema handelt, die bildungpolitisch imPrinzip in die gleiche Richtung gehen, ist die diametral unterschiedlichePerspektive in den Überschriften außerordentlich aussagekräftig. Die hierangedeuteten Diskrepanzen bilden nur die Spitze des Eisbergs, der unsmit ungelösten Problemen und einer Fülle unentschiedener Fragen inAngelegenheiten der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung kon-frontiert. Dass hinter der Fassade der erwachsenenpädagogischen Pro-grammatik der Konsens auf der Ebene der Grundbegriffe brüchig ist, istnicht nur an den institutionellen Selbstbeschreibungen von Einrichtun-gen des eben erwähnten Typs abzulesen. Der Stand der wissenschaftli-chen Diskussion bestätigt dieses Orientierungsvakuum. Die Durchsichtder Fachliteratur (eine Recherche hat ergeben, dass zwischen 1980 und1999 insgesamt 453 Monographien, Zeitschriften- und Buchbeiträge zumThema erschienen sind) zeigt, dass mit der Häufigkeit des Redens überFragen der Profession auch das gemeinsam geteilte Verständnis über die-sen strategisch wichtigen Themenbereich zu verschwimmen scheint. In

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einer Analyse der Hessischen Blätter für Volksbildung der Jahrgänge 1960bis 1990 (vgl. Fink 1990) kommt die Autorin zu dem Befund, dass in derAuseinandersetzung zur Verberuflichung in der Erwachsenenbildung un-terschiedliche Konzepte der Professionalisierung gegeneinander abge-wogen worden sind, ohne dass sich im Zuge dieser Jahrzehnte ein präzi-seres Verständnis von Kernkategorien entwickelt hätte (ebd.:4, 210). Dochschon in den 70er Jahren wurde auf den Widerspruch hingewiesen, dassin der Vergangenheit viel Zeit und Energie investiert wurden, um sichüber Professionalisierung im Sinne der Konstitution einer ProfessionGedanken zu machen, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben,was unter einer Profession zu verstehen sei (vgl. Vath 1975:31). Der be-hauptete Klärungsbedarf könnte auch am Beispiel von Arbeiten jünge-ren Datums belegt werden.2

Dass sowohl in der Berufspraxis als auch in der Wissenschaftder Erwachsenenbildung in den grundsätzlichen Aspekten ein gewissesOrientierungsvakuum besteht, hat weitreichende Folgen. So ist weitge-hend ungeklärt, wer aus der Sicht der Kursleitenden die eigentliche Kli-entel darstellt. Arbeiten Kursleitende primär für die Teilnehmenden oderfür die Institution? Welcher Seite sind sie im Konfliktfall vorrangig be-rufsethisch verpflichtet, dem Lernenden als Interaktionspartner oder derEinrichtung? Auch das Verhältnis von Profession und Organisation istunentschieden: Einige Autoren sprechen von einer Aufweichung, ja viel-leicht sogar einer Versöhnung der bipolaren Konstellation zwischen pro-fessioneller und organisatorischer Rationalität (vgl. Schäffter 1992; Ter-hart 1986), während andere an der Gegensatzanordnung schon aus Grün-den der Notwendigkeit zur wechselseitigen Profilbildung festhalten (vgl.Harney 1997, 1998). Welche Kernaktivitäten eines Fachbereichsleiterskann man mit ‚pädagogisch‘ attribuieren, und welche Tätigkeiten sindmit dem Ausdruck ‚Organisationsarbeit‘ zu versehen? Worin bestehendie genuin professionellen Anteile im planerisch-disponierenden Han-deln? Welche Personengruppen gehören zur ,Profession’ der Erwachse-nenbildung?

Solche und weitere offene Fragen, die mit dem Themenkom-plex Profession – Professionalisierung – Professionalität verbunden sind,werden seitens der Erwachsenenbildung häufig mit der Konkurrenz undden Unstimmigkeiten zwischen den einschlägigen theoretischen Posi-tionen in der von der Soziologie reklamierten Berufsforschung und Pro-

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fessionstheorie begründet. Mit der These von der Unvollkommenheit bzw.Pluralität der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung bei der Bearbei-tung der eben angerissenen offenen Fragen werden die Schwierigkeitendemnach legitimiert. Bei alledem schwingt die Auffassung mit, die Be-zugsdisziplinen müssten ihre Hausaufgaben erst noch machen – sprich:eindeutige Befunde präsentieren –, damit die Erwachsenenbildung ih-rerseits zu einer theoretischen Konsistenz gelangen könnte. Hinzu kommtdie Unterstellung, dass andere Disziplinen (wie Soziologie und Psycho-logie) gleichsam als Fundierungswissenschaften dienen und die großenKonturen zeichnen, während die mit der Erwachsenenbildung betrautenErziehungswissenschaftler die so entstandenen Flächen nur auszumalenhaben. Dieser überspitzt formulierten Position wird hier die Behauptunggegenübergestellt, dass die Wissenschaft von der Erwachsenenbildunggerade vor dem Hintergrund eines heterogenen professionstheoretischenGesamtszenariums nicht darauf verzichten kann, sich selbst eine gegen-standsadäquate Position zu erarbeiten und im Klafki’schen Sinne kri-tisch-konstruktiv mit den Theorieangeboten umzugehen (vgl. Klafki 1985).Im Gegensatz zur Soziologie, deren Vertreter dazu tendieren, die einmalerarbeitete professionstheoretische Lehrmeinung nicht aufzugeben, kön-nen Erziehungswissenschaftler undogmatischer und respektloser mit denverschiedenen Theorieoptionen operieren. Statt sich einseitig auf die struk-turfunktionalistische Tradition, auf Grundkonzepte aus dem SymbolischenInteraktionismus oder merkmalsbezogene Ansätze in der Professionstheo-rie zu kaprizieren, wird hier davon ausgegangen, dass die Ansätze je-weils spezifisch akzentuierte Stärken und Schwächen haben, wobei dieStärken an unterschiedlichen Stellen der Theoriearchitektur sinnvoll ge-nutzt werden können. Die Zielrichtung und der Ertrag einer solch abwä-genden Applikation soziologischer Theorieansätze sind aber nicht pau-schal, sondern immer nur gegenstands- und problembezogen zu ermit-teln. Anders als in der Vergangenheit soll die Vielgestaltigkeit der theore-tischen Zugänge demnach nicht als Problem, sondern auch als Chancebetrachtet werden, Fragen und Phänomene der Verberuflichung mehrdi-mensional zu betrachten. Dies setzt im Hinblick auf eben diesen Gegen-standsbereich die eine oder andere theoriegeleitete Vorab-Entscheidun-gen voraus.

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2. Erster Versuch einer begrifflichen Differenzierung

Der hier zur Diskussion stehende Untersuchungsgegenstand‚Verberuflichung der Erwachsenenbildung‘ wird nach drei Seiten ausdif-ferenziert, und zwar in die Richtungen Profession, Professionalität undProfessionalisierung. Diese Vorab-Entscheidung wird von der Annahmegeleitet, dass die inhaltlichen Differenzen zwischen diesen drei Katego-rien beträchtlich sind. Aus heuristischen Gründen, aber auch aufgrundder Notwendigkeit, eine theoriestrategische Komplexitätsreduktion vor-zunehmen, erscheint es angebracht,

– bei der Erschließung von Professionalität handlungstheoretischeund wissenssoziologische Zugänge,

– bei der Ergründung von Professionalisierungsvorgängen prozess-und machttheoretische Ansätze,

– zur Bestimmung einer Profession gesellschafts- bzw. struktur-theoretische Theorien

zu wählen. Diese Differenzierung entspricht dem, was später mit dezen-tralem Blick bezeichnet wird. Die anschließende Begründung der hiergetroffenen Unterscheidungen und Zuordnungen bietet den Lesern zu-gleich eine kurze Arbeitsdefinition und Orientierung.

„Was wir brauchen, ist mehr Professionalität“, „Ohne Professio-nalität keine Qualität!“ So oder ähnlich lauten vielfach zu hörende Posi-tionen und Forderungen bei Fortbildungsveranstaltungen oder anderenGelegenheiten. Der Begriff Professionalität wird von Vertretern der Be-rufspraxis in der Regel als gekonnte Beruflichkeit, als Indikator für quali-tativ hochwertige Arbeit verwendet. Wer den Ansprüchen, die an die Pro-fessionalität gestellt werden, Genüge leistet, weiß, was er kann, und erwird – so die gängige Annahme – durch beruflichen Erfolg belohnt. Erfolgist jedoch nur ein – und keineswegs ein hinreichender – Maßstab für Pro-fessionalität (vgl. Nittel 1999a). Manchmal dient der Begriff auch als In-strument der Distinktion, als Vehikel der Abgrenzung, um Abstand zu ei-ner als profan geltenden Praxis herzustellen. Er wird im Selbstverständi-gungsprozess der Berufspraxis also auch interessengeleitet benutzt, bei-spielsweise um vermeintlich richtiges von vermeintlich falschem berufli-chen Handeln abzugrenzen, den beruflichen Interaktionsstil eines Vorge-setzten oder Untergebenen normativ zu etikettieren (vgl. Riemann 1997).Ebenso wie im beruflichen Alltag wird auch im wissenschaftlichen Kon-text Professionalität als Attribut zur Kennzeichnung des beruflichen Han-

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delns oder zur Beschreibung der Klienten-Professionellen-Beziehung ver-wendet. Phänomene der Professionalität können nicht jenseits des Hierund Jetzt der fallbezogenen Dienstleistung am Menschen erschlossenwerden. In der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Literatur wer-den mittels dieser Kategorie komplexe Aspekte, wie zum Beispiel die Re-lationierung heterogener Wissensformen oder auch die zentralen Problem-und Aufgabenbereiche einer Berufsgruppe, beschrieben. Auch die Wah-rung der Autonomie des Klienten und die Ausbalancierung divergieren-der Interessenlagen werden in diesem Kontext diskutiert. Da Professiona-lität nicht einfach da ist, sondern als eine Reifestufe im individuellen Pro-zess der Verberuflichung erworben wird, spielen auch Ausbildung undSozialisation eine große Rolle. Aber auch eine noch so gute Ausbildungentbindet den Praktiker nicht von der Verpflichtung, in jeder Situation aufsNeue seine Professionalität unter Beweis zu stellen. Insbesondere der starkeSituationsbezug und die Wissensabhängigkeit des beruflichen Könnenslassen es als geboten erscheinen, Professionalität als einen Gegenstands-bereich zu begreifen, der am ehesten handlungstheoretisch und wissens-soziologisch zu erschließen ist.

Anders als die Kategorie Professionalität, die erst in den letztenzehn Jahren ins Zentrum der Diskussion gerückt ist, spielt in der Erwach-senenbildung die Kategorie Professionalisierung schon seit Ende der 60erJahre eine Rolle (vgl. Schulenberg 1972). Professionalisierung kann imGegensatz zu Professionalität nur sehr schwer Abstand gegenüber demmachtpolitisch überformten Kontext der berufsständischen Interessen-politik wahren; sie ist also gegenüber askriptiven und voluntativen Ver-einnahmungen anfälliger. Wird die Formel von der Professionalisierungverwendet, so kann eine Melange unterschiedlicher Motive unterstelltwerden: Unzufriedenheit aufgrund schlechter Bezahlung, unzureichen-de soziale Absicherung, das Bedürfnis, sich im alltäglichen Handeln voneiner Berufsethik leiten zu lassen, oder das (aus der Sicht der Wissen-schaft artikulierte) Interesse an einer Ausdehnung der Definitionsmachtin Angelegenheiten der Bildung des Erwachsenen. Mitunter wird Profes-sionalisierung als eine Art berufspolitischer Kampfbegriff verstanden, mitdessen Hilfe Legitimationsmuster geschaffen werden, um den beschäfti-gungspolitischen Rahmen, das Ansehen und die Bezahlung für Erwach-senenbildner zu verbessern, das Berufsbild zu vereinheitlichen, kurz:der Verberuflichung der Erwachsenenbildung einen neuen Schub zugeben. Bildungspolitische Positionen betonen, dass die Professionalisie-

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rungsfrage eng an den Ausbau der Weiterbildung zu einer vierten Säuledes Bildungssystems gekoppelt ist. Die Erfahrungen anderer Berufe leh-ren, dass Professionalisierungsabsichten nur dann umgesetzt werdenkönnen, wenn den Entscheidungsträgern auf der akademischen, juristi-schen und politischen Bühne Zuständnisse abgerungen werden. Auchdie Durchsetzung eines positiven Images in der Öffentlichkeit und dieweitgehende Monopolisierung eines bestimmten Aufgaben- und Arbeits-bereiches sind wichtig, damit Professionalisierungsabsichten fruchten.Professionalisierung kann den Prozess der Verberuflichung im Sinne derNeukonstitution eines Berufsbildes ebenso bedeuten wie den Vorgangder Aufwertung eines bereits existierenden Berufs im Sinne von Akdade-misierung und Verwissenschaftlichung. Neben kollektiven Prozessen zieltder Begriff auch auf den individuellen Prozess der Ausbildung und denim Beruf ablaufenden Vorgang der Qualifizierung und Reifung. Aus so-zialwissenschaftlicher Sicht gilt es als unstrittig, dass Professionalisie-rung – wie dieses nominalisierte Verb schon im Ansatz verrät – einendiachronen Gegenstandsbereich darstellt, dass es also um Prozesse inder Zeit geht, an denen die unterschiedlichen Akteure mit jeweils unter-schiedlichen Interessen beteiligt sind. Manche Theorien unterstreichenstärker den Vorgang der Verwissenschaftlichung bzw. der Akademisie-rung, andere betonen die Notwendigkeit der Gründung eines schlag-kräftigen berufsständischen Verbandes, manche unterscheiden zwischenselbst- und/oder fremdinitiierter Konstitution eines Berufs. Die Domi-nanz der Faktoren ‚Zeit‘ und ‚Macht‘ rechtfertigt es, die Dimension Pro-fessionalisierung primär mit Theorien individueller und kollektiver Pro-zesse sowie unter machttheoretischen Aspekten zu beleuchten.

Im Gegensatz zu den beiden eben angerissenen Begriffen tauchtder Terminus Profession sowohl im fachwissenschaftlichen Kontext derErwachsenenbildung als auch in den beruflichen Selbstverständigungs-diskussionen wesentlich seltener auf. Diese Einschätzung mutet zunächstungewöhnlich an, weil ‚Profession‘ den Wortstamm darstellt, von wel-chem Professionalisierung und Professionalität abgeleitet wurden. Diein der Weiterbildung tätigen Personen scheinen in ihren beruflichenSelbstbeschreibungen weit davon entfernt zu sein, sich ernsthaft als An-gehörige einer Profession zu bezeichnen und ein diesbezügliches Wir-Gefühl zu entwickeln. Hin und wieder wird in bildungspolitischen Zu-sammenhängen – wie schon gezeigt – im Sinne einer Als-ob-Annahmevon der ‚Profession Erwachsenenbildung‘ gesprochen, aber hinter dieser

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Art des Wortgebrauchs steckt mehr Wunschdenken als Realitätssinn. Dieeher seltene Bezugnahme auf die Kategorie Profession in der erwachse-nenpädagogischen Literatur ist insofern zu erklären, als die bisherigenProfessionalisierungsbestrebungen nicht die Evidenz oder Reife besit-zen, um sie als Schritte auf dem Wege der Konstitution einer Professionidentifizieren zu können. Die gängigen soziologischen Merkmale erwie-sen sich bislang als untauglich, auf die Erwachsenenbildung als Berufs-feld übertragen zu werden. Unter einer Profession könnte man im einemersten Definitionsversuch einen akademischen Beruf verstehen, der be-sonders ausgewiesen ist, weil er ein für die gesellschaftliche Reprodukti-on zentrales Problem bearbeitet und das hierzu erforderliche Wissensystematisch anwendet. Der in der einschlägigen Literatur üblichen Be-zugnahme auf den bestimmten Kreis (Komplex) an akademischen Beru-fen lag die Überzeugung zugrunde, dass es so etwas wie einen profes-sionellen Komplex in der Gesellschaft gilt, der im Kontext der gesell-schaftlichen Arbeitsteilung besondere Leistungen mobilisiert und zurReproduktion des Gemeinwesens unbedingt notwendig ist. Erst die Be-zugnahme auf diese Leistungen und der Vergleich mit den übrigen Beru-fen bieten eine hinreichende Handhabe, diese Berufsgruppe als Profes-sion zu etikettieren und jene nicht. Nicht nur die spezifischen Leistun-gen eines Berufs oder die Arbeit als solche, sondern ein bestimmtes Ver-hältnis von Typik der Arbeit einerseits und gesellschaftlicher Problembe-arbeitung andererseits konstituiert ein hinreichendes Set an Gemeinsam-keiten unter den Inhabern einer Berufsrolle, um dem professionellenKomplex (vgl. Parsons 1968a) zugerechnet zu werden. Der Referenz-punkt zur Bestimmung einer Profession ist die Gesamtgesellschaft, ge-nauer: Die gesellschaftliche Arbeitsteilung wird unter dem Aspekt desVerhältnisses einzelner Funktionssysteme und unter dem Gesichtspunktder Leistung betrachtet, die die Professionsangehörigen zur Lösung vonsowohl gesamtgesellschaftlich relevanten als auch individuell bedeutsa-men Problemlagen erbringen. Aus diesen Überlegungen folgt, dass dieerziehungs- und sozialwissenschaftliche Betrachtung von Professioneneinen ganzheitlichen Blick auf die Gesellschaft und ihre Teilsystemenotwendig macht.

Der eben skizzierte dezentrale Blick auf die Verberuflichungder Erwachsenenbildung kommt ohne überzogene Einheitsansprüche aus.‚Dezentraler Blick‘ meint die analytische Entkopplung von Sinndimen-sionen und Wirklichkeitsbereichen, die realiter zusammengehören, aus

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untersuchungsstrategischen Gründen jedoch isoliert betrachtet werdensollten, um auf diese Weise die Existenz bzw. Nichtexistenz von Wech-selbezügen besser erkennen zu können. Ein solcher differenztheoreti-scher Ansatz eröffnet eine Vielzahl neuer Optionen. So ist nicht auszu-schließen, dass es auch kollektive Prozesse der Verberuflichung ohneeinen inneren Telos gibt – also Phänomene der Professionalisierung, dienicht von einem mitlaufenden Zweckprogramm gesteuert werden unddie Zielmarge ‚Profession‘ ansteuern. Genauso wenig ist auszuschlie-ßen, dass Prozesse der Professionalisierung sich nicht synchron mit demAufbau einer gesteigerten Professionalität entwickeln. Ebenso wie dieReproduktion einer Profession ohne den permanenten Nachweis unddie Generierung von Professionalität zu funktionieren vermag, kann sichim begrenzten Rahmen Professionalität auch jenseits einer Professionentwickeln. In einer Vielzahl von beruflichen Kontexten, in denen per-sonenbezogene Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden,wird den Akteuren ganz selbstverständlich und wohl auch zu Recht Pro-fessionalität attestiert (z. B. Stewardessen, Altenpflegern, Erzieherinnen),ohne dass den Vertretern dieser Berufsgruppen der Status einer Professi-on zugestanden wird.

3. Anspruch und Aufbau der vorliegenden Studie

Die Bezugnahme auf ein breites Spektrum der professionstheo-retischen Grundlagenliteratur ist kein Selbstzweck. So ist die recht auf-wendige Darlegung grundlagentheoretischer Positionen dem Umstandgeschuldet, dass die Beschäftigung mit professionsspezifischen Phäno-menen für die Erwachsenenbildung in doppelter Weise bedeutsam ist:Zum einen ist das Berufsfeld der Weiterbildung selbst Ausgangspunktund Ziel von Professionalisierungsbemühungen. Von daher liegt es nahe,die professionstheoretische Literatur als Werkzeug der beruflichen Selbst-aufklärung zu nutzen. Zum zweiten übt die Erwachsenenbildung ihrer-seits einen aktiven Einfluss auf die Steigerung von Professionalität aus,weil die in ihrem Rahmen angebotenen Maßnahmen der berufsorien-tierten Fort- und Weiterbildung und der Optimierung von Sockelqualifi-kationen ein zentrales Medium der Verberuflichung von Angehörigennicht-pädagogischer Berufsfelder darstellen. Da bei der Evaluation desErtrages und des Nutzens der hier geleisteten Bildungsarbeit auch eineprofessionstheoretische Reflexion angesagt ist, erscheint die etwas in-tensivere Vertiefung in die einschlägige Literatur folgerichtig zu sein. Die

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strenge Arbeit am Begriff soll zu einer einigermaßen präzisen Markie-rung der Chancen und Grenzen von Professionalisierung führen, ohnedabei das konkrete berufliche Handeln im erwachsenenpädagogischenAlltag aus dem Blick zu verlieren. Dem Leser/der Leserin soll zunächsteinmal ein Überblick über die zentralen Standpunkte der professions-theoretischen Diskussion in der Erwachsenenbildung vermittelt werden,wobei es aufgrund der kaum noch überblickbaren Literaturlage nichtmöglich ist, auf alle Vertreter der akademischen Erwachsenenbildungeinzugehen, die sich zum Thema bislang geäußert haben. Das erzwingtein exemplarisches Vorgehen. Vergleichbar mit der Funktion von For-schungsreports (vgl. Nittel 1989, 1992) soll auch das vorliegende Buchin ein für die Erwachsenenbildung relevantes Themengebiet einführen,beim Leser Lust auf weitere Beschäftigung wecken und dazu beitragen,die eine oder andere Folgeaktivität anzustoßen.3 Es will also keineswegsfertige Ergebnisse präsentieren, sondern die Diskussion beleben undImpulse für weitere – insbesondere empirische – Aktivitäten geben. Fürden Autor stellt dieses Buch die Vorarbeit für ein größeres empirischesProjekt (vgl. Nittel 1998a) dar, welches sich mit den Berufsverläufen,dem Professionswissen und dem situativen Handeln freiberuflicher Er-wachsenenbildner/innen beschäftigen soll.

Die Besonderheit dieser Studie besteht darin, dass sie den Ge-genstandsbereich mehrperspektivisch beleuchtet: Manche Phänomeneerscheinen ganz unterschiedlich, je nachdem, ob sie unter dem Fokusder Professionalisierung oder dem der Professionalität betrachtet wer-den. Im weiteren Verlauf der Argumentation wird sich herausstellen, dassdie Differenz Profession – Professionalisierung – Professionalität weitereUnterscheidungen evoziert, so z. B. die zwischen berufspolitischen, bil-dungspolitischen und erziehungswissenschaftlichen Zielen und Maxi-men. In Kapitel II werden mit Blick auf das Feld der Erwachsenenbil-dung die Begriffe Profession – Professionalisierung – Professionalität sys-tematisch entfaltet, aber auch unter erwachsenenpädagogischen Gesichts-punkten angeeignet. Die Darlegung konkurrierender Theorieangeboteaus dem breiten Fundus der sozial- und erziehungswissenschaftlichenProfessionstheorie erfolgt in der Erwartung, dass die Pluralität der profes-sionstheoretischen Schulen gut geeignet ist, um das uneinheitliche, durchVielfalt gekennzeichnete erwachsenenpädagogische Feld analytisch zuerschließen. In Kapitel III folgt ein historischer Abriss, wobei die Phaseder Weimarer Republik und die Zeit der Bildungsreform im Mittelpunkt

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stehen. Die zentrale These hier lautet, dass die Position, schon in derWeimarer Republik seien Formen der Professionalisierung zu beobach-ten gewesen, kaum haltbar ist. Erst am Ende der 60er Jahre begann dieErwachsenenbildung, sich vom ‚Modell Mission‘ abzuwenden und dieZielmarge Profession anzustreben. In Kapitel IV werden in exemplari-scher Absicht drei zentrale professionstheoretische Positionen referiert,die einen komprimierten Überblick über den Stand der Diskussion er-möglichen: die mit dem Berufsfeld der öffentlich verantworteten Erwach-senenbildung eng verbundene Position von Hans Tietgens und WiltrudGieseke, den mit dem Namen Bernd Dewe verbundenen wissenssozio-logischen Ansatz und die von betriebs- und berufspädagogischen Kon-texten inspirierten Überlegungen von Rolf Arnold. Die augenblicklicheLage der erwachsenenpädagogischen Berufskultur4 ist der Kern von Ka-pitel V. Nach einer eher deskriptiven Annäherung erfolgt eine analyti-schere Betrachtung, wobei vor allem die Grenzen zukünftiger Professio-nalisierungsbemühungen vermessen werden sollen. Der Abgleich derprofessionalisierungshemmenden und der professionalisierungsfördern-den Faktoren mündet im letzten Kapitel in die These einer intelligentenberufspolitischen Selbstbegrenzung. Ganz im Sinne des Diktums, „... manbraucht also Distanz zur Hilfe, um den Pädagogen in ihren Selbstver-ständigungsdiskussionen (zu Fragen der Professionalität, D. N.) helfenzu können“ (Tenorth 1989:809), verzichtet dieses Buch darauf, im be-rufspolitischen Diskurs eine bestimmte Partei zu ergreifen. Jene Arbei-ten, die eine distanzlose Parteinahme mit der Berufspraxis nahe legen,verfolgen zwar ehrenwerte Absichten, haben oft aber den Effekt, denPraktikerdiskurs in einer etwas anderen Sprache zu reproduzieren, ohnedass es zu einer Verfremdung eingeschliffener Perspektiven und Denk-weisen kommt. Wird jedoch auf eine solche Verfremdung und kritischeDistanz verzichtet, so dürften sowohl im wissenschaftlichen Kontext alsauch im Berufsfeld Erkenntnisfortschritte eher unwahrscheinlich sein.

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II Begriffserläuterung: Profession –Professionalisierung – Professionalität

1. Vorbemerkung

Die vertiefte Diskussion über Schlüsselbegriffe dient dem Zweck,dem Bedarf an grundlagentheoretischer Reflexion Genüge zu leisten undgleichzeitig eine Art ‚Materialbeschaffung‘ durchzuführen. Diese Mate-rialbeschaffung versorgt die Leserinnen und Leser mit Hintergrundwis-sen, so dass die Diskussion in den nächsten Kapiteln nicht nur fundiertfortgesetzt werden, sondern das eine oder andere hier nicht ausdrück-lich genannte Phänomen einer eigenständigen Reflexion unterzogenwerden kann. Im Folgenden soll ein trennscharfes und zugleich geschmei-diges Verständnis von Professionen entwickelt werden, um so den kom-plexen Konstellationen im Berufsfeld Weiterbildung gerecht zu werden.Professionen sind nicht einfach da oder nicht da, sondern sie bilden –neben ihren (vordergründig) festen institutionellen Strukturen – ein labi-les und deshalb störanfälliges Verhältnis zur übrigen Gesellschaft aus.Die gleichzeitige Wirksamkeit von Professionalisierungs- und Deprofes-sionalisierungstendenzen stellt selbst bei den etablierten und altehrwür-digen Berufen nicht den Ausnahme-, sondern den Regelfall dar (vgl. u. a.für die Medizin: Lachmund 1987). Diese widersprüchliche Einheit vonPotentialen, die die berufliche Autonomie und Selbstverantwortung imInteresse der Klientel fördern, und von Kräften, die diese Entwicklungunterminieren, trägt dazu bei, dass Professionen ständig im Fluss, immerin Bewegung sind.

Der in der Einleitung vertretene Anspruch, dass für die Bearbei-tung des Gegenstandsbereichs Profession auf die Gesamtgesellschaft fo-kussierte Erklärungsansätze Priorität genießen, soll eingelöst werden,indem zunächst auf Arbeiten aus dem Umkreis des Symbolischen Inter-aktionismus und danach auf solche der Systemtheorie eingegangen wird.Dem Symbolischen Interaktionismus wird in dieser Veröffentlichung –anders als in Mainstream-Positionen – in professionstheoretischer Hin-sicht ein dezidiert auf die Gesamtgesellschaft abzielendes Diagnose- undAnalysepotential attestiert.1 Für ein tieferes Verständnis von ‚bescheide-nen‘, ‚unentschiedenen‘ oder in der Entwicklung befindlichen Professio-

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nen erscheint uns die Professionstheorie des Symbolischen Interaktio-nismus unverzichtbar zu sein. Diese soziologische Richtung hat seit je-her das Fragile und Störanfällige im professionellen Handeln berück-sichtigt, sich von Perfektibilität deutlich abgesetzt – und gerade auf dieseWeise Anschlussmöglichkeiten zu Berufen im Bildungs- und Erziehungs-system eröffnet. Dem hier Gesagten liegt darüber hinaus die Annahmezugrunde, dass es nicht ausreicht, die spezifische Aufgaben- und Pro-blemstruktur der erwachsenenpädagogischen Arbeit zu identifizieren oderauf die besondere, ja unverwechselbare Rolle der erwachsenenpädago-gischen Berufsarbeit hinzuweisen. Wenn die Erwachsenenbildung denStatus einer Profession beansprucht, so muss sie sich auch gefallen las-sen, unter Maßgabe solcher Vergleichsmaßstäbe und Differenzschematabetrachtet zu werden, an denen sich Berufe gewöhnlich orientieren, wennsie im Konzert der Professionen (im ‚professional complex‘) eine Stimmebeanspruchen. Ohne die einen oder anderen – möglicherweise auchunangenehmen – Vergleiche mit anderen Berufen kann die Erwachse-nenbildung sich zukünftig kaum im Gefüge der gesellschaftlichen Ar-beitsteilung positionieren.

2. Professionen: Im Spannungsverhältnis von sozialerWelt und Funktionssystem

2.1 Konstruktion und Wandelbarkeit von ProfessionenIn der in Deutschland als einschlägig bezeichneten Literatur (vgl.

Rüschemeyer 1972; Hartmann 1972; Hesse 1972) werden Professionenals besonders ausgewiesene, zumeist akademische Berufe definiert, dieein bestimmtes Verhältnis nach innen (Korpsgeist) aufweisen, Dienstleis-tungen für ihnen anempfohlene Menschen erbringen, systematisch er-zeugtes Wissen auf außeralltägliche Probleme anwenden und ihr Han-deln dem Gemeinwohl unterordnen. Hierbei ist es dem Kollektiv derProfessionsangehörigen gelungen, die geleistete Bearbeitung eines zen-tralwertbezogenen gesellschaftlichen Problems (Gesundheit, Gerechtig-keit, Erziehung) in mehr oder weniger monopolistischer Weise zu ver-walten. Eliot Freidson hat auf die doppeldeutige, auf gesellschaftlicheArbeitsteilung und Moral abzielende Konnotation von ‚Profession‘ hin-gewiesen, er unterscheidet „‚Profession’ als eine besondere Art von Be-ruf und ,Profession’ als Bekenntnis oder Versprechen“ (Freidson 1979:1).

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Wenn ein Beruf sich als Profession etabliert hat, so ist dies zwar immerauch das Ergebnis einer interessengeleiteten Machtpolitik. Diesbezügli-che Ambitionen führen aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen zudem gewünschten Ergebnis. Den Status einer Profession erringen insbe-sondere jene Berufe, die ein stimmiges Verhältnis zwischen der Typikdes zur Debatte stehenden Grundproblems (Gesundheit, Gerechtigkeit)und der Typik der Arbeit (klientenorientierte und fallorientierte Arbeit,wissenschaftliche Wissensbasis usw.) erzielen.

Auch jene Wissenschaftler, die gegen merkmalsbezogene Pro-fessionsmodelle opponieren und als primäres Kriterium Art und Qualitätder lokalen Arbeitsvollzüge sowie das berufliche Selbst- und Fremdbildund die Kompetenzen der Betroffenen gelten lassen wollen, sind auf einminimales Vorverständnis, was denn unter einer Profession zu verstehenist, angewiesen. Mit Blick auf die sozial- und erziehungswissenschaftli-che Debatte in den letzten Jahren kann man sagen, dass sich das Vorver-ständnis von Vertretern der strukturfunktionalistischen Schule und de-nen des Symbolischen Interaktionismus (als den beiden zentralen Rich-tungen) deutlich angenähert hat, obwohl einzelne Wissenschaftler aufUnterschieden insistieren (vgl. Schütze 1996:185f.).

Bei aller Konvergenz der Positionen – bis heute ist das mit derfrüheren Dominanz des Strukturfunktionalismus korrespondierende Vor-urteil außerordentlich mächtig, Professionen seien stabile soziale Gebil-de, deren Mitglieder über eine gemeinsam geteilte Berufsidentität undWertorientierung verfügen und mehr oder weniger den gleichen Rollen-definitionen und Interessen folgen. Die Sozialisation des Berufsnovizen,so wurde argumentiert, bestehe in der Einweisung in den (später dann)gemeinsam geteilten Nukleus der Normen und Vorschriften, die das Ver-halten des Professionals nach innen und außen regulieren. Professionenwerden in dieser Perspektive als ‚soziale Einheiten‘ par excellence be-griffen. Insbesondere orthodoxe Vertreter des Strukturfunktionalismushaben in der Vergangenheit dazu geneigt, von der Binnendifferenzie-rung in Berufen abzusehen und den auf Einheit, Konsistenz, ja Harmo-nie hinauslaufenden Selbstbeschreibungen der Berufsvertreter zu folgenund die entsprechende Gruppe als homogene Masse zu betrachten. Sol-che abstrakten Bestimmungen bringen wenig Erkenntnisgewinn für dieErwachsenenbildung, sofern man sie nicht mit den konkreten Phänome-nen im Berufsfeld abgleicht.

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Bucher/Strauss haben in ihrem in der Erwachsenenbildung nichtsonderlich beachteten Aufsatz „Wandlungsprozesse in Professionen“ amBeispiel des Arztberufes nachweisen können, dass die eben skizzierteAnnahme relativer Homogenität innerhalb einer Profession bei näheremHinsehen trügerisch ist. Um sich von dem statischen Verständnis abzu-grenzen, begreifen sie Professionen als eine lose Verbindung einzelnerSegmente, „die verschiedene Ziele auf unterschiedliche Weise verfol-gen und die mehr oder weniger lose unter einer gemeinsamen Berufsbe-zeichnung zu einem bestimmten Zeitabschnitt zusammengefasst wer-den“ (Bucher/Strauss 1972:183). Wie am Beispiel des Chirurgen und desPsychiaters zu sehen ist, sind die einzelnen Segmente im Hinblick aufihre Ideologien, Techniken und wissenschaftlichen Grundlagen auf ganzunterschiedlichen Fundamenten aufgebaut: Sowohl in Bezug auf Kern-aufgaben und Tätigkeitsmerkmale als unverrückbare Bestandteile der Be-rufsidentität als auch in Bezug auf Methodik und Technik sind wider-streitende Orientierungen vorherrschend. Die Geschichte zeigt zudem,dass die Wurzeln z. B. mancher medizinischer Segmente aus ganz ande-ren Berufssparten stammen: Im 19. Jahrhundert hatte etwa der Zahnarztmehr mit dem Friseur gemeinsam als mit dem Mediziner. Die vorurteils-freie Betrachtung von Bucher/Strauss trägt zur Entmystifizierung der Ein-heitsvorstellungen ebenso bei wie zur Relativierung der damit korrespon-dierenden Harmonievorstellungen. Konflikte und Machtkämpfe inner-halb von Professionen werden in eigens dafür reservierten, der Laien-welt weitgehend unzugänglichen Arenen und Hinterbühnen ausgetra-gen. Hin und wieder kann es sogar vorkommen, dass die miteinander iminternen Widerstreit stehenden Interessen eines Berufsstandes u. U. grö-ßer sind als die Differenzen zwischen Vertretern unterschiedlicher Be-rufsgruppen. Das Verschwinden alter und die Formierung und das Auf-kommen neuer, spezialisierter Segmente (z. B. Kinderärzte oder Diagno-se-Ärzte) wird in Analogie zu sozialen oder gar politischen Bewegungenbeschrieben, die Zweck und Ziel ihrer Tätigkeiten jeweils selbst definie-ren müssen und oft ein eigentümliches Sendungsbewusstsein ausstrah-len.

Bucher/Strauss sind mit ihrer segmenttheoretischen Sichtweiseund der Kategorie der sozialen Bewegung in der Lage, die sich selbst alsProfession definierenden, von der Gesellschaft aber noch nicht als solcheakzeptierten Berufe in den Blick zu nehmen. Die Relativierung des Ein-heitsmythos hat zudem für die Diskussion in der Erziehungswissenschaft

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im Allgemeinen und in der Erwachsenenbildung im Besonderen einengewissen Beruhigungseffekt. Der Befund, dass es selbst in den klassischenProfessionen nicht so einheitlich zugeht, wie es nach außen erscheint,trägt zunächst einmal zu einer notwendigen analytischen Gelassenheitbei.

So muss das von manchen Vertretern der Erwachsenenpädago-gik vorgebrachte Argument, dass mit der „Unabgeschlossenheit und,Grenzenlosigkeit’ der Weiterbildung“ weitreichende Probleme verbun-den sind, „die Lage des Personals zu klären“ (Faulstich 1996b:50), miteinem Fragezeichen versehen werden. Denn die Unübersichtlichkeit derInstitutionen und Orte der Erwachsenenbildung muss sich, wie manchemöglicherweise befürchten, auf den Prozess der Verberuflichung nichtzwangsläufig hemmend auswirken. Fachvertreter, die die kaum noch über-schaubare Diversifikation erwachsenenpädagogischer Arbeit in den un-terschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen als einen für die Etablie-rung einer Profession hemmenden Faktor anführen, scheinen sich allzustark an der Institution Schule oder am Lehrerberuf zu orientieren unddie positiven Entwicklungschancen eines breiten Spektrums an Berufs-segmenten zu unterschätzen. Am Beispiel anderer Berufsstände könnteman ebenso gut aufzeigen, dass die Fähigkeit einer Profession, die Tätig-keitsfelder zu wechseln und in nahezu allen gesellschaftlich relevantenBereichen präsent zu sein, sich keineswegs als ‚berufspolitischer Stol-perstein‘ auswirken muss, sondern im Gegenteil professionalisierungs-fördernd sein kann. Dass diese These eine gewisse Plausibilität besitzt,zeigt die Berufsgruppe der Juristen, die beinahe in jedem gesellschaft-lich relevanten Bereich ansässig ist und deren Erfolg möglicherweise sogargerade auf ihrer Multifunktionalität beruht.

Die durch Bucher und Strauss repräsentierte Forschungsperspek-tive ist für die Erwachsenenbildung instruktiv, weil wir es hier bekannt-lich mit einer Vielfalt von Segmenten zu tun haben, was eben nicht zwangs-läufig unter Defizitgesichtspunkten, sondern auch als Chance des flexi-blen Reagierens bewertet werden könnte. Sie sorgt für die erforderlicheSensibilität und Gelassenheit, um die unterschiedlichen, ja divergieren-den Interessenlagen in den einzelnen Segmenten der erwachsenenpäd-agogischen Berufskultur als ‚normales‘ Phänomen in den Blick zu neh-men. Heteronome Faktoren sind für den konjunkturellen Aufwind des ei-nen Segments und den beschäftigungspolitischen Abschwung anderer

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Segmente verantwortlich. So haben wohlfahrtsstaatliche Interventionenzur Expansion und vergleichsweise komfortablen Ausstattung der berufli-chen Bildung beigetragen. Dass das Segment der Berufsbildner und derBetriebspädagogen in den letzten Jahren innovative Aufgaben (vgl. Ar-nold 1991a), vielleicht sogar eine Vorreiterfunktion übernehmen konnte,während Segmente der allgemeinen Weiterbildung eher Einsparungenhinnehmen mussten, schlug sich in offenen und verdeckten Auseinan-dersetzungen zwischen Vertretern der diesbezüglichen Berufskulturen nie-der.2

Wenn die Kräfte und Bewegungsmechanismen betrachtet wer-den sollen, die dazu beitragen, dass Professionen keine starren Forma-tionen, sondern wandelbare, gesellschaftlich produzierte Phänomenesind, hilft der außerordentlich instruktive, in Deutschland nur selten re-zipierte Ansatz von Hughes weiter. Everett C. Hughes, einer der Protago-nisten der Chicagoer School of Sociology operiert mit der Unterschei-dung von Mandat und Lizenz, mit deren Hilfe auch ‚unvollkommene‘,also nicht in vorgegebene Kriterienkataloge hineinpassende Professio-nen betrachtet werden können. Die Ausführungen von Hughes laufendarauf hinaus, dass zwischen dem gesellschaftlichen Auftrag (Mandat)und der gesellschaftlichen Erlaubnis (Lizenz) niemals gänzlich eliminier-bare Unschärferelationen existieren, so dass Spannungen erzeugt wer-den, die sich wiederum in Wandlungsprozessen äußern. Wegen der imdeutschen Kulturkreis unterschätzten Bedeutung von Hughes scheint andieser Stelle ein ausführliches Zitat gerechtfertigt:

„An occupation consists in part in the implied or explicit li-cense that some people claim and are given to carry certain activitiesrather different from those of other people and to do so in exchange formoney, goods or service. Generally, if the people in the occupation haveany sense of identity and solidarity, they will also claim a mandate todefine – not merely for themselves, but for others as well – proper con-duct with respect to the matters concerned in their work. They also willseek to define and possibly succeed in defining, not merely proper con-duct but even modes of thinking and belief for everyone individuallyand for the body social and politic with respect to some broad area oflife which they believe to be in their occupational domain. The licensemay be merely technical; it may however, extend to broad areas of be-havior and thought. It may include a whole style of life, or it may be

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confined to carrying out certain technical activities which others maynot carry out – at least not officially or for a reward. The mandate may besmall and narrow, or the contrary.

License, as an attribute of an occupation, is usually thought ofas specific legal permission tor pursue the occupation. I am thinking ofsomething broader. Society, by its nature, consists in part of both allow-ing and expecting some people to do things which other people are notallowed or expected to do. Most occupations – especially those consid-ered professions and those of the underworld – include as part of theirbeing a license to deviate in some measure from some common modesof behavior. Professions, perhaps more than other kinds of occupation,also claim a broad legal, moral, and intellectual mandate. Not only dothe practitioners, by virtue of gaining admission to the charmed circle ofthe profession, individually exercise a license to do things others do notdo, but collectively they presume to tell society what is good and rightfor it in a broad and crucial aspect of live. Indeed, they set the very termsof thinking about it. When such a presumption is granted as legitimate, aprofession in the full sense has come into being. The nature and extent ofboth license and mandate, their relations to each other, and the circum-stances and conflicts in which they expand or contract are crucial areasof study, not merely for occupations, but for society itself. Such licensesand mandates are the prime manifestations of the moral divisions of la-bor – that is, of the processes by which differing moral functions aredistributed among the members of society, as individuals and as catego-ries of individuals“ (Hughes 1984:287f.).

Hughes‘ Ausführungen beziehen sich zunächst ganz allgemeinauf ‚Berufe‘. Erst später, wenn es um die Ausprägung der Lizenz geht,wird deutlich, dass Professionen Berufe besonderen Typs darstellen, diein der interaktionistischen Denktradition aber keineswegs normativ ge-genüber anderen Formen der Berufsarbeit bevorzugt werden. Das Spezi-fische der interaktionistischen Denktradition, dass sie mit distanzierterRespektlosigkeit und objektiven Maßstäben Professionen und Berufe inden Blick nimmt, schlägt sich u. a. in der Berücksichtigung von Berufenaus der sogenannten Unterwelt nieder (vgl. Sutherland 1937). Den Aus-führungen über Mandat und Lizenz haftet kaum ein normativer Beige-schmack an, vielmehr bieten sie einen formalen Rahmen für die Analyseprinzipiell aller Berufe und Professionen.

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Das berufliche Mandat und die berufliche Lizenz bilden dieBasis für die moralische Arbeitsteilung innerhalb einer Gesellschaft, alsodie Entscheidungsgrundlage, um manche Berufe als höherwertig undandere als niedrig einzustufen. Gleichzeitig bieten die sozial- und erzie-hungswissenschaftlichen Analysen von Mandat und Lizenz die Möglich-keit, kritische Distanz gegenüber der moralischen Arbeitsteilung zu ent-wickeln. Der gesellschaftliche Auftrag (das Mandat) und die gesellschaft-liche Erlaubnis (die Lizenz) von Berufen dürfen nach Hughes nicht alsfeste Größen, sondern sollten als sich ständig veränderbare kulturelleKonstrukte verstanden werden. An diesen Aushandlungsprozessen ist alsimaginierter Adressat die Gesellschaft beteiligt, wobei deren Perspektivenicht mit der öffentlichen Meinung gleichgesetzt werden darf. Selbst wenn(wie im kontinentalen Teil von Europa) staatliche Instanzen die vorrangi-ge Entscheidungsbefugnis besitzen, um die Existenz eines ausgewiese-nen, mit besonders wertvollen Aufgaben versehenen Berufs (Profession)zu besiegeln, sind das komplette Mandat und die vollständige Lizenz inletzter Konsequenz auf die Ratifizierung durch die Gesellschaft ange-wiesen. Sie ist die letzte Instanz, die darüber entscheidet, ob ein gesell-schaftliches Problem einen Zentralwertbezug hat und in die Hände ei-ner Profession übergeht.

2.2 Lizenz und Mandat des ErwachsenenpädagogenFür die Erwachsenenbildung instruktiv sind die eben zitierten

Aussagen in mehrfacher Weise. Man erhält zunächst einmal eine Vor-stellung von dem außerordentlich komplexen und vieldimensionalenFaktorenfeld, das ein beständiges Changieren der Kräfte evoziert: näm-lich zwischen dem gesellschaftlichen Mandat, das gefordert und/oderunterstellt (und im günstigsten Fall auch gesellschaftlich ratifiziert) wird,und der Lizenz, die explizit und implizit mit je verschiedenen Machtbe-fugnissen erteilt oder nicht erteilt. In dem durch die diesbezüglichenProzesse der Mandat- und Lizenzaushandlung geschaffenen diskursivenRaum konnte die Erwachsenenbildung bislang nur ein labiles Gleichge-wicht zwischen gesellschaftlichem Auftrag und gesellschaftlicher Lizenzerzeugen. Von einer tragfähigen Plausibilitätsstruktur und einem entspre-chenden öffentlich geteilten Minimalkonsens im Alltagsbewusstsein überSinn und Zweck der Arbeit eines Erwachsenenpädagogen ist man aberweit entfernt. Als Akteure in diesem diskursiven Raum kommen zunächsteinmal die Angehörigen der Berufskultur in Frage, also all die Personen,

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die aufgrund ihres beruflichen Alltags und ihrer Berufsrolle gute Gründehaben, sich selbst als ErwachsenenbildnerInnen zu definieren. Hierbeidarf die Perspektive nicht nur auf Berufsverbände, Gewerkschaften oderähnliche Organisationen verengt werden; vielmehr müssen auch infor-melle Netzwerke zwischen Kollegen, besonders innovative Berufsmit-glieder oder Personen an strategisch wichtigen Schaltstellen der Bildungs-verwaltung mit einbezogen werden. Akteure in diesem kollektiven Aus-handlungsprozess sind darüber hinaus die wissenschaftliche Disziplin,die Bildungspolitik, Protagonisten des Rechtssystems und schließlich dieöffentliche Meinung. Alle müssen in einer hinreichenden Weise von derExistenz auf die Erwachsenenbildung zugeschnittener Aufgabengebiete,Kernaktivitäten, Berufsrollen und Tätigkeitsbereiche überzeugt werden,aber das dürfte nur durch die Dokumentation entsprechender Leistun-gen möglich sein.3 Der Blick auf längere historische Zeiträume zeigt,dass es manchen Berufen nicht gelingt, die beiden Stützpfeiler ihrer Exis-tenz, nämlich Mandat und Lizenz, der Gesellschaft gegenüber plausibelzu machen und zu institutionalisieren, so dass sie dann schließlich wie-der von der Bildfläche verschwinden (vgl. Abbott 1988; Wilensky 1972).Die Position von Hughes zeigt, dass die juristische Kodifizierung nahezualler vitalen Angelegenheiten einer Profession, die Erringung von profes-sioneller Autonomie und die berufspolitische Abschirmung des eigenenBerufsfeldes, wesentliche, aber keineswegs hinreichende Schritte auf demWeg der Formierung einer Profession darstellen.

Was das berufliche Mandat angeht, so beanspruchen Erwach-senenbildner mit Blick auf ihre potentiellen oder realen Adressaten das –allerdings nur implizit und keineswegs offensiv artikulierte – Recht unddie Kompetenz, in Sachverhalten, die mit dem lebenslangen Lernen und/oder der organisierten Bildung des Erwachsenen in einschlägigen Insti-tutionen zusammenhängen, eine von Laien und den ‚Betroffenen‘ unter-schiedene, z. T. aber auch von anderen wissenschaftlichen Disziplinenabweichende Expertenmeinung zu vertreten. Diese von der Laienwelt,aber auch von den Nachbardisziplinen Soziologie und Psychologie undanderen Wissenschaften unterscheidbare Expertenmeinung bezieht sichauf das Was und das Wie, also den Inhalt und die Form des Vermitt-lungsprozesses und damit auf den gesamten Komplex der erwachsenen-pädagogischen Mikro- und Makrodidaktik. Mit dem erziehungswissen-schaftlichen Wissen, das auf die Vermittlungs- und Aneignungsprozesse(vgl. Kade 1993) und die gesellschaftlichen Bedingungen für organisier-

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te Bildung abzielt, ist gleichzeitig auch der Nukleus des Professionswis-sen umrissen. Der minimale Identitäts- und Solidaritätssinn von in derErwachsenenbildung Tätigen gründet auf der – wenn auch ebenfalls nurselten explizit ausformulierten – Gewissheit, der intentionalen, in insti-tutionellen Bahnen gesteuerten Bildung des Erwachsenen, kurz: demindividuellen und kollektiven Erkenntnisfortschritt der jeweiligen Klien-tel (Kurs, einzelner Teilnehmer, Organisation) zu dienen. Die unterschied-lichen erwachsenenpädagogischen Berufsrollen werden individuell aus-gefüllt, ohne dass damit jedoch im Vollzug der Arbeit der – die partiku-lare Praxis transzendierende – Anspruch verbunden wäre, für den in die-ser Gesellschaft immer wichtigeren Bereich der Weiterbildung exklusivzuständig zu sein. Das in letzter Konsequenz auf exklusive Zuständig-keit und Definitionshoheit abzielende Merkmal von Hughes trifft auchbei großzügiger Auslegung auf die Weiterbildung nicht zu. Die Erwach-senenbildung hat sich bisher eher zurückhaltend gezeigt, von der Ge-sellschaft das Mandat zu fordern, nicht nur für sich selbst, sondern auchfür andere das angemessene Verhalten hinsichtlich der Dinge zu defi-nieren, auf die sich die eigene Berufsarbeit bezieht. In der Erwachsenen-bildung ist seit der realistischen Wende bis heute aber sehr wohl dieTendenz zu beobachten, dass bestimmte Teile der wissenschaftlichenFachkultur gleichsam stellvertretend für die in dieser Hinsicht sich kaumartikulierende Berufskultur immer wieder Anläufe unternommen haben,um das, wie Hughes sagen würde, angemessene Verhalten und die Den-kungsarten gegenüber zentralen Belangen des Berufs zu definieren. Soerstreckten sich diese Selbstverständigungsdiskussionen u. a. auf ange-messene Regeln des Umgangs zwischen der Klientel der Erwachsenen-bildung und den Berufsangehörigen (Debatte über Teilnehmerorientie-rung, Standards eines erwachsenengerechten ‚Unterrichts‘).

Die faktische Lizenz des Erwachsenenbildners ist nicht zwingendan ein spezifisches Zertifikat bzw. einen Hochschulabschluss oder eineandere Zugangsberechtigung gebunden, setzt im Berufsfeld aber dennocheine fundierte fachliche und in der Regel wissenschaftliche Ausbildungund den Nachweis einer pädagogischen Eignung voraus. Die hauptbe-rufliche Tätigkeit in der Erwachsenenbildung, also das berufliche Enga-gement eines Bildungsreferenten, Weiterbildungsmanagers, festangestell-ten Trainers oder Fachbereichsleiters, kann heute als durchgehend ver-wissenschaftlicht gelten, womit zunächst einmal nur die erfolgreiche Be-endigung mindestens eines universitären Studiums, aber keineswegs der

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Erwerb des Diploms in Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Er-wachsenenbildung unterstellt ist (vgl. Kap. III). Unter Hinweis auf das Zi-tat von Hughes viel interessanter als die formalen Qualifikationsnachweiseerscheinen die kulturellen Basisidealisierungen, auf denen die Lizenzberuht. Der außeralltägliche Charakter der gesellschaftlichen Lizenz undder tendenziell esoterische Duktus der erwachsenenpädagogischen Tä-tigkeit ergeben sich daraus, dass reife, am gesellschaftlichen Leben parti-zipierende ‚Normal‘-Erwachsene sich freiwillig einer pädagogischen Be-ziehung aussetzen und damit, ob sie wollen oder nicht, in ihrer Autono-mie eingeschränkt werden (vgl. Kade 1985). Berufsethisch ist die Lizenzdes Erwachsenenbildners als Synonym für die gesellschaftliche Erlaub-nis, auf die kognitiven Bezüge der TeilnehmerInnen zwischen deren Sub-jektivität und anderen Sinnwelten einzuwirken, untrennbar mit der Frei-willigkeit und der Offenheit der Angebote verknüpft. Denn erst die Frei-willigkeit und Offenheit liefert dem Professionellen die moralische Be-rechtigung, in systematischer und intentionaler Weise Bildungsprozesse‚professionell‘ zu gestalten und zu moderieren, also etwas zu tun, wasunter den situativen Bedingungen des Alltagslebens ebensogut als Zumu-tung oder Verletzung der Privatsphäre verstanden werden könnte. Mit demVollzug seiner Kernaktivitäten (Unterrichten, Arrangieren, Beraten, Orga-nisieren) mutet der Erwachsenenbildner den TeilnehmerInnen auf jedenFall nie genau kalkulierbare Eigenleistungen, ja sogar Risiken zu, zumBeispiel die Gewissheit, dass mit jedem Lernzuwachs auch das Nichtwis-sen proportional steigt (vgl. Tietgens 1986). Die Berufsgruppe der Erwach-senenbildner würde, falls das Prinzip der Freiwilligkeit suspendiert wäre,die moralische Berechtigung für ihr Prinzip ‚Fördern durch Fordern‘ oder‚Bildung darf auch ein bisschen weh tun‘ ein für allemal verlieren undsich dem Vorwurf der Manipulation aussetzen. Als Erwartungserwartung(Luhmann) ist dies den Teilnehmern intuitiv auch zugänglich: Denn weran Bildungsmaßnahmen teilnimmt, muss mit der Möglichkeit einer pro-duktiven Verunsicherung und Irritation eingeschliffener Deutungsmusterrechnen. Oder noch zugespitzter formuliert: Wer sich heute neues Wis-sen über sich und die Welt aneignet, setzt sich morgen dem Risiko einesgesteigerten Möglichkeitsraums (und den damit korrespondierenden Ent-scheidungsproblemen) aus.

Ganz im Sinne von Hughes‘ Ansatz müssen Erwachsenenbild-ner im begrenzten Maße auch mit ‚schuldhaftem Wissen‘ umgehen. Mitschuldhaftem Wissen sind Informationen über die persönliche Identität

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gemeint, die potentiell stigmatisierbar sind und in anderen sozialen Kon-texten leicht zu fatalen Etikettierungen führen können. So registrierendie Pädagogen in der laufenden Interaktion ja durchaus Wissenslückenund notorische Lernprobleme der TeilnehmerInnen, oder sie lernen de-ren Schwächen im Sozialverhalten kennen. Wenn die erfolgreiche Ab-solvierung einer Bildungsmaßnahme und der Erwerb von Zertifikaten fürdas berufliche Fortkommen unerlässlich sind, so werden Erwachsenen-bildner nicht selten mit Versagensängsten konfrontiert.4

Ebenso wie in anderen pädagogischen Feldern sind das gesell-schaftliche Mandat und die gesellschaftliche Lizenz auch in der Erwach-senenbildung keineswegs optimal aufeinander abgestimmt. In einzel-nen Segmenten der Erwachsenenbildung ist unschwer zu erkennen, dassvon öffentlicher Seite, aber auch vom Selbstanspruch der Weiterbildungs-protagonisten das Mandat extrem weit und anspruchsvoll definiert wor-den ist, während die Lizenz weit hinter dem Mandat rangiert. Das führtzu systematischen Glaubwürdigkeitslücken. Während man auf der ei-nen Seite zu postulieren pflegt, für die ‚Sicherung und Entfaltung desHumanvermögens‘ zuständig zu sein, stehen auf der anderen Seite höchstbescheidene Werkzeuge und didaktische Mittel zur Verfügung, um dievorher postulierten Zwecke einzulösen.

Sind an mehreren Stellen Verknüpfungen zum von Hughes un-terbreiteten dynamischen, nicht auf starre Merkmale bezogenen Profes-sionskonzept sichtbar, so zeichnen sich an einigen Kernpunkten, wie z.B. der Treuhänderschaft eines auf einen Zentralwert bezogenen Guts‚Bildung des Erwachsenen‘ bzw. des lebenslangen Lernens, beträchtli-che Lücken ab. Für Hughes gibt es eine deutliche Trennlinie zwischenBerufen und Professionen (damit sind primär akademische Berufe ge-meint). So spricht er in dem längeren Zitat erst an jenen Stellen vonProfessionen, wo es um von der Laienwelt als abweichend definiertesHandeln, also um schuldhaftes Wissen geht sowie um die Erlaubnis,potentiell gefährliche Dinge zu tun oder in einer anderen Weise tief indie Lebenspraxis der Klientel einzugreifen. Diesbezüglich ist zunächsteinmal zu sagen, dass Bildungsdefizite, Wissenslücken sowie Kompe-tenzprobleme aus der Sicht von Laien ebenfalls ‚Abweichungen‘ einerkontrafaktischen Normalitätskonstruktion darstellen und mit moralischkoloriertem, also potentiell schuldhaftem Wissen korrespondieren. Fort-und Weiterbildung, Umschulung und Qualifikationsprozesse tragen zu-

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dem dazu bei, dass Menschen sich aus ihren gewohnten sozialen Her-kunftsmilieus herauslösen, in mehr oder weniger schmerzhafte Wand-lungsprozesse involviert werden und manchmal neue soziale Identitä-ten aufbauen. Auf der Ebene der Formierung von Mandat und Lizenzviel entscheidender ist jedoch das Phänomen, dass die Berufskultur derErwachsenenbildung – wenn die Anzeichen nicht trügen – nur ein sehrschwach entwickeltes Bewusstsein einer Lizenz ausgebildet hat, die sichdarauf erstreckt, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Klientelabsolut wertvolle Dinge und Werte im Kontext des lebenslangen Lernenzu verwalten und mit einer objektiven Beobachterperspektive zu schüt-zen. Nun schließt eine solche Lizenz aber auch das Eingeständnis ein,dass die Verfügung über Institutionen, Angebote und methodische In-strumente des lebenslangen Lernens untrennbar mit der permanentenGefahr verbunden ist, den Klienten durch fehlerhaftes Vorgehen großenSchaden zuzufügen. Diese sensible Haltung ist in der Berufskultur derErwachsenenbildung kaum ausgeprägt. Sie verbindet mit dem lebens-langen Lernen primär normativ überladene Bilder und ‚Wärmemetaphern‘positiver Art, aber noch kein wissenschaftlich kodifiziertes und über diebloße Didaktik hinausgehendes Wissen, das Diagnose, Entscheidungs-,Planungsprozesse und Anwendungskontexte in einer Weise verwissen-schaftlicht hätte, dass auch die Schattenseiten und die Risiken der Bil-dung in den Blick treten würden (vgl. Kade/Nittel/Seitter 1999, Kap. 6).Die Erwachsenenbildung ist noch nicht dahin gelangt, über die vitalenAngelegenheiten des eigenen Berufs – und dazu gehören nun einmalauch die ‚negativen‘ – zu bestimmen. Von der Sachwalterrolle und derweitgehenden Definitionshoheit in Angelegenheiten des Lernens und derBildung des Erwachsenen und einem gemeinsam geteilten Wissen in derBerufskultur über Gefahren und Risiken der eigenen Arbeit ist man nochweit entfernt.

2.3 Weitere zentrale Attribute von Professionenaus der Sicht des Symbolischen Interaktionismus

Unter Heranziehung von Arbeiten neueren Datums aus der inter-aktionistischen Professionstheorie (hier dürften vor allem die Schriftenvon Schütze (1992, 1996) einschlägig sein) lassen sich in Ergänzung zuder Position von Hughes zusätzliche Kernmerkmale identifizieren. Die-se sind zwar allgemein für Professionen charakteristisch, eröffnen aberauch Anschlussmöglichkeiten gegenüber der Erwachsenenbildung. Mit

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der erfolgreichen Zuordnung dieser Kernmerkmale wächst auch die Wahr-scheinlichkeit, die Erwachsenenbildung aus gesellschaftstheoretischerSicht dem Komplex der besonders ausgewiesenen Professionen zuzu-rechnen. Um das dynamische, auf die Festlegung starrer Merkmale ver-zichtende Konzept in der Tradition des Symbolischen Interaktionismusin seiner modernen Ausprägung zu verstehen, müssen folgende Gesichts-punkte berücksichtigt werden: Neben den wissenschaftlichen Grundla-gen der geleisteten Arbeit und der Klientenorientierung als mehr oderweniger digitalisierbare Fixpunkte gibt es Kriterien, die auf Spannungs-beziehungen und Relationen verweisen, also eine analoge Betrachtungs-weise evozieren. Zu diesen zählen die Relation zwischen Organisationund Profession, Paradoxien professionellen Handelns und die sensiblenBeziehungen von Professionen gegenüber dem sozialen Wandel.

Was die wissenschaftlichen Grundlagen der Arbeit angeht, so isthier von einer doppelten Bindung an die Wissenschaft auszugehen, zumeinen mit Blick auf die Rekrutierungspraxis und zum anderen in Bezugauf den Stoff sowie das damit verbundene Professionswissen der Erwach-senenbildung. Die Rekrutierung des Personals und die Wissensbasis bie-ten erste Hinweise, dass die berufsförmige Erwachsenenbildung gegen-über der Alltagspraxis und anderen sozialen Welten (Politik, Wirtschaftund Kultur) eine eigenständige Sinnwelt konstituiert hat, eine Sphäre, inder die Phänomene in der Regel eine andere Bedeutung haben als in derAlltagswelt. Die Verwissenschaftlichung im Sinne von Akademisierungdes Personals lässt sich sehr gut an einem aus dem Jahr 1972 stammen-den Zitat illustrieren: „Während von denen, die schon mehr als 10 Jahrehauptberuflich im VHS-Bereich tätig sind, nur 50% ein Studium abge-schlossen haben, trifft dies in den Jahren 1968/69 für 90% der neu ange-stellten Leiter und Mitarbeiter zu“ (Tietgens 1972:Bl.21.001). Heute, imÜbergang ins nächste Jahrtausend, so könnte man das Zitat vielleicht er-gänzen, stellt ein abgeschlossenes Studium als Einstellungsvoraussetzungeine conditio sine qua non dar. Reine Autodidakten ohne akademischeAusbildung haben in der Weiterbildung – im Gegensatz zu früher – ge-genwärtig kaum noch eine Chance. Wie verhält es sich mit den Inhaltender Erwachsenenbildung? Ein Blick in die Veranstaltungsverzeichnisseeinschlägiger Bildungsanbieter reicht aus, um zu erkennen, dass die Stoff-gebiete der Erwachsenenbildung auf das Engste mit wissenschaftlichenDisziplinen und Fachgebieten verwandt sind oder mit diesen korrespon-dieren und dass die Erwachsenenbildung sowohl das Produkt als auch

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den Katalysator der Verwissenschaftlichung darstellt. Verwissenschaftli-chung der Erwachsenenbildung als Symptom einer zunehmenden Pro-duktion und Diffusion systematischen Wissens meint heute nicht mehrdie Popularisierung von natur- und geisteswissenschaftlichen Inhalten,sondern schließt längst schon einen reflexivem und kreativen Bezug aufden jeweiligen Wissenskanon und seinen sozialen Entstehungs- und An-wendungskontext ein. Wie es scheint, hat sich die Verwissenschaftlichungaus den engen Fesseln der dichotomisierten Haltung gegenüber dem Ver-hältnis von Laien versus Experten sowie Alltags- versus Wissenschaftswis-sen befreit und ein Kontinuum, eine Art Grauzone als Operationsbasis fürsich entdeckt (vgl. Taschwer 1996:81f.), in der es immer mehr fließendeÜbergänge zwischen reinem Laienwissen und elaboriertem Wissenschafts-wissen zu geben scheint. Als Wissensbasis für das berufliche Handeln fun-giert – und auch dies kann als Konsens unterstellt werden – sowohl dasFachwissen als auch das didaktisch-methodische Handlungswissen (vgl.Dewe 1996a, 1996b). Ebenso wie die ‚old established professions‘ neh-men Erwachsenenpädagogen fortlaufend auf wissenschaftliche oder an-dere höhersymbolische Wissensbestände Bezug, wie unvollkommen,verdeckt und subtil auch immer dies geschehen mag. Pädagogische In-novationen schöpfen ihre Legitimation nicht aus sich selbst heraus, son-dern bedürfen einer erziehungswissenschaftlichen Ratifizierung. Der Zug-zwang zu wissenschaftlichen Begründungsleistungen wird insbesonderedann manifest, wenn Fehler oder gravierende Defizite in der erwachse-nenpädagogischen Arbeit in den Blick genommen werden. Zwar gibt esähnlich wie in der Sozialarbeit (vgl. Riemann 1997) nur wenige empi-risch gesättigte Befunde, wie Erwachsenenbildner die Typenkategorienihres Wissens auf singuläre Situationen oder Fälle applizieren, aber esbesteht eine umso größere Einigkeit darin, dass genau dies – die Übertra-gung abstrakter Erkenntnisse auf singuläre Situationen und Fälle – die Kern-aufgabe des Praktikers darstellt.

In der Erwachsenenbildung ist das Element der Verwissenschaft-lichung insofern untrennbar mit dem der Klientenorientierung verzweigt,als sowohl das Publikum in den Einrichtungen wie auch das potentiellePublikum jenseits der Institutionen einer wissenschaftlichen Dauerbe-obachtung ausgesetzt ist. Über diese wissenschaftliche Dauerbeobach-tung legt die mittlerweile weit entwickelte Adressaten-, Teilnehmer undZielgruppenforschung hinlänglich Zeugnis ab (vgl. Kade/Nittel/Seitter1999). Die Klientenorientierung markiert aber auch außerhalb des eher

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engen Kontextes der empirischen Forschung einen eigenen Wert. Spezi-ell entwickelte didaktische Arrangements und Rituale (Vorstellungsrun-de, Form der Anrede, Seminarkritik usw.) symbolisieren, dass das Ge-schehen in der Erwachsenenbildung eine Dienstleistung par excellencegegenüber den anbefohlenen Menschen darstellt und diese eine hoheWertschätzung genießen. Während die Klientenorientierung in genuinprofessionellen Handlungszusammenhängen, also im Vis-à-vis-Kontaktder Lehre oder im Beratungsgespräch, durch die allseits bekannte Maxi-me der Teilnehmerorientierung bedient wird, kommt sie auf der Ebenedes Organisationshandelns über die Operationalisierung von Kunden-orientierung zum Zuge (vgl. Nittel 1999b). Insbesondere die Semantikder „Teilnehmerorientierung“ (vgl. Nittel 1997a) im Erfahrungswissen derPraktiker dürfte ein Beleg dafür sein, dass die erwachsenenpädagogi-sche Arbeit einen ausgeprägten Klientenbezug und einen damit korres-pondierenden individuellen und/oder kollektiven Fall- bzw. Projektbe-zug beanspruchen kann (vgl. Kade 1990). Klientenorientierung schließtgenau genommen die Arbeit am individuellen und am kollektiven Fallein. Tatsächlich hat der Erwachsenenbildner es im Regelfall mit kollekti-ven Fällen, also mit einem Kurs, einer Seminargruppe oder einem ande-ren pädagogischen Setting zu tun, an dem mehrere Menschen beteiligtsind. Wie das von Hughes einmal am Rande erwähnte Beispiel des Rechts-anwaltes zeigt, der nur einen einzigen Fall eines großen Industriekon-zerns bearbeitet, schließt Fallbezug keineswegs die Arbeit an und miteiner singulären Person ein. Klientenorientierung und Fallbezug meintzunächst nur, dass die professionelle Tätigkeit in einer spezifischen Wei-se mit der Handlungs- und Erleidensdimension der Klientel korrespon-diert: dass sie sich nämlich einerseits in räumlicher, sozialer und zeitli-cher Hinsicht von der Lebenspraxis der Klientel abgetrennt vollzieht,aber dennoch weitreichende Folgen für die aktuelle oder zukünftigebiographische Lebensführung erwartbar sind.

Während die Attribute Verwissenschaftlichung und Klientenori-entierung ‚Ja – Nein‘-Stellungnahmen evozieren, handelt es sich bei dennun folgenden Elementen aus der Tradition der Professionstheorie desSymbolischen Interaktionismus um Muster, die sich einem digitalisiertenZugriff entziehen und eine analoge Betrachtung verlangen.

So ist der Erwachsenenbildner, wie jeder andere Professionelleauch, mit strukturell verankerten Störpotentialen und beruflichen Para-

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doxien konfrontiert, die niemals vollständig aufgehoben oder gar ein fürallemal bewältigt werden können – was den einen oder anderen Sozial-wissenschaftler zu der ironischen Bemerkung veranlasst hat, dass Pro-fessionelle gesellschaftliche und individuelle Probleme bearbeiten, dieeigentlich nicht zu lösen sind. Die Paradoxien professionellen Handelnsmögen für den einzelnen Berufstätigen unangenehm, manchmal sogareine schier endlose Quelle beruflicher Miseren und Schwierigkeiten sein,aus der erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Beobachterperspekti-ve sind diese Phänomene ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Arbeitnicht technisierbar, sondern auf das Fingerspitzengefühl ‚echter Profis‘angewiesen ist. Aus der Sicht des Professionsforscher handelt es sichalso um positive Indizien, die auf Professionalisierungsbedarfe hindeu-ten. Was zeichnet solche Kernprobleme und Paradoxien professionellenHandelns aus? In seinem Arbeitsalltag muss der Professionelle, wenn erin eine Paradoxie verstrickt ist, zwei oder mehr Erwartungen gleichzeitigGenüge leisten, die sich sachlogisch jedoch ausschließen (vgl. Nittel 1990,1994a). Seinen Klienten muss er zum Beispiel im Rahmen einer mög-lichst egalitären Beziehung als erwachsenen, über seine Lebenspraxisautonom verfügenden Menschen behandeln und gleichzeitig in einerdurch Wissens- und Kompetenzunterschiede geprägten pädagogischenBeziehung ‚mit ihm arbeiten‘, ihn also zum Objekt zielgerichteter beruf-licher Vermittlungsprozesse machen. Auch die Paradoxie, dem Zwangausgesetzt zu sein, auf einer per se unvollständigen oder fehlerhaftenempirischen Basis dennoch sichere Prognosen – etwa über das Zustan-dekommen bestimmter Kurse – aufstellen zu müssen, wäre ein Beispiel.Stärker auf die Besonderheiten der Erwachsenenbildung ist die folgendeParadoxie zugeschnitten: „Zwei sich ausschließende Rationalitätsmusterim Umgang mit der Zeit: der pädagogische und der organisationsspezifi-sche Modus“ (Nittel 1994 a:422). Damit ist zum Beispiel das Phänomengemeint, dass Weiterbildungsinstitutionen oder die Verfasser von Lehr-werken durchschnittliche Lerngeschwindigkeiten in ihren Angebotenunterstellen, faktisch aber aufgrund der heterogenen Generationenzu-sammensetzung und Milieuherkunft der Teilnehmenden eine große Band-breite unterschiedlicher Lerntempi und Aneignungsformen auftritt undder organisatorische Rahmen dem Pädagogen nur begrenzte Chancenbietet, auf die individuellen Lerngeschwindigkeiten einzugehen. Typischsind die folgenden Paradoxien, mit denen Kursleiter/innen und Dozent/innen umgehen müssen: „Da wird nämlich von der gleichen Person ei-nerseits straffe Führung erwartet, andererseits aber auch ein jeweiliges

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Entgegenkommen. Da wünscht man sich verlässliche Systematik, an derExperten sich zeigen, zugleich aber auch situationsbezogene Beweg-lichkeit, sowohl zügiges Vorankommen als auch angenehme Atmosphä-re“ (Tietgens 1992:53).

Ein weiteres von Schütze (1996:194ff.) aus der Sicht des Symbo-lischen Interaktionismus herausgearbeitetes Kernmerkmal ausgewiesenerBerufe ist ein enger Bezug zu kollektiven Veränderungsprozessen. Dasbedeutet u. a., dass Professionen auf den soziotechnischen Wandel unddie steigenden Ansprüche im Dienstleistungsbereich trotz ihrer verbürg-ten Autonomie ausgesprochen sensibel reagieren. Das Berufsfeld Erwach-senenbildung ist in doppelter Hinsicht von den Prozessen des sozialenWandels betroffen, denn die Weiterbildung stellt sowohl das Produkt alsauch den Prozessierer von langfristig wirksamen gesellschaftlichen Ver-änderungen dar. So hängen zum einen viele Träger und Einrichtungen derErwachsenenbildung wie an einem seidenen Faden an den heteronomenSystembedingungen; zum anderen leistet die Erwachsenenbildung aucheinen aktiven Beitrag zur Durchsetzung neuer gesellschaftlicher Orien-tierungsmuster (lebenslanges Lernen) oder zur Lösung grundlegender Pro-blemstellungen. Generell tendiert die Erwachsenenbildung dazu, kultu-relle, ökonomische, technische und soziale Innovationen als Manifesta-tionsformen sozialen Wandels möglichst schnell für sich zu reklamieren,als Thema zu besetzen, als Vermittlungsmedium zu nutzen oder es hinund wieder zu nostrifizieren, also auf eher instrumentelle Weise einzuge-meinden. Was den engen Bezug zum gesellschaftlichen Wandel angeht,so scheint die Erwachsenenbildung mitunter viel zu schnell zu reagieren,so dass nicht ihre Innovationsfähigkeit, sondern die Wahrung und derSchutz ihrer Autonomie das eigentliche Problem darstellt.

Als Zwischenresümee kann Folgendes festgehalten werden: Un-ter Zugrundelegung der aus der Tradition des Symbolischen Interaktio-nismus stammenden Folie lässt sich eine ganze Reihe relevanter profes-sionstheoretischer Kernmerkmale entdecken, die auf die Erwachsenen-bildung zutreffen. Ohne ein letztes Urteil in Richtung ‚Profession – jaoder nein?‘ fällen zu wollen, können viele positive Indikatoren und Ent-wicklungschancen identifiziert werden, die eine berufsbildstabilisieren-de Funktion haben könnten. Unter formalen Aspekten besitzt die Erwach-senenbildung neben den vielen Affinitäten gegenüber anderen Profes-sionen andererseits auch Strukturmerkmale, die skeptische Fragen auf-

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werfen. Bei der Darstellung der Position von Hughes wurde deutlich,dass die Erwachsenenbildung viele Elemente einer dynamisierten Pro-fession aufweist, aber auch, dass sie noch weit davon entfernt ist, die inihrer Arbeitsdomäne relevanten Denkungsarten und Techniken zu defi-nieren. Diese unbestimmte Zustandsbeschreibung kann durch die vonSchütze ins Feld geführten Argumente präzisiert werden. Will man dieFormierung der Erwachsenenbildung als Beruf auf einem Kontinuum deroben aufgelisteten Spannungsverhältnisse und Relationen festlegen, sokann auch bei großzügiger Lesart der Status der Erwachsenenbildung alsProfession weder als gesichert noch als ungesichert definiert werden.5

Die ausschließliche Orientierung an der Tradition des Symboli-schen Interaktionismus bringt zudem die Gefahr einer Engführung mitsich. Um den Anspruch auf ein pluralistisches Herangehen einzulösen,soll nun ein stärker historisch angelegter und systemtheoretisch akzentu-ierter Zugang gewählt werden. Die systemtheoretische Betrachtungsweisekehrt die Blickrichtung quasi um: Während die Protagonisten des Sym-bolischen Interaktionismus als Standort ihrer Analyse in erster Linie diesoziale Welt und die Arbeitsvollzüge der Profession genutzt haben, umBezüge zur übrigen Gesellschaft zu entwickeln, gehen Systemtheoreti-ker vom gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionszusammen-hang aus, um von hier aus die spezifischen Leistungen und die Funktionvon Professionen zu bestimmen.

2.4 Historische und systemtheoretischeHintergrundinformationen

Für einen der unbestrittenen Klassiker der Soziologie, nämlichTalcott Parsons, stellte der ‚professionelle Komplex‘ einen wichtigenSchlüssel zum Verständnis komplexer Gesellschaften dar. In einem sei-ner Hauptwerke „The Social System“ (Parsons 1952) hat er die moderneMedizin als Fallbeispiel genutzt, um an ihrem Exempel die Dynamikvon sozialen Veränderungen und – in Kontrast zu den übrigen Berufen –die Herausbildung einer neuen Wertsphäre zu beschreiben. Diese Wert-sphäre hat er von dem durch den ungebändigten Kapitalismus stark ge-förderten Utilitarismus scharf abgegrenzt. Die Herausbildung von pro-fessionellem Expertenwissen und einer damit korrespondierenden for-malen Wertrationalität (Max Weber) sowie die Konstitution eigenständi-ger Funktionssysteme werden von Parsons als drei untrennbar verbun-

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dene Dimensionen eines nicht wieder rückgängig zu machenden welt-geschichtlichen Rationalisierungsprozesses interpretiert. Parallel zur Ent-wicklung von Professionen vollziehe sich die Isolierung universalisti-scher Kollektivitätsorientierungen aus dem Zusammenhang diffuser Ge-meinschaften und die Transformation von sozialer, moralischer und na-türlicher Autorität in Fachautorität. Fachwissen ist insofern ‚antiautori-tär‘ und gleichzeitig Ausdruck einer höherstufigen Solidarität, als der Logikprofessionellen Handelns zufolge kein ‚höheres Wissen’ (Religion, Tra-dition) vor der schonungslosen Überprüfung mittels Kritik und Zweifelbestehen kann. Höherstufige Solidarität setzt „die bewusste Neutralisie-rung der naturwüchsigen Solidarität von konkreten, partikularen Lebens-formen“ (Brunkhorst 1992:53) ebenso voraus wie „die Überwindung derSpaltung von Binnen- und Außenmoral, die Aufhebung der primitivenMoral von Freund und Feind“ (ebenda:52). Die Zugehörigkeit zu Profes-sionen beinhaltet in entwickelten Gesellschaften ein funktionales Äqui-valent für Stand und Eigentum. Dies erklärt nicht nur das hohe gesell-schaftliche Ansehen und die Statusvorteile, sondern auch die ambiva-lente Haltung in der Öffentlichkeit. Da die Gesellschaftsmitglieder inexistentiell wichtigen Lebensfragen von den Professionsangehörigen ein-seitig abhängig sind und es kaum Mechanismen gibt, die diese Macht-beziehung kontrollieren – die Gesellschaftsmitglieder andererseits vonden Leistungen und Diensten profitieren –, entsteht eine nur schwer nach-vollziehbare Melange aus Respekt und Vertrauen einerseits und Miss-trauen und Neid andererseits.

Welche Konstellationen sind im Vergleich zu anderen Berufenfür den historischen Sonderweg von Professionen verantwortlich? DieBerufe als solche beruhen auf christlich-vorreformatorischen Wertgrund-lagen und haben bis heute eine sozialethische Konnotation bewahrt.Aber weder die christlich-vorreformatorische noch die scholastische Tra-dition vermag die Sonderstellung der ‚old established professions‘ (Me-diziner, Geistliche, Juristen) in der Geschichte ganz unterschiedlichernationaler Gesellschaften auf befriedigende Weise (vgl. Conze 1972) zuerklären. Die herausgehobene Stellung der Professionen im Gefüge dergesellschaftlichen Arbeitsteilung wird mit dem häufig benutzten Argu-ment begründet, dass die Strukturlogik der professionellen Praxis aufProbleme reagiert, deren Bearbeitung und Lösung für die Funktionsfä-higkeit entwickelter moderner Gesellschaften unabdingbar sind (vgl.Oevermann 1996:70). Professionen gelten als ein Phänomen des Über-

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gangs von der ständisch geprägten Gesellschaft des alten Europa zurfunktional differenzierten Gesellschaft der Moderne (vgl. Stichweh1996:50). Übereinstimmend wird in der einschlägigen Literatur betont,dass in den spätmittelalterlichen und frühmodernen Universitäten Pro-fessionen mit der Zahl und der Rangordnung der höheren Fakultäten(Theologie, Recht, Medizin) identisch waren. In kultur- und ideenge-schichtlicher Hinsicht wird der Entstehungskontext von Professionengewöhnlich mit der frühen europäischen Neuzeit und dem damals herr-schenden Berufsbild gleichgesetzt. Im Kontrast zur christlich-vorrefor-matorischen Tradition entwickelte sich der Gedanke, dass ein Beruf er-wählt werden könne, also nicht einfach zugeschrieben oder als Schick-sal begriffen werden müsse, so dass damit die mögliche Transformationdes durch Geburt vorherbestimmten sozialen Status möglich wurde. Ausdieser Kombination von Wahl und Attribuierung im Berufsgedanken re-sultiert letztlich die Unterscheidung von innerem Beruf (persönliche Dis-positionen und ‚Naturanlagen‘) und äußerem Beruf (Befolgung von Pflich-ten). In veränderter Form ist diese Unterscheidung auch später immerwieder anzutreffen, etwa in der Spannung von solidarisch-ethischen bzw.subjektivem Beruf einerseits und individualistisch-syndikalistischen Be-triebsdenken bzw. objektivem Beruf (vgl. Conze 1972) andererseits. Pro-fessionen sind insofern Berufe besonderen Typs, als bei ihnen der innereund äußere Beruf zusammenfällt. Die hier angedeutete Koinzidenz vonBerufung und Pflicht hat weitreichende Folgen im Hinblick auf die Wis-sensbasis von Professionen. Sie unterscheiden sich nämlich „dadurch,dass sie die Berufsidee reflexiv handhaben, also das Wissen und dasEthos eines Berufs bewusst kultivieren, kodifizieren, vertexten und damitin die Form einer akademischen Lehrbarkeit überführen“ (Stichweh1996:51).

Das historische Beharrungsvermögen von Professionen ist dar-an festzumachen, dass drei Charakteristika moderner Professionen seitder frühen Neuzeit bis heute orientierungsmächtig sind. Erstens verfüg-ten die frühmodernen Professionen der Renaissance bereits über einerelative Autonomie gegenüber dem Staat, die sich sowohl in bestimmtenHandlungsmaximen und Termini (akademische Freiheit) als auch in derSubstitution von externer durch interne Kontrolle niedergeschlagen hat(eigene Gerichtsbarkeit). Die berufliche Unabhängigkeit des Arztes, Pfar-rers und Juristen stellt eine Art gesellschaftliches Zugeständnis für dieLeistung dar, dass die Professionen existentielle Thematiken mit heraus-

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ragender gesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten und verwalteten: Im-merhin gestalten sie das Verhältnis der Menschen nicht nur zum Jenseitsund zu Gott (Theologie), sondern auch zum eigenen Leib (Medizin),und sie regeln das vertragsmäßige und förmliche Verhalten der Men-schen untereinander (Recht), wobei sie die dabei auftretenden Konflikteschlichten. Zweitens verfügen Professionen über Prozeduren, um Novi-zen, Laien und andere sachfremde Personen an die von ihnen repräsen-tierte Sachthematik heranzuführen. Die Grenze zwischen der Alltags-welt und der jeweiligen Sinnwelt wurde also strikt gewahrt. Das schließtdie berufliche Sozialisation, aber auch andere geregelte Prozeduren derEinweisung eigentlich sachfremder Personen in die zwangsläufig immerauch esoterische Sinnwelt einer Profession ein. Auf diese Weise konntedrittens gewährleistet werden, dass das Professionsmitglied eine verpflich-tende Sachbindung an den jeweiligen fachspezifischen Wissenskorpusaufbauen und konsequent durchhalten kann. An diese Verpflichtung wargleichzeitig die soziale Erwartung verbunden, „diese Sachbindung je-derzeit im eigenen Leben – zumindest, soweit eine Situation durch an-dere Personen beobachtet werden kann – zu repräsentieren (genau diesmeint der Begriff eines ‚professionellen Habitus‘)“ (Stichweh 1994:362).Für das tiefere Verständnis von Professionen ist die Erkenntnis nützlich,dass im Zuge ihrer Herausbildung und Formierung keineswegs andereBerufsgruppen als Vorläufer fungierten, sondern dass Stände, „d. h. Ge-burtsstände der alteuropäischen Gesellschaft und insbesondere der Adel,die relevanten Bezugssysteme bildeten“ (ebenda:363). Das erklärt, war-um bei der symbolischen Präsentation professioneller Haltungen derBegriff der Ehre und ein bestimmtes tugendhaftes Verhalten als Legiti-mationsquelle bemüht werden.6

Einen nachhaltigen Bruch in der Geschichte der Professionenleitete der Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert ein, das aus derSicht der Professionstheorie Stichwehs mit zwei strukturellen Verände-rungen aufwarten konnte. Da sich zum einen die hierarchische Bezie-hung von Staat und anderen Funktionssystemen der Gesellschaft im Laufedes 20. Jahrhunderts entschärft hatte, wurde die frühere Funktion, dassnämlich die „Professionen als Körperschaften von Elitepraktikern eineArt intermediäre Instanz zwischen Staat und Volk“ darstellten (ebenda:56),mehr oder weniger obsolet. Neben die altehrwürdigen professionellenWissenssysteme Recht, Medizin und Theologie und die damit korrespon-dierenden Funktionssysteme tritt nach und nach eine Reihe weiterer

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Funktionssysteme. Als aktuelle Beispiele sind hier Politik, Massenkom-munikation, Tourismus, Sport, Bildung zu nennen. Mit der Steigerungder gesellschaftlichen Komplexität und der Entwicklung zu einer funk-tional ausdifferenzierten Gesellschaft, die das Oben-Unten-Schema inder Beziehung zum Staat auflöst, wird eine umfassende und nicht wie-der rückgängig zu machende Umschichtung in der gesellschaftlichenArbeitsteilung ausgelöst. Die Steigerung der gesellschaftlichen Komple-xität in der Moderne führe, so Stichwehs Analyse, sowohl zu einer deut-lichen Vermehrung von gesellschaftlichen Subsystemen als auch zu ei-ner Diversifikation von Berufsrollen. In dem gleichen Maße, wie die Pro-fessionen ihre frühere Rolle als Vermittler zwischen Staat und Gesell-schaft eingebüßt haben, treten zeitversetzt oder parallel zum einen neuesoziale Systeme und zum anderen neue Berufe auf den Plan. Für dieKonstitution und Kultivierung einer Profession ist nicht ihr ‚Aufstieg‘,sondern die spezifische Einbettung in ein Funktionssystemen entschei-dend. Während in der Frühmoderne die bestandssichernde Differenzvon Professionen die Stände darstellten, übernehmen spätestens im 20.Jahrhundert die gesellschaftlichen Funktionssysteme diese strategischeRolle. Professionalisierung meint in dieser Perspektive also „ein bestimm-tes Verhältnis zwischen der Etablierung der System/Umwelt-Beziehungeines Funktionssystems und der Institutionalisierung von Beruflichkeit indiesem System“ (ebenda:58).

Dieser Befund ist insofern instruktiv, als er ermöglicht, in weitentwickelten Industriegesellschaften wie der unsrigen zwei Typen vonFunktionssystemen zu unterscheiden: So lassen sich Funktionssystemeohne Leitprofession und mit einer hohen Diversifikation in Berufsrollenidentifizieren (Typ I); und es sind Funktionssystemen mit einer sogenanntenLeitprofession und einer niedrigen beruflichen Diversifikation lokalisier-bar (Typ II). Im ersten Fall sind, wie etwa in der Wirtschaft, der Politik,der Wissenschaft und dem Sport, die unterschiedlichsten Berufsrollenanzutreffen. So ist in der Politik als dem wohl krassesten Fall ein extrembreites Spektrum an Berufsgruppen und Tätigkeitsprofilen vorhanden:ein unübersichtliches Geflecht von zum Teil ehrenamtlichen Rollen,parteipolitischen Funktionen, Regierungs- und Verwaltungsämtern undBeteiligungsrollen. Das Gleiche gilt für das Wirtschaftssystem; hier stehtder Kleinunternehmer ohne Ausbildung dem Manager mit Studium aneiner internationalen Eliteuniversität gegenüber. Anders sieht es im zwei-ten Typ von Funktionssystemen aus: Im Schulsystem agieren die Lehrer,

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im Gesundheitssystem die Ärzte, im Rechtssystem die Juristen, in derReligion die Theologen und in der Massenkommunikation die Journalis-ten als Repräsentanten einer Leitprofession. Leitprofession meint hier einefederführende Berufsgruppe, welche die Tätigkeit anderer Berufe in demSystem kontrolliert oder zumindest eine gesteigerte Definitionsmachtausübt.

Nicht ganz zufällig kann ernsthaft nur in jenen Funktionssyste-men von ‚Professionalität‘ gesprochen werden, wo eine Differenzierungin Leistungs- und Komplementärrollen vollzogen wird, d. h. wo sich aufder einen Seite der Professionelle und auf der anderen Seite der Klient/Patient/Teilnehmer in einer Vis-à-vis-Interaktion begegnen und gemein-sam an einem nicht durch Alltagspraxis zu lösenden Problem arbeiten.Diesem Typ von Professionen stehen das Publikum bzw. die Adressatennicht – wie im Sport oder in der Politik – als diffuse, unbestimmbareMasse gegenüber. Die Leistungsrollen reagieren erst dann, wenn einobjektiver Bedarf feststellbar ist, der Handlungsanlass einen individuel-len oder kollektiven Fallbezug aufweist und in eine diesbezügliche Dienst-leistung transformierbar ist. Jene Leitprofessionen, die die Leistungsrol-len kontrollieren, tendieren dazu, auch das auf wissenschaftlicher Basisruhende Wissenskorpus zu monopolisieren.

Wo liegt der Unterschied zwischen Funktionssystemen mit undFunktionssystemen ohne Leitprofession? Die Schwelle, die Funktionssys-teme mit einer Leitprofession von anderen Funktionssystemen trennt, istdie Prominenz der Interaktionsebene, was eine Individualisierung derProblemlagen und das szenisch synchrone Agieren von Funktionsrolle(Professionelle) und Komplementärrolle (Laien, Klienten, Teilnehmen-de), wie beispielsweise im Lehr-/Lerngeschehen, bedingt. Das Kraftzen-trum eines auf einer Leitprofession aufruhenden Funktionssystems ist einkulturell-semantischer Schwerpunkt, eine Fachdisziplin, die in der Re-gel mit einer aus der europäischen Wissenschaftsgeschichte stammen-den Disziplin und einem handlungssichernden Anwendungswissen kor-respondiert. „Dieses Wissenssystem eines innerhalb eines Funktionssys-tems entstandenen ‚professionellen Komplexes’ wird schließlich nocheinmal reflektiert in professionelle Selbstbeschreibungen, Theorien undIdeologien, also in Selbstthematisierungen professioneller Beruflichkeit“(Stichweh 1996:66). Als komplementärer Begriff steht der Profession alsoeine wissenschaftliche Disziplin zur Seite, die sachlogisch als von der

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SinnquellenArenen der AuseinandersetzungKernaktivitätenSuche nach Authentizität

LizenzMandat

Paradoxienkollektiver Fallbezugindividueller Fallbezug

Lizenz zum Vollzug riskanterEingriffe in die Lebenspraxis

WissenschaftErfahrungswissen

soziale Welt der Profession

gesellschaftliche Verankerung

Handlungsebene

Differenz zu anderen Berufen

Wissensgrundlage

SymbolischerInteraktionismus

LeistungsrolleKomplementärrolleLeitprofession

keine Dominanz der InteraktionVielzahl von Berufen

Wissenschaft

Funktionssysteme

Wissensgrundlage

Handlungssystem

Zweck: Identitätsveränderung

Profession als Wert- und Handlungssphäre

Systemtheorie

Typ 1

Typ 2

Profession

Abb. 1: Profession

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Berufskultur getrennt betrachtet wird, aber für ihren Bestand dennochkonstitutiv ist.

Die moderne Systemtheorie macht die Beantwortung der Frage„Profession ja oder nein?“ darüber hinaus von der Relation zwischen Funkt-ions- und Komplementärrolle abhängig und von einer engen Koppelungvon gesellschaftlichem Funktionssystem, professionellem Handlungssy-stem und akademischem Wissenssystem. Stichweh spricht von Professio-nalisierung im Sinne einer entwickelten Profession. Von einer solchenkönne überall dort die Rede sein, „wo eine signifikante kulturelle Traditi-on (ein Wissenszusammenhang), die in der Moderne in der Form der Pro-blemperspektive eines Funktionssystems ausdifferenziert worden ist, inInteraktionssystemen handlungsmässig und interpretativ durch eine aufdiese Aufgabe spezialisierte Berufsgruppe für die Bearbeitung von Pro-blemen der Strukturveränderung, des Strukturaufbaus und der Identitäts-erhaltung von Personen eingesetzt wird“ (Stichweh 1994:373). Oder an-ders formuliert: Professionen bieten zwischen einem spezifischen Wis-senszusammenhang (in Gestalt einer wissenschaftlichen Disziplin) undeinem verwandten Funktionssystem Vermittlungsleistungen an, so dasssie die Probleme der personalen Umwelt des Gesellschaftssystems in ei-nem vom Alltag und von Organisationen abgetrennten Handlungssystemin nicht technokratischer Weise einer Bearbeitung zuführen können.

2.5 Relevanz für die Erwachsenenbildung –Zwischenbilanz

Die Systemförmigkeit der Erwachsenenbildung ist professions-theoretisch und deshalb strategisch so entscheidend, weil die Existenzeines ausgebauten Funktionssystems und die darin eingelassenen beruf-lichen Interaktionssysteme eine Art Wasserscheide darstellen, um einenobjektiven gesellschaftlichen Bedarf nach dem sozialen Aggregat ‚Pro-fession‘ zu erzeugen und diesen kulturell auch durchzusetzen.7 UnterZugrundelegung der eben referierten Überlegungen sowie des Vorschlags,von Profession nur dann zu sprechen, „wenn eine Berufsgruppe in ih-rem beruflichen Handeln die Anwendungsprobleme der für ein Funkti-onssystem konstitutiven Wissensbestände verwaltet und wenn sie diesin entweder monopolistischer oder dominanter ... Weise tut“ (Stichweh1994:369), wäre es ausgesprochen riskant, die Erwachsenenbildung alsProfession zu bezeichnen. Ungeklärt ist, ob die Erwachsenenbildung

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ähnlich wie die Funktionssysteme vom Typ I (Politik, Wirtschaft) unterden Bedingungen einer hohen beruflichen Diversifikation über einenbinären Code und ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedi-um verfügt (vgl. Kap. V). Der Tatbestand, dass in der aktuellen Diskussi-on zwar ein für das Erziehungssystem einschlägiger Code ventiliert wird(vermittelbar/nicht vermittelbar), sich jedoch kein für die Erwachsenen-bildung spezifisch gültiges Differenzschema durchgesetzt hat, zeigt dietheoriearchitektonischen Probleme, den Systemcharakter der Weiterbil-dung schlüssig nachzuweisen.8 Die hier angedeutete Begrenzung istweniger in dem Tatbestand begründet, dass die Erwachsenenbildung sach-logisch per se kein soziales Systemen ist, sondern vielmehr darin, dasssie im Augenblick (noch) in ganz unterschiedlichen sozialen Systemeverankert ist. Stichweh merkt mit Blick auf Professionen, die im Verhält-nis zu den Sachthemen gewisse Distanzen überbrücken müssen, an: „Daskann in der Erwachsenenbildung zu einem ‚geselligen Klientelismus’ füh-ren, der persönliche Beziehungen (unter Kursleitern/Kursteilnehmern) dortdominieren lässt, wo es in professioneller Hinsicht um die Vermittlungdes Kontakts zu einer Sachthematik gehen müsste“ (Stichweh 1994:373).Unter Zugrundelegung einer systemtheoretischen Folie sprechen dem-nach die Indizien eher dagegen, die Erwachsenenbildung in ihrer au-genblicklichen Konstitution als Profession zu bezeichnen. Mit diesemBefund ist allerdings keinerlei Prognose im Hinblick auf weitere Sys-tembildungsprozesse verbunden, die angesichts der Zukunftsoffenheitnicht definitiv auszuschließen sind.

Natürlich ist die systemtheoretische Sicht auf Professionen nichtdie einzig erhellende. Dass zunächst die Systemfrage geklärt werden muss,bevor die Professionsfrage überhaupt gestellt werden kann, weckt auchein hohes Maß an Skepsis. Die systemtheoretische Diagnose eignet sichsehr gut zum Nachvollzug der großen Linien, aber weniger zur Gewin-nung eines differenzierteren Bildes. Bestimmt man Professionen nichtals Leistungsrolle in einem verwissenschaftlichen Handlungssystem (daswiederum in ein gesellschaftliches Funktionssystem eingebettet ist), son-dern wie Vertreter des Symbolischen Interaktionismus als fragile sozialeWelt und als eine besonders voraussetzungsreiche Variante von Arbeit,so sind mit Blick auf die Kernmerkmale von Professionen in weiten Be-reichen Affinitäten zu anderen Professionen feststellbar. Das gilt insbe-sondere für die Dimensionen Lizenz und Mandat, die wissenschaftli-chen Grundlagen der Arbeit, die Sensibilität gegenüber dem sozialen

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Wandel, die Existenz von Paradoxien und die Orientierungskraft des Klien-tenbezugs. Auf allen genannten Ebenen gibt es Anschlussmöglichkeiten,die die Erwachsenenbildung in die unmittelbare Nähe zu anderen Pro-fessionen rücken lassen. Wenn man andere zentrale Attribute – wie dieMacht, über die vitalen Angelegenheiten des eigenen Berufs selbst zuentscheiden; das Verhältnis von Organisation und Profession; das kol-lektiv geteilte Bewusstsein, potentiell gefährliche Dinge zu tun – einerkritischen Überprüfung unterzieht, so zeigt sich, dass die Erwachsenen-bildung beträchtliche Leerstellen aufweist. Während die Systemtheoriedie Existenz einer Profession von der Beobachterperspektive abhängigmacht, wobei es vor allem um die Problemtypik von Funktionssystemengeht, finden im Symbolischen Interaktionismus die Selbstdeutungen derindividuellen und kollektiven Akteure viel mehr Raum. Vom Standpunkteiner an den Symbolischen Interaktionismus angelehnten Position ergibtsich ein unentschiedenes Bild, das eine Einerseits-andererseits-Argumen-tation provoziert, während es sich aus systemtheoretischer Sicht eigent-lich verbietet, der Erwachsenenbildung den Status einer Profession zu-zubilligen. Die Integration beider Sichtweisen reproduziert genau jeneVerwirrung, die mit der Verwendung der Kategorie Profession sowohl inder Berufskultur als auch in wissenschaftlichen Zusammenhängen ge-wöhnlich verbunden ist. Die heikle und zugleich theoretisch interessan-te Frage nach der Professionalisierbarkeit der Erwachsenenbildung wirdvon beiden Richtungen positiv beschieden.

3. Professionalisierung – der Weg ist das Ziel?

3.1 Professionalisierung: nur eine Variante vonVerberuflichung?

Der auf einen nicht bestimmten Zustand von Beruflichkeit ab-zielende Begriff ‚Profession‘ steht mit der Kategorie ‚Professionalisierung‘keineswegs in einer zwingenden sachlogischen Beziehung. Eine Profes-sion ist ein soziales Aggregat, und Professionalisierung stellt einen sozia-len Prozess dar, dessen Ausgang unbestimmt ist. Ebenso wie z. B. Mitar-beitende in Fitness-Studios, Ferienclubs oder Computerfirmen Anstren-gungen unternehmen, sich zu ‚professionalisieren‘, versuchen auch dieAngehörigen von Dienstleistungsberufen mit weitaus längerer Traditionihren Marktwert im Gefüge der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zu er-höhen. Generell gilt: Professionalisierungsprozesse sind sowohl in den

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white-collar-Berufen, im Dienstleistungssektor generell, ja selbst in vie-len technischen Berufen mit manueller Ausrichtung (Programmierer) alsauch in den akademischen Berufen zu beobachten (vgl. Hesse 1972;Goode 1973; Forsyth/Danisiewicz 1985). Vielleicht wird die Differenzzwischen Profession und Professionalisierung deutlicher, wenn man eineKlärung über das jeweilige Handlungssubjekt herbeiführt. Das Subjekteiner Profession ist mit der Summe all jener beruflichen Rollenträgeridentisch, die im Besitz einer bestimmten beruflichen Lizenz und desdamit korrespondierenden Berufswissens sind und somit von der perso-nalen Seite her die Bedingung für die Möglichkeit des professionellenHandlungssystems sichern. Außerhalb der Profession bzw. der Berufs-kultur stehen die Laien, die Klienten, aber auch die Berufsnovizen. DasSubjekt der Professionalisierung ist im Vergleich dazu viel schwerer zubestimmen, denn der Träger der diesbezüglichen Prozesse besteht auseiner Vielzahl von Akteuren und Instanzen: Neben den Berufsvertreternselbst und deren Organisationen spielen vor allem juristische, politische,wissenschaftliche und staatliche Entscheidungsträger sowie mit Definiti-onsmacht ausgestattete Teile der Öffentlichkeit eine große Rolle, die ander Konstitution eines bereits existierenden Berufes etwas ändern odereinen neuen Beruf zu formieren versuchen.

Der Begriff ‚professionalization‘, von dem der deutsche Aus-druck ‚Professionalisierung‘ abstammt, wurde schon vor mehreren Jahr-zehnten, zuerst in Amerika, später dann in Europa, häufiger verwendetund hat sich in manchen Arenen sogar zu einem Kampfbegriff entwi-ckelt. Mehrfach wurde auf die hybriden Qualitäten des Begriffs hinge-wiesen, der im gesellschaftlichen Leben eine kollektive Durchsetzungs-strategie zur Sicherung und Steigerung der Entschädigungschancen, wiez. B. Geld und Prestige, meint und im wissenschaftlichen Kontext u. U.einen davon unterschiedenen Bedeutungsgehalt (Verschränkung von in-dividuellen und kollektiven Qualifizierungsprozessen) besitzt. Diese Un-schärfen hängen mit der doppelten Referenz der Kategorie zusammen,die sowohl auf einen Weg als auch auf ein bestimmtes Ziel verweist. Dader mit der Professionalisierungsfrage verbundene Gegenstandsbereichgleichzeitig das Terrain berufspolitischer Interessen und Kämpfe darstellt,sind die damit befassten Sozial- und Erziehungswissenschaften immer inGefahr, als Sprachrohr berufsständischer Interessen instrumentalisiert zuwerden. Der Tatbestand, dass manche Autoren, wie etwa Vertreter ausdem Umkreis der Oevermann’schen Professionstheorie, die Problematik

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der Professionalisierung durch die Analyse der Professionalisierungsbe-dürftigkeit und der Professionalisierungsfähigkeit weitgehend ersetzen,ist möglicherweise ein Indiz der hier angedeuteten Vorsicht und Skepsis.Wie man es auch dreht und wendet: Wenn es um Professionalisierunggeht, müssen vor allem Interessenkämpfe und machtpolitische Durch-setzungsstrategien beleuchtet werden, die den Prozess der Abkehr vonLaienlösungen und deren Substitution durch rationalisierte Expertenlö-sungen zwingend begleiten. Die komplexen Verästelungen der Diskus-sion zu Professionalisierungsfragen nachzuzeichnen und die konkurrie-renden professionstheoretischen Schulen (vgl. den knappen Überblickbei Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe 1995) zu würdigen würde den Rah-men dieser Publikation sprengen. (Als nach wie vor einschlägig kannhier die wegweisende Dissertation von Reingard Vath aus dem Jahre1975 gelten.)

Wenn in der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Litera-tur von Professionalisierung die Rede ist, so wird häufig eine Abgren-zung gegenüber dem Konzept einer teleologischen Verberuflichung her-gestellt: Professionalisierung ist in diesem Verständnis ein auf einen End-zustand hinsteuernder Prozess der Spezialisierung und Akademisierungvon Berufswissen; dieser folge, so wird argumentiert, einer eigenen Ra-tionalität und durchlaufe bestimmte Phasen, deren Bewältigung über kurzoder lang mit der Anhebung des Status, des Prestiges, der Macht und desEinkommens, kurz: der Sicherung bzw. Steigerung von Entschädigungs-chancen der Berufsinhaber gekrönt werde. Der immer wiederkehrendeTelos von Professionalisierungsbestrebungen ist die Differenzierung undVerselbständigung von Handlungschancen, was die Arbeit selbst, denErwerb, den Konsum, das Prestige und die Autorität angeht. Angestrebtwird letztlich „eine staatlich oder gesellschaftlich sanktionierte Autono-mie als Voraussetzung zur Verbesserung einzelner Arbeitsentschädigungs-chancen“ (Hesse 1972:69). Diese Vorstellungen von Professionalisierungwerden von einem optimistisch überformten Fortschrittsmodell gespeist,welches die gesellschaftliche Rationalisierung nicht allein, aber doch inentscheidenden Punkten von der Gestaltung einer reibungslosen undeffektiven Arbeitsteilung und der Entwicklung der Berufe in RichtungTechnisierung und Verwissenschaftlichung abhängig macht (vgl. Daheim1967:51-56). Wilensky (1972), um nur einen einflussreichen Vertreterzu nennen, geht von drei zentralen Phasen aus, die sich wiederum ineine Vielzahl von Untersequenzen aufspalten: Der Zusammenfassung

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einer Berufsfunktion zu einem Hauptberuf als Beginn der Professionali-sierung folgt der zweite Schritt, nämlich die Schaffung einer wissenschaft-lich fundierten Ausbildung. Die Gründung von Berufsverbänden mar-kiert dann den letzten Schritt; dies ist – so Wilensky – nur in einem eherformalen Sinne relevant, denn gewöhnlich wird die Formation einer Pro-fession durch eine lange Kette weiterer Auseinandersetzungen und nichtantizipierbarer Machtkämpfe begleitet. Solche in der amerikanischenTheorie recht beliebten Phasentheorien besaßen jedoch nicht das erfor-derliche Geltungspotential, um dem länderspezifischen Eigensinn, demkulturellen Variantenreichtum und den unwägbaren Faktoren im Profes-sionalisierungsprozess Rechnung zu tragen.

Über den lexikalischen Bedeutungsgehalt der Kategorie Profes-sionalisierung kann recht schnell Einigung hergestellt werden: ‚Profes-sionalization‘ meint nach Websters Dictionary sinngemäß den Vorgang,mittels dessen eine besondere Art von Beruf (calling) konstituiert wird.9

Die Legitimationsbasis für das Attribut ‚besonderer Beruf‘ stelle u. a. einspezielles Fachwissen dar, eine Wissensgrundlage, die wiederum einelangwierige Sozialisation erfordere.

Zwischen dieser oder ähnlich gelagerten lexikalischen Defini-tionen einerseits (die eng mit den weiter unten diskutierten Merkmalka-talogen korrespondieren) und den speziellen berufspolitischen Bedin-gungen andererseits treten ständig Unschärfen auf. Die hier sichtbarenInkompatibilitäten und Unschärfen haben schließlich dazu beigetragen,die theoretischen Vorannahmen zu korrigieren, die Ansprüche zu redu-zieren und von starren Begriffsfestlegungen abzusehen. Von Professio-nalisierung wird aus der sozialwissenschaftlichen Beobachterperspekti-ve häufig auch dann gesprochen, wenn nachgewiesen werden kann,dass nur eines der eben angedeuteten lexikalisch definierten Kriterien ineinem kollektiven Prozess bearbeitet wird, also Ansprüche auf ein Man-dat und eine Lizenz artikuliert werden oder die Berufsstruktur als Ganzesich verändert.

In dem gleichen Maße, wie sich in der Professionsforschung un-ter dem Eindruck der Distanzierung von Modellen und den unscharfenlexikalischen Definitionen eine gewisse Gelassenheit breitgemacht hat,rückten andere – nicht zuletzt für die Erwachsenenbildung wichtige –Aspekte in den Vordergrund. So wurde beispielsweise verstärkt nach den

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länder- und kulturspezifischen Besonderheiten und nach den strukturel-len sozialen Bewegungsmechanismen für den Erfolg bzw. Misserfolg vonProfessionalisierungsprozessen gefragt. Ein wichtiger Befund dieser neu-en Schwerpunktsetzung war, dass Professionalisierungsstrategien durchdie Gründung von akademischen Ausbildungsinstituten flankiert werdenund in den kontinentaleuropäischen Ländern der Staat das dominanteSteuerungsorgan ist, während in den USA und in Großbritannien die Re-levanz des Staates weitaus geringer ist: „One of the main sources of stateinfluence has been the educational system. In those countries where thestate has had control over the professions – mainly continental Europeand Scandinavia – professional schooling has been organized mainlythrough the state. Privately organized schools ... have been common inthe United States, and individual training, often organized by the profes-sional knowledge has been the usual form for acquiring the professionalknowledge base in Britain. ... The Anglo-American bias has brought abouta presupposition that professions should be characterized by an anti-stateattitude“ (Torstendahl/Burrage 1990:7; vgl. auch Collins 1990).

Festzuhalten ist, dass Professionalisierung nur eine Variante vonVerberuflichung darstellt, wobei der Aspekt der Verwissenschaftlichungeine große Rolle spielt. Darüber hinaus gilt es, den spezifischen nationa-len und gesellschaftlichen Kontext und das gerade erreichte Stadium derVerberuflichung genau zu sondieren, um zu entscheiden, ob Phänome-ne der Professionalisierung beobachtbar sind oder nicht.

Für die in der Erwachsenenbildung Tätigen und andere pädago-gische Berufsgruppen hat die Abkehr vom teleologischen und/oder lexi-kalischen Modell einen gewissen Beruhigungseffekt. Die mit teleologi-schen Modelle verbundenen Fallstricke und die Reproduktion gesellschaft-licher Vorurteile sind mit Sicherheit weniger wahrscheinlich, wenn Pro-fessionalisierung als Synonym für eine durch Wissenschaft flankierte Ver-beruflichung und nicht für eine besondere Spezies begriffen wird.

3.2 Merkmalbezogene KonzepteIn der Frühphase der erwachsenenpädagogischen Diskussion

über Fragen der Professionalisierung, also Anfang der 70er Jahre, wareninsbesondere die Schriften von Hesse, Hartmann und Daheim von gro-ßem Einfluss. Alle drei Autoren haben sich in einem weitaus stärkeren

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Maß mit Fragen der Professionalisierung und der Profession als mit Phä-nomenen der Professionalität beschäftigt. Explizit oder implizit hat derStil der sozialwissenschaftlichen Denkweise, den diese drei Autoren re-präsentieren, auch die erste einschlägige Schrift in der Erwachsenenbil-dung zur Problematik der Professionalisierung beeinflusst. Damit ist derauf einen Vortrag anlässlich eines Volkshochschultages zurückgehendeAufsatz von Schulenberg „Erwachsenenbildung als Beruf“ (Schulenberg1972) angesprochen. Schulenberg hat auf die von Hesse eingeführte Un-terscheidung zwischen Professionalisierung (als Ausdruck eines selbst-gesteuerten und selbstbestimmten Entfaltungsprozesses) und dem auf wirt-schaftliche und staatliche Zweckmäßigkeitserwägungen zurückführba-ren außengesteuerten Prozess der Verberuflichung hingewiesen. Diedamaligen bildungspolitischen Rahmenbedingungen lieferten Schulen-berg Grund zu der Hoffnung, dass die Erwachsenenbildung den selbst-gesteuerten Weg der Professionalisierung gehen könne. Schon damalszeichnete sich allerdings ab, dass Professionalisierung keineswegs dieUrsache, sondern die Folge großer gesellschaftlicher Umwälzungen (Tech-nisierung und Verwissenschaftlichung des Lebens) darstellt (vgl. Daheim1967:51f.). Eine selbstgesteuerte Professionalisierung stellt sich demnachals ausgesprochen voraussetzungsreich dar und ist keineswegs nur vom(guten) Willen der Akteure abhängig. Die vielzitierte Schrift „Berufe imWandel“ (Hesse 1972) haben sich u. a. jene zu eigen gemacht, die derEinflussnahme der Verbände und Trägerorganisationen eher misstrauischgegenüberstanden und auf einen Zusammenschluss der Erwachsenen-bildner in einem Berufsverband hofften. Hartmann kritisiert die Gepflo-genheit vieler Berufsforscher, konkrete Tätigkeiten in einer simplifizie-renden Manier definitiv den ‚begrifflichen Nischen‘ „Arbeit – Beruf –Profession“ (Hartmann 1972) zuzuordnen. Für ihn bilden die drei Be-griffe ein Kontinuum an Variablen, das jedoch erst vor dem Hintergrundder unabhängige Variablen „Art und Qualität des ‘wissenschaftlichesWissens’“ sowohl analytische als auch berufspolitische Bedeutung be-sitzt. Auf Hartmann konnten sich alle diejenigen Vertreter der Erwachse-nenbildung stützen, die der Entwicklung einer eigenen Wissenschaft undder Konsolidierung des Verhältnisses zu den Bezugsdisziplinen eine stra-tegisch wichtige Funktion beigemessen haben, wobei heute vor einerÜberbetonung, ja vielleicht einer Überschätzung der Rolle der Wissen-schaft in Professionalisierungsprozessen gewarnt wird (vgl. hier die ein-schlägigen Schriften von Dewe 1990; Dewe/Ferchhoff 1988). DaheimsVerständnis von Verberuflichung war für die Erwachsenenbildung nur

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auf den ersten Blick instruktiv. Zwar stand hier die Ablösung neben- undehrenamtlicher Tätigkeiten durch hauptberufliche Aufgabenerledigungim Vordergrund (vgl. Daheim 1967:364), so dass sich vielfältige Verbin-dungslinien zur Diskussion über die Hauptberuflichkeit andeuteten. Dochsein stark an den Strukturfunktionalismus angelehntes Konzept erwiessich letztlich als nicht geschmeidig genug, um die Fragilität der institu-tionellen Bedingungen und die Vielfalt der Berufsrollen in der Erwachse-nenbildung theoretisch zu erfassen. Zudem hat Daheim die Neigung,Berufs- und Professionssoziologie zu vermischen, dabei ungewollt dieBesonderheiten der professionellen Wertsphäre aus den Augen zu ver-lieren (vgl. Daheim 1967) und keine attraktive Alternative gegenüberden dominanten merkmalsbezogenen Konzepten zu bieten.

Wie oben bereits angedeutet, wurden aus der Untersuchungder ‚old established professions‘ Merkmale abgeleitet, die dann auf diejeweiligen Kandidaten der Verberuflichung, wie etwa auf die Berufsgruppeder Sozialarbeiter, der Lehrer oder der Erwachsenenbildner, appliziertwurden. Diese Merkmale haben den Charakter von Hürden, die es dannim Prozess der Professionalisierung Stück für Stück zu überwinden gilt.Der Entwicklungsstand von would-be-professions, denen nicht selten derStatus von berufspolitischen Nachzüglern zuerkannt wurde, wird mit demzumeist idealisierten Entwicklungsverlauf traditioneller Professionen ab-geglichen. Als Distinktionskriterien gegenüber gewöhnlichen Berufenwurden beispielsweise die folgenden Punkte genannt, die starke Ähn-lichkeiten mit der lexikalischen Definition aufweisen: „a) A professioninvolves a skill based on theoretical knowledge. b) The skill requirestraining and education. c) The professional must demonstrate compet-ence by passing a test. d) Integrity is maintained by adherence to a codeof ethics. e) The service is for public good. f) The profession is organi-zed“ (Millerson 1964:4).

In der frühen Professionalisierungs-Debatte in der Erwachse-nenbildung haben die meisten Erziehungswissenschaftler sich weder aus-schließlich affirmativ noch überzogen kritisch gegenüber merkmalsbe-zogenen Professionskonzepten geäußert, sondern eher alternierendePositionen eingenommen. Das bedeutet, dass sie die merkmalsbezoge-nen professionstheoretischen Optionen in einem ersten Anlauf als we-nig instruktiv kritisieren, um sich ihnen dann, in Ermangelung von Alter-nativen, unterschwellig schließlich doch anzunähern (vgl. Vath 1975,

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vgl. auch die Schriften von Siebert). Die Problematik und der zweifelhaf-te Wert derartiger Merkmalskataloge sind früh angesprochen worden (vgl.Hughes 1952); überspitzt formuliert könnte man sagen: Die Liste derArgumente, welche den analytischen Nutzen von Merkmalkatalogenbezweifeln, ist so lang wie die Kataloge selbst. So wurde der Einwandformuliert, dass die aus einer ganz anderen historischen Situation stam-menden Merkmalbündel, die manchmal nur die berufspolitische Ideolo-gie, jedoch nicht die Realität wiedergeben, auf die Jetztzeit transferiertwerden und keinen anderen Effekt hätten als den, die Berufsideologie zureproduzieren. Die mit den Professionalisierungsprozessen einhergehen-den Durchsetzungsstrategien mögen unter machtbezogenen Kriterienzwar außerordentlich erfolgreich gewesen sein, doch damit ist noch nichtsüber deren gesellschaftspolitische Legitimation ausgesagt.

An einer anderen Stelle wurde bereits die Überlegung formuliert,dass auch die radikalsten Gegner solcher Merkmalkataloge zumindest im-plizit über ein minimales Vorverständnis dessen, was eine Profession istoder sein könnte, verfügen müssen. Maßstäbe und Kriterien für Professio-nalisierungs- und Deprofessionalisierungsprozesse als solche scheinennicht per se das Problem zu sein, sondern der rigide und orthodoxe Um-gang mit ihnen. Wenn solche Maßstäbe, Merkmale und Kriterien die inder Öffentlichkeit kursierenden Vorurteile und Meinungsbilder über diemoralische Arbeitsteilung zwischen den Berufen nur reproduzieren, ohnekritische Distanz zu wahren, sind sie zu Recht skeptisch zu beurteilen.Sofern sie ‚pragmatisch gebrochen‘, also mit den gesellschaftlichen Ent-stehungsbedingungen abgeglichen und einer ideologiekritischen Prüfungunterzogen worden sind, steht ihrer heuristischen Nutzung nichts im Wege.

Der bisherige Umgang der Erwachsenenbildung mit Merkmal-katalogen beinhaltete manchmal die kontraproduktive Tendenz, dieMerkmale wortwörtlich zu nehmen, also zu eng auszulegen, und nichtnach funktionalen Äquivalenten zu suchen. Als beinahe fatal kann manes bezeichnen, dass eine stärkere Berücksichtigung und analytische Wür-digung der freien Berufe, die in einigen Merkmalskatalogen aus den USAan besonders prominenter Stelle vorkommen, von manchen Vertreternder Wissenschaft von der Erwachsenenbildung strikt verworfen wurde.Aus dem empirisch jederzeit belegbaren Tatbestand, dass sich in derGruppe des lehrenden Personals (Kursleiter, Dozenten) ein rein quanti-tativ nicht zu übersehendes Potential ‚freischaffender Erwachsenenbild-

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ner‘ befindet, hätte man professionspolitisch wesentlich mehr Kapitalschlagen können. Auch wurde nicht mit der notwendigen Sorgfalt undGeduld nach funktionalen Äquivalenten für die vordergründig unver-rückbaren Merkmale gesucht. So sind die bei vielen Praktikern der Er-wachsenenbildung leicht identifizierbaren altruistischen Berufsmotive undihr moralisch getönter Habitus der Sorge um die Verfasstheit der Gesell-schaft (vgl. Keiner u. a. 1997) und die damit korrespondierende Skepsisgegenüber kommerziellen Gewinninteressen an das klassische Merkmalder Gemeinwohlorientierung anschlussfähig. Und möglicherweise kön-nen die verschlungenen Prozesse der beruflichen Etablierung und So-zialisation, die u. a. durch das Absolvieren eines akademischen Studi-ums und durch Phasen der kurzfristigen Deprofessionalisierung (vgl.Nittel/Marotzki 1996), der informellen Bewährung, des professionellenSubstanzaufbaus und der langsamen Zuspitzung auf eine verantwortungs-volle Tätigkeit in der Erwachsenenbildung gekennzeichnet sind (vgl. fürdie betriebliche Weiterbildung Schick/Wittwer 1992), ebenfalls als funk-tionales Äquivalent interpretiert werden, in diesem Fall für die mühsameprofessionelle Sozialisation und das institutionelle Ablauf- und Erwar-tungsmuster der klinischen Ausbildung bzw. des Referendariats. Die zuenge Auslegung oder starre Ablehnung der Merkmalskataloge hat einebis heute nachwirkende Indifferenz und Blindheit gegenüber jenen Pro-fessionalisierungspotentialen bewirkt, die – auch unter der Bedingungrelativer Machtlosigkeit (vgl. Nolda 1996a:10-12) – für die Erwachse-nenbildung Entwicklungschancen eröffnen.

3.3 Der Bedarf an machttheoretischenAnalyseinstrumenten

Mittlerweile dürfte die erwachsenenpädagogische Diskussiondas alte Schisma ‚Merkmalskataloge: ja oder nein‘ oder die Debatte ‚Merk-malskataloge versus problembezogene Analyse‘ weitgehend hinter sichgelassen haben. Damit in der Untersuchungsstrategie eine möglichst engeBeziehung zu den spezifischen Bedingungen der erwachsenenpädago-gischen Verberuflichung hergestellt werden kann, sollten allerdings pro-fessionstheoretische Werkzeuge und Begriffe fortlaufend neu entwickeltund mit den Realitäten des Berufsfeldes abgeglichen werden.

Bei der Umsetzung dieses Postulats könnte sich die vom Begriffder sekundären Disziplinbildung abgeleitete Kategorie der ‚sekundären

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Professionalisierung‘ als hilfreich erweisen. Mit sekundärer Disziplinbil-dung ist zunächst einmal ein bestimmter Modus der Neukonstitution ei-nes wissenschaftlichen Faches, einer Disziplin gemeint.10 Diese wissen-schaftliche Disziplin führt – sobald sie in den Modus der sekundärenProfessionalisierung übergeht – zu einer Art berufspolitischem Zugzwang,und zwar in der Weise, dass – vereinfacht ausgedrückt – die ausgebilde-ten Praktiker neue Stellen schaffen, die ohne sie vielleicht gar nicht va-kant gewesen wären. Auch in der Erwachsenenbildung ist keineswegseine durch die Berufskultur selbst geleistete Bündelung von erwachse-nenbildungsspezifischen Aktivitäten in einer Berufsrolle zu verzeichnengewesen, sondern die Professionalisierung ist sekundär, nämlich maß-geblich durch die Konstruktion eines Ausbildungsganges, hervorgerufenworden. Ohne die berufsbiographische Aneignung von Seiten des wis-senschaftlich augebildeten Praktikers (vgl. Lüders 1989), des Diplom-pädagogen mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung, könnnte heutevielleicht gar nicht von einer Professionalisierung des diesbezüglichenBerufsfeldes gesprochen werden. Im konkreten Fall des erziehungswis-senschaftlichen Diplomstudiums bedeutet dies die Konstruktion einesinterdisziplinären Lehr- und Forschungsgebietes und den Verzicht aufeinen exklusiven Problembezug, der die besonderen Handlungserfah-rungen der Profession reflektiert. Der Mechanismus der sekundären Pro-fessionalisierung produziert den Typ des wissenschaftlichen Professio-nellen. Zu diesem Typ zählen auch die Erwachsenenpädagogen. Diesebilden „keine geschlossene Berufsgruppe mit den typischen Merkmalendes Anspruchs auf ein Quasi-Monopol für ein bestimmtes Tätigkeitsfeldund der Regelung des Zugangs zu Berufsgruppe und Tätigkeitsfeld überstrikte Zulassungspraktiken ... Im Vergleich zum klassischen bewegt sichder wissenschaftliche Professionelle auf offenen Beschäftigungsmärktenmit breiten Grenzzonen, in welchen Personen mit sehr verschiedenenQualifikationsvoraussetzungen Beschäftigungschancen haben. Hinzukommt die Abwesenheit von professioneller Autonomie im klassischenSinne des Begriffs: wissenschaftliche ‚Professionelle’ haben es oft mitKlienten und Vorgesetzten zu tun, die sowohl über Ziel und Ausführungder Tätigkeit des ‘Professionellen’ bestimmen als auch seine Leistungkontrollieren“ (Stichweh 1987:258f.).

Der Topos der sekundären Professionalisierung ist, da prekäreAspekte der relativen Autonomie und der sozialen Kontrolle angespro-chen werden, gegenüber machtspezifischen Konstellationen anschlussfä-

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hig. Die einschlägigen machttheoretischen Ansätze, wie sie von Freid-son (1979, 1986) und Sarfatty-Larson (1977) in der Professionsdiskussi-on vertreten werden, zielen jedoch prototypisch auf Prozesse der primä-ren Professionalisierung, auf Vorgänge also, die in den klassischen Pro-fessionen zu beobachten sind. Anders ausgedrückt: Die machttheoreti-sche Professionsforschung ist für die Untersuchung mächtiger Berufeprädestiniert. Nun haben wir es im Feld der Erwachsenenbildung abermit Phänomenen der defensiven Verberuflichung zu tun bzw. mit einerProfessionalisierungsstrategie, die dem Anti-Domänenkonzept folgt. Die-ser Begriff meint, dass es den Akteuren in der Professionalisierung weni-ger auf die zielgerichtete Sicherung von Privilegien, Marktchancen undanderen Vorteilen ankommt (vgl. Rauschenbach 1985) als vielmehr aufdie Optimierung der Wissensgrundlagen mittels Akademisierung. DerAusfall der konventionellen machttheoretischen Zugänge entwertet je-doch keineswegs die Grundthese, dass Vorgänge der Professionalisie-rung am ehesten durch Theorien kollektiver Prozesse unter Einschlussdes Machtfaktors erklärt werden können. Macht ist ja bekanntlich wedergut noch schlecht, sondern eine immer mitlaufende Konstante in jedemHandlungsprozess (vgl. Nolda 1996a:190-197). Macht wird hier defi-niert als die Verfügung über Ressourcen, die soziale Akteure mobilisie-ren können, um Mitakteure zu bestimmten Aktivitäten oder Zugeständ-nissen zu bewegen. Um das vordergründige Problem der mangelndenGegenstandsangemessenheit konventioneller Machttheorien im Hinblickauf die Erwachsenenbildung zu beheben, sollten die verschiedenen pro-fessionstheoretischen Ansätze zum einen auf prozesstheoretische Kate-gorien und zum anderen auf machttheoretische Implikationen hin abge-sucht werden. Diese Option wird nun mit Blick auf die in Deutschlandnur wenig rezipierte Studie von Abbott (1988) exemplarisch durchge-spielt.

Obwohl Andrew Abbott sich keineswegs zu jenen Professions-theoretikern zählen würde, die vorrangig machtpolitisch argumentieren,spielen machtpolitische Durchsetzung und komplementäre Aspekte beiihm durchaus eine große Rolle. So steht die stark machtkonnotierte Ka-tegorie der ‚Jurisdiktion‘ im Zentrum seines komparativen Zugangs. MitJurisdiktion ist nicht nur die juristisch kodifizierte, sondern auch einesowohl kulturell wie sozialstrukturell sanktionierte berufsbezogene De-finitionsmacht, Aufgabenzuweisung und Entscheidungsbefugnis gemeint.Der stark an die Begriffe Lizenz und Mandat erinnernde Begriff hat zu-

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nächst einmal die Funktion eines Bindegliedes: „The central phenome-non of professional life is thus the link between a profession and its work,a link I shall call jurisdiction“ (1988:20). Abbott ist der Auffassung, dassjede Profession fest mit einem mehr oder weniger klar definierten Zu-ständigkeits- und Aufgabenbereich verbunden ist, wobei diese Verbin-dung durch „ties of jurisdiction“ konstituiert wird. Die Jurisdiktion trägtdem Umstand Rechnung, dass Professionen nicht nur ein für allemalvorgegebene, sondern subjektiv auslegbare Problemlagen bearbeiten. Diemit dem Phänomen des lebenslangen Lernens zusammenhängenden An-gelegenheiten wären eine solche subjektiv auslegbare Problemlage. Unterkulturellen Aspekten wird der Anspruch auf Jurisdiktion durch drei pro-fessionelle Kernpraktiken generiert, die allesamt dem subjektiven Cha-rakter einer professionellen Aufgabenstruktur Rechnung tragen: die Ar-beit des Diagnostizierens („the claims to classify a problem“), die Arbeitdes Schlussfolgerns, Durchdenkens und Expertise-Erstellens („the claimsto reason about it“) und die Arbeit des Behandelns und des Intervenie-rens („the claims to take action“). Die auch in der Erwachsenenbildungnachweisbaren Kernaktivitäten des Diagnostizierens (Teilnehmermotivesondieren, Bildungsbedarfe erkunden), Behandelns bzw. Intervenierens(didaktische Handlungsstrategien realisieren, Beratung durchführen usw.)und des Schlussfolgerns (Reflexionsarbeit) sowie das Korpus an wissen-schaftlichem Wissen bilden jene Glieder der Jurisdiktion, die die kon-krete Arbeit des Professionsmitgliedes mit der Profession als soziales Struk-turmerkmal verbinden. Vollends komplettiert wird die „cultural machineryof jurisdiction“ durch die akademische Arbeit, also die systematischeErzeugung und Anwendung wissenschaftlichen Wissens. „Diagnosis,treatment, inference, and academic work provide the cultural machine-ry of jurisdiction. They construct tasks into known ‚professional problems‘that are potential objects of action and further research. But to performskilled acts and justify them cognitively is not yet to hold jurisdiction. Inclaiming jurisdiction, a profession asks society to recognize its cognitivestructure through exclusive rights; jurisdiction has not only a culture, butalso a social structure. These claimed rights may include absolute mo-nopoly of practice and of public payment, rights of self-discipline and ofunconstrained employment, control of professional training, of recruit-ment, and of licensing, to mention only a few. Which of them are actual-ly claimed depends in part of the audience“. Abbott lässt in diesem Zitatnochmals den Doppelaspekt einer Profession anklingen: Sie hat einekulturelle und kognitive sowie auch eine sozialstrukturell systemische

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Dimension. Als einige der zentralen Komponenten, die den Austauschzwischen Profession und Sozialstruktur gewährleisten, nennt er u. a. dieMonopolisierung einer bestimmten Praxis, öffentliche Finanzierung undSicherung der Einkünfte usw. Beide Seiten, die kulturelle und die sozial-kulturelle, konstituieren „the system of profession“. Als die drei zentra-len Arenen bzw. Orte, wo maßgeblich über die strukturelle Verankerungund die Grenzen der Jurisdiktion (jurisdiction claims) als Schritte inner-halb eines Professionalisierungsprozesses gestritten und entschieden wird,sind die Folgenden zu nennen: Die juristischen bzw. staatlichen Instan-zen, die über die formale Anerkennung und die Kontrolle der Arbeitentscheiden, zweitens die öffentliche Meinung, die mit über das Imagedes Berufs befindet, und drittens schließlich der Arbeitsplatz selbst, wodie personenbezogene Dienstleistung verrichtet wird, Arbeit ‚am Kun-den‘ bzw. mit dem Teilnehmer stattfindet.

individueller Prozess der beruflichen Reifungkollektives Projekt der Bündelung von BerufsrollenVerwissenschaftlichungselbst- bzw. fremdgesteuert

Professionalisierung ohne das Merkmalder Verwissenschaftlichung

Bedarf wird durch Akademisierung erzeugtTyp des wissenschaftlichen Professionellen dominantAbwesenheit von professioneller Autonomie

Synchronisation von Leistung und sozialer Akzeptanz

Arbeitsplatzöffentliche Meinungstaatliche Instanzen

Professionalisierung

Orte der Durchsetzung

Formen

Verberuflichung

sekundäreProfessionalisierung

Mechanismen

Abb. 2: Professionalisierung

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3.4 Orte der Durchsetzung von Berufsinteressen:der Arbeitsplatz, die öffentliche Meinung undjuristische bzw. staatliche Instanzen

Bezüglich des Arbeitsplatzes ist es auf den ersten Blick so, dassin den alteingesessenen Weiterbildungseinrichtungen (Gewerkschaften,Volkshochschulen, kirchliche Einrichtungen) die Grenzen der berufli-chen Jurisdiktion mehr oder weniger feststehen und eine eingespielteArbeitsteilung zwischen dem in der Regel festangestellt planenden bzw.disponierenden Personal einerseits und dem lehrenden Personal ande-rerseits vorzuherrschen scheint. Dennoch gibt es hinter der Fassade desRoutinebetriebs auch beträchtliche Interessenkollisionen und Konflikt-potentiale, die auf eine prekäre Machtbasis hindeuten. Obwohl die haupt-beruflich tätigen Erwachsenenbildner äußerlich betrachtet aufgrund derarbeitsrechtlichen Absicherung und einer besseren Bezahlung gegenüberdem nebenberuflich oder freiberuflich tätigen lehrenden Personal alsprivilegiert gelten, ist das festangestellte Personal in einigen Punkten aufsubtile Weise ‚benachteiligt‘. Das Publikum der Erwachsenenbildungspiegelt seine Zufriedenheit, seinen Bildungserfolg und Lernzuwachs nichtden festangestellten Fachbereichsleitern, sondern den neben- und frei-beruflichen Kursleitern zurück. Der direkte, über pädagogisches Han-deln vermittelte Zugang zur Klientel ist für das festangestellte – das ‚pro-fessionalisierte‘ – Personal im Gegensatz zum lehrenden Personal nurbegrenzt möglich. Dieser unmittelbare und authentische Bezug zurDurchführungsqualität der Bildungsangebote liefert den Kursleitendeneinen Wissens- und Machtvorsprung, der nicht zu unterschätzen ist. Diesekundäranalytische Betrachtung von Untersuchungen über Lehr-/Lern-prozesse zeigt zudem, dass die Macht des Kursleiters „gerade darin be-steht, diese zu demokratisieren, die Rolle des wissenden Pädagogen“regelrecht zu negieren (Nolda 1996a). Eine solche Großzügigkeit imUmgang mit der Macht kann sich der festangestellte Fachbereichsleiternicht leisten: Er steht in einem wesentlich anonymeren Kontext, in wel-chem die Zuteilung bzw. Nichtzuteilung materieller Ressourcen Vorranghat. Festangestellte Mitarbeiter klagen zudem über Unsicherheiten, wennsie gegenüber fachlich ausgewiesenen Dozenten ihre berufliche Rollepräsentieren müssen: Sie scheinen in der unmittelbaren Interaktion zwarMacht, aber wenig Autorität zu besitzen. Diese basiert bekanntlich aufWissen – also auf jener Ressource, über die sich die Kursleitenden defi-nieren. Besonders energisch um ihre professionelle Jurisdiktion ringenmüssen Erwachsenenpädagogen in neuen beruflichen Handlungsfeldern

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oder in solchen, die eine geschichtlich und kulturell bedingte Distanzzur Bildung pflegen. Dies gilt insbesondere für Betriebe: Da es sich hierum Institutionen handelt, die hochgradig arbeitsteilig organisiert sind,kann es vorkommen, dass die einzelnen Grundbestandteile der Jurisdik-tion (die Handlungsschemata des Diagnostizierens, des Intervenierensund des Schlussfolgerns) bei ganz unterschiedlichen Abteilungen oderRollenträgern bearbeitet werden und der Arbeitsablauf des Erwachse-nenpädagogen gleichsam fragmentiert wird: Die Bündelung der Kern-aufgabe des Diagnostizierens (Bildungsbedarfe ermitteln), des Interve-nierens bzw. Behandelns (Programm erstellen, eigene Lehre) und desSchlussfolgerns (Evaluation) schließt die Verfügungsgewalt über den inder Erwachsenenbildung immer wiederkehrenden Arbeitsbogen (Strauss1985) ein. Die Integration dieser Elemente erhöht die Wahrscheinlich-keit, die Grenzen der Handlungs- und Einflusschancen am Arbeitsplatzso auszuhandeln, dass die Autonomie des professionell tätigen Erwach-senenbildners gestärkt wird. Eine arbeitsteilig (oder unter organisatori-schen Erwägungen) vielleicht sinnvolle Ausdifferenzierung dieser pro-fessionellen Kernaktivitäten schwächt die Jurisdiktion. Sie nachhaltig zuverbessern bedeutet in letzter Konsequenz aber auch, Vertretern andererExpertenkulturen gegenüber nicht nur den Erkenntniswert des erwach-senenpädagogischen Expertenwissens, sondern auch seine Problemlö-sekapazitäten unter Beweis zu stellen.

Die Orte, wo die Grenzen der Jurisdiktion beständig definiert,ausgehandelt und verschoben werden – also der Arbeitsplatz, die öffent-liche Meinung und staatliche und juristische Instanzen –, müssen in ih-rer wechselseitigen Abhängigkeit betrachtet werden. So ist davon auszu-gehen, dass die Akteure das eine oder andere Etappenziel im Zusam-menhang mit der Aushandlung der professionellen Jurisdiktion (als Aus-druck einer gesellschaftlich ratifizierten Entscheidungs- und Aufgaben-befugnis) am Arbeitsplatz nur dann umsetzen können, wenn in anderenMachtarenen, wie zum Beispiel in der öffentlichen Meinung, ein deutli-cher Sinneswandel feststellbar ist.

Was die öffentliche Meinung als Arena des Aufbaus eines be-stimmten Berufsimages oder der Durchsetzung berufspolitischer Positio-nen angeht, so scheint die Erwachsenenbildung als Profession hier sogut wie überhaupt nicht vertreten zu sein. Wird sie zum Gegenstand derBerichterstattung, dann richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit ent-

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weder auf die Organisation (Einrichtungen und Träger) und deren Pro-gramme oder auf bildungspolitische Themen. Doch auch wenn in denletzten Jahren in der Weiterbildung die Teilnehmerzahlen angestiegensind und das Interesse am lebenslangen Lernen zunimmt – sicher ist,dass die Berufskultur hiervon kaum oder überhaupt nicht profitieren konn-te. In den Medien ist viel von der Weiterbildung als positivem Wert ansich, aber weniger von jenen Menschen die Rede, die für die organisato-rischen Voraussetzungen und die Abwicklung der Weiterbildung sorgen(vgl. Leunig 1988:157). Im Vergleich zu anderen pädagogischen Berufs-gruppen (Lehrern) zeigen sich die Massenmedien gegenüber dem Perso-nal in der Weiterbildung indifferent. So mutet die Vorstellung, dass eineFernsehserie in Vorabendprogramm einen Dozenten der Erwachsenen-bildung zum Protagonisten haben könnte, schon etwas fremdartig an.Der Mehrheit der Bevölkerung sind wichtige Protagonisten und Schlüs-selfiguren der Erwachsenenbildung kaum bekannt, es sei denn, es han-delt sich um prominente und erfolgreiche Personen, die in die Politikoder den kulturellen Bereich abgewandert sind. Die fehlende Medien-präsenz wirft ein deutliches Licht auf die Form von Jurisdiktion, um diees im Kontext der öffentlichen Meinung gehen könnte: nämlich um denallmählichen Aufbau eines Sets an Selbstverständlichkeiten im kollekti-ven Bewusstsein der Bevölkerung, dass die Berufsgruppe der in der Er-wachsenenbildung Tätigen zwar nicht exklusiv, aber doch vorrangig fürorganisierte Bildungsarbeit zuständig und verantwortlich ist. Das bedeu-tet, dass die wirkungsvolle Durchsetzung eigener Anliegen in der Öf-fentlichkeit im Allgemeinen und in den Massenmedien im Besonderenschon daran zu scheitern droht, dass die Suche nach einer Instanz, dieMacht auszuüben vermag, eine Leerstelle hinterlässt. Hinzu kommt, dassin der Berufskultur kein Konsens darüber herrscht, dass die Durchset-zung eines positiven Bildes in der Öffentlichkeit von vitalem Interesse istund keineswegs nur eine Domäne der ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ darstellendarf. Bedingung für die Möglichkeit einer wirksamen öffentlichen Inter-essenartikulation ist bekanntlich die Existenz eines Berufsverbandes odereines gut funktionierenden beruflichen Netzwerkes. Für das in der Wei-terbildung tätige Personal gibt es bekanntlich keinen Berufsverband (vgl.Schulze-Krüdener 1996). Was die wirkungsvolle Vertretung eigener An-liegen und Machtinteressen angeht, so scheinen sich viele Erwachse-nenpädagogen selbst im Weg zu stehen: Einerseits attestieren sie sich inihren professionellen Selbstbeschreibungen recht häufig defizitbesetzteMerkmale, und andererseits sind sie die Ersten, die das fehlende Profil

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ihres Berufs in der Öffentlichkeit brandmarken. Eine Straßenumfrage,von Studierenden der Pädagogik 1995 in Frankfurt/M. durchgeführt, er-gab, dass die Erwachsenenbildung in der Öffentlichkeit ein wesentlichpositiveres Image hat, als professionsintern angenommen wird. DiesesSchicksal teilen die Erwachsenenbildner übrigens mit den Angehörigender etablierten Professionen: „Publicly venerated professional roles areoften those least respected by professionals themselves“ (Abbott1981:819).

Der Arbeitsplatz und die öffentliche Meinung auf der einen unddie staatlichen bzw. juristischen Entscheidungsinstanzen auf der ande-ren Seite stehen bei der Vergabe einer Jurisdiktion in einem engen Wech-selbezug. Falls es der Gemeinschaft der Bildungspraktiker gelingen soll-te, die öffentliche Meinung von ihrem gesellschaftlichen Nutzen unddem Wert ihrer Arbeit zu überzeugen (was nur dann gelingt, wenn signi-fikante Erfahrungen am Arbeitsplatz vorliegen), so würde dies die Wahr-scheinlichkeit erhöhen, dass juristische und staatliche Entscheidungsin-stanzen der Berufskultur eine nach außen klare und in sich schlüssigeberufliche Jurisdiktion zuweisen würden. In Deutschland sorgt im We-sentlichen der Staat für die nötigen Rahmenbedingungen, dass ein be-stimmter Beruf als Beruf anerkannt wird und diese und keine andereformale Jurisdiktion erhält. Es wird ein Aufgaben- und Grenzbereich de-finiert, in dem sich die Berufsangehörigen mit einem bestimmten Set anQualifikationen bewegen und mehr oder weniger erfolgreich ganz be-stimmte Anforderungen bewältigen. Zwar wird das Diplom in Erziehungs-wissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung von den ein-schlägigen Abnehmern als wissenschaftliche Lizenz akzeptiert, aber imGegensatz zu anderen akademischen Berufen ist von staatlicher Seitedie Berufsbezeichnung Erwachsenenbildner nicht geschützt. Ein Diplomin Erziehungswissenschaft oder das erfolgreiche Absolvieren eines Zu-satzstudiums Weiterbildung haben im Berufsfeld zudem keinen höherenRang als andere akademische Abschlüsse. Die Monopolstellung, die nureiner bestimmten akademischen Berufsgruppe die Lizenz eröffnet, ineinem Bereich beruflich tätig zu werden, bedeutet im Sinne von Abboteine komplette Jurisdiktion. Von einer solchen kann im Bereich der Er-wachsenenbildung heute schon deswegen keine Rede sein, weil mehr-heitlich gegen eine solche Monopolstellung votiert und ein Antidomä-nenkonzept verfolgt wird. Die fragile formale Jurisdiktion der Erwachse-nenbildung im Besonderen und des Abschlusses der Erziehungswissen-

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schaft im Allgemeinen schlägt sich in den Berufsstatistiken nieder: Rau-schenbach moniert, dass es zwar schon seit vielen Jahren den Diplom-studiengang gibt, dass er in einigen einschlägigen Statistiken der Erzie-hungswissenschaftler aber gar nicht auftaucht (vgl. Rauschenbach1994:275). Zwischen den drei erwähnten Ebenen gibt es jedoch beträcht-liche Zeitverzögerungen, die eine zielgerichtete berufspolitische Strate-gie erschweren. „Juricdictions are renegotiated in workplaces over two-to three-year periods, in public over ten- to twenty-year periods, in thelaw over twenty- to fifty-year periods. These assertions imply that equili-brating forces dominate over the time period specified“ (Abbott 1988:135).

Der hier auf seine analytische Tragfähigkeit geprüfte Ansatz vonAbbott impliziert, so kann man abschließend sagen, noch genauer mitden Mitteln der empirischen Sozialforschung jene Phänomene in denBlick zu nehmen, die mit der Aushandlung der professionellen Jurisdik-tion im Medium der Macht auf der Ebene des Arbeitsplatzes, der öffent-lichen Meinung und auch der juristischen und staatlichen Entscheidungs-prozesse korrespondieren. Von entscheidender Bedeutung für die Dyna-mik der Verberuflichung ist eine strukturelle Koppelung, die Verbindun-gen zwischen Arbeitsplatz, öffentlicher Meinung und den staatlichen Ent-scheidungsinstanzen, da sie unter strategischen Aspekten am ehestengenutzt werden können, um nachhaltigen Einfluss auszuüben. Bislanghat man die jeweiligen Orte für sich behandelt, ohne darauf zu achten,dass Fortschritte auf der einen Ebene letztlich ins Leere gehen, wenn esnicht gelingt, lineare Ursache-Wirkung-Ketten zu überwinden und Syn-ergieeffekte durch die Verzahnung der Ebenen herzustellen. Ein Beispielfür einen solchen Quantensprung ist der Preis des Deutschen Instituts fürErwachsenenbildung zur Würdigung von innovativer Arbeit im Erwach-senenbildungsbereich: Hier werden arbeitsplatznahe Leistungen in ei-nen öffentlichen Rahmen gestellt und wirkungsvoll präsentiert.

3.5 Die Synchronisation von leistungsmäßigem undsozialem Anspruchsniveau

Genießt ein Beruf eine hohe Wertschätzung und übernimmt erim gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionszusammenhangeine bestimmte Funktion, so kommt dieser Zustand nicht von ungefähr,sondern er hat eine bestimmte, häufig lange Geschichte. Der Vorgangder Etablierung oder Konsolidierung einer Profession kann nicht von dem

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langwierigen Prozess losgelöst betrachtet werden, der dann schließlichdazu geführt hat, dass eine ganz bestimmte Synchronisation von Leis-tung und sozialer Anerkennung abgeschlossen und auf einem befriedi-genden Niveau justiert werden konnte. Im Prozess der Verberuflichungstellen die Berufsmitglieder nämlich Leistungsansprüche an sich selbst,die sie entweder erfüllen oder nicht erfüllen und bei deren Realisierungsie wiederum materielle oder immaterielle Gegenleistungsansprüche andas Publikum, aber auch an die Gesellschaft richten. Diese Synchroni-sation eines leistungsmäßigen Anspruchsniveaus mit dem sozialen, aufdie Reputation und die Statusverbesserung abzielenden Anspruchsniveauist eines der elementarsten Probleme in jedem Professionalisierungspro-zess. Unter systematischen Gesichtspunkten ist diese Synchronisationein reizvolles Thema, denn hier verschmelzen Phänomene der macht-bezogenen Durchsetzung von Interessenlagen mit prozesstheoretischenAspekten.

Was ist mit der Kategorie ‚Synchronisation von leistungsmäßi-gem und sozialem Anspruchsniveau‘ nun mit Blick auf die Erwachse-nenbildung genau gemeint? Damit eine Berufsgruppe wie die der Er-wachsenenbildner von der Gesellschaft das Mandat bzw. die entspre-chende Jurisdiktion zugesprochen bekommt, für einen definierten Be-reich des menschlichen Lebens (zwar nicht unbedingt exklusiv, aberzumindest an exponierter Stelle) fachlich zuständig zu sein, muss sie diemit Macht ausgestatteten Akteure einer Gesellschaft davon überzeugen,dass die potentiellen Berufsvertreter mit einer hohen Leistungsfähigkeitund -bereitschaft ans Werk gehen und dafür einen Anspruch auf eineadäquate soziale Anerkennung haben (die sich allerdings nicht nur, aberauch in der Höhe der Entlohnung niederschlägt). Die Hervorbringungund Sicherung einer zurechenbaren hohen Leistungsbereitschaft stelltkeineswegs ein schlichte Aufgabe dar, sondern eine conditio sine quanon jedes wissenschaftlich abgestützten, durch hohe Komplexität ge-kennzeichneten individuellen und kollektiven Ausbildungs- und Quali-fizierungsprozesses.11 Anders als Berufsgruppen aus der Geschäftswelthat eine um die Etablierung ringende Profession ihre Leistungsorientie-rung und -fähigkeit insbesondere auf dem zentralen Schauplatz, näm-lich in der unmittelbaren Interaktion mit der Klientel, fortlaufend unterBeweis zu stellen (vgl. Nittel 1997b). In der Bildungsarbeit vor Ort müs-sen die Berufsvertreter glaubwürdig zum Ausdruck bringen, dass sie zueiner anspruchsvollen personenbezogenen Dienstleistung (Vermittlung

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von Wissen, Bearbeitung von Bildungsdefiziten) fähig sind und eine Pro-blemstruktur bearbeiten können, deren Auflösung im elementaren Inter-esse sowohl der Individuen als auch der Gesellschaft liegt. Erst eine der-art moralische Färbung in ihrem Leistungsanspruch verleiht einer Profes-sion die Berechtigung, eine bestimmte, auch außerhalb rein ökonomi-scher Berechnungsgrundlagen liegende Gegenleistung in Anspruch zunehmen.

Eine um Etablierung bemühte Profession ist in gewisser Hin-sicht in einer ähnlichen Lage wie eine um berufliche Selbständigkeitringende Einzelperson. Wenn die potentielle Klientel hohe Leistungenbei möglichst geringen Kosten erwartet, während bei den Leistungsan-bietern hohe Honorarwünsche bestehen, ist an einen individuellen Pro-zess der Professionalisierung nicht zu denken. Die beiden Parteien ver-harren auf ihrem hohen Erwartungsplateau, ohne dass eine Annäherungmöglich wäre. Diese Konstellation ließe sich auch auf die Erwachsenen-bildung übertragen: Die Leistungsempfänger (Teilnehmer) wünschen hoheLeistungen gegen Entrichtung möglichst geringer Kosten, während dieLeistungserbringer (die Bildungspraktiker), noch bevor sie eine hohe Leis-tungsfähigkeit entwickelt haben, niedrige Leistungsziele zugrundelegen,aber dennoch hohe Gegenleistungserwartungen (Honorare) formulieren.Ein solches Szenarium führt entweder zum Stillstand oder zur Deprofes-sionalisierung. „Niedrige Leistungsmotivation verbunden mit hohemGegenleistungsinteresse zeichnet ja gerade den Scharlatan aus“ (Kairat1969:130). Weder ein rein leistungsorientiertes noch ein ausschließlichgegenleistungsorientiertes Berufshandeln ist also in der Lage, Professio-nalisierungseffekte zu generieren. Welche Bedingungen müssen erfülltsein, damit ein den Interessen der Berufsmitglieder gemäßer Mechanis-mus in Gang gesetzt werden kann? Ein konstruktiver Prozess kommt erstdann in Gang, wenn der potentielle ‚professional‘ über einen intrinsischabgesicherten Antrieb zur Leistung verfügt bzw. ein signifikantes Leistungs-bedürfnis an den Tag legt, welches dann vom Publikum durch externeAntriebe (Geld, Prestige, Autorität) verstärkt werden kann, was bei denpotentiellen ‚Professionals‘ wiederum dazu führt, das Leistungsniveauund die Problemlösungsfähigkeit des Professionswissens weiter zu stei-gern, so dass dies die Reaktion der erneuten Anhebung von externenAnreizen zur Folge hat. Diese Strategie ist nur dann funktionsfähig, wennzwischen Berufskultur, Klientel und öffentlichem Publikum ein stabilesVertrauensverhältnis herrscht. Die exorbitante Bedeutung des Faktors

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Vertrauen trägt generell dazu bei, dass der eben skizzierte Mechanismusnicht gänzlich vom ökonomischen Kalkül überlagert oder gar dominiertwird. Das Vertrauen der Klientel gegenüber dem Professionellen beziehtsich hierbei nicht nur auf die persönliche Glaubwürdigkeit, sondern auchauf das durch die Berufsrolle institutionalisierte Leistungspotential. Be-zogen auf den Erwachsenenbildner schließt es sowohl Zutrauen gegen-über dem fachlichen Wissen als auch die Zurechnung von sozialer Qua-lifikation und die Unterstellung von Vermittlungskompetenz ein.

Doch auch eine andere Relation zwischen Leistungsmotivati-on, Gegenleistungsinteresse und sozialem Anspruchniveau könnte lang-fristig ebenfalls zu einem Professionalisierungsschub beitragen: Falls Leis-tungsmotivation und -bereitschaft hoch sind und das Gegenleistungsin-teresse zunächst tendenziell bescheiden ausfällt, kann im Anschluss andas kontinuierlich hohe Niveau der faktischen Dienstleistung sukzessivedas soziale Anspruchsniveau erhöht werden, was dann – im günstigstenFall – schließlich zu einem Zugzwang führt, langfristig auch die materi-elle Gratifikation zu verbessern. Bezogen auf die Berufskultur der Er-wachsenenbildung würde sich u. U. sogar eine Art paradoxe Strategieder Professionalisierung anbieten, um das leistungsbezogene und sozia-le Anspruchsniveau besser zu justieren: Die Berufsangehörigen müssten– in Abgrenzung zu den institutionellen Selbstbeschreibungen – in ihrenDienstleistungsangeboten mit eher bescheidenen Programmatiken undZielen auftreten, während sie in ihrem tatsächlichen Lehr- und Vermitt-lungsverhalten auf die tendenzielle Übererfüllung der Leistungsstandardszu drängen versuchen. Auf diese Weise würde sich ein Kontrast zwi-schen dem leistungsschwachen öffentlichen Image und dem faktischenVerhalten auftun. Die Klientel würde positiven Irritationen ausgesetzt,was mittelfristig wiederum positive Auswirkungen auf die soziale Aner-kennung haben würde. Doch erst die kollektive Reproduktion und dieVerstetigung dieses Musters würden auf lange Sicht eine Legitimations-basis schaffen, um das materielle Anspruchsniveau anzuheben und sodie Synchronisation von leistungsmäßigem und sozialem Anerkennungs-niveau zu optimieren.

Die eben skizzierten Überlegungen – so lässt sich ergebnissi-chernd sagen – haben die Funktion, am konkreten Beispiel die Notwen-digkeit der Entwicklung analytischer Instrumentarien aufzuzeigen, mitderen Hilfe Professionalisierungsprozesse in der Erwachsenenbildung

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beschrieben und erklärt werden können. Im Gegensatz zu anderen Au-toren wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass aus den grundla-gentheoretischen Optionen nicht ad hoc Konsequenzen für die Erwach-senenbildung gezogen werden, die Erkenntnisse also nicht bruchlos aufdas Berufsfeld appliziert werden können, sondern dass es – wie soebengezeigt – gewisser Transformationsprozesse bedarf.

Ausgangspunkt war die Behauptung, dass für die Analyse realerVerberuflichungsprozesse die Kategorie der Jurisdiktion einschlägig ist,die eine kulturelle und eine sozialstrukturelle Dimension hat. Inwieweitdie kulturelle, institutionelle und juristische Zuständigkeit von Erwach-senenbildnern für die Belange des organisierten Lernens durchgesetztwerden können, hängt von dem Machtpotential ab, das in drei Arenenmobilisiert werden muss: am Arbeitsplatz, in der öffentlichen Meinungund bei staatlichen bzw. juristischen Entscheidungsinstanzen.

4. Professionalität als Synonym für „gekonnteBeruflichkeit“ – oder: „Ich weiß, was ich tue“

Das Themenfeld ‚Professionalität‘ stellt einen flüchtigen, weilsituativen Gegenstandsbereich dar, der interaktiv hergestellt und kulti-viert, aber auch aufgelöst wird. Im Unterschied zum sozialen Aggregatder Profession und dem kollektiven Prozess der Professionalisierung kön-nen hier handlungs- und wissenssoziologischen Zugängen gewisse Vor-züge im Hinblick auf ihre Gegenstandsangemessenheit zugeschriebenwerden. Die Entdeckung und Beschreibung von Phänomenen im Zu-sammenhang mit Professionalität wird auch diesmal wieder von derBestimmung der beiden anderen zentralen Begriffe (in diesem Fall: Pro-fession und Professionalisierung) abgelöst: Das Vorhandensein von Pro-fessionalität soll weder vom kollektiven Prozess der Professionalisierungnoch von der Existenz einer fest in der Gesellschaft verankerten Professi-on abhängig gemacht werden (vgl. Siebert 1990:284).

In der professionstheoretischen Literatur soziologischer Prägungzeichnet sich die Tendenz ab, dass Aspekte der Professionalität eher se-kundäre Bedeutung haben. Die Durchsetzung von Professionalität aufder Handlungsebene wird gewöhnlich als Folgeerscheinung der Etablie-rung einer Profession im Anschluss an einen kollektiven Prozess der er-

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folgreichen Verberuflichung (Professionalisierung) betrachtet. Ab einerbestimmten Stufe der Professionalisierung, so die stillschweigende Un-terstellung, kristallisiere sich gleichsam eine eigene Handlungslogik her-aus, die Professionalität als Ausdruck für die hohe Güte der Arbeit gleich-sam automatisch generiere, so dass ein genauer Blick auf die Akteureund deren Handeln sich eigentlich verbiete. Die marginale Rolle desThemas Professionalität in der einschlägigen Literatur eröffnet die Mög-lichkeit, diesmal weniger auf den Forschungsstand zu achten und direk-ter auf den Themenbereich zuzugehen.

Vom Standpunkt des aufgeklärten Alltagsverständnisses aus kannman Professionalität in einem ersten Anlauf als einen spezifischen Mo-dus im Vollzug des Berufshandelns definieren, der Rückschlüsse sowohlauf die Qualität der personenbezogenen Dienstleistung als auch auf dieKompetenz des beruflichen Rollenträgers erlaubt. Vorgreifend lässt sichbereits jetzt sagen: Wissen und Können bilden die beiden Quellen vonProfessionalität, allerdings beschränkt sie sich weder auf das Fachwis-sen einer akademischen Disziplin noch auf die bloße Intuition oder diereine Erfahrung des virtuosen Praktikers. Professionalität stellt vielmehreine nur schwer bestimmbare Kombination, eine Schnittmenge aus bei-dem dar. Dass die in der Erwachsenenbildung vorherrschenden Defini-tionen von Professionalität sich dadurch auszeichnen, dass sie denSchwerpunkt entweder eher auf das Wissen oder eher auf das Könnenrichten, kann an den beiden folgenden Äußerungen gezeigt werden:„Professionalität ist gewissermaßen der ideologisch überhöhte Beruf, diePhilosophie, die in der Arbeit steckt ... Professionalität ist auch immerein Begriff, der suggeriert, das jeweilige Handeln sei sowohl effektiv (ichtue das Richtige!) als auch effizient (ich tue es richtig)“ (Nuissl 1997:13).Während die eben zitierte Aussage stärker auf das berufliche Handelnrekurriert, akzentuiert die folgende Definition eher den Wissensbezug:Für Tietgens heißt Professionalität „auf eine Kurzformel gebracht, dieFähigkeit nutzen zu können, breit gelagerte, wissenschaftlich vertiefteund damit vielfältig abstrahierte Kenntnisse in konkreten Situationenangemessen anwenden zu können. Oder umgekehrt betrachtet: in ebendiesen Situationen zu erkennen, welche Bestandteile aus dem Wissens-fundus relevant sein können. Es geht also darum, im einzelnen Fall dasallgemeine Problem zu entdecken. Es wollen immer wieder Relationenhergestellt sein zwischen gelernten Generalisierungen und eintretendenSituationen, zwischen einem umfangreichen Interpretationsrepertoire und

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dem unmittelbar Erfahrenen“ (Tietgens 1988:37). Bei der wissenschaftli-chen Erschließung von Professionalität aus der Sicht der Erwachsenen-bildung ist folglich darauf zu achten, dass weder Wissen noch Könnenverabsolutiert werden. Anknüpfend an die beiden Definitionen kann dievon den Berufspraktikern mobilisierte Professionalität als eine geglückteForm der Relationierung von wissenschaftlichem Wissen und situativenBewältigungsmustern begriffen werden. Nicht die bloße Verfügung, son-dern der Umgangsmodus mit abstrakten Erkenntnissen und das Ausmaßan Wiedererkennungspotential erweisen sich als die entscheidendenPunkte. In der Berufspraxis sind die Praktiker, um die Fähigkeit zumschnellen Reagieren und Agieren zu behalten, darauf angewiesen, ihreAbstraktionsphantasie und Transformationskompetenz so miteinander zukombinieren, dass sie souverän auftreten, ohne in bloßes Routinehan-deln zu versinken oder ihre Lernfähigkeit zu verlieren. Gieseke beant-wortet die naheliegende Frage, woher das zu relationierende und zutransformierende Wissen stammen soll, in der Weise, dass sie die ver-stärkte Hinwendung zur eigenen Forschung und implizit die sukzessiveAbnabelung von den sogenannten Bezugsdisziplinen (vgl. Mader 1984;Kade u. a. 1990) fordert: „Das Fundament, auf dem sich Professionalitätentwickeln kann, besteht in der Forschung. Forschungskooperationensind zu forcieren, die neue Methodendiskussionen eröffnen“ (Gieseke1997:282). Neben dem aus der eigenen wissenschaftlichen Disziplingewonnenen Wissen, dem Erfahrungswissen und der Intuition gehendarüber hinaus noch andere Varianten des Wissens in das Professions-wissen ein, z. B. höhersymbolisches Wissen, das sich auf Werte undNormen oder auf zu vermittelnde Fachkenntnisse bezieht.

Die These von der selbstbewussten Bezugnahme auf die mögli-che Funktion der wissenschaftlichen Erwachsenenbildung als Lieferantvon Professionswissen verblasst jedoch angesichts der nüchternen Beob-achtung, auf welche Weise in den vergangenen dreißig Jahren Professio-nalität diskutiert worden ist. Bislang sind in der Erwachsenenbildung Phä-nomene der Professionalität und des Situationsbezugs des beruflichen Han-delns weniger aus freien Stücken oder um der Sache selbst willen aufge-griffen und wissenschaftlich untersucht worden. Vielmehr ist die ‚Entde-ckung‘ des Themas Professionalität als das Ergebnis eines fremdinduzier-ten Prozesses zu betrachten. Der Blick in die einschlägigen Publikatio-nen zeigt, dass von Anfang der 70er bis Ende der 80er Jahre von Professio-nalität wenn überhaupt, dann nur als einer Art Residualgröße die Rede

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war. Das hat sich mittlerweile stark verändert. Der zeitgeschichtliche Kon-text, in dem Professionalität in der Erwachsenenbildung relevant wurde,ist relativ leicht zu lokalisieren: Als sich Ende der 80er Jahre das definitiveEnde des institutionellen Ausbaus der Weiterbildung abzeichnete undTagungen zu der Frage „Ende der Professionalisierung?“ (vgl. Schlutz/Sie-bert 1988) organisiert wurden, fand gleichsam ein Wechsel in der Auf-merksamkeitsrichtung statt (vgl. Gieseke 1989b; Weinberg 1988). DerFokus verschob sich von Dimensionen der formalen Verberuflichung (Stel-lenausweitung, Statusverbesserung, Ausbau der Einrichtungen, Optimie-rung der Aus- und Fortbildung) hin zu Arbeiten, die sich um die Erfassungvon Logik und Aufgabenstruktur des beruflichen Handelns sowie um dieErforschung beruflicher Sozialisationsprozesse bemüht haben. Aufsätzemit dem Titel „Von der Professionalisierung zur Professionalität“ (Siebert1990) oder „Ende der Professionalisierung?“ (Weinberg 1988) bringen dieseVeränderung im Relevanzsystem auf den Punkt. Doch die Begründungs-linie, dass aufgrund des definitiven Endes der bildungspolitischen Reform-phase und der Einsparungen im Bereich der öffentlich verantworteten Er-wachsenenbildung das Themas Professionalität aufzuwerten und das The-ma Professionalisierung abzuwerten sei, wirft die Frage auf, warum dieErwachsenenbildung eine so zentrale Dimension wie die der situativenOrdnung des beruflichen Handelns in ihrer bisherigen Geschichte aus-geklammert hat. Sowohl die Professionalisierung der Erwachsenenbildungals auch die Professionalität der geleisteten makro- und mikrodidaktischenArbeit verfügen über eine berufspraktische und wissenschaftliche Rele-vanz, die es rechtfertigen würde, sie vor temporären Themenkonjunktu-ren zu schützen.

Vereinfachend kann man zwischen zwei Varianten der Annä-herung an die Thematik unterscheiden, nämlich zwischen einem kom-petenzbezogenen und einem differenztheoretischen Verständnis von Pro-fessionalität. In dem kompetenzbezogenen Verständnis leben bestimm-te Merkmale, zum Beispiel die normative Orientierung an einer zu for-mierenden Profession aus den 70er Jahren, in modernisierter Gestalt fort.Das differenztheoretische Konzept zeichnet sich durch eine größere Nähegegenüber der professionstheoretischen Debatte in den Sozialwissen-schaften und der allgemeinen Erziehungswissenschaft aus und betontsowohl die substantiellen Unterschiede – die Differenz von Wissen undKönnen – als auch die Unterschiede zwischen wissenschaftlicher undprofessioneller Rationalität.

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4.1 Das kompetenzbezogene Verständnis vonProfessionalität

Wenn man berufliche Kompetenz als latente Disposition zu ei-nem an die Berufsrolle geknüpften Leistungsvermögen definiert, so könnteman Professionalität gleichsam auf der Seite der Performanz, also dervollbrachten und wiederholbaren Leistung, verorten. Professionalität stelltin dieser Perspektive die sichtbare bzw. artikulierte Seite von Kompetenzdar. Gemäß dem Grundsatz, dass die Kontexte entscheiden, welche Kom-petenzen erforderlich sind, werden – so ein häufig wiederholtes Vorge-hen – Kompetenzprofile in der Erwachsenenbildung auf der Folie beruf-licher Anforderungen, Arbeitsplatzbeschreibungen und Berufsfeldanaly-sen umrissen. An die Ausbuchstabierung solcher Kompetenzkataloge istdann zwingend die Erwartung geknüpft, dass sich die Akteure in ihremberuflichen Handeln daran orientieren, wobei eine Punkt-zu-Punkt-Ent-sprechung zwischen Kompetenz und Professionalität als unwahrschein-lich betrachtet wird. Dass dieses Vorgehen sich nicht immer als instruk-tiv erwiesen hat, hängt vor allem mit dem nur lückenhaften Wissen überdas faktische Arbeitshandeln (vgl. Wittpoth 1987; Jütting 1987) und derdamit verbundenen Schwierigkeit zusammen, das situative Handeln theo-retisch zu antizipieren oder gar gedankenexperimentell zu simulieren.Dass in der Vergangenheit die Kompetenzprofile nicht selten eine starknormative Färbung hatten, ist keineswegs zufällig. Denn mit der Stär-

Widersprüche auf der HandlungsebeneWidersprüche auf der WissensebeneWidersprüche auf der BeziehungsebeneParadoxien professionellen HandelnsDistanz zum expertokratischen Handeln

Programmplanungs-WissenZielgruppen-WissenFähigkeit zur Selbstreflexionethische Haltungmakro- und mikrodid. Kenntnisse

differenztheoretisches Verständnis

Professionalität

kompetenztheoretisches Verständnis

Abb. 3: Professionalität

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kung des normativen Geltungsanspruchs eines Konzeptes sinkt offenbarauch das Maß an Verbindlichkeit, um in einem vorgeschalteten Sondie-rungs- und Abklärungsprozess die Anforderungsprofile empirisch zu be-stimmen. Wie die „Leitlinien für Qualifikation und Einstellung von haupt-beruflichen pädagogischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in derKatholischen Erwachsenenbildung“ zeigen, neigen milieugebundene undkonfessionelle Träger dazu, die erwünschten Kompetenzen nicht aus-schließlich, aber doch in wesentlichen Punkten mit Blick auf das ange-stammte Menschenbild sowie eigene weltanschauliche Ideen zu formu-lieren (vgl. Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft ... 1992). Siebert, dereine generelle Sensibilität der Erwachsenenbildung gegenüber den ge-sellschaftlichen Schlüsselthemen wie Friedensbedrohung, Umweltzer-störung, Ausländerfeindlichkeit und soziale Ungerechtigkeit als notwen-dig erachtet, verzichtet bei der Ausformulierung von Kompetenzen fastgänzlich auf die Beschreibung einer den Aktualitätsgeboten enthobenenberuflichen Anforderungsstruktur. Sein Anfang der 90er Jahre ausformu-liertes Kompetenzprofil weist die folgenden Elemente auf:

„– Die Beherrschung funktionaler Fertigkeiten und Techniken, z.B. die Ermittlung von Daten für die Programmplanung ... Ver-fahren der Reduktion und Rekonstruktion des Stoffes, die orga-nisatorische Sicherung eines Bildungsangebotes.

– ... die Fähigkeit, allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse überdie Mentalität von Zielgruppen, über kognitive Strukturen undaffektive Dimensionen des Lernprozesses, über Motivationenund Lernbarrieren, über gruppendynamische Prozesse situati-onsangemessen und flexibel anwenden zu können.

– Eine reflexive Sensibilität, d. h. eine Vergewisserung und Be-gründung der eigenen Motive und Interessen, Stärken undSchwächen, der professionellen und institutionellen Möglich-keiten und Grenzen, der Auswirkungen des eigenen Handelnsund Verhaltens auf Mitarbeiter/-innen ...

– Die ethische Verantwortung gegenüber den Teilnehmer/-innenund der Öffentlichkeit, wenn man so will: eine verantwortliche‚Haltung’“

(Siebert 1990:285).

Nahezu alle Autoren, die sich einem kompetenztheoretischenModell von Professionalität verpflichtet fühlen, sehen sich mit der fol-genden Frage konfrontiert: Wie kann angesichts institutions- und adres-

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satenübergreifender Arten des Handelns in der Erwachsenenbildung so-wie immer wiederkehrender Interaktionsstrukturen sichergestellt werden,dass alle fundamentalen Dimensionen von Handlungskompetenz in derErwachsenenbildung berücksichtigt werden? Als komplett gelten Kom-petenzkataloge in der Regel dann, wenn folgende vier Bereiche berück-sichtigt worden sind, nämlich die Interaktion mit der Klientel im Vis-à-vis-Kontakt, das strategische Handeln in Organisationen, der Umgangmit sich selbst und das Vermitteln von Inhalten. Als ein Beispiel für solcheinen generalisierbaren Kompetenzkatalog kann der von Glagow u. a.angeführt werden: Der mit einem Höchstmaß an Professionalität ausge-stattete Praktiker soll fähig sein

– im „operativen Umgang mit formalen Programmvorhaben der(Weiterbildungs-)Organisation“ zu bestehen und sich durchzu-setzen („Die Einhaltung formaler Richtigkeitskriterien und eineadäquate Anwendung von Regeln stellen den Inhalt bürokrati-scher Kompetenz dar“.)

– zum „strategischen Umgang mit Akzeptanz- und Verhandlungs-spielräumen in einer Organisation und ihrer Umwelt (Die Be-achtung und Beeinflussung von Konflikt-/Konsensprozessen imZusammenhang mit einer optimalen Aufgabenverteilung istBestandteil der politisch-strategischen Kompetenz ...“.)

– zur „flexiblen Einarbeitung in neue Aufgabenstellungen und zurkurzfristigen Erarbeitung pragmatischer Problemlösungen (Einesolche generalisierte und inkrementalistische Entscheidungskom-petenz ist Voraussetzung für eine breit gefächerte Einsetzbar-keit der individuellen Arbeitskraft für unterschiedliche Problem-und Aufgabenfelder innerhalb einer Großinstitution ...“.)

– zum solidarischen und „kooperativen Umgang mit anderen Per-sonen (Eine solche soziale Kooperationskompetenz ist Vorbe-dingung für die in komplexen organisatorischen Entscheidungs-systemen erforderliche Zusammenarbeit“, aber auch die Grund-lage für den Aufbau einer pädagogischen Beziehung mit Teil-nehmergruppen“.)

– „zur Analyse und Entscheidung in fachlich-pädagogischen Pro-blem- und Aufgabenzusammenhängen. Eine solche fachlicheKompetenz beinhaltet an zentraler Stelle wissenschaftlicheKenntnisse und Methoden“;

– „zur reflexiven Selbstvergewisserung“ und „sensiblen Selbstkon-trolle und -beschränkung im Rahmen unterrichtlicher ... Ent-

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scheidungen sowie Lehr-/Lernmethodenwahl. Bei dieser refle-xiven Kompetenz geht es um Formen der Abwägung und Aus-richtung des Handelns hinsichtlich seiner längerfristigen päd-agogischen und qualifikatorischen Folgen“

(Glagow u.a., zitiert nach Dewe 1990:294).

Die in den einschlägigen Beiträgen enthaltenen Tätigkeitsschwer-punkte und Kompetenzkataloge (vgl. Gieseke 1994a:299-302; Jütting1987) beinhalten eine formale und inhaltliche Prägung, die sie gegen-über den Inhalten erziehungswissenschaftlicher Prüfungsordnungen fürdiplomierte Erziehungswissenschaftler im Allgemeinen und Erwachse-nenbildner im Besonderen anschlussfähig machen. Diese Lesart gewinntzusätzliches Gewicht, wenn der Studiengang als vermittelnde Instanzzwischen Wissenschaft und Praxis begriffen wird. Aus der Umwandlungvon systematisierendem in berufsqualifizierendes Wissen einerseits unddem Wachhalten von Erwartungen der Praxis im disziplinären Diskursandererseits sollen die Studenten an diesem Ort profitieren, indem siedas Kompetenzprofil eines wissenschaftlich ausgebildeten Praktikers er-werben (vgl. Lüders 1989). Der fortlaufende Kompetenzerwerb und dieKultivierung des aufgebauten Kompetenzprofils sind keineswegs ab ei-nem bestimmten Punkt innerhalb der Studien- und/oder Berufskarriereabgeschlossen, sondern markieren nach Auffassung der Experten eineauf Dauer gestellte Aufgabe. Die zahlreichen Angebote einschlägigerInstitutionen auf dem Gebiet der beruflichen Fort- und Weiterbildungund der Zusatzqualifikation bieten Hinweise, dass auch außerhalb derUniversitäten viel für den Kompetenzaufbau getan wird.

Manchmal sind die Anforderungs- und Kompetenzkataloge alssolche weit weniger erhellend als die Darstellung ihrer Herleitung. Sorg-falt, Stringenz und Transparenz bei der Konstruktion von Kompetenzka-talogen bieten Hinweise auf ihre Qualität. Der Tübinger Erziehungswis-senschaftler Thomas Fuhr wählt eine recht aufwendige Herangehenswei-se. Er bestimmt zunächst einmal aus einer gesellschaftspolitischen Sichtdie Rolle der Erwachsenenbildung, und zwar „als Betreuung des LernensErwachsener durch das Anbieten von Lernhilfen“ (Fuhr 1991:17). Sowohlmit Blick auf die Klassiker der Pädagogik als auch unter Bezugnahme aufmoderne Professionstheorien arbeitet er anschließend den Professionali-sierungsbedarf der in einer erwachsenenpädagogischen Beziehung ge-leisteten Arbeit heraus, wobei er durchaus bekannte Begründungen lie-

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fert, indem er die Verstrickung der ganzen Person bei Vermittlung einesanstehenden Themas sowie die nicht durch Technik substituierbare Funk-tion des Erwachsenenpädagogen unterstreicht. Bevor Fuhr zu eigenenÜberlegungen kommt, würdigt er die bereits vorliegenden Arbeiten, dieKonzepte erwachsenenbildnerischer Kompetenz enthalten. Um die fak-tischen Anforderungen an das berufsförmige Handeln von Erwachsenen-bildnern möglichst trennscharf zu fassen, kontrastiert er anschließend dieempirischen Ergebnisse mit den von anderen Autoren stammenden pro-grammatischen Aussagen. In dem Abschnitt „Spezifische Kompetenzenvon Erwachsenenbildnern“ werden dann schließlich Unterrichten, Bera-ten und Organisieren als die drei Kernkompetenzen beschrieben, überdie jeder Erwachsenenbildner, unabhängig davon, in welcher Einrichtunger arbeitet, gleichsam als Basisausstattung verfügen sollte. Die elementa-ren Handlungsformen Unterrichten, Beraten und Organisieren werdennicht konkretistisch verkürzt, sondern immer unter Bezug auf die allge-meine Funktionszuschreibung der Erwachsenenbildung aus einer gene-rellen Perspektive diskutiert. Die Bedeutung von Fuhrs Arbeit besteht u.a. darin, dass er seine Analyse, die zwar nicht ausschließlich, aber dochsehr stark von kompetenztheoretischen Positionen durchdrungen ist, mit-tels Verweisen auf klassische Konzepte (wie das des didaktischen Drei-ecks) in die allgemeine erziehungswissenschaftliche Diskussion einbet-tet. Im weiteren Verlauf seiner Argumentation zeigt er allerdings wenigInteresse, in welcher Ausprägung, welchen Varianten und Proportionendie Kompetenzen als Objektivationen von Professionalität im pädagogi-schen Feld tatsächlich manifest werden. Sein Augenmerk ist im weiterenVerlauf der Darstellung allein auf den Ort der systematischen Vermittlungvon Kernkompetenzen und Bedingungs-, Handlungs- und Zielwissen ge-richtet, nämlich auf die Universität. Ihn interessiert die Frage, inwieferndas institutionelle Gefüge der Universität dazu beitragen kann, Professio-nalität vorzubereiten, die dazu notwendigen Kompetenzen zu kultivie-ren und zu fördern. „Eine zentrale Maßnahme zur Gewährleistung dererforderlichen Kompetenz ist die Regelung des Zugangs zum Beruf: Eswird darauf geachtet, dass der Berufsaspirant eine Ausbildung durchlau-fen hat, die mit großer Sicherheit gewährleistet, dass er die erforderlichenKompetenzen besitzt“ (ebenda:59). Generell sei davon auszugehen, dassberufliche Kompetenz als natürliche Anlage einem Menschen gegebensei, sich in Folge des Wissenserwerbs von selbst einstellen könne oderResultat von Übung und Gewöhnung sei. Das Studium habe primär dieFunktion zu erfüllen, dem Professionsnovizen einen Raum zur Verfügung

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zu stellen, in dem er seine Begabung und Neigung, Erwachsenenbildnerzu werden, einer kritischen Überprüfung zu unterziehen vermag. Zur ge-genwärtigen Struktur des Studium, das nicht zwingend die Aneignung vonnichtpädagogischem Fachwissen vorsieht, geht Fuhr – vorsichtig, aber dochunzweideutig – in Distanz, indem er betont: „Zum Unterrichten ist erstensein Unterrichtsfach erforderlich, und zweitens ein didaktisches Wissenüber die Möglichkeiten der Thematisierung von Sachverhalten“ (eben-da:271). Ohne sich auf die Entweder-oder-Rhetorik der reinen Praxisori-entierung bzw. der reinen Wissenschaftsorientierung einzulassen, plädierter für die Einführung dosierter Übungsphasen. Zwar geht Fuhr keineswegsvon der heute kaum noch haltbaren Unterstellung aus, der Königsweg derTransformation von Kompetenz in Professionalität führe über die bloßeAneignung von Expertenwissen; dennoch schreibt er dem Wissen eineprivilegierte Stellung zu. Kritisch kann der Beitrag von Fuhr in der Weisekommentiert werden, dass aufgrund der Fixierung der Studie auf die Aus-bildung nicht die Manifestations- bzw. Verwendungsorte, sondern derEntstehungsort von beruflicher Kompetenz betrachtet werden kann. Mitder Fixierung auf die latenten Dispositionen von Professionalität unterAusklammerung der manifesten Formen des situativen Berufshandelnsgeraten die eigentlichen Phänomene von Professionalität aus dem Blick.Das Potential von Professionalität wird einer Analyse unterzogen, jedochnicht die Professionalität selbst.

Sofern auf komplexe argumentative Herleitungen wie die vonFuhr verzichtet wird, drohen kompetenzorientierte Ansätze, da sie zurSeite des faktischen Berufshandelns hin blind sind, das Schicksal dersich auf reine Programmatik reduzierenden (Erwachsenen-)Pädagogik zureproduzieren. Die Aufstellung von Zielen und programmatischen Aus-sagen erfolgt unter der Annahme, dass mit ihrer Ausformulierung dieRealisierung Hand in Hand gehe. Außerdem legt ein kompetenzbezoge-nes Verständnis ein harmonistisches wie auch ein rationalistisches Wirk-lichkeitsverständnis zugrunde, das heute immer mehr obsolet zu werdenscheint. So stehen die einzelnen Kompetenztableaus nicht wie erhofftper se in einem komplementären Bezug zueinander, sondern in einemSpannungs-, wenn nicht sogar in einem Konkurrenzverhältnis. Nicht je-der kann alles können, und nicht alles, was jemand kann, passt harmo-nisch zusammen. Die Diagnose, dass ein Pädagoge besonders gut in derLage ist, Nähe zu den Teilnehmern herzustellen, besagt als Datum zu-nächst einmal gar nichts, wenn nicht gleichzeitig etwas darüber gesagt

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wird, ob derselbe Pädagoge nicht auch Distanz zu den Teilnehmernwahren kann. Das Widersprüchliche, Fehlerhafte, ‚Unreine‘ und Kon-fliktträchtige am beruflichen Handeln wird vom kompetenzbezogenenVerständnis von Professionalität tendenziell als Problem oder gar alsDefizit schematisiert, ohne zu erkennen, dass damit eine Perfektibilitätkonstruiert wird, der kaum jemand gerecht zu werden vermag. Dennochwäre es kurzsichtig, auf den kompetenztheoretischen Ansatz verzichtenzu wollen, weil er wie kein anderer die pädagogische Denkungsart,welche durch die Spannung zwischen einer wirklichen und einer mögli-chen pädagogischen Praxis gekennzeichnet ist, inkorporiert.

4.2 Das differenztheoretische Verständnis vonProfessionalität

Das weiter oben unter Bezugnahme auf Tietgens abgekürzt skiz-zierte Verständnis von Professionalität weist u. a. eine Nähe zu jenenTheorieangeboten aus der Soziologie auf, die Professionalität als Ort derVermittlung von Theorie und Praxis ausweisen. Ein prominenter Vertre-ter des differenztheoretischen Verständnisses von Professionalität ist Bern-hard Koring (vgl. Koring 1987a, 1987b, 1989). Er gehört zu jenen Erzie-hungswissenschaftlern, welche die altehrwürdigen pädagogischen Tra-ditionen (etwa die von Herbart) mit modernen und aufgeklärten Formender geisteswissenschaftlichen Pädagogik (Giesecke) und diese wieder-um mit grundlagentheoretischen Überlegungen aus der Soziologie, wiesie Oevermann zur Professionstheorie formuliert hat, zu kombinierenversuchen. Vor dem Hintergrund des für die Pädagogik konstitutivenTheorie- Praxis-Verhältnisses und der weiter unten dargelegten Wider-sprüche rekurriert Koring auf die Kategorie des pädagogischen Taktes.Der pädagogische Takt variiert den Topos der Professionalität auf andereWeise; es geht um eine kontaktstiftende Instanz, die bloße Theorie mitbloßer Praxis in einen produktiven Bezug bringt, wobei solche integrati-onsstiftenden Qualitäten wie Besonnenheit, Angemessenheit und Sou-veränität zum Zuge kommen. Die Methode als Sinnbild einer struktu-rierten Form von pädagogischer Kommunikation grenzt Koring zwar vonpädagogischem Takt ab, aber beide sind nach seiner Auffassung für dieFörderung von Professionalität unverzichtbar.

Der von Oevermann eingeführte Topos „Professionalität als Ortder Vermittlung von Theorie und Praxis“, auf den sich Koring immer

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wieder bezieht und auf den im Folgenden ebenfalls rekurriert wird, meintVerschiedenes. Er impliziert im Kontext professioneller Berufsarbeit einwidersprüchliches und spannungsreiches Verhältnis, welches nach dreiSeiten ausdifferenziert werden kann: nämlich zur Handlungs-, zur Wis-sens- und zur Beziehungsebene. Auf jeder dieser Ebenen existieren Wi-dersprüche, Ungereimtheiten und Dilemmata, die es unter der Maximeder Professionalität auszuhalten und zu bearbeiten gilt.

Zunächst soll der Blick auf die Handlungsebene gerichtet wer-den: Generiert wird die widersprüchliche Handlungsstruktur durch diegleichzeitige Wirksamkeit eines gesteigerten Begründungszwanges undeines gesteigerten Entscheidungszwanges. Während sich das lebens-praktische Handeln im Privatbereich als ein quasi auf Dauer gestelltesErfüllen von Entscheidungssituationen auszeichnet, ist wissenschaftli-ches Handeln gerade durch die Suspendierung utilitaristischer Erwä-gungen und die Erbringung gesteigerter Begründungsleistungen geprägt.Der Professionelle kann weder den von der Alltagspraxis noch den vonder Wissenschaft vorgezeichneten Weg beschreiten. Vielmehr hat erbeides zu leisten. Er sieht sich der Verpflichtung konfrontiert, schnell,routiniert, selbstbeherrscht und wirksam zu agieren, d. h., er muss sichdem Entscheidungsdruck stellen; und er ist gleichzeitig einer (im Ver-gleich zum Alltag) hohen Begründungsleistung unterworfen, da er nachbestimmten Standards arbeitet und sich selbst und/oder dem imaginier-ten generalisierten Anderen der Profession Rechenschaft über sein Tunablegen muss.

Die Handlungsstruktur der Wissenschaft und der Handlungs-modus der Lebenspraxis gehen im professionellen Handeln gleichsameine Allianz ein. Dewe, der sich an dieser Stelle auf Oevermann bezieht,schreibt dazu: „‚Das Aushalten dieses Widerspruchs‘ (Oevermann 1981)macht nicht zuletzt das professionelle Handeln selbst aus. Entwickeltman diesen Gedanken genauer, so kann zunächst gelten, dass professio-naliertes Handeln also immer durch den prinzipiellen Widerspruch ge-prägt ist, rationale Entscheidungen auch kompetent treffen zu müssen,wenn eine ausgewiesene wissenschaftliche Grundlage für ihre Begrün-dung nicht oder nicht vollständig vorhanden ist“ (Dewe 1988:189). Sogesehen ist die professionelle Praxis ein Handeln ‚ohne Netz und dop-pelten Boden‘, das ohne die sicherheitsstiftende Funktion einer externenAutorität auskommen muss.

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Auch unter dem Gesichtspunkt der Wissensstruktur weist die päd-agogische Professionalität in der Erwachsenenbildung eine widersprüch-liche Bauform auf. Professionswissen stellt die disparate Einheit von All-tagswissensbeständen und wissenschaftlichem Wissen dar; es besteht alsoaus den Bestandteilen beider Wissensbereiche, ohne so etwas wie eineSchnittmenge oder einen kleinsten gemeinsamen Nenner von beidem zubilden. Zugleich grenzt sich Professionswissen gegenüber den Merkma-len des Alltagswissens (Indexikalität und Situationsbezug, Suspendierungdes Zweifels, Gleichzeitigkeit von Präzision und Vagheit) ebenso ab wiegegenüber den Spezifika des wissenschaftlichen Wissens (Abstraktheit,Loslösung von Kontexten, Institutionalisierung des Zweifels). Geht manvon diesem dialektischen Verständnis von Professionswissen aus, so greiftdie Metapher der ‚Vermittlung‘ etwa von Handlungs- und Rezeptwisseneinerseits und Reflexionswissen andererseits viel zu kurz. Im Zuge derneuen Verwendungsforschung spricht man eher von der Relationierungund der Gleichzeitigkeit der Konstruktion und Rekonstruktion divergie-render Wissensformen. Wechselseitige Beobachtung von Handlungswis-sen und wissenschaftlichem Wissen kann Irritation und ‚kognitives Rau-schen‘, aber auch produktive Lernprozesse hervorrufen. Professionalitätist in dieser Perspektive die Fähigkeit, ein und denselben Gegenstand ausunterschiedlichem Blickwinkel, unter Nutzung andersgelagerter Rationa-litätsmuster anzuschauen und mit divergierenden, ja widersprüchlichenWissens- und Urteilsformen souverän umzugehen. Produktiv umgehenbedeutet, die damit verbundenen Ambiguitäten nicht nur auszuhalten,sondern sie auch produktiv zu nutzen.

Auch die Beziehung zwischen Professionellen und Klienten istnicht frei von untergründig oder manifest wirksamen Widersprüchen undSpannungspotentialen. An dieser Stelle greift Oevermann gerne – eine Po-sition von Parsons modifizierend – auf die Kernbehauptung zurück, dassdie professionelle Beziehung durch die widersprüchliche Einheit funktio-nal spezifischer und funktional diffuser Anteile gekennzeichnet ist. Diefunktional spezifischen Anteile betreffen nicht nur die Beschränkung aufdie fachliche Kompetenz des Pädagogen, die Reduktion seiner Zustän-digkeit, ausschließlich in Fragen der Bildung und des Lernens zu interve-nieren. Diese Limitierung der Zuständigkeit kommt im beruflichen Selbst-verständnis der erwachsenenpädagogischen Rollenträger zum Ausdruck,die sich selbst als Lernhelfer und nicht als ‚Lebenshelfer‘, als Berater inWeiterbildungsfragen und nicht als Berater in allen Lebensbelangen defi-

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nieren und damit implizit und explizit eine Beschränkung des Mandatsvorsehen. Im Arbeitsbündnis zwischen Pädagogen und Teilnehmendentreten aber auch funktional diffuse Anteile auf, die den Blick für den ge-samten Bereich der informellen Interaktion und Phänomene der biogra-phischen Selbst- und Fremdartikulation öffnen, so dass der Teilnehmerandererseits als ‚ganzer Mensch‘ in Erscheinung tritt. Da Pädagogen nichtnur als bloße Rollenträger oder Experten agieren, sondern auch einenpädagogischen Bezug aufbauen müssen, wird ihre Persönlichkeit zu ei-nem ganz entscheidenden Instrument ihrer Arbeit. Mehr noch: Will derPädagoge der Beschränkung seines Mandats, primär für Bildungsbelangeund Fragen der Qualifikation der Teilnehmenden zuständig zu sein, ge-recht werden, so muss er, etwa wenn er gewisse tiefsitzende Lernblocka-den überwinden will, seine selektive professionelle Perzeption hin undwieder überwinden und eine Beziehung zu den Teilnehmer/innen auf-bauen, die diffus genug ist, um das für den Arbeitsschritt notwendige Ver-trauen zu mobilisieren, so dass er dann – im Dienst seiner partikularenKernaufgabe – seine Arbeit in befriedigender Weise fortsetzen kann. Derhier skizzierte Widerspruch bezüglich der Einheit von Nähe und Distanz,von funktional spezifischen und funktional diffusen Anteilen ist, ebensowie beim Therapeuten oder beim Geistlichen, prinzipiell nicht auflösbar.

Komplettiert und ergänzt werden könnten diese Befunde durchdie Analyse von Kernproblemen und Paradoxien im beruflichen Han-deln, wie sie von Vertretern der Tradition des Symbolischen Interaktio-nismus und der Chicagoer Schule erfolgt und wie sie an einer anderenStelle in diesem Buch hinlänglich beschrieben worden sind. Der Blickauf die diesbezüglichen Mechanismen und Quellen jener Alltagsproble-me, Krisen und Miseren im beruflichen Handeln vermittelt ein sowohlkonkretes wie allgemeines Bild davon, welche Balanceleistungen undBewältigungsmuster notwendig sind, um pädagogische Professionalitätin der Erwachsenenbildung unter Beweis zu stellen. Diese Paradoxienund Kernprobleme, die aus allgemeinen Störpotentialen erwachsen, sindihrerseits der „paradoxe Interaktions- und Arbeitsausdruck der Struktur-komponenten der gesellschaftlichen Institution Profession“ (Schütze1996:188). Pointiert ausgedrückt: Würden derartige Paradoxien, derenBearbeitung den Einsatz des ‚ganzen Menschen‘ und besondere Formender wissenschaftlichen Sozialisation benötigt, nicht auftreten, so könntedie diesbezügliche Arbeit ebenso von bloßen Technokraten oder vonLaien verrichtet werden.

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Diese Ausführungen haben einen ersten Eindruck davon ver-mittelt, dass auf der Ebene der professionellen Handlungs-, Wissens- undBeziehungsstruktur heterogene, ja widersprüchliche Erwartungsmustervirulent sind. Professionalität wird, verkürzt ausgedrückt, als eine gelun-gene Form der praktischen Bearbeitung dieser spannungsreichen Kon-stellationen bestimmt, wobei unter ‚gelungen‘ nicht mehr und nicht we-niger verstanden wird als die Vermeidung von Vereinseitigungen. Pro-fessionalität der hier angedeuteten Art kann jedoch nur dann gedeihen,wenn der Akteur über relative Autonomie verfügt und die Organisations-zwänge nicht übermächtig sind. Nur über relative Autonomie kann inder unmittelbaren Interaktion mit den Teilnehmer/innen oder in Planungs-situationen die notwendige Flexibilität erzeugt werden, die angesichtsdes beständigen Auftretens von Kontingenz und Emergenz erforderlichist. Die Kernprobleme und Paradoxien des beruflichen Handelns erzeu-gen eine Unbestimmtheit, die sich in Bezug auf ihre Bearbeitung derorganisatorischen Klassifizierung oder Kontrolle weitgehend entzieht. KeinOrganisationsvertreter wird jemals die mit einer kollektiven oder indivi-duellen Fall- oder Projektkonstellation verbundenen Widersprüchlich-keiten und Unwägbarkeiten antizipieren können, und er wird schon ausdiesem Grund auf die Kunstfertigkeit und Intuition des Professionellennicht verzichten wollen.

Professionalität wird auf der Ebene der professionellen Selbst-deutung manifest, oder anders ausgedrückt: Der Erwachsenenbildner agiertnicht nur ‚gut‘, er weiß auch, dass er ‚gut‘ ist. Professionalität beinhalteteinen Reflexionsstil und Urteilsformen, die dem Akteur hohe Begründungs-leistungen abverlangen und eine realistische Selbstbeobachtung ermög-lichen. Falls eine solche Selbstbeobachtung und Selbstzuschreibung fehltund den Handlungsweisen des Praktikers dennoch ‚Professionalität‘ zu-gebilligt werden sollte, so wäre Professionalität als ein ausschließlich aufdie Beobachterperspektive degradiertes Phänomen zu betrachten. Vondaher ist die in der Erwachsenenbildungsliteratur hin und wieder anzu-treffende These, die Praktiker agierten auf einem hohen qualitativen Ni-veau, nur wüssten sie es nicht, nicht nachvollziehbar.

Was ist nun mit der Analyse der Widersprüche auf den Ebenender professionellen Handlungs-, Wissens- und Beziehungsstruktur sowieder skizzierten Paradoxien erreicht worden? Als Plattform, um Professio-nalität substantiell oder gar in einer ontologisierenden Weise zu bestim-

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men, eignen sich die Ausführungen sicherlich nicht. Dem Handeln ei-nes Erwachsenenpädagogen wird zu Recht immer dann Professionalitätattestiert, wenn die Widersprüche und Paradoxien nicht ausschließlichnach einer Seite hin aufgelöst werden, somit vor Extremlösungen Ab-stand genommen wird und der Praktiker diesbezügliche Begründungs-leistungen vollbringen kann – wenn er also weiß, was er tut (vgl. Klatetz-ki 1993) –, konkreter ausgedrückt: wenn eine Fachbereichsleiterin dienotorische Planungsunsicherheit nicht mit gespielter Sicherheit kaschiert,sondern mehrere Handlungsfolgen in Rechnung stellt und genau diesauch zu kommunizieren und zu begründen vermag, oder wenn eineKursleiterin weder die situative Überlegenheit des gesunden Menschen-verstandes noch die Allmacht wissenschaftlicher Rationalität behauptet,sondern gerade durch die Kontrastierung der diesbezüglichen Urteilsfor-men Lernfähigkeit dokumentiert und widersprüchliche Lesarten in derSchwebe hält. Das In-Rechnung-Stellen der widersprüchlichen Konstel-lationen und der reflektierte Umgang mit solchen Spannungsverhältnis-sen wäre der Idealfall, der immer nur einen Annäherungswert und keinempirisch kontrollierbares Datum darstellt. Wissen, was man tut, bedeu-tet demnach vor allem, sich der Widersprüche bewusst zu werden, indenen man steckt, und sie auszuhalten. Von daher erklärt es sich, dassder Habitus des balancierenden und abwägenden, mit pädagogischemTakt ausgestatteten Praktikers oft als Modell dient (vgl. Gieseke 1989a;Nittel 1994a).12 Der eben angedeutete gelassene und souveräne Um-gang mit den Widersprüchen und Paradoxien korrespondiert mit dersubjektiven Befähigung, mit Risiken umzugehen und „Handlungsunge-wissheiten zu ertragen, sie immer wieder neu zu reflektieren und trotzaller Unwägbarkeiten die Begründungsverpflichtung und Verantwortungzu übernehmen“ (Combe/Helsper 1996:41). Professionalität ist, so kannman zusammenfassend sagen, kein ‚Zustand‘, der errungen oder erreichtwerden kann, sondern eine flüchtige, jedes Mal aufs Neue situativ her-zustellende berufliche Leistung. Sie kann weder verordnet werden, nocherschöpft sie sich in der Ausformulierung normativer Prämissen. Profes-sionalität stellt in dieser Perspektive somit ein extrem störanfälliges, durchdas Merkmal der Fallibilität gekennzeichnetes Handlungsphänomen dar.

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III Die Geschichte der Professionalisie-rung in der Erwachsenenbildung:Von der Berufung zur (steckengebliebe-nen) Verberuflichung?

1. Vorbemerkung

Gemessen an der Geschichte anderer akademischer Berufe, ein-schließlich dem des Lehrers (vgl. Schach 1987; Schwänke 1988), ist dieberufsförmige, durch wissenschaftliches Wissen untermauerte Begleitungund Gestaltung des organisierten Lernens von Erwachsenen ein vergleichs-weise junges historisches Phänomen. Die Erwachsenenbildung als dasProdukt der Industrialisierung und der Aufklärung (vgl. Pöggeler 1975;Balser 1959) hat vielfältige Organisationsformen (Abendschulen, Volks-hochschulen) und institutionalisierte Lernformen (Arbeitsgemeinschaft)hervorgebracht, wobei die rollenförmige und spezialisierte Vollerwerbs-tätigkeit zum Zwecke der materiellen Subsistenzsicherung nur eine vonvielen anderen Varianten – und zugleich eine eher spätere – darstellt.Die Arbeit in und für die Erwachsenenbildung schloss früher und schließtauch heute keineswegs ausschließlich die hauptberufliche Tätigkeit ein,sondern beinhaltet viele Mischformen zwischen Haupt- und Ehrenamt,nebenberuflichen und freiberuflichen Berufsrollen.

Die These, dass es keine allgemein anerkannte, gründlich durch-gearbeitete andragogische Historiographie gibt, die geschichtliche Auf-arbeitung der Erwachsenenbildung also gleichsam in den Kinderschu-hen steckt, ist genauso alt wie die diesbezügliche Forschung selbst. Dieeher beiläufige Behandlung der Geschichte von Seiten der Erwachse-nenbildungs-Wissenschaft darf jedoch nicht als Alibi dienen, um The-menfelder wie das der Verberuflichung vom zeitgeschichtlichen Kontextund den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen getrennt zubetrachten. Bewusst soll hier – die damit verbundenen Mängel durchausin Kauf nehmend – ein selektiver Blick gewählt werden: Ohne den An-spruch, die Diskontinuität und Kontinuität in der Entwicklung des Er-wachsenenbildungsberufs wirklich befriedigend und vollständig abzu-bilden, wird mittels einer Früher-heute-Kontrastierung versucht, einen

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schlaglichtartigen und kondensierten Eindruck von den strategisch wich-tigen Veränderungen zu vermitteln und die eine oder andere erste Hy-pothese formulieren.

Wenn die Weimarer Zeit als die wohl am besten erforschte Phaseder Erwachsenenbildung in den Blick genommen wird, so geht es vorallem um den Nachweis der These, dass der zwischen 1918 und 1933beobachtbare rasante Expansionsprozess der Volksbildung sich im We-sentlichen auf die Ausdehnung der Einrichtungen und Organisationenbeschränkte, wohingegen ein – durchaus erwartbarer – komplementärerProzess der Verberuflichung ausblieb. Diese Ungleichzeitigkeit, so wirddie daran anschließende Argumentation zeigen, ist auf in der Volksbil-dung selbst wirksame Tendenzen der ideologischen Überhöhung undandere retardierende Faktoren zurückzuführen. Die Arbeit in der Volks-bildung begriffen die Akteure primär als eine Tätigkeit ‚für das Volk‘ undweniger als eine mit einem begrenzten Mandat ausgestattete personen-bezogene Dienstleistung. Die innere Berufung und die Mission für dasVolk bildeten die Fixpunke der Orientierung, ohne dass es gelungen wäre,den inneren und den äußeren Beruf (vgl. Kapitel II) zu einer Einheit zu-sammenzufügen. An das unter professionstheoretischen Gesichtspunk-ten verfasste Portrait der Weimarer Zeit schließt sich die Darstellung desBeginns der Professionalisierung in der Bundesrepublik an. Ebenso wiebei anderen Autoren (vgl. Faulstich 1996) wird der Beginn der Professio-nalisierungsdiskussion auch hier mit dem Zeitpunkt der einschlägigenSchulenberg-Rede aus dem Jahre 1969 (vgl. Schulenberg 1972) gleich-gesetzt. Ausgehend von diesem Text wird die Entwicklung bis zur Ge-genwart, bis zum Eintritt in ein neues Jahrhundert, nachgezeichnet.

2. Volksbildung in der Weimarer Republik

2.1 Die Ungleichzeitigkeit von expandierenderInstitutionalisierung und verzögerter Verberuflichung

Da die Hauptberuflichkeit in der Erwachsenenbildung ein au-ßerordentlich junges Phänomen ist, lag es nahe, dass sich ihre Historikerzunächst mit der beruflichen Herkunft der Aktivisten und Protagonistenund erst in einem nächsten Schritt mit der breiten Masse des Personals inder damaligen Volksbildung beschäftigt haben. Vath hat mit Blick aufprominente Akteure in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und später

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deren berufliche Herkunft ermittelt und festgestellt, dass sie ausnahms-los der bürgerlichen und der großbürgerlichen Welt entstammten. „Ihre‘Berufe’ waren so heterogener Art wie der eines Bischofs (Ketteler, Grundt-vig), eines Leutpriesters (Kolping), eines Sozialpfarrers (Wichern)“ (Vath1975:4). Die Liste prominenter Volksbildner ließe sich noch verlängern:Gustav von Struve (1805-1870), der ein Führer der Badischen Aufständewar und als Vorkämpfer der Erwachsenenbildung galt, war zunächst Set-zer, später Professor für neuere Literaturgeschichte; Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883) war als Politiker und als Richter tätig; Franz Hitze(1851-1921), der eine Professur für christliche Gesellschaftslehre hatte,war ebenso wie Anton Heinen und August Pieper von Hause aus Theo-loge.

Doch wenn man die Weimarer Zeit mit der früheren Phase derinstitutionalisierten Volksbildung, also der Zeitwende vom 19. zum 20.Jahrhundert, vergleicht (vgl. Gieseke 1994a:285), so deutet sich hier einegewisse Veränderung an, was die Herkunftsberufe der Träger und Prot-agonisten der Volksbildung angeht. Während in der frühen Zeitspannezwei ausgewiesene Berufsgruppen, nämlich die Lehrer und die Geistli-chen, sowie andere am Ort ansässige Honoratioren hauptsächlich dasPersonal der Volksbildung stellten, so differenzierten sich die in der Volks-bildung tätigen Berufsgruppen Anfang des 20. Jahrhunderts und voll-ends dann in der Weimarer Republik immer weiter aus. Einschlägigehistorische Quellen im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert schei-nen darauf hinzudeuten, dass in der damals institutionell nur schwachausgebauten Volksbildung zum einen die örtlichen Honoratioren, zu-meist aus bürgerlichen, adligen und handwerklichen Schichten, und zumanderen die Pfarrer nicht nur zahlenmäßig vorherrschend waren, son-dern auch programmatisch eine wichtige Rolle einnahmen.1 Später, alsdie flächendeckende Versorgung mit Volksschulen abgeschlossen war,kam der Volksschullehrer als Protagonist der Volksbildung hinzu (vgl.Dräger 1979:52). Möglicherweise konnten die Volksschullehrer ihrenniedrigen gesellschaftlichen Status (vgl. Schach 1987) durch ihr volks-bildnerisches Engagement aufwerten. Die hier geleistete Bildungsarbeit,die über in der Bevölkerung verankerte Expertenkulturen abgewickeltwurde, muss vor dem Hintergrund der zunehmenden Infragestellung re-ligiöser Weltbilder und der damals aktuellen Problemlagen gesehenwerden. So trug die Vermittlung von Fach- und Sonderwissen seitens derGeistlichen und Pfarrer zur Lösung von Schlüsselproblemen der gesund-

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heitlichen Hygiene, zur Optimierung des landwirtschaftlichen Ertragesund zur Bearbeitung von Unwägbarkeiten in der biographischen Lebens-führung bei. Das bürgerliche und handwerkliche Honorationswesen warhauptsächlich im städtischen Umfeld als Träger von erwachsenenbild-nerischen Initiativen anzutreffen. Die Schlüsselrolle dieser drei Gruppenberuht auf ihrer Nähe zu breiten Kreisen der Bevölkerung, der intimenKenntnis ihrer lebenspraktischen Problemlagen, dem Zugang zu Büchernund der damit korrespondierenden Verfügung von beruflichem und le-bensweltlich notwendigem Sonderwissen (vgl. Seitter 1997). Das Betäti-gungsspektrum erstreckte sich keineswegs nur auf intentionale Bildungs-arbeit im engeren Sinne, sondern auch auf die Organisation geselligerAbende und Veranstaltungen über die Gründung von (Fortbildungs-)Schu-len bis zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt.

Der Verlust der dominanten Stellung des soeben skizzierten Krei-ses ausgewiesener Berufs- und Statusgruppen zeichnete sich schon vorder Weimarer Republik ab. (Inwieweit diese Veränderung mit der Expan-sion der „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ (vgl. Dräger1975:140) und dem Aufkommen des Wanderlehrers zusammenhängt,kann aufgrund der Forschungslage nicht mit Sicherheit gesagt werden.)Wie fragil und ungesichert das berufliche Rollenprofil war, ist zum Bei-spiel daran abzulesen, dass der Ausdruck „Volksbildner“ erst in der Wei-marer Zeit in den allgemeinen Sprachgebrauch eindrang (vgl. Rosenstock1922:74). Vorher gingen die erwachsenenbildnerischen Handlungsmu-ster als komplementäre Funktion entweder im Rollenprofil ganz andererBerufe auf, oder sie wurden am Typus des Wanderlehrers festgemacht (vgl.Wolgast 1996). Die durch die neuen gesellschaftlichen Rahmenbedingun-gen der Weimarer Republik irreversible Zurückdrängung der Pfarrer, Volks-schullehrer und Honoratioren und die Ausdehnung der Bildungsinstitu-tionen sind als Symptome der schon seit der Jahrhundertwende sich ab-zeichnenden Tendenz einer sowohl berufsgruppenspezifischen als aucharbeitsvertraglichen Diversifikation zu betrachten. Mit der Durchsetzungeiner berufsgruppenspezifischen Vielfalt war folgerichtig auch die verstärk-te Präsenz anderer als der vorher vorherrschenden Berufsgruppen verbun-den. Die Universitätsausdehnungsbewegung trug beispielsweise zu ei-ner verstärkten Tätigkeit von Professoren bei; andererseits bot die Volks-bildung vor allem für autodidaktisch gebildete Personen ohne akademi-schen Abschluss, die ein gewisses Sendungsbewusstsein ausstrahlten,ebenfalls ein Betätigungsfeld. Wie die vor circa vierzig Jahren von Bal-

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lauff aufgestellte Liste von in der Erwachsenenbildung tätigen Personenzeigt (vgl. Ballauff 1958:120), waren Vertreter nahezu aller als gesellschaft-lich wertvoll eingestuften Berufsgruppen als Lehrende in ihr aktiv.

Neben der berufsgruppenspezifischen setzt sich auch die Ten-denz der arbeitsvertraglichen Diversifikation durch. Dieser Terminus be-deutet, dass neben der ehrenamtlichen und nebenberuflichen Tätigkeitverstärkt auch die hauptberufliche und die freiberufliche Form der er-wachsenenpädagogischen Berufstätigkeit auftraten. Seitter arbeitet dreiGrundtypen heraus: erstens der ehrenamtlich und/oder nebenberuflichtätige Dozent, welcher fachorientiert arbeitete und sich aus akademischgebildeten Kreisen rekrutierte, zweitens der hauptberuflich arbeitendeKultur- und Bildungsorganisator als Repräsentant zentraler Volksbildungs-einrichtungen (wie Johannes Tews oder August Pieper) und drittens derhauptberuflich lehrende Volksbildner im Angestelltenverhältnis. DieserTypus lässt sich wiederum in drei Untertypen aufteilen: berufsmäßigeWanderredner im Angestelltenverhältnis, kommerziell und auf eigeneRechung arbeitende Berufsredner und hauptberuflich Lehrende an Insti-tutionen. Das hier skizzierte Szenarium entsprach der „Notwendigkeiteiner immer stärkeren organisatorischen Aufgabenbewältigung angesichtsexpandierender Bildungseinrichtungen, einer personalen Kontinuität beicurricularisierbaren Lehrinhalten und einer flexibel handhabbaren Wis-sensvermittlung in unterschiedlichsten Spezialfeldern“ (Seitter 1997:320).Diese Dreierkonfiguration mit einem nebenberuflich vortragenden Tä-tigkeitsschwerpunkt sowie dem hauptberuflich organisierend-disponie-renden und dem hauptberuflich lehrenden Rollenprofil scheint sowohlden strukturellen Notwendigkeiten der damaligen Lage als auch den heu-tigen Gegebenheiten zu entsprechen. Wenn man bedenkt, dass diesedreifach differenzierte Berufsrollenformation seit Beginn des 20. Jahr-hunderts bis heute anzutreffen ist, so könnte man vermuten, dass das inder Erwachsenenbildung vorherrschende Strukturmuster einer Verberuf-lichung statt einer scharfen Trennung „Laientätigkeit versus professionel-le Tätigkeit“ berufliche Zwischenlösungen und alternative Optionen her-vorgebracht hat. Das hatte ambivalente Folgen: Einerseits impliziert dieeben skizzierte trinäre Rollenkonfiguration ein Höchstmaß an Flexibili-tät, doch andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass geradediese Flexibilität Fortschritte in Richtung Professionalisierung im Sinneder Bündelung unterschiedlicher Dimensionen von Arbeit zu einer Be-rufsrolle (oder gar einer Leitprofession) erschwert haben könnte.

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Da Phänomene der Verberuflichung, gleich welcher Art, nie los-gelöst von größeren sozialen Zusammenhängen angemessen beschrie-ben werden können, gilt es der Frage nach den zeitgeschichtlichen undgesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Volksbildung in der WeimarerRepublik nachzugehen. Die verheerenden gesellschaftlichen Folgen desErsten Weltkrieges, also die Gleichzeitigkeit von geistiger Entwurzelungund materiellem Elend sowie der als Chaos wahrgenommene Zustanddes politischen Lebens, führten zu einem gesteigerten Orientierungsbe-darf in der Bevölkerung. Die vor wenigen Jahren noch wirksame Integra-tionskraft gesellschaftlicher Instanzen und intermediärer Institutionenerwies sich als abgenutzt und stumpf. Von daher war es verständlich,dass große Teile der Bevölkerung die Demokratie nicht als positive Her-ausforderung, sondern als Quelle einer tiefen Verunsicherung betrachte-ten. Der massive Anpassungsbedarf angesichts der neuen politischen undsoziokulturellen Konstellationen, das allseits virulente Krisenbewusstsein,aber nicht zuletzt auch die seit der Jahrhundertwende wirksame Kultur-und Wissenschaftsskepsis riefen zu Beginn der Weimarer Republik einmassives Bildungsbedürfnis hervor. Insbesondere die neu aufbrechen-den weltanschaulichen Gegensätze trugen neue Aufgaben an die Volks-bildung heran. All diese Faktoren führten zu einem noch nie da gewese-nen institutionellen Ausbau der Volksbildung. Gewöhnlich wird dieserinstitutionelle Aufschwung in der Literatur anhand der Expansion derVolkshochschulen (Heimvolkshochschulen und Abendvolkshochschu-len) veranschaulicht, wobei allerdings nicht vergessen werden darf, dassin deren Windschatten auch andere Einrichtungen profitiert haben. 1927wurden in einer Umfrage in den deutschen Städten 215 Abendvolks-hochschulen gezählt; davon bestanden 135 seit 1919, dem Höhepunktder dann rasch wieder abflauenden Gründungswelle. Dieser Entwick-lungsschub trieb nach zeitgenössischen Schätzungen die Zahl der Volks-hochschulen insgesamt auf 2.000 hoch (vgl. Langewiesche 1989:340).2

Auch wenn die Besucherzahlen in den einzelnen Einrichtun-gen nicht so hoch waren, wie manche institutionelle Selbstbeschreibungdies vielleicht suggerieren mag, und selbst wenn die Zahl der Bildungs-stätten alles andere als stabil war und eine Diskrepanz zwischen denideologisch gefärbten Programmen und der ‚Volksbildungs-Realität‘ inRechnung zu stellen ist – unbestritten ist, dass die Volksbildung nach1918 auf einem beachtlichen Expansionskurs war. Ein vollständiges undrealistisches Bild der organisierten Bildungspraxis für Erwachsene in der

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Weimarer Republik entsteht erst dann, wenn die Angebote zur Beleh-rung und zur ‚mitlaufenden‘ Wissensvermittlung mit berücksichtigt wer-den, die von Seiten der rasch aufblühenden Vorläufer der Freizeitindu-strie, den Medien, anderen kulturellen Institutionen (Theater) und denBibliotheken ausgegangen sind.

Erstmalig konstituierten sich aufgrund der öffentlichen und staat-lichen Förderung die Konturen eines „Volksbildungswesens“ heraus(Scheibe 1975:69). Artikel 148 der Weimarer Verfassung enthielt denvielzitierten Satz: „Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volks-hochschulen soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert wer-den“. 1920 richtete das Preußische Kultusministerium ein eigenes Refe-rat Volksbildung ein, dessen Leiter Robert von Erdberg war, ein führen-der Vertreter der sogenannten neuen Richtung. Neben einem Ministeri-um für Volksbildung gab es in den einzelnen Staaten auch Volksbildungs-ämter, die ihre Aufgabe der Koordination aber wegen der großen Vielfaltder Einrichtungen und der Rivalität zwischen den Trägern kaum wahr-nehmen konnten. Diese Volksbildungsämter richteten ihre Aufmerksam-keit auf alle möglichen Probleme; mit der Lage des Personals, das dieArbeit verrichtete, beschäftigten sie sich allerdings nur marginal. Ob-wohl die Volkshochschulen sicherlich der auffälligste Teil des Volksbil-dungswesens waren, darf in qualitativer und quantitativer Hinsicht dieVielfalt und Produktivität der anderen Institutionen nicht ausgeklammertwerden. Manche Historiker sprechen nicht den Volkshochschulen, son-dern den Volksbibliotheken die Schlüsselrolle im Volksbildungswesenzu (vgl. Langewiesche 1989:342). Ähnlich wie heute herrschte auch inder Weimarer Republik ein weites, nicht auf bestimmte Träger und Ein-richtungen fixiertes Verständnis von Volksbildung bzw. Erwachsenenbil-dung vor (vgl. Kade/Nittel 1995). Als einschlägig kann der im Februar1926 erschienene „Nachweiser für das deutsche Volksbildungswesen“gelten, und dieser registrierte neben den Volkshochschulen und den Volks-bibliotheken (sowie deren diversen Dachorganisationen) die Buchgemein-schaften, Volksbühnenvereine, Organisationen zur Verbreitung von Licht-bild und Film, Vereine, die sich der staatsbürgerlichen Bildung widme-ten, und in der Bildungsarbeit aktive Jugendverbände, Gewerkschaftenund Berufsverbände. Schließlich wurden Kulturorganisationen wie derDürerbund und Stiftungen erwähnt. Von der Anzahl des in diesem Feldtätigen Personals, das eben nicht nur ehren- und nebenamtlich arbeite-te, von der Vielzahl der sozialen Welten, Einrichtungen und Träger, die

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aus offizieller Sicht zur Volksbildung gezählt wurden, her zu urteilen,muss die Anzahl des in diesem Feld tätigen Personals, das ehrenamtlichund nebenberuflich, aber eben auch hauptberuflich arbeitete, als außer-ordentlich hoch eingestuft werden. Umso verwunderlicher mutet es da-her an, dass der Qualifizierung des Personals, wenn man einmal vonden sogenannten Volksbildungstagen und anderen singulären Aktivitä-ten absieht, vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.Wie ist diese tendenzielle Indifferenz zu erklären?

Die bis 1914 dominante alte Richtung der Volksbildung warinsofern dem (auch in der Schulpädagogik des 19. Jahrhunderts identifi-zierbaren) dialektischen Materialismus verpflichtet (vgl. Dräger 1997),als der Konsens vorherrschte, dass der Vorgang der Perzeption eines Bil-dungsgutes bereits ein Bildungserlebnis sui generis sei. Der Ehrgeiz deralten Richtung erschöpfte sich darin, die breite Masse an die Kulturgüterheranzuführen; der Rest ergebe sich dann gleichsam von allein. Dennschließlich, so lautete die Unterstellung, löse die Begegnung mit denBildungsgehalten als solche – und nicht deren personen- und sachbezo-gene Vermittlung – ein Bildungserlebnis aus. Die Bedeutung von didak-tischen Anreizen und unverwechselbaren Vermittlungsleistungen wurdeangesichts der aus sich heraus schöpfenden Sozialisationswirkung derBildungs- und Kulturgüter unterschätzt. Oder noch zugespitzter formu-liert: Der Typ des professionellen Vermittlers, der über Wissen in Bezugnicht nur auf die Sache, sondern auch auf die Zielgruppe und die Me-thoden verfügen sollte, hatte in den damaligen Konzepten kaum einenPlatz. Das erklärt den Umstand, warum im Relevanzsystem der altenRichtung die Verberuflichung nur am Rande behandelt wurde.

Die alte Richtung, die eine extensive, an möglichst viele Men-schen gerichtete Bildungsarbeit anstrebte, erhielt nach 1914 Konkurrenzin Gestalt der neuen Richtung. Diese veränderte das Szenario der Volks-bildung in der Weise, dass mit ihr der essentielle Unterschied zwischenpolitischer bzw. milieu- und lagergebundener Volksbildung einerseitsund genuin pädagogischer, als ‚frei‘ etikettierter Bildungsarbeit anderer-seits theoretisch und bildungspolitisch geschärft wurde. Während diealte Richtung in einem hohen Maße jene Menschen ansprach, die einePartizipation am bürgerlichen Bildungsgut anstrebten, bediente die neueRichtung Personengruppen, die nichts Geringeres als die Durchsetzungeines echten Volksgedankens oder andere stark ideologisch gefärbte Ziele

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anstrebten. Diese kulminierten in der Maxime „Volk-Bildung durch Volks-bildung“. Beide Richtungen präsentierten sich in einer Weise, dass siekeinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Mission aufkommen ließen.Einer der damaligen Aktivisten, Reinhard Buchwald, prägte den Satz:„Mein Beruf wurde, das geistige Volksproblem lösen zu helfen.“ Daszeigt, dass der Berufungsgedanke und die Idee der Mission orientierungs-mächtig waren. Da der Streit zwischen alter und neuer Richtung außer-ordentlich viel Kraft, Zeit und Energie absorbiert hat, ist zu vermuten,dass im Fokus der Akteure durch die Intensität und Dauer der Debatteandere, ebenfalls wichtige Themen abgedunkelt wurden. Doch dieserHinweis reicht noch nicht aus, um die Diskrepanz zu erklären, dass sichin der Weimarer Republik die Erwachsenenbildung in bildungspolitischer,räumlicher und organisatorischer Hinsicht einerseits als eigenständigesoziale Welt etablieren konnte, aber andererseits von dieser Entwick-lung kein nennenswerter Zugzwang in Richtung einer wirksamen Verbe-ruflichung und beschleunigten Akademisierung ausging. Tatsache ist, dass,gemessen an der gesellschaftlichen Relevanz des Volksbildungswesens,dem bildungspolitischen Machtpotential und dem institutionellen Aus-bau seit 1918, sowohl die alte als auch die neue Richtung den sich for-mierenden beruflichen Qualifikationsbedarf der Volksbildner kaum ad-äquat eingeschätzt, geschweige denn bearbeitet haben. Während es so-wohl bei den Bibliotheken als auch bei den Volkshochschulen als Orga-nisationen mehrfach Versuche des überregionalen Zusammenschlussesin Dachverbänden gegeben hat, sind auf der Ebene des Erwachsenenbil-dungspersonals oder allgemeiner: an der Basis der Berufskultur analogeInitiativen der Formung eines überregionalen berufspolitischen Sprach-rohrs nicht zu verzeichnen. „Volksbibliothekare und Volkshochschul-lehrer schufen in den 20er Jahren Berufsverbände, die sich um die Aus-bildung und die Statusverbesserung ihrer Mitglieder bemühten“ (Lange-wiesche 1989:353), aber es ist bezeichnend, dass diese ‚Ansätze‘ derberuflichen Selbstorganisation nicht zu wirkungsvollen Organen der In-teressenspolitik heranreiften und wohl auch deshalb in der späteren Li-teratur kaum erwähnt werden. Die zentralen Figuren der Volksbildungmit ihrer Neigung zu fundamentalistischen Bildungskonzepten hattenan pragmatischeren Formen der beruflichen Selbstorganisation nur we-nig Interesse. Von ihrem Auftreten und ihrer Ideologie her präsentiertensich die Vertreter der Volksbildung als Protagonisten einer sozialen Be-wegung, und im Originalton der damaligen Zeit sprach man ja auchtatsächlich von ‚Volkshochschulbewegung‘ und ‚Gesinnungsgemein-

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schaft‘. Diese Selbstbeschreibungen vermitteln einen ersten Eindruck vonjenen Bedingungen, die einer Professionalisierung entgegenstanden. Inden Selbstdeutungen der Protagonisten galt Volksbildner schon deshalbnicht als Beruf, weil die berufsförmige – und damit notwendigerweiseauch partikular ausgerichtete – Arbeit den missionarischen Charakterdes Berufen-Seins für einen absolut moralischen Zweck relativiert hätte.Das sich über eine bestimmte Mission definierende Aufgabenverständ-nis der Volksbildung (Volks-Bildung) erforderte den ganzen Menschen.Die übermächtige Bindung an den inneren Beruf musste jede Form derLoyalität gegenüber dem äußeren Beruf (Institutionen) desavouieren. DerTypus des heroischen Volksbildners wäre mit dem Verdikt der Unwahr-haftigkeit und der Unglaubwürdigkeit belegt worden, hätte er zwischenbiographischer Selbstidentität und einer rollengebundenen Berufsidenti-tät unterschieden und somit kognitive und emotionale Distanz gegen-über der gemeinsam geteilten Mission hergestellt. In den Arbeitsgemein-schaften trat der Fachmann dem Fachmann entgegen, und beide grenz-ten sich vom reinen ‚Fachmenschentum‘ ab. Erdbergs Verständnis vonder Arbeitsgemeinschaft war nicht von der Position gekennzeichnet, eineMethode der Vermittlung an der Hand zu haben, sondern mit einemKreis von bereits Gebildeten sowohl an der Überwindung der Kulturkri-se zu arbeiten als auch die Erzeugung eines neuen Kulturideals voranzu-treiben (vgl. Dräger 1997:39).

Aus der Sicht der damaligen Akteure scheint die geringe Verbe-ruflichung keineswegs ein beklagenswertes Monitum, ein veränderungs-würdiges Defizit gewesen zu sein. Das folgende Zitat legt sogar die Les-art nahe, dass die ehrenamtlichen und nebenberuflichen Leistungen mög-licherweise zur öffentlichen Reputation beitrugen: „Nicht zu bestreitenist ja, dass der Stolz der Erwachsenenbildung von einst, die wenigstenKosten im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen und Kultureinrich-tungen zu verursachen, sich auf den geringen Anteil der veranstaltungs-unabhängigen Personalkosten gründete“ (Tietgens 1988:32).

2.2 Die „Lehrerfrage“ innerhalb der Weimarer Erwachse-nenbildung und lokale Formen der Akademisierung

Als ein sicheres Indiz für die Kluft zwischen expandierenderInstitutionalisierung und der hinterherhinkenden Professionalisierungkann die Diskussion über die sogenannte ‚Lehrerfrage‘ gelten. Mit dem

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Ausdruck ‚Lehrerfrage‘ versuchte man darauf aufmerksam zu machen,dass der Mangel in den Institutionen an geeignetem Personal sowohl inquantitativer als auch in qualitativer Hinsicht ein Dauerzustand war.Dieser Mangel wurde zwar beklagt, aber es gab wenig zielgerichteteInitiativen, um ihn wirkungsvoll abzubauen. Aus der Sicht der Aktivistender Volksbildungsbewegung bot vor allem die Qualifikation des Perso-nals Grund zur Klage. Vom Standpunkt der Volkshochschulen aus hatEduard Weitsch in einem Aufsatz die „Lehrerkalamität“ angeprangert.Darunter verstand er u. a. die notorische Diskrepanz zwischen den idea-listischen Antriebskräften und den voluntaristischen Motiven der Volks-bildner und dem sicheren Gefühl der Betroffenen, ihren eigenen An-sprüchen nicht gerecht werden zu können. Kaum jemand unter demPersonal schien die hohen Anforderungen einer erwachsenengerechtenStoffvermittlung und eines egalitären Umgangs in der Laienschule fürErwachsene wirklich erfüllen zu können. In Zeitschriftenartikeln aus derdamaligen Zeit ist von enttäuschten Lehrenden die Rede, die der Volks-bildung überfordert und frustriert den Rücken kehrten, weil die Vermitt-lungsarbeit sich doch schwieriger gestaltete und die erhofften Erwe-ckungserfahrungen bei den Hörern ausblieben. Für die damalige Zeit ineiner vergleichsweise sehr offenen Weise spricht Weitsch das Problemder Auswahl an: dass „wohlmeinende, aber unfähige Lehrer zur Volks-hochschule kommen, die aus Mangel an geeigneten Lehrern nicht im-mer sofort ausgeschieden werden“ (Weitsch 1926:240). Im HohenrodterBund artikulierte man sich in ähnlich deutlicher Weise; man sprach so-gar von einem „unerträglichen Zustand des planlosen Dilettantismus“,dem durch eine „in allen Zweigen entwickelte Volkswissenschaft“ (Bla-schek 1977:196) entgegengewirkt werden sollte. Mit Sympathie wurdedaher der Plan des Hohenrodter Bundes aufgenommen, eine Schule fürVolksbildung und Volksforschung zu gründen, die sich mit der Behe-bung der mit der Lehrerfrage verbundenen Probleme beschäftigen, sprich:Fortbildungen für das Personal anbieten sollte. Aus dem eben erwähntenAufsatz von Weitsch geht hervor, dass sich die Volkshochschule Drei-ßigacker als eine der ganz wenigen Einrichtungen bemühte, ihren Be-trieb für die Lehrerbildung – d. h. für die in der Erwachsenenbildungtätigen Lehrer – nutzbar zu machen. Man beabsichtigte, Assistenten ein-zustellen, die „ohne Gehalt oder mit einem geringen Taschengelde dasLeben und den Unterricht des Heimes 4 Monate intensiv mitmachen“sollten (ebenda:241). Durch diese Hürde eines unentgeltlichen Prakti-kums wollte man offenbar Personen gewinnen, die in der Volksbildung

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aus einer inneren Berufung tätig werden wollten. Eduard Weitsch warunter den zentralen Figuren derjenige, dessen Forderungen nach Verbe-ruflichung am konkretesten waren: So schlug er vor, dass die Leiter städ-tischer Volkshochschulen die in der Einrichtung tätigen Lehrer beobach-ten und jenen unter ihnen, die sich wirklich bewährt hatten, gleichsameine „hauptamtliche Bestallung“ in der Volkshochschule anbieten soll-ten. Symptomatisch dürfte das Phänomen sein, dass selbst eine Personwie Weitsch, der das Handlungsfeld der damaligen Volksbildung sehrgut kannte, den eigenen Konzepten der Verberuflichung misstraute. Sokonzediert er an einer Stelle selbstkritisch, „bei dieser Marktlage (könne,D. N.) man eigentlich niemand zumuten, sich speziell für unsere Arbeitvorzubereiten“. An einer anderen Stelle erwähnt er die Gefahr der „Stel-lenjägerei“, die mit der Lösung der Lehrerfrage verbunden sein könnte.Solche Reaktionen zeigen die tiefe Ambivalenz und Unentschiedenheitin den damaligen Versuchen, mit der „Lehrerkalamität“ pragmatischumzugehen. Weitschs Vorschlag kann als frühes Konzept der Rekrutie-rung von Weiterbildungslehrern gelten, über dessen Umsetzung oder garGelingen nur wenige Dokumente vorliegen. Selbst wenn die Initiative inDreißigacker, einer der renommiertesten Einrichtungen der Erwachse-nenbildung, erfolgreich gewesen sein mag, kann ihr angesichts der struk-turellen Problemlage nur der Charakter des ‚Tropfens auf den heißen Stein‘attestiert werden.

Einige Jahre zuvor (1922) hatte sich eine andere Leitfigur derdamaligen Zeit, Eugen Rosenstock, zur „Ausbildung des Volksbildners“geäußert. Dabei ging es ihm gar nicht um eine Ausbildung nach heuti-gem Begriffsverständnis. Was ihm vorschwebte, war eine Art beruflicheErtüchtigung, eine an die Erstausbildung anschließende Nachqualifikati-on. Das folgende Zitat präzisiert Rosenstocks Intentionen: „Die Vorbe-dingung, dass jemand Volksbildner werden kann, liegt darin, dass er ei-nen Fachberuf mit geistiger Durchdringung ausgeübt hat oder ausübt. Ermuss Schuster sein an irgendeinem Leisten, als Offizier oder Beamter, alsIngenieur oder Pfarrer, als Arzt oder Richter, als Professor oder Lehrer. Esgehört zur Bildung, dass man auf irgendeinem Gebiet Fachmann ist. Derbloße Popularisator, falls es ihn gibt, ist also in der Volksbildung geradenicht qualifiziert“ (Rosenstock 1922:82). Rosenstock hat für den Bestandder Gesellschaft wichtige Berufe im Blick, aus denen sich die Volksbild-ner rekrutieren sollten; exemplarisch nennt er den Anwalt, den Lehrer,den Arzt und den Techniker, also Angehörige in der damaligen Zeit an-

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gesehener Berufsgruppen. Diese sollten an viereckigen Tischen Platznehmen, wo sie eine Art Qualifizierungsprogramm durchlaufen müss-ten. „Diesen viereckigen Tisch, diesen bescheidenen Vorkursus der Volks-bildner, den ich mir unter allen Umständen mehrtägig, bisweilen abersogar mehrwöchig denke, schlage ich also als Ausbildungsmittel vor“(ebenda:87). In vorwiegend dem Erfahrungsaustausch vorbehaltenen Vor-bereitungskursen sollten die Vertreter der einzelnen Berufsgruppen dem-nach ihre partikularen Egoismen abstreifen, dem Fachgedanken abschwö-ren und Konsens über ihre Aufgabe – die Rettung der geistigen Ordnungvor dem Chaos – entwickeln. Im Kern wird in diesem Vorschlag die Ideeder Arbeitsgemeinschaft selbstbezüglich verwendet und für die Zweckeder Qualifizierung des Personals zu nutzen versucht; oder anders ausge-drückt: Die Volksbildung geht bei der Schulung der potentiellen Akteureder Volksbildung ganz ähnlich vor wie in der regulären Volksbildung, sodass die Grenzen von Volksbildung für das Volk und einer an die Volks-bildner adressierten Volksbildung verschwimmen: „Der Volksbildner musszu seiner Bildung, die unerlässliche Vorbedingung seines Wirkens bleibt,hinzugewinnen die Eigenschaft, selbst Volk zu sein, Volk zu werden“(ebenda:81). Dass mit diesem Konzept eine pragmatische Variante vonVerberuflichung nur schwer umsetzbar und die akuten Personalproble-me kaum lösbar waren, hängt vor allem mit dem zirkulären Charakterder Bedingungen und den Zielen eines solchen Qualifikationskonzeptszusammen, denn die Rekrutierungsvoraussetzungen (die Bedingungen)erfüllte nur derjenige, der die Ziele der anvisierten beruflichen Ertüchti-gung schon längst erreicht hatte. Rosenstock schwebte so etwas wie einedoppelte Loyalität vor, die sich aus der angestammten beruflichen Iden-tität und der pädagogischen Identität speist und dann eine ideologischeÜberhöhung durch die Mission ‚Volksbildung‘ erfährt. Der naheliegen-de Konflikt für die Volksbildner, ihre aus zwei Quellen stammende be-rufliche Identität zu versöhnen oder ihre angestammte Berufsidentitätabspalten zu müssen, um ihrer ideologisch überhöhten Mission Genügezu tun, wird von Rosenstock nicht gesehen. Auch lässt er den Leser imUnklaren, ob das Personal neben der Ausstattung mit bestimmten Gesin-nungen noch weitere, vielleicht spezifischere Kompetenzen benötigt.Ebenso wie bei Weitsch kommt auch bei Rosenstock ein hohes Maß anSkepsis und Ambivalenz gegenüber den Bestrebungen zum Ausdruck,die in der Volksbildung Tätigen besser auf ihre Arbeit vorzubereiten. DieseAmbivalenz macht sich u. a. am damals noch nicht allzu lange einge-führten Begriff des Volksbildners fest, den Rosenstock zuvor als ‚pein-

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lich‘ und deplaziert abgewertet hatte. Die einzige Legitimationsgrundla-ge, um die Existenz als Volksbildner zu begründen, sei in seinen Augendie temporäre Notwendigkeit, an der Formung eines Volksganzen mit-zuwirken. Metaphorisch wird diese tiefsitzende Skepsis in dem Vergleichdes Volksbildners mit einem medizinischen Heilmittel ausgedrückt, dassich in dem einen Fall als heilend, in dem anderen als Giftstoff erweisenkönne: „Und wenn dies Ein-Volk-Bilden der Volksbildner schlicht alsAusweg aus einer Erkrankung angesehen und verstanden wird, so ver-liert auch der schwer über die Lippen fließende Name ‚Volksbildner‘seine Unnatur und Peinlichkeit. Denn an sich wirkt eben im Geistigenwie im Leiblichen ein Heilmittel unnatürlich und peinlich auf die Ge-sunden. Jedes Heilmittel ist ja ein Gegengift, also ‚an sich‘ Gift. Aber alsGegengift oder Krankheit gewinnt auch das Gift seine Rechtfertigungund seine Würde. Und deshalb hat der Begriff und die Person des Volks-bildners Anspruch darauf, von dem Volke, das an seinem Zerfall leidet,aufgenommen und ertragen zu werden“ (ebenda:90). Die verwendeteSprache offenbart die zwiespältige Haltung eines nicht gerade unbedeu-tenden Protagonisten gegenüber den Praktikern der Volksbildung. Wirk-liche Wertschätzung vermag Rosenstock nur den bildungsphilosophi-schen Idealen entgegenzubringen; gegenüber den Menschen, die dieseIdeale in der Welt zu realisieren versuchen, kann er diese ungeteilteWertschätzung und Akzeptanz nicht mobilisieren.

Während auf der Ebene der organisatorischen Differenzierungund Expansion auch eine Expansion von Einrichtungen und Trägern zubeobachten war, fand auf der Ebene der Institutionalisierung des Berufs-handelns – also der Professionalisierung – zwar auch eine der internenSelbstverständigung dienende Debatte statt, doch diese blieb ohne nen-nenswerte praktische Folgen. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusam-menhang bleiben, dass auf der dritten Hohenrodter Tagung (1925) überdas Thema „Berufsethik und Berufsausbildung des Volksbildners“ disku-tiert wurde. Hierbei traten die Anwesenden durchaus mit dem Ziel an,konkrete Pläne und handhabbare Konzepte zu entwickeln und es nichtbeim „Durchdenken der Fragen im Grundsätzlichen“ bewenden zu las-sen. Als bezeichnend kann betrachtet werden, dass auch über Alternati-ven zur anstehenden Konstitution einer Berufsrolle diskutiert wurde. Soberichtet Jürgen Henningsen von dem Vorschlag, dass Ingenieure, Ärzte,Richter und Journalisten „nicht wie bisher als Lehrer“ tätig werden, „son-dern am Ort ihrer Wirksamkeit selbst“ als Volksbildner in Aktion treten

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sollten (Henningsen 1958:28), ohne sich als solche erkennen zu geben.Hier deutet sich das Konzept eines Lehrens im sozialen Umfeld an, dasinsofern auf eine stellvertretende Verberuflichung hinauslief, als andereProfessionen die Aufgaben der Volksbildung übernehmen sollten. DerTatbestand, dass über die organisatorischen Implikationen des Themas„Berufsethik und Berufsausbildung“ im Hinblick auf Hochschule undBerufssozialisation kaum gesprochen wurde, sondern die Debatte umandere Dinge kreiste und etwa die Überwindung der Isolierung von Volks-bibliothek und Volkshochschule und andere grundsätzliche Aspekte the-matisiert wurden, wirft ein Schlaglicht auf die damalige Gesamtsituati-on. Über den Rahmen des von Bedenken, Zweifeln und Dissens gepräg-ten dritten Treffens des Hohenrodter Bundes hinaus erhielt die Diskussi-on dann einige Jahre später jedoch wieder einen konstruktiveren inhalt-lichen Kern. Dieser bestand in der Forderung, eine eigens für die „Schu-lung, Mission und Forschung“ zuständige Institution zu gründen, näm-lich die bereits erwähnte „Deutsche Schule für Volksforschung und Er-wachsenenbildung“.

Die Liste an Indizien, die auf die Ungleichzeitigkeit von expan-dierender Institutionalisierung einerseits und einer hinterherhinkendenVerberuflichung andererseits hinweisen, soll nun um ein weiteren Punktergänzt werden: Obwohl das Qualifikationsprofil des Personals in derVolksbildung ein Dauerproblem darstellte und mehrfach Anlass zur öf-fentlichen Klage bot, zollte man von Seiten führender Vertreter der Volks-bildung ebenso wie von Seiten der ‚Basis‘ der Berufskultur den Bestre-bungen an den Universitäten, Volksbildung zu akademisieren bzw. zuverwissenschaftlichen, allenfalls auf lokaler Ebene Beachtung. Aus deneinschlägigen Untersuchungen von Friedenthal-Haase geht hervor, dassin einer ganzen Reihe von Universitäten durchaus ernstzunehmendeBestrebungen der Verwissenschaftlichung existierten. Friedenthal-Haa-se hat herausgearbeitet, dass die akademische Erwachsenenbildung inder Weimarer Zeit drei bis heute bedeutsame Aspekte verkörpert hat:zum einen das Primat der Bildung für alle, zweitens Aktualität als Be-zugsgröße für Theorie und Praxis und drittens Interdisziplinarität undInterkulturalität (vgl. Friedenthal-Hasse 1991:362). Die insbesondere unterden Kölner Universitätsvertretern (von Wiese, Scheler, Honigsheim) inihrem akademischen Habitus zum Ausdruck kommende Distanz gegen-über dem Richtungsstreit wurde von Vertretern der neuen Richtung aller-dings nicht sonderlich goutiert. Die überaus große Produktivität bei der

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Erstellung von Promotionen und anderen wissenschaftlichen Abschluss-arbeiten deutet im ersten Zugriff auf den Beginn einer eigenständigenWissensgenerierung hin, was Friedenthal-Haase auch als Ausweis einespotentiellen Professionalisierungsprozesses deutet. Dieses Potential wurdeaber höchstens auf lokaler Ebene genutzt, auf überregionaler Ebenescheint sich sogar eine gewisse Indifferenz seitens der Volksbildung ge-genüber den lokalen Bestrebungen nach Verwissenschaftlichung abzu-zeichnen. Von den eingehend untersuchten lokalen Impulsen ging keinewirklich überregionale Strahlkraft aus, wie es für die Bildung einer wis-senschaftlichen Disziplin zwingend notwendig ist. Angesichts der regenInitiativen und des guten Willens in einzelnen Universitäten mutet esfatal an, dass die damalige Volksbildung trotz der drängenden Mitarbei-terfrage die Verwissenschaftlichungstendenzen (Abfassung andragogischerDissertationen und Organisation von Lehrangeboten zur Thematik derVolksbildung) mehr oder weniger igonierte. Das mag mit dem banalenUmstand zusammenhängen, dass die lokalen Initiativen ohne das Wis-sen von der Existenz der anderen agierten. Mit dem Etikett „inoffizielleAkademisierung“ will Friedenthal-Haase zum Ausdruck bringen, dass essich um einen verkannten, nur auf der Hinterbühne des Wissenschafts-betriebes virulent gewesenen Verwissenschaftlichungsprozess gehandelthat. Der Ausdruck Verwissenschaftlichung erscheint aber ebenso wieder Ausdruck Professionalisierung nicht sonderlich passend, weil Aka-demisierung letztlich auch Disziplinbildung im Gesamtkontext des Wis-senschaftssystems einschließt. Auf einen wirkungsvollen Akademisie-rungsprozess hemmend ausgewirkt hat sich der Tatbestand, dass Volks-bildung disziplinär nicht eindeutig zuzuordnen war und sich als Gegen-stand im Bereich mehrerer wissenschaftlicher Fächer befand. So gese-hen fehlte der Berufspraxis schlichtweg ein klar identifizierbarer Ansprech-partner in Gestalt eines für die Volksbildung zuständigen wissenschaftli-chen Fachs.

2.3 Hintergründe der Ungleichzeitigkeit von institutionel-lem Ausbau und hinterherhinkender Verberuflichung

Einige der Gründe, warum in der Weimarer Republik von einerwirkungsvollen Verberuflichung und erst recht von gesicherten Hinwei-sen auf gelungene Professionalisierungsversuche nicht gesprochen wer-den kann, sind bereits kurz angerissen worden. Ergebnissichernd seiendiese hier nochmals genannt: Erstens traten der rapide Ausbau der Ein-

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richtungen, die Vermehrung der Angebote und die damit korrespondie-renden Bürokratisierungstendenzen in Widerstreit mit dem Modell desmissionarischen, d. h. primär gesinnungsorientierten Handelns. Zwei-tens kam das Modell einer personenbezogenen Dienstleistung im Sinnevon Vermittlungsarbeit für die – einem dialektischen Materialismus nach-hängende – alte Richtung tendenziell gar nicht in Frage. Drittens wurdeder allerorts registrierte und akzeptierte Qualifizierungsbedarf des Per-sonals in der Volksbildung als signifikantes Bildungs-, aber nicht als Aus-bildungsproblem wahrgenommen, und viertens stießen die lokalen Ver-suche der Verwissenschaftlichung auf keine überregionale Resonanz. Diezumindest latente Wissenschaftsfeindlichkeit mancher zentraler Protago-nisten setzte sich damit gegenüber den lokalen Akademisierungstenden-zen durch.

Welche zusätzlichen Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an,um das Ungleichgewicht zwischen dem Ausbau der Einrichtungen undder Vermehrung der Angebote einerseits und der hinterherhinkenden Ver-beruflichung andererseits besser nachzuvollziehen? Eine der strukturel-len Ursachen für die hier behauptete Ungleichzeitigkeit kann mit derKategorie Nichtidentifizierbarkeit der Klientel umschrieben werden. Wieder Name Volksbildung bereits nahelegt, waren alle Menschen als Be-standteile des sogenannten Volkskörpers zumindest potentiell Kandida-ten der Bildungsarbeit. Das heute in der Weiterbildungsdiskussion manch-mal auftretende Problem der Abgrenzung von Jugend- und Erwachse-nenbildung stellte sich damals schon deswegen nicht, weil die KategorieVolksbildung Erwachsene und Jugendliche von vornherein einschloss(vgl. Nittel 1997b). Die erwachsenenpädagogischen Systematisierungs-versuche der 20er Jahre zeigen eine Einheit von Jugend- und Erwachse-nenbildung unter dem Dach Volksbildung, wie man dies an der tabella-rischen Übersicht von Paul Honigsheim bezüglich des Bildungssystemim Rheinland und in Westfalen zeigen könnte (vgl. Honigsheim1931:432). Hin und wieder sprachen einzelne Vertreter statt vom Volkauch von der Masse, aber dieser Begriff verschob das Problem der Nicht-identifizierbarkeit der Klientel eigentlich nur noch weiter in den Bereichdes impliziten moralischen Urteils, also genau dort hin, wo es erst rechtnicht lösbar ist. Es wäre vermessen, die damalige Volksbildung unterprofessionstheoretischen Vorzeichen analysieren zu wollen. Denn Pro-fessionen zeichnen sich, wie das Eingangskapitel deutlich gemacht hat,u. a. dadurch aus, dass ihre Mitglieder eben nicht für alles und jedes

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zuständig sind, sondern wohldefinierte Ausschnitte in der Existenzweltbearbeiten. Dies bedeutet konkret, funktionsfähige und verlässliche or-ganisatorische Arrangements zu erfinden, um das Problem der Exklusionund Inklusion zu lösen: ‚Wie wird ein potentieller zum tatsächlichenTeilnehmer?‘ Der hier angesprochene Fallbezug kann sich auf einzelnePersonen, also den einzelnen Patienten, den einzelnen Ratsuchenden,das einzelne Gemeindemitglied erstrecken oder auf klar abgrenzbarekollektive Fälle (wie die Schulklasse, die Kirchengemeinde oder ein gro-ßes Unternehmen). Differenzschemata wie ‚krank – gesund‘, ‚lernbe-dürftig – nicht lernbedürftig‘ oder ‚ratsuchend – nicht ratsuchend‘ bil-den, gemeinsam mit der Idealisierung der Klientenautonomie, elemen-tare Bausteine, um den Zugang zu einer personenbezogenen Dienstleis-tung, den Aufbau eines Arbeitsbündnisses zwischen einem Professionel-len und einem Laien herzustellen. In der Erwachsenenbildung der Wei-marer Republik waren diese Fragen überflüssig, weil sie per Definition(Volksbildung) schon längst beantwortet waren. Da jeder Deutsche alsTeil des deutschen Volkes galt, war folglich jeder Deutsche Klient derVolksbildung. Mit der hier herausgearbeiteten Tendenz zur generalisier-ten Inklusion taucht die Paradoxie auf, dass damit auch eine überein-deutige Exklusion verbunden ist: Wenn jeder Bürger eines Landes alsAdressat einer personenbezogenen Dienstleistung in Frage kommt, ver-lieren operationalisierbare Kriterien für Partizipation/Nichtpartizipationihren Sinn. In einem so strukturierten Feld, wo unklar ist, wer eigentlichzur Klientel gehört, verliert spiegelbildartig auch die berufliche Leistungs-rolle ihre klare Kontur. Also nicht nur die Klientel, sondern auch dasMitglied der Profession steht in einem solchen Fall zur Disposition. Vondaher erscheint es nur folgerichtig, dass die Grenzen zwischen den Volks-bildnern und ihren Adressaten verschoben oder ganz aufgelöst wurden:Erinnert sei an den Vorschlag, Volksbildner nicht mehr als Lehrkräfte zurekrutieren, sondern Richter, Ärzte, Ingenieure und die Mitglieder ande-rer Berufsgruppen direkt am Ort ihres Hauptberufs als Volksbildner ein-zusetzen. Professionen setzen einen unmittelbaren Interaktionsbezugzwischen leibhaftig anwesenden Menschen nicht nur voraus, sondernerzeugen diesen auch. Zum Volk als sozialem Aggregat kann sich einderartiger für die professionelle Arbeit konstitutiver Interaktions- undFallbezug jedoch gar nicht herausbilden. Volksbildner bearbeiteten, dasie selbst Teil des Volkes waren – also Teil des Problems, zu dessen Lö-sung sie sich bemüßigt fühlten –, einen nicht klar von der eigenen sozia-len und persönlichen Identität unterscheidbaren Gegenstand.

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Die zweite strukturelle Ursache der hier diskutierten Ungleich-zeitigkeit hängt aufs Engste mit dem Umstand zusammen, dass die Wei-marer Volksbildung (trotz Bildungspathos und bildungsphilosophischemElan) weit davon entfernt war, die Position durchzusetzen, dass die Bil-dung der erwachsenen Bürger eine nachhaltige und nicht ersetzbare ge-sellschaftliche Aufgabe darstellt. Natürlich hatte die Volksbildung bil-dungspolitisch einen hohen Kurs, aber dieser war primär dem Hier undJetzt der historischen Situation geschuldet. Eine Vielzahl von Dokumen-ten und Stellungnahmen aus der damaligen Zeit belegt, dass die Weima-rer Volksbildung ihre Aufgabe und ihr Selbstverständnis aus der theoreti-schen Verarbeitung des durch ein außerordentliches Krisenerlebnis ge-prägten zeithistorischen Kontextes ableitete. Man hegte im Kreise derAkteure die feste Hoffnung, in einem von einer Generation gerade nochüberschaubaren Zeitraum mittels Volksbildung der Gesellschaft genü-gend Impulse geben zu können, um die Vereinzelung der Menschen zuüberwinden, das Wir-Gefühl in den Gemeinschaften zu fördern – kurz:die Integration der Gesellschaft spürbar voranzubringen. Volksbildunggalt so gesehen als ein befristetes Großunternehmen und nicht als eininstitutionalisiertes Lösungsmuster, das verstetigt werden müsse. Volks-bildung definierte sich gleichsam in einer ähnlichen Weise, wie es Schul-pädagogen gerne tun, wenn sie den Topos des ‚Sich-selbst-überflüssig-Machens‘ benutzen – mit dem Unterschied, dass der Berufsstand derLehrer es geschafft hat, die Erziehung von Kindern und Jugendlichen alsein auf Dauer gestelltes gesellschaftliches Kernproblem zu definieren,während die Volksbildung offenbar glaubte, auf eine berufsförmige Or-ganisation der Arbeit mehr oder weniger verzichten zu können. Von da-her fehlte die Legitimationsgrundlage, um von der Gesellschaft das Man-dat zu fordern, stellvertretend für sie die mit diesem Realitätsbereich ver-bundenen Aufgaben auf Dauer auszuführen. Schulenberg hat diesenUmstand in großer Klarheit ausgedrückt: Erwachsenenbildung sei in den20er Jahren „mit subjektiv respektablen, wenn auch objektiv bereits fal-schen Gründen noch als kompensatorische Erwachsenenbildung verstan-den“ worden, „die letzten Endes einmal wieder überflüssig werden müs-se. Man verband mit dem Begriff der Volksbildung die Hoffnung, oderwie man damals auch gern sagte: die Ahnung, dass sich wieder ein ge-ordnetes geistiges Volksleben herstellen und mit Hilfe der Volksbildungdas vermeintliche Chaos der Moderne überwinden lasse. Dann werdeauch Erwachsenenbildung in ihrer expliziten Form wieder aufgehoben“(Schulenberg 1972:8). Auf eine knappe Formel gebracht könnte man

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sagen: Die Volksbildung hat über keinen gesellschaftlichen Zentralwert-bezug verfügt und sich mit universalistischen Argumentationsmusterneinen als partikular definierten Phänomenbereich anzueignen versucht.Der Verzicht auf den Zentralwertbezug bedeutet, dass die Volksbildungeben nicht als nicht wegzudenkendes Element im gesellschaftlichen Re-produktions- und Produktionszusammenhang positioniert wurde. Dieunausgesprochene, weil untergründige Erwartung, die Volksbildung wer-de in einem durchaus überschaubaren Zeitrahmen die Probleme lösen,vermag als strukturelles Datum den Verzicht auf grundständige Ausbil-dung und die damit korrespondierende Distanz gegenüber einer Verwis-senschaftlichung besser zu erklären.

3. Die Entwicklung in der Bundesrepublik

Während die Entwicklung in der Weimarer Republik durch eineUngleichzeitigkeit von institutionellem Ausbau und Verberuflichung, ein-schließlich der mit ihr verbundenen Verwissenschaftlichung, gekenn-zeichnet war, zeichnet sich in der Phase der bundesdeutschen Bildungs-reform für kurze Zeit zwar kein harmonischer Gleichklang, aber docheine deutliche Verschränkung unterschiedlicher Ebenen der Institutio-

„das Volk“ als Adressatdiffuser Klientenbezug

Professionalisierungs-hemmende Faktoren

kein Zentralwertbezug

keine wissenschaftliche Bezugsdisziplin

Widerstände gegenüber der Hauptberuflichkeit

EB als temporäre Aufgabe

Vorwurf: „Fachmenschentum“

Abb. 4: Volksbildung in der Weimarer Republik

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nalisierung ab, nämlich der Expansion der Einrichtungen und der Diver-sifikation der Organisationen einerseits und der Expansion erwachse-nenpädagogischer Berufspositionen und Ämter andererseits. Die nun inden Blick genommene Zeitspanne ist durch das Oszillieren einer vonder Öffentlichkeit getragenen Bildungsreform, einer diesem Ansinnenaufgeschlossenen Bildungspolitik und der Etablierung einer akademischenBerufsdisziplin gekennzeichnet. In dieser Phase wurde etwas erreicht,was an einer anderen Stelle als Einheit von Bildungsreform, Bildungsfor-schung und Bildungspolitik bezeichnet wurde. Der daran anschließen-de Aufschwung im Verberuflichungsprozess Mitte der 70er Jahre, denman auch als Erntephase bezeichnen könnte, sollte dann aber nur vonkurzer Dauer sein (vgl. Kap. 3.2). Die Erntephase reißt Anfang der 80erJahre ab, bildet aber den Ausgangspunkt für eine neue Entwicklung: diePluralisierung der Weiterbildungslandschaft. Da im historischen Teilschlaglichtartig nur bestimmte Entwicklungstendenzen gebündelt wer-den und unter dem Fokus der Verberuflichung selektiv vorgegangen wird,soll die historische Rekapitulation genau an diesem Punkt abbrechen,wo sich das Ende der Bildungsreform und die beginnende Diversifikati-on des Weiterbildungsmarktes andeuten. Die Zeit der Weimarer Repu-blik und die Phase der Bildungsreform waren für die Erwachsenenbil-dung historische Ausnahmesituationen. Wenn diese beiden Etappen amEnde dieses Kapitels verglichen werden (vgl. Kap. 3.3), so geschieht diesmit in der Hoffnung, auch etwas über die Normalität der Erwachsenen-bildung heute lernen zu können.

3.1 Die sechziger Jahre: Die Formierung eines günstigenResonanzbodens

Als eine Art ‚Startschuss‘ der Bildungsreform in den westeuro-päischen Ländern im Allgemeinen und in der damaligen Bundesrepu-blik Deutschland im Besonderen werden gemeinhin der Anfang der 60erJahre ausgelöste Sputnikschock und das damit bezeichnete kollektiveGefühl des technologischen Rückstandes und der angeblichen Bildungs-resistenz breiter Bevölkerungsschichten bezeichnet. Faktisch traten aufInitiative der Politik schon in der zweiten Hälfte der 50er Jahre die ver-schiedensten Gremien zusammen, um Vorschläge zur Modernisierungdes Bildungswesens auszuarbeiten. Die Öffentlichkeit und die Publizi-stik sahen damals keinen nennenswerten Grund, die hier geleistete Ar-beit aufmerksam zu verfolgen. Auch die für die Erwachsenenbildung seit

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Anfang der 60er Jahre verfassten Gutachten und Stellungnahmen gehenauf solche Vorarbeiten aus den 50er Jahren zurück (vgl. Führ 1998:14).In der Schrift des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bil-dungswesen „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbil-dung“, die am 29.1.1960 herausgegeben wurde, werden in besondersprägnanter Weise zentrale Gedanken der Bildungsreform ausformuliert,so zum Beispiel die Idee der pluralistischen Gesellschaft, die Autonomiedes Erwachsenen, das Nebeneinander von ‚freier‘ und ‚gebundener‘ Er-wachsenenbildung. Der Text enthält die vielzitierte und heute nach wievor gültige Formel: „Gebildet im Sinne der Erwachsenenbildung wirdjeder, der in der ständigen Bemühung lebt, sich selbst, die Gesellschaftund die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln“.Dass die Aufgabe der Erwachsenenbildung fortan darin gesehen wird,allen Menschen die Möglichkeit zur Weiterbildung zu geben, um sich ineiner immer komplizierter und unüberschaubarer werdenden Welt bes-ser zurechtzufinden (vgl. Deutscher Ausschuss 1960:15), kann als Symp-tom einer sozialwissenschaftlich begründeten Funktionszuschreibung in-terpretiert werden. Bei der Begründung der Erwachsenenbildung spielteihre Bedeutung für die ganze Gesellschaft eine überragende Rolle. DerTatbestand, dass die Erwachsenenbildung in den gesellschaftlichen Re-produktions- und Produktionszusammenhang eingebettet wird, deutetauf eine zentralwertbezogene Definition der Erwachsenenbildung hin.Obwohl in dem Gutachten das Wort Professionalisierung an keiner Stel-le auftaucht, enthält es neben Empfehlungen, die den Ausbau des insti-tutionellen Gefüges betreffen, für den später faktisch einsetzenden Pro-zess der Verberuflichung überaus wichtige Passagen. Was etwa den Ver-wendungszweck der staatlichen Zuschüsse angeht, so wird an exponier-ter Stelle gefordert, dass die finanziellen Mittel vor allem zur Rekrutie-rung einer angemessenen Zahl hauptamtlicher Stellen verwendet wer-den sollen. Nicht nur dem Bau „prächtiger Volksbildungshäuser“, son-dern auch der Ausbildung des Nachwuchses und der Qualifizierung desPersonals solle ein gebührender Platz eingeräumt werden. Lehrer, so dasGutachten, sollten schon während des Studiums auf eine Mitarbeit inder Erwachsenenbildung vorbereitet werden. Es ginge nicht an, dass dieLeiter großstädtischer Volkshochschulen und andere pädagogische Mit-arbeiter nebenberuflich tätig sind; diese anspruchsvollen Tätigkeiten seiennur im Hauptamt verantwortungsvoll auszuführen. Die Mitarbeit vonErich Weniger, der – wie viele andere geisteswissenschaftliche Pädago-gen – unter dem Eindruck der Nazidiktatur besonders nachdrücklich auf

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der relativen Autonomie pädagogischer Berufe insistiert hat, ist u. a. dar-an ablesbar, dass den Leitern der Einrichtungen in allen wichtigen Fra-gen ein hohes Maß an Entscheidungsbefugnis zugestanden wird, womitdie in allen Professionen heikle Frage der Unabhängigkeit gegenüberder Organisation und den politischen Instanzen in offensiver Weise an-gegangen worden ist. Auch den Aufbau eines zentralen Instituts, zustän-dig für Forschung und systematische Fort- und Weiterbildung, sah dasGutachten vor. Die Schlüsselfunktion dieses Gutachten ist daran ables-bar, dass in nahezu allen weiteren offiziellen Gutachten und berufspoli-tischen Stellungnahmen der Trägerorganisationen in den darauffolgen-den Jahren die Hauptberuflichkeit und die Fortbildung nebenberuflichenPersonals immer wiederkehrende Forderungen darstellen.

Das Gutachten des Deutschen Ausschusses ist die erste Stel-lungnahme aus einer langen Kette weiterer offizieller Dokumente, dieder organisatorischen und intentionalen Bildung des Erwachsenen imKontrast zur Weimarer Zeit keine zeitlich befristete Existenzberechtigungattestiert hat. Nicht die Gemeinschaft, sondern die Gesellschaft bildetden Bezugspunkt des bundesrepblikanischen Denkens. Die Erwachse-nenbildung müsse aus der Sicht der Verfasser ein selbstverständlicherTeil des gesellschaftlichen Gemeinwesens werden. Die institutionelle Er-möglichung von Bildung wird als Aufgabe des Staates definiert, als be-sonders zu schützende Ressource im öffentlichen Raum, die nach einergesetzlichen Absicherung verlangt. Die sich in der Schrift des DeutschenAusschusses niederschlagende Tendenz, Bildung als zentralwertbezoge-nes Gut zu definieren, beruht darauf, dass in der damaligen Zeit diePartizipation an der beruflichen und der allgemeinen Weiterbildung dieChancen auf dem Arbeitsmarkt und die Handlungs- und Erfahrungschan-cen in anderen sozialen Welten tatsächlich sehr stark beeinflusst hat.Die Partizipation an Bildung, sozialer Aufstieg und Förderung der demo-kratischen Kultur waren im damaligen kollektiven Bewusstsein der Deut-schen eine Einheit.

Noch bevor sich auch die Kultusministerkonferenz in ihren„Empfehlungen zur Erwachsenenbildung und zum Büchereiwesen“(1964) explizit zugunsten einer verstärkten Verberuflichung geäußert understmals Forderungen erhoben hat, die mit dem Merkmalskatalog klassi-scher Professionalisierungskonzepte weitgehend übereinstimmten (vg.Fink 1990:23), gab es Initiativen in Richtung eines länderspezifischen

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Erwachsenenbildungsgesetzes. Die Forderung des Deutschen Ausschus-ses, im Bereich der Erwachsenenbildung gesetzliche Regelungen zu schaf-fen, trug bemerkenswerter Weise schon ein Jahr später ganz konkret Früch-te: 1961 berief der niedersächsische Kultusminister eine „Studienkom-mission für Fragen der Erwachsenenbildung“ mit dem Auftrag ein, Emp-fehlungen für ein Gesetz zu erarbeiten. 1969 wurde das Niedersächsi-sche Erwachsenenbildungsgesetz ratifiziert. Bis dahin hatte nur Nord-rhein-Westfalen ein Finanzierungsgesetz für Volkshochschulen. Dem nie-dersächsischen Vorbild sind dann in den meisten anderen Bundeslän-dern ähnliche Gesetze gefolgt (vgl. Raapke 1998). Mit der Schaffung derLändergesetze war die finanzielle Absicherung der Träger unter Dachund Fach, und das ermöglichte Einrichtungen wiederum Planungssicher-heit bei der Einstellung des schnell offenkundig werdenden Personalbe-darfs. Vath drückt den engen Zusammenhang zwischen Ländergesetzenund dem Verberuflichungsschub so aus: „Bundesdeutsche Gesetze ha-ben in den letzten Jahren dem beruflichen Status des Erwachsenenpäd-agogen ganz erhebliche Dienste geleistet und ihnen zu Einkommens-und Prestigepositionen verholfen, die sie ohne die gesetzgeberische Hil-fe wohl kaum hätten erreichen können“ (Vath 1975:348).

Nachdem – metaphorisch gesprochen – die Saat in einem Bun-desland aufgegangen war und Wurzeln in Gestalt eines Weiterbildungs-gesetzes bekommen hatte, breitete sich die erfolgreiche Verberuflichungder Erwachsenenbildung in der gesamten Bundesrepublik aus. Die nächs-ten für den Professionalisierungsprozess der Erwachsenenbildung strate-gisch wichtigen bildungspolitischen Dokumente, welche das Ergebnisder bisherigen Entwicklung und zugleich Motor der zukünftigen Expan-sion darstellen, sind der „Strukturplan für das Bildungswesen“ (1970),der „Bildungsgesamtplan“ von 1973 sowie der „Strukturplan Weiterbil-dung“ aus dem Jahre 1975. Der Strukturplan sowie der von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ver-abschiedete Bildungsgesamtplan werden in der einschlägigen Literaturals die für die Phase der Bildungsreform zentralen Dokumente einge-schätzt (vgl. Kuhlenkamp 1984).

Zwischen dem Erscheinen des im Jahre 1960 entstandenen ers-ten bildungspolitischen Dokument und dem 1970 vorgelegten Struktur-plan entwickelte sich bei den bildungspolitischen Entscheidungsträgernder Konsens, dass die Hauptberuflichkeit der Erwachsenenbildung zwin-

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gend zum Profil einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft ge-höre. Qualität und Quantität der an die Erwachsenenbildung herangetra-genen Aufgaben ließen wohl auch keine andere Wahl. Allen war klar, dassmit neben- oder freiberuflichem Personal die hochgesteckten Ziele nichtrealisierbar waren. Der Erwachsenenbildung und den diesbezüglichen In-stitutionen wurden vielfältige und außerordentlich weitreichende Aufga-ben zugesprochen: Permanente berufliche Qualifizierung und Auffri-schung früher erworbener Fähigkeiten, Behebung von Defiziten des Schul-systems, Realisierung von mehr Chancengleichheit, Stärkung der politi-schen Loyalität, Anhebung der Allgemeinbildung und Förderung der po-litischen Bildung. Die in den erwähnten Gutachten enthaltenen Absichts-erklärungen produzierten demnach professionspolitisch den stillen, aberwirksamen Zugzwang der Rekrutierung von neuem Personal, wobei mansich an dem Niveau der damaligen pädagogischen Leitinstitution, näm-lich der Schule, mehr oder weniger offen orientierte. Als prononciertestePosition unter allen Forderungen in den Dokumenten aus den 70er Jah-ren kann die Zielmarge gelten, dass die Erwachsenenbildung zu einemeigenständigen Sektor, zur vierten Säule des Bildungssystems ausgebautwerden müsse. Man argumentierte, dass die Vorstellung von der Zweitei-lung des Lebens in die Phase des gesteigerten Lernens in der Schulzeitund der Jugend und des beruflichen Anwendens hinfällig geworden sei.Neue Lernarrangements seien nötig, was die folgerichtige Frage einschließt,welcher Typ von Pädagoge hierfür zuständig ist, welche Aufgaben er hatund über welche Qualifikationsmerkmale er verfügen soll. Anders als imGutachten des Deutschen Ausschusses von 1960 wird im Strukturplandas Erziehungs- und Bildungswesen als Ganzes betrachtet, d. h., es wirdeine Gesamtsicht angestrebt, welche den Wechselbezügen zwischen deneinzelnen Sub- und Teilsystemen Rechnung trägt und die Idee des lebens-langen Lernens, Chancengleichheit und den Kompensationsgedanken inden Vordergrund zu rücken versucht.

Die Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche, insbesonde-re der Berufswelt, fungierte als der eigentlich dominante Bewegungsme-chanismus des lebenslangen Lernens. Die Signatur des Reformprozessesaus professionstheoretischer Sicht ist jedoch nur dann angemessen zuerfassen, wenn die Verberuflichung der Erwachsenenbildung und ihreparallel verlaufende akademische Aufwertung (Stichwort: Diplomstudi-engang mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung) als zwei Seiten ei-ner Medaille begriffen werden. In beiden Fällen handelt es sich um die

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Varianten einer übergreifenden Strategie der Verwissenschaftlichung päd-agogischer Institutionen und der darin geleisteten Arbeit (vgl. Weingart1976). Insbesondere der Deutsche Bildungsrat hat eine solche Verwis-senschaftlichung des Lehrens und des Lernens (vgl. Deutscher Bildungs-rat 1970:33ff.) unter mehrfachen Vorzeichen auf seine Fahnen geschrie-ben. So bedurften aus seiner Sicht nicht nur die Lehrinhalte und die Lehr-methoden einer systematischen Begründung und Ratifizierung durch dieWissenschaft; auch das Personal müsse via Aus-, Fort- und Weiterbil-dung der wissenschaftlichen Rationalität und Kontrolle unterworfen wer-den. In diesem Punkt gibt es aber auch die andere Unstimmigkeit undAmbivalenz in den Schriften des Deutschen Bildungsrates. Denn einer-seits wurde die Auffassung vertreten, dass das zukünftig in der Erwach-senenbildung tätige Personal eine wissenschaftliche Ausbildung benöti-ge und von der Laufbahngestaltung auch ein pädagogisches Studiumerwünscht sei. Der sich in der damaligen Zeit formierenden Erziehungs-wissenschaft als denkbare Bezugsdisziplin wurden andererseits keineDefinitionsmacht oder besonderen Zuständigkeitsrechte bei der Konzept-entwicklung einer solchen Ausbildung zugebilligt. Auf diese Weise wur-den die Weichen dafür gestellt, dass die Erwachsenenbildung auch fürNichtpädagogen als potentielles Betätigungsfeld in Frage kam, dass siealso ihren bisherigen Charakter als Arena für berufsbiographische Schrit-te des Abstiegs, Umstiegs oder Aufstiegs behalten konnte. Neben derHauptberuflichkeit der disponierenden und planenden Berufsrolle be-fürwortete der Deutsche Bildungsrat auch einen dosierten Stellenzuwachsder hauptberuflich tätigen Lehrer in der Weiterbildung. Dezidiert sprichter von Professionalisierung an einer Stelle, an welcher es um die Schaf-fung von Berufsbildern und Berufsgängen von Lehrern in der Weiterbil-dung geht, ohne sich auf präzisere Umsetzungsvorschläge festzulegen.Alles in allem herrschten ein gewisser Fortschrittsoptimismus und diedamit verbundene Haltung vor, dass der Prozess der Verberuflichungnicht nur der Erwachsenenbildung, sondern auch der gesamten Gesell-schaft diene. Vereinfachend kann die in dieser Zeit beobachtbare Pro-fessionalisierung auf zwei Faktoren reduziert werden: auf Akademisie-rung und auf Vermehrung der Stellen, wobei man von der Annahmegeleitet wurde, dass diese beiden Faktoren gleichsam automatisch dieQualität und Quantität der Arbeitsleistungen optimieren werden.

Die im internationalen Rahmen in den 60er Jahren vorherrschen-de bildungspolitische Großwetterlage hat die eben skizzierte Dynamik

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in der Entwicklung der Bildungsreform und den daraus erwachsendenprofessionspolitischen Nutzen für die Erwachsenenbildung flankiert undunterstützt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hat die Ver-beruflichung der Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik rasanteFortschritte gemacht. Während es auf der UNESCO-Konferenz in Mont-real 1960 offenbar noch als unschicklich galt, den beruflichen Status desErwachsenenbildners zu hinterfragen – auch im internationalen Maß-stab galt Erwachsenenbildung als eine idealistische Betätigung –, veröf-fentlichte der Europarat schon sechs Jahre später eine Studie mit demTitel „Workers in Adult Education“. Diese Studie strahlt den Fortschritts-optimismus der damaligen Zeit ebenso aus wie die – aus heutiger Sicht –vielleicht etwas überzogen wirkenden Erwartungen im Hinblick auf dieMöglichkeit, aus den vorwiegend neben- und ehrenamtlichen Berufsrol-len eine Profession zu formieren: „Adult education is not yet a professi-on, a recognised career, yet it seems on the point of becoming one“(Council for Cultural Co-Operation 1966:79).

Die in diesem Zitat zum Ausdruck kommende Aufbruchstim-mung in Bezug auf die Professionalisierung zeigt, dass für das vorher nurlandesweit sich formierende Machtpotential auch international ein Re-sonanzboden existierte. Das Legitimationspolster, das sich aufgrund deseben erwähnten Gleichklangs von bildungs- und gesellschaftspolitischemKonsens mit Blick auf die Bundesrepublik andeutete, hatte insofern weit-reichende hochschul- und wissenschaftspolitische Konsequenzen, als esim Zuge des Aufbaus eines erziehungswissenschaftlichen Diplomstudi-enganges, der auch den Schwerpunkt Erwachsenenbildung vorsah, zurGeltung kam und genutzt werden konnte. Unter Berücksichtigung derersten Ideen und konzeptionellen Ansätze erstreckte sich „Der Weg zumDiplomstudiengang ‚Erziehungswissenschaft‘“ (Furck 1997) auf die Zeit-spanne von 1952 bis 1969. Als am 20. März 1969, also ein Jahr vor derVeröffentlichung des eben zitierten Strukturplans, die „Rahmenordnungfür die Diplomprüfung in Erziehungswissenschaft“ beschlossen wurde,wurde nicht nur das Interesse seitens der Kultusbürokratie und der Erzie-hungswissenschaft an einer Reform der Magister- und Lehrerausbildungbefriedigt, sondern auch ein qualifikatorisches Fundament für die Beset-zung von Stabsstellen und Führungsstellen im öffentlichen Dienst ge-schaffen. An ca. 40 deutschen Hochschulen ist seit Ende der 60er Jahreunter dem Dach des Diplomstudienganges Erziehungswissenschaft dasStudium des Schwerpunktes Weiterbildung/Erwachsenenbildung mög-

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lich. Die Errichtung einer Studienmöglichkeit gerade in diesen beweg-ten 60er Jahren darf – auch wenn sie mit vielen Risiken und Fehlernbehaftet war (vgl. Nieke 1978) – als die wohl wichtigste disziplin- undprofessionspolitische Zukunftsinvestition in dieser Phase gelten. DemDiplomstudiengang hat die Erziehungswissenschaft ihr Wachstum undihre Bedeutung als die viertgrößte Disziplin an den deutschen Universi-täten zu verdanken. Die universitäre Erziehungswissenschaft hat in die-ser Zeit ihr geisteswissenschaftliches Erbe hinter sich gelassen und einsozialwissenschaftliches Profil erworben. Lüders schreibt der Konstituti-on des Diplomstudienganges drei Funktionen zu:

1) Die berufspolitische Funktion zielt auf die Vermittlung beruf-lich verwertbaren wissenschaftlichen Wissens an zukünftigePraktiker;

2) die sozialpolitische Funktion besteht in dem Anliegen, dass durchdie Gründung des Studienganges eine andere, nämlich reform-orientierte Berufspraxis und die Expansion des Bildungssystemsals ganzes gefördert werden sollten;

3) die wissenschaftspolitische Funktion zielte auf die Vereinheitli-chung und Ausdifferenzierung der Erziehungswissenschaft imKonzert der übrigen wissenschaftlichen Disziplinen (vgl. Lüders1989:82).

Zum Zeitpunkt der Verabschiedung lagen keinerlei gesichertePrognosen über den zukünftigen Bedarf an Diplompädagogen im Allge-meinen und an solchen mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung imBesonderen vor. Über die institutionelle Entwicklung des Weiterbildungs-bereichs gab es viele Mutmaßungen und, je nach politischer Richtung,unterschiedliche Zukunftsprognosen. Zudem fühlte sich die Berufspra-xis übergangen, was an dem Tatbestand lag, dass kein Vertreter der inFrage kommenden fünf Berufsfelder in der Furck-Kommission ein Mit-spracherecht hatte.3 Ausschließlich auf professionspolitische Aspekteachtend, kann an dieser Stelle aufgrund der zeitlichen Distanz die Posi-tion vertreten werden, dass zumindest das in jedem Professionalisierungs-prozess strategisch wichtige Problem der disziplinären Zuständigkeit –Welche akademische Fakultät betrachtet die Bildung des Erwachsenenund die Weiterbildung als ihre Domäne? – durch die Einrichtung vonLehrstühlen für Erwachsenenbildung als teilweise gelöst betrachtet wer-den kann: Während die selbstorganisierte Bildung des Erwachsenen inder Lebenspraxis teilweise von anderen Teildisziplinen bearbeitet wird,

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liegt die organisierte Erwachsenenbildung im Zuständigkeitsbereich derErziehungswissenschaft, also nicht wie in der Weimarer Republik beiden Rechts-, Staats- und Sozialwissenschaften. Ohne den Aufbau desStudienganges und die Konsolidierung der Subdisziplin Erwachsenen-bildung hätte es vielleicht eine Verberuflichung, aber sicherlich keineProfessionalisierung der Erwachsenenbildung gegeben. Ergebnissicherndlässt sich für die Jahre 1960 bis 1970 in gesellschafts-, bildungs- undwissenschaftspolitischer Hinsicht nahezu ein komplementärer Gleich-klang der Interessen, Ziele und Anliegen feststellen, der – bei aller be-rechtigter Kritik in Einzelfragen – die Expansion der institutionellen Er-wachsenenbildung stark gefördert hat.

3.2 Die Entwicklung von der ‚Erntephase‘ in den siebzigerJahren bis zur Phase des Abklingens der Bildungs-reform Anfang der achtziger Jahre

Das Machtpotential, welches zur Enaktierung und Aufrechter-haltung des Professionalisierungsprozesses notwendig war, ist weder al-lein aus dem gesellschaftspolitisch/soziokulturellen Kontext noch alleinaus bildungspolitisch/wissenschaftspolitischen Konstellationen und erstrecht nicht allein aus den juristischen Rahmenbedingungen, sondern ausdem Wechselspiel unterschiedlicher Faktoren zu erklären. Als zentraleBewegungsmechanismen, die eher den kurzen, aber heftigen Prozessder Verberuflichung des hauptberuflichen Mitarbeiters mit planend-dis-ponierenden Rollenanteilen bestimmt haben, lassen sich stark verkürzt(und der Argumentation vorgreifend) die folgenden nennen: die Formie-rung und Vorantreibung einer reform- und fortschrittsorientierten Politikbis zu einem Stadium, welches zu einer partiellen juristischen Kodifizie-rung der Reformabsichten geführt hat, eine gegenüber Bildungsfragenempfängliche Öffentlichkeit sowie die Verwissenschaftlichung der päd-agogischen Arbeit. Die Ereignisse des nun einsetzenden Prozesses sindsomit nicht allein der Politik, dem Recht und der Wissenschaft zuzu-rechnen, sondern vielmehr einer Art Interpenetrationszone (vgl. Münch1984; Nittel 1996a) zwischen Bildungspolitik und Wissenschaftssphäreeinerseits und der Berufskultur andererseits. Der erwähnte gesellschaftli-che Resonanzboden, der die Verberuflichung der Erwachsenenbildungförderte und sich zwischen Beginn und Ende der 60er Jahre entwickelte,hat sich dann in der Folgezeit nicht nur ungemein günstig auf die Ausfor-mulierung eines allerdings doch sehr stark auf die Volkshochschule fi-

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xierten Berufsbildes und die Optimierung berufsbiographischer Chan-cen ausgewirkt, sondern auch zur Schaffung ganz neuer Institutionengeführt. In dem gleichen Maße, wie die mit Bildung befassten Institutio-nen als Organisationseinheiten größer wurden, neues Personal einge-stellt wurde, also die Zahl der erwachsenenpädagogischen Ämter undBerufsrollen anstieg, fand auch auf der Seite der Nachfrage eine Expan-sion statt. Wichtig ist an dieser Stelle mit Blick auf den kollektiven Pro-zess auch der folgende Aspekt: Die in den erwähnten bundesdeutschenGutachten und bildungspolitischen Stellungnahmen enthaltenen impli-ziten und expliziten Vorstellungen zur Verberuflichung wurden eine in-stitutionelle Stufe tiefer aufgegriffen und konkretisiert, durch weitere Ver-lautbarungen und Empfehlungen operationalisiert, wobei die Forderun-gen und Positionen gewissen Reinterpretationen unterzogen und in Teil-bereichen auch realisiert wurden. Diese Entwicklung trug dann dazubei, dass die Konzepte der Verberuflichung sowohl mit den Erfordernis-sen der Träger (Volkshochschulen, Kirchen, Gewerkschaften) als auchmit der mittlerweile vorliegenden universitären Rahmenordnung auf lo-kaler Ebene abgeglichen wurden.

Dass die Institution Volkshochschule Vorreiter und zentrale Fi-gur im Professionalisierungsprozess der 70er Jahre war, kann man anden zahlreichen Versuchen der Definition eines Berufsbildes ebensoablesen wie an anderen professionspolitisch relevanten Stellungnahmenund Beschlüssen. Das wohl genaueste Dokument im Hinblick auf dieAusdifferenzierung von Berufspositionen und die Beschreibung ‚typischerTätigkeiten‘ in der Volkshochschule ist das Gutachten „Volkshochschu-le“ der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung(KGSt) aus dem Jahre 1973. Bereits ein Jahr zuvor hatte die nordrhein-westfälische Planungskommission die Aufgaben der hauptberuflichenMitarbeiter in der Erwachsenenbildung im Detail umrissen, aber der Ein-fluss des KGSt-Gutachtens war aufgrund der bundesweiten Verbreitunggrößer. Seine Kernbestandteile umfassen Leitung, pädagogische und fach-wissenschaftliche Angebotsplanung, pädagogische Beratung und eigeneLehrtätigkeit, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und pädagogische Or-ganisation; diese Bestandteile tauchen in ähnlicher oder modifizierterForm in anderen Katalogen über die Tätigkeitsschwerpunkte von haupt-beruflich beschäftigten Erwachsenenbildner/innen immer wieder auf (vgl.Wittpoth 1987:88). Detailliert werden einzelne Tätigkeiten beschrieben,wie etwa pädagogische Planung und Organisation, Arbeiten für Lehrver-

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anstaltungen, pädagogische Beratung, Werbung und Öffentlichkeitsar-beit oder das „Studium und Auswertung von Grundsatzliteratur, von Er-fahrungsberichten, Statistiken und Analysen (z. B. Infrastrukturdaten, Bil-dungs- und Kulturdaten, Gebietsentwicklungsdaten)“ (KGSt 1973:31).Selbst die Leitungsaufgaben in der Erwachsenenbildung, die in den 90erJahren eine deutliche Aufwertung erfahren haben (vgl. Nuissl 1996), sindhier bereits aufgelistet. Neben dem KGSt-Gutachten und der „Gemein-samen Erklärung der Kultusministerkonferenz und des Städtetages zurBerufsposition der Erwachsenenbildner“ haben die 1994 in 7. Auflagevorliegenden „Blätter zur Berufskunde“ über „Leiter/innen und pädago-gische Mitarbeiter/innen an Volkshochschulen“ die Definition des Be-rufsbildes von Erwachsenenbildner/innen bis heute stark bestimmt. Dieprofessionellen Kernaktivitäten implizieren ein multifunktionales Profil,wobei sich die Aufgaben auf den gesamten Arbeitsbogen (vgl. Strauss1985), also die Erstellung des Programmangebotes, die Begleitung, Be-ratung und Betreuung des lehrenden Personals im Zuge der Durchfüh-rungsphase und die Evaluation des Programms, erstreckten. Ausgehendvon den Gutachten der 60er Jahren bis zu den hier angesprochenen Do-kumenten zeichnet sich ein ‚roter Faden‘ ab: Während in den 60er Jah-ren die gesellschafts- und bildungspolitischen Basisargumente geliefertwurden, fand in den 70er Jahren eine Art berufspolitischer Transfer imSinne der Profilbildung einer Berufsrolle statt.

Sowohl das KGSt-Gutachten, das nordrhein-westfälische Doku-ment wie auch die von Tietgens verantworteten „Blätter zur Berufskun-de“ über Leiter/innen und pädagogische Mitarbeiter/innen demonstrie-ren gegenüber nicht-pädagogischen Fachkulturen in Fragen der Rekru-tierung des Personals und der Beschäftigung in der Erwachsenenbildungeine gewisse Offenheit. Diese Bereitschaft zur Fremdrekrutierung gegen-über pädagogisch handlungsfähigen Fachleuten erscheint unter zweiAspekten erwähnenswert: Machtstrategisch signalisiert dies an die Adresseanderer akademischer Berufe gerichtet insofern eine ‚weiche Strategie‘der Verberuflichung, als – im Gegensatz zur erfolgreichen Professionali-sierungsstrategie in anderen Feldern – von einer Tendenz der Exklusionbzw. Verdrängung fremder Berufsgruppen Abstand genommen wurde.Dass eine erziehungswissenschaftliche Definitionshoheit in Fragen derErwachsenenbildung weder erwogen noch beansprucht wurde, mag wis-senschaftspolitisch ein Zeichen der Zurückhaltung und Bescheidenheitsein, professionspolitisch stellt dieser Umstand möglicherweise auch ein

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Indiz für einen schwach entwickelten Durchsetzungswillen dar. Hinterdieser Offenheit gegenüber anderen Berufsgruppen verbarg sich auf derberufspolitischen Ebene eine zweite Botschaft, nämlich die, dass den an-gehenden Absolventen des kurze Zeit zuvor errichteten grundständigenStudiengangs signalisiert wurde, dass sie gegenüber Mitgliedern andererakademischer Berufe im angestammten Berufsfeld keineswegs Vorteile ge-nießen. Da in der Erwachsenenbildung auch nicht-pädagogisches Wis-sen in Form von wissenschaftlichen Fachwissen oder anderen Formen desSonderwissens eine strategisch wichtige Rolle spielt, trug diese Bereitschaftzur Fremdrekrutierung dazu bei, die im Berufsfeld tätigen Fachexpertenaus nicht-pädagogischen Fachkulturen zu integrieren.

Die eben genannten Verlautbarungen und Stellungnahmen zurProfilierung der Berufsrolle des hauptberuflich tätigen Mitarbeiters trafenauf ein empfängliches Berufsfeld. Die gestiegene Bildungsnachfrage undder Ausbau der Institutionen schufen einen beträchtlichen Personalbe-darf, der aufgrund des damals noch großen finanziellen Spielraums deröffentlichen Hand gedeckt werden konnte. Rapide gingen die Besucher-zahlen schon in den 60er Jahren in die Höhe, und auch in den 70er Jah-ren setzte sich diese Tendenz fort, so dass sich die Gesellschaft genau injene Richtung zu entwickeln schien, die die Propheten des lebenslangenLernens vorhergesagt hatten. Mehr Besucher bedeuteten Legitimations-gewinn im Hinblick auf den Ausbau des Personalbestandes. Die Erwach-senenbildung vollzog, was die Teilnehmer/innen-Zahlen, die institutio-nelle und die berufspolitische Infrastruktur angeht, demnach ein Hand-lungsschema des kollektiven Aufstiegs. Einige Daten sollen dies verdeut-lichen: Während im Jahre 1953 noch circa 1,3 Millionen Bundesbürgerdie Volkshochschulen besucht haben, waren es 1974 immerhin schon3,5 Millionen. Die Expansion des Personals entsprach zwar nicht genaudiesem dramatischen Nachfragezuwachs, doch zumindest ist eine pro-portionale Abhängigkeit zwischen den Größen Teilnehmerzahlen, kurz-und längerfristige Bildungsangebote und Personalbestand feststellbar. Soführt Tietgens (1973) aus, dass sich die Zahl der hauptberuflichen päd-agogischen Mitarbeiter zwischen 1967 und 1972 im Volkshochschulbe-reich auf 550 erhöht habe; man könne, so das Ergebnis seiner Recherche,von einer durchschnittlichen Steigerungsrate von jährlich 20% sprechen.Mit Blick auf die gesamte Weiterbildung glaubt Tietgens in den 70er Jah-ren die Angaben einzelner Träger in den Bundesländern dahingehendzusammenfassen zu können, „dass alle Institutionen zusammen bisher

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etwa eine doppelte Anzahl hauptberuflicher Mitarbeiter angestellt haben“(ebenda:142). Präzise Zahlen liegen sowohl auf Bundes- und Landesebe-ne bei den Volkshochschulen vor: Waren 1963 in Hessen nur 28 haupt-berufliche Leiter und pädagogische Mitarbeiter/innen an Volkshochschu-len beschäftigt, so arbeiteten 1979 bereits 186 Personen in den entspre-chenden Positionen; ähnlich steil gingen die Zahlen des nebenberuflichenPersonals in die Höhe: Waren es im Jahre 1963 noch 2.048 Kursleiter/innen, so belief sich die Zahl 1979 bereits auf 10.824.

Solche Daten werfen die Frage auf, wie sich die Entwicklung inden 70er Jahre genau gestaltet hat und ob die expansive Verberuflichungin den 80er Jahren dann fortgesetzt werden konnte. Die einzig verlässli-che Statistik im Weiterbildungsbereich (in diesem Zeitraum), nämlichdie des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, weist für Mitte bis Endeder 70er Jahre – bezogen auf die gesamte Bundesrepublik – beeindru-ckende Steigerungsraten aus, und zwar sowohl was die Zahl der haupt-beruflichen Leiter als auch die der hauptberuflich tätigen Mitarbeiter an-geht. Waren 1969 erst 310 hauptberuflich tätige Leiter/innen und päd-agogische Mitarbeiter/innen angestellt, so belief sich die Zahl 1979 be-reits auf 1.596. Auch nach 1980 reißt der Aufwärtstrend nicht ab, im-merhin konnte 1983 bereits die Zweitausender-Marge übersprungenwerden. Dies entspricht, bezogen auf den Zeitraum 1969 bis 1979, ei-ner Verfünffachung des Personals.

Da diese Daten sich ausschließlich auf den Volkshochschulbe-reich beziehen und keine Informationen über neue Einrichtungen bieten,müssen sie – um eine Verengung des Blicks auf die Weiterbildungsland-schaft zu vermeiden – durch zusätzliche Erläuterungen ergänzt werden.Mit der Verabschiedung von Ländergesetzen, welche die Freistellung vonArbeitnehmern zum Zweck des Bildungsurlaubs vorsahen, wurde für Er-wachsenenbildner eine ganze Reihe neuer Beschäftigungsoptionen eröff-net. Insbesondere im gewerkschaftlichen Bereich und bei den parteina-hen Stiftungen gab es einen Zuwachs an hauptberuflichen Stellen; auchdie Herausbildung eines neuen pädagogischen Rollenprofils, des‚Teamers‘, kündigte sich in dieser Zeit an. Der nebenberufliche Teamerarbeitete in einem Anregungsmilieu, das für viele ein berufsbiographischesMotiv schuf, um in der außerschulischen Jugendbildung oder in der Er-wachsenenbildung hauptberuflich tätig zu werden. Parallel zum Ausbauder Angebote von Seiten etablierter Einrichtungen wurden neue Einrich-

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tungen im sogenannten Alternativbereich gegründet. So nahm 1973 – umein Beispiel zu nennen – ein durch die Initiative von Paul Röhrig einge-richtetes Volkshochschulheim, in dem Arbeiter/innen und Student/innengemeinsam leben und lernen sollten, seine Arbeit auf. Zunehmend öffne-ten sich auch die Universitäten gegenüber den Anliegen der Erwachse-nenbildung, und das bedeutete, dass die insbesondere an Reformuniver-sitäten und später auch an anderen Hochschulen geschaffenen Kontakt-stellen und anderen Weiterbildungseinrichtungen Personalbedarf anmel-deten. Auch die ausgeweiteten Angebote auf den Gebieten Fernunterrichtund Nachholen von Bildungsabschlüssen riefen in den einschlägigen In-stitutionen einen Bedarf an neuen Stellen hervor. Die Erwachsenenbil-dung begann sich in dieser Zeit in den unterschiedlichsten gesellschaftli-chen Subsystemen einzunisten. So zog zum Beispiel das Konzept der ‚in-neren Führung‘ bei der Bundeswehr einen großen Mehrbedarf an politi-scher Bildung nach sich, und einzelne Landesverbände der Volkshoch-schulen kooperierten mit der Bundeswehr auf diesem Gebiet (vgl. Rohl-mann 1991). Die Erwachsenenbildung begann sich in ganz ungewohn-ten Feldern, wie beispielsweise im Strafvollzug, auszubreiten. Interme-diäre Einrichtungen, die den Prozess der Verberuflichung und der Ver-wissenschaftlichung sachkundig begleiten und die dabei auftretendenFolgeprobleme abfedern sollten, wurden notwendig und – da das Gelddafür damals vorhanden war – auch gegründet. Intermediäre Einrichtun-gen haben die Funktion, nicht nur zwischen Wissenschaft und Praxis, son-dern auch zwischen Berufspraxis und Politik zu vermitteln. Sie dienen alseine Art Denkfabrik und bieten multifunktionale Support- und Service-dienste an (Fortbildung, Entwicklung innovativer Konzepte, didaktischeEntwicklungsforschung). 1978 begann in Nordrhein-Westfalen das Lan-desinstitut für Schule und Weiterbildung mit seiner Arbeit; und ungefährim gleichen Zeitraum wurde die Pädagogische Arbeitsstelle des DeutschenVolkshochschul-Verbandes wissenschaftspolitisch aufgewertet, indem siein den Kreis der sogenannten Blaue-Liste-Institute, der von Bund und Län-dern gemeinsam finanzierten Serviceeinrichtungen, aufgenommen wur-de. Insbesondere der Ausbau solcher intermediären Institutionen deutetauf eine Verstetigung der Verwissenschaftlichung und auf die steigendeKomplexität des Berufsfeldes und die Vermehrung von mit Weiterbildungs-aufgaben betrauten Berufsrollen hin.

Faktisch vollzogene Verberuflichung und die publizistische Be-gleitung und Reflexion der diesbezüglichen Schritte sind zwei ganz ver-

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schiedene Realitätsebenen, die nicht zwingend miteinander korrespon-dieren müssen. So ist seit Mitte der 70er Jahre auf dem Veröffentlichungs-markt, für manche überraschend, eine deutliche Abnahme der Publika-tionen zum Thema Verberuflichung und Professionalisierung zu registrie-ren. Dieser Rückgang ist durch Recherche belegt (vgl. Fink 1990). Offen-sichtlich war der Reflexions- und Legitimationsbedarf schwächer gewor-den, so dass sich die Diskussion auf die Reproduktion ähnlich gelagerterArgumente zugunsten der Hauptberuflichkeit in der Erwachsenenbildungbeschränken konnte. Da in den 70er Jahren so viele hauptberuflicheMitarbeiter/innen eingestellt wurden wie nie zuvor und nie danach, be-stand also ein echter Handlungs- und in geringerem Maße ein Refle-xions- und Legitimationsbedarf. Über Professionalisierung wurde nichtmehr reflektiert, sie wurde faktisch vollzogen.

Würde man Professionalisierung nur auf die Zunahme haupt-beruflicher Stellen, die Aufwertung des beruflichen Status und die Opti-mierung ähnlich gelagerter formaler Merkmale einengen, so könnte mandie eben dargelegte Entwicklung ohne jede Relativierung als Erfolgsge-schichte betrachten. Den Verberuflichungsprozess in dem hier in denBlick genommenen Zeitrahmen als berufspolitischen Fortschritt zu cha-rakterisieren schließt selbstverständlich die Berücksichtigung seiner Schat-tenseiten keineswegs aus. Der Versuch einer abgewogenen Betrachtungs-weise mündet in die These, dass es sich hier um einen Verberuflichungs-prozess handelt, der neben der Verwissenschftlichung und der Expansi-on der Anbieter auch zu einem beträchtlichen Wachstum des haupt-,neben- und freiberuflichen Personals geführt hat; andererseits weist eraber auch das Merkmal eines reduzierten und eindimensional ausge-richteten Professionalisierungsprozesses auf. Ein Indiz für diese Behaup-tung ist, dass neben den stellenpolitischen Aspekten die Dimension desBerufshandelns selbst, also Fragen der Professionalität, weitgehend aus-geklammert wurde. Darüber hinaus – und das steht mit dem zuvor ge-nannten Punkt in enger Beziehung – konnte in vielen Debatten die Do-minanz politischer Erwägungen, eine Art ‚Überpolitisierung‘ beobachtetwerden. In den 70er Jahren entstand nämlich nicht nur die Vorstellung,Erwachsenenbildung auf die Arbeit der Volkshochschulen oder anderergroßer Träger zu reduzieren; parallel dazu gab es auch Versuche, sienormativ auf emanzipatorische Bildungsarbeit oder auf ‚Arbeiterbildung‘einzuengen. Die in dieser Zeitphase aufgrund des Stellenzuwachses an-stehende und durchaus erwartbare Konstitution einer organisierten Be-

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rufskultur wurde durch Abgrenzungsrituale und politisches Lagerdenkenerschwert. Die Überfokussierung auf Politik und die damit einhergehen-de Indifferenz gegenüber der Empirie der alltäglichen Arbeit blockiertenden Aufbau eines inneren Commitments gegenüber der Dignität erwach-senenpädagogischen Handelns jenseits einer bloßen Rhetorik der Ge-sinnung. Die Einigung auf professionelle Standards und der Austauschpraktischer Erfahrungen traten gegenüber ideologisch gefärbten Graben-kriegen über die richtige politische Strategie in den Hintergrund. Daserklärt, warum in den Debatten von ‚Professionalisierung‘ als Kürzel füreine ideologisch unterfütterte Strategie der Verberuflichung, aber so gutwie nie von ‚Professionalität‘ als Synonym für die Kontingenz des alltäg-lichen Berufshandelns die Rede war. Die damals schon virulente, pro-fessionstheoretisch allerdings kaum thematisierte Vielfalt der Erwachse-nenbildungspraxis in Vereinen, Kulturinitiativen, bei Stiftungen und Be-rufsverbänden bis hin zur politischen Bildung bei der Bundeswehr istAusdruck der bis heute anhaltenden Zersplitterung der Berufskultur. DiePraktiker richteten ihre berufliche Programmatik und ihre handlungsori-entierenden Deutungsmuster nicht an einem durch die gemeinsame wis-senschaftliche Sozialisation geprägten Berufsverständnis aus, sondern re-produzierten die institutionellen Selbstbeschreibungen der Träger oderdie normative Programmatik eines bestimmten pädagogisch-politischenLagers. Ein Indiz für die Vereinseitigung von Politisierungstendenzen unddie Ausklammerung beruflicher Realabläufe in den 70er Jahren lieferndie damals vorherrschenden Erfolgsmaßstäbe: Der Erfolg von erwachse-nenpädagogischer Arbeit wurde weniger nach Maßgabe klientenorien-tierter Kriterien bemessen, also etwa unter dem Aspekt, inwieweit derErwachsenenbildner den Teilnehmer/innen dazu verholfen hat, ihre Lern-interessen und -bedürfnisse zu befriedigen und ob er sie zu gesteigertenReflexionsleistungen stimuliert hat. Ausschlaggebend war etwas ganzanderes, nämlich, ob die Teilnehmer/innen durch das Bildungserlebnismobilisiert werden konnten, aktiv an der Transformation des gesellschaft-lichen Status quo mitzuarbeiten. Erwachsenenbildung galt aus der Sichtder emanzipatorischen Bildungsarbeit als ein probates Mittel zur Reali-sierung eines außerhalb des pädagogischen Sinnsystems formuliertenZwecks. Damit wurde die zuvor unter bildungspolitischem Vorzeichengewonnene Affinität der Bildung des Erwachsenen gegenüber einer zen-tralwertbezogenen Leistung konterkariert. Der Zentralwertbezug (Gesund-heit, Recht, Bildung) schöpft aus sich selbst heraus sein Legitimationspo-tential, und jede Bezugnahme auf andere Rationalitäten zieht Geltungs-

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einbußen nach sich. Die politische Unabhängigkeit, die das Professions-paradigma aufgrund einer abstrakten Gemeinwohl- und Klientenorien-tierung strikt erfordert, war mit der Neigung, die pädagogische Welt nachihren befreienden oder ihren herrschaftssichernden Funktionsprinzipienabzusuchen, kaum vereinbar. Selbst eine Position wie die, dass die Pro-fessionstheorie von Parsons eine verdeckt antikapitalistische Tendenzbeinhaltet (vgl. Brunkhorst 1992), hätte wegen der simplifizierenden Re-zeption marxistischer Theorien und der ritualisierten Ablehnung des Struk-turfunktionalismus kaum Gehör gefunden. Gieseke vertritt sogar die Po-sition, dass „die hohe politische Außenorientierung, die von den Berufs-vertretern bewusst und fraglos als inhaltlicher Kern des eigenen Tunsübernommen wurde, mitentscheidend für die nicht gelungene profes-sionelle Entwicklung ist“ (Gieseke 1994a:295).

Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre schienen die antiprofes-sionellen Affekte, die vereinzelt von Vertretern der akademischen Erwach-senenbildung artikuliert wurden, durch den Aufschwung der sozialenBewegungen neue Nahrung zu erhalten. Wissenschaftskritik und Skep-sis gegenüber den immer weiter ausufernden Expertenkulturen warennun angesagt, ohne dass dies jedoch den weiterhin dominanten kollek-tiven Prozess der Verberuflichung nachhaltig irritiert hätte. Die aufblü-hende Friedens-, Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung schien für kur-ze Zeit das ideale Anwendungsgebiet einer „substantiellen Professiona-lität“ darzustellen. Diese bedeutete, den Beruf als „verantwortungsvolleSelbstverwirklichung“ zu begreifen und das diesbezügliche Handeln nachdem Modell des von Gramsci entworfenen „organischen Intellektuel-len“ auszurichten (vgl. Alheit/Tietgens 1988). Die für den weiteren Ver-beruflichungsprozess wirklich schicksalsträchtigen und nachhaltigen Ent-scheidungen und Fakten wurden auf einer anderen Bühne als der derakademischen Debatte getroffen. Als die eigentlich zentralen Protagonis-ten der Bildungspolitik erwiesen sich die Finanzminister, die schon frühvor der Nichtbezahlbarkeit der Reformen warnten. Doch auch der sichbereits in den 70er Jahre andeutende bildungspolitische Roll-back trugkeineswegs dazu bei, dass die mit den sozialen Bewegungen verbunde-nen Innovationspotentiale zurückgedrängt wurden und eine weitere In-stitutionalisierung des lebenslangen Lernens verhindert worden ist. Ne-ben dem weiteren Ausbau der Zertifikatsangebote fand auf der Ebenedes erwachsenenpädagogischen Mainstream eine Art zielgruppenspezi-fische Ausdifferenzierung im Professionalisierungsprozess statt: Vor dem

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Hintergrund eines ungebrochenen Interesses an Bildungsangeboten wur-den neue Konzepte für Behinderte, Arbeitslose, alte Menschen und an-dere gesellschaftliche ‚Problemgruppen‘ entwickelt. Obwohl das Mo-dell des planend-disponierenden hauptberuflichen pädagogischen Mit-arbeiters nach wie vor das Orientierungszentrum der professionstheore-tischen Diskussion blieb, kristallisierten sich mit der Zielgruppendiskus-sion zunehmend auch spezialisierte Fachkulturen heraus, die auf demEigensinn der durch die jeweilige Zielgruppe (und deren Interessen undBedürfnissen) geprägten Arbeit insistierten. Schließlich kam es in dieserPhase auch zu einem engen Schulterschluss von Frauenbewegung undFrauenbildung, und von dieser Seite wurde immer wieder auf das Skan-dalon hingewiesen, dass in vielen Bereichen der Erwachsenenbildungfaktisch Frauenbildung betrieben wird, ohne dass die Frauen – vor allemin Leitungsfunktionen – angemessen in den Institutionen verankert wä-ren. Obwohl dies den Betroffenen nicht immer bewusst war, nutzten dieetablierten Einrichtungen das inhaltliche und formale Kreativpotentialdes sogenannten Alternativbereichs für ihre Zwecke: So wurden Anre-gungen aus der stadtteilbezogenen Kulturarbeit nun auch von den eta-blierten Einrichtungen der Erwachsenenbildung aufgenommen, Gesund-heits- und Umweltbildung begannen sich in den Volkshochschulen alsneue Felder zu etablieren. Angebote, die eine Anpassung an die neuenTechnologien ermöglichten oder in anderer Weise zur beruflichen Bil-dung beitrugen, wurden weiter ausgebaut. In dieser Zeit gelang es denersten privaten Bildungsanbietern vermehrt, sich in gängigen Bereichenwie dem Fremdsprachenlernen auf dem Markt zu platzieren.

In Erinnerung an die Wachstumsraten und die reformerischeAufbruchsstimmung der 70er Jahre begannen Anfang der 80er Jahre diegroßen Bildungsträger und jene Experten, die deren Interessen vertraten,den ins Stocken geratenen personalpolitischen Ausbau zu kritisieren. Diestaatlichen Ausgaben für Erwachsenenbildung wurden empfindlich ge-kürzt, aber es wäre verfehlt, die Verberuflichung der Erwachsenenbil-dung ausschließlich an den finanziellen Zuwendungen des Wohlfahrts-staates festzumachen. Trotz einiger zahlenmäßiger Einbrüche konnte inberufspolitischer Hinsicht von einem Ende des Wachstums keine Redesein. Sowohl in institutioneller Hinsicht als auch auf der Ebene des An-gebots- und Nachfragevolumens und der Zahl der hier tätigen Personenging es mit der Berufskultur durchaus voran. Die nicht zu ignorierendenegative bildungspolitische Stimmung Anfang der 80er Jahre mag mit

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dem Rückgang der Zuwendungen an bestimmte Träger zusammenhän-gen; der Prozess der faktischen Verberuflichung und der stellenpoliti-schen Expansion ging jedoch weiter. Noch in den 80er Jahren wuchssogar die Zahl der hauptberuflich tätigen Erwachsenenbildner weiter-hin, wenn auch nicht mehr so stark wie zehn Jahre zuvor: 1989 beliefsich die Zahl der hauptberuflichen Leiter auf 500 (1979: 396), die derfestangestellten pädagogischen Mitarbeiter auf 1.683 (1979: 1.200) unddie der Projektmitarbeiter auf 1.482 (1979: keine Angaben). (Erst Anfangder 90er Jahre – das kann vorgreifend gesagt werden – fanden dann inder Folge der deutschen Wiedervereinigung gravierende Einbrüche imPersonalbestand der Volkshochschulen statt.) In einigen Ländern versuchteman das insbesondere in den 80er Jahren virulente Problem der Lehrer-arbeitslosigkeit dadurch zu bearbeiten, dass man die arbeitslosen Päd-agogen gleichsam in die Erwachsenenbildung umleitete. Die quantitati-ve Expansion des Personals – unabhängig davon, dass es sich um festan-gestellte Quasi-Beamten handelte – beruhte vor allem darauf, dass vieleInstitutionen immer mehr Mitarbeiter befristet und projektfinanziert ein-stellten. Mit dem Aufschwung der AFG-finanzierten Weiterbildung wuch-sen quantitativ die Beschäftigungsoptionen nochmals, obgleich in man-chen Bereichen mit Blick auf die tatsächlichen finanziellen, sozialen undversicherungstechnischen Arbeitsbedingungen eine Art Proletarisierungdes Weiterbildungspersonals stattfand.

Charakteristisch für die Lage der Erwachsenenbildung dürfte dasPhänomen sein, dass nicht die Betroffenen selbst ihren Unmut über denIst-Zustand des Weiterbildungspersonals artikulierten, sondern die Ver-treter der Wissenschaft und der Organisationen. Doch die tiefere Ursa-che für die damals vorherrschende Klage von Seiten der Träger und Ein-richtungen schien nicht unbedingt die faktische Situation, sondern viel-mehr das endgültige Obsolet-Werden des für den kollektiven Prozessder Verberuflichung verantwortlichen Bewegungsmechanismus zu sein:nämlich die Einheit von bildungspolitischem und gesellschaftspolitischemReformwillen, die Verwissenschaftlichung und eine der klassischen Bil-dungsidee aufgeschlossene Öffentlichkeit.

Anfang der 80er Jahre war dieser Bewegungsmechanismus nichtmehr funktionsfähig, weil sowohl der bildungspolitische als auch dergesellschaftliche Reformwille erlahmte. Dass das Projekt der Bildungsre-form verbraucht war, hatte weniger mit dem Regierungswechsel 1992

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zu tun als vielmehr mit Ursachen komplexerer Natur. So wurde der alteMechanismus, der die Bewegung der Erwachsenenbildung bestimmte,durch einen neuen ausgetauscht. Zum einen setzte sich nun vollendsdie Tendenz durch, sozial- und arbeitspolitische Problemlagen in päd-agogische umzudefinieren, daraus institutionelle Handlungsbedarfe beiden Bildungsträgern und Einrichtungen abzuleiten und diese wiederumals Begründung für die Rekrutierung von neuem Personal zu nutzen.Zum anderen verstärkte sich der unterhalb der Schwelle der öffentlichenAufmerksamkeit längst begonnene kollektive Prozess, dass die Erwach-senenbildung gleichsam aus ihren angestammten Einrichtungen auswan-derte, in ungewohnte Segmente des gesellschaftlichen Produktions- undReproduktionszusammenhangs eindrang, so dass für eine nicht unbe-trächtliche Zahl angehender Erwachsenenbildner/innen sukzessiv neueHandlungsfelder entstanden sind. In diesen Kontext ist auch der dannspäter vollzogene Ausbau der betrieblichen Bildungsarbeit einzuordnen.Tatsache ist, dass Anfang der 80er Jahre der Geldfluss in Richtung Er-wachsenenbildung nicht mehr so reibungslos war und in der Öffentlich-keit der reformpolitische Konsens aufgekündigt wurde.

Auf den Verberuflichungsprozess besonders nachhaltig ausge-wirkt haben sich die seit der ersten Hälfte der 80er Jahre beobachtbareweiterbildungspolitische Rücknahme der öffentlichen Verantwortung undder Verlust eines institutionellen Zentrums eben dieser Professionalisie-rung, was eng mit der veränderten Rolle der Volkshochschule innerhalbder weiterbildungspolitischen Landschaft zusammenhängt. Ein wichtigesDokument in der damaligen Bildungspolitik in Deutschland ist der Be-richt der baden-württembergischen Kommission Weiterbildung von 1984.Dieses Dokument markierte einen Wendepunkt, nicht nur weil „es denNeubeginn einer eingeschlafenen weiterbildungspolitischen Debatte dar-stellte“ (Dröll 1998:8), sondern weil es auch eine implizite Abwertungberufspolitischer Belange vollzog. Dass der Bericht aus der Sicht der er-wachsenenpädagogischen Berufspolitik auf keine sonderlich positiveResonanz stieß, hängt nicht nur damit zusammen, dass dem Weiterbil-dungspersonal in der Textfassung nur eine halbe Seite gewidmet wurde,sondern auch mit der Konservierung des berufspolitischen Status quo:Wegweisende, auf die Förderung des Berufshandelns abzielende Positio-nen fehlen in dem Bericht ebenso wie die Unterstützung der Professiona-lisierung des mikrodidaktischen Handelns. Hinzu kommt, dass hier eineerste vorsichtige Abkehr von der bislang immer betonten öffentlichen Ver-

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antwortung der Erwachsenenbildung vollzogen wird, indem beispielswei-se vor einer wettbewerbsverzerrenden staatlichen Förderung gewarnt, aufder Pluralität der Träger und Angebote insistiert und eine Stärkung des Sub-sidiaritätsprinzips gefordert wird. Der Bericht markiert insofern eine Zä-sur, als der Marktcharakter von Weiterbildung zum ersten Mal akzentu-iert, eine „Reprivatisierung der Weiterbildung“ (Strunk) angedeutet undder öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung nur der Status einesSegmentes unter anderen zugebilligt wurde. Dies hatte, wie sich späterzeigen wird, gravierende Konsequenzen für die weitere Verberuflichung.Das Gutachten hat für die 80er Jahre symptomatischen Charakter, weil esden Verlust der positiven Strahlkraft der Verberuflichung ausdrückt unddas Brüchig-Werden der üblichen Legitimationsmuster und Begründungs-folien für das Argument ‚Hauptberuflichkeit‘ signalisiert.

Die politischen Rahmenbedingungen für den Transfer des inquantitativem Sinne durchaus einträglichen Verberuflichungsprozessesin einen qualitativ hochwertigen Prozess der Steigerung von Professio-nalität, der zu einer Optimierung aller didaktischen Handlungsebenenhätte beitragen können, waren Mitte der 80er Jahre nicht sonderlich güns-tig. Der Staat begann im Bereich der Weiterbildung sich zunehmend alsModerator und weniger als zielgerichteter Gestalter zu definieren. Mehrund mehr zeichneten sich die Konturen eines Weiterbildungsmarktesab. Dass die Volkshochschulen bisher die Funktion eines Barometershatten, an dem der Fortschritt der Professionalisierung abgelesen wer-den konnte, lenkt die Aufmerksamkeit auf den Punkt, dass die bisherigeVerberuflichung zumindest bildungspolitisch und juristisch an ein Zen-trum gebunden war. Dass mit der in den 80er Jahren einsetzenden Di-versifikation und Ausdifferenzierung der Erwachsenenbildung und dersozialpolitischen Funktionalisierung der Weiterbildung die Professiona-lisierung ihr organisatorisches Kraftzentrum verlor, war für den weiterenHergang der Verberuflichung von entscheidender Bedeutung.

Ergebnissichernd lässt sich Folgendes sagen: Das prägende Be-wegungsprinzip für die Entwicklung der Weiterbildung in den 70er Jahreim Allgemeinen und für die Verberuflichung im Besonderen, nämlichWeiterbildungspolitik als staatsorientierte Reformpolitik zu betreiben unddie Berufskultur davon profitieren zu lassen, wurde spätestens in derMitte der 80er Jahre endgültig obsolet. Nicht mehr die reform- und fort-schrittsorientierte Politik, ihre juristische Kodifizierung in Gestalt der

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Weiterbildungsgesetze und die Verwissenschaftlichungsschübe bestimm-ten von nun an die Verberuflichung, sondern andere Mechanismen. ImEinzelnen haben die folgenden Faktoren zur Notwendigkeit einer ge-sellschaftlichen Neupositionierung der Weiterbildung und zu einer Mo-difikation der bisherigen Verberuflichung beigetragen: die gesellschaftli-che und politische Aufwertung der beruflichen und der betrieblichenBildung, die sozial- und arbeitsmarktpolitische Instrumentalisierung vonWeiterbildung, die Rücknahme von staatlicher Verantwortung, die Plu-ralisierung des Weiterbildungsmarktes und schließlich die deutsche Wie-dervereinigung.

3.3 Vergleich zwischen der Weimarer Republik und derZeit der Bildungsreform

Sowohl der Phase der Weimarer Republik als auch der Zeit derBildungsreform wird in der professionstheoretischen Diskussion in derErwachsenenbildung eine besondere Aura und bildungspolitische Rele-vanz zugeschrieben. Der kritische Vergleich dieser beiden besondersausgewiesenen Phasen der Geschichte der Erwachsenenbildung erfolgtin der Absicht, etwas mehr Abstand gegenüber impliziten Beurteilungs-und Bewertungsrastern zu erlangen, die – gewollt oder ungewollt – nichtselten dazu führen, den Aufbruch in der Weimarer Republik bzw. denElan aus der Ära der Bildungsreform mit der wesentlich nüchternerenNormalität des Verberuflichungsprozesses vor und nach diesen beidenZeiträumen gleichzusetzen.

Mit Blick auf die Entwicklung in der Bundesrepublik kann ausden bisherigen Überlegungen die These einer historischen Ausnahme-konstellation abgeleitet werden. Trotz Differenzen in Grundsatzfragenhat sich hinter dem Rücken von konkurrierenden bildungspolitischenAkteuren ein kleinster gemeinsamer Nenner zwischen den auf mehr Chan-cengleichheit und Selbstverwirklichung insistierenden Kräften und de-nen herausgebildet, die auf eine bessere Ausnutzung der Qualifikations-potentiale der Arbeitnehmer im Zuge der Erwachsenenlebens setzten.Zum anderen – und das unterstreicht die These von der historischenAusnahmesituation – kristallisierte sich die Trias aus reformorientierterPolitik, deren rechtlicher Abfederung und der Konstitution einer wissen-schaftlichen Disziplin zeitgleich mit dem Höhepunkt des gesellschaftli-chen Wandlungsprozesses heraus, den man auch als kulturellen Erneue-

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rungsprozess bezeichnen könnte. Der Slogan „Mehr Demokratie wa-gen“ und die Durchsetzung einer neuen Ostpolitik, Liberalisierungsschübein den zwischenmenschlichen Verkehrs- und Umgangsformen, die Durch-brechung von Tabus von Seiten der Studenten- und der Frauenbewe-gung und die gleichzeitige Adaption einer demokratischen, diskursori-entierten Kultur, die beginnende Auseinandersetzung mit dem National-sozialismus – all diese Stichworte vermitteln nur einen vagen Eindruckvon der Dynamik und der Aufbruchstimmung, die diesen Prozess derkulturellen Erneuerung und der Bildungsreform begleitet hat.

Das zur Durchsetzung der Hauptberuflichkeit notwendigeMachtpotential hätte nicht mobilisiert werden können, wäre kein Kon-sens der sonst auseinander driftenden Interessenlagen und konkurrieren-den Akteure (Wirtschaft, linke Milieus) zustande gekommen. DiesesMachtpotential war kraftvoll genug, um die Hauptberuflichkeit der pla-nend-disponierenden Berufsrolle durchzusetzen; es erwies sich aber alszu schwach, um die Durchsetzung der Verberuflichung des nebenberuf-lichen Handelns voranzutreiben. Für die Bundesrepublik kann generelleine Verberuflichung von oben nach unten festgestellt werden: Wurdenzunächst (teilweise noch vor der großen Verberuflichungswelle) die Lei-tungspersonen in feste Anstellungsverhältnisse übernommen, dann dieBerufsrollen des planend-disponierenden Personals ausgebaut und inHauptberuflichkeit überführt, gab es schließlich auch Versuche, Teiledes lehrenden Personals mit festen Arbeitsverträgen zu versorgen. Dasses im Gegensatz zur Hauptberuflichkeit für die nebenberufliche Rollekeine wirklich geschlossene Position unter den Protagonisten der Erwach-senenbildung gab, wie die Debatte über den sogenannten Weiterbildungs-lehrer (vgl. Beinke/Arabin/Weinberg 1980) zeigt, könnte ein wesentli-cher Grund für die geringe Wirksamkeit der diesbezüglichen Versuchesein. Während einige Vertreter aus der akademischen Erwachsenenbil-dung und der Bildungspolitik für Weiterbildungslehrer votierten (was miteinem höheren Maß an Professionalität im mikrodidaktischen Bereichbegründet wurde), gab es andere, die mit der ‚Abschaffung‘ der neben-beruflichen Kursleiter den Verlust von Flexibilität und Vielfalt des Ange-bots befürchteten und die Forderungen wegen der hohen erwartbarenKosten für unrealistisch hielten.

Wenn man die Situation der Volksbildner in der Weimarer Zeitmit der Lage des Weiterbildungspersonals in der bundesrepublikanischen

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Phase der Bildungsreform in Beziehung setzt, so gibt es – vordergründigbetrachtet – bei aller Differenz auch die eine oder andere überraschendeAnalogie. Ein Beispiel ist der kollektive Versuch einer pädagogischen Be-arbeitung soziokultureller und ökonomischer Umbruchsituationen: In demeinen Fall war eine tiefgreifende gesellschaftliche Krise, in dem anderenFall eine durch staatliche Reformen flankierte Modernisierungsprozess-welle Auslöser für die gestiegenen Bedarfe an organisierter Erwachsenen-bildung. Sowohl in der Weimarer Republik als auch in der Bundesrepu-blik Deutschland haben die staatlichen Rahmenbedingungen den Hand-lungsbedarf der Akteure maßgeblich bestimmt; eine ‚Bewegung von un-ten‘ im Sinne einer sich formierenden Berufskultur gab es bis auf wenigeAusnahmen nicht. Es waren Funktionäre, Wissenschaftler und Bildungs-politiker, die stellvertretend für ‚die Praktiker‘ sprachen, und diese Traditi-on hält bis heute an. Dass der Beruf Erwachsenenbildner in der WeimarerRepublik nach dem Vorbild einer Mission modelliert war, entsprach inder Phase der Bildungsreform dem Modell des vorwiegend emanzipato-rischen Zielen folgenden Planers und Organisators, dessen wissenschaft-liche Ausbildung in den Dienst eines höheren Zwecks gestellt wurde. DasMuster, das sich auf der Ebene der Bildungspolitik als Missionsmodelldarstellt, präsentiert sich auf der Ebene des Handelns als heroische Pra-xis. Überspitzt formuliert könnte man sogar von einer subjektlosen Ver-beruflichung sprechen, denn in der Weimarer Republik wie auch in derPhase der Bildungsreform hat sich von der berufspolitischen Basis her keinkollektives Handlungssubjekt zur Durchsetzung berufsständischer Inter-essen konstituieren können. Die von Schulenberg in Anlehnung an Hesseformulierte Formel einer „selbstgesteuerten Professionalisierung“, die jadie Organisation, Bündelung und Artikulation von Berufsinteressen vonder Basis der Berufskultur voraussetzt, hat in beiden historischen Epochennur rudimentär existiert. Zwar haben sich hier und da informelle Netz-werke und lose Vereinigungen gebildet, aber die Berufskultur verfügtedamals und verfügt auch heute noch nicht über die Kraft, mit einer Stim-me zu sprechen und in der Öffentlichkeit ihre Anliegen voranzubringen.Ohne dass dies als Indiz einer paternalistischen Haltung betrachtet wur-de und wird, stößt die berufspolitische Artikulation von Interessen undPerspektiven, wie sie durch ganz andere Instanzen (die Wissenschaft unddie Einrichtungen) artikuliert werden, bislang auf weitgehende Akzeptanz.

Alles in allem muss aus professionstheoretischer Sicht mit Blickauf die Weimarer Zeit und die Entwicklung der bundesrepublikanischen

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Erwachsenenbildung trotz der eben herausgearbeiteten Analogien mehrdas Element der Diskontinuität als das der Kontinuität betont werden.Charakteristisch für die kurze, aber heftige Phase der Professionalisie-rung in der Bundesrepublik ist, dass sie einen langwierigen gesellschafts-und bildungspolitischen Vorlauf hatte. Diesen Vorlauf kannte die Volks-bildung in der Weimarer Republik aufgrund des Ersten Weltkrieges imRahmen einer demokratischen Staatsverfassung nicht, zumindest nichtin einem solchen Maße. Als Erich Weniger kritisch auf den Dilettantis-mus in der Praxis der Weimarer Erwachsenenbildung hinwies (vgl. We-niger 1952) und Position und Aufgabe des Erwachsenenbildners vonanderen Berufsrollen abgrenzte, hat er – bei aller Verbundenheit mitder Weimarer Zeit – das Element der Diskontinuität ebenso in den Vor-dergrund gerückt wie Schulenberg (1972) in seinem mehrfach zitiertenAufsatz „Erwachsenenbildung als Beruf“. Schulenberg war hier unterRückgriff auf die sozialwissenschaftlich fundierte Professionstheorie umDistanz gegenüber dem heroischen Berufsverständnis der geisteswis-senschaftlichen Pädagogik bemüht. Angesichts der Dynamik in den An-geboten, der Breite und Vielfalt der Anbieter, der expansiven Institutio-nalisierung und der gleichzeitigen Passivität in der Berufskultur sowieder gescheiterten Versuche der Selbstorganisation fällt die Entwicklungder Volksbildung in der Weimarer Republik gleichsam als historischesVorbild aus: Weder gab es eine signifikante, über den lokalen Rahmenhinausgehende Verwissenschaftlichung noch die Herausbildung einerzentralwertbezogenen Haltung, die der Volksbildung einen dauerhaf-ten Platz im gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionszusam-menhang zuwies. Streng genommen trifft für die Weimarer Volksbil-dung sogar nur mit Vorbehalt die Kategorie Verberuflichung zu, abererst recht nicht die der Professionalisierung. Volksbildung hatte den Sta-tus eines kollektiven Projektes auf Zeit, das hochgradig moralisch auf-geladen war, aber gerade wegen seines temporären Charakters nichtzwingend berufsförmig bearbeitet werden musste. Die starre Fixierungauf den missionarischen Auftrag, dass Volksbildung primär Volk-Bildungsei, und die Nichtunterscheidbarkeit von Publikum und Leistungsrollehaben die Ausdifferenzierung eines Klientenbezugs unmöglich gemacht:Da alle Gesellschaftsmitglieder Glieder des Volksganzen sind, kamengleichsam alle als potentielle Klienten in Frage. Bestimmend für dieWeimarer Zeit war, dass der Prozess der Institutionalisierung ohne ei-nen Prozess der wissenschaftlichen Fundierung ablief. Die hier genann-ten, für die Weimarer Zeit charakteristischen Punkte stehen in einem

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deutlichen Kontrast zu den Professionalisierungstendenzen in der Pha-se der Bildungsreform: Das Gutachten des Deutschen Ausschusses re-produzierte ein soziokulturelles Bewusstsein von Bildung, welches or-ganisiertes Lernen von Erwachsenen unweigerlich mit Aufstieg, Wohl-stand und Statusverbesserung assoziierte. Die wissenschaftlich nachge-wiesene hohe gesellschaftliche Wertschätzung von Bildung (vgl. Strze-lewicz u. a. 1966) und der Gleichklang unterschiedlicher Interessen-gruppen schufen über die Gesellschafts-, die Bildungs- und Wissen-schaftspolitik ein soziokulturelles Klima, einen Konsens, die als Macht-faktor nicht unterschätzt werden dürfen. Die organisierte Erwachsenen-bildung verfügt aufgrund der Entwicklung in den Erziehungswissenschaf-ten, der Etablierung der Subdisziplin Erwachsenenbildung seit Ende der60er Jahre und deren Konsolidierung über eine für sie zuständige wis-senschaftliche Disziplin, wobei es sich jedoch nicht um eine exklusiveZuständigkeit handelt, da sich auch eine Reihe anderer Disziplinen mitTeilfragen der Erwachsenenbildung beschäftigen. Im Gegensatz zurWeimarer Republik hat die organisierte Erwachsenenbildung aus bil-dungspolitischer und gesellschaftspolitischer Sicht keineswegs nur einezeitlich befristete Bedeutung, sondern nahezu den Status eines zentral-wertbezogenen Gutes errungen. ‚Lebenslanges Lernen‘ und die nochlängst nicht abgeschlossene Entwicklung in Richtung einer Informati-ons- und Wissensgesellschaft unterstützen diese Aufwertung. Über dasPrinzip der Teilnehmerorientierung und die altersgruppenbezogene Ein-grenzung des Erwachsenen hat die Weiterbildung zudem eine klien-tenorientierte Haltung aufbauen können (vgl. Nittel 1997).

Einige Fachvertreter betonen die These einer dreifachen Koin-zidenz zwischen der Erwachsenenbildung in der Weimarer Republik,derjenigen in den Anfangsjahren der Bundesrepublik und dem in derPhase der Bildungsreform erkennbaren Aufbruch in der Weiterbildung.Dieser Vorstellung eines ‚roten Fadens‘, der sich durch die drei Sequen-zen der Erwachsenenbildungsgeschichte hindurchzieht, liegt eine Kon-tinuitätsunterstellung zugrunde. Im Hinblick auf die Problematik derVerberuflichung scheint es aber eher so zu sein, als könne die Zeit derWeimarer Republik weder als positives noch als negatives Modell die-nen. Der Modus der Verberuflichung in der Weimarer Republik scheintvon seinem Wesen her etwas substantiell anderes zu sein als die Pro-fessionalisierung der Erwachsenenbildung seit der Bildungsreform. VomBeginn einer Professionalisierung der Erwachsenenbildung im eigentli-

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chen Sinne kann erst Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gesprochenwerden, und das entspricht genau dem Zeitpunkt, zu dem auch dieAkteure diese Kategorie zur Selbstbeschreibung genutzt haben. Trifftdiese Einschätzung zu, dann muss der eine oder andere Maßstab derBeschreibung und Beurteilung relativiert werden, denn die eher nega-tiv akzentuierte Lesart der Geschichte der Professionalisierung in derErwachsenenbildung beruht ja auf der Unterstellung, dass die Geschichteder Erwachsenenbildung gleichzeitig eine mehr oder weniger kontinu-ierliche Geschichte der Verberuflichung darstellt. Genau dies dürfte einegrobe Fehleinschätzung sein; zwischen der Geschichte der Erwachse-nenbildung und der Geschichte ihrer Professionalisierung besteht viel-mehr ein wesentlicher Unterschied. Angesichts der kurzen Zeitspannevon ca. 35 bis 40 Jahren, auf die der Prozess der bundesdeutschenVerberuflichung zurückblicken kann, und angesichts der tiefen Verstri-ckung auch der Erwachsenenbildung in den Nationalsozialismus scheintder Stand der erwachsenenpädagogischen Professionalisierung – als Syn-onym von Verberuflichung und Verwissenschaftlichung – ein durchausbeachtliches Niveau erreicht zu haben. Der auf den ersten Blick banalwirkende Tatbestand (vgl. Kap. V), dass es außerordentlich schwierigist, die Zahl der Rollenträger nicht nur in den Kerneinrichtungen derErwachsenenbildung, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Hand-lungsfeldern zu erfassen, mag aus institutioneller Sicht ein Beleg fürdie organisatorische Unübersichtlichkeit sein – aus der erziehungswis-senschaftlicher Sicht ist dies durchaus ein Indiz für die Vielfalt der mög-lichen Einsatzorte und den großen Bedarf an erwachsenenpädagogi-scher Berufsarbeit in der Gesellschaft. Die These von der erfolgreichenPlatzierung des grundständig ausgebildeten Erwachsenenbildners stellt– wie sich später noch herausstellen wird – zudem keineswegs eineleere Behauptung dar, sondern kann empirisch unterfüttert werden. Ein-schlägige Verbleibstudien der letzten Jahre besagen, dass die Absol-venten des Studienganges Erwachsenenbildung sich bislang auf demArbeitsmarkt durchgesetzt haben (vgl. Züchner 1998). Gegenüber Ver-tretern anderer außerschulischer Felder kann sich der Erwachsenenpäd-agoge, was seinen beruflichen Status, sein gesellschaftliches Ansehenund Einkommen angeht, also durchaus ‚sehen lassen‘. Aus dem Ver-gleich mit der Weimarer Republik ist von daher die Lehre zu ziehen,einerseits von vorschnellen Defizitdiagnosen abzusehen, andererseitsbei der Lösung aktueller Probleme im Zusammenhang mit der Berufs-kultur keine kurzfristigen Erfolge zu erwarten.

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4. Die Rahmenbedingungen in den achtziger Jahren:Von der Qualifizierungsoffensive bis zur deutschenWiedervereinigung

4.1 Allgemeine EinschätzungDie Relevanz der späten 80er Jahre beruht auf dem Tatbestand,

dass einige der zentralen Faktoren, die auch für den heutigen Status quokonstitutiv sind, im zeitgeschichtlichen Kontext der ‚Vorwende-Jahre’ ver-ortet werden können. Der auf den folgenden Seiten im Mittelpunkt desInteresses stehende Zeitabschnitt, in dem die in den 70er Jahren wirksa-me Dynamik im Verberuflichungsprozess nachhaltig gebremst wordenist, deutet erneut auf die schon mehrfach konstatierte Abhängigkeit derErwachsenenbildung von äußeren Bedingungen hin. Das in diesem Ab-schnitt durchgängig sichtbare Phänomen, dass heteronome Bedingun-gen der gesamtgesellschaftlichen Konstitution unmittelbar und nur mitgeringer zeitlicher Verzögerung auf die Rahmenbedingungen des beruf-lichen Handelns in der Erwachsenenbildung durchschlagen, muss selbstals analytisch interessantes Datum begriffen werden. Generell scheintdie Regel zu gelten: Eine gewisse Abhängigkeit von gesamtgesellschaft-lichen Veränderungen zeichnet Professionen per se aus (vgl. Schütze1996:194f.), aber ebenso verfügen sie über die spezifische Fähigkeit,Autonomieansprüche zu formulieren und über den Modus der Anpas-sung an die gerade virulenten Systemanforderungen mit zu entscheiden.Die Erwachsenenbildung der 80er Jahre zeigt kaum Anstrengungen, Re-sistenzkräfte zu entwickeln, die sie gegenüber einer allzu schnelle Pro-zessierung schützen und ihr im Binnenraum die Möglichkeit verschaf-fen, die externen Zumutungen und Herausforderungen nach Maßgabeeigener Relevanzen gleichsam kleinzuarbeiten.

Anders als in den 60er und 70er Jahren gab es keine unausge-sprochene oder offene Allianz fortschrittsorientierter gesellschafts-, bil-dungs-, wissenschafts- und berufspolitischer Reformpositionen. Zudemzeichnete sich in den 80er Jahren sukzessiv die Erosion sozialer Mecha-nismen der Implementierung von Reformideen, aber auch die Relativie-rung liebgewordener Werte, Gesellschaftsverständnisse und Orientie-rungsmuster ab. Die gesellschaftspolitischen Bedingungen für den in den70er Jahren durch die enge Verbindung von Bildungsforschung und Bil-dungsreform enaktierten Mechanismus, dass dem Aufzeigen und demNachweis von Bildungsbedarfen unmittelbar ein institutioneller und per-

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sonalpolitischer Ausbau folgte, wurden obsolet. Das lag vor allem anden bildungsökonomischen Rahmenbedingungen: Während in den 60erund 70er Jahren die ökonomische Großwetterlage durch eine Knappheitan Arbeitskräften gekennzeichnet war (was entsprechende Maßnahmender Mobilisierung von Begabungsreserven notwendig machte), zeichne-te sich in den 80er Jahren ein notorischer Überschuss an Arbeitskräftenab. Von den Trägern und Einrichtungen der Erwachsenenbildung wur-den entsprechende Interventionen der Qualifikationsanpassung, Kom-petenzsteigerung und Integration erwartet. Die bereits in den 70er Jah-ren angelegte Tendenz, dass der Erwachsenenbildung zwecks Bearbei-tung und Lösung einschlägiger gesellschaftlicher Probleme diverse Auf-gaben angedient wurden, spitzte sich in den 80er Jahren im Zusammen-hang mit den neuen arbeits- und sozialpolitischen Problemlagen desArbeitsmarktes und der Einführung neuer Technologien noch weiter zu.Die häufig in der Fachöffentlichkeit ventilierte Lesart, dass die Professio-nalisierung (Einheit von Akademisierung und berufspolitischem Macht-gewinn) der Erwachsenenbildung Anfang der 80er Jahre eine Zäsur er-lebt hat, muss insoweit relativiert werden, als damit nicht gleichzeitigauch das Ende der Verberuflichung (Zuwachs an Stellen, Übergang vonder neben- zur hauptberuflichen Arbeit) eingeläutet wurde.

4.2 Die kulturelle Wende Anfang der achtziger JahreIn der ersten Hälfte der 80er Jahren konnte in Ansätzen so etwas

wie eine ‚kulturelle Wende‘ innerhalb der Weiterbildung beobachtet wer-den, die dann schließlich gegen Ende des Jahrzehnts bildungspolitischnicht mehr rückgängig zu machen war und auch den Fortgang der Wei-terbildung in den 90er Jahren bestimmt hat. Um die Entwicklung der Wei-terbildung nicht mit der Entwicklung der Weiterbildungspolitik gleichzu-setzen, erscheint uns die Kategorie der ‚kulturellen Wende‘ instruktiv zusein, da sie gegenüber den Milieu- wie auch gegenüber den Organisati-onsbezügen der Erwachsenenbildung anschlussfähig ist. ‚Kulturelle Wen-de’ meint die Erschütterung sowohl des beruflichen Selbstverständnissesals auch des institutionellen Selbstbildes durch die Erosion der bisher un-angefochten gültigen bildungspolitischen Legitimationsmuster und Zie-le. In welchem Ausmaß sich im Windschatten dieser kulturellen Wendedie Lage des Weiterbildungspersonals in manchen Institutionen faktischverändert hat, ist weitaus schwerer zu rekonstruieren als die atmosphäri-schen Veränderungen in den Stimmungslagen und informellen Debatten

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der Berufskultur. War zuvor das Welt-, Gesellschafts- und Menschenbildder Bildungspraktiker mehr oder weniger mit den institutionellen Selbst-beschreibungen der Fortschrittsorientierung, der Planbarkeit gesellschaft-licher Prozesse und dem ausschließlich positiven Nutzen von Bildung inEinklang, so zeichnete sich sukzessiv eine Differenz zwischen dem kol-lektiven Selbstbild der Einrichtungen und dem individuellen Berufsbildder Bildungspraktiker ab. Große Teile der Berufskultur reagierten irritiertauf die veränderten Maßstäbe und Relevanzen: Während vor wenigenJahren noch im beruflichen Selbstverständnis solche Maximen wie Ermög-lichung von Chancengleichheit und individueller Selbstverwirklichung,Förderung des demokratischen Gemeinwesens oder Aufklärung und Eman-zipation eine große Anziehungskraft besaßen, büßten diese universalisti-schen Werte ihre Orientierungskraft ein. Die „neue Unübersichtlichkeit“(Habermas) machte sich nicht nur in den Einrichtungen der Erwachse-nenbildung bemerkbar, sondern auch in den Köpfen derer, die in ihr ar-beiteten. Das Verblassen des aus den späten 60er und den 70er Jahrenstammenden normativen Koordinatensystems der Erwachsenenbildungwar u. a. auf den Umstand zurückzuführen, dass die Entpolitisierungsten-denzen in der Gesellschaft nahezu synchron mit der Schwächung dersozialen Bewegungen und der Integration der früheren Protestgenerationabliefen. Im Zuge dieser Entwicklung begannen die Einrichtungen derErwachsenenbildung allmählich damit, sich als ‚ganz normale‘ Dienst-leistungsinstitutionen zu definieren und sich von der hin und wieder regist-rierbaren Tendenz, sich als Gesinnungsgemeinschaft oder als moralischeAnstalt zu begreifen, endgültig Abstand zu nehmen.

Der schon lange schwelende Konflikt in der Weiterbildungspo-litik und der Theoriediskussion zwischen den beiden konkurrierenden Ori-entierungsmustern der Personenorientierung (Bildung) und der beruflichenFunktionsorientierung (Qualifizierung) erfuhr spätestens in der Mitte der80er Jahre durch das neue Machtgefüge zwischen (Bildungs-)Politik undWirtschaft eine neue Prägung (vgl. Strunk 1988). Bildung als Synonym fürPersonenorientierung und die Einheit von Selbst- und Weltverstehen warnun in finanzpolitischen Entscheidungssituationen ohne das Moment derberuflichen Funktionsorientierung kaum noch mehrheitlich akzeptiert.Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass in den 80er Jahren derdurch die Tradition der Aufklärung und ein traditionelles Bildungsverständ-nis kolorierte Terminus Erwachsenenbildung mehr und mehr durch denauf funktionales Lernen abgestimmten Terminus Weiterbildung ersetzt

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wurde. Die „Thesen zur Weiterbildung“ des Bundesministers für Bildungund Wissenschaft (vom Mai 1985) gelten als einschlägig, weil sie zumersten Mal eindringlich die Orientierung der politischen Führung auf einemarktförmige Organisation von Weiterbildung offenlegen. Damit begannder Staat, seine bisher öffentlich zum Ausdruck gebrachte Verantwortungfür die vierte Säule des Bildungssystems zu relativieren, ohne sie jedochvollständig aufzukündigen. In dem gleichen Maße, wie die Vision ‚VierteSäule des Bildungssystems‘ verblasste und keine weitere Verrechtlichungder Erwachsenenbildung angestrebt wurde, verloren auch die verbliebe-nen Hoffnungen der Berufskultur bezüglich eines weiteren Zuwachses anStellen ihre Grundlage. Die Welt im Allgemeinen und die der Erwachse-nenbildung im Besonderen veränderten sich rasend schnell, aber dieMuster, um sie zu verstehen und auszulegen, blieben mehr oder wenigerdie alten. Unter den Berufspraktikern verdichtete sich allmählich der Ein-druck der Hilf- und Ratlosigkeit. Wie gelähmt schaute man auf diese Ge-gebenheiten, ohne neue und überzeugende Argumente zugunsten einesweiteren Ausbaus des Personals an die Hand zu bekommen. Sowohl inoffiziellen Verlautbarungen als auch inoffiziell reagierte die Berufskulturmit Klage, Skepsis und eher defensiven Positionen. Zwar konnte der Nach-weis erbracht werden, dass auch weiterhin die Besucherzahlen nach obengingen (vgl. DVV-Statistik 1982 – 1988), also mit annähernd dem glei-chen Weiterbildungspersonal immer größere Besucher- und Angebotskon-tingente bearbeitet werden mussten. Aber dieses in der bildungspolitischenArena sehr oft wiederholte Argument traf auf taube Ohren und war daherschnell verbraucht.

Die gleichbleibend pessimistische, ja resignierende Stimmungs-lage in der Berufskultur darf allerdings nicht über den Sachverhalt hinwegtäuschen, dass die Weiterbildung im Vergleich zu anderen Sektoren desWohlfahrtsstaates keineswegs zu den Verlierern im härter gewordenenstaatlichen Verteilungskampf gezählt werden kann. Die negativ kolorier-ten Stimmungen und Haltungen innerhalb der Berufskultur, die sich u. a.auf Fortbildungsveranstaltungen und Tagungen artikulierten, repräsentie-ren nur einen Teil der Wirklichkeit. So dramatisch die Zäsur in den frühen80er Jahren innerhalb des Professionalisierungsprozesses auch manch-mal gezeichnet wird – Tatsache ist, dass mit der kulturellen Wende in denEinrichtungen der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung keines-wegs gravierende stellenpolitische Reduzierungen einhergingen. DerAnfang der 80er Jahre und im Laufe des Jahrzehnts in einigen Einrichtun-

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gen objektiv sehr wohl steigende Personalbestand war nicht ernsthaft ge-fährdet. Der untergründig wirksame Maßstab für die Artikulation vonUnzufriedenheit war möglicherweise nicht nur die negative Ist-Situation,sondern vielmehr die komfortable Lage und der zur Verwöhnung ermun-ternde stellenpolitische Fortschritt in den 70er Jahren. Auch wenn Teileder Berufskultur vor allem mit Blick auf die nicht gerade optimalen Ar-beitsbedingungen und die professionelle Autonomie Grund zum Klagenund zur Kritik hatten – vom finanziellen Aufkommen her gab wenig An-lässe, die Verberuflichung der Erwachsenenbildung als beendet zu erklä-ren. Aus der zeitlichen Distanz kann an dieser Stelle sogar selbstkritischeingeräumt werden, dass die Berufskultur auf die ins Stocken geratenenStellenzuwächse, die Veränderung der bildungspolitischen Prioritäten unddie Aufwertung der beruflichen und betrieblichen Erwachsenenbildungnicht aktiv zupackend und offensiv, sondern mehrheitlich mit Abwehrreagiert hat. Die Berufskultur sah sich der Lage gegenüber, dass eine neueArt der Ungleichbehandlung von staatlicher Seite Einzug hielt und derMarkt – als eigentlich egalisierendes Element – viel schneller als erwartetin der Erwachsenenbildung neue Realitäten schuf. Aus der Sicht der Be-rufspraxis gab es zwei Gründe, ‚gekränkt’ und defensiv zu reagieren: Aufder einen Seite wuchsen kontinuierlich die Besucherzahlen in der allge-meinen Bildung und das damit korrespondierende Aufgebot an zu erledi-gender Arbeit, ohne dass dies die Zuweisung neuen Personals begründethätte. Auf der anderen Seite gelangten die betriebliche und die beruflicheBildung bildungspolitisch und materiell in den Genuss einer Aufwertung.Die Einrichtungen der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung imKernsegment der Weiterbildung kultivierten gerade auch durch die Formihrer Kritik (Klage) ungewollt die Rolle eines Benachteiligten, der im bil-dungspolitischen Verteilungskampf weitaus weniger von der nach wie vorgroßen Bildungsnachfrage profitieren konnte als andere.

Flankiert wurden diese Tendenzen durch die sukzessiv wach-sende Deutungsmacht in Angelegenheiten des lebenslangen Lernen durchVertreter der beruflichen und der betrieblichen Bildung. Das auf denersten Blick neutral wirkende Konzept der Schlüsselqualifikationen trugzwar aus der Sicht der Erwachsenenbildung dazu bei, dass Identitäts-und Qualifikationslernen nicht mehr als zwei getrennte Sphären betrachtetwurden. Aber die bildungspolitische Reinterpretation und die praktischeUmsetzung dieses Konzeptes unterstellten im gleichen Atemzug die Ni-vellierung der Interessen derer, die an Bildung partizipieren, und derer,

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die als Abnehmer von Bildung fungieren. Die gehäufte Durchführungvon öffentlichkeitswirksamen Weiterbildungstagungen und Kongressenin einem Zeitabstand von nur wenigen Jahren kann als weiteres Symp-tom dieser Machtverschiebung interpretiert werden. Die beiden ersten –1984 und 1987 veranstalteten – Weiterbildungskongresse des DIHT sindnur zwei Beispiele einer viel längeren Kette ähnlich gelagerter Initiati-ven und Vorhaben. Auch die Gründung von Zeitschriften, die Weiterbil-dung vor allem unter technokratischem Blickwinkel und als Ware be-trachten (z. B. „Wirtschaft und Weiterbildung“) fiel in diese Zeitspanne.Die hier rekonstruierten Prozesselemente sind wichtig, um besser nach-vollziehen zu können, dass sich die Verberuflichung der Erwachsenen-bildung in den 80er Jahren längst nicht mehr auf das Kernsegment deröffentlich verantworteten Erwachsenenbildung beschränkt hat, sondernnun auch andere Bereiche erfasste.

4.3 Qualifizierungsoffensive und Konzertierte AktionWeiterbildung

Die seit Mitte der 80er Jahre wegen der besorgniserregend ho-hen Arbeitslosenzahlen aufgelegten Sonderprogramme, von denen die so-genannte Qualifizierungsoffensive das größte und bekannteste ist, schu-fen auf direktem und indirektem Wege neue Beschäftigungschancen. Ob-wohl der Staat immer mehr gegenüber der öffentlichen Verantwortungauf Distanz zu gehen versuchte, haben staatliche Instanzen in einer nochnie da gewesenen Offenheit via Qualifikations- und anderer Offensivendie Weiterbildung für die Bearbeitung und Lösung sozial- und arbeitsmarkt-politischer Probleme zu nutzen versucht. Der Staat delegierte an die Trä-ger und Einrichtungen der Weiterbildung die Lösung von sozialen undarbeitsmarktpolitischen Problemen, wollte dafür aber – langfristig gese-hen – immer weniger zahlen. Während die sogenannte Qualifizierungs-offensive zur Beschaffung von Geld und anderen Ressourcen beitrug, dien-te die Konzertierte Aktion Weiterbildung eher zur Beschaffung von Be-gründungsmustern, zur Erneuerung ideologischer Positionen und zur Be-einflussung des bildungspolitischen Zeitgeistes. Dieser wies in Richtung‚Marktförmigkeit der Erwachsenenbildung’ und ‚Individualisierung deslebenslangen Lernens’. Die Konzertierte Aktion Weiterbildung wurde 1987vom damaligen Bildungsminister Möllemann ins Leben gerufen. Aus derSicht der Initiatoren ging es weniger darum, das Berufsfeld neu zu gestal-ten, sondern darum, ein öffentlichkeitswirksames Instrument an die Hand

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zu bekommen, um die Interessen an der Weiterbildung in der deutschenBevölkerung wach zu halten und so etwas wie eine zeitlich befristete Clea-ringstelle für die Weiterbildungsplanung zu schaffen.

Mit der Auflage solcher Sonderprogramme wie die KonzertierteAktion Weiterbildung und den damit verbundenen Beschäftigungschan-cen für Erwachsenenbildner/innen ist die These von der Erweiterung desBerufsfeldes bzw. der Fortsetzung der Verberuflichung in der Erwachse-nenbildung verbunden. Um einen Eindruck von dem berufspolitischen Po-tential dieser Initiativen zu vermitteln, erscheint ein Blick auf die Zahlenratsam. Die Summe für Fortbildung, Umschulung, betriebliche Einarbei-tung im Bundeshaushalt stieg von 3,7 Milliarden DM im Jahre 1985 aufimmerhin 6,0 Milliarden DM im Jahre 1986 an (vgl. Michel-Schwartze1994:38). Auch die Organisationen der öffentlich verantworteten Erwach-senenbildung profitierten von der Qualifizierungsoffensive, da einzelneFachbereiche mit diesen Geldern gefördert und ausgebaut werden konn-ten oder gar autonom agierende Subeinrichtungen geschaffen wurden. Voneinem neuen Stadium in der Verberuflichung der Erwachsenenbildung inder Mitte der 80er Jahre sprechen zu können, ist u. a. dem Umstand ge-schuldet, dass in diesen Jahren in sozialintegrativen und beruflichen Be-reichen der Weiterbildung vermehrt ein neuer Praktikertyp auftauchte,nämlich der aus Drittmitteln finanzierte und befristet angestellte Mitarbei-ter. 1986 verzeichnet die VHS-Statistik bereits 711 befristet tätige HPM,1991 stieg diese Zahl aufgrund der deutschen Wiedervereinigung auf 1.732Stellen. Bei der Zur-Kenntnis-Nahme dieser Zahlen sollte man aber inRechnung stellen, dass neben den Volkshochschulen noch eine Vielzahlanderer Einrichtungen von dieser Entwicklung profitiert hat. Der funktio-nale Charakter des Begriffs Qualifizierung entspricht dem funktionalenModus im Umgang mit den dort tätigen pädagogischen Mitarbeitern. DieQualifizierungsoffensive hatte einen entscheidenden Anteil, um im Berufs-feld Erwachsenenbildung die Flexibilisierung der Arbeitsverträge und dieEinstellung befristeten Personals voranzutreiben. Die staatlichen Leistun-gen, die über die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen von AFG-finanzier-ten Maßnahmen vergeben wurden, boten ausgebildeten Erziehungswis-senschaftlern mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung und anderenAkademikern berufsbiographische Chancen, um für eine bestimmte Zeiteine mehr oder weniger klar definierte pädagogische Arbeit zu leisten (vgl.ebenda) und für die weitere Laufbahn strategisch wichtige Berufserfahrun-gen anzusammeln. Für die Anstellungsträger spielte es oft keine Rolle, dass

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Diplompädagogen mit dem Abschluss in Erwachsenenbildung für die so-zialpädagogische Betreuung besonders schwer vermittelbarer Gruppen aufdem Arbeitsmarkt zuständig waren. Die pädagogischen Praktiker musstenangesichts der schwankenden Planungsgrundlagen in solchen Maßnah-men nicht nur über eine große pädagogische Kompetenz und Improvisa-tionsgabe, sondern wegen der immer wiederkehrenden Erwartungsenttäu-schungen auf der Ebene der klientenbezogenen und der organisationsbe-zogenen Kooperation auch über eine große Frustrationstoleranz verfügen.Neben der Fähigkeit, ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis mit der Klientelaufzubauen, war zudem eine gewisse Loyalität gegenüber den Einrichtun-gen erforderlich. In manchen Programmen fiel der Unterschied in der ob-jektiven sozialen Lage und den berufsbiographischen Risikofaktoren zwi-schen der Klientel und den zuständigen Pädagogen kaum ins Gewicht. Wieman aus einzelnen Fallstudien ersehen kann (vgl. Nittel/Marotzki 1996),weisen die unter den zeitgeschichtlichen Bedingungen der Qualifizie-rungsoffensive und der Konzertierten Aktion Weiterbildung begonnenenpädagogischen Berufsbiographien z. T. abenteuerliche Merkmale auf. Eineverantwortungsvolle und solide pädagogische Arbeit am individuellen und/oder kollektiven Fall war in manchen ‚Maßnahmen‘ aufgrund der Rekru-tierungsbedingungen der Teilnehmer (Suspendierung der Freiwilligkeit)nicht immer leicht (vgl. Nittel 1999). Die projektbezogenen Stellen aus denaufwendigen Programmen, mit deren Hilfe einer großen Zahl von Arbeits-losen die Teilnahme an staatlich geförderten Weiterbildungslehrgängen ga-rantiert werden sollte, wurden von manchen Institutionen auch als neuesBewährungs- und Selektionsinstrument genutzt. Sie boten den Einrichtun-gen eine mehr oder weniger willkommene Handhabe, um ihr potentiel-les Stammpersonal auf seine Eignung und Verlässlichkeit hin zu überprü-fen. Für eine ganze Reihe von Erwachsenenpädagogen hatte das Feld derberuflichen Umschulungs-, Rehabilitations- und Fortbildungsmaßnahmenberufsbiographisch somit eine Gate-keeping-Funktion, um dann – im güns-tigen Fall – in der betrieblichen Bildungsarbeit oder im Personal- und Or-ganisationswesen tätig zu werden.

4.4 Die soziokulturelle Durchsetzung des lebenslangenLernens und die Folgen für die Berufskultur

Hintergrundannahmen und Basisidealisierungen, die der Kon-zertierten Aktion Weiterbildung und den Qualifizierungsoffensiven zu-grunde liegen, stellen nichts anderes dar als zusätzliche Elemente in ei-

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ner viel längeren Indizienkette: dass unter den Bedingungen eines wach-senden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Innovationsdrucks (Japanals Konkurrenz) sich das lebenslange Lernen sowohl im normativen wieim realen Sinne spätestens seit den 80er Jahren lebenspraktisch durch-gesetzt hatte. Die Frage ist nur: Konnte im Windschatten dieses Prozes-ses auch die für das lebenslange Lernen potentiell zuständige Berufskul-tur profitieren?

Der soziokulturelle Siegeszug des lebenslangen Lernens wirdgemeinhin begründet, indem der durchschnittliche Lernbedarf in derheutigen Lebensspanne des Erwachsenen mit dem in früheren Zeitenverglichen wird; im gleichen Atemzug wird dann auf die Verstetigungdes Lernens im Beruf sowie in anderen Lebensbereichen hingewiesen.Die Herausforderungen der Informationstechnologie und der beschleu-nigte Wandel in der Arbeitswelt haben bei den Gesellschaftsmitglie-dern nicht nur eine große Offenheit, sondern auch einen objektivenBedarf an lebenslangem Lernen erzeugt. Dieses schließt längst nichtnur einen kontinuierlichen Prozess der Aneignung von beruflich ver-wertbarem Wissen, sondern auch das Lernen des Lernens ein. Für die-se These findet man sowohl in der qualitativen Forschung (vgl. Kade/Seitter 1996; Kade/Harney 1990; Geißler 1994) als auch in verteilungs-theoretischen Studien empirische Hinweise. So kann das Berichtssys-tem Weiterbildung von seinen Anfängen (1979) bis heute eine kontinu-ierliche Steigerung der Partizipation an organisierter Erwachsenenbil-dung in den einschlägigen Einrichtungen nachweisen. Doch das Be-richtssystem konzentriert sich nur auf das organisierte Lernen, und durchdiese Verengung vermag man nicht die ganze Breite der alltäglichenund außeralltäglichen Lernarrangements zu erfassen. Lebenslanges Ler-nen fungiert für das einzelne Gesellschaftsmitglied wie auch für ein-zelne Gruppen als multifunktional zu nutzendes Medium (vgl. Kade/Seitter 1999), das sich nicht ohne weiteres in das normative Schema‚gut versus schlecht’ hineinpressen lässt. So trägt es dazu bei, berufs-biographische Risiken zu bearbeiten, Freizeitinteressen kontinuierlichauszuleben und genussvoll zu steigern, Brüche und Diskontinuitätenin der Identitätsentwicklung zu kompensieren. Die Verstetigung des Ler-nens kann jedoch ebenso gut auch selbstgenügsam werden und ‚dasLeben aufzehren‘, indem die Betroffenen ohne Zielpunkt in biographi-sche Endlosschleifen hinein geraten und Bildung als Lebensform nurnoch simulieren. In dem gleichen Maße, wie bei der Mehrheit der Ge-

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sellschaftsmitglieder die Erwartungsstruktur wirksam wurde, dass es nichtmehr um das Lernen dieses und jenes Stoffes, die Aneignung diesesoder jenes Gegenstandes, sondern um die Habitualisierung von Lern-bereitschaft ging, war die folgende Plausibilitätsstruktur orientierungs-mächtig: Nicht mehr die Beteiligung, sondern die Nichtbeteiligung amlebenslangen Lernen versetzt das Gesellschaftsmitglied unter Legitima-tionsdruck (vgl. Geißler 1994). In den 80er Jahren deutete sich diesefür die reflexive Moderne (vgl. Giddens 1995) konstitutive Entwicklungan. In institutioneller und organisatorischer Hinsicht schlägt sich derSiegeszug des lebenslangen Lernens u. a. in der Diversifikation des Wei-terbildungsmarktes nieder. Private Anbieter machten der Volkshochschu-le zum Teil ernst zu nehmende Konkurrenz, besetzen Nischen und er-oberten neue Marktsegmente. In dieser Zeit zeichnete sich die Ten-denz ab, dass für jedes lebenspraktische Problem gleichsam ein päd-agogisches Angebot erfunden wurde, wobei zwischen dem Beratungs-,dem Psycho- und dem Esoterikmarkt fließende Übergänge existieren.In dem Maße, wie die Volkshochschule in den 80er Jahren ihre zentra-le Rolle als Zentrum der Professionalisierung einbüßte, sich neue pri-vatwirtschaftliche Anbieter auf dem Markt behaupten konnten und dieberufliche und die betriebliche Bildung nicht nur bildungspolitisch, son-dern auch im Bewusstsein breiter Schichten in der Gesellschaft eineAufwertung erfuhr, entstand ein stiller, aber wirksamer Zwang, in derGesellschaft neu über Erwachsenenbildung und Weiterbildung nach-zudenken und diese neu zu positionieren. Das erklärt die auch in derForschung neu geweckte Neigung am Ende der 80er Jahre, die Plurali-tät der Weiterbildungseinrichtungen und -träger, die Vielfalt der Bildungs-orte und -räume zur Kenntnis zu nehmen (vgl. Kade 1989, 1991; Frie-bel 1993). Alles in allem trug diese Entwicklung dazu bei, dass in den90er Jahren das Berufsfeld schließlich nur noch im Plural – im Sinnevon ‚Berufsfelder der Erwachsenenbildung‘ – angemessen zu beschrei-ben war.

Dass die Volkshochschule ihren einmal eingenommenen zen-tralen Status im Professionalisierungsprozess der Erwachsenenbildungeinbüßen musste, war nicht nur u. a. an den deutlich geringeren Zu-wachszahlen der festangestellten Mitarbeiter/innen abzulesen, sondernauch an den berufsbiographischen Intentionen der jungen Studenten-generation. In deren Berufswünschen tauchte die Volkshochschule im-mer weniger als ernst zu nehmende Perspektive auf. Sie galt manchen

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sogar als ein wenig altmodisch, wohingegen andere Einrichtungen wiealternative Kulturläden oder kommerzielle Träger – ob zu Recht odernicht, das sei dahingestellt – mehr Dynamik und Modernität ausstrahl-ten.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, warum trotz soziokultu-reller Durchsetzung der Maxime des lebenslangen Lernens, der Diversi-fikation des Weiterbildungsmarktes und der Aufwertung der Weiterbil-dung im betrieblichen Kontext im Laufe der 80er Jahre ein neuer Profes-sionalisierungsschub ausgeblieben ist. Die dieser Frage zugrunde liegendeVermutung, dass die gesellschaftliche Aufwertung der Weiterbildung imGrunde dazu führen müsse, dass auf der bildungspolitischen Ebene einesynchrone Entwicklung einsetzt, die Berufskultur das Mandat zur Gestal-tung und Verwaltung des lebenslangen Lernens erhält, ist mit der Dyna-mik und der Logik der zweiten Moderne (Beck, Giddens) offenbar nichtzu vereinbaren. Gesamtgesellschaftlich ist die Entwicklung seit den 80erJahren bis heute als eine Art Parallelaktion zu verstehen: nämlich alsgleichzeitige Rücknahme der staatlichen Weiterbildungsförderung, Stär-kung des Marktprinzips einerseits und individuelle Übernahme der Ver-antwortung bzw. Bereitstellung von Motivation durch das Gesellschafts-mitglied andererseits. Der entscheidende Punkt dürfte sein, dass die so-ziokulturelle Durchsetzung des lebenslangen Lernens sich auf nichtor-ganisierte Vermittlungsformen, also das autodidaktische und das tech-nisch vermittelte Lernen konzentrierte. Beim Lernen außerhalb und jen-seits der Weiterbildungseinrichtungen nehmen die Gesellschaftsmitglie-der bekanntlich elementare Fragen der Wissensaneignung und des Ler-nens selbst in die Hand, bestimmen Inhalt und Form und sind somit demZuständigkeitsbereich pädagogischer Ämter und Professionen entzogen.Dass die Verantwortung und die fachliche Zuständigkeit des lebenslan-gen Lernens gleichsam direkt an das Individuum gegangen sind, ohne zuklären, ob eine Erweiterung oder Begrenzung des professionellen Man-dats des Erwachsenenbildners angesagt ist, mag mit Machtdefiziten zu-sammenhängen, dass nämlich ein diesbezüglicher Anspruch der Erwei-terung oder der Begrenzung seitens der Berufskultur gar nicht mit demnötigen Nachdruck artikuliert worden ist (vgl. Kap. V). Weder am ange-stammten Arbeitsplatz – den Bildungseinrichtungen – noch in der Öf-fentlichkeit haben Vertreter der Berufskultur nennenswerte Versucheunternommen, unter den veränderten Bedingungen ihre beruflichen In-teressenlagen und Zuständigkeiten neu zu vermessen und zu definieren.

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Auch zeichnete sich in der Berufskultur kein Konsens in der Frage ab, anwelcher Stelle – also bei welchen Themen, Lernbedarfen und Bildungs-voraussetzungen – die Bildung des Erwachsenen in die Hand der organi-sierten Erwachsenenbildung übergehen sollte oder wo es ratsamer er-scheint, die Lösung von Bildungsproblemen den Betroffenen selbst zuüberlassen.4

Während die Zur-Kenntnis-Nahme der Vielfalt an institutionali-sierten Formen des lebenslangen Lernens diesseits und jenseits der Or-ganisationen bei den Repräsentanten der Einrichtungen Irritationen her-vorrief, hätte die Berufskultur – also die Gemeinschaft der Praktiker –gelassener mit der Entgrenzung umgehen können. Erwachsenenbildungerwies sich ja schließlich als ein zukunftsträchtiges Unternehmen, dassich auch in andere gesellschaftliche Bereichen ausdehnte und in Orga-nisationen benötigt wurde, die früher auf sie verzichten konnten. DieEntgrenzung der Erwachsenenbildung provoziert – vereinfacht ausge-drückt – auch eine Art ‚entgrenzte Berufspolitik‘, d. h. die Erweiterungauf jene Organisationen, die in ihren institutionellen Selbstbeschreibun-gen zwar nicht auf Bildung rekurrieren, faktisch aber Bildungsarbeit leis-ten. Unter dem strategischen Gesichtspunkt der Stellenpolitik bot dieAusdifferenzierung des Berufsfeldes auch die objektive Chance zu neu-en Legitimationsmustern, die sich aber aus den verschiedensten Grün-den auf offizieller Ebene nicht entfalten konnten. Aufgrund der sich ab-zeichnenden berufsbiographischen Staus im Kernsegment der Erwach-senenbildung scheint es folgerichtig zu sein, das breiter gewordene Spek-trum möglicher Anstellungsträger ernsthafter in den Blick zu nehmenund den Versuch zu machen, das, was naturwüchsig sowieso ablief, sys-tematischer und zielgerichteter anzugehen: nämlich neue Beschäftigungs-felder zu erobern.

Ergebnissichernd lässt sich sagen, dass in den 80er Jahren bisheute die Berufskultur der Erwachsenenbildner/innen nicht direkt vonder erfolgreichen Durchsetzung des lebenslangen Lernens als soziokul-turelle Orientierungsmaxime, wohl aber von einer der institutionellenBegleiterscheinungen dieses Prozesses profitieren konnte: von der Ver-breiterung des potentiellen Berufsfeldes. Dieser ‚Nutzen’ hat aber seiner-seits einen hohen Preis, und zwar Unübersichtlichkeit, mangelnde Profi-lierung des gesellschaftlichen Mandats und ein fehlendes Wir-Gefühl derBerufskultur.

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4.5 Die deutsche WiedervereinigungWährend manche historischen Entwicklungen in der Erwach-

senenbildung auf das Wechselspiel soziokultureller, mentaler und öko-nomischer Veränderungen zurückzuführen sind, lenken Wandlungspro-zesse wie die deutsche Wiedervereinigung die Aufmerksamkeit primärauf politische Faktoren mit z. T. welthistorischem Ausmaß. Der Vollzugder deutschen Wiedervereinigung als zentrales politisches Datum hatder Erwachsenenbildung in den östlichen Bundesländern in organisato-rischer und berufspolitischer Hinsicht ein ausschließlich nach westli-chem Vorbild geschnittenes Strukturmodell beschieden. Die Erwachse-nenbildung hat hier das gleiche Schicksal wie alle anderen Provinzendes Erziehungs- und Bildungswesens, die dem – fast wie ein Naturgesetzwirkenden – politischen Zugzwang unterworfen waren, das Bildungssys-tem der ehemaligen DDR so schnell und so maßstabgetreu wie möglichnach dem Vorbild der früheren BRD umzugestalten. Während die ur-sprünglich auf das gesamte deutsche Gemeinwesen bezogene Formel„Nichts wird so bleiben, wie es einmal war“ (Willy Brandt) für die Er-wachsenenbildung in den fünf neuen Bundesländern keineswegs meta-phorisch gemeint war und quasi von einem Tag zum anderen Realitätwurde, fanden die Transformationsprozesse in den westlichen Bundes-ländern zeitversetzt und vor allem schleichender statt. Aus der histori-schen Distanz zeichnet sich ein Merkmal in diesen Wandlungsprozes-sen ab, das in der damaligen Zeit stark unterbelichtet wurde: Die Sys-temumstellung der Erwachsenenbildung fand im Anschluss an den Zu-sammenbruch der ehemaligen DDR unter den Bedingungen eines tiefverunsicherten westlichen Berufsfeldes statt. Dass die in ihren Grundla-gen irritierte westliche Erwachsenenbildung beim Wiederaufbau einerorganisatorisch und ideologisch praktisch aufgelösten östlichen Erwach-senenbildung helfen sollte, hatte zunächst eine vorsichtig tastende Hal-tung und gesteigerte Reflexionsleistungen unter den Erwachsenenbild-ner/innen zur Folge (vgl. Meisel 1993; von Küchler/Kade 1992).

Relativ schnell geschlossen (‚abgewickelt‘) wurden jene Ein-richtungen und Träger der Erwachsenenbildung, wie Betriebs- und Dorf-akademien oder Kulturhäuser, die aus Sicht des BRD-Weiterbildungs-wesens als besonders systemnah etikettiert wurden. Bis heute liegenkeine zuverlässigen Schätzungen vor, wie viele Mitarbeiter/innen ausder Erwachsenenbildung der ehemaligen DDR durch die Schließungenihren Arbeitsplatz verloren. Aus westlicher Sicht verfügten die Erwach-

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senenpädagogen des Ostens über wesentlich homogenere Merkmale:Sie blickten auf eine an der Schulpädagogik ausgerichtete beruflicheSozialisation zurück, waren schon vor der Wende als Ausbilder oderLehrgangsleiter pädagogisch tätig oder wurden nach einer Umschulungauf der Grundlage einer Doppel- oder Mehrfachqualifikation in der Er-wachsenenbildung beruflich tätig. Von ihrer Mentalität und ihrem be-ruflichen Handwerkszeug her wies das Weiterbildungspersonal der ehe-maligen DDR eine große Nähe zur Lehrerschaft auf. Das erklärt wohlden Umstand, dass die Berufsrolle des hauptberuflich planend tätigenMitarbeiters nach der Wende zunächst Fremdheit auslöste. Auf demGebiet der Vermittlung von erwachsenengerechten Lehr- und Lernfor-men, welche den potentiellen Teilnehmer/innen möglichst viel Raumzur Eigeninitiative bieten, gab es einen besonders großen Informations-und Handlungsbedarf. Auch war nach dem Fall der Mauer das Interes-se an technikunterstützten Formen der Vermittlung und an modernenPräsentationsverfahren außerordentlich groß. Was aus dem Westen kam,hatte von vornherein das Image des Überlegenen und des Besseren.Das Reaktionsmuster, das früher einmal Gelernte und das Erfahrungs-wissen als überholt zu deklarieren, sollte sich mit der Zeit als übereilterweisen. Als die Praktiker/innen den ernsthaften Versuch unternahmen,die neuen methodischen Verfahren und Fortbildungstechnologien inihren beruflichen Kontexten anzuwenden, traten sowohl Schwierigkei-ten bei der Anwendung als auch Akzeptanzprobleme bei der Klientelauf. Die Unsicherheit im Umgang mit den im Schnellverfahren erwor-benen Verfahren löste Enttäuschung und Absetzbewegungen aus. Erstim Zuge aufwendiger Fortbildungen war es dann schließlich möglich,die früheren Erfahrungen ebenso wie das angestammte Berufswissenals einen eigenen Wert zu begreifen und das Alte mit dem Neuen zuverbinden. Mit Bedauern stellen Vertreter der westlichen Erwachsenen-bildung fest, dass sich ihre Berufskultur in der Hektik des Wiederauf-baus gleichsam blind gegenüber dem Tatbestand verhalten habe, dassin „der DDR bereits in den 60er Jahren ein Grad an Institutionalisie-rung und Professionalisierung realisiert war, den wir in der BRD nur ineinigen Sektoren und Regionen erreicht haben“ (Dräger/Günther/Wa-terkamp 1994:104). Dieser an die gesamte westliche Erwachsenenbil-dung gerichtete Vorwurf scheint berechtigt zu sein, wenn er sich aufdie mangelnde Anerkennung von Seiten des Westens richtet, was dieQualität der Methodenreflexion und „die Analyse der methodischenElemente des Professionshandelns“ (ebenda:101) angeht.

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Der plötzlich virulent gewordene Bedarf an qualifizierten Er-wachsenenbildnern und Führungspersonen in den neuen Bundesländernwurde nicht unwesentlich durch westdeutsche Praktiker gedeckt. Unterdiesen Personen befanden sich viele weibliche und männliche Prakti-ker, die von einem emphatischen Bildungsbegriff geleitet waren und ihreArbeitskraft in den Dienst einer guten Sache stellen wollten. Danebentraten auch Berufsanfänger oder beschäftigungslose Erwachsenenbild-ner in Erscheinung, die berufsbiographisch einen Einstieg oder eine neueHerausforderung suchten. Andere wiederum verbanden mit ihrem Enga-gement die Hoffnung, den erwarteten Aufstieg und die Übernahme ei-ner verantwortungsvollen Führungsposition viel eher in den östlichenals in den westlichen Bundesländern verwirklichen zu können. Unter alldiesen Gruppen gab es Praktiker der Erwachsenenbildung, die von derAbsicht geleitet waren, sich zeitlich befristet am Ausbau zu beteiligen,sich dann jedoch so stark mit ihrem Auftrag identifizierten, dass sieschließlich ihren Arbeitsplatz ganz in den Osten verlegten. Die so ent-standene berufliche Mobilität erreichte zu keinem Zeitpunkt allerdingsein hohes Niveau. Die mehr oder weniger erstarrte personalpolitischeSituation in den westlichen Bildungseinrichtungen, also das in vielenInstitutionen grassierende Phänomen des ‚gemeinsam Alt-Werdens‘, hatdie deutsche Wiedervereinigung nur graduell, aber nicht essentiell ver-ändern können. Für viele westdeutsche Erwachsenenbildner/innen wardie Teilnahme an der Transformation des Bildungswesen im allgemei-nen und der des Erwachsenenbildungswesens im besonderen eine ArtSchlüsselerlebnis, weil sie in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl neuer Er-fahrungen machen konnten und die unmittelbare Teilhabe an einemkollektiven Veränderungsprozess mit einer ganz besonderen Erlebnis-qualität verbunden war (vgl. Nittel 1997c).

Im Bereich der Volkshochschulen fungierten westdeutsche Part-nerinstitutionen, Landesverbände und der Bundesverband (DVV) als wich-tige Katalysatoren und Beratungsinstanzen, um die Einrichtungen undihr Personal konzeptionell und organisatorisch auf die neuen Verhältnis-sen vorzubereiten. Auch die Bildungswerke der Kirchen und der Ge-werkschaften unternahmen den Versuch, durch aufwendig gestalteteBegegnungen und vorsichtige Annäherungsbewegungen zwischen denBerufsvertretern in Ost und West nicht nur Hilfen beim Aufbau zu leis-ten, sondern diese Anlässe auch als Chance zur innerdeutschen Verstän-digung zu nutzen. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung hat

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drohende Kolonialisierungstendenzen zu vermeiden versucht, indem esseine zahlreichen Projekte zur Unterstützung der Berufskultur in denneuen Bundesländern auf der Grundidee der ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ auf-baute (vgl. Meisel 1993; von Küchler/Kade 1992; von Küchler 1995).Die hier initiierten zeitlich begrenzten Fortbildungsveranstaltungen konn-ten die langfristig wirksamen beruflichen Sozialisationsprozesse aller-dings nicht ersetzen, wohl aber Mut machen, den neuen Weg weiterzu-gehen, ohne auf das bewährte berufliche Handwerkszeug gänzlich zuverzichten.

In der gleichen Zeitspanne, in der die etablierten Bildungsein-richtungen gleichsam im didaktischen Selbstversuch mit gutem Beispieldeutsch-deutsche Verständigung praktizierten, etablierte sich insbeson-dere im Grenzbereich von Bildungs- und Beschäftigungssystem in denneuen Bundesländern eine kaum noch überblickbare Zahl von rein kom-merziell tätigen Qualifizierungsgesellschaften und Weiterbildungsanbie-tern. Staatliche Institutionen, allen voran die Arbeitsverwaltung, versorg-ten diese Einrichtungen mit beträchtlichen Geldsummen. Ähnlich wie inder Mitte der 80er Jahre auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik, ver-suchte man auch zu Beginn der 90er Jahre der Probleme auf dem Ar-beitsmarkt durch sozial- und bildungspolitische Interventionen Herr zuwerden. Die in den neuen Bundesländern benutzten Rezepte stellen sogesehen eine Wiederauflage der Qualifizierungsoffensive unter verän-derten zeitgeschichtlichen Bedingungen dar: Die Arbeitsverwaltung ver-teilte Milliardenbeträge, die für die Finanzierung von Fort- und Umschu-lungen, beruflichen Eingliederungsprogrammen und Bildungsangebotenfür Risikogruppen verwendet wurden. Im Relevanzsystem der Entschei-dungsträger und der Institutionsvertreter waren die organisatorischenProbleme, also die Beschaffung und die Verteilung von Geld, vordringli-cher und hatten einen höheren Stellenwert als die optimale Versorgungder Klientel durch ein geschultes und erfahrenes Personal. Die Situationin den neugeschaffenen Bildungseinrichtungen war extrem widersprüch-lich: Neben Institutionen, die den Beschäftigten gewisse Entfaltungschan-cen boten und sie zu Bestleistungen motivierten, gab es Einrichtungen,welche die moralisch hochwertigen Motive der Praktiker systematischausnutzten, für wenig Geld enorm viel verlangten und dennoch keineanspruchsvolle Vermittlungsarbeit im Dienste der Teilnehmer möglichmachten. Fortbildung, Umschulung und Weiterbildung verkamen im Zugedieser Instrumentalisierung zu einer Art berufsbiographischem Verschie-

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bebahnhof, der für manche Betroffenen die Endstation bedeutete. EinStrukturmerkmal in der bundesdeutschen Erwachsenenbildungsszene,die Unübersichtlichkeit und Heterogenität der Anbieter, wurde in denneuen Bundesländern in kurzer Zeit nicht nur dupliziert, sondern mög-licherweise sogar multipliziert. Allein im Einzugsbereich der Stadt Dres-den wurden Anfang der 90er Jahre 670 Weiterbildungsanbieter gezählt.Die insbesondere im Zuge der Wiedervereinigung ambivalente Erfah-rung, dass der Weiterbildungsmarkt nicht nur Segnungen für den Ver-braucher und die Gesellschaft bietet, sondern auch Fehlentwicklungeneinleitet, schuf dann den Resonanzboden für eines der zentralen The-men im Weiterbildungsdiskurs der 90er Jahre überhaupt, nämlich dasder Qualitätssicherung.

4.6 Die Konsolidierung der DisziplinDie aufmerksamkeitserheischenden Turbulenzen und Verände-

rungen im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung dro-hen eine andere, für die Professionalisierung der Erwachsenenbildungeminent wichtige Entwicklung an den Rand zu drängen. Ende der 80erund Anfang der 90er Jahre fanden nämlich ‚innerwissenschaftliche Vor-gänge‘ statt, die für die Berufskultur zwar nicht sofort spürbar, unter mit-tel- und langfristigen Aspekten der universitären Ausbildung und der Eta-blierung einer professionellen Wissensbasis jedoch von vitalem Interes-se für zukünftige Praktikergenerationen waren. Im hier anvisierten Zeit-abschnitt fanden – von der gesamtgesellschaften Umbruchsituation zu-nächst unbeeinflusst – zum einen die Konsolidierung der Erziehungs-wissenschaft und deren Subdisziplin Erwachsenenbildung statt, und zumanderen zeichnete sich eine stärkere Ausdifferenzierung von Profession(Berufskultur, das Geflecht an Einrichtungen und Trägern) und Disziplin(wissenschaftliches Fach) ab (vgl. Stichweh 1987; Tenorth 1994), wasgleichzeitig zu einer Verschärfung der Theorie-Praxis-Differenz beitrug.Einer der Auslöser, um das bis in die 80er Jahre hinein untergründigvirulente Bewusstsein einer randständigen Position im Wissenschaftsbe-trieb zu überwinden, waren Projekte, in denen Fragestellungen und Me-thoden der Wissenschaftsforschung auf das eigene Fach angewendet wur-den. Diese beinhalteten den Befund, dass trotz der „lauten Klage“ überdie randständige Bedeutung von Bildung und Erziehung faktisch ein „stil-ler Sieg“ seitens der Pädagogik in der modernen Gesellschaft zu ver-zeichnen sei (vgl. Tenorth 1992). Davon konnte das Fach Erziehungs-

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wissenschaft bis 1977 durch ständige Expansion und in der Zeit danachdurch eine zunehmende Ausdifferenzierung profitieren (vgl. Baumert/Roeder 1994). Kaum eine andere Berufsgruppe ist seit Anfang dieses Jahr-hunderts so expandiert wie die diversen Gruppen der schulischen undaußerschulischen Pädagogen. Insbesondere der früher einmal nur alsKompensationsfeld schematisierte außerschulische und außerinstitutio-nelle Bereich von Bildung und Erziehung trat aus dem früheren Schat-tendasein heraus und avancierte zum bevorzugten Objekt der pädagogi-schen Gegenwartsdiagnose.

Phänomene im Zusammenhang mit der Universalisierung desPädagogischen, der Entgrenzung der Erwachsenenbildung einerseits unddie viel diskutierten Individualisierungs- und Freisetzungsprozesse wur-den als zwei (komplementäre) Seiten einer Medaille diagnostiziert. Diegesellschaftliche Aufwertung der außerschulischen Pädagogik wirkte sichauf die Disziplin aus und trug zu einem stärkeren Selbstbewusstsein bei.Diese Position war mit der kulturkritischen und verfallsgeschichtlichenTradition der Erwachsenenbildung, wie sie von geisteswissenschaftlichenProtagonisten vertreten wurde, kaum zu vereinbaren. Gleichzeitig hatdie Erziehungswissenschaft den Anfang der 60er Jahre vollzogenen Schrittder Umwandlung in eine sozialwissenschaftliche Disziplin mit eigenerForschungskultur konsequent weiter fortgesetzt, so dass ein produktivesNebeneinander von qualitativer und quantitativer Forschung entstandenist. Dass sich die Erziehungswissenschaft mit ihren Teildisziplinen dabeivollends von ihrer früheren Rolle als betreuende Instanz der Professionemanzipiert und sich ihre Forschungspraxis von den Verwertungsinter-essen des Berufsfeldes distanziert hat, war eine folgerichtige Nebenwir-kung. Flankiert wurde diese Entwicklung durch die Ergebnisse der sozio-logischen Verwendungsforschung (vgl. Beck/Bonß 1989), welche die Rollevon erziehungs- und sozialwissenschaftlichem Wissen weder als Voll-strecker der Aufklärung noch als bloßes Mittel einer herrschaftsstabili-sierenden Sozialtechnologie zu bestimmen vermochte. Mindestens eben-so wichtig war die verstärkte Rezeption der Systemtheorie, die nichtsanderes als die strikte Differenz von Theorie und Praxis zuließ und jedeEinheitshoffnung im Keim erstickte. Von der Last und der Verantwortungberufsfeldbetreuender Wissenschaft befreit, konzentrierten sich vieleVertreter der akademischen Erwachsenenbildung auf ihre ureigensteAufgabe: möglichst neutrale pädagogische Zeitdiagnosen vorzunehmen,unbestechliche Forschung zu betreiben und neue Entdeckungen über

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die pädagogische Realität zu machen. Nicht alle Vertreter der akademi-schen Erwachsenenbildung haben die eben skizzierten Tendenzen un-terstützt und eine stärkere Anbindung der erwachsenenpädagogischenTheoriebildung an die Erziehungswissenschaft gut geheißen. Auch daserklärt den Tatbestand, dass seit Ende der 80er Jahre ein Nebeneinanderunterschiedlicher Positionen, Ansätze und Grundhaltungen zu beobach-ten ist, ohne dass man hier von Schulen oder gar von Lagern sprechenkönnte. Kade/Nittel/Seitter (1999) haben vier zentrale Richtungen inner-halb der Erwachsenenbildung identifizieren können: nämlich den an dieReformdebatte der 70er Jahre sich anschmiegenden institutionszentrier-ten Ansatz, den an die Aufklärungsidee angelehnten bildungszentriertenZugang, die vom lebenslangen Lernen inspirierte lebenslauforientiertePosition und den durch die Differenz von Lehren und Lernen inspirier-ten aneignungstheoretischen Ansatz.

Im Zuge der Wiedervereinigung – und hier schließt sich derKreis der Argumentation wieder – wurde der hier extrem abgekürzt dar-gelegte Vorgang der Konsolidierung und Ausdifferenzierung des FachsErziehungswissenschaft im Allgemeinen und der Erwachsenenbildungim Besonderen durch die Besetzung von Lehrstühlen und Professurenorganisatorisch abgesichert. Generell kann heute gesagt werden, dassVorstellungen von der Machbarkeit der Einheit von Theorie und Praxisals überholt gelten und eine strukturelle, weil epistemologisch begründ-bare Differenz von Reflexions- und Analysewissen einerseits und demberuflichen Können sowie dem Handlungswissen andererseits als kon-stitutiv für die Möglichkeit pädagogischer Praxis betrachtet wird. DieseDifferenz wird nicht als notwendiges Übel, sondern als eine autonomvom Professionellen zu lösende Aufgabenstruktur aufgefasst, zu derenBearbeitung wissenschaftliches Wissen allein nicht ausreicht. Dies spie-gelt sich u. a. in den zentralen professionstheoretischen Positionen wie-der, wie sie von Vertretern der Erwachsenenbildung ausbuchstabiertwurden (vgl. Kapitel IV).

4.7 ResümeeErgebnissichernd lässt sich bezogen auf die 80er Jahre und die

Phase der Wiedervereinigung sagen, dass die Lage des Personals in derWeiterbildung (gemessen an dem vorschulischen und dem schulischenBildungsbereich sowie im Vergleich zu den Universitäten) eines der we-

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nigen stabilen, wenn nicht sogar der schwach wachsenden Segmente imErziehungs- und Bildungswesen darstellt. Während 1985 rund 25% derbundesdeutschen erwachsenen Bevölkerung an Weiterbildungsveranstal-tungen teilnahmen, waren es 1991 (bezogen auf Gesamtdeutschland)immerhin bereits 37%, und diese Steigerungsraten vollzogen sich trotzFinanzknappheit von Bund, Ländern und Gemeinden und dem durchdie Wiedervereinigung begründeten Spardruck. Die hin und wieder ge-äußerte These, dass im Zuge der 80er Jahre die Kategorie Professionali-sierung nicht mehr zur Beschreibung der Erwachsenenbildung tauge,erscheint schon deshalb riskant, weil in dieser Zeit eine allgemeine Ten-denz der Diversifikation der Erwachsenenbildungsinstitutionen bzw. dieVermehrung der privaten Anbieter zu verzeichnen und die Vergrößerungdes Angebotes im Bereich der beruflichen und der betrieblichen Bildungzu registrieren ist. Gleichzeitig ist ein weitgehend stabiler Personalbe-stand im Kernbereich der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildungin Rechnung zu stellen. Auch sei an den Umstand erinnert, dass in denletzten 30 Jahren ein nicht versiegender Strom an ausgebildeten Absol-venten der Erwachsenenbildung die Universitäten verlassen hat und dasses sich hier um einen Akademikertyp handelt, dessen Arbeitslosenquoteeher unter als über der durchschnittlichen Zahl liegen dürfte. Einschlägi-ge Verbleibsstudien bieten jedenfalls keinen Anlass, daran zu zweifeln,dass der Großteil dieser Absolventen auf lange Sicht in der Erwachse-nenbildung tätig geworden ist. Zu vermuten ist, dass zwar kein exorbi-tanter Zuwachs an festen Stellen, aber sehr wohl die Expansion des Be-rufsfeldes Erwachsenenbildung verzeichnet werden kann (vgl. Kap. V).In quantitativer Hinsicht hat das Berufsfeld gleichsam zugelegt, doch dieQualität der Arbeitsbedingungen hat mit dieser Entwicklung keineswegsSchritt gehalten. Die Entgrenzung oder Enttraditionalisierung der Weiter-bildung, die Zersplitterung und Zerfaserung des Berufsfeldes und die Bio-graphisierung der individuellen Professionalisierung müssen als drei Di-mensionen ein und desselben Prozesses betrachtet werden, der für einehochgradige Ambivalenz und Uneinheitlichkeit im Berufsfeld sorgt. Sogesehen steht das Weiterbildungspersonal zu Beginn der 90er Jahre bzw.kurz nach der Wiedervereinigung in mehrfacher Weise vor einer wider-sprüchlichen Situation: Einerseits hat die soziokulturelle Aufwertung deslebenslangen Lernens stattgefunden, von der die Berufskultur unmittel-bar nicht profitieren konnte, andererseits haben die Institutionen, diefrüher das Zentrum der Erwachsenenbildung gebildet haben, ihren Sta-tus eingebüßt, um gleichsam im allgemeinen Weiterbildungsmarkt den

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Status eines Anbieters unter vielen einzunehmen. Während die Berufs-kultur von der soziokulturellen Aufwertung des lebenslangen Lernensoffenbar nicht profitieren konnte, scheint sie aus der Ausdehnung desBerufsfeldes höchstens aufgrund der Vermehrung berufsbiographischerOptionen, aber nicht durch die Aufwertung des gesellschaftlichen Man-dats Nutzen gezogen zu haben. Einen Machtgewinn am Arbeitsplatz undin den Organisationen konnte die Berufskultur der Erwachsenenbildner/innen ebenso wenig verzeichnen wie eine deutliche Verbesserung desAnsehens in der Öffentlichkeit.5 Alles in allem stellt das Projekt der Pro-fessionalisierung somit ein offenes Vorhaben dar.

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IV Professionstheoretische Positionen inder gegenwärtigen Erwachsenenpädagogik

1. Vorbemerkung

Bevor im Anschluss an den gerade erfolgten historischen Annä-herungsversuch in Kap. V die jetzige Lage des Weiterbildungspersonalsund der augenblickliche Stand der Verberuflichung umrissen werden,sollen nun einige zentrale professionstheoretischen Positionen skizziertwerden. Die Präsentation von wissenschaftlichen Ansätzen, welche dieprofessionstheoretischen Eigenleistungen der Disziplin dokumentieren,erfolgt auch deshalb an dieser Stelle, weil damit nochmals der Kontrastzur Weimarer Zeit verdeutlicht werden kann: Im Gegensatz zur Weima-rer Republik verfügt die bundesdeutsche Erwachsenenbildung schon seitgeraumer Zeit über eine neutrale wissenschaftliche Instanz, die den Pro-zess der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung einer konstrukti-ven Begleitung, Kritik und Beobachtung unterzieht. Die Erwachsenen-bildung als sachlich, personell, räumlich und zeitlich gegliederte Praxisist nicht nur ein ‚Anwendungsfall‘ von Professionalisierung im Gesamt-zusammenhang pädagogischer Arbeitsfelder oder gar bloßer Beobach-tungsgegenstand der Berufssoziologie, sondern sie vollbringt als wissen-schaftliche Teildisziplin der Erziehungswissenschaft auch eigene Refle-xionsleistungen. Darüber hinaus erbringt sie im Medium der berufsbe-zogenen Fort- und Weiterbildung vielfältige Dienstleistungen der Profes-sionalisierung in ganz anderen Berufsfeldern. Da aus Platzgründen hiernur einige wenige professionstheoretische Positionen herausgegriffen undkommentiert werden können, wird dies zwangsläufig dazu führen, dasseinige Ansätze zu kurz kommen oder sich nicht ausreichend repräsen-tiert fühlen. Die Notwendigkeit zur Selektion resultiert aus dem Um-stand, dass sich fast jede/r ErwachsenenbilderIn mit Aspekten der Aus-bildung oder dem Theorie-Praxis-Problem, mit Aspekten der Verberufli-chung und/oder der Professionalisierung befasst hat. Die einschlägigenSammelbände (Harney/Jütting/Koring 1987; Gieseke u. a. 1988), Zeit-schriften (Report 25/1990, Hessische Blätter für Volksbildung 4/1997, 2/1988, 4/1996) und Tagungsberichte (Schlutz/Siebert 1988; Meisel 1997;Otto 1996) zeigen die thematische Breite der Fachdiskussion auf. Kaumein anderes Thema ist über einen so langen Zeitraum so intensiv disku-

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tiert worden, und zwar entweder aus der Sicht von betroffenen Kurslei-tern und potentiellen Weiterbildungslehrern (Dyrda 1986), aus grundla-gentheoretischer Perspektive (Dräger/Günther 1996; Geißler 1997; Wein-berg 1992), vom bildungspolitischen und institutionellen Standpunkt(Nuissl 1996; Schrader 1998; Schiersmann 1988; Schäffter 1988b), ausder Sicht der Bereichsdidaktiken (Huether 1984; Meisel 1984; Skripski1994; Luethi 1990; Kilian 1984), unter dem Fokus der Ausbildungs- undQualifizierungsfrage (Fuhr 1991; Fejer 1991; Brödel 1990) oder vor demHintergrund der prekären Lage des neben- und freiberuflichen Personalsin der Weiterbildung (Dieckmann 1992). Der Versuch, das mit der Pro-fessionalisierungsdebatte verbundene inhaltliche Spektrum in aller Aus-führlichkeit zu dokumentieren, würde den Rahmen einer überschauba-ren Publikation sprengen.

Unter der Vielzahl interessanter Ansätze sind stark kontrastie-rende ausgewählt worden, um auf diese Weise die theoretische Varianzmöglichst groß zu halten. Zunächst wird der Blick auf die professions-theoretische Position gelenkt, die das planende und disponierende Be-rufshandeln in den Mittelpunkt rückt. Dieser in der Erwachsenenbildungprominente Ansatz soll insbesondere mit den einschlägigen Arbeiten vonWiltrud Gieseke und Hans Tietgens verbunden werden. Während Tiet-gens vor allem in den 70er Jahren stark an der Entwicklung von Legiti-mationsmustern zur Durchsetzung der Hauptberuflichkeit beteiligt warund gleichsam die personalisierte Brücke zur geisteswissenschaftlichenPädagogik darstellt, widmete sich Gieseke dem anstehenden Schritt ei-ner empirisch orientierten erwachsenenpädagogischen Berufsfeldanaly-se. Dem wissenssoziologischen Ansatz von Bernd Dewe wird hier eben-so wie den Schriften von Tietgens und Gieseke vergleichsweise viel Raumeingeräumt, weil es sich um eine dem rasch wechselnden pädagogi-schen Zeitgeist weitgehend enthobene Position handelt. Dewe hat sichin seinen zahlreichen professionstheoretischen Schriften um Anschlüssezur allgemeinen erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Theorie-Pra-xis-Debatte und zur Verwendungsforschung bemüht, die Professionstheo-rie von Oevermann auf andere pädagogische Felder appliziert und dieinternationale Literatur intensiv rezipiert. Sein Anliegen besteht wenigerdarin, in die Debatte innerhalb der Berufskultur unmittelbar einzugrei-fen, als vielmehr metatheoretische Impulse zu geben und die elementars-ten Bedingungen für die Möglichkeit von Verberuflichung in der Erwach-senenbildung zu sondieren. Da die momentane Diskussion in der beruf-

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lichen und betrieblichen Bildung mit großer Intensität und Beteiligungerfolgt, muss neben den eben erwähnten grundsätzlichen Positionen auchdieses spezielle, an die Erwachsenenbildung angrenzende Gebiet be-trachtet werden. Anhand der Schriften von Rolf Arnold wird dann ge-zeigt, dass die Annäherung von Erwachsenenbildung und betrieblicherBildung auf institutioneller und bildungspolitischer Ebene auch den Theo-rietransfer einschließt. Das spezifische Profil der von Arnold vertretenenRichtung besteht darin, mit den Mitteln neuer Theorieangebote aus demUmkreis des radikalen Konstruktivismus gegenläufige und disparate Ele-mente (instrumentelle und ethische Anteile von Professionalität) undPolaritäten (Bildung versus Qualifikation) auf neue Weise anzuordnen.Auf diese Weise werden alte Gegensatzanordnungen zwar nicht völligsuspendiert, aber zumindest in produktive Spannungsverhältnisse trans-formiert, so dass neue Kontaktzonen entstehen.

Mit der soeben skizzierten Auswahl – dem auf das planendeund disponierende Handeln setzenden Professionsverständnis, dem wis-senssoziologischen Ansatz und dem betriebspädagogischen Zugang –ist der Anspruch verbunden, einen selektiven, aber dennoch exemplari-schen Überblick über die Vielfalt und die Produktivität der professions-theoretischen Diskussion in der Erwachsenenbildung zu vermitteln.

2. Planerisches und disponierendes Berufshandeln: diePositionen von Hans Tietgens und Wiltrud Gieseke

Die bildungspolitische Durchsetzung und wissenschaftliche Fun-dierung des planerischen und disponierenden Handelns von hauptbe-ruflich tätigen Mitarbeiter/innen ist aufs Engste mit dem erwachsenen-pädagogischen Professionskonzept von Hans Tietgens und Wiltrud Gie-seke verbunden. In ihren Schriften finden sich Positionen und Grundhal-tungen ausbuchstabiert, die sowohl von Seiten der Träger und Einrich-tungen der Erwachsenenbildung als auch von den Vertretern der scienti-fic community in leicht modifizierter Weise ebenfalls vertreten werden(Siebert 1988; Faulstich 1996a; Weinberg 1990). Von Tietgens wurdenStandards gesetzt, hinter die andere nicht mehr zurückgehen konnten.Der Gefahr einer Personalisierung der hier exemplifizierten Richtung kannin der Weise begegnet werden, dass auch der institutionelle Hintergrundberücksichtigt wird, nämlich die Pädagogische Arbeitsstelle (PAS) des

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Deutschen Volkshochschul-Verbandes – Vorläufer des heutigen Deut-schen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE). Hans Tietgens war weitüber zwanzig Jahre als Leiter dieses Instituts tätig, und Wiltrud Giesekehat ebenfalls in dieser Einrichtung gearbeitet und ihre einschlägige Pro-fessionsforschung (vgl. Gieseke 1989, 1994a, 1994b, 1994c, 1996, 1997)hier begonnen. In mehrfacher Hinsicht kann der PAS, was die Verberuf-lichung der Erwachsenenbildung angeht, eine katalysatorische und zu-gleich multiplizierende Wirkung attestiert werden. So ist der institutio-nelle Auftrag dieser Einrichtung (und des späteren DIE) insofern mit derStrukturlogik von Professionen kompatibel, als in der konkreten Arbeitder Versuch unternommen wird, zwischen der Berufspraxis der Erwach-senenbildung und der Wissenschaft zu vermitteln: Mittels Fortbildungwerden inkongruente Wissensformen (Handlungs- und Reflexionswis-sen) übersetzt, über Berufsfeldanalysen und didaktische Entwicklungs-forschung sollen forschungsrelevante Fragestellungen identifiziert wer-den, und einschlägige Publikationen tragen zur berufsfeldspezifischenPopularisierung von höhersymbolischen Wissensformen bei. Die Ein-richtung begreift sich keineswegs als Institut, das Wissenschaft um derWissenschaft willen betreibt. Zum anderen definiert es sich aber auchnicht als reine Serviceeinrichtung, die im pragmatischen Gestus der Re-zeptvermittlung Aufträge der Praxis annimmt und ausführt. Da wederdie für wissenschaftliches Denken typische Kultivierung des Zweifels nochder Handlungsdruck und andere Sachzwänge der Praxis vereinseitigt wer-den, entspricht das institutionelle Profil dem Charakter des für die pro-fessionelle Sachlogik typischen „Dazwischen“ (vgl. Oevermann 1996:70).Das publizistische Potential und die durch Fortbildung geschaffenenNetzwerke haben zur großen Verbreitung der von Tietgens und Giesekevertretenen Positionen und Standpunkte beigetragen, und zwar weit überden Volkshochschulrahmen hinaus. Charakteristisch für die PAS war, dasssie mit einer weitgehend überschaubaren Weiterbildungslandschaft mitder Volkshochschule als Zentrum konfrontiert war und somit über dieMöglichkeit verfügte, sowohl in Richtung Wissenschaft als auch in Rich-tung Berufspraxis Fühler auszustrecken. In dieser Zeit hatte die Instituti-on noch die Funktion eines Seismographen, der weitreichende Verände-rungen frühzeitig registrierte und die Weiterbildungsdiskussion wissen-schaftlich und bildungspolitisch maßgeblich beeinflusste. So gehörtenTietgens und Gieseke unter den Vertretern der Erwachsenenbildung zuden ersten, die angesichts des absehbaren Probleme bei der Versteti-gung der Professionalisierung Ende der 80er Jahre auf die Notwendigkeit

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einer Umorientierung hinwiesen und das Thema Professionalität in denVordergrund rückten.

Tietgens hat als einer der maßgeblichen Protagonisten der west-deutschen Erwachsenenbildung seit den 60er Jahren den Modernisie-rungsprozess der Weiterbildung mit all seinen realistischen und reflexi-ven Wenden beeinflusst (vgl. Gieseke 1992) und unliebsamen Tenden-zen gegenzusteuern versucht oder in anderer Weise Zeichen gesetzt. Errepräsentiert den in der modernen, funktional ausdifferenzierten Gesell-schaft eigentlich atypischen Typ eines Wissenschaftlers, der nicht nur inden verschiedensten wissenschaftlichen Arenen agiert hat, sondern dar-über hinaus noch zusätzliche Rollenmuster in seiner Person vereinigt.Neben seiner Funktion als Institutsleiter und Hochschullehrer ist Tiet-gens auf dem Forum der Fortbildung als Praktiker der Erwachsenenbil-dung aufgetreten, dessen besonderes Anliegen darin bestand, Bildungs-reform (Gestaltung) mit Bildungsforschung (Analyse) zu vereinen. AlsMitautor der Schrift „Umrisse und Perspektiven der Weiterbildung“, dieden Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 konkretisieren sollte,hat Tietgens in der Rolle des Politikberaters an der Entwicklung einerkonsensorientierten Plattform für die Umsetzung der Bildungsreform ak-tiv mitgearbeitet. Von diesem hier erarbeiteten Konsens hat er dann aufder Bühne der Berufspolitik, als es um die Durchsetzung der Hauptbe-ruflichkeit ging, nachhaltig profitieren können. Als wissenschaftlich un-abhängiger Experte hat er als Leiter eines Instituts in den „Blättern zurBerufskunde“ ein Anforderungsprofil für Leiter/innen und Mitarbeiter/innen an Volkshochschulen entworfen, auf welches er dann aus einerganz anderen Sicht, so z. B. aus der eines engagierten Gegners der Ent-schulungsthese und als Verfechter des Fachbereichsprinzips, zurückgrei-fen konnte (vgl. Tietgens 1976). Durch das hier angedeutete Changierender Rollen konnte man sich auf diese Weise gleichsam selbst die Bällezuwerfen, und zwar in einem Spiel, von dem die Erwachsenenbildungvon der Sache her als Ganzes profitieren konnte.

Die Begründungsmuster und Argumentationsfolien für die Aus-differenzierung der Verwissenschaftlichung der planend-disponierendenBerufsrolle wurden von Tietgens in einer kaum noch überblickbaren An-zahl von Publikationen und Verlautbarungen immer wieder aufs neueund in immer neuen Varianten aufgerollt (vgl. Tietgens 1962a und b,1979, 1983). Ein Kernargument war, dass die zur Erarbeitung eines Pro-

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grammangebotes notwendige Ermittlungs- und Planungskompetenz we-der durch Berufserfahrung allein noch durch missionarischen Eifer auf-zubauen sei. Schon 1962 nahm er die Idee der lebenslangen Bildungauf: „Sieht man hingegen in der ‚Education permanente‘ eine Grundan-forderung unserer modernen Gesellschaft, soll die Volkshochschule ei-nen festen Platz im Gesamtbildungssystem einnehmen und innerhalbdieses Bildungssystems eine Durchlässigkeit gewährleisten helfen, sollsie die Chance der Weiterbildung auf allen Ebenen in legitimer Weisevermitteln, dann ist die hauptberufliche Leitung einer Volkshochschuleunumgänglich, dann braucht sie qualifizierte Mitarbeiter, die sich ihrerAufgabe vollberuflich annehmen können“ (Tietgens 1962a:255). In demeben zitierten Aufsatz referiert der Autor eine kleinere explorative Erhe-bung, in welcher Volkshochschulen mit und ohne hauptberufliche Lei-tung verglichen wurden, wobei die professionell geführten Einrichtun-gen in allen Punkten qualitativ besser abschnitten. Angesichts der gesell-schaftlichen Aufwertung des lebenslangen Lernens, der gestiegenen Bil-dungsnachfrage bei Erwachsenen und der veränderten Ansprüche derTeilnehmer/innen, so Tietgens, könne die Angebotsplanung nicht mehrals mitlaufende Aktivität betrachtet, also nicht mehr nebenbei erledigtwerden. In der damaligen Zeit war allen bildungspolitischen Akteurenbewusst, dass die zugunsten der Hauptberuflichkeit ins Feld geführtenArgumente nur vor dem Hintergrund des staatlichen Zugeständnissesstichhaltig sind, dass sich die Kommunen und die Länder zuvor zur öf-fentlichen Verantwortung bekennen. Der in der gegenwärtigen Rezepti-on etwas vernachlässigte und in seinen älteren Beiträgen stärker betonteFaktor Leistungsorientierung kommt besonders in seinen frühen Schrif-ten über die Mitarbeiterfrage, wie z. B. in der folgenden Aussage, zurGeltung: „Solidität und Kontinuität der Arbeit selbst aber – und damitdauerhaftes Ansehen in der Öffentlichkeit – gewinnt sie (die VHS, D. N.)durch die Leistung ihrer Mitarbeiter“ (Tietgens 1962b:7). In den Blätternfür Berufskunde oder in anderen Texten, die der Bestimmung der Funkti-on und der Aufgaben hauptberuflich tätiger Mitarbeiter/innen dienen, istdas Volumen der Kernaktivitäten und Tätigkeitsschwerpunkte außeror-dentlich groß dimensioniert. So beinhaltet allein die Organisation vonLernprozessen „konzeptionelle Rahmenplanung, makrodidaktische Ko-ordinationsplanung, eigene Lehrtätigkeit und organisatorische Ablauf-planung“ (Tietgens 1994:3). Die Ausbuchstabierung dieses ambitionier-ten Programms war nur vor dem Hintergrund der Unterstellung möglich,dass das in der Erwachsenenbildung tätige Personal unter der Selbstver-

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pflichtung hoher Leistungsansprüche agieren würde. Wegen der Gleich-zeitigkeit von abstrakten und konkreten Arbeitsplatzbeschreibungen unddes Differenzierungsniveaus der von Tietgens geforderten Kernaktivitä-ten verwundert es nicht, dass sie nicht nur auf den Volkshochschulbe-reich, sondern ebenso auf Bildungsmanager in Betrieben oder auf Wei-terbildungsbeauftragte in Non-Profit-Organisationen zutreffen. Dass diediesbezüglichen Aufgabenprofile eine gewisse Resistenz gegenüber Ver-änderungen im Berufsfeld aufweisen, ist daran ablesbar, dass die vonTietgens verfassten „Blätter zur Berufskunde“ in der 7. Auflage vorliegen.

An zwei professionspolitisch folgenreichen Initiativen waren Gie-seke und Tietgens in den 70er Jahren, der Blütephase des Professionali-sierungsprozesses, gemeinsam beteiligt, nämlich an der Planung, Um-setzung und Evaluation der Falkensteiner Seminare und des SESTMAT-Projektes (SESTMAT = Selbststudienmaterialien) (vgl. Pädagogische Ar-beitsstelle des DVV 1976ff.). Auf den individuellen Kompetenzerwerbebenso wie auf den pädagogischen Korpsgeist vieler Erwachsenenbil-dungspraktiker außerordentlich instruktiv haben die sogenannten Fal-kensteiner Seminare zur Berufseinführung gewirkt. Diese Veranstaltun-gen lösten die bescheiden dimensionierten Studentenseminare in den60er Jahren ab, mit deren Hilfe man ebenfalls Nachwuchskräfte für dieErwachsenenbildung rekrutieren wollte. Ohne dass dies intendiert war,boten die Falkensteiner Seminare neuen Mitarbeiter/innen an Volkshoch-schulen zum einen die Gelegenheit, das spezifische Wir-Gefühl auszu-bilden, gleichsam zur Vorhut der Bildungsreform zu gehören, und zumanderen die Chance, ein solides Basiswissen über die angestammte In-stitution, ihre Geschichte, ihre bildungspolitische Funktion und das Be-rufsbild der hauptberuflichen pädgogischen Mitarbeiter/innen (HPM) ver-mittelt zu bekommen. Der Idee der systematischen und relativ aufwen-digen Berufseinführung lag die Überzeugung zugrunde, ein gewissesÄquivalent für die in den professional schools übliche Praxisphase desReferendariats oder die klinische Phase in der Medizinerausbildung zuschaffen. Die zumeist strittigen Auseinandersetzungen zwischen denmehrheitlich durch die Studentenbewegung und die 68er Jahre gepräg-ten Teilnehmer/innen einerseits und den eher auf politische Neutralitätbedachten Seminarleitern (wie Hans Tietgens) andererseits wurden en-gagiert und temperamentvoll ausgetragen. Wie sich in vielen Fällen ersteinige Jahre später erwiesen hat, haben sich insbesondere diese Debat-ten außerordentlich fördernd auf die Herausbildung einer generations-

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spezifischen beruflichen Identität ausgewirkt. Die Falkensteiner Semina-re waren, was die Formierung eines beruflichen Habitus und die Wert-schätzung eines kritischen und aufgeklärten Bewusstseins angeht, stil-bildend für nahezu eine ganze Generation von hauptberuflich tätigenMitarbeiter/innen.

Während die Falkensteiner Seminare als eine aufwendige Se-quenz von Fortbildungsveranstaltungen eine personenbezogene Dienst-leistung darstellten, die nur einen begrenzten Personenkreis erreichenkonnte, versuchte das SESTMAT-Projekt über das anonymere Mediumdes Selbststudienmaterials eine größere Breitenwirkung zu erreichen. Diehier erstellten Selbststudieneinheiten stießen in der Erwachsenenbildungs-praxis und bei den Studenten der Erwachsenenbildung gleichermaßenauf positive Resonanz: Neue Mitarbeiter/innen an Volkshochschulen ausfremden akademischen Fachkulturen konnten die Materialien quasi zurindividuellen Nachqualifikation nutzten, und Student/innen an den Uni-versitäten verwendeten die Texte als kompakte und dennoch informati-ve Reader, um sich auf akademische Prüfungen vorzubereiten. An derErstellung der Texte, die in mehreren Phasen der Erprobung und der an-schließenden Revision erfolgte, waren die jeweils kompetentesten Wis-senschaftler und Praktiker gemeinsam beteiligt. Insgesamt sind 25 Ein-zelhefte erschienen, wobei sich der thematische Fokus der einzelnenExemplare im Wesentlichen an den institutionellen Schlüsselsituationenund den beruflichen Kernaufgaben (Planen, Hospitieren, Erschließen vonBildungsbedarf, Weiterbildungsberatung usw.) orientiert. Wie kaum eineandere Textsorte ist es den SESTMAT-Einheiten gelungen, den in einerbestimmten Zeit herrschenden Stand an Professionswissen nahezu kom-plett abzubilden. Die SESTMAT-Reihe, die im Zuge der deutschen Wie-dervereinigung zum Teil erneut aktualisiert wurde, kann als Vorbild di-daktisch ähnlich aufgebauter Materialien anderer Institutionen gelten(Fernstudienmaterial der Universität Kaiserslautern).

Die beiden eben genannten Projekte tragen dem UmstandRechnung, dass es für Gieseke und Tietgens keinen Königsweg der Ver-beruflichung gibt, sondern dass sie eine auf mehreren Ebenen angesie-delte Professionalisierungsstrategie favorisieren. Die Verwissenschaftli-chung und die Forcierung von Hauptberuflichkeit, so die impliziteGrundannahme von Tietgens und Gieseke, sei ein komplexes und auf-wendiges Unterfangen, das nur durch das gleichzeitige Beschreiten

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mehrerer Wege realisierbar sei. Neben der unumgänglichen und durchnichts zu ersetzenden Etablierung eines grundständigen Studiums derErwachsenenbildung müssten durch die Intensivierung von Fortbildungund die Durchführung von Berufsvorbereitungen auch jene Personenerreicht werden, die kein erziehungswissenschaftliches Studium absol-viert haben. Um eine optimale Verzahnung von akademischer Ausbil-dung, Berufseinführung und Fortbildung zu erreichen, seien weitrei-chende Maßnahmen erforderlich, wie etwa der Aufbau universitärerZusatzstudiengänge für langjährige Mitarbeiter, die Möglichkeit des Fern-studiums und die gezielte Unterstützung von Bestrebungen der Opti-mierung von pädagogischer Fachlichkeit und Reflexionsfähigkeit (kol-legiale Hospitation, Supervision). Tietgens und Gieseke stimmen darinüberein, dass ohne die Etablierung und Tradierung einer wissenschaft-lichen Disziplin Versuche der Professionalisierung langfristig zum Schei-tern verurteilt sind. Was das Verhältnis von Profession und wissenschaft-licher Disziplin angeht, so setzen sie sich ganz eindeutig von dem durch-gehend antiscientifischen Verständnis der Weimarer Zeit, aber auch vonden Entschulungsintentionen ab, wie sie durch Kritiker einer experto-kratischen Pädagogik vertreten werden (vgl. Dauber 1980; Illich 1979).Mit der wissenschaftlichen Fundierung der erwachsenenpädagogischenBeruflichkeit verbinden sie drei Erwartungen, die sich komplementärzueinander verhalten und Synergieeffekte erzeugen sollen: Die Identifi-kation mit der sich formierenden Wissenschaft von der Erwachsenen-bildung solle bei den Berufsnovizen erstens für eine größere Homoge-nität im Professionsbewusstsein sorgen und ein Wir-Gefühl unter denBerufsangehörigen schaffen; zweitens sollten die im Zuge der wissen-schaftlichen Sozialisation erworbenen Wissensgrundlagen den Umgangmit den verschiedenen didaktischen Handlungsebenen (Tietgens 1992)optimieren und das notwendige Kontextbewusstsein schaffen, und drit-tens solle Wissenschaft im Gewand der empirischen Forschung Lichtin die Wirkungsweise und die Mechanismen des organisierten Lehrensund Lernens von Erwachsenen bringen und auf diese Weise der Praxiseine Art Spiegel vorhalten.

Diese Vorstellung einer ‚verwissenschaftlichten Beruflichkeit‘korrespondiert mit einem emphatischen Verständnis von Demokratie,einer wachsamen Haltung gegenüber den Errungenschaften einer zivi-len Gesellschaft sowie der Achtung vor der Würde des Mitmenschenund dessen Einzigartigkeit. Insbesondere Gieseke rekurriert auf die for-

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malen Grundsätze der Demokratie, wenn sie die Sphäre des Politischensorgsam von der Welt der Professionen unterscheidet, ohne dabei zuvergessen, dass die Bewältigung von Dilemma-Situationen und Parado-xien in der politischen wie in der professionelle Rationalitätssphäre letzt-lich an universalistische, absolut moralische Prinzipien rückgebundenist. Das Insistieren auf politischer Unabhängigkeit erfolgt vor dem Hin-tergrund der historischen Erfahrung, dass jede Form der übermäßigenPolitisierung einer Verberuflichungsstrategie, dem Prinzip der Klienten-orientierung und dem notwendigerweise abstrakten Gemeinwohlbezugwiderspricht und auf lange Sicht – wie man am Schicksal der Ärzteschaftunter Stalin sehen kann – einer Instrumentalisierung Vorschub leistet unddeprofessionalisierend wirkt (vgl. Gieseke 1994a:293-294). Andererseitsdürfe politische Unabhängigkeit aber nicht in politische Indifferenz über-gehen, denn ohne ein Mindestmaß an „Reflexion der Außendimensionprofessionellen Handelns (würden) professionelle Maßstäbe ihre Glaub-würdigkeit verlieren“ (ebenda:294). Die relative Autonomie des Profes-sionellen schließt politische Unabhängigkeit, aber eben keine politischeNeutralität oder Abstinenz ein.

Aufgrund der unterschiedlichen Generationszugehörigkeit wei-sen die Arbeiten von Gieseke und Tietgens eine jeweils andere Schwer-punktsetzung auf: Während sich Tietgens viel stärker auf die Volkshoch-schulen konzentriert und kaum empirisch gearbeitet hat, ist GiesekesAufmerksamkeit stärker auf die ganze Breite des Weiterbildungsmarktesgerichtet, wobei sie die Forderung, empirisch zu arbeiten, nicht nur pro-klamiert, sondern auch selbst eingelöst hat. Unter ihren Untersuchun-gen sticht die Längsschnittstudie über den beruflichen Habitus von haupt-beruflich tätigen Mitarbeiter/innen an Volkshochschulen hervor, die vonder Anlage, dem theoretischen Anspruch und den Ergebnissen unter denArbeiten zur beruflichen Selbstverständigung einen besonderen Stellen-wert besitzt. Das Untersuchungsziel konzentriert sich darauf, „heraus-zufinden, welche Handlungspläne die Erwachsenenpädagogen für ihrejeweiligen Arbeitsbereiche erarbeiten, welche Arbeitsstrategien sie, ohneauf ein im antizipatorischen Sozialisationsprozess erworbenes Wissenzurückgreifen zu können, sich erarbeiten“. Hauptberuflich tätige Mitar-beiter/innen werden auf ihre berufsbiographischen Dispositionen hin un-tersucht und – via Längsschnittstudie – auf ihrem Weg in ein durch viel-fältige und widersprüchliche Anforderungen geprägtes Berufsfeld beglei-tet. Dies erfolgt mit dem Ziel, herauszufinden, ob die Aneignung des

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institutionellen Umfeldes und der diesbezüglichen Konventionen undRegeln die Konstitution eines unverwechselbaren beruflichen Habitusbegünstigt. Im Zentrum der Analyse steht dabei nicht der eigentlich nurszenisch und atmosphärisch manifest werdende Habitus als solcher, son-dern die Modi, mit denen die Berufstätigen ihre berufliche Realität verar-beiten und aneignen. Vier Aneignungsmodi hat Gieseke entdecken kön-nen: Der Modus „Differenz mit Stabilisierung“ beinhaltet, dass im Pro-zess der beruflichen Etablierung zwar ursprüngliche Ziele der Arbeit undprofessionelle Basispositionen graduell verändert und situationsspezifischangepasst werden, aber keine essentielle Umwidmung erfahren. Diezweite Art der Aneignung wird „Spezifizierungsmodus“ genannt. Hierfindet eine Konzentration – manchmal eine Überfokussierung – auf ei-nen begrenzten inhaltlichen Arbeitsbereich oder auf eine partikulareOrganisationsaufgabe statt; Hintergrund für eine solche Schwerpunkt-bildung kann zum Beispiel das gesteigerte kommunikative Interesse aneinem fachlichen Austausch mit Kursleitern oder Kommunalpolitikernsein. Bei der dritten Variante, dem „Reduktionsmodus“ schrauben dieHPM ihre Zielvorstellungen und professionellen Ambitionen angesichtsfortlaufender Praxisfrustrationen auf das Maß des für sie Machbaren zu-rück. „Sie sind dann meistens schnell bereit, von der Unrealisierbarkeitder Ziele und weniger von den Schwierigkeiten bei der Realisierung zusprechen. Die nur begrenzt entwickelten inhaltlichen Perspektiven wer-den häufig ersetzt durch institutionell vermittelte oder der Routine ver-pflichtete Ziele“ (Gieseke 1996:699). Der vierte Modus schließlich zeich-net sich durch ein hohe Selbstbezüglichkeit aus und kann deshalb als„Reflexionsmodus“ bezeichnet werden. Das intensive Nachdenken wirddurch fortlaufende Diskrepanzerfahrungen stimuliert: „Es wird die gan-ze Problematik und Schwierigkeit transparent, gestaltend tätig sein zuwollen in einem Bereich, der vorgibt, dazu Möglichkeiten zu bieten,und dann doch erfahren zu müssen, dass die eingefahrenen Wege desPlanens und Kommunizierens nicht verlassen werden dürfen“ (eben-da:700). Die vorgefundenen Aneignungsmodi scheinen eine besondersgroße Resistenz zu haben, also gegenüber späteren Versuchen der Kor-rektur weitgehend immun zu sein. „Die von uns herausgearbeiteten An-eignungsmodi sind zwar durch voraufgegangene Situationen entstanden,ohne dass wir wissen, welchen Lebensphasen sie zuzuordnen sind. Siewirken jedoch weiter und versuchen, sich in der Realität zu bewähren.Sie kommen unausweichlich zur Anwendung, sie werden zu Dispositio-nen“ (Gieseke 1989a:258).

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Gieseke betont in ihren Schriften immer wieder das Rekrutie-rungsdilemma in der Erwachsenenbildung: Einerseits werden Personenan den Universitäten mit dem Ziel ausgebildet, dass sie – das Einver-ständnis der Trägerinstitutionen vorausgesetzt – ein allgemeines erzie-hungs- und sozialwissenschaftliches Qualifikationsprofil erwerben, an-dererseits werden bei der Einstellung in den Einrichtungen dann schließ-lich doch spezifische, d. h. vor allem fachgebundene Qualifikationenerwartet. Dies scheint – nüchtern betrachtet – der Konstruktionsfehlerder grundständigen Ausbildung des Diplom-Pädagogen zu sein, der nurdann behoben werden kann, wenn die Student/innen möglichst früh daseben dargelegte Dilemma antizipieren und auch spezifische, vom Be-rufsfeld tatsächlich angeforderte Kompetenzprofile erwerben.

Aus der zeitlichen Distanz heraus – ohne die Gesamtleistung inirgendeiner Weise schmälern zu wollen – sind einzelne Positionen dereben vorgestellten Richtung auch einer kritischen Überprüfung zu unter-ziehen. Die Kritik müsste sich insbesondere auf die bei Tietgens beob-achtbare Vermischung von Bildungspolitik und Professionstheorie be-ziehen, die in den 70er Jahren und danach zeittypisch war, aber unterden heutigen Bedingungen mit Risiken behaftet ist.1

3. Der wissenssoziologische Ansatz: die Positionvon Bernd Dewe

Dass die Wissenssoziologie viele Affinitäten mit der Erwachse-nenbildung aufweist, kann in mehrfacher Weise belegt werden, so etwamit Wilhelm Maders Hinweis auf die bildungstheoretische Relevanz vonMax Schelers Schriften (vgl. Mader 1980), dem persönlichen Engage-ment anderer Wissenssoziologen in der praktischen Erwachsenenbildung(von Alfred Schütz bis hin zu Max Weber) oder dem erwachsenenpäd-agogischen und bildungspolitischen Wirken von Theodor Geiger (vgl.Geiger 1984). Dieser hat sowohl der (erwachsenen-)pädagogischen alsauch der (wissens-)soziologischen Fachkultur angehört. Unter den in Fragekommenden soziologischen Teildisziplinen, die bei der Erschließungandragogischer Fragestellungen nützlich sein könnten, nimmt die Wis-senssoziologie seit jeher einen herausragenden Platz ein. So hat ErichWeniger, als er die Berufsrolle des Erwachsenenbildners definieren woll-te, die vielzitierte Wendung „Deuter des gelebten Lebens“ vorgeschla-

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gen. Und auch der in den 80er Jahren prominent gewordene Deutungs-musteransatz (vgl. Arnold 1985; Thomssen 1980), neuere Arbeiten überdie Wissensgesellschaft (vgl. Nolda 1996a) und empirische Studien überLehr-/Lernprozesse (vgl. Nolda 1996b) gehen implizit oder explizit aufwissenssoziologische Theoriequellen zurück.

Die Auseinandersetzung mit den Schriften von Bernd Dewe ver-mittelt nicht nur eine Vorstellung, auf welche Weise und mit welchentheoretischen Erkenntnisinteressen und thematischen Schwerpunkten sichein ausgewählter Protagonist der Wissens- und Kultursoziologie die Er-wachsenenbildung erschließt. Über die Beschäftigung mit diesem Autorhinaus soll auch der Umkreis jener Personen deutlich werden, die – wiebeispielsweise Bernhard Koring – ebenfalls professionstheoretische For-schungsanliegen mit einem allgemeinen sozial- und erziehungswissen-schaftlichen Erkenntnisinteresse an der Erwachsenenbildung zu verbin-den versuchen. Ebenso wie in dem Hans Tietgens und Wiltrud Giesekevorbehaltenen Abschnitt geht es also nicht primär um die Präsentationeines Ansatzes, der einer ganz bestimmten Person zugeschrieben wird,sondern um die Verdeutlichung einer einen Einzelautor übersteigendenRichtung.

Dewe blickt auf die Erwachsenenbildung und ihre Berufskulturkeineswegs – wie es andere Vertreter der wissenschaftlichen Zunft zutun pflegen – aus der Binnenperspektive des mit dem Berufsfeld in ir-gendeiner Weise interessensmäßig verbundenen Erziehungswissenschaft-lers, sondern aus der distanzierten Sicht des beobachtenden Soziologen.In einer durchaus ähnlichen Weise, wie er die Weiterbildung als Ganzeaus der Sicht der Gesamtgesellschaft als strategisch relevanten Umschlags-ort divergierender Wissensformen betrachtet, untersucht er auch Profes-sionen im Allgemeinen und die der Erwachsenenbildung im Besonderensowie institutionalisierte Handlungsformen zwischen Laien und Exper-ten (wie die der Beratung), wobei er sich besonders für die Aspekte derTransformation, Relationierung, Amalgamierung und Relativierung un-terschiedlicher Wissensformen interessiert. Dewe knüpft, um die wis-senschaftstheoretischen Fallstricke antiquierter wissenssoziologischerKonzepte in der Tradition des deutschen Idealismus zu vermeiden, nurlose und vorsichtig an die eben erwähnte deutschen Tradition an (vgl.Dewe 1982:131-135). Doch wenn er die insbesondere bei Scheler auf-scheinende Vielfalt der Wissensformen vorwiegend auf das Verhältnis

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von Alltags- und Wissenschaftswissen einengt, so hat dies unmittelbareKonsequenzen für seine Haltung gegenüber der Erwachsenenbildung.So sieht er die primäre Aufgabe der Erwachsenenbildung darin, Hilfenbei der Anverwandlung heterogener Wissensformen anzubieten, wobeisie vor allem eine „systematische Unterstützung und Reflexion einer jeteilnehmerspezifischen Aneignung und Verwandlung wissenschaftlicherInformationen in alltägliche Deutungen“ (Dewe 1996b:715) zu leistenhabe. Die starke Fixierung auf die beiden Wissensformen wissenschaftli-ches und alltagsweltliches Wissen erklärt den Umstand, dass Dewe aufdie in der institutionellen Angebotsstruktur der Weiterbildung latent ent-haltene Architektur der Wissensformen (ästhetisches, semiprofessionellmedizinisches, naturwissenschaftliches, religiöses Sonderwisssen undandere Varianten) kaum eingeht. Bezugspunkte seiner vorwiegend grund-lagentheoretisch konzipierten Arbeiten sind u. a. die moderne Wissens-soziologie angloamerikanischer Provenienz, konstruktivistische Theori-en über das Wissen und die mit den Namen Berger und Luckmann ver-bundene kultur- und wissenssoziologische Richtung. Ein gemeinsamesAnliegen dieser unterschiedlichen wissenschaftlichen Referenzsystemebildet das Bemühen, die gesellschaftliche Konstitution und die Konstruk-tionsprinzipien des Alltagswissens und des wissenschaftlichen Wissensaufzuklären sowie die Ausprägung der konkreten Vielfalt von Wissens-formen in Abhängigkeit vom Sozialsystem zu studieren. Die Auffassungder modernen Wissenssoziologie (vgl. Stehr 1984) teilend, dass die Zu-ordnung von Symbolsystem und gesellschaftlicher Wirklichkeit kompli-zierter sei als die Relation von Abbild und Objekt, glaubt Dewe auf diesorgfältige Analyse von Alltagswissen und Handlungspraxis nicht ver-zichten zu können (vgl. Dewe 1982:131).

Dewe bricht auf der einen Seite mit manchen Engführungendes Professionsverständnisses strukturfunktionalistischer Provenienz, teiltauf der anderen Seite jedoch eine elementare, für die Bestimmung desGegenstandes relevante Grundannahme dieser Forschungsrichtung.Obwohl er dies nicht ausdrücklich so benennt, knüpft er, was die Len-kung der erkenntnisleitenden Aufmerksamkeit angeht, an der von Rü-schemeyer vorgenommenen Umformulierung der Parsons’schen Grund-variablen und der damit vollzogenen Aufwertung der Wissensdimensi-on an. Rüschemeyer hat in einem viel beachteten Beitrag die Basisvaria-blen für Professionen auf zwei Komponenten reduziert: Professionenwürden a) ein systematisches Wissensgebiet auf Probleme anwenden,

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die b) von großer Bedeutsamkeit für zentrale Probleme der Gesellschaftsind (vgl. Rüschemeyer 1972). Auch wenn Dewe den strukturfunktiona-listischen Hintergrund von Rüschemeyers Arbeiten und die damit ver-bundene wissenschaftspolitische Zuordnung anders beurteilt, ist er indieser theoriestrategischen Grundannahme mit Rüschemeyer einig. Mitder Fokussierung der beiden Aspekte, nämlich dem der Wissensapplika-tion und dem der gesellschaftlichen Zentralwerte, eröffnet sich für ihnder Horizont eines Forschungsfeldes, zu dem der wissenssoziologischeZugang als besonders prädestiniert erscheint.

Die Rezeption von Dewes Publikationen unter dem alleinigenGesichtspunkt der erwachsenenpädagogischen Professionstheorie istschon deshalb schwierig, weil die kaum noch überblickbare Menge deraus seiner Feder stammenden Monographien, Zeitschriften- und Buch-beiträge eine große thematische Streuung aufweist. Sie lassen sich – inaller Vorläufigkeit – in die folgenden Sparten untergliedern:

– Theorie des Wissens und sozialwissenschaftliche Verwendungs-forschung in pädagogischen Feldern (vgl. Dewe 1988; Dewe/Radtke 1989),

– Theorie der Beratung und der Sozialarbeit (vgl. Dewe 1991;Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe 1995),

– Lebensbegleitende Bildung und erwachsenenpädagogische Pro-fessionstheorie (Dewe 1996a, 1996b).

Bei der Lektüre der Arbeiten fällt auf, dass die grundlagentheo-retischen Behauptungen zu den einzelnen Sach- und Themengebieteneinen gemeinsamen zeitkritischen Nukleus aufweisen. Eine immer wie-derkehrende, keineswegs nur in professionstheoretischen Arbeiten prä-sentierte gesellschaftskritische Argumentationsfigur ist zum Beispiel die,dass mit dem kontinuierlichen Anwachsen von Expertensystemen dieGefahr einer Relativierung und Entwertung alltagsweltlicher Erfahrungund zur Erosion lebensweltlicher Idealisierungen durch wissenschaftli-che Sinnsysteme verbunden sei, ohne dass damit das sicherheitsstiftendePotential und die Orientierungsfunktion des Alltagswissens erhalten blei-ben. Die Ausdehnung der Macht ausgewiesener Expertensysteme habelängst den technischen, ökonomischen und administrativen Bereich ver-lassen und sei in die lebensweltliche Sphäre der organischen und physi-schen Gesundheit, der Erziehung, der Wohnbedingungen und des Fami-lienlebens eingedrungen. Damit seien aber nicht nur Segnungen für die

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Menschen verbunden: „Diese Scientifizierung des gesellschaftlichen All-tagswissens samt seiner subkulturellen Varianten birgt aber die Gefahrder Destruktion lebendiger Erfahrung als Basis praktischer Kritik in sich,was insbesondere auf dem Hintergrund lebensweltlicher Handlungspra-xis als folgenreiche Entwicklung zu interpretieren ist“ (Dewe 1988:156).Solche Ausführungen münden in die These, dass die Entwicklung mo-derner Gesellschaften sich insofern als fortgeschrittene Rationalisierungbeschreiben lasse, als eine zunehmende Substitution lebensweltlich ge-bundener bzw. laisierter Problemlösungstechniken durch Dienstleistun-gen, Expertensysteme und professionelle Interventionsstrategien zu be-obachten sei – von einer naiven expertenkritischen oder fortschrittsfeind-lichen Haltung allerdings Abstand genommen werden müsse. Statt hin-ter den wissenschaftlichen Fortschritt zurückzufallen, komme es auf einealternative und bessere Nutzung der wissenschaftlichen Rationalität an.Dewes Position ist dadurch zu kennzeichnen, dass er mit den Mittelnder wissenschaftlichen Rationalität deren Grenzen aufzeigt und – gegenden öffentlichen Zeitgeist – die Dignität des alltagsweltlichen Wissenszu rehabilitieren versucht. Eine solche Grundbehauptung ist nur vor demHintergrund der prinzipiellen Gleichrangigkeit der Wissensformen mög-lich. Hier folgt Dewe der zunächst fremd anmutenden Maxime, dassalltagsweltliches Wissen, religiöse und wissenschaftliche Wissensbeständesowie andere Sonderformen des Wissens aus der Sicht der phänomeno-logischen Soziologie per se zunächst einmal als gleichwertig zu betrach-ten und, ohne normative Vorgaben zu machen, auf ihre Konstitutions-merkmale hin zu untersuchen sind. Dass wissenschaftliches Wissen alshöherwertig und dem Alltagswissen überlegen eingestuft werde, sei Aus-druck gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Folge der institutionel-len Ausdifferenzierung wissenschaftlichen Handelns (vgl. Dewe1982:107, 1988). Epistemologisch betrachtet sei das Verhältnis von wis-senschaftlichem Wissen und Alltagswissen nicht durch Überlegenheitbzw. Unterlegenheit der einen gegenüber der anderen Wissensform ge-kennzeichnet, sondern durch das Attribut der Andersartigkeit.2

Die eben skizzierte zeitkritische Diagnose kombiniert Dewe miteinem an Oevermann angelehnten Professionsmodell. Mit Oevermann3

vertritt Dewe die Auffassung, dass professionelles Handelns durch zweiprinzipiell verschiedene Komponenten geprägt werde: zum einen durchdie Verfügung und die Anwendung von wissenschaftlich fundiertem Son-derwissen und zum anderen durch die Befähigung zum individuellen

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Fallverstehen bzw. zur praktizierten Hermeneutik. Das Aushalten dieserSpannung zwischen der Verpflichtung, universelles und entpersönlich-tes Analyse- und Regelwissen anzuwenden und dennoch den Fall in derSprache des Falls zu verstehen, kennzeichnet die gelungene Form vonProfessionalität. Dieses nichttechnokratische und in der Tradition einesemphatischen Professionsverständnisses stehende Modell zeichnet sichdadurch aus, dass es den mit der Entwicklung der Wissenschaft verbun-denen gattungsgeschichtlichen Fortschritt einerseits bewahrt, gleichzei-tig aber auch über Mechanismen verfügt, um das Recht auf Selbstbe-stimmung der Gesellschaftsmitglieder und die Würde des einzelnen Men-schen weitgehend zu schützen. Aber wie kann eine – manchmal ja auchsehr intime – personenbezogene Dienstleistung vollzogen, Expertenwis-sen appliziert und die damit verbundene Überschreitung sozialer Gren-zen realisiert werden, ohne die Autonomie der biographischen Lebens-führung anzutasten und das Orientierungspotential des gesunden Men-schenverstandes zu respektieren? Dewe rekurriert hier auf die zentralePosition von Oevermanns Professionstheorie, nämlich auf die auch inder Pädagogik recht häufig bemühte Figur der stellvertretenden Deutung(vgl. S. Kade 1990). Stellvertretende Deutung meint, den Aussagegehaltder alltagsweltlichen Problemdarstellung des Klienten auf der Folie wis-senschaftlicher Geltungsstandards zu überprüfen und sie in dieser Per-spektive in den Dienst der Problembearbeitung zu stellen. Stellvertreten-de Deutung impliziert eine Selbstlimitierung der Macht. So werden dasMandat und die damit verbundene Macht des Professionellen systema-tisch auf Deutung eingeengt, so dass sowohl instrumentelle Problemlö-sung als auch das stellvertretende Entscheiden oder Handeln als Tabusgelten.

Für Dewe ist der empirische Ist-Zustand der Professionalisie-rung in der Erwachsenenbildung – überspitzt formuliert – durch einensemiprofessionellen Status der Kursleiter/innen und eine begrenzte pro-fessionelle Kompetenz gekennzeichnet. Der Ist-Zustand der Verberufli-chung ist jedoch keineswegs mit dem grundsätzlichen Professionalisie-rungsbedarf und der Professionalisierungsfähigkeit der hier abgewickel-ten Arbeitstätigkeiten identisch. Die wissenschaftliche Klärung der Pro-fessionalisierungsbedürftigkeit und die Aufklärung der Binnenstrukturenund der Logik des erwachsenenpädagogischen Handelns dürften, soDewe, nicht mit der Durchsetzung standespolitischer Strategien und derAufstellung normativ gefärbter Kompetenzkataloge vermischt werden.

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Die Notwendigkeit, die Tätigkeit in der Erwachsenenbildung zu profes-sionalisieren, leite sich primär aus der Sachlogik und der Aufgabenstruk-tur der ‚Personenveränderung‘ im Bildungsprozess und den hier zur Be-arbeitung anstehenden Problemen ab. Für Dewe ist der Unterricht alssolcher – die bloße Vermittlung von Fachwissen – nicht professionalisie-rungsbedürftig, wohl aber die situations- und adressatenspezifische An-passung dieses Fachwissens an die Bedürfnisse und Interessen der Teil-nehmer/innen. Eine solche Anpassung erscheint angesichts der sozialen,milieuspezifischen oder generationsbedingten Fremdheit zwischen denTeilnehmer/innen einerseits und zwischen Dozent/innen und Teilneh-mer/innen andererseits nur unter Verwendung eines diesbezüglichen In-teraktions- und Situationswissens möglich. Folgerichtig ist für ihn dieWissensbasis des Erwachsenenpädagogen binär strukturiert: „Die Spezi-fik professionalisierten Wissens in der Erwachsenenbildung ergibt sichhier prinzipiell aus mindestens zwei Quellen erwachsenenpädagogischerAnforderungen: dem souveränen Umgang mit Fachwissen, dessen un-terrichtliche/kursbezogene Darbietung im Kontext einer qualifizieren-den Wissensvermittlung zwar allemal hohe Fach- und Vermittlungskom-petenzen voraussetzt, aber nicht zwingend professionalisierungsbedürf-tig ist, und dem erst ‚vor Ort‘ im Klientenbezug wirksam werdendenInteraktions- und Situationswissen“ (Dewe 1996b: 715). Dewe betrach-tet die gelungene, d. h. klientenorientierte Form der erwachsenenpäd-agogischen Professionalität zugleich auch als einen Schutz gegenüberder Enteignung der lebendigen Erfahrung durch mächtige gesellschaftli-che Systeme. Orientierungsleitend für ihn ist das von Oevermann ge-prägte klientenorientierte Professionsverständnis, welches auf der gleich-zeitigen Bezugnahme auf wissenschaftliches Wissen und praktische Er-fahrung und der widersprüchlichen Einheit von überpersönlicher Kon-trolle und dem Involviert-Sein der ganzen Person beruht. Er schärft dasProfil seines an einem bestimmten Dienstleistungsideal orientierten pro-fessionellen Arbeitsbündnisses zwischen Pädagoge und Teilnehmer, kurz:sein klientenorientiertes Professionsverständnis, indem er es mit der ver-sachlichten und anonymen Experten-Laien-Beziehung kontrastiert. Ex-perten-Laien-Beziehungen zeichnen sich durch die standardisierte Bear-beitung von Problemen unter Nutzung einer stabilen Wissensgrundlageaus; Passungsprobleme zwischen abstrakten Wissensbeständen und demanstehenden Fall treten im angestammten Bereich des Experten, näm-lich der Sachwelt und der unbelebten Natur, kaum auf. Der Experte neigtdazu, zwischen dem Entstehungs- und dem Anwendungskontext des

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Wissens nicht zu unterscheiden und es nach dem Muster der naturwis-senschaftlichen Applikation ausgerechnet in einem Bereich anzuwen-den, der bekanntlich durch ein hohes Maß an Überraschung, durch Miss-verständnisse und permanente Veränderung der situativen Ausgangsbe-dingungen gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zum Experten, der mit demAnspruch der Überlegenheit seines Fachwissens antritt, beinhaltet dasprofessionelle Handeln Kompetenzanteile, die sich nicht auf die Wis-senskomponente allein reduzieren lassen, sondern immer auch das Mo-ment der Intuition, des Erfahrungswissens und der Weisheit evozieren.Pädagogische Arbeitsbündnisse in der Erwachsenenbildung sind aus derSicht von Dewe im Unterschied zu Experten-Laien-Beziehungen folg-lich dadurch gekennzeichnet, dass trotz des Machtgefälles zwischenPädagoge und Teilnehmer die Gleichberechtigung des Fachwissens desDozenten und des Alltagswissens des Laien besteht. Während der Exper-te stellvertretend für den Laien handelt und die Problemlagen der Betrof-fenen nach einem vorgegebenen Raster klassifiziert, beschränkt sich derProfessionelle – die Autonomie des Laien wahrend – auf die stellvertre-tende Deutung, und zwar nach Maßgabe der individuellen Merkmaleder jeweiligen Problemlage. Das schließt auch die Haltung der Relativi-tät und skeptischen Zurückhaltung gegenüber der Reichweite professio-neller Interventionschancen und Rationalität ein. „Der Respekt vor derAutonomie der Lebenspraxis gebietet es, dass der Professionelle in legi-timer Weise keinen prognostizierenden und bevormundenden Vorgriffnehmen kann. Es macht gerade die Autonomie der alltäglichen Lebens-praxis aus, dass in ihr zukunftsherstellender und Geschichte herstellen-der Spielraum möglich ist. Das professionelle Handeln selbst ist keines-wegs der Sitz einer gegenüber der alltäglichen Lebenspraxis umfassen-deren Rationalität“ (Dewe 1991:134).

Generell ist zu sagen: Dewe beschränkt sich in seinen Ausfüh-rungen auf grundlagentheoretische Aspekte; seine Leistung besteht dar-in, einen Beitrag zur Beschaffung hochabstrakter Aussagen zu liefern,um die offene Lücke zwischen Gesellschaftsanalyse, Theorie des Wis-sens, Professionstheorie und der Theorie der Erwachsenenbildung zuschließen. Mit seiner emphatischen Bezugnahme auf die professionelleAutonomie und ein klientenorientiertes Professionsverständnis will ereinen konzeptionellen Rahmen für eine berufliche Selbstverständigungschaffen, ohne selbst in den Fehler rigider Vorgaben oder einer sozial-wissenschaftlichen Bevormundung zu verfallen.

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Kritisch ist Folgendes anzumerken: Auf der einen Seite gehtDewe von der grundsätzlichen Auffassung aus, dass die „professionelleWissensbasis nicht von außen und vorab substantiell bestimmbar odervermittelbar ist, sondern stets nur am empirisch beobachtbaren Handelnder erwachsenenpädagogischen Akteure (Dozenten, Leiter, Mitarbeiter)im Kontext der Wissensanwendung ex post rekonstruiert werden kann“(Dewe 1996:714). Dewe scheint diesen selbstformulierten Anspruch nichtimmer ganz einlösen zu können. Denn ohne dass eine empirische Basisseiner Aussagen erkennbar wäre, schreibt er den Praktikern in dem glei-chen Aufsatz u. a. den Modus der Entscheidungsverwendung (strategi-scher Umgang mit wissenschaftlichen Informationen) und den der Be-gründungsverwendung (Verwandlung und Neukonstitution des angebo-tenen Wissens) zu. Hätte Dewe den eigenen Anspruch beim Wort ge-nommen, so wären zumindest empirische Illustrationen oder andere er-fahrungsgesättigte Hinweise notwendig gewesen. Selbst die – auf denersten Blick durchaus plausible und sich auf Konventionen stützende –Behauptung, die Wissensbasis des Erwachsenenbildners habe mindes-tens zwei Bestandteile, nämlich Fachwissen und Interaktions- und Situa-tionswissen, hätte, wäre Dewe seiner eigenen Logik gefolgt, eigentlicheiner empirischen Begründung bedurft.

Das hier ausbuchstabierte Verständnis der Wissensbasis von Er-wachsenenbildner/innen steht im unmittelbaren Zusammenhang mit De-wes Versuch, das Professionswissen von Pädagogen an und für sich trans-parenter zu machen. In einem mit Ferchhoff und Radtke verfassten Auf-satz, der auf das pädagogische Professionswissen als solches abzielt, setztDewe sich zunächst kritisch mit den beiden Grundmodellen für das Ver-hältnis von wissenschaftlichem Wissen und Handlungswissen auseinan-der – dem Wissenstransfer und der Wissenstransformation. Das vor allemvom Strukturfunktionalismus und vom Behaviorismus geprägte Transfer-modell ging, getreu der Maxime „Knowledge informs action“, von einerlinearen Beziehung, einer Art technischen Übertragung sozialwissenschaft-lichen Wissens in Praxiszusammenhänge aus. Die Differenz von Hand-lungs- und Erklärungswissen ignorierend, galt wissenschaftliches Wissenvon vornherein als vernünftiger und dem Alltagswissen überlegen. DasTransformationsmodell überwand zwar die Anomalien der Theorie-Pra-xis-Schemata, indem es, die prinzipielle Gleichwertigkeit unterschiedli-cher Wissensformen in Rechnung stellend, das alte Schisma von ‚grauerTheorie‘ und ‚wirklicher Praxis‘ zugunsten einer Theorie-Theorie-Relati-

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on austauschte – doch konnte auch dieses Modell die Kontingenzen undden Eigensinn der divergierenden Wissensformen nicht erfassen. An diedritte Form der Wissensverwendung schließlich, welche die Autoren mitden Stichworten Relationierung, Resonanz und Reflexion umschreiben,schließt das Professionswissen an. Diese zeichne sich dadurch aus, dasswissenschaftliche und praktische Betrachtungsweisen als solche ihr Ei-genrecht behalten, aber kontrastiert und relationiert, übereinandergescho-ben und wechselseitig etikettiert werden. Folgende Definition bietet sichan: „Professionelles Wissen wird in dieser Konzeption aufgefasst als eineigenständiger Bereich zwischen praktischem Handlungswissen, mit demes den permanenten Entscheidungsdruck teilt, und dem systematischenWissenschaftswissen, mit dem es einem gesteigerten Begründungszwangunterliegt. Im professionellen Handeln begegnen sich wissenschaftlichesund praktisches Handlungswissen und machen die Professionalität zu ei-nem Bezugspunkt, an dem potentiell jene oben skizzierte Kontrastierungund Relationierung beider Wissenstypen stattfinden kann“ (Dewe/Ferch-hoff/Radtke 1992:81). Die Autoren geben sich damit nicht zufrieden. An-gesichts der Einsicht aus der analytischen Handlungstheorie, dass es durch-aus Handlungen gebe, denen das Moment der Entscheidung gänzlich fehle,stellen sie die Frage, ob die Unterteilung in wissenschaftliches Erklärungs-wissen, praktisches Begründungswissen und praktisches Erklärungswis-sen überhaupt noch tauglich und zeitgemäß sei. Hier steuern die Autorengeradewegs auf die nur schwer fassbare Zwischenwelt zu, auf die Naht-stelle von professionellem Wissen und Können. Die Intransparenz dieserGrauzone wird gewöhnlich mit Begriffen wie Weisheit, Intuition undGenialität beschrieben. Letztlich taucht auch hier wieder das eben schonangerissene Problem auf: Denn der schlüssige Nachweis der Gültigkeitder getroffenen Einschätzung, dass Wissen nur einen kleinen Teil von Pro-fessionalität ausmache und letztlich durch die Berücksichtigung des Kön-nens komplettiert werden müsse, ist und bleibt an eine aufwendige empi-rische Forschung gebunden. Auch an dieser Stelle stößt die grundlagen-theoretische Reflexion mit den Mitteln der Wissenssoziologie an gewisseGrenzen.

Was den faktischen Umgang mit Wissen im Kontext professio-nellen Handelns angeht, so kann man die Arbeit von Nolda, „Interaktionund Wissen“, gleichsam als empirisches Koreferat zu den Studien vonDewe lesen. Nolda legt im Gegensatz zu Dewe keinen substantiellen Au-tonomiebegriff zugrunde, sondern zeigt, wie im Zuge der reflexiven Mo-

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derne, die ja auch durch das Moment der ironischen Distanz, des spiele-rischen Umgangs mit den Interaktionsmodalitäten stark geprägt wird, Va-rianten und Typen der inszenierten Autonomie virulent werden, die mitden Kategorien der konventionellen Sozialforschung nur wenig gemeinhaben. Sie weist anhand vieler Interaktionsanalysen nach, dass sich dieTätigkeit der Kursleiter keineswegs darauf konzentriert, sachliche odersogar wissenschaftliche Informationen in das Medium der Alltagssprachezu übersetzen. Wissenschaftliches Wissen hat – folgt man Noldas Analy-sen – in der okkassionellen Erwachsenenbildung nicht den Stellenwert,den Dewe in seinen Schriften immer wieder unterstellt. Die Umgangsfor-men reduzieren sich nicht auf die aus der konstruktivistischen Verwen-dungsforschung bekannten Varianten des Relationierens und der wech-selseitigen Beobachtung, sondern beinhalten auch ganz andere, neuarti-ge Strategien. Der Umgang mit Kurswissen folgt dem Muster der Verein-nahmung, der Transformation und der Expertenhaltung. Diesen drei Mus-tern zur Seite stehen bestimmte komplementär angeordnete Strategien imUmgang mit den diversen Wissensformen, wie Familiarisierung und Per-sonalisierung, Reduzierung und Amplifizierung, Paraphrasierung undReformulierung. Die von Nolda herausgearbeiteten Distanzierungs-, Ba-gatellisierungs- und Vereinnahmungsformen im interaktiven Umgang mitWissen zeigen, dass manche der von Dewe eingeführten Unterscheidun-gen (alltagsweltliches versus wissenschaftliches Wissen) zu grob sind undder Komplexität der Erwachsenenbildung als Umschlagplatz und Ort derKonstruktion von Wissen kaum entsprechen.

4. Professionelles Handeln im berufs- und betriebs-pädagogischen Kontext: die Position von Rolf Arnold

Auch die in diesem Abschnitt dargelegten professionstheoreti-schen Auffassungen haben insofern einen symptomatischen Charakter,als sie keine Einzelmeinung, sondern eine von einer gewissen Zahl vonFachvertretern gemeinsam geteilte Position darstellen. In diesem Fall dientder dargelegte Ansatz zur Verdeutlichung der Behauptung, dass im Be-reich der Theoriebildung (und weniger auf der institutionellen Ebene) Pro-zesse der Annäherung von Erwachsenenbildung auf der einen und derbetrieblichen sowie beruflichen Bildung auf der anderen Seite zu beob-achten sind, sich also das alte Schisma der Erwachsenenbildung (vgl. Kün-zel 1984) – Bildung versus Qualifikation – langsam aufzulösen beginnt.

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In dem gleichen Maße, wie die Erwachsenenbildung nach Auffassung vonArnold „noch nicht ausreichend wahrgenommen (habe, D. N), dass das‘Humanum’ des Bildungsbegriffs heute vielerorts gerade auch über dietechnische Entwicklung Einzug in die Betriebe hält“ (Arnold 1991a:12),müsse die Berufspädagogik – anknüpfend an die genuin geisteswissen-schaftliche Deutung des Wesens menschlicher Erkenntnis und Sprache –sich auf evolutionäre Denkweisen umstellen. Sie habe differenziert zuklären, „welche Relevanz diesem nicht-mechanistischen, systemisch-evo-lutionären Weltbild sowohl auf die theoretische Konzipierung, wie auchfür die Gestaltung und Erforschung berufpädagogischer Praxis zukommt“(Arnold 1994:VII). Angeregt durch modernitätstheoretische Einflüsse, dassystemtheoretische und konstruktivistische Paradigma sowie eine Reiheanderer von der Erwachsenenbildung und ihren Bezugsdisziplinen als neuattribuierten Theorien versucht Arnold das lange Zeit durch wechselseiti-ge Ignoranz und Zwietracht gekennzeichnete Verhältnis von beruflicher(Aus-)Bildung und (erwachsenenpädagogischer) Allgemeinbildung zuüberwinden und hierbei den einen oder anderen Synergieeffekt zu erzie-len. Von dieser wechselseitigen Befruchtung, so hofft Arnold, könnten dieDisziplin und die Profession gleichermaßen profitieren.

Professionsrelevante Aspekte kommen in Arnolds Schriften dop-pelt vor, zum einen als Teil der Gegenstandskonstitution Berufspädago-gik, also im Sinne von ‚Wie verändern sich Berufsbilder und die berufli-chen Anforderungen im Zeitalter der Wissensgesellschaft?‘, und zum an-deren unter einem dezidiert professionstheoretischen Fokus, also im Sin-ne von ‚Über welche Kompetenzen und Qualifikationen müssen die inund außerhalb der Universität ausgebildeten Ausbilder, Berufsschulleh-rer, Weiterbildner verfügen, damit sie – ausgestattet mit einer gefestigtenberuflichen Identität – den Herausforderungen in den Betrieben gerechtwerden können?’. Die allgemeine soziologische und erziehungswissen-schaftliche Professionstheorie hat für Arnold (anders als für Dewe oderKoring) allerdings nur auf einem begrenzten Feld eine einheitsstiftendeFunktion, nämlich wenn zentrale Fragen und Probleme der Professionali-sierung pädagogischer Berufe oder die Konstitutionsmerkmale von Pro-fessionen tangiert sind. Sofern Phänomene der Professionalität, also dassituative berufliche Handeln, angesprochen sind, rekurriert Arnold aufAngebote der konstruktivistisch ausgearbeiteten Ermöglichungsdidaktikund Arbeiten über neue Lernkulturen ebenso wie auf evolutionstheoreti-sche Ansätze oder den Lernbegriff der kritischen Psychologie (Holzkamp).

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Der Beitrag von Arnold in der erziehungswissenschaftlichen pro-fessionstheoretischen Diskussion erfolgt unter dem zielgerichteten Aspekt,welche Aufgaben und Probleme im Zuge der Verberuflichung von be-rufs- und betriebspädagogischer Arbeit anstehen und wie diese zu be-wältigen sind. Unter den vielen diesbezüglichen Themenstellungen undProjekt- sowie Arbeitsschwerpunkten seien hier einige genannt: Im Rah-men eines an der Universität Kaiserslautern durchgeführten Modellver-suchs „Betriebspädagogik“ sollten der frühere Studienschwerpunkt Be-triebliches Ausbildungswesens aufgewertet werden und eine Revisionder curricularen Struktur erfolgen (vgl. Arnold/Hülshoff 1981). In einemanderen, eher allgemeinen Beitrag (1986) hat Arnold versucht, die aufder Makroebene ableitbare Funktion der Berufsbildung, Qualifikationenzu vermitteln und gleichzeitig zur Persönlichkeitsbildung beizutragen,in der Weise berufspolitisch zu operationalisieren, dass er die Figur des‚Bildungshelfers und Qualifikators“ ins Spiel gebracht hat. Die Förde-rung der Berufskultur begreift Arnold als praktische, nicht am Schreib-tisch zu lösende Aufgabe mit einem bildungspolitischen Akzent. Ge-meinsam mit einigen Mitarbeiter/innen hat Arnold in Kaiserslautern ei-nen erwachsenenpädagogischen Zusatzstudiengang aufgebaut, und dieErfahrungen mit diesem Vorhaben sind an den verschiedensten Stellenpubliziert (vgl. Arnold 1997; Arnold/Milbach 1999; Arnold/Sievers 1996).Nach einer dreijährigen Modellprojektphase (1994 bis 1997) ist dieserStudiengang, dessen Fernstudienvariante ein Novum darstellt, dannschließlich in das Regelstudienangebot der Universität Kaiserslauternübernommen worden. „Im Rahmen der Modellprojektzeit ist es gelun-gen, den Großteil der universitären Fachvertreter bzw. Lehrstühle in derBundesrepublik an der Entwicklung der insgesamt 29 Studienmodule(mit insgesamt 54 Studienbriefen) zu beteiligen“ (Sievers 1998:154). Ins-gesamt haben die Erfahrungen im Umgang mit den Student/innen undderen Rückmeldungen gezeigt, dass die praktizierte Form der Qualifi-zierung zur individuellen Professionalisierung beiträgt, d. h. nicht nureine Verknüpfung von fachwissenschaftlichen Wissensbeständen und er-wachsenenpädagogischen Erfahrungen leistet, sondern auch die Berufs-kultur fördert und neue Formen des netzbasierten „kollaborativen Ler-nens“ anregt (ebenda:157).

In einer Anfang der 80er Jahre erschienenen explorativen For-schungsarbeit mit dem Titel „Pädagogische Professionalisierung betrieb-licher Bildungsarbeit“ hat Arnold den Versuch unternommen, über den

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Weg der Wissensanalyse weiterbildungsrelevante Deutungsmuster beimbetrieblichen Bildungspersonal zu identifizieren. Während andere Arbei-ten von Arnold beim Fachpublikum auf eine breite Resonanz gestoßensind, hat diese empirische Untersuchung – zumindest im Kontext der Er-wachsenenbildung – ein vergleichsweise geringes Rezeptionsinteresse her-vorgerufen. Das rechtfertigt den Schritt, an dieser Stelle intensiver auf dieUntersuchung einzugehen. In der methodisch aufwendigen Studie wirdBiographieforschung mit Deutungsmusteranalyse, Professionsforschungund didaktischer Entwicklungsforschung verknüpft. Ohne sich von denVorgaben der soziologischen Grundlagentheorie allzu stark irritieren zulassen, entwickelt Arnold eine eigenständige Haltung gegenüber demkomplexen Begriffsapparat, wobei er zwischen einem umfassenden, ei-nem weiten und einem engen Professionalisierungsbegriff unterscheidet.Diesen drei Professionalisierungsbegriffen ordnet er unterschiedliche Di-mensionen (Zentralwertbezug, Wissensbasis) und Spannungsverhältnis-se (Klientenautonomie und Klientenfremdbestimmung) zu, mit deren Hilfeer die Anschlussfähigkeit gegenüber dem betriebspädagogischen Diskurssicherzustellen vermag. Sich von einem Professionsbegriff distanzierend,der ausschließlich auf das System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung unddie zunehmende Rationalisierung des Lebens abhebt, rekurriert Arnoldvor allem auf jenen Realitätsausschnitt von Professionen, der durch Ex-pertenschaft und Berufsethos geprägt ist (vgl. Arnold 1983:51). Auf dieseWeise soll das Ziel der Untersuchung realisiert werden, die Bedingungenund Möglichkeiten einer ‚pädagogischen Professionalisierung der betrieb-lichen Bildungsarbeit’ präziser als bisher zu erfassen. Das Ergebnis derDeutungsmusteranalyse ist eher ernüchternd. Durchgängig konnte derStand der Professionalisierung in der Betriebspädagogik ‚nur‘ als semi-professionell gekennzeichnet werden. Der Autor konnte mit aufwendi-gen Textanalysen nachweisen, dass eine „‚ungebrochene’ Infiltration“ le-bensweltlich und biographisch getönter Erfahrungen in den Orientierungs-und Begründungshorizont berufsspezifischen Wissens erfolgt und ekla-tante Defizite bei der reflexiven Selbstvergewisserung bestehen. In Erman-gelung von Professionswissen, das eine berufsethische Orientierung eben-so aufweist wie es fachwissenschaftlichen Standards Rechnung trägt, grei-fen die befragten Betriebspädagogen auf naheliegende, aber heterodoxeWissensbestände zurück. „Dieses betriebspädagogische Erfahrungswis-sen lässt sich dabei als ‚Notlösung’ anstelle einer professionellen Identi-tätspolitik darstellen“ (ebenda:328). Was die Verwendung berufstypischerDeutungsmuster des betrieblichen Bildungspersonals angeht, so ließen

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sich sieben ‚Syndrome‘ ermitteln und anhand ausgewählter narrativerSequenzen exemplifizieren, nämlich das Pragmatismus-Instrumentalis-mus-Syndrom, das Loyalitäts-, das Rigiditäts-, das Personalisierungs-, dasKompensations- und das Helfersyndrom sowie das Syndrom der autobio-graphischen Idealisierung. Der subjektspezifische Charakter des pädago-gischen Handlungswissens evoziere, so der Autor, eine komplementäresubjekttheoretische Weiterentwicklung des Problemzusammenhangs. Ineinem letzten Schritt entwickelt Arnold die Grundzüge eines reflexions-und professionalisierungsbezogenen Qualifizierungskonzeptes, mit demeine Umsetzung der deutungsmusteranalytischen Ergebnisse angestrebtund zugleich die einseitige Festlegung von Professionalisierung auf Ver-wissenschaftlichung vermieden werden soll. Laut Arnold müsse mittelsdeutungsmusteranknüpfenden Lernens bei angehenden Betriebspädago-gen im Sinne einer ‚Fortbildung-der-Fortbildner-Konzeption‘ nicht nur diewissenschaftlich geleitete, sondern auch die subjektbezogene, die berufs-ethische und die autobiographische Reflexion gesteigert und optimiertwerden. Auf konkrete Umsetzungsvorschläge verzichtet Arnold. Auchberücksichtigt er kaum, dass Professionalität eben nicht nur auf Professi-onswissen beschränkt werden kann, sondern eine weitere Komponente,nämlich das berufliche Können, besitzt. Der theoretisch hochambitionierteerste Teil, die Fallanalysen mit den außerordentlich ernüchternden Be-funden über die beruflichen Deutungsmuster und schließlich der vor al-lem aus Absichtserklärungen bestehende konzeptionelle Teil ergeben einenur schwer auflösbare Spannung. Diese Spannung resultiert aber auchdaraus, dass Arnold nicht trennscharf zwischen Profession, Professionali-sierung und Professionalität unterscheidet. Mit Blick auf den erwartbarenpädagogischen und sozialisationstechnischen Aufwand, um die in demDiagnose- und Analyseteil aufgeworfenen Defizite bei den Praktikern via„deutungsmusteranknüpfendem Lernen“ zu beheben, entstehen beim Le-ser Fragen und Zweifel, ob die implizit enthaltenen optimistischen Erwar-tungen bezüglich der Chance zu einer Korrektur der Deutungsmuster wirk-lich stichhaltig sind.4

In einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt, in dessen Rah-men auch Fallanalysen in zwei Großbetrieben durchgeführt wurden, ha-ben Arnold/Müller (1992) die Weiterbildner als Träger des Wandels be-trieblicher Weiterbildungsarbeit zu würdigen und hierbei die zwischen-zeitlich komplexen Berufsrollen betrieblicher Weiterbildner exemplarischzu erfassen versucht. Zwischen zwei großen Segmenten kann man zu-

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nächst einmal unterscheiden: den Berufsrollen des hauptberuflichen in-ternen betrieblichen Weiterbildungspersonals einerseits und den Berufs-rollen des peripheren Personals einer betrieblichen Weiterbildungsabtei-lung andererseits. In dem ersten Segment steht der hauptberufliche Bil-dungsmanager, als hierarchisch höchste Position auf dem Organigrammder betrieblichen Weiterbildung, dem Seminarleiter und dem Trainer ge-genüber. Auf dem Bildungsmanager lastet in der Weiterbildungsabteilungein Großteil der Verantwortung (z. B. für die Einwerbung und die Vertei-lung des Budgets, die Begründung und den Vollzug makrodidaktischerEntscheidungen), ohne dass seine Mitwirkung an der Gestaltung undDurchführung nennenswert ins Gewicht fallen würde. Viele Bildungsma-nager verfügen über in der Hierarchie des Betriebes eindeutig identifizier-bare Funktionsbezeichnungen wie ‚Leiter der betrieblichen Fort- undWeiterbildungsabteilung‘. Der Trainer, der entweder naturwissenschaftli-che oder andere Fachwissensbestände vermittelt oder in der Rolle des Ver-haltenstrainers soziale und/oder andere Kompetenzen fördern soll, ver-bringt den überwiegenden Anteil seiner Arbeit damit, Bildungsbedarf zuermitteln, mikrodidaktische Planungen zu entwerfen, die Weiterbildungs-maßnahmen zu realisieren und zur Sicherung des Lerntransfers und derEvaluation des Erfolgs beizutragen. Die Tätigkeitsschwerpunkte mancherTrainer sind vergleichbar mit denen von Weiterbildungslehrern. Zu denauch aus anderen Feldern der Erwachsenenbildung vertraute Figuren desBildungsmanagers und des Trainers treten in der betrieblichen Bildungs-arbeit noch weitere Rollenprofile hinzu. Hier nennen Arnold und Müllerden Seminarleiter (mit primärer Bildungsmanagerfunktion oder primärerTrainingsfunktion), der vor allem die Funktion eines Bindegliedes hat undden Einsatz externen Weiterbildungspersonals im Betrieb koordinierensollte. Einige Beispiele für die Tätigkeitsschwerpunkte und das Aufgaben-profil von Seminarleitern sind die Sicherstellung der organisatorischen In-frastruktur vor Ort, die Durchführung von Bildungsbedarfsanalysen, dieinteraktive Rahmung des Weiterbildungsgeschehens über die symbolischePräsenz hinaus und die Vermittlung der Bestandsaufnahme der Vorkennt-nissse an den eigentlichen Trainer.

Die Berufsrollen des peripheren Weiterbildungspersonals einerbetrieblichen Weiterbildungsabteilung gliedern sich in folgende Typen:den nebenberuflichen internen Weiterbildner, der als Fachreferent auf-tritt und hochspezialisiertes Wissen ‚hausspezifisch‘ vermittelt, den ne-benberuflichen externen Weiterbildner, der häufig kurzfristige Bedarfs-

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lücken abdeckt, und den hauptberuflichen externen Trainer, der im Zugeder Expansion der betrieblichen Weiterbildung zum wichtigsten Trägergeworden ist. Arnold und Müller bewerten den von ihnen erhobenenhohen Differenzierungsgrad in den Berufsrollen zum einen als Ausdruckeiner allgemeinen Entwicklung in Richtung einer organisatorischen Dif-ferenzierung der betrieblichen Weiterbildung und zum anderen als Sig-nal dafür, dass die Kerngruppe des Weiterbildungspersonals sich immerauch aus der eigentlichen pädagogischen Praxis herauslöst und Mana-gementaufgaben übernimmt. Die Vision der beiden Autoren geht dahin,dass die pädagogisch tätigen Professionellen in Betrieben eine Qualifi-kationskonversion erleben sollen, was am ehesten wahrscheinlich ist,wenn die Betroffenen ihre instrumentell-fachlichen Qualifikationen ei-nerseits mit bildungstechnologischer Handlungskompetenz und ande-rerseits mit Selbstreflexivität anreichern. Auf diese Weise könne die Vor-aussetzung für eine Funktionserweiterung der betrieblichen Weiterbil-dung in Richtung einer Organisations- und Kulturentwicklung geschaf-fen und das lange Zeit gültige Modell der interimistischen Professionali-sierung abgebaut werden. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass dieBerufsperspektive für Weiterbildner stark begrenzt war und zudem indem Ruf stand, ein bloßes Vehikel entweder des Auf- oder Abstiegs undfolglich eine berufsbiographische Episode ohne eigenen Wert zu sein.Eine Art Personalentwicklung der Personalentwicklung, also eine zielge-richtete, institutionell abgesicherte Karriereplanung für Weiterbildner, wirdals dringend notwendig erachtet, damit eine potentialorientierte Profes-sionalisierung im betrieblichen Kontext vorangetrieben werden könne.

In Publikationen jüngeren Datums scheint Arnold vor allem imZentrum der aktuellen Diskussion stehende Themenbereiche aufzugrei-fen, um daran anknüpfend in erster Linie Fragen der Professionalität undweniger solche der Professionalisierung zu behandeln. Diesbezüglichsind insbesondere die Qualitätsdebatte und die Diskussion über denAufbau einer neuen Lernkultur hervorzuheben.

Von der grundlagentheoretischen Position ausgehend, dass inder betrieblichen Bildung die Durchmischung zweier Rationalitätsmus-ter zu beobachten sei, nämlich Utilität (Nutzen für den Betrieb) undZweckfreiheit (Bildung), entwickelt Arnold in einem seiner zahlreichenAufsätze die These, dass die von ihm unterstellte Symbiose von wirt-schaftlichem und pädagogischem Code „in der Debatte um Qualität-

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und Qualitätssicherung zusammenzubrechen droht“ und die „sogenann-ten ‚einheimischen Begriffe’ (Hennigsen) des erwachsenen- und betriebs-pädagogischen Diskurses ... überformt und infiltriert werden durch eineAufblähung des wirtschaftlichen Codes“ (Arnold 1997:53). Er begründetseine Forderung nach einer mit Immunkräften ausgestatteten spezifischenProfessionalität damit, dass Bildung im Gegensatz zu gewöhnlichen Pro-dukten eben nicht konsumierbar sei, sondern in der Regel von den Sub-jekten mühsam angeeignet werden müsse. Da die Teilnehmer/innen ander Qualität des ‚Produktes‘ selbst beteiligt seien, stelle demnach auchdas professionelle Arbeitsbündnis sachlogisch keine Kundenbeziehungdar. Statt die Komplexität erwachsenenpädagogischer Situationen undderen Wirkungen auf situationsübergreifend gültige Checklisten oderandere simplifizierende Formen des Bildungscontrolling zu reduzieren,komme es vielmehr auf die systematische Förderung und Entwicklungvon hermeneutischer Kompetenz, eine „kontinuierliche und kollegiale‚Selbstvergewisserung‘ der Professionals“ (ebenda:58) an. Arnold reha-bilitiert ein unverkürztes Verständnis von Professionalität in der Quali-tätsdebatte, wenn er schreibt: „Qualität und Professionalität sind dabeiwechselseitig aufeinander bezogen: Qualität ist ohne Professionalität nichtdenkbar, und Professionalität kann ohne Qualitätssicherung auf Dauernicht glaubwürdig sein“ (ebenda:60). Er behandelt damit Qualität undProfessionalität als ‚gleichursprünglich‘, was eine durchaus riskante Po-sition ist: Während Qualität eine bildungspolitisch extrem aufgeladeneund pädagogisch heterodoxe Kategorie ist, entstammt der Begriff Profes-sionalität der sozialwissenschaftlichen Sphäre, der weit weniger die Ge-fahr der Instrumentalisierung immanent ist.

Greift Arnold im Zuge seiner Verteidigung eines unverkürztenProfessionalitätsbegriffs in der Qualitätsdebatte vorwiegend auf das alt-ehrwürdige Konstrukt der hermeneutischen Kompetenz und andere klas-sische Positionen zurück, so wählt er in dem Diskurs über neue Lernkul-turen einen anderen Akzent. Um neue Anforderungen an die erwachse-nenpädagogische Professionalität zu markieren, rekurriert er hier stärkerauf die Applikation evolutions- und kognitionsbezogener und konstruk-tivistischer Ansätze. Ausgehend von der heute nicht mehr als haltbarerachteten Homologie und Linearität zwischen Lehren und Lernen, wer-den didaktische Arrangements favorisiert, welche die Teilnehmer/innenzu einer möglichst hohen Selbstbeteiligung, zur selbstgesteuerten Wis-sensaneignung stimulieren und das Mandat des Pädagogen systematisch

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begrenzen. Arnold spricht hier von „der Begrenzung des Einschreitens“,eine professionelle Eigenschaft, die er für konstitutiv für die neue Lern-kultur und die ihr zugrunde liegende Professionalität hält. Sowohl der inder betrieblichen Bildungsarbeit tätige Praktiker, der Berufschullehrer wieauch der Erwachsenenbildner in der allgemeinen Weiterbildung könne– wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt – einen spezifischen Beitragzu einer Kultur des selbstgesteuerten Lernens leisten. Er müsse allerdingsin der Lage sein, widersprüchliche oder gar paradoxe Dinge gleichzeitigzu tun: gemäß den ‚standards of exellence‘ zu lehren und den Teilneh-mer/innen dennoch Freiräume zur Selbsterziehung zu eröffnen und an-dererseits das kreative Potential seiner Klientel zum Wohle des pädago-gischen Prozesses einzusetzen, ohne dabei den Einzelnen zu vergessen.Die Trias Fachkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz seigrundlegend, wobei es je nach Einsatzort des Pädagogen mit Sicherheitauf die optimale Gemengelage ankommt. Als einiger der wenigen Erzie-hungswissenschaftler bezieht Arnold den Komplex professionelle Ethikmit ein. Zur dieser gehöre eine große Portion Gelassenheit und eineDistanzierung von Illusionen der Machbarkeit, Beherrschbarkeit undPlanbarkeit von komplexen Systemen und Prozessen. „Während tech-nokratische Konzepte durch die letztlich naive Annahme gekennzeich-net sind, wachsende Unsicherheit und Komplexität durch vermehrte undpräzisere Planung ‚handhaben’ zu können, setzen die neueren System-theorien auf eine Steigerung der Anpassungsfähigkeit im Prozess selbst“(Arnold/Siebert o. J., S. 4).

Ergebnissichernd ist zu sagen, dass sich Arnold dem Gegen-standsbereich der Professionalisierung nicht nur konzeptionell, sondern(wie seine Arbeit aus dem Jahre 1983 deutlich zeigt) auch empirischgenähert hat. Was jedoch das situative Handeln vor Ort oder die Wis-sensgrundlagen der Praktiker – also Fragen der Professionalität – angeht,so kann eine gewisse Überlast an konzeptionell normativen Aussagenfestgestellt werden. Arnold scheint dazu zu tendieren, auf der Ebene derangemahnten Kompetenzen die Messlatte für gelungene Formen der Pro-fessionalität so hoch anzusetzen, dass die Wahrscheinlichkeit eher alsgering eingestuft werden muss, sie im individuellen und kollektiven Pro-zess der Professionalisierung dann tatsächlich erreichen oder gar über-bieten zu können.

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V Stand und Perspektiven derProfessionalisierung

1. Vorbemerkungen

Aufgrund der unbefriedigenden, zuweilen sogar als katastrophaleingestuften Datenlage zur Erwachsenenbildung sind der Stand der Ver-beruflichung und die damit korrespondierende Lage des Weiterbildungs-personals nicht direkt zu ermitteln. Auf die Nutzung von Originaldoku-menten, wie beispielsweise verlässliche Personal-Statistiken von Trägern,Jahresberichte einer beruflichen Interessenorganisation oder andere ein-schlägige Dokumente muss mangels Masse verzichtet werden. Deshalbbietet es sich an, den Gegenstandsbereich ‚Weiterbildungspersonal‘ ineinem ersten Anlauf beschreibend zu erfassen, indem die verfügbarenPhänomene und Daten ohne Anspruch auf Vollständigkeit wie Mosaik-steine gesammelt werden. Dieser erste Anlauf wird in Kap. 2 dargelegt.Die deskriptive Annäherung nutzt zwei zur Vermessung der Ist-Situationzentrale Kontexte: zum einen die Einrichtungen und Träger der Erwach-senenbildung, in denen die Betroffenen tätig sind, und zum zweiten dieaktuellen zeitgeschichtlichen Bedingungen, aus denen die Handlungs-spielräume und -begrenzungen für berufliches Handeln erwachsen. ImKap. 3 wird der beschreibende Teil um eine analytische Darstellung er-gänzt. Mit der Darstellung der objektiven Grenzen, mit denen sich dieProfessionalisierungsversuche in der Erwachsenenbildung konfrontiertsehen, sollen gleichzeitig die Chancen einer weiteren Verberuflichungeruiert werden.

2. Die Lage des Weiterbildungspersonals – Versucheiner Annäherung

2.1 Was ist der Fall?Um den momentanen Stand der Professionalisierung zu erhe-

ben, muss zunächst die soziale Einheit bestimmt werden, um die es ge-hen soll, wenn vom Weiterbildungspersonal die Rede ist. Wen habenwir im Blick, wenn wir von den in der Weiterbildung Tätigen oder denPraktikern der Erwachsenenbildung sprechen? In welchen Einrichtun-

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gen arbeitet dieser Personenkreis? Und um wie viele Akteure handelt essich? Zur ‚Profession‘ werden nicht nur das festangestellte lehrende Per-sonal, die freiberuflichen Trainer/innen, Kursleiter/innen und Dozent/in-nen, das disponierende und planend tätige Personal, die Stabsstellen inden Trägerorganisationen und das Führungspersonal gerechnet. Einedurchaus gängige Position auch unter Wissenschaftlern (vgl. Nuissl 1996)ist, dass mit einem (vordergründig) egalisierenden Gestus zur ‚Professi-on‘ auch die in den Bildungseinrichtungen tätigen Sachbearbeiter/innenund das Verwaltungspersonal gezählt werden. Diese Einteilung geht vonder plausiblen Annahme aus, dass ohne diese MitarbeiterInnnen eineorganisierte Weiterbildung unmöglich wäre. Und in der Tat: Vom Stand-punkt der Organisation aus betrachtet, müsste man in einer derartigenBestandsaufnahme auch die Hausmeister aus den einschlägigen Bildungs-einrichtungen und das übrige technische Personal, wie beispielsweisedie Entwickler von CBT oder andere Multimediaexperten, in die Betrach-tung mit einschließen. Da es an dieser Stelle zum einen um den Typeiner besonders ausgewiesenen pädagogischen Arbeit geht und zum an-deren um die Bestimmung des Handlungssubjektes der Professionalisie-rung, benötigen wir ein anderes, vor allem präziseres Kriterium. Als An-gehörige der sich möglicherweise formierenden, im Moment allerdingsnoch im Stadium der „Unbestimmtheit“ (Künzel 1998) verharrenden Pro-fession Erwachsenenbildung begreifen wir nur jene Personen,

– die individuelle und kollektive Fallarbeit leisten, also Klienten-bzw. Teilnehmerkontakte haben und/oder mit ihren planendenoder disponierenden Berufsrollen projektförmig tätig sind,

– die wissenschaftliche und andere Formen des höhersymboli-schen Wissens1 auf Einzelfälle oder singuläre Konstellationenanwenden,

– die eine ausgewiesene berufsbiographische Bindung (bzw. einCommitment) gegenüber dem Beruf und nicht nur der Organi-sation gegenüber haben und auf eine ebenso lange wie auf-wendige berufliche (in der Regel akademische) Sozialisationzurückblicken können.

Diese Definition bedeutet die Ausblendung der Sachbearbei-ter/innen an Volkshochschulen und des technischen Personals in Berufs-bildungszentren ebenso wie den Ausschluss von Pädagogen im entgrenz-ten Bereich der Erwachsenenbildung (etwa Tanzlehrer und Freizeitani-mateure). Aus dieser Bestimmung folgt, dass das Handlungssubjekt von

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Professionalisierungsprozessen in der Erwachsenenbildung mit den mi-kro- und makrodidaktisch tätigen Praktikern, den Führungskräften oderden in anderer Weise pädagogisch agierenden Personen identisch ist,die ihr Handeln auf der Grundlage wissenschaftlichen Wissens organi-sieren. Allerdings präjudiziert diese Position in keiner Weise Entschei-dungen auf der Ebene der Professionalität: Während wir das Handlungs-subjekt von Professionalisierungs- und Deprofessionalisierungsprozes-sen eng an jene Praktiker binden, welche die fallbezogene Tätigkeit mitTeilnehmer/innen und die planerisch/disponierende Arbeit mit Koopera-tionspartnern und Dozenten verrichten, scheint auf der Ebene des Ar-beitshandelns ein wesentlich großzügigerer Umgang mit dem Etikett Pro-fessionalität angesagt zu sein. So bietet das hier vorgeschlagene Kriteri-um (unter der Bedingung, dass die entsprechenden Anhaltspunkte vor-liegen) durchaus die Möglichkeit, etwa einer Sachbearbeiterin ein hohesMaß an Professionalität zu attestieren, während man (auf der Grundlageebenso verlässlicher Indikatoren) die professionelle Güte der Arbeit desihr vorgesetzten hauptberuflich tätigen pädagogischen Mitarbeiters alsdefizitär beschreiben kann. Professionalität dient zur Beschreibung derGüte beruflicher Aktivität über die Grenzen der Berufe hinweg.

Trotz der ständig anzutreffenden Rhetorik des Neuen, die sichin zyklisch wiederkehrenden Nachrichten von den „ganz neuen Her-ausforderungen“ im Umfeld der Erwachsenenbildung niederschlägt, hatsich seit nunmehr circa hundert Jahren am elementaren, aus vier Ele-menten bestehenden Rollenprofil von Erwachsenenpädagogen nicht vielgeändert (vgl. Seitter 1997):

1. Der Berufsrolle des/der hauptberuflichen Leiters/Leiterin einerBildungseinrichtung können Kernaktivitäten zugeordnet werden,die mit der öffentlichen und politischen Repräsentation der Ein-richtung, dem Marketing, der Personalführung und Personal-entwicklung, der Beschaffung von finanziellen und sonstigenRessourcen, kurz: mit dem Weiterbildungsmanagement korres-pondieren. Hauptberufliche Leiter/innen einer Bildungseinrich-tung, wie beispielsweise die Direktorin einer Sprachenschuleoder der Geschäftsführer eines gewerkschaftseigenen Bildungs-werks, müssen heute dafür sorgen, dass ihre Einrichtung auf demdurch Konkurrenz gekennzeichneten Weiterbildungsmarkt be-stehen kann.

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2. Die Berufsrolle der hauptberuflich tätigen pädagogischen Mit-arbeiter/innen mit disponierendem und/oder planendem Auf-gabenprofil umfasst Aktivitäten auf der makrodidaktischen Hand-lungsebene des Programm-Machens. Hier zeichnen sich kom-plexe Arbeitsbögen (Strauss) ab, die auf den Dreierschritt desProgramm-Planens, des Programm-Durchführens und des Pro-gramm-Evaluierens kondensiert werden können. Auch die An-leitung, die Fortbildung und die Beratung des lehrenden Perso-nals gehören in ihre Zuständigkeit. Diese Berufsrolleninhaberstehen in ihrer alltäglichen Arbeit vor der Aufgabe, eine pro-duktive Symbiose von pädagogischen und organisatorischenHandlungsanteilen herzustellen.

3. Die Berufsrolle der hauptberuflich tätigen Lehrenden, die alsWeiterbildungslehrer/innen oder als Trainer/innen entweder ineiner Einrichtung fest angestellt oder freiberuflich bzw. selbstän-dig tätig sind, bedient die mikrodidaktische Handlungsebene.Dies geschieht in der Weise, dass sie entweder die Arbeit derStoff- und Wissensvermittlung leisten oder als Weiterbildungs-berater/innen fungieren. Da die Lehrenden im Vis-à-vis-Kon-takt mit der Klientel stehen, prägt diese Praktikergruppe beson-ders stark das öffentliche Image der Erwachsenenbildung.

4. Die vierte zentrale Berufsrolle wird durch die ehrenamtlich odernebenberuflich tätigen Erwachsenenbildner/innen (Kursleiter/innen, Dozent/innen) ausgeführt. Obwohl diese Praktikergrup-pe ihre Tätigkeit nicht hauptberuflich verrichtet, ist ihr Tätig-keitsprofil weitgehend identisch mit dem des zuvor genanntenPersonenkreises. Ihre strategisch wichtige Funktion im mikrodi-daktischen Bereich als Vermittler von Spezial- und Experten-wissen rechtfertigt die Entscheidung, auch hier von einer Be-rufsrolle zu sprechen.2

Im Kontrast zur Beständigkeit der elementaren Berufsrollen stehtdie Vielfalt der beruflichen Selbstbeschreibungen. Diese wird in der ein-schlägigen Literatur (vgl. Erlinghausen/Vath 1977:188) als Indiz für diezurückgebliebene Verberuflichung und den Professionalisierungsbedarfoder als Zeichen für die Unentschiedenheit der Profession Erwachse-nenbildung betrachtet (vgl. Nittel 1995a). So dürfte die Aufzählung: Trai-

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ner, Weiterbildungsberater, Coach, Studienleiter, Andragoge, Bildungs-arbeiter, Kursleiter, Teamer bei weitem nicht vollständig sein. Hier kommtes aber nicht auf Vollständigkeit im Korpus der Berufsbezeichnungen an,sondern auf einen anderen Sachverhalt. Anders als die Vielfalt der Be-rufsbezeichnungen wurde die unbestreitbare Stabilität der vier Rollen-profile über die Zeitläufe hinweg in der Berufskultur so gut wie über-haupt nicht zur Kenntnis genommen, d. h. weder positiv noch negativkommentiert. Die Dauerhaftigkeit der vier Berufsrollen trat weder alsUrsache für die über viele Jahrzehnte hinweg registrierbare Flexibilitätnoch als ein mögliches kontinuitätsstiftendes Moment in der Geschichteder Erwachsenenbildung ins Blickfeld.

2.2 Das in expliziten Bildungseinrichtungen tätige PersonalAn die Beantwortung der Frage, in welchen Institutionen die so-

eben bestimmte Kategorie von Weiterbildungspersonal arbeitet, knüpftsich die Hoffnung, sowohl ein präziseres Bild vom Berufsfeld als solchemals auch eine Vorstellung von der Zahl der Berufsrolleninhaber gewinnenzu können. Die hin und wieder zu hörende und auch in dieser Publikati-on vertretene Behauptung, dass in den letzten Jahren neben der Weiter-bildung kaum ein anderer Sektor im Erziehungs- und Bildungswesen ei-nen so großen Bedeutungszuwachs erfahren habe, ist nicht allein mit Blickauf die Expansion und Ausdifferenzierung der Institutionen belegbar, son-dern muss bezogen auf die steigende Zahl derer plausibilisiert werden,die in diesem Bereich arbeiten. Die Erwartungen, mittels einer Übersichtdes bei den Trägern und Einrichtungen tätigen Personals eine Art quanti-tative Bestandsaufnahme der Weiterbildung zu ermitteln, gehen jedochins Leere. Konsens herrscht eigentlich nur in dem Punkt, dass es im Hin-blick auf die Ordnung der Weiterbildungsinstitutionen keinen Konsensgibt. Ausgerechnet dort, wo der common sense am ehesten Ordnung,Verbindlichkeit und Transparenz vermutet, nämlich auf der organisatori-schen Ebene, scheint die Unübersichtlichkeit besonders groß zu sein.

Ein Systematisierungsversuch könnte darin bestehen, zwischenerwachsenenpädagogischen Tätigkeitsprofilen in denjenigen Einrichtun-gen der Erwachsenenbildung zu unterscheiden, die sich gegenüber derÖffentlichkeit ausdrücklich als Bildungsinstitutionen definieren (explizi-te Einrichtungen), und jenen, die ohne oder mit marginalem Bildungs-auftrag nach außen hin operieren und folglich in ihren institutionellen

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Selbstbeschreibungen auf das Etikett Bildung verzichten (implizite Bil-dungseinrichtungen). Diese Unterscheidung scheint auch unter Moder-nisierungsaspekten sinnvoll zu sein: Denn in dem gleichen Maße, wiedie klassischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung (Volkshochschu-len) im Zuge der Entgrenzung und Enttraditionalisierung der Weiterbil-dung ihre ursprüngliche Rolle als Zentren der Verberuflichung verlorenhaben, sind zunehmend Institutionen auf den Plan getreten, die faktischBildungsarbeit betreiben, sich aber in der Öffentlichkeit nicht als Bil-dungseinrichtungen zu erkennen geben.

Unter den Organisationen, die in ihrer institutionellen Selbst-beschreibung explizit einen Bildungsauftrag betonen, ist zunächst ein-mal das breite Spektrum an landes- oder bundesweit tätigen Trägern undEinrichtungen der öffentlich verantworteten allgemeinen Erwachsenen-bildung (Volkshochschulen) und weltanschaulich gebundenen Trägern(wie die Kirchen, die Gewerkschaften und die Stiftungen der Parteien)zu nennen. In den Städten und auf dem Land verfügen diese gesellschaft-lichen Großinstitutionen über ein dicht gestaffeltes Netz an einschlägi-gen Einrichtungen, welches eine nahezu flächendeckende Versorgungder Bevölkerung mit Bildungsangeboten gewährleistet. Das Personal inall diesen Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen, Bildungsstätten,Weiterbildungszentren, Akademien definiert sich in der Regel dezidiertals Erwachsenenbildner/innen oder Erwachsenenpädagog/innen. Der hierangesprochene institutionelle Bereich stellt im öffentlichen Bewusstsein,aber auch aus der Sicht der Erziehungswissenschaft das Kernsegmentder Erwachsenenbildung dar. Unmittelbar daneben besteht seit den 80erJahren eine kontinuierlich gewachsene Zahl kommerzieller Anbieter vonAllgemeinbildung (private Frauenschulen, Institute zur Gesundheitsbil-dung, Sprachenschulen, Fernlehrinstitute). Diese operieren in ihrer Pro-grammatik zwar ebenfalls mit dem Lern- und Bildungsbegriff, werdenallerdings in einem weit größeren Maße von den Gesetzen des Marktesbeeinflusst.

Da die Erwachsenenbildung bildungspolitisch in der Hoheit derLänder liegt, wären verlässliche Zahlen am ehesten auf der Länderebenezu erwarten. Doch diese Vermutung trifft nur bedingt zu, weil erstensnicht in jedem Bundesland Erhebungen durchgeführt bzw. Gutachtenerstellt wurden und weil zweitens die Berechnungsgrundlagen (bzw. dietheoretischen Vorabentscheidungen, um diese festzusetzen) von Unter-

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suchung zu Untersuchung unterschiedlich ausfielen. So werden in einerBerechnung nur die festangestellten Personen ermittelt, wohingegen dienebenberuflich Tätigen außer Acht gelassen werden. Wie wurde an an-derer Stelle das Problem der Bestandserfassung des Personals bearbei-tet? In Bremen z. B. waren 1993 in 86 von einer Forschergruppe ausge-wählten und befragten Weiterbildungseinrichtungen ca. 1.500 festange-stellte Mitarbeiter/innen tätig. Bezogen auf die Situation in Hessen heißtes in dem einschlägigen Gutachten: „In unserer Weiterbildungsumfrage’89 haben wir für Hessen eine Gesamtzahl der hauptberuflich Mitarbei-tenden von 4.275 Personen erfasst. Dies gilt für einen Erhebungsumfangvon 463 Institutionen. An diesen waren gleichzeitig 33.390 Nebenbe-rufliche beschäftigt“ (Faulstich 1996b:57). Das ebenfalls von Faulstichund seinen Mitarbeitern erstellte Gutachten über Schleswig-Holsteinkommt auf die Zahl von 4.201 hauptberuflichen und 9.738 nebenberuf-lichen Mitarbeiter/innen. Dass solche Zahlen immer unter Berücksichti-gung der theoriegeleiteten Kriterien interpretiert werden müssen, zeigtder Blick auf das bevölkerungsreichste Bundesland in Deutschland: DasGutachten von Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Ergebnis, dass indiesem Bundesland ca. 2.000 hauptberufliche pädagogische Mitarbei-ter/innen ermittelt werden konnten (vgl. Landesinstitut für Schule undWeiterbildung 1997). Der Sachverhalt, dass in einem Bundesland miteiner besonders großen Weiterbildungsdichte (Nordrhein-Westfalen) imVergleich zu einem Bundesland mit einer bekanntlich eher geringen Zahlvon Weiterbildungseinrichtungen (Schleswig-Holstein) auffällig wenigPersonal ermittelt wurde, dürfte mit den eben angesprochenen unter-schiedlichen Bemessungsgrundlagen zusammenhängen. Während inSchleswig-Holstein ein eher weites Verständnis von Weiterbildungsinsti-tutionen zugrunde gelegt wurde (hier wurden zum Beispielen auch dieFachschulen und andere Ausbildungsinstitutionen für Erwachsene mit-gezählt), konzentrierte sich das Gutachten aus Nordrhein-Westfalen aus-schließlich auf das Kernsegment der öffentlich finanzierten und verant-worteten Erwachsenenbildung, also auf die allgemeine und die politi-sche Erwachsenenbildung sowie die Familienbildung. Diese Hinweiselegen die Vermutung nahe, dass Vergleiche zwischen Länderuntersuchun-gen oder gar Hochrechnungen aufgrund der unterschiedlichen berech-nungstechnischen Grundlagen nur mit großer Vorsicht rezipiert werdenkönnen. Auf der Basis aller verfügbaren Zahlen und mit Blick auf die inden letzten Jahren erstellten Landeserhebungen hat Faulstich 1996 dieZahl von 80.000 bis 100.000 Personen geschätzt, die ihr Haupteinkom-

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men aus der Weiterbildung beziehen. Auf der Grundlage von Zahlenaus der Volkshochschul-Statistik und anderer Daten stellt Nuissl die et-was darunter liegende Prognose auf, dass in der gesamten staatlich ge-förderten Weiterbildung in der Bundesrepublik Mitte der 90er Jahre50.000 bis 600.00 hauptberuflich Beschäftigte tätig sind (Nuissl 1996:24).Die Differenz zwischen den beiden Schätzungen ist darauf zurückzu-führen, dass Nuissl offenbar die nebenberuflich tätigen Mitarbeiter/in-nen nicht berücksichtigt hat, die ihr Haupteinkommen aus einer erwach-senenpädagogischen Tätigkeit beziehen. Da es manchen Wissenschaft-lern primär um das hauptberuflich tätige Personal geht, gehen einigeSchätzungen auch dahin, von der Gesamtpopulation des Weiterbildungs-personals ausgehend den ungefähren Prozentanteil der als zentral ein-gestuften Gruppe der Hauptberuflichen zu umreißen. Nach Schätzun-gen von Klemm (vgl. Klemm u. a. 1990:207) umfasst der sogenannteharte Kern des pädagogischen Personal (damit sind die festangestelltenPersonen sowie das Führungspersonal gemeint) 1% der Gesamtbeschäf-tigten. Faulstich geht von mehr als 10% aus, während die Schätzungenvon Nuissl und Jütting (1987:3) bezüglich des Prozentsatzes von Haupt-beruflichen zwischen diesen beiden Extremwerten angesiedelt sind.

Da die vorliegenden Schätzungen nicht den aktuellen Stand wie-dergeben und zudem recht verwirrend sind, soll an dieser Stelle eineBestandsaufnahme vorgenommen werden, die auf der Interpretation deraus dem Berichtssystem Weiterbildung und der DVV-Statistik stammen-den Zahlen basiert. Sie setzt das Verhältnis von Personalstärke zu Teil-nahmefällen in Volkshochschulen (im Jahre 1994) in Beziehung zu Per-sonal und Gesamtheit der Teilnahmefälle in der allgemeinen Weiterbil-dung:

Teilnahmefälle (Weiterbildung insgesamt) x Personal (VolkshochschulenTeilnahmefälle (Volkshochschulen)

In konkreten Zahlen bedeutet dies: In den deutschen Volkshoch-schulen haben 1997 193.850 Personen gearbeitet, davon waren 1.002Leiter, 3.696 hauptberuflich tätige Mitarbeiter/innen (HPM) und 189.152Kursleiter/innen. Dieses Personal hat 8,9 Millionen Teilnehmerfälle be-dient. Rechnet man diese Relation auf die Summe der 1997 ermittelten24,1 Millionen Teilnahmefälle hoch, so ergibt sich eine Zahl von 503.159Personen, die in der allgemeinen Weiterbildung (einschließlich der au-

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ßerbetrieblichen beruflichen Weiterbildung) haupt-, frei- und nebenbe-ruflich tätig waren (vgl. BMBF 1999; DVV 1997).

Eine ganze Reihe von Gründen spricht dafür, dass die in dervorliegenden Literatur durchaus übliche Fixierung auf die Berufsprakti-ker im Kernsegment der Erwachsenenbildung und die Dichotomie haupt-berufliches versus nebenberufliches Personal aus professionstheoretischerSicht nicht sonderlich instruktiv ist. Im Hinblick auf die oben genannteErmittlung des Personalbestandes ist anzumerken, dass sie auf durchausüblichen, letztlich aber problematischen theoretischen Vorentscheidun-gen beruht. Problematisch sind sie deshalb, weil wichtige Teile des Wei-terbildungspersonals aus dem Aufmerksamkeitsfokus ausgegrenzt wer-den. So blieben – um diese These beispielhaft zu verdeutlichen – die inden Betrieben oder bei der Bundeswehr tätigen Erwachsenenbildner bis-lang ebenso außen vor wie alle anderen Praktiker, die in den implizitenBildungseinrichtungen beschäftigt sind. Es scheint aber notwendig zusein, auch die Menschen zu berücksichtigen, die in Organisationen ohnegenuinen Bildungsauftrag, also in impliziten Einrichtungen, tätig sind.

Noch eine andere Relativierung erscheint angebracht: Latentschwingt bei der – aus den 70er Jahren herrührenden – prioritären Be-handlung des festangestellten Personals die Unterstellung mit, das neben-berufliche Personal sei in gewisser Weise als das ausführende Organ dermakrodidaktischen Planungsentscheidungen anzusehen. ProfessionelleAutonomie sieht diese Position kaum vor. Da die hauptberuflichen Mitar-beiter die Entscheidungen träfen, würden diese auch die wesentlichenEckpunkte des Lehr-/Lerngeschehens prägen. Unter dem strategischenGesichtspunkt der Professionalisierung, also der interessen- und macht-orientierten Berufspolitik, mögen tatsächlich in erster Linie die Personeninteressant sein, die ihr Haupteinkommen aus einer Tätigkeit in der Wei-terbildung beziehen. (So dürfte beispielsweise die Absicht, einen Berufs-verband zu gründen, nur bei Personen Anklang findet, die mit ihrer Arbeittatsächlich auch ihren Lebensunterhalt bestreiten.) Doch unter Zugrun-delegung einheitsstiftender Erwägungen – Wer gehört zur Profession? Wiekonstituiert sich Professionalität – ist dagegen eine strikte Gleichbehand-lung angesagt, denn aus analytischer Sicht kann die Konservierung desGefälles zwischen den hauptberuflichen und den nebenberuflichen Mit-arbeiter/innen fatale Auswirkungen haben. Die formale Absicherung desArbeitsplatzes bzw. die Frage, ob jemand hauptberuflich oder nebenbe-

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ruflich tätig ist, sagt zunächst einmal recht wenig über die Qualität derArbeit und die dabei erreichte Professionalität aus. Das schlagkräftige Ar-gument der großen Zahl liegt zudem ganz eindeutig auf der Seite der ne-ben- und freiberuflichen Mitarbeiter/innen; auf deren Quantität stützt sichdie berufspolitische Relevanz von Erwachsenenbildnern in der Gesell-schaft. Auch wird das dichotomisierende Schema hauptberufliche versusnebenberufliche Mitarbeiter neuen Tendenzen nicht gerecht: In der Gruppeder pädagogischen Freiberufler treten verstärkt Innovationsträger undbesonders experimentierfreudige Praktiker in Erscheinung – Personen, diefür die Zukunftsfähigkeit der Erwachsenenbildung besonders viel leisten.Insbesondere im Ringen um substantiellere Formen der Verberuflichung(statt mehr Stellen bessere Stellen, Herausbildung von didaktischer Kön-nerschaft) könnten freiberufliche Mitarbeiter als ‚neue Selbständige’ zu-künftig viel souveräner und authentischer auftreten als die Gruppe der inorganisatorische Zwänge verstrickten Hauptberuflichen. Eine objektivwichtige Gruppe kann aufgrund der alles überschattenden Gegensatzan-ordnung Hauptberuflichkeit – Nebenberuflichkeit also leicht einer Kate-gorie zugeordnet werden, die tradierte berufs- und bildungspolitischeVorstellungsmuster und gesellschaftliche Vorurteile reproduziert, ohne dassdie beruflichen Leistungen der Betroffenen dadurch gewürdigt werden.

2.3 Das in impliziten Bildungseinrichtungen tätige PersonalSchon ein kurzer Blick in das zweibändige Deutsche Handbuch

der Erwachsenenbildung (Hacker/Olzog 1990ff.) deutet auf ein außeror-dentlich facettenreiches Geflecht von Einrichtungen und Trägern, die vonihrem Organisationszweck keine Bildungseinrichtungen sind, aber den-noch in einem nicht unerheblichen Maße Weiterbildungsangebote un-terbreiten. Hier sind sehr unterschiedliche Organisationen versammelt,beispielsweise parteinahe oder unabhängige Stiftungen, berufliche In-teressenverbände, Berufsgenossenschaften, Umweltverbände, Tierschutz-einrichtungen, gemeinnützige Wohlfahrtsverbände, Massenmedien, Mu-seen, andere Kultureinrichtungen und eine Vielzahl weiterer Institutio-nen. In dieser Aufzählung darf die Bundeswehr nicht fehlen, denn inihrem sozialen Kontext ist nahezu jeder Schritt auf der ‚Karriereleiter’zwingend an den Besuch eines Lehrgangs oder einer anderen pädagogi-schen Veranstaltung geknüpft. Im Binnenraum all dieser Einrichtungenund Träger geht eine Vielzahl von Personen Weiterbildungsaufgaben nach:Sie planen und konzipieren Bildungsangebote, sorgen für die infrastruk-

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turellen Bedingungen zu deren Umsetzung, lassen die Angebote vonDozenten und Kursleitern durchführen oder realisieren sie selbst undziehen aus den dabei gewonnenen Erfahrungen Konsequenzen für dieweitere Arbeit. Hierbei tragen sie meist die volle Verantwortung für dievon ihnen beeinflussbaren Folgen ihrer Tätigkeit. Ebenso wie in klassi-schen Einrichtungen der Erwachsenenbildung (Volkshochschulen) be-treibt auch das hier tätige Personal Weiterbildungsberatung und Bildungs-marketing, kooperiert mit anderen Einrichtungen und sucht nach inno-vativen Ideen, um die sichtbaren Bildungsbedarfe zu decken und neuezu wecken. Heute scheinen auf diesem Tableau der professionellen Er-wachsenenbildung in den impliziten Bildungseinrichtungen immer mehrPersonen mit hoher erwachsenenpädagogischer Kompetenz gefragt zusein. Diese haben sie sich entweder über Zusatzausbildungen, einschlä-gige Studiengänge oder – was vermutlich immer weniger anzutreffen ist– durch autodidaktisches Engagement erworben.

In dem hier erfassten Segment des Berufsfeldes treten zahlrei-che Verbindungen zwischen erwachsenenpädagogischen Kernaktivitä-ten und fachfremden beruflichen Anforderungsstrukturen auf: So wähltz. B. ein Erwachsenenpädagoge, der für einen Bildungsreiseunterneh-men arbeitet, nicht nur die Experten für die am Ort stattfindenden Se-minare aus, sondern er muss unter der Maßgabe betriebswirtschaftli-cher Standards Marktbeobachtungen durchführen. Eine Mitarbeiterin inder Abteilung Gesundheitsbildung einer großen Krankenkasse kümmertsich keineswegs ausschließlich um die Optimierung gewisser Lernkon-zepte, sondern auch um die Politik und die Außendarstellung der Or-ganisation. Ein Diplompädagoge, der an der Erstellung von Lernsoft-ware beteiligt ist, investiert viel Zeit und Energie, um immer auf derHöhe des computertechnischen Fortschritt zu sein. Als bekannteste Kan-didaten auf der Liste jener Institutionen, die von ihrer Kernfunktion herkeine Bildungsarbeit leisten, sondern anderen Zwecken nachgehen, sindwohl die Betriebe zu nennen. Das Segment der betrieblichen Weiter-bildung wird als wirtschaftlich und bildungspolitisch besonders potenteingestuft. Weil Betriebe meist nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeitstehen, gibt es kaum verlässliche Zahlen über das in diesem Bereichtätige Weiterbildungspersonal. Die Angaben über die hier umgesetztenGeldsummen – nach Aussage des Präsidenten der Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbände gab die private Wirtschaft 199534 Milliarden DM für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter/innen aus (kri-

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tisch dazu Harney 1998) – dürfen jedoch nicht die alleinige Grundlagesein, um die berufspolitische Relevanz der hier geleisteten erwachse-nenpädagogischen Arbeit einzuschätzen. Als zentrale Berufsrollen ha-ben sich in der betrieblichen Bildungsarbeit der Bildungsmanager, derTrainer und der Seminarleiter etabliert (vgl. Kap. IV, 4.). Aus der Rekon-struktion von Biographien von Erwachsenenbildnern, die in der Privat-wirtschaft arbeiten und dort große Erfolge verbuchen, konnte gezeigtwerden, wie die Anforderungsstruktur der Arbeitsplätze und die berufs-biographischen Bedingungen miteinander korrespondieren. RhetorischesVirtuosentum, Aufstiegsmotivation und heroisches Professionsverständ-nis werden von den betrieblichen Modernisierungserfordernissen gleich-sam aufgesogen und tragen sowohl zu einer Temporalisierung erstarr-ter Organisationsmuster als auch zu einer damit verbundenen Umwid-mung struktureller Probleme in Lernprobleme bei. Die Rolle des Grenz-gängers, der die Rationalitätsmuster ganz unterschiedlicher Fachkultu-ren auszubalancieren hat, vermag im günstigsten Fall das Gefühl einerweitgehenden Autonomie zu erzeugen. Dass die Betroffenen in ihrenbiographischen Eigentheorien Wissenschaftsdistanz artikulieren, faktischaber eine überdurchschnittliche Nutzung wissenschaftlicher Erkennt-nisse und Verfahren praktizieren, mag zwar als Widerspruch erschei-nen, beides schließt sich im Berufsalltag aber keineswegs aus. Diesesscheinbare Missverhältnis hängt mit dem Tatbestand zusammen, dassauf der Vorderbühne der betrieblichen Kommunikation Wissenschafts-skepsis angesagt ist, während zur Lösung der tatsächlichen Problemeauf komplexere Wissensbestände nicht verzichtet werden kann (vgl.Nittel/Marotzki 1996).

Nicht nur im erwähnten Feld der betrieblichen Bildung, son-dern auch in anderen Segmenten der impliziten Erwachsenenbildungsind die Praktiker mit dem Problem konfrontiert, dass die Definitions-macht darüber, was makro- und mikrodidaktisch pädagogisch mach-bar und ethisch vertretbar ist, kaum oder überhaupt nicht in den Hän-den der Professionsmitglieder, sondern in letzter Konsequenz bei frem-den und fachlich manchmal nicht sonderlich versierten Instanzen liegt.Die naheliegende Vermutung, dass pädagogische Innovationen, die zuindividuellen und kollektiven Erkenntnisprozessen beitragen, im Rah-men der betrieblichen Modernisierung tatsächlich nur insoweit zuge-lassen werden, als sie einen Beitrag zur Optimierung der Wertschöp-fungskette leisten, kann durch einschlägige Forschungen weder bestä-

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tigt noch bestritten werden. Als gesichert kann indes gelten, dass dieAbsolventen wissenschaftlicher Hochschulen von der gesamtgesell-schaftlichen Tendenz zur Universalisierung der Erwachsenenbildung be-rufsbiographisch beträchtlich profitieren konnten (vgl. Fink-Jacob 1996).Insbesondere im sogenannten intermediären Bereich und überall dort,wo große Organisationen in neue Austauschbeziehungen mit ihrerUmwelt eintreten – also Bildung mit neuer Technologie, Unterhaltung,Kultur usw. kombiniert wird –, scheint der Kreis potentieller Institutio-nen, die auf professionelle erwachsenenbildnerische Berufsarbeit an-gewiesen sind, stabil zu sein. Damit die Betroffenen sich dann tatsäch-lich beruflich erfolgreich etablieren, ist eine Passung zwischen berufs-biographischen Dispositionen, fachlicher und pädagogischer Kompe-tenz und der berufsfeldbezogenen objektiven Anforderungsstruktur un-umgänglich (vgl. Nittel/Marotzki 1996).

VolkshochschulenBildungswerkekirchliche Akademiengewerkschaftliche Einrichtungenprivate Sprachenschulen

Leitungplanend und distribuierend tätiglehrend tätigneben- und ehrenamtlich tätiges Personalfreiberufliches Personal

BetriebeBundeswehrMedienweitere Institutionen

erziehungswissenschaftliches Hauptstudiumerwachsenenpädagogisches Zusatzstudiumandere Fachkultur und päd. Zusatzausbildungandere Fachkultur und autodidaktische Aneignungvon Berufskompetenz

Träger und Einrichtungenim Kernsegment der EB

BerufsfeldErwachsenenbildung (EB)

Berufsqualifikation

Berufsrollen

nicht als EB ausgewieseneTräger und Einrichtungen

Abb. 5: Segmente des Berufsfeldes Erwachsenenbildung

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Trotz der erwartbaren strukturellen Begrenzungen der professio-nellen Entfaltungschancen in Einrichtungen ohne Bildungsauftrag scheintalso die Wahrscheinlichkeit, dass neue Beschäftigungschancen für Erwach-senenbildner/innen im Segment der nicht primär mit pädagogischen Auf-gaben befassten Institutionen entstehen, um einiges größer zu sein als im‚klassischen’ Bereich der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung.

Angesichts der großen Zahl an Trägern, Einrichtungen, Ortenund Räumen (vgl. Kade/Nittel 1995) der öffentlich-verantworteten Er-wachsenenbildung einerseits und des viel heterogeneren Spektrums sichselbst nicht als pädagogisch definierender Einrichtungen andererseits sinddie Umrisse des Berufsfeldes mehr als verschwommen. Wenn nicht ein-mal die Art und die Menge der in Frage kommenden Institutionen klarsind, in denen der eben bestimmte Typ von Weiterbildungspersonal tätigist, so kann auch kaum eine verlässliche Angabe über die Zahl der hierberuflich tätigen Personen genannt werden. So gesehen dürfte der Schätz-wert von 523.159 Personen, der sich nur auf das Segment der explizitenErwachsenenbildung bezieht, nicht sonderlich hoch gegriffen sein.

2.4 Berufspolitische Rahmenbedingungen und die Lagedes Weiterbildungspersonals in den neunziger Jahren

Die Situation des Weiterbildungspersonals am Ende des Jahr-hunderts wird durch gesamtgesellschaftliche Faktoren und institutionel-le Strukturen bestimmt, die sich gut zehn Jahre zuvor bereits angedeutetund deren Konturen sich in den 90er Jahren weiter verschärft haben.Weiterbildung bleibt soziokulturell in den 90er Jahren ein ‚Megathema‘(Roman Herzog), und in der Öffentlichkeit zeichnet sich gegen Ende desJahrzehnts nicht nur ein neues Interesse an bildungspolitischen Themenab, sondern auch, wie man am Stichwort Wissensgesellschaft zeigenkann, eine wachsende Sensibilität gegenüber der knappen RessourceBildung und deren gesellschaftspolitischer Relevanz. Dass heteronomeSystemveränderungen und kollektive Veränderungsprozesse gleichsamungefiltert auf das Arbeitshandeln der Berufsmitglieder durchschlagen,ist in den 90er Jahren beinahe wie in einem sozialen Labor zu beobach-ten: Verstetigung des sozialen Wandels, Ökonomisierungs- und Globali-sierungstendenzen, die Revitalisierung des Pädagogischen und die Par-tikularisierung von Professionalisierungstendenzen sind Kategorien, wel-che die hier in den Blick genommene Zeit charakterisieren können.

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Die sozialen und ökonomischen Konsequenzen aus der deut-schen Wiedervereinigung wurden in der ersten Hälfte der 90er Jahre aufdie ebenso kurze wie schlichte Formel ‚Dramatische Verschlechterungder öffentlichen Haushalte‘ gebracht. Nachdem die Anpassung des Er-ziehungs- und Bildungswesens der ehemaligen DDR an das bundesdeut-sche System abgeschlossen war, setzte nun auch in den alten Bundes-ländern ein Prozess der Erneuerung ein. Zeitversetzt wurde die tiefereWahrheit der Formel ‚Nichts wird so bleiben, wie es war‘ auch in Bezugauf die bisher noch verschonten westlichen Bundesländer offenbar. Plötz-lich standen viele der früher selbstverständlich hin- und angenommenSegnungen des Wohlfahrtsstaates zur Disposition. Alle Akteure warendavon betroffen, dass die deutsche Wiedervereinigung durch eine vielumfassendere Modernisierung – die Verstetigung des sozialen Wandels– überlagert wird. Nicht nur im Volkshochschulbereich, sondern auch inanderen Feldern des Sozial- und Bildungswesens wurden Anfang der90er Jahre auf breiter Front Versuche unternommen, Gelder einzusparenund dennoch Effektivität und Effizienz zu steigern. Aus diesem Zielkon-flikt resultiert eine Reihe weiterer Spannungsverhältnisse, die auch innaher Zukunft wirksam bleiben. Das ursprünglich als ein zentrales Mit-tel zur Lösung strukturell angelegter Probleme gedachte Verfahren derOrganisationsentwicklung avancierte in kürzester Zeit nahezu zu einemSelbstzweck. Organisationsentwicklung versprach Wandlung bzw. Er-neuerung und war keinerlei Legitimationsverpflichtungen unterworfen.Für eine gewisse Zeit hatte die Organisationsentwicklung als ein per seanzustrebender Innovationsgarant einen quasi sakralen Charakter. DieHinwendung zur Organisationsentwicklung implizierte, dass die Institu-tionen, sofern sie überleben wollten, sich als kollektives Handlungssub-jekt begreifen und ein aktives Verhaltensmodell übernehmen, kurz: ihreGeschicke selbst in die Hand nehmen mussten. Angesicht neuer Um-weltbedingungen war die Umgestaltung der Binnenstruktur der Bildungs-einrichtungen ebenso angesagt wie ihre manchmal antiquiert wirkendeAußendarstellung. Das Personal in der öffentlich verantworteten Erwach-senenbildung war von diesem teilweise stillen, aber wirksamen Zwangzur Erneuerung weit mehr betroffen als andere Segmente der Weiterbil-dung. Es zeigte sich in der Mehrzahl zunächst irritiert, teilweise offen-barte es sogar Furcht. Während freie Weiterbildungsträger seit jeher zueiner flexiblen Anpassung an die wirtschaftlichen Sachzwänge genötigtwaren, reagierten die Erwachsenenpädagogen in der öffentlichen Erwach-senenbildung mit Befremden auf die neuen Herausforderungen und auf

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aus der Betriebswirtschaft entlehnte Steuerungsmechanismen. Das Wei-terbildungspersonal hatte in vielen Fällen nur die Wahl, sich an demUmbau eingefahrener Organisationsstrukturen aktiv zu beteiligen oderdiesen Umbau duldend zu ertragen. Differenziertere Positionen warenaufgrund der starren Koppelung von Modernisierungsbeteiligung undLoyalitätsbereitschaft gegenüber der Institution nur schwer glaubwürdigzu formulieren. So kam es, dass das Personal in manchen Einrichtungenschematisch in die Gruppe der Modernisierer und die der Traditionalis-ten eingeteilt wurde.

Im Zuge der in den 90er Jahren forcierten Organisationsent-wicklung haben Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungenden teils mehr, teils weniger erfolgreichen Schritt eingeleitet, die Rechts-form zu verändern und das Bildungsinstitut in einen Eigenbetrieb umzu-wandeln. In dieser Phase waren die Ökonomisierungs- und Globalisie-rungstendenzen unübersehbar. Andere Volkshochschulen zogen es vor,aus der kommunalen Einrichtung eine Bildungsstätte auf Vereinsbasis zumachen. Wie Erfahrungsberichte zeigen (vgl. Nuissl/Schuldt 1993), hat-te die von zündenden Vokabeln („Betrieb statt Behörde“) begleitete Um-stellung insofern Auswirkungen auf das Selbstverständnis der planend-disponierenden Arbeit, als der Anteil der Managementaktivitäten stetigwuchs. Bisher unbeantwortet geblieben ist jedoch die Frage, welcheunmittelbaren Folgen die Umwandlung für das von organisatorischenKontrollen kaum beeinflussbare mikrodidaktische Handeln der Kurslei-ter/innen hat. Von der Veränderung der äußeren Fassade einer Weiter-bildungsinstitution und der radikalen Umstellung der internen organisa-torischen Abläufe bleiben die pädagogischen Kernaktivitäten vor Ortschließlich zunächst einmal unberührt. Stellvertretend für die Gruppeder hauptberuflich tätigen pädagogischen Mitarbeiter/innen fragt Barba-ra Hix beispielsweise, ob „im Rahmen der seit zwei Jahren wieder ver-stärkt aufgenommenen Qualitätsdiskussion ...“ nicht auch selbstkritischgeklärt werden müsse, „wie ... die Professionalität der Unterrichtenden,die fachliche und pädagogische Kompetenz aktualisiert und erweitert“werden könne (Hix 1996:42). Die spärlichen Berichte von Leitern undanderen Mitarbeitern (vgl. u. a. Krobbach 1998) zeigen ein eher ambiva-lentes Bild, denn den positiven Seiten – größere Entscheidungsfähigkeitder Organisation, stärkere Identifikation mit dem Betrieb, rationellereVerwaltung – stehen auch negative Wirkungen und nicht antizipierbareEffekte gegenüber. Kaum vorhersehbar war beispielsweise, dass die mit

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dem Ziel der Kostenersparnis begonnene Umwandlung viel kostenin-tensiver war als vorhergesehen. Mit der Organisationsveränderung wareine kaum zu bewältigende Anhäufung von Detailarbeit verbunden, diezur Delegation und damit wiederum zu neuen Schwierigkeiten geführthat. Es sind neue Abhängigkeiten gegenüber externen Experten entstan-den, die das Gefühl gesteigert haben, aus eigener Kraft eigentlich kaumetwas bewegen zu können. Generell zeigen derartige Berichte, dass trotzeiner insgesamt ambivalenten Bilanz die organisatorischen Modernisie-rungsprozesse zu Beginn und in der Mitte der 90er Jahren irreversibelsind. Eine der wichtigsten Einsichten ist wohl die, dass es nicht auf dasOb, sondern mehr auf das Wie der Veränderung ankommt und jede Lö-sung eines Problems neue Probleme schafft. Die empirische Erforschungkurzfristiger Effekte und längerfristiger Auswirkungen der hier angedeu-teten Modernisierungsprozesse steht jedoch noch aus.

Die Veränderung der Rechtsform stellt quasi nur die Spitze ei-nes viel tiefergehenden und das gesamte Bildungswesen mit einbezie-henden Prozesses der Ökonomisierung dar (vgl. Nittel 1996a). Das Wei-terbildungspersonal wurde unter Zugzwang gesetzt, mit deutlich weni-ger materiellen Ressourcen dennoch mehr Dienstleistungen und ‚Pro-dukte’ zu erstellen. Damit zeichnete sich das Dilemma ab, mit einerschrumpfenden Mitarbeiterzahl die Leistungen zu optimieren und kun-denorientierter, d. h. schneller und effektiver arbeiten zu müssen. Nebender Umwidmung der Rechtsform begann man in den 90er Jahren suk-zessive die internen Arbeitsabläufe zu verändern, den Personalbestandzu ‚verschlanken‘ und wirksamere Organisationsformen zu installieren.Neue Steuerungsmodelle, wie die dezentrale Ressourcenverantwortung,trugen zur Delegation von Verantwortung bei gleichzeitiger Aufrechter-haltung einer Gesamtsteuerung bei. Budgetierung oder andere Verfah-ren der Haushaltsflexibilisierung traten in vielen Bildungseinrichtungenan die Stelle der als überholt eingestuften Kameralistik. Konkret hat dasfür viele Praktiker der Erwachsenenbildung die Notwendigkeit erzeugt,die sonst bei anderen Personengruppen proklamierte Anpassung der be-ruflichen Qualifikationen an die neuen beruflichen Herausforderungennun plötzlich unmittelbar selbst zu vollziehen. So standen manche Kol-leginnen und Kollegen in den Bildungseinrichtungen und Weiterbildungs-abteilungen plötzlich unter dem Druck, sich die Kosten-Leistungs-Rech-nung oder andere Techniken von Grund auf anzueignen. Seit den 90erJahren wird das Bildungsmanagement (vgl. Decker 1995; Merk 1992;

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Meisel 1994) nicht nur am grünen Tisch diskutiert, sondern an vielenOrten praktiziert. Unter Zugrundelegung des funktionalen Verständnis-ses von Controlling geht es dabei um die Realisierung der Aufgabe jederFührungskraft, „mit Hilfe vollzugsbegleitender Informationsrückkoppe-lungen selbst dafür zu sorgen, dass ein geplanter Realisationsgrad bzw.ein angestrebtes Ergebnis auch tatsächlich erreicht wird (Erfassung undAnalyse von Soll-Ist-Abgleichen ...)“ (Brüggemeier 1998:44). Obwohldie mit dem Controlling-Ansatz verbundenen Instrumente kontextspezi-fisch in der Weiterbildung Schritt für Schritt eingesetzt werden, kann voneiner flächendeckenden Implantierung der diesbezüglichen Variantenallerdings noch nicht gesprochen werden.

Während über Bildungsmarketing und Controllingverfahren inden Weiterbildungseinrichtungen viel und kontrovers debattiert wurde,ohne dass von einer flächendeckenden Umsetzung der jeweiligen Ide-en gesprochen werden kann, ist über eine andere (eher technische)Innovation im Laufe der 90er Jahre weniger gesprochen worden – ihreAuswirkungen waren hingegen fulminant. Die Rede ist von der Einfüh-rung des Personalcomputers. Dieses von einigen Erwachsenenbildnernanfangs noch belächelte oder kulturkritisch-misstrauisch beäugte tech-nische Instrument war spätestens in den 90er Jahren von den Arbeits-plätzen des Weiterbildungspersonals nicht mehr wegzudenken. Arbeits-und Veranstaltungsprogramme oder die Abrechnung der Kursgebührenkonnten mit Hilfe des Computers viel zuverlässiger und schneller ge-schrieben und organisatorisch abgewickelt werden. Aber nicht nur dasfestangestellte Personal, sondern auch die freiberuflichen oder neben-beruflichen Dozenten sowie viele Teilnehmer/innen nutzten die mit demPC verbundenen Möglichkeiten der Aneignung von Wissen auf eineganz selbstverständliche Weise. Die nicht aufzuhaltende soziale undtechnische Diversifikation bereitete den Boden für die nächste Innova-tion vor, die erwachsenenpädagogische Nutzung von Internet und Mul-timedia. In beiden Fällen ist die zeitliche und räumliche Entkoppelungvon Vermittlung und Aneignung charakteristisch. An beliebigen Ortenund zu beliebiger Zeit dient der Computer heute als Medium der Er-wachsenenbildung. Auf eine bisher noch nicht dagewesene Weise of-fenbaren die 90er Jahre, wie technische Innovationen didaktisch-me-thodische Entwicklungen anstoßen können, so dass bestimmte Vorstel-lungen einer vorwiegend personal vermittelten Erwachsenenbildungrelativiert werden müssen.

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Dass politische und kulturelle Veränderungen unter den Bedin-gungen der zweiten Moderne (Beck, Giddens) ohne nennenswerte zeitli-che Verzögerung bis zum tagtäglichen Arbeitshandeln der Berufsangehö-rigen durchdringen, macht auch das Beispiel der europäischen Einigungdeutlich. So hatten die Mitarbeiter von Bildungseinrichtungen sich manch-mal von einem Tag zum anderen im Gestrüpp der EU-Förderprogramme(PETRA, LINGUA, FORCE, EUROTECNET) zu orientieren und geeignetePartner im europäischen Ausland zu finden, um die notwendigen Schrittezur Abfassung eines Antrages zu vollziehen. Da die zuständigen Stellenin Brüssel sich teilweise selbst noch konsolidieren mussten und Vorschriftenhäufig wechselten, waren die beantragenden Stellen immer wieder zurImprovisation gezwungen. Für viele Weiterbildungsorganisationen wardas Phänomen der europäischen Einigung und der Globalisierung anfangstatsächlich vor allem unter wirtschaftlichen Erwägungen interessant undwichtig. Die diversen Programme eröffneten nämlich neue Chancen derBeschaffung von finanziellen Mitteln, der Beantragung von innovativenProjekten und der Rekrutierung bzw. Sicherung von Personal. Davon un-abhängig wurde die Erwachsenenbildung von politischer Seite in die Pflichtgenommen; und im Sinne des Leitmotivs ‚Lernort: Europa‘ sollten eigensentwickelte Bildungsangebote und Austauschprogramme einen Beitragleisten, um den wirtschaftlichen Einigungsprozess und die kulturelle Inte-gration voranzubringen. Im Zuge der Globalisierung, vor allem aber un-ter den Bedingungen der europäischen Einigungsprozesse, wird die zu-künftige Richtung des institutionellen Ausbaus – oder des Abbaus – einer-seits von den Vereinheitlichungs- und Abstimmungstendenzen im euro-päischen Kontext und andererseits durch die Diversifikation der sozialenWelt der Erwachsenenbildung im bundesdeutschen Rahmen bestimmt.Während auf der europäischen Ebene damit zu rechnen ist, dass die imVergleich zum Schulsystem sogar noch potenzierte Heterogenität im Er-scheinungsbildung und in der institutionellen Verfasstheit der Erwachse-nenbildung gleichsam abgeschliffen und über eine Homogenisierung einhöheres Maß an Erwartungssicherheit für die Bürger der europäischenUnion erreicht wird, zeichnet sich auf bundesdeutscher Ebene – verstärktdurch den tendenziellen Rückzug der staatlicher Seite aus der öffentlichverantworteten Erwachsenenbildung – eine weitere Diversifikation derWeiterbildungslandschaft ab.3 Der durch ein relativ gut ausgebautes Netzan Weiterbildungsinstitutionen und rechtlichen Absicherungen geprägteNorden steht dem europäischen Süden gegenüber, der durch milieuge-bundene Vereine, soziale Bewegungen und lockere Assoziierungsformen

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gekennzeichnet ist. Unterzieht man die im DIE erschienenen Länderbe-richte einem Vergleich, so wird deutlich, dass die Sorgen fast aller Auto-ren auf die Festigung von bildungspolitischen Rahmenbedingungen ge-richtet sind, die einen kontinuierlichen Auf- und Ausbau der institutionel-len Infrastruktur möglich machen. Die Beispiele Frankreich (vgl. Liebl1991) und Griechenland (vgl. Papaioannou 1997) zeigen, wie störanfäl-lig die politische Absicherung der Erwachsenenbildung ist. Deutschlandbesetzt im internationalen Vergleich zwischen dem institutionell weitent-wickelten Norden und dem schwächeren Süden gleichsam das Mittel-feld. Mit extrem ungleichzeitigen und widersprüchlichen Prozessen istzu rechnen, deren Folgen kaum zu antizipieren sind.

Die Ökonomisierungstendenzen hatten den Effekt, dass die in-stitutionellen Grundlagen der Erwachsenenbildung fragiler wurden undprofessionelle Argumentationsmuster in die Defensive gerieten. So ver-lief die Arbeit sogar in manch etablierter Institution der Erwachsenenbil-dung unter mehr und mehr materiellen und organisatorischen Vorbehal-ten. Die Berufspraktiker realisierten, dass die Unterminierung von Er-wartungsgewissheit und Planungssicherheit keine zeitlich begrenzte,sondern eine dauerhafte Erfahrung darstellt. Drittmittel mussten einge-worben, Eigeneinnahmen erweitert werden, um die Dinge in den Ein-richtungen voranzubringen. Diese Unsicherheiten in der materiellen Res-sourcenzuteilung trugen dazu bei, dass nicht nur das Führungspersonal,sondern auch andere Mitarbeiter/innen angehalten waren, immer mehrZeit und Kraft zu investieren, um für die materiellen Voraussetzungenzur regulären Abwicklung des Bildungsangebotes zu sorgen. Der unterdem Einfluss des radikalen Konstruktivismus geprägte Begriff Ermögli-chungsdidaktik müsste angesichts dieser Erosion institutioneller Support-strukturen eigentlich um die Kategorie organisatorische Ermöglichungs-kompetenz ergänzt werden. Gemeint ist damit, die Bedingungen für dieMöglichkeit organisierter Bildung zu beschaffen oder zu sichern. Da inmanchen Feldern die Tätigkeit des planend-disponierenden Personalsmaßgeblich von Aktivitäten der Ressourcensicherung absorbiert wird,verbleibt für andere wichtige Aufgaben, wie die Durchführung von Un-terrichtsbeobachtungen, die Fortbildung von Kursleiter/innen und dieBeratung der Teilnehmer/innen, kaum noch Zeit.

Die erwachsenenpädagogischen Selbstverständigungsdebattenin den 90er Jahren mögen stark durch die Dominanz ökonomischer

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Themen bestimmt worden sein, doch schließt dies in der Berufskulturkeineswegs die gleichzeitige Diskussion anderer zentraler Gesichtspunk-te der Erwachsenenbildung aus. Im Gegensatz zur ersten Hälfte der90er Jahre scheinen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts verstärkt wie-der Themen im Zusammenhang mit der Professionalität, dem Wissenund Können bzw. dem Arbeitsvermögen von Erwachsenenbildnern aufInteresse zu stoßen. Dieser Umstand kann auch mit dem Etikett Revita-lisierung des Pädagogischen versehen werden. Insgesamt scheint sichdie Berufspraxis von Erwachsenenbildner/innen in den letzten Jahrenvom Unterrichten und Planen hin zum Arrangieren und Animieren be-wegt zu haben – oder anders formuliert: Nicht mehr das Lehren alssolches, sondern das Lehren des Lernens steht im Zentrum des profes-sionellen Aufgabenspektrums. Die Aufwertung solcher Themen, die engmit Professionalität korrespondieren, kann durchaus als Gegenreaktionangesichts der immer krasseren Ökonomisierungstendenzen interpre-tiert werden. Ob diese Diskussion um Aspekte der Professionalität aucheinen Effekt in Richtung Professionalisierung haben wird, lässt sich nochnicht einschätzen. Der hier in den Blick genommene Diskurs rankt sichbeispielsweise um solche Themen wie neue Lernkulturen (vgl. Arnold1996), die Förderung von Qualität (vgl. von Küchler/Meisel 1999), selbst-gesteuertes Lernen (vgl. Greif/Kurtz 1996), Ausbau des Zertifikatswe-sens, multimediale Bildung und Optimierung der universitäre Ausbil-dung bzw. Ausbau der außeruniversitären Fortbildung sowie andere mitdem Qualifikationsprofil des Weiterbildungspersonals verbundeneAspekte. Bei den Praktikern scheinen insbesondere konstruktivistischeLesarten bei der Problematisierung neuer Lernkulturen zu einer gewis-sen professionellen Entlastung beigetragen zu haben (vgl. Arnold 1996).Ein zentrales Postulat lautet, dass Lehren und Lernen nicht wie in frü-heren Zeiten als Gleichklang, sondern als zwei selbständige Melodienbegriffen werden müssen. Wechselseitige Konstruktionsleistungen wer-den ebenso in Rechnung gestellt wie ein hohes Maß an Autonomie imVorgang der Aneignung von Wissen durch die Teilnehmer/innen. Dieauf die Unterscheidung von Lehren und Lernen zurückführbare Kon-zentration der Aufmerksamkeit auf die Zuständigkeit der Vermittlungträgt zur Begrenzung des beruflichen Aufgaben-, Zuständigkeits- undVerantwortungsbereichs bei. Das professionelle Mandat wird gleichsamvon der Last ‚Allzuständigkeit‘ und ‚Berufung‘ gereinigt (vgl. Giesecke1987), so dass die Messlette zur Beurteilung von pädagogischem Erfolgoder Misserfolg korrigiert, auf ein realistisches Maß zurecht gestutzt wird.

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Auf diese Weise werden die Anlässe, die sonst die für Pädagogen typi-schen beruflichen Erwartungsenttäuschungen verursacht haben, syste-matisch reduziert.

Das einheitsstiftende Moment in diesen Diskussionen über neueLernkulturen ist die Forderung, dass angesichts des beschleunigten so-zialen Wandels die bisherigen veralteten Kompetenzprofile durch neuerworbene ersetzt werden müssten und dieser Umstand schon jetzt inder grundständigen universitären Ausbildung berücksichtigt werden sollte.Unter Rekurs auf als symptomatisch erachtete oder besonders auffälligeVeränderungen im Berufsfeld werden in einer quasi linearen Ableitung‚neue‘ pädagogische, fachliche und personale Kompetenzen extrapo-liert. Als typisches Beispiel sei hier die Argumentation in dem Aufsatzvon Schiersmann „Veränderungen von Weiterbildungsinstitutionen undKonsequenzen für Professionalität“ (1990:283ff.) angeführt. Nachdemdie Autorin anders gelagerte Teilnehmermotive, den gewandelten Bil-dungsbegriff und andere Veränderungen in der Umwelt und im Binnen-bereich der Weiterbildung umrissen hat, leitet sie aus dieser Zustandsbe-schreibung vier zentrale Kompetenzdimensionen ab: verstärkte Manage-mentkompetenz, erweiterte Beratungskompetenz, breitere Methoden-kompetenz und veränderte Fachkompetenz. Die Steigerungsform (ver-stärkte, erweiterte und breitere) legt den Schluss nahe, dass hier bereitsangelegte, aber noch nicht befriedigend entwickelte Befähigungen vonErwachsenenbildner/innen in den Blick genommen werden. Ausgehendvon der Feststellung, dass die Trennung von Mikro- und Makrodidaktikin der betrieblichen Bildung bei den tatsächlichen Arbeitsvollzügen desPersonals eigentlich nie bestand, stellt die Autorin die Prognose auf, dassin allen Bereichen der Erwachsenenbildung die Kluft zwischen den päd-agogisch-vermittelnd und den vorwiegend planend-disponierend Täti-gen langfristig überwunden werde. Die Verschiebungen der beruflichenAnforderungsstrukturen seien als exorbitant einzustufen, so dass die al-ten Rezepte in der heutigen Zeit wohl zum Scheitern verurteilt seien(vgl. Schiersmann 1997:69). In solchen Stellungnahmen wird selten be-rücksichtigt, dass das (weder durch eigene noch durch fremde Empirieabgestützte) Aufzeigen angeblich gänzlich neuer Kompetenzen auch miteiner Entwertung tradierter Qualifikationsprofile verbunden ist.

Rosemarie Klein (vgl. Klein/Reutter 1998) scheint auf den er-sten Blick mit dem von ihr gezeichneten Veränderungsszenario noch

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weiter zu gehen. Sie begründet den ‚Paradigma-Wechsel vom Lehrenzum Lernen‘ mit eklatanten Verschiebungen im engeren Funktionsbe-reich des Lehrens. Moderne Lerntechnologien würden langfristig immermehr die Funktion des Verwaltens von Wissen substituieren, so dass diePädagogen nun in der Rolle von Lernbegleitern, Initiatoren, Moderato-ren, Coaches, Facilitators auftreten müssten. Die Bildungspraktiker wür-den in einem viel stärkeren Maße als heute die Verantwortung für dieGestaltung des Lernumfeldes und weniger die Verantwortung für denGesamtbogen pädagogischer Vermittlungsarbeit zu übernehmen haben.Die empirische Grundlage, auf die sich die Behauptung vom Paradig-menwechsel gründet, stellt ein Projekt über Lernberatung an der Volks-hochschule Witten dar (vgl. Klein 1998:115ff.), das mit eher schlichtenempirisch gesättigten Berichten aufwartet. Auf allen drei Seiten des sog.didaktischen Dreiecks (Erwachsenenpädagoge, Thema, Teilnehmer/in-nen) werden neue Phänomene und Herausforderungen identifiziert. Dochauf fundierte und authentische ethnographische Berichte nach dem Vor-bild ‚dichter Beschreibungen’ aus der Feder von Bildungspraktikern kannkaum ein Verfechter der neuen Lernkultur zurückgreifen. Übrigens scheintdie Autorin ihrer weitreichenden Diagnose selbst nicht ganz zu vertrau-en. Denn kurz nach der Benennung der exorbitant neuen beruflichenAnforderungen relativiert sie ihre Ausgangsbehauptung wieder. Un-missverständlich konstatiert sie, dass sich hier „neue Anforderungen undalte Selbstverständlichkeiten mischen“ (ebenda:117) und ein Vergleichmit dem Anforderungsprofil aus den 80er Jahren deutlich mache, dass es„nicht um eine Neukonstruktion im Kompetenz- und Aufgabenspektrumvon Dozentinnen (geht, D. N.), sondern um eine Anreicherung, Erweite-rung und auch um Akzentverschiebungen“ (ebenda:123) gehen könne.Während der Leser zunächst den Eindruck gewinnt, dass die pädagogi-sche Basiskompetenz als Ganze zur Disposition gestellt wird – das päd-agogische Rad quasi neu erfunden werden muss –, stellt sich im Zugeder Darstellung heraus, dass es nicht primär um einen Paradigmenwech-sel, sondern um die Erweitung und Neukomposition grundlegender be-ruflicher Techniken und Strategien der situativen Problemlösung geht.Die Rhetorik des Neuen, mit der hin und wieder solche Forderungen imZusammenhang mit den neuen Lernkulturen vorgetragen werden, schei-nen den beabsichtigten oder unbeabsichtigten Effekt der Plausibilisie-rung von zusätzlichen Fort- und Weiterbildungsbedarfen zu haben. Schonder Umfang und die Dimensionen der professionellen Herausforderun-gen, denen sich die Erwachsenenbildung – in den Analysen der Protago-

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nisten der neuen Lernkultur – heute gegenüber gestellt sieht, haben denNebeneffekt, dass die Ansprüche und Erwartungen an die Fort- undWeiterbildung der Berufspraktiker gleichsam ins Unermessliche gestei-gert und dass Standards formuliert werden, denen sich kaum jemandgewachsen fühlt.

Die schon in den 80er Jahren absehbare Entwicklung zu einemhochgradig ausdifferenzierten Weiterbildungsangebot für Erwachsenen-bildner/innen hat in den 90er Jahren angehalten, wobei die diesbezügli-chen Programme nicht nur an Erwachsenenbildner/innen, sondern zumTeil auch an Mitarbeiter/innen der Sozialpädagogik oder solche aus an-deren pädagogische Feldern gerichtet werden. Diese Entwicklung in Rich-tung einer unscharfen Abgrenzung von Sozialpädagogik und Erwachse-nenbildung wird hier als erstes Indiz dafür interpretiert, dass nicht nurvon einer dezentralen Institutionalisierung, sondern – komplementär dazu– auch von einer partikularen Professionalisierungstendenz ausgegan-gen werden kann. Ein Hinweis in diese Richtung ist der Umstand, dasses in einzelnen Segmenten der Zielgruppenarbeit, wie beispielsweise inder Gesundheitsbildung, Bestrebungen gibt, die Professionalisierung quasizu einem eigenständigen Projekt zu erklären, ohne dass die Anschlussfä-higkeit der eigenen Ideen an die allgemeine Verberuflichung zum The-ma gemacht wird. Der theoretische Bezugspunkt für elaborierte Kon-zepte wie z. B. das von Beate Blättner ist weniger der professionstheore-tische Diskurs in der Erwachsenenbildung, sondern die Debatte überden Konstruktivismus. Auch in anderen Feldern, wie etwa im Sprachen-bereich, gibt es solche Tendenzen der partikularen Professionalisierung,bei denen es nicht mehr um die Ausdifferenzierung und Fundierung derRolle des Erwachsenenbildners geht, sondern etwa um die des Sprachen-dozenten oder Weiterbildungslehrers. In der betrieblichen Weiterbildunggibt es sogar den dezidierten Versuch, sich von der Professionalisierungs-debatte in der Erwachsenenbildung abzukoppeln und nach eigenenWegen und Konzepten zu suchen. Unmissverständlich stellt z. B. SybillePeters fest, dass die neu entfachte Diskussion über pädagogische Profes-sionalität im betrieblichen Kontext „nicht als Verlängerung oder institu-tionelle Konkretion eines erwachsenenpädagogischen Aufgabenspek-trums des Weiterbildners gesehen werden kann“ (Peters 1998:10). DieseBehauptung begründet sie damit, dass die erwachsenenpädagogischeBlickrichtung „nur unzureichend die in der betrieblichen Weiterbildunggegebene strukturelle Koppelung von Personen in ihrer Eigenschaft als

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Mitglieder betrieblicher Organisationen und deren individuelle Effizi-enzorientierung“ aufnehme (ebenda:9). Aber nicht nur in den Betriebenist die Tendenz der partikularen Professionalisierung virulent. Vor allemdie Assimilation und Integration von sozialen Bewegungen, wie die Frau-en- und die Umweltbewegung (vgl. Franz-Balsen 1995; Franz-Balsen/Apel 1995; Apel 1998), trug zu einer Vermehrung von Stellen und zurAufwertung von Expertenwissen in den traditionellen und in den soge-nannten alternativen Einrichtungen der Erwachsenenbildung bei. Unddort, wo innovative Praktiker neue Felder erschlossen haben, wie bei-spielsweise in der Umweltbildung oder in der Elementarbildung, gab esbescheidene personale Zuwächse und neue Institutionen, die dann durchelaboriertere Formen der Reflexion professionstheoretisch fundiert wur-den. Diese partikulare Professionalisierung steigert das ohnehin schonhohe Maß an Pluralität sowohl im erziehungswissenschaftlichen Kon-text als auch im Zusammenhang der Berufskultur. Die Eroberung weite-rer Handlungsfelder oder die berufsbiographische Erschließung von Ein-richtungen, die nicht als angestammte Institutionen der Erwachsenenbil-dung gelten können, werden die Tendenz zur ungleichzeitigen und par-tikularen Professionalisierung u. U. noch weiter zuspitzen.

2.5 ZwischenbilanzAlle diese Hinweise und Informationen, so kann man unge-

schützt zunächst einmal feststellen, bieten keinen Anlass, in den 90erJahren einen eindeutig identifizierbaren Fort- oder Rückschritt im Pro-zess der Verberuflichung zu behaupten oder verfallsgeschichtlich bzw.in kulturkritischer Manier (‚Es wird alles schlechter‘) zu argumentieren.In dem Maße, wie die Volkshochschule ihre Funktion als Kraftzentrumund Kerninstitution des Professionalisierungsprozesses am Anfang der80er Jahre endgültig einbüßte, scheinen temporär begrenzte Verberufli-chungstendenzen in den unterschiedlichen Feldern eingesetzt zu haben.Über die genaue Gestalt und die Vor- und Nachteile dieses Prozesseslässt sich im Moment wenig sagen, weil er noch im Gange ist.

Auf den vorigen Seiten sind in erster Linie die mit den Selbstbe-schreibungen der Berufskultur kompatiblen Lesarten zur aktuellen Lagedes Weiterbildungspersonals zusammengefasst und in eine mehr oderweniger plausible zeitliche Ordnung gebracht worden. Hin und wiederwurde die deskriptive Darstellung des Oberflächenzustandes durch ei-

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nen analytischen Kommentar angereichert. Ortfried Schäffter hat die mitFragen des Berufsfeldes der Erwachsenenbildung befassten Wissenschaft-ler nachdrücklich daran erinnert, dass derartige Bestandsaufnahmen nichtausreichen und auch nicht sonderlich instruktiv seien, „weil sie nichtmehr zutage zu befördern vermögen, als man aus interner Sicht sowiesoschon weiß“ (Schäffter 1992:160). Um einen analytisch gehaltvollenZugang zu leisten, erscheint es angebracht, sich aus der angestammtenPerspektive der Erwachsenenpädagogik zu lösen, ein größere Distanzzum Gegenstand herzustellen und die eingangs referierten theoretischenPositionen aus dem Umkreis der sozialwissenschaftlichen Professions-forschung in rekonstruktiver Absicht zu nutzen. Ohne dass damit einAnspruch auf Vollständigkeit vertreten wird, sollen nun einige der be-deutsamsten Limitierungen zukünftiger Professionalisierungsversuche her-ausgearbeitet werden. Dieser Herangehensweise liegt die Unterstellungzugrunde, dass eine realitätsgerechte Haltung gegenüber denkbaren Stra-tegien der Verberuflichung weder durch den lange gepflegten Fortschritts-optimismus noch durch die distanzierte Haltung des wissenschaftlichenBeobachters zu gewinnen ist. Erst eine präzise Analyse der Grenzen undder objektiven Barrieren der gegenwärtigen Verberuflichung schärft denBlick für die verbliebenen Spielräume und Chancen einer zukünftigenProfessionalisierung in der Erwachsenenbildung.

3. Die Grenzen zukünftiger Professionalisierungs-bemühungen

Die Limitierungen der Professionalisierung im Feld der Erwach-senenbildung am Ende der 90er Jahre können nicht losgelöst von denFaktoren und Mechanismen betrachtet werden, die den historischen Ist-Zustand geprägt haben. Die historisch nachhaltigen Verberuflichungs-prozesse in der deutschen Erwachsenenbildung haben in den 70er Jah-ren bis zum Beginn der 80er Jahre stattgefunden (vgl. Kap. III). Vier Be-dingungen haben diese Entwicklung begünstigt: erstens ein dem Reform-anliegen positiv gegenüberstehendes gesellschaftliches Klima und eineerneuerungsbereite Öffentlichkeit, zweitens die Ausdifferenzierung ei-ner wissenschaftlichen Disziplin, drittens die Entwicklung von gesetzli-chen Rahmenbedingungen und eine expansive Bildungspolitik und vier-tens der durch die rasche Nachfrage beschleunigte Ausbau von Weiter-bildungsinstitutionen. Von entscheidender Bedeutung war der – aller-

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dings erst nachträglich evident gewordene – Gleichklang von ökonomi-schen Interessen (Ausschöpfung von Begabungsressourcen), soziokultu-rellem Prozess der Erneuerung und staatlicher Reformpolitik. In diesemgesamtgesellschaftlichen Kontext vollzog sich in den 70er Jahren derProfessionalisierungsschub, dessen organisatorisches Zentrum die Volks-hochschule war. Vor dem Hintergrund fortschreitender Individualisie-rungsprozesse fanden die alltagspraktische Durchsetzung der Maxime‚Lebenslanges Lernen‘ und die institutionelle Diversifikation der Erwach-senenbildung statt. Dies und die zunehmende Pädagogisierung diverserProblemlagen trugen zur Ausdifferenzierung des Berufsfeldes und zumgleichzeitigen Dynamikverlust der Verberuflichung bei. Da es eher un-wahrscheinlich ist, dass in naher Zukunft ähnliche Konstellationen wiein den 70er Jahren auftreten und ebenso wenig damit zu rechnen ist,dass ein plötzlicher Geldregen den Personalbestand der Einrichtungenexpandieren lässt, hängen zukünftige Strategien der Professionalisierungentscheidend davon ab, wie die vorhandenen Spielräume der berufli-chen Profilbildung genutzt werden. Diese können aber nur eruiert wer-den, wenn die äußeren Kräfte und die heteronomen Bedingungen trans-parent gemacht worden sind. Wenig zufriedenstellend dürfte die Erklä-rung sein, dass es am fehlenden Willen der politischen Gruppen, an ei-

fehlende Passung von Mandat und Lizenz

Grenzen derVerberuflichung

gespaltene Wissensbasis

lockere Form der Institutionalisierung

mangelnde Abstimmung von professionellerund organisatorischer Rationalität

Abb. 6: Grenzen der Professionalisierung

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nem mangelnden bildungspolitischen Elan der großen politischen Par-teien liegen würde, wenn heute der Status quo der Verberuflichung sound nicht anders aussieht. Statt die relative Machtlosigkeit der Erwach-senenbildung in Angelegenheiten der Verberuflichung auf solche einfa-chen bildungspolitischen Erklärungsfolien zu reduzieren, sollen nun ei-nige jener gesellschaftlichen Bedingungen und Mechanismen identifi-ziert werden, die den von vielen erwarteten Aufbruch in der Verberufli-chung der Erwachsenenbildung behindern.

3.1 Erwachsenenbildung zwischen den Grenzengesellschaftlicher Funktionssysteme: lockereInstitutionalisierung

Die erste Limitierung resultiert aus dem Tatbestand, dass dieErwachsenenbildung Teil eines gesellschaftlichen Produktions- und Re-produktionskontextes ist, der auf allen sozialen Aggregatsebenen locke-re Formen der Institutionalisierung aufweist, wobei die berufsförmigeOrganisation von erwachsenenpädagogischer Arbeit nur eine Variantedieser weit gestaffelten Institutionalisierung darstellt. Wenn an dieser Stelledie Kategorie ‚lockere Institutionalisierung‘ eingeführt wird, so ist damitein wesentlich weiterer Begriff von Institutionalisierung als der sonst inder Erwachsenenbildung übliche gemeint.4

Auch wenn einige Erziehungswissenschaftler entweder der Er-wachsenenbildung als Ganzer (vgl. Schäffter 1998), der Sinnwelt desPädagogischen (vgl. Kade 1997) oder dem Erziehungs- und Bildungs-wesen (vgl. Lenzen 1997) potentiell den Status eines gesellschaftlichenFunktionssystems zuweisen – unbestritten dürfte sein, dass der diesbe-zügliche Institutionalisierungsprozess momentan höchstens das Etikett‚in statu nascendi‘ verdient. Mit den sich anschließenden Erörterungensind keineswegs Behauptungen über die prinzipielle Möglichkeit oderUnmöglichkeit einer zukünftigen Systemkonstitution verbunden (vgl.Kap. II). Die Systemförmigkeit der Erwachsenenbildung ist professions-theoretisch und unter dem damit korrespondierenden Gesichtspunktder Institutionalisierung deshalb strategisch so entscheidend, weil dieExistenz eines ausgebauten Funktionssystems und die darin eingelasse-nen beruflichen Interaktionssysteme die conditio sine qua non darstel-len, um einen objektiven gesellschaftlichen Bedarf nach dem Form-prinzip Profession zu erzeugen. Aus systemtheoretischer Sicht sollte

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(wie bereits in Kap. II ausführlich dargelegt) erst dann von einer Profes-sion gesprochen werden, „wenn eine Berufsgruppe in ihrem berufli-chen Handeln die Anwendungsprobleme der für ein Funktionssystemkonstitutiven Wissensbestände verwaltet“ (Stichweh 1994:369). Profes-sionen haben die Aufgabe, die mit der Inklusion in unterschiedlicheFunktionssysteme verbundenen Problembereiche in ausgewiesenen In-teraktionssituationen, also im Vis-à-vis-Kontakt, stellvertretend zu bear-beiten. Unternimmt man das Gedankenexperiment, die Erwachsenen-bildung als ein ausgewiesenes soziales Funktionssystem zu betrachten,und zieht man danach einige der von Stichweh (1987, 1994, 1996)entfalteten Eigenschaften von durch Professionen geprägten Systemenals Vergleichsfolie heran, so tauchen sehr schnell Probleme auf, diekeineswegs nur theoretischer Art sind. Ungeklärt ist zum Beispiel, wel-che Praktiker die Leistungsrolle einnehmen und welcher Gruppe dieLeitprofession in der Erwachsenenbildung zukommt. Während das leh-rende Personal Arbeit am individuellen und/oder kollektiven Fall be-treibt, kurz: die mikrodidaktische Tätigkeit ausführt und das Bild derErwachsenenbildung beim Publikum prägt – allerdings im Gefüge derInstitutionen vergleichsweise wenig Macht besitzt –, genießt das pla-nend-disponierende Personal den Vorteil, über große Gestaltungsmög-lichkeiten und Handlungsspielräume zu verfügen, ohne jedoch dauer-haft und intensiv Klienten- und Publikumskontakt zu haben. Hier zeich-net sich ein Dilemma ab, weil die Dienste der professionellen Ent-scheidungsträger, also der Fachbereichsleiter und der Bildungsmanagersowie anderer planend disponierender Mitarbeiter, der eigentlichen Kli-entel der Erwachsenenbildung mehr oder weniger unsichtbar sind. An-ders ausgedrückt: Das auf der zentralen Hierarchiestufe der Planendenund Disponierenden gebundene Machtpotential vollbringt Leistungen,die gegenüber dem Publikum nicht direkt und erlebnisnah zur Geltunggebracht werden können.

Konsequent weitergedacht bedeutet die systemtheoretische Po-sition, dass unter den Bedingungen eines nicht existenten Funktionssys-tems eine Leerstelle entsteht, so dass die Wahrscheinlichkeit erfolgrei-cher Professionalisierungsprozesse von vornherein konterkariert wird.Diese Behauptung wäre im Einzelnen mit Verweisen auf das Fehlen ei-nes binären Codes, eines symbolisch generalisierten Kommunikations-mediums und auf Mechanismen der operativen Schließung noch weiterbegründbar (vgl. Harney 1997a; Wittpoth 1997).

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Gleichzeitig eröffnet dieser Umstand einer noch nicht erfolgtenSystembildung jedoch den Blick auf andere Formen der Institutionalisie-rung, wobei Varianten in das Blickfeld treten, die in Anspielung auf dieKategorie der ‚losen Kopplung‘ von Karl E. Weick als lockerer Modusoder lockere Staffelung bezeichnen werden sollen. „Lose Kopplung“ meintim Kern, dass die unterschiedlichen Elemente in pädagogischen Organi-sationen im Zeitverlauf nicht klar – also weder logisch noch linear –miteinander verknüpft sind, d. h., Absicht und faktische Handlung, Planund Realisierung, Autorität und Folgebereitschaft, Ressourcenbeschaf-fung und Ressourcenverteilung, Aufwand und Ertrag, Ziele der Leitungund Ziele der Mitarbeiter sind nicht kongruent. Jedes der beiden Ele-mente, die auf den ersten Blick reziprok oder komplementär aufeinan-der bezogen sind, hat so etwas wie eine eigene Identität (vgl. Weick1976:3). Während die lose Kopplung primär Organisationen im Bildungs-und Erziehungswesen tangiert, bezieht sich die lockere Institutionalisie-rung auch auf Sphären diesseits und jenseits von Organisationen. Einenlockeren Modus weist die Weiterbildung auf, weil sie in unterschiedli-chen sozialen Funktionssystemen verankert ist und dort in einer locke-ren Beziehung zum primären Organisationszweck steht. Das erklärt,warum sie erstens ein sozial, räumlich und zeitlich klar abgegrenztesInstitutionstableau (Volkshochschule, berufliche Bildung) darstellt, zwei-tens eine mitlaufende Aktivität unter den Bedingungen eines nicht päd-agogischen Organisationszwecks ist (Weiterbildung im Betrieb) und drit-tens als eine leicht substituierbare Form der institutionalisierten Selbstre-flexion neben anderen in Erscheinung tritt (fließende Übergänge von der‚Männerbildung’ zur Therapie oder zur sozialpädagogischen Beratungeinerseits und zum Scheidungsanwalt andererseits).

Ein – der Erwachsenenbildung durch und durch fremder – festerInstitutionalisierungsmodus liegt demgegenüber dann vor, wenn zwischeneinem weitgehend autonomen gesellschaftlichen Funktionssystem einer-seits und den von Organisationen und Professionen betreuten (ebenfallsweitgehend autonomen) außeralltäglichen Handlungssystemen anderer-seits eine enge Verbindung, eine dichte Staffelung besteht. Dichte Staffe-lung bedeutet, dass in dem hier konstruierten Dreiecksverhältnis ‚gesell-schaftliches Funktionssystem – Professionen und Organisationen – insti-tutionalisierter Handlungskontext’ unter der Bedingung wechselseitigerAutonomie ein Höchstmaß an Effektivität, Abstimmung, einheitsstiften-der Kooperation und Effizienz erzielt werden kann. Die Jurisdiktion als

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Einheit von soziokultureller und juristischer Berechtigung zur Ausübungprofessioneller Kernaktivitäten, auf die sich der Professionelle als Prakti-ker am Arbeitsplatz stützen kann, korrespondiert sowohl mit dem von derOrganisation als auch mit dem von der Gesamtgesellschaft definiertenMandat. Dieser Umstand wird im gesellschaftlichen Bewusstsein wieder-um durch entsprechende Plausibilitäts- und Wissensstrukturen abgefedertund durch diesbezügliche Common-sense-Unterstellungen wenn nichtin einer Punkt-zu-Punkt-Entsprechung reproduziert, so aber doch positivgespiegelt. Die Plausibilitätsstrukturen haben durchgängig eine kumula-tive Erwartungsstruktur („Ich erwarte, dass der Andere erwartet, dass icherwarte, dass er erwartet ...“), wodurch sie eine große Stabilität besitzen.Soziokulturell flankiert wird die dichte Staffelung von gesellschaftlichemFunktionssystem, Organisation, Profession und Disziplin, in einigen Fäl-len durch einen historisch und im kollektiven Bewusstsein tief verwurzel-ten Zentralwertbezug (Gesundheit, Gerechtigkeit, Beziehung zu Gott), derunmittelbar mit der von der Berufskultur zu lösenden Problemstrukturkorrespondiert (Heilung von Krankheit, Regelung sozialer Konflikte, Trös-tung in Glaubensfragen). Der geringe Legitimationsbedarf steht in einemumgekehrt proportionalen Verhältnis zu dem Machtpotential. Ohne nen-nenswerten Aufwand kann glaubhaft gemacht werden, dass der Bestandder Gesellschaft von den eingespielten Operationen zwischen Funktions-system, Organisationen, Professionen und wissenschaftlicher Disziplin undder damit zusammenhängenden Arbeitsteilung abhängt.

Die Erwachsenenbildung gehört dem hier skizzierten gesell-schaftlichen Produktions- und Reproduktionskontext schon allein des-halb nicht an, weil ihre Einheit von außen konstruiert wird und sich ihreIdentität nicht auf gesellschaftliche Common-sense-Annahmen zu stüt-zen vermag (vgl. Kade/Nittel/Seitter 1999:9-14).

Die von einigen Theoretikern der Erwachsenenbildung unter-stellte Möglichkeit, die Erwachsenenbildung als Geflecht verschiedenerInstitutionalisierungsformen in ihrer Totalität oder als Einheit zu schema-tisieren, ist keineswegs konsensfähig: Was spricht eigentlich dagegen,die betriebliche Weiterbildung als Instrument des Wirtschaftssystems zubegreifen oder die kirchliche Erwachsenenbildung als eine Art ‚Außen-stelle‘ des Religionssystems zu betrachten? Auch die von den Kranken-kassen betriebene Gesundheitsbildung könnte ebenso gut als Segmentdes Gesundheitssystems und die wissenschaftliche Weiterbildung als Teil

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des Wissenschaftssystems schematisiert werden. Die hier angedeuteteArgumentation ist also weniger auf den Nachweis aus, dass die Erwach-senenbildung kein soziales Systemen darstellt. Vielmehr geht es um dieschlichte Erkenntnis, dass Weiterbildung unter den Bedingungen einerreflexiven Moderne in ganz unterschiedlichen sozialen Systemen veran-kert ist, dort vagabundiert, ja in manchen Fällen sogar heimatlos ist. Dieshat weitreichende Konsequenzen für den Stand und die Perspektivender Verberuflichung.

Trotz der hier vorgenommenen Charakterisierung darf das Insti-tutionalisierungsniveau der Erwachsenenbildung nicht unterschätzt wer-den. Die Gesamtheit der institutionalisierten Erwachsenenbildung um-fasst den didaktischen Mikro-, Meso- und Makrobereich ebenso wie dieSphäre des zielgerichtet-organisierten Lernhandelns in der Lebenspra-xis. Gesellschaftliche Modernitätsprozesse haben das lebenslange Ler-nen zur Arena der institutionalisierten Erwachsenenbildung gemacht:Unter ganz bestimmten Bedingungen ist die Beteiligung an Bildung imZuge des Lebensablaufs nicht nur erwartbar, sondern regelrecht zwin-gend, wobei die unterschiedlichsten institutionellen Arrangements dieNotwendigkeit, lebenslang zu lernen, bedienen. Die These, dass die In-stitutionalisierung eine lockere Gestalt aufweist, schließt auch die Di-mension der sozialen Situation mit ein. Anders als im Fall des Erzie-hungssystems z. B. der Schulunterricht, im Religionssystem die Predigtund im Rechtssystem die juristische Fachberatung hat die Erwachsenen-bildung kaum klar gegenüber anderen Sinnbereichen abgegrenzte Inter-aktionssituationen entwickeln können. Selbst in der am stärksten institu-tionalisierten Handlungssituation – der Kurs, die Lehr-/Lernsituation –gibt es seitens der Teilnehmer/innen und der Praktiker/innen immer wie-der Versuche zur Grenzverwischung: sei es in den Bereich der alltägli-chen Kommunikation und die Sphäre der Geselligkeit (vgl. Harney/Mar-kowitz 1987), der Therapie (Mader 1983) oder des politischen Handelns(Wollenberg 1992). Institutionalisierung auf der Ebene der sozialen Si-tuation schließt ein hohes Maß an Ritualisierung und Standardisierungmit ein. Mit den etwas ungenauen Begriffen ‚lockere Institutionalisie-rung‘ und ‚Staffelung‘ wird also auf das gesamte Gefüge mikro-, meso-und makrospezifischer Institutionalisierungsformen diesseits und jenseitsvon Organisationen gezielt. Auf der Interaktionsebene vermischen sichauf Lernen bezogene Handlungsschemata mit solchen des Arbeitens,Sozialitätsformen wie die der Unterhaltung mit der Bildung, so dass (im

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Berger/Luckmann’schen Sinne) manchmal nicht trennscharf zwischenHabitualisierung und Institutionalisierung unterschieden werden kann.Generell gilt: In dem gleichen Maße, wie

– im biographischen Kontext des lebenslangen Lernens die Gren-zen zwischen zielgerichtet-intentionalem, zufälligem und selbst-organisiertem Lernen diffus bleiben,

– im Lehr-/Lernarrangement die Differenzen von technisch unter-stütztem und professionell betreutem Lernen angesichts der Er-folgskontingenz zu verschwimmen drohen,

– auf organisatorischer Ebene die Grenzen zwischen dem Berufs-handeln in einer Einrichtung mit oder ohne pädagogisches Man-dat nicht mehr eindeutig gezogen werden können,

ist auch auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene eine Grenzverwischung(einerseits zum Erziehungssystem, andererseits zu anderen Funktionssys-temen) zu registrieren. Damit treten die objektiven Ursachen der locke-ren Institutionalisierung in den Blick.

Manifest wird sie in Bezug auf die Professionalität insbesondereauf der Ebene der beruflichen Identität und des erwachsenenpädagogi-schen Handwerkzeugs. Ein Blick z. B. auf Biographien von Erwachsenen-bildnern aus fünf verschiedenen Kontinenten macht die mangelnde Aus-differenzierung einer spezialisierten Berufsrolle von Erwachsenenbildnernund den fehlenden Aufbau klar geregelter Berufslaufbahnen gleichsamim Weltmaßstab deutlich (vgl. Friedenthal-Haase 1998, Bd. II). In vielenanderen Ländern wiederholt sich das Phänomen, dass bekannte und we-niger bekannte Erwachsenenpädagogen auch als Politiker, Gewerkschafts-funktionäre, Wissenschaftler, Journalisten, Protagonisten von sozialenBewegungen, Schriftsteller usw. tätig waren. Das feste professionelle Selbst-bild, Erwachsenenbildner zu sein und dies auch zu bleiben, schließt kei-neswegs ein reziprokes Fremdbild ein. Auch was die verbindliche undautonome Verfügung des beruflichen Handwerkszeugs angeht, zeichnensich unklare Grenzen und viele Unschärfen ab. Der durchaus ehrenwerteHang zur Transparenz und zur Demokratisierung von pädagogischemExpertenwissen macht – und das erweist sich gelegentlich durchaus alsNachteil – eine Innen-Außen-Differenz obsolet: Klar ausdifferenzierteHandlungssysteme bzw. professionelle Settings, die in der exklusiven Ver-fügungsgewalt der Profession stehen und ihren Mitgliedern Macht verlei-hen, werden von Vertretern der Berufskultur eher mit Misstrauen betrach-tet als wohlwollend auf- und angenommen. Verbindliche Regeln im Um-

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gang mit professionellen Schlüsselsituationen wie Hospitation, Beratung,Sondierung von Planungsgrundlagen usw. haben sich nicht über die Gren-zen einzelner Einrichtungen und Träger hinaus etablieren können. Natür-lich bietet diese hier aufgezeigte lockere Institutionalisierung auf der Ebe-ne der Berufsförmigkeit auch Spielräume: In kaum einem anderen Berufs-feld ist die Möglichkeit zum Quereinstieg und zur selbstverantwortetenberuflichen Gestaltung so groß wie in der Erwachsenenbildung (vgl. Kade/Nittel/Seitter 1999). (Andererseits zeichnet sich die Tendenz ab, dass qua-lifizierte und/oder besonders erfolgreiche Erwachsenenbildner/innen dasBerufsfeld verlassen, weil die Aufstiegschancen begrenzt sind.) Die hierangedeuteten Freiheitsspielräume schaffen auch eine Vielzahl von nichtantizipierbaren Problemen für die einzelnen Berufspraktiker. So sind diemit der lockeren Institutionalisierung korrespondierenden Leidenserfah-rungen im Gegensatz zur Sozialarbeit weniger im Umgang mit einerschwierigen Klientel begründet, sondern gehen eher auf untergründigwirksame Muster – z. B. auf diffuse Erfolgskriterien – zurück. Als Anlässefür die auch in anderen Professionen typischen Leidenserfahrungen (vgl.Schütze 1996; Riemann 1997) kommen somit weniger die offensichtli-chen Professionalisierungsbarrieren in Frage (fehlende Karrieremuster,keine organisierte Berufskultur, heterogenes Berufsfeld). Viel schwerwie-gender dürfte der Umstand sein, dass die von der Berufskultur erbrachtenLeistungen von ihr selbst nur wenig anerkannt und von der Öffentlichkeitnur selten honoriert werden.

Genau betrachtet ist die Berufskultur Produzent und Produkt derlockeren Institutionalisierung gleichermaßen, so dass die hier geprägteKategorie die Möglichkeit bietet, den Stand der Verberuflichung auf dengenerellen Stand der Institutionalisierung zu beziehen. Denn das, was aufbreiter Front für die Institutionalisierung in der Erwachsenenbildung zu-trifft, hat selbstverständlich auch auf der Ebene des beruflichen HandelnsGeltung. Als Limitierung von Professionalisierungsprozessen wirkt der hieraufgezeigte Sachverhalt deswegen, weil sich Entwicklungen in RichtungPersonalausbau oder Personalschulung nicht im luftleeren Raum vollzie-hen, sondern von gewissen Fortschritten auch auf der Ebene der übrigenAggregatstufen der Institutionalisierung abhängen. Die heteronomen Be-dingungen, die die Erwachsenenbildung als Ganze im Stadium der lo-ckeren Institutionalisierung verharren lassen, tragen demnach auch alsHemmfaktoren dazu bei, dass die Verberuflichungsbemühungen nur lang-sam oder überhaupt nicht voran kommen.

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3.2 Die Spannung zwischen Mandat und LizenzWeitere Limitierungen der zukünftigen Verberuflichungschan-

cen sind die Diskrepanz zwischen professionellem Mandat und Lizenzsowie die Unklarheiten, die mit jeder dieser beiden Komponenten ver-bunden sind.

Auf welchen Beruf oder auf welche Profession der Blick auchimmer fallen mag, überall ist der Tatbestand zu beobachten, dass dasberufliche Mandat und die Lizenz in einer dialektischen Beziehung zu-einander stehen. Die Angehörigen eines Berufes oder einer Professionformulieren den Anspruch und/oder bilden die Gewissheit aus, einengesellschaftlichen Auftrag, ein Mandat, zu besitzen, um besondere Leis-tungen am Menschen zu erbringen und dabei Aufgaben zu erfüllen, diein engem Zusammenhang mit der Bearbeitung zentraler Probleme ineiner Gesellschaft stehen (vgl. Hughes 1984). Eine Profession erhält diegesellschaftlich ratifizierte Erlaubnis – die Lizenz – in begrenztem Maßeauf die Lebenspraxis des Klienten, Patienten, Schülers, Teilnehmers usw.einzuwirken, ja sogar „im Interesse der von ihm ersuchten und geschätz-ten Dienstleistung Unannehmlichkeiten, Schmerz und/oder begrenztenSchaden zuzufügen“ (Schütze 1996:191). Zur beruflichen Lizenz desWeiterbildners zählt also die durch organisatorisch vorgegebene Kon-ventionen nicht vollständig standardisierbare Kernaktivität, die Rechteund Pflichten von Teilnehmer/innen und Professionellen auszuhandeln,kurz: eine Art Arbeitsbündnis zu schaffen. Die Lizenz hat dem folgendenUmstand Rechnung zu tragen: Der Praktiker vollbringt eine unverwech-selbare Leistung, wenn er unter Maßgabe von mündlich tradierten oderschriftlich fixierten Fachkriterien Lehr-/Lernprozesse mit Erwachsenenplant, organisiert oder selbst durchführt. Die Komplexität dieser Dienst-leistung wird zwar systematisch reduziert – sie ist sachlich vorstruktu-riert (Eingrenzung auf ein Thema), zeitlich limitiert und sozial durch be-stimmte Rituale geordnet -, aber aufgrund der nicht beherrschbaren Fak-toren letztlich so groß, dass sie von einem besonders ausgewiesenenBeruf bearbeitet werden muss. Das erklärt den spezifischen Charakterder Arbeit des Erwachsenenpädagogen mit Teilnehmer/innen: Weder dieautodidaktische Fremdsprachenübung in der Alltagspraxis noch dieFremdsprachenkassette kann die in den Kursen praktizierte Solidaritätunter Fremden (Brunkhorst), die Vorzüge und Risiken einer Lehr-/Lernin-teraktion unter Anwesenden ersetzen. In kaum einem Berufsfeld gibt eszwischen dem professionellen Mandat und der Lizenz eine Punkt-zu-

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Punkt-Passung; überall treten Friktionen, Lücken, Widersprüche undandere ‚Ungereimtheiten‘ auf. So gesehen ist das hier angesprocheneSpannungsverhältnis keineswegs ungewöhnlich. Das gilt im Übrigen auchin den sogenannten old established professions der Mediziner und Juris-ten. Von entscheidender Bedeutung ist, wie groß im Zuge der kontinu-ierlichen gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse, die sich um dasMandat und die Lizenz ranken, die Diskrepanzen und Unschärfen sindund welche Folgeprobleme daraus für die Profession erwachsen. Man-che Berufe verfügen über ein außerordentlich enges Mandat, wie zumBeispiel die Feuerwehr (Bekämpfung von Feuer und Behebung von Was-serschäden), gleichzeitig aber eine außerordentlich weite Lizenz (retten,helfen schützen). Die Relation zwischen formeller Aufgabendefinition(enges Mandat), tatsächlicher Dienstleistungserlaubnis (weite Lizenz)einerseits und öffentlichem Image (immer helfend zur Stelle sein) ande-rerseits sichert der Feuerwehr eine hohe gesellschaftliche Reputation (vgl.Bergmann 1993). Diese Relation sieht in der Erwachsenenbildung an-ders aus: Hier stehen sich eine diffuse Aufgabendefinition (weites Man-dat) und eine begrenzte Diensterlaubnis (enge Lizenz) gegenüber. Ver-einfacht ausgedrückt: Die Feuerwehr tut immer ein wenig mehr, als ihrMandat eigentlich vorsieht, was die öffentliche Meinung durchaus zurKenntnis nimmt und zu würdigen weiß. Demgegenüber geht die Erwach-senenbildung immer über ihre gesellschaftliche Lizenz hinaus. Sie er-weckt den Eindruck, für verschiedenste Bereiche zuständig zu sein, sodass sich zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine Glaubwürdigkeits-lücke auftut, die sich in erster Linie bei den Praktikern vor Ort negativauswirkt.

Das unter dem Fokus Mandat und Lizenz identifizierbare Grund-problem ist so beschaffen, dass die Erwachsenenbildung sowohl in ihrereigenen Programmatik als auch in den von außen gesetzten Zielvorstel-lungen außerordentlich ambitioniert auftritt, während ihr gesellschaft-lich zugestandener Gestaltungsspielraum sowie die verfügbaren Tech-nologien und Interventionspotentiale außerordentlich begrenzt sind.Während der selbstgestellte und fremdzugeschriebene Auftrag tenden-ziell überdimensioniert erscheint, beschränkt sich die Verfügung überberufliche Macht-, Zuständigkeits- und Handlungsressourcen nur auf einganz schmales Spektrum. Je größer die Spanne zwischen Mandat undLizenz ist, desto mehr reduziert dies die Wahrscheinlichkeit, dass sich ineiner Profession tragfähige Habitusformationen entwickeln, die den Ein-

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zelnen entlasten und ihm die Chance einer authentischen beruflichenSelbstpräsentation bieten. Das in der Literatur häufig verwendete Argu-mentationsmuster, zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffe in der Er-wachsenenbildung eine besonders große Lücke, reduziert das hier ange-deutete Strukturproblem fälschlicherweise auf ein normatives Problem.Manche Diskussionen in der Berufskultur spiegeln die angedeutete Pro-blematik durchaus wider: Sinngemäß wird beispielsweise moniert, dassdie Erwachsenenbildung immer mehr in die Rolle der Nothilfeinstanzzur Bearbeitung sozialpolitischer Probleme gedrängt werde, dass ihr aberweder das nötige Geld noch die Instrumente geboten werden, die auchin jene gesellschaftlichen Systeme hineinreichen, in denen die jeweili-gen Grundprobleme entstanden sind.

Ein sicherheitsstiftendes Element der professionellen Lizenz stelltgewöhnlich die akademische Ausbildung dar. Sie schließt, wenn sie mitder Konstitution einer beruflichen Identität verbunden sein soll, zwin-gend das Bewusstsein einer gesellschaftlich definierten Erlaubnis ein,Dinge zu tun, die andere (vorzugsweise Laien) nicht tun dürfen. DieDifferenz zwischen der professionellen Lizenz eines verbeamteten Leh-rers und der Lizenz eines Nachhilfepädagogen erklärt sich u. a. aufgrunddes Machtpotentials der Institution Schule, die ja in gravierender undsehr direkter Weise in das Leben ihres Personals einzugreifen – zu inter-venieren – vermag und damit auch eine gesellschaftlich zugebilligte Se-lektionsfunktion erfüllt. Die Lizenz setzt in der Regel eine wissenschaft-liche Ausbildung, gleich welcher Art, und eine besondere pädagogischeEignung voraus, beinhaltet diese aber nicht zwangsläufig. In der glei-chen Weise, wie die Lizenz Handlungschancen eröffnet, setzt sie ande-rerseits aber auch gewisse Grenzen. Aus Gründen, die mit der unabän-derlichen Sachlogik von Bildungsprozessen zusammenhängen, be-schränkt sich die Lizenz des Erwachsenenbildners auf die Gestaltungvon Vermittlungsprozessen und eben nicht auf die Beeinflussung derAneignungsprozesse. Diese Limitierung wird im Zuge der Aufwertungdes mitlaufenden Lernens in der Berufskultur nicht immer beachtet. DieProfessionellen haben keinen direkten Zugriff auf das Handeln, Denkenund Fühlen der Klientel, sondern höchstens auf entsprechende Disposi-tionen. Gleichwohl ist in vielen Fällen ihr Mandat so konstruiert, dasssich der Eindruck aufdrängen muss, sie wollten nicht nur die Deutungender Menschen, sondern sogar – gleichsam im direkten Zugriff – derenDenken und Handelns verändern. Im kollektiven Bewusstsein der Prak-

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tiker nur schwach entwickelt ist die Haltung, dass zu der in der Ausbil-dung erworbenen Lizenz auch die Erlaubnis gehört, mittels dosierter Dis-krepanzerfahrungen die Selbst- und Weltsicht der Teilnehmer/innen zustören, Bildungserlebnisse über das Medium der ja nicht immer beque-men geistigen Arbeit zu ermöglichen. In der Art und Weise, wie die Prak-tiker das beanspruchbare Recht des ‚Förderns durch Fordern‘ mit demmindestens gleichwertigen Autonomieanspruch der Teilnehmer/innenvereinbaren und abgleichen, besteht ihre nur von ihnen persönlich ver-antwortbare professionelle Kunstfertigkeit.

Doch nicht allein was das Verhältnis von gesellschaftlichemMandat und Lizenz angeht, zeichnen sich in der Erwachsenenbildungbeträchtliche Abstimmungsprobleme ab. Das professionelle Mandat unddie Lizenz sind vielmehr als Einzelfaktoren betrachtet bereits fragil unddoppelbödig strukturiert. So bezieht sich das professionelle Mandat derErwachsenenbildung primär auf das organisierte Lernen erwachsener Ge-sellschaftsmitglieder, wobei eine relativ stabile Arbeitsteilung vorausge-setzt wird: So sollen den Teilnehmern in dafür eigens geschaffenen Insti-tutionen bzw. pädagogischen Settings personelle und technische Hilfesowie didaktische Vermittlungsdienste angeboten werden, um proble-matische Wissensbestände und Orientierungsmuster zu reflektieren, neueErkenntnisse über sich und die Welt zu gewinnen und ihr Alltagswisseneiner kritischen Überprüfung zu unterziehen. Außer auf diesen mikrodi-daktischen Bereich erstreckt sich das Mandat auf Aktivitäten, in sozialer,räumlicher und zeitlicher Hinsicht die organisatorischen und infrastruk-turellen Bedingungen für die Möglichkeit des organisierten Lernens zuschaffen, zu erhalten und zu optimieren. Verhältnismäßig spät hat diefrüher stark professions- und institutionsorientierte Erziehungswissenschaftzur Kenntnis genommen, dass es neben der beruflich betreuten Erwach-senenbildung noch die lebensweltlich gebundene Bildung des Erwach-senen gibt. Die professionell nicht betreute Bildung des Erwachsenenwird gewöhnlich als Randbedingung oder als Konkurrenz, jedoch nurselten als Voraussetzung der eigenen Existenz betrachtet. Als eine durch-aus vitale Frage wird in der Berufskultur daher darüber diskutiert, wieman in den Einrichtungen mit der in den letzten Jahre beobachtbarenAufwertung des mitlaufenden bzw. alltäglichen Lernens außerhalb derBildungseinrichtungen und mit dem durch den Einsatz von Computer-technik forcierten selbstorganisierten Lernen umgehen soll. Die Bildungdes Erwachsenen in der Lebens- und Existenzwelt – also das autodidak-

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tische Lernen und das mitlaufende Lernen im Alltag – lag weder im tradi-tionellen Zuständigkeitsbereich des professionellen Mandats noch in demder Lizenz. Das hat sich in den letzten Jahren schlagartig geändert. Heu-te gilt es als ausgemacht, dass die Erwachsenenbildung dazu beizutra-gen habe, dass die Kompetenzen in der Lebenswelt gesellschaftlich auf-gewertet, ja sogar zertifiziert werden sollten. In Großbritannien und inden USA sind – wie das folgende Zitat zeigt – die Versuche schon weitfortgeschritten, nicht-formales Lernen anzuerkennen und juristisch auf-zuwerten. „Apel (Assessment of Prior Experiential Learning) by takinginto account a persons’s prior learning experience, whether it was in theworkplace, home, community, voluntary work, leisure or earlier formaleducation, offers the potential to reach non-participants who may nototherwise consider returning to formal education as an adult“ (Merrill/Hill 1998:21).

Sollte sich die Tendenz fortsetzen, das informelle Lernen zu zer-tifizieren, so würde die ohnehin schon belastete Spannung von Mandatund Lizenz mit Sicherheit noch weiter zunehmen. Der professionellenLizenz, die sich ja – wie dargelegt – nur auf die Vermittlungsseite desLernens und nicht auf blinde, weil unzugängliche Aneignungsprozessebezieht, stünde dann nämlich ein Mandat gegenüber, das über eben die-se eine Diagnose oder Expertise abzugeben hätte. Eine jetzt schon er-kennbare Folge der Aufwertung bzw. Zertifizierung des nicht-formalenLernens könnte die sein, dass die mit der Sondierung, Diagnose undEvaluation der informellen Lernpraxis betrauten Bildungspraktiker Grenz-verletzungen vornehmen müssen, indem sie das persönliche Terrain derBetroffenen betreten und vor der paradoxen Aufgabe stehen, die ihneneigentlich verborgene Aneignungspraxis in den Blick zu nehmen.

Die hier entwickelte Kategorie Spannung von Mandat und Li-zenz hilft insofern in der aktuellen Situation die Grenzen der Professio-nalisierung zu erkennen, als die gesellschafts- und bildungspolitischeEntwicklung in mehrfacher Hinsicht eine Erweiterung des Zuständigkeits-bereichs der Erwachsenenbildung bzw. des Mandats evoziert – z. B. vomorganisierten zum nicht-formalen Lernen – , während aus Gründen derSteigerung von Professionalität eigentlich eine Begrenzung der Lizenzangesagt wäre. Dies könnte zu Paradoxien und Dilemmata führen, diedann schließlich den Bogen – das dialektische Verhältnis von Mandatund Lizenz – so weit überspannen, dass die widersprüchliche Einheit

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beider Elemente von den Praktikern vor Ort nicht mehr zu bewältigenist.

3.3 Die Vermischung von Profession und OrganisationDie mit der Relation von Profession und Organisation korres-

pondierende Begrenzung der Professionalisierung hat insofern einen ten-denziellen Verblendungscharakter, als mit der kategorialen Vermischungvon Profession und Organisation vereinzelt der Eindruck einer systema-tischen Förderung der Berufskultur erweckt wird, während in Wirklich-keit die Organisation gestärkt wird. Diese These soll im Folgenden amBeispiel der Qualitätsdebatte exemplifiziert werden. Dass die spezifi-sche Beziehung von Profession und Organisation überhaupt als ein dieVerberuflichung limitierender Mechanismus in Erscheinung tritt, hängteng mit dem Mangel an Klarheit und mit den damit verbunden systema-tischen Missverständnissen zusammen. Diese kommen z. B. in der Wei-se zum Ausdruck, dass von der simplifizierenden Dichotomie ‚Pädago-gik – Organisation’ ausgegangen wird, wohingegen eigentlich eine drei-stellige Beziehung, nämlich die zwischen Profession – Pädagogik – Or-ganisation zugrunde gelegt werden müsste.5 Pädagogik ist sowohl zurSeite der Profession als auch zu der der Organisation hin offen.

Die aus soziologischer Sicht vielfach beschriebene Dissonanzzwischen Profession und Organisation (vgl. u. a. Schütze 1996), die unterbestimmten Bedingungen außerordentlich konstruktiv sein kann, beruhtauf der nicht eliminierbaren Differenz unterschiedlicher Sinnsysteme undkonkurrierender Rationalitätsmuster: Werden in dem einen Fall Perfekti-onsansprüche zugrunde gelegt, langfristige Zeitpläne entwickelt und Er-folg analog bzw. fallspezifisch ermittelt, so herrschen in dem anderen FallPragmatismus, Kurzlebigkeit und eindeutige, d. h. digitale Erfolgsparametervor (vgl. Nittel 1999b). Der Organisations- und Professionsbezug konsti-tuiert unterschiedliche Sphären der Zugänglichkeit: „Professionalität istnur durch Professionalität bearbeitbar. ... Organisationshandeln ist nurdurch Organisationshandeln zugänglich“ (Harney 1998:179). Professio-nalität und organisationsspezifische Handlungslogik verhalten sich nichtper se gegensätzlich, sondern stehen im Verhältnis funktionaler Äquiva-lenz zueinander (vgl. Abbott 1988), denn beide nutzen Macht, welche indem einen Fall durch Vertrauen und in dem anderen durch die funktiona-le Logik bürokratischer Verfahrensabläufe konstituiert wird.

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Vom Standpunkt rationalistischer Bürokratietheorien tragen Or-ganisationen (wie beispielsweise das Verwaltungssystem einer Volkshoch-schule) zu einer geregelten Zuteilung von materiellen Ressourcen, Kom-munikation und Personal bei, wobei der Organisationszweck von außengesetzt und juristisch abgesichert wird. Diese Sachlogik evoziert einerecht zuverlässige Konditionalplanung (vgl. Luhmann 1973), die einen‚technokratischen’ Umgang mit Menschen und Sachen ermöglicht. EineProfession erhebt in arbeitsteiligen Systemen den Anspruch auf relativeAutonomie, sie muss selbst bestimmen, was als das Wesentliche in ihrerArbeit gelten kann (vgl. Freidson 1979). In Organisationen laufen Pro-zesse des Koordinierens unabhängig von der inneren Bindung der Betei-ligten ab. Professionen leben demgegenüber vom Commitment ihrerMitglieder. Es handelt sich (wie bereits im Kap. II beschrieben) um aus-gewiesene, zumeist akademische Berufe, die ein bestimmtes Verhältnisnach innen (Korpsgeist) aufweisen, Dienstleistungen für ihnen anemp-fohlene Menschen erbringen, systematisch erzeugtes Wissen auf außer-alltägliche Probleme anwenden und ihr Handeln dem Gemeinwohl un-terordnen. Der Status einer Profession evoziert eine an Zwecken orien-tierte Planung (vgl. Luhmann 1973), so dass große Unschärfen zwischendem Handlungsziel und seiner Realisierung keineswegs die Ausnahme,sondern die Regel sind. Die Loyalität von Professionellen zielt nicht, wieim Falle von Organisationsvertretern, primär auf die Vorgesetzten unddie Einrichtung, sondern umfasst auch die Klientel. Während Organisa-tionsvertreter einen expertokratischen Habitus verkörpern, sind Profes-sionelle auf den Aufbau eines vertrauensvollen Arbeitsbündnisses mitder Klientel unter Einbezug emotionaler Aspekte angewiesen. Der kog-nitive Stil bürokratischer Denkweisen zeichnet sich durch einen genera-lisierenden Zugriff aus, demgegenüber muss der Professionelle von Si-tuation zu Situation – jeder Mensch ist anders – neu entscheiden undfallweise sein Handeln begründen. Beschränkt sich der Organisationsfo-kus auf einen ganz bestimmten, eng begrenzten Realitätsausschnitt, soist der Professionelle weitaus stärker auf eine ganzheitliche Problem-und Projektsicht angewiesen. Die Aktivitätsbereiche der bürokratischenSteuerungs- und Verwaltungsabläufe orientieren sich am Rationalitäts-kriterium der situations- und fallunabhängigen Expertise und der Her-stellung von Gewissheit. Genau dies konkurriert wiederum mit der Not-wendigkeit von professionellen Handlungsvollzügen: Ungewissheitenund die notorische Unberechenbarkeit der Subjekte müssen nicht nurausgehalten werden, sondern stellen sowohl den eigentlichen Bedin-

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gungsrahmen als auch das Reservoir von Deutungs- und Handlungs-möglichkeiten des professionellen Pädagogen dar. Ständige Anwesen-heit von Risiko mit der Tendenz zur Fehlbarkeit impliziert, dass es auf‚Kunstfertigkeit‘ und die Erfahrung des Einzelnen ankommt. Immer wie-der aufs Neue muss der Praktiker das aus den Elementen Intuition, Erfah-rungswissen, wissenschaftliche Erkenntnis und hermeneutisches Fallver-stehen bestehende Professionswissen dem Stand seiner berufsbiographi-schen Entwicklung anpassen und revidieren. Unter den Bedingungennotorisch knapper Informationsressourcen kann der Professionelle nurim Besitz solcher erkenntnisgenerierender Verfahren seinen Arbeitsall-tag bewältigen. Routine und Standardisierung bilden die Quelle für Er-folg auf der Ebene des Organisationshandelns – im professionellen Han-deln müssen Routinepraktiken immer wieder kontrolliert und aufwendi-gen Reflexionsformen unterzogen werden (Supervision).

Generell herrscht unter Sozial- und Erziehungswissenschaftlernder Konsens, dass das professionelle Handeln im Zuge gesellschaftlicherModernisierung sukzessiv in Kontexte der bürokratischen Steuerung, deradministrativen Zuweisung von Ressourcen und der hoheitsstaatlichenAufsicht eingespannt wird. Der Zuwachs an staatlicher Kontrolle hat so-gar längst den kleinen Kern der sogenannten stolzen Professionen er-fasst, die in ihren Selbstbeschreibungen das Moment der Autonomie sogerne betonen. Die Bindung der Professionen an Organisationen nimmtvor allem deshalb zu, „weil der Interdependenz- und Organisationsgradmoderner Gesellschaften in Verbindung mit einer umfassenden Verwis-senschaftlichung trotz aller Entstaatlichungs- und Deinstitutionalisierungs-versuche fortlaufend zunimmt und die Professionen als soziale Welten... von diesen Aktivitätsbereichen, Ordnungsquellen und Mittelressour-cen immer mehr abhängen“ (Schütze 1996:188). Die sich hier abzeich-nende Abhängigkeit professionellen Handelns von der organisatorischenInfrastruktur trägt dazu bei, dass es zu einer Zuspitzung der ohnehinschon starken Spannungen zwischen Profession und Organisation kommtund die damit korrespondierenden Paradoxien zusätzliche Steigerungenvollziehen. Um sich gegenüber einer einseitigen Parteinahme für dieSeite der Profession zu wappnen und den Wert der Organisationsseitezu würdigen, erscheint der nach wie vor aktuelle Hinweis von Max Weberinstruktiv, dass „die bureaukratische Verwaltung überall die – ceterisparibus! – formal-technisch rationalste“ und „für die Bedürfnisse der Mas-senverwaltung heute schlechthin unentrinnbar“ ist. Man habe „nur die

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Wahl zwischen ‚Bureaukratisierung‘ und ‚Dilettantisierung‘ der Verwal-tung“ (Weber 1964:164).

Was die Erwachsenenbildung angeht, so zeichnet sich sowohlzur Seite der Wissenschaft als auch zur Seite der Berufspraxis hin einesehr langsame Zurkenntnisnahme der Unterscheidung von Professionversus Organisation ab (vgl. Schäffter 1998; Nittel 1999b). Um es noch-mals zu sagen: Professionalisierungshemmend wirkt sich weniger dieDifferenz als solche aus, sondern der Umgang mit dieser Unterschei-dung durch die Akteure, insbesondere die notorische Vermischung derEbenen und die damit verbundenen Kategorienfehler. Die Differenz ansich kann, da sie ja eine zur Profilschärfung dienende Kontrastfolie be-reitstellt, außerordentlich fruchtbar für die Verberuflichung sein. Ebensowie das Kontrastschema Organisation der Sphäre der pädagogischenProfessionalität Raum zur Abgrenzung und zur Selbstbeschreibung bie-tet, verschafft das Kontrastschema Profession der Sphäre der organisato-rischen Rationalität Stoff, um den ‚Eigen-Sinn‘ zu positionieren. Dass dieeben skizzierte Profilschärfung in manchen Berufsfeldern (und dazu ge-hört auch die Erwachsenenbildung) von ein und derselben Person voll-zogen werden muss, macht die Sache nur noch komplizierter.

Der schon angedeutete Umstand, dass die personenbezogenenBedingungen erfolgreichen Arbeitshandelns, also das von den Akteurenselbst hergestellte Commitment und die Fachkompetenz, nicht durch or-ganisationsbezogene Steuerungs- und Kontrollaktivitäten beeinflusst wer-den können, muss auch bei der kritischen Rekapitulation der Qualitäts-diskussion zugrunde gelegt werden. Die erste Phase der Qualitätsdiskus-sion (bis ca. 1998) liefert ein besonders gutes Beispiel für die retardieren-den Effekte der Vermischung von Profession und Organisation. Diese ers-te Phase ist durch die kritiklose Adaption der DIN-EN-ISO900ff.-Normenund des Total-Quality-Managements gekennzeichnet. Erst gegen Ende der90er Jahre zeichnet sich ein souveräner Umgang mit den Verfahren undeine situationsadäquatere Übertragung gewisser Standards auf die Wei-terbildung ab (vgl. von Küchler/Meisel 1999). Das Passungsproblem desQualitätsmanagements beruht in der Weiterbildung darauf, dass es hierfaktisch keine Differenz zwischen Produkt und Kunde (vgl. Nittel 1997b)gibt, sondern die hier vollbrachte Arbeit gerade von der Partizipation desTeilnehmers – also von seinem Verhalten als Nicht-Kunde – abhängt. Erentscheidet darüber, wie gut das ‚Produkt’ ausfällt. In der sich zunächst

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um die Einführung der ISO-Norm und das Total-Quality-Management ran-kenden Qualitätsdiskussion orientierte man sich stark am Ideal des ma-schinellen Störungsmodells: Die Fehlersuche setzt gleichsam automatischein, wenn das eigentlich erwartete Resultat ausgeblieben ist oder nichtantizipierbare Störpotentiale im Arbeitsprozess aufgetreten sind. Fehlerbei der Arbeit gelten als technisch vermeidbar und werden prinzipiellnegativ bewertet. Im Qualitätsmanagement zählen weniger die gut ge-meinten bildungstheoretischen Verlautbarungen (vgl. von Küchler/Mei-sel 1999) als vielmehr die in den einschlägigen Handbüchern dokumen-tierten Durchführungsbestimmungen, das Regelwerk. Dieses hat die Per-fektionierung organisatorischer Schrittfolgen zum Ziel, mit der die Siche-rung der Qualität qua Verfahren anvisiert wird. Die Einlösung von Verfah-rensvorschriften ist jedoch keineswegs mit der Realisierung des Ziels iden-tisch, da in die konkreten Arbeitsvollzüge auch die personenbezogenenVoraussetzungen der Professionellen und die der Teilnehmer/innen ein-gehen. Direkt oder im unmittelbaren Zugriff – gleichsam auf der Außen-schicht der Organisationsrationalität – ist nur das Verfahren selbst steuer-bar, jedoch nicht die Qualität der professionellen Dienstleistung. Diesewird nicht von der Organisation, sondern von den dort tätigen Menschenmit ihren biographisch aufgeschichteten Kompetenzen (und Fehlerdispo-sitionen!) erbracht. Sie weist eine Komplexität auf, die mit den komplexi-tätsreduzierenden Verfahren des Qualitätsmanagements weder durch-leuchtet noch bearbeitet werden kann (vgl. Nolda 1999). „Den professio-nellen Kern der Qualitätssicherung im Weiterbildungssektor kann manmit Hilfe der ISO-Norm wie überhaupt mit den Mitteln, die die Organisa-tionsebene von Betrieben bereitstellt, nicht direkt einsehen. Man kannnur dafür sorgen, dass Weiterbildung überhaupt stattfindet und auf Dauergestellt wird“ (Harney 1998:170). Obwohl zwischen Einrichtungs-, An-gebots- und Durchführungsqualität unterschieden wird – womit man derDifferenz von Organisation (Einrichtungs- und Angebotsqualität) und Pro-fession (Durchführungsqualität) implizit Rechung trägt –, gibt es kaum nen-nenswerte Hinweise auf den opaken Charakter von pädagogischer Qua-lität. Die pädagogische Profession muss mit der Intransparenz von Quali-tät leben, die Organisation kann dies offenbar nicht. Das Qualitätsmana-gement stellt letztlich ein abgekürztes Verfahren einer noch nicht vollentwickelten professionellen Selbstaufklärung dar. Indem es Technikender Sozialforschung – allerdings in sehr selektiver und eklektizistischerWeise – als Analyse-, Diagnose- und Evaluationsverfahren nutzt, konkur-riert es mit aufwendigen, nur schwer realisierbaren Konzepten der praxis-

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orientierten Deutungsmuster- und Prozessanalyse (vgl. Arnold 1985; Ar-nold/Kade/Nolda/Schüßler1998), der Handlungshermeneutik (vgl. Kade1990) und einer klinisch orientierten Pädagogik (vgl. Nittel/Weigel/Wag-ner 1999; Radtke 1996; Dewe/Radtke 1989; Kraimer 1999). Diese objek-tive Konkurrenz mündete bislang jedoch in keinen offenen Wettbewerbein. Sämtliche genannten, allerdings nur schwer praktizierbaren Ansätzeeiner professionellen Selbstaufklärung stimmen in einem Punkt überein:Die auf naiven Vorstellungen beruhende Unterstellung von der Sichtbar-keit, Machbarkeit, Überprüfbarkeit von pädagogischer Qualität ist nichthaltbar. Je präziser das Verhältnis von Lehren und Lernen, von Vermitt-lung und Aneignung in den Blick gerät, desto eher werden die aus derSphäre überholter Machbarkeitsphantasien formulierten Erfolgskriterienobsolet.

Die erste Phase der Qualitätsdebatte ist ein treffendes Exempelfür das Zusammenspiel zwischen Profession und Organisation, das vor-dergründig der Berufskultur dient, aber in Wirklichkeit den Einflussbe-reich der Organisation stärkt; der Inhalt des Modernisierungsanliegenswar nicht mit der Form vereinbar. Angetreten waren die diesbezügli-chen Verfahren der Qualitätsverbesserung, um Effektivität und Effizienzzu erhöhen sowie eine Dienstleistungsmentalität zu verankern, die vie-len Einrichtungen der Erwachsenenbildung schlichtweg fremd war. Ge-gen diese Intention ließe sich nichts einwenden, sofern man ihren Gel-tungsanspruch auf die Ebene der organisatorischen Rationalität beschränkthätte. Das war aber nicht der Fall. Vielmehr sollte auch die Zielgenauig-keit von pädagogischer Arbeit als solcher optimiert werden, und vonden Protagonisten der Qualitätsdebatte wurde sogar die Losung ausge-geben, Qualitätsmanagement schaffe auf lange Sicht einen Zuwachs anProfessionalität. Doch die Parteinahme für ‚den Kunden’ muss keines-wegs synchron gehen mit konkreten Hilfestellungen für den professio-nellen Praktiker. (Diese sind in der Debatte und bei der Ausformulierungder Qualitätsstandards auf der Metaebene in einer auffälligen Weise un-terrepräsentiert.) Der Zuwachs an Kontrollmöglichkeiten in genuin orga-nisatorischen Angelegenheiten ging keineswegs Hand in Hand mit ei-nem Mehr an professioneller Autonomie im Kontakt mit den Teilneh-mer/innen. Heilsam und instruktiv waren eigentlich nur die Unruhe unddie Störungen, die mit der Einführung der Qualitätsprogramme in denEinrichtungen um sich griffen: Die Akteure waren einem gesteigertenBegründungszwang ausgeliefert und mussten darüber reflektieren, was

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sie tagtäglich tun. Das Problematische an der Qualitätsdiskussion ist eineeklatante Kategorienverwechslung, die zu einer Verkennung des prakti-schen Nutzens geführt hat. Teilweise in der Sprache der Profession wur-de mit den Mitteln der Organisation auf die organisatorische Verfasstheitvon erwachsenenpädagogischer Arbeit eingewirkt. (Das schließt zukünftigkeineswegs die umgekehrte Konstellation aus, dass unter Rückgriff aufdie Sprachspiele der Organisation Innovationen in Gang gesetzt wer-den, die – unter dem Deckmantel der Optimierung der Organisationsra-tionalität – letztlich der Förderung von Professionalität dienen.) Kenn-zeichnend für die erste Phase ist, dass keine nennenswerten Aushand-lungsprozesse, keine metakommunikativen Verständigungen darüber exis-tieren, auf welcher Sinnebene der gerade stattfindende Diskurs eigent-lich abläuft: auf der des Professions- oder auf der des Organisationshan-delns. Um ein Bild aus der Psychoanalyse zu bemühen, könnte man diesich hier abzeichnende Optimierung der Organisationsrationalität auchmit dem einseitigen Kontrollstreben des Es auf Kosten des Über-Ich ver-gleichen. Die Organisationszentriertheit der Qualitätsdebatte könnte denBerufspraktikern eine Steigerung ihrer Professionalität suggerieren, sieim Endeffekt aber nur von den eigentlichen Sinnquellen ihres berufli-chen Handelns entfernen. Inwieweit die Indifferenz gegenüber der ele-mentaren Unterscheidung Profession versus Organisation sich auch inZukunft als professionalisierungshemmender Faktor erweisen wird, lässtsich nur schwer vorhersagen.

3.4 Die doppelte Wissensbasis der professionellenErwachsenenbildung

Welche strategische Relevanz das Verhältnis Wissen – Macht –Profession besitzt, hat der in der Tradition des Symbolischen Interaktio-nismus stehende amerikanische Soziologe Freidson mit der schlichtenFormel „Knowledge becomes power, and profession stands as the hu-man link between the two“ (Freidson 1986:IX) umrissen. In der Tat grün-det die Macht, die sowohl ein Experte gegenüber einem Laien als auchein Professionsmitglied gegenüber seiner Klienten hat, primär auf demWissensvorsprung und sekundär auf der in manchen Professionen nichtsonderlich relevanten Differenz im sozialen Status. Wenn sich die Wis-sensbasis einer Profession auf mehrere Säulen verteilt und sich nicht (wiez. B. beim Juristen) aus nur einer wissenschaftlichen Disziplin speist, soerhöht dieser Umstand die Wahrscheinlichkeit einer Schwächung des

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gesellschaftlich mobilisierbaren Machtpotentials. Abgesehen von derProblemlösungskapazität prägt der Grad an Exklusivität, die das Verhält-nis von gesellschaftlichem Funktionssystem, professionellem Handlungs-system und wissenschaftlicher Disziplin bestimmt, letztlich auch diegesellschaftliche Autorität und Dignität des Professionswissens. Die Ka-tegorie der ‚doppelten’ oder – noch schärfer formuliert – der ‚gespalte-nen Wissensbasis’ geht von der Annahme aus, dass mit der disziplinspe-zifischen Segmentierung der Wissensbasis auch eine Schmälerung desvon der Gesellschaft zugestandenen Machtspielraums einhergeht unddieser Umstand wiederum die Spielräume einer erfolgreichen Professio-nalisierungsstrategie begrenzt.6

Die Kategorie der doppelten Wissensbasis lenkt die Aufmerk-samkeit auf das Strukturmerkmal, dass der Praktiker im Bewältigen derpädagogischen Anforderungen sein Wissen per se aus mindestens zweiWissensquellen schöpft (vgl. Dewe 1996b), weil der professionell täti-ge Erwachsenenbildner ein Berufswissen benötigt, das sich sowohl aufdas Was als auch auf das Wie der Vermittlung bezieht. Was zeichnetden ersten Wissenstyp aus? Unabhängig davon, ob er vorwiegend mi-kro- oder makrodidaktischen Kernaktivitäten nachgeht, muss er zumeinen über einen soliden Fundus an kurs- bzw. gegenstandsbezoge-nem und/oder organisationsspezifischem Fachwissen verfügen. Ebensowie der Trainer im EDV-Bereich beispielsweise fundierte Einblicke indie einschlägigen Computerprogramme haben muss, benötigt der Lei-ter einer Bildungseinrichtung detaillierte Kenntnisse über Kostenrech-nung oder Managementstrategien. Zum anderen ist der Praktiker – be-zogen auf die Interaktion mit der Klientel oder die Abwicklung begrenz-ter Projekte – auf situations- und fallbezogenes Handlungswissen an-gewiesen, das die Befähigung zur eigenständigen Diagnose und Refle-xion einschließt. Die Leistungen der erziehungswissenschaftlichen So-zialisation erstrecken sich vor allem darauf, dass die Berufsnovizen sichdie zweite Wissensform aneignen, was u. a. durch das Sich-vertraut-Machen mit den Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens, mit demroutinisierten Umgang mit ethnographischen oder hermeneutischenVerfahren der Sozialforschung, mit Übungen in Beratungs- und ande-ren Kommunikationstechniken, mit der Rezeption sozialwissenschaftli-cher Erkenntnisse über bestimmte Adressatengruppen geschieht. (Dassdie Struktur des grundständigen Studiums dieser doppelten Wissensba-sis nicht gerecht wird, ist daran ablesbar, dass es die Aneignung des

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gegenstandsbezogenen Vermittlungswissens ins Belieben des einzelnenBerufsnovizen stellt.)

Unter professionstheoretischen Gesichtspunkten erwächst ausder doppelten Wissensbasis eine Reihe von Folgeproblemen. So ist dasmögliche Spektrum von gegenstandsbezogenen fachwissenschaftlichenWissensbeständen in der Erwachsenenbildung – anders als in der Schul-pädagogik – prinzipiell unbegrenzt, wobei die Grenze zwischen Offen-heit und Beliebigkeit nicht eindeutig fixiert werden kann. Anders als inder Schule wird in der Erwachsenenbildung die Überkomplexität desWissens nicht durch die Systematik der Fächer reduziert. Möglicherwei-se akzentuiert genau dieser Umstand das Phänomen, dass sich die Be-rufskultur in erster Linie auf geliehenes Wissen, d. h. auf Erkenntnisseaus zweiter Hand, stützt. Diese gehen auf die Arbeit und die Entdeckun-gen fremder wissenschaftlicher Disziplinen oder anderer Wissensagen-turen zurück. Unmittelbar mit der Heterogenität der in der Erwachse-nenbildung kursierenden Wissensformen korrespondieren die höchst un-terschiedlichen Studienbiographien der Berufsrolleninhaber. Diese be-sitzen bekanntlich keineswegs alle ein Diplom in Erziehungswissenschaf-ten, sondern verfügen über eine Vielzahl anderer akademischer Abschlüs-se: Die Palette reicht von den Naturwissenschaften über diverse Lehr-amtsstudiengänge bis hin zu sogenannten ‚Orchideenfächern‘ wie Sino-logie oder Ethnologie. An dieser Stelle will bedacht sein, dass das Ver-traut-Werden mit den fachwissenschaftlichen Grundlagen primär überden Weg der wissenschaftliche Sozialisation abläuft und in diesem Pro-zess bewusst oder unbewusst auch tiefere Bindungen eigener Art entste-hen. Auch wenn die durch die Sozialisation an den Hochschulen konsti-tuierten Commitments gegenüber einzelnen Disziplinen kleiner ausfal-len mögen, als die Verantwortlichen annehmen – das ändert nichts dar-an, dass im Berufsfeld der Erwachsenenbildung Fachkulturen aufeinan-der stoßen, die sich teilweise fremd sind oder gar miteinander konkur-rieren. Die Formation von beruflichen Habitusformen mag in der Erwach-senenbildung nach eigenen Regeln ablaufen und in weiten Bereichensogar insoweit erfolgreich sein, als sich die Betroffenen mit den Einrich-tungen identifizieren; doch gleichzeitig erscheint es im hohen Maßeunwahrscheinlich, dass die Spuren der akademischen Primärsozialisati-on nach wie vor virulent und für die Ausbuchstabierung höchst partiku-larer Relevanzen und Orientierungen verantwortlich sind. Dieser Reich-tum an Fachkulturen eröffnet einerseits ungeahnte Chancen der interdis-

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ziplinären Zusammenarbeit, andererseits produziert dies aber auch sub-til wirksame Probleme der innerprofessionellen Mehrsprachlichkeit. Sogesehen trägt die gespaltene Wissensbasis zunächst einmal nicht nur zueinem berufsbiographisch bedingten Reichtum an Fachkulturen, sondernauch zu einer Kumulation an Anpassungs- und Verständigungsproble-men bei. In dem Maße, wie die Betroffenen ihre fachwissenschaftlichenTeilidentitäten nicht einfach ablegen können, fällt es ihnen auch schwer,Zugang zu der für die Erwachsenendisziplin zuständigen Leitdisziplin(die Erziehungswissenschaft) zu finden (vgl. Gieseke 1990a). Die empi-rischen Indizien, die auf das beliebige Nebeneinander der beiden Wis-sensformen hindeuten, wiegen schwerer als die Hinweise auf gelungeneFormen der Integration. Thesenhaft zugespitzt könnte man sagen, dassdie fachkulturellen Differenzen, die aus der doppelten Wissensbasis re-sultieren, die Homogenisierungsversuche in der Berufskultur systema-tisch begrenzen und die Konstitution einer gemeinsam geteilten Berufs-identität erschweren.

Dass die doppelte Wissensbasis als Limitierung wirksam ist,hängt nicht nur mit dem zu Recht angeführten Merkmal der ‚fehlendenProblemlösungskapazität pädagogischen Wissens’, sondern vielmehr mitdem einen oder anderen selbst gemachten Problem zusammen. So wur-de lange Zeit dem didaktisch-methodischen Handeln von Seiten der aka-demischen Erwachsenenbildung wenig Aufmerksamkeit zuteil, ja es wur-de sogar aus dem Kanon des höhersymbolischen Wissens, das es situati-ons- und fallbezogen anzuwenden gilt, ausgeschlossen. Die Methodender Vermittlung und der pädagogischen Arbeit wurden im beruflichenKönnen und weniger in der wissenschaftlichen Disziplin verortet. Die-ses auf den ersten Blick relativ unscheinbare Phänomen hatte insofernaußerordentlich kontraproduktive Folgen, als damit das Theorie-Praxis-Problem noch zusätzlich belastet wurde. Das Methoden- und Vermitt-lungsproblem der Erwachsenenbildung wird gewöhnlich im Kontext derTheorie-Praxis-Differenz abgehandelt und fast ausschließlich unter demBlickwinkel der Praxisdienlichkeit thematisiert. Methoden haben unterZugrundelegung dieser Lesart den Status bloßer Hilfsmittel und Instru-mente des Berufspraktikers zur Gestaltung seiner mikro- und makrodi-daktischen Aufgaben. Die Erfindung und Weiterentwicklung von Ver-mittlungsmethoden wird konsequenterweise als Aufgabe dem Praktikerzugewiesen; Methoden werden additiv in Methodensammlungen ver-packt, die offiziell von vielen Erziehungswissenschaftlern mit dem Eti-

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kett ‚Rezeptologie‘ versehen werden. Methodenkenntnisse werden aufdiese Weise aus dem Wissenskorpus, den es von Seiten des Praktikerssituations- und fallspezifisch zu applizieren gilt, gleichsam exkommuni-ziert. Der Ursprung dieser subtilen Abwertung der Methodenfrage isttheoriegeschichtlich gut zurück zu verfolgen.7 Das erklärt den parado-xen Sachverhalt, dass Methodenkompetenz – eigentlich ein Kern erwach-senenpädagogischer Identität – nicht auf der Ebene des Professionswis-sen rezipiert und systematisch gegen das gegenstandsbezogene Fach-wissen ausgespielt wurde. Zur gespaltenen Wissensbasis kommt also nochdas Dilemma hinzu, dass eigentlich unverzichtbare Kernbestandteile bzw.strategisch relevante Berufskompetenzen nicht auf der Ebene des Wis-sens, sondern auf der des Könnens lokalisiert sind und von daher in deruniversitären Ausbildung als Gegenstand der wissenschaftlichen Refle-xion unterbewertet werden.

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VI Chancen und Grenzen einerzukünftigen Verberuflichung

1. Zwei Optionen: Begrenzung oder Erweiterungder beruflichen Zuständigkeit

Die eben dargelegten Limitierungen haben unterschiedlicheFluchtpunkte: im ersten Fall die Totalität der gesellschaftlichen Produk-tions- und Reproduktionsverhältnisse, im zweiten Fall den durch die Dia-lektik von Mandat und Lizenz zugestandenen bzw. errungenen gesell-schaftlichen Machtspielraum, im dritten Fall die Differenz von Organi-sation und Profession und im letzten Fall die Ambivalenz der professio-nellen Wissensbasis. Diesen Limitierungen stehen andere (in der gegen-wärtigen Diskussion hinlänglich beschriebene) Faktoren und Mechanis-men gegenüber, von denen eine befördernde Wirkung auf die Verberuf-lichung ausgeht. Einige wenige seien hier genannt:

– die Entwicklung in Richtung Informations- und/oder Wissens-gesellschaft und die sich andeutende Aufwertung des Zentral-wertbezugs ‚Bildung des Erwachsenen’;

– die Etablierung, Konsolidierung und Profilierung einer erwach-senenbildnerischen Bezugsdisziplin, die einerseits auf ihre Au-tonomie gegenüber der Berufspraxis pocht, andererseits sichderen berechtigten Orientierungsanliegen öffnet und sich dar-über hinaus als Zulieferer empirisch gesicherter Erkenntnissebewährt hat;

– der offenbar gleichbleibend große Bedarf an erwachsenenpäd-agogischer Berufsarbeit auch und gerade in solchen Einrichtun-gen, die sich nicht als pädagogische Institutionen etikettieren(Krankenkassen, Ökozentren);

– der im Verhältnis zu anderen pädgogischen Feldern überausgroße Autonomiespielraum im mikrodidaktischen Handeln, derdurch das Fehlen von Rahmenrichtlinien, offiziellen Curriculaund juristischen Vorgaben erklärt werden kann.

Die bisherige Argumentation hat gezeigt, dass die Multifunktio-nalität oder Polyvalenz der Erwachsenenbildung ein nicht zu unterschät-zendes Potential darstellt, dass aber dieses Potential ihre Professionali-

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sierungschancen gleichzeitig begrenzt. Die Vielfalt an Aufgaben, Zweck-bestimmungen und Einsatzmöglichkeiten der Erwachsenenbildung mussmit der Diffusion und der schwierigen Eingrenzung des professionellenMandats und der professionellen Lizenz, kurz: mit einem unscharfenProfil bezahlt werden.

Auf welchen allgemeinen Befund läuft der (hier nicht wirklichdetailliert durchführbare) Abgleich von Faktoren hinaus, welche die Ver-beruflichung der Erwachsenenbildung entweder fördern oder hemmen?Die momentane Verfassung des Berufsfeldes bietet keinen Grund, in derberufspolitischen Diskussion Optimismus oder gar Fortschrittsgläubig-keit an den Tag zu legen, aber auch generelle Skepsis oder gar eindeutignegative Prognosen sind nicht angebracht. Die Berufskultur hat sich ineinem Zeitraum von circa 100 Jahren vom Modell der Mission weg be-wegt, ohne jedoch im Mindesten die Konstitution einer Profession ange-nommen zu haben. Die bisherigen Erörterungen legen die These nahe,dass das, was berufspolitisch (z. B. Einführung des Weiterbildungsleh-rers) als sinnvoll eingestuft wird, gesellschaftspolitisch keineswegs aufAkzeptanz stoßen muss, und das, was gesellschaftspolitisch konsensfä-hig erscheint (Aufwertung des informellen Lernens), professionstheore-tisch in Wahrheit außerordentlich problematisch sein kann. Hier bewahr-heitet sich aufs Neue die in der Differenz von Profession, Professionali-sierung und Professionalität angelegte Spannung, die die gesamte Argu-mentation in diesem Buch überlagert hat. Augenblicklich scheinen so-wohl Professionalisierungs- als auch Deprofessionalisierungspotenzialewirksam zu sein, die eine unentschiedene Gemengelage (vgl. Nittel1995a) konstituieren. Wer also von jenen Faktoren redet, welche dieProfessionalisierung entweder hemmen oder fördern, kann das Phäno-men der Deprofessionalisierung nicht außer Acht lassen. Von ihr kanndann gesprochen werden, wenn das einmal erreichte Niveau der Institu-tionalisierung einer gesellschaftlich verankerten Experten-Laien-Bezie-hung als typische Problemlösungsstruktur deutlich reduziert wird, so dassdie Bearbeitung des Problemfokus einer personenbezogenen Dienstleis-tung entweder zum Gegenstand einer expertokratischen Problemlösunggemacht oder in die Lebenspraxis abgeschoben wird.1

Die mit einem offensiven, vereinzelt auch mit einem kämpferi-schen Gestus vorgetragenen Forderungen – als da sind: Vermehrung undVerbesserung der Fortbildungs- und Supervisionsangebote, neue Zusatz-

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studiengänge und mehr und besser dotierte Stellen, eine der Erwachse-nenbildung günstig gesinntere Bildungspolitik – mögen für sich betrach-tet in guter Absicht formuliert und durchaus angemessen sein. Doch auf-grund der manchmal übertriebenen Verbesserungserwartungen und derüberzogenen Fixierung auf Gegenleistungen (‚mehr Geld’) werfen sol-che Forderungen auch skeptische Fragen auf. Die oben angeführten gro-ben Limitierungen einer weiteren Professionalisierungsstrategie relativie-ren all jene Konzepte, die eine Revitalisierung der Konstellation der sieb-ziger Jahre anstreben (oder dies erhoffen). Bekanntlich haben damalsdas gesellschaftliche Klima, die politischen Machtverhältnisse sowie dieAllianz von Bildungsforschung und Bildungspolitik einen günstigen Re-sonanzboden für die Professionalisierung eröffnet. Momentat spricht ei-niges dafür, zunächst einmal eine im Sinne des oben angedeuteten Stär-ke-Schwäche-Abgleichs realitätshaltige Diagnose der professionalisie-rungshemmenden und -fördernden Faktoren vorzunehmen, wobei esdarum gehen müsste, die ganze Breite des Berufsfeldes in den Blick zubekommen. Erst wenn ein solcher empirisch fundierter Abgleich erfolgtist, kann über die unterschiedlichen Segmente des Berufsfeldes hinwegeine realistische berufspolitische Strategie entwickelt und können dies-bezügliche Forderungskataloge entwickelt werden.

Im Gegensatz zu den 70er Jahren können heutige Überlegun-gen und Strategien zur Verberuflichung in der Erwachsenenbildung nichtvon der Dialektik von organisierter Erwachsenenbildung und der (selbst-organisierten) Bildung des Erwachsenen und den damit eng verbunde-nen epochalen Individualisierungsschüben (vgl. Kade 1989) absehen.Auf den Tatbestand, dass das Lernen außerhalb der Institutionen der Er-wachsenenbildung von der erziehungswissenschaftlichen Zeitdiagnoseverstärkt durchleuchtet und vor allem gesellschaftspolitisch sowie bil-dungspolitisch aufgewertet wurde, gibt es aus berufspolitischer Sicht –grob vereinfacht – zwei denkbare Reaktionen:

a) Die erste Option ist an die Gepflogenheit anderer Professionenangelehnt, die ähnlich gelagerte Probleme durch den Mecha-nismus der „Professional Purity“ (Abbot 1988) bearbeitet ha-ben. Professional Purity meint die durch räumliche, soziale undzeitliche Arrangements und Institutionen abgestützte Konzen-tration auf das Wesentliche, auf einen durch andere Professio-nelle nicht substituierbaren Kernbereich des beruflichen Han-

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delns, kurz: die Fixierung auf die substantiellen Kernelementeder professionellen Arbeit. Dieser Lösungsweg würde einen aus-gesprochen vorsichtigen und skeptischen Umgang mit den au-ßerinstitutionellen Formen des Lernens, kurz: die Begrenzungdes Mandats nach sich ziehen. Statt beispielsweise auf Multi-media zu setzen, müssten die personenbezogenen Anteile beider Vermittlung, der Beratung und anderen pädagogischen Kern-aktivitäten verstärkt zur Geltung gebracht werden. Was das be-rufliche Kompetenzprofil angeht, so würde dies die Anpassungder in den 70er Jahren entwickelten makro- und mikrodidakti-schen Fähigkeiten an die heutige Zeit notwendig machen.

b) Die zweite Option würde auf die Ausdehnung des Mandats hin-auslaufen. In einem solchen Fall könnte die Berufskultur u. U.von einer Reihe von gesellschaftlichen ‚Modethemen’ (Techni-sierung des Lehrens und Lernens) profitieren und bildungsprak-tisch vielleicht sogar einen Beitrag leisten, damit Menschen ihrenicht in Bildungseinrichtungen erworbenen Qualifikationenformal zertifizieren können. Die Erwachsenenbildung müsstesich, um mit dieser Option wirklich erfolgreich zu sein, in ei-nem viel radikaleren Sinne dem Zeitgeist öffnen und wesent-lich früher die zukünftigen Strömungen identifizieren. Auf derEbene der beruflich notwendigen Kompetenzen hätte die Be-rufskultur sich nicht dem Zugzwang der technischen Beherr-schung von Multimedia und anderer Lerntechnologien zu un-terwerfen, sondern fortlaufend neue Kompetenzen zu generie-ren. Die technologischen Innovationen und die Anhäufung vonWissen über außerinstitutionelle Vermittlungs- und Aneignungs-prozesse könnten einen Beitrag leisten, damit die Aufgaben undZiele, die in den Grenzen des pädagogischen Interaktionssys-tems überhaupt noch realisierbar sind, neu justiert werden.

Auf welche der beiden idealtypischen Optionen die Entwick-lung zuläuft und welche Mischformen sich herauskristallisieren, kannnicht prognostiziert werden. Was jedoch gesagt werden kann, ist: JedeLösung schafft neue Probleme! Die Konzentration der Berufsarbeit aufdas erwachsenenpädagogisch Wesentliche schafft die Gefahr, dass dieeine oder andere neue gesellschaftliche Entwicklung ‚verschlafen’ wird.Und selbst wenn es – um auf die andere Option zu sprechen zu kom-

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men – bildungs- und gesellschaftspolitisch plausibel erscheinen mag,das Mandat auf das Lernen in der Lebenspraxis auszudehnen, so dürftendiese Versuche angesichts der sachlogischen Begrenzung der Lizenz auforganisiertes Lernen und des Schutzes der Autonomie der Lebenspraxisnicht ganz einfach sein. Falls das Mandat tatsächlich auch auf die bishernicht zugängliche Sphäre des Lernens ausgedehnt werden würde, sowären damit zunächst einmal eine Zuspitzung methodischer Probleme(von der ‚Komm- zur Geh-Struktur’ des Angebots) und die Steigerungvon Paradoxien (vgl. Nittel 1994a) die Folge. Viel schwerer wiegen Fra-gen wie die Folgende: Wie soll der professionelle Erwachsenenbildnerauf eine Lebenssphäre Einfluss nehmen, die per Definition jenseits sei-ner Handlungsbezüge liegt? Eine intelligente Selbstbegrenzung in denProfessionalisierungsstrategien der Erwachsenenbildung bestünde dar-in, weder jede sich bietende Gelegenheit der Erweiterung des Mandatszu nutzen noch sie zu verwerfen, sondern sie zunächst einmal auf ihreChancen und ihre Risiken hin unvoreingenommen und genau zu analy-sieren, die Möglichkeiten der empirischen Forschung also verstärkt alsMittel der professionellen Selbstaufklärung zu nutzen.

2. Intelligente Selbstbegrenzung und dieGleichwertigkeit beruflicher Habitusformen

Seit den 70er Jahren bis heute zeichnet sich ab, dass es aus derSicht der Berufskultur ambitionierte Vorstellungen über eine gelungeneProfessionalisierung gegeben hat, vom Standpunkt der erziehungswis-senschaftlichen Professionstheorie jedoch außerhalb des Gestaltungsspiel-raums der Akteure liegende objektive Limitierungen vorlagen, die denGestaltungsspielraum der Verberuflichung deutlich eingeengt haben. Vonder Maxime geleitet, dass mit einem simplen ‚Weiter so‘ niemandemgedient ist, andererseits überzogene Forderungen wenig Aussicht aufErfolg haben, wird hier zugunsten des bewussten Umgangs mit diesenLimitierungen votiert – ein Modus, der mit dem Etikett ‚intelligente be-rufliche Selbstbegrenzung‘ versehen werden könnte. Selbstbegrenzungmeint zunächst einmal Distanzierung. Vor dem Hintergrund der vorlie-genden Befunde müsste sich die Berufskultur nach drei Seiten offensiverabgrenzen und um Autonomie ringen, um ihr Profil zu schärfen und sichim Gefüge der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zu positionieren: zur Seiteder selbstorganisierten Bildung des Erwachsenen, gegenüber gesellschafts-

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politischen Funktionalisierungsversuchen und zur Seite einer überdimen-sionierten Organisationsrationalität. Bei alledem ist ein zusätzliches(schon mehrfach erwähntes) Dilemma in Rechnung zu stellen, dass sich‚die’ Berufskultur der Öffentlichkeit noch gar nicht als kollektives Hand-lungssubjekt, sondern bislang nur als soziale Welt präsentiert hat. Sozia-le Welten stellen mehr oder weniger große Kommunikationszusammen-hänge dar, schöpfen ihre Relevanzen und Orientierung aus Sinnquellen,gehen gemeinsamen Kernaktivitäten nach und sind in unterschiedlicheSegmente untergliedert. Die Berufskultur der Erwachsenenbildung wirdmit großer Wahrscheinlichkeit die Chancen und Spielräume zur Profes-sionalisierung nur dann zielgerichtet nutzen können, wenn sie nicht nursoziale Welt bleibt, sondern eine verbindlichere, straffere und macht-vollere Organisationsform sucht.

Berufliche Selbstbegrenzung wird von der Einsicht geleitet, dassnicht alle Akteure alle Ziele sofort und vollständig erreichen. Die vorcirca dreißig Jahren weit verbreitete Erwartung, mit Hilfe einer breitenReformbewegung gleichsam aus dem Stand heraus eine Professionali-sierung anstiften zu können, deren Produkt im Sinne einer entwickeltenBerufskultur dann – als ‚die’ Profession – die konkrete Arbeit im Sinneeiner hohen Qualität bzw. Professionalität befruchtet, hat sich als nichtsonderlich realistisch erwiesen. Als weitaus realitätsnäher anzusehen warvielmehr das in den 70er Jahren vorherrschende Gefälle zwischen eineransehnlichen Professionalisierung und einer nicht sonderlich weit ent-wickelten Professionalität. Der Ende der 80er Jahre ausgegebenen Lo-sung vom Ende der Professionalisierung und dem Beginn einer neuenProfessionalitätsdiskussion lag die fehlerhafte Unterstellung zugrunde,dass Professionalisierungsprozesse keineswegs dann aufhören, wenn dieDiskussion darüber verstummt. Zudem sind Fortschritte auf diesem Ge-biet nicht ausschließlich an die Erfüllung der Forderung nach mehr Geldgebunden. Die nie ganz aus der Welt zu schaffende Ungleichzeitigkeitzwischen Verberuflichung – Professionalisierung – Steigerung von Pro-fessionalität könnte auch unter den Bedingungen einer restriktiven Haus-haltspolitik produktiv genutzt werden (vgl. Rohlmann 1992). Dies kannetwa in der Form geschehen, dass in Phasen des Reformstaus bzw. einerberufs- und bildungspolitischen ‚Eiszeit‘ das kollektive Engagement sei-tens der Organisation und der wissenschaftlichen Disziplin bewusst undzielgerichtet vergrößert wird, dass man sich dem praktischen Handelnvor Ort zuwendet, die Logik erwachsenenpädagogischer Interventions-

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formen genauer zu erfassen versucht und an der Verbesserung des Um-gang der Praktiker mit ihrem methodischen Repertoire arbeitet. Das ebenGesagte impliziert die Kernaussage, dass die Optimierung der Professio-nalität aus der Sicht der Berufskultur immer auch eine langfristige Inves-tition in die Zukunft darstellt. Gegenüber der Gesellschaft wird auf dieseWeise die eigene Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Diesbezügli-che Anstrengungen verbessern die Anschlusschancen im kollektiven Pro-zess der Verberuflichung beträchtlich und tragen somit zur Verstetigungvon Professionalisierungstendenzen bei. Nach wie vor gilt die Regel,dass zufriedene Teilnehmer/innen, die einen lebenspraktischen Nutzenaus dem Gelernten ziehen, die besten Werbeträger darstellen.

Eine wie auch immer geartete berufliche Selbstbegrenzung hatdarüber hinaus zur Kenntnis zu nehmen, dass die soziale Welt der in derErwachsenenbildung Tätigen keineswegs einheitlich ist, also im Berufs-feld unterschiedliche Charaktere, Berufsstile und Habitusformen auftre-ten, die trotz des Zwangs zur Kooperation auch konkurrieren und deneinen oder anderen Konflikt miteinander und gegeneinander austragen.Unter professionstheoretischen Gesichtspunkten sind zwei hier nur ide-altypisch eingeführte personenunabhängige Habitusformen von Interes-se, die durchaus in ein und demselben Individuum gleichzeitig auftretenkönnen: zum einen der Modus der reflexiven Professionalität und zumanderen der Modus einer polyfunktionalen und organisationszentriertenBeruflichkeit. Beide Modi korrespondieren auf Engste mit den auf derAchse Profession – Organisation eingeführten Unterscheidungen (vgl.Kap. V, 2.4):

a) Der berufliche Habitus der reflexiven Professionalität orientiertsich an der (Erziehungs-)Wissenschaft und ihren Sinnquellen,denen allerdings kein höherer Wert oder gar eine prinzipielleÜberlegenheit gegenüber anderen Wissensformen attestiert wird.Der von Vertretern der Wissenschaftskultur verfochtene empha-tische Klientenbezug (Dewe, Gieseke, Arnold usw.) findet nichtnur Anklang, sondern wird kreativ angeeignet und in selbst for-mulierte Orientierungsmaximen übersetzt. Auf diese Weise ent-steht eine doppelte Bindung: nämlich zur Seite der Wissenschaftwie auch zu den Maximen der (noch schwach entwickelten)Berufskultur. Die Erwachsenenbildung als Motor und Ergebnisdes sozialen Wandels und der Modernisierung wird weder über-

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noch unterschätzt, was eine Balance von professioneller Be-scheidenheit und Selbstvertrauen ermöglicht. Vor dem Hinter-grund einer durch Achtung und Respekt gekennzeichnetenGrundeinstellung gegenüber der pädagogischen Arbeit wird dieGleichwertigkeit aller professionellen Kernaktivitäten unterstellt,wobei der Vorrat an methodisch kontrollierten Analysemöglich-keiten auch im Bedarfsfall die eigenständige Rekonstruktion vonBeratungs-, Unterrichts-, Anleitungs- und Planungssituationenmit einschließt. Nicht die Philosophie der Einrichtung oder diedes Trägers, sondern der Zentralwertbezug von Bildung dientals Sinnquelle der pädagogischen Arbeit, wobei moralische Leit-bilder (wie beispielsweise das der Emanzipation) eine ergän-zende Funktion haben.

b) Die polyfunktionale und organisationszentrierte Form der Be-ruflichkeit orientiert sich in einem etwas geringeren Maße ander Wissenschaft und viel stärker an der Politik. Der Politik wirdeine weichenstellende Funktion in allen Fragen der Erwachse-nenbildung zugeschrieben, so dass die Suche nach deren Nähenachvollziehbar ist. Die enge Bindung an die Politik und dieeher lockere Bindung an eine wissenschaftliche Disziplin tra-gen zu einem gewissen Eklektizismus bei. Dieser erweist sichals außerordentlich zweckdienlich, weil Weiterbildung und Er-wachsenenbildung gerade im Aufgreifen und Assimilieren neu-er Themen ihre Zukunftsfähigkeit und damit eine polyfunktio-nale Funktion zur Bearbeitung der verschiedensten Problemeunter Beweis zu stellen vermögen. Das jeweilige Stadium desinstitutionellen Ausbaus der Erwachsenenbildung gilt – so dieUnterstellung – als jederzeit veränderbar, so dass mit der Politikeine Art Daueraushandlung um die Zuteilung materieller undpersoneller Ressourcen notwendig erscheint. Sinnquelle sinddie institutionellen Selbstbeschreibungen, also das Selbstver-ständnis der Einrichtungen, wobei auch hier wieder der Zen-tralwertbezug von Bildung eine große Rolle spielt. Humanisti-sche Grundorientierung paart sich mit einem sicheren Gefühlfür Machtkonstellationen. Einen strategischen Fixpunkt der Ori-entierung stellt die Optimierung infrastruktureller Bedingungenvon Bildung dar.

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Mit Blick auf die beiden idealtypisch – und sicherlich etwasholzschnittartig – eingeführten Habitusformen von Erwachsenenbildnernbedeutet Selbstbegrenzung, dass keine der beiden Varianten einen ex-klusiven Anspruch auf die Durchsetzung partikularer berufspolitischerInteressen vertreten kann – und vertreten sollte. Weder die Dominanzdes einen noch die des anderen beruflichen Orientierungsmusters er-höht die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Nicht die Einheit, sondern dieVielfalt der in der Berufskultur vorherrschenden Fraktionen erhöht dieWahrscheinlichkeit, dass in Zukunft die Stimme der erwachsenenpäd-agogischen Profession in der Gesellschaft gehört wird und die komple-xen, teilweise widersprüchlichen Aufgabenstellungen gelöst werden. Diehier mit Blick auf unterschiedliche Fachkulturen innerhalb der Erwach-senenbildung vertretene relativierende Position schließt keineswegs post-moderne Beliebigkeit im Sinne von ‚Was wir brauchen, ist mehr Plurali-tät!‘ ein. Der auf der Ebene des strategischen Handelns offenbar überle-gene Modus der organisationsseitigen Beruflichkeit weist blinde Stellenin jenen Bereichen auf, wo es um Analyse und Verstehen geht, aberauch Professionalität auf der Ebene der unmittelbaren Interaktion mitder Klientel gefordert wird. Die nach wie vor in eklatanter Unterzahlauftretenden Praktiker, die sich am Modus der reflexiven Professionalitätorientieren, scheinen sich primär für die pädagogische Arbeit als solchezu interessieren, ohne die notwendige Sensibilität für das öffentlichkeits-wirksame Verpacken und In-Szene Setzen aufzubringen.

Auch unter bildungspolitischen Aspekten dürfte dieses Votumzugunsten einer berufspolitischen Pluralität bedeutsam sein. Denn ob-wohl wir angeblich auf eine ‚Weiterbildungsgesellschaft‘ zusteuern, gibtes offenbar keinen linearen Zusammenhang zwischen Akzeptanz undkultureller Verankerung der Maxime vom lebenslangen Lernen und derForcierung berufspolitischer Durchsetzungsstrategien, oder ganz profanausgedrückt: Der Bundespräsident kann noch so oft und so eindringlichvon Notwendigkeit der Förderung wirtschaftlicher Kreativität durch le-benslanges Lernen sprechen und die Privatwirtschaft kann noch so vieleWeiterbildungskongresse abhalten – das erhöht in keiner Weise die Chan-ce, dass dadurch der Bedarf an mehr und qualifizierterem Personal steigt.2

Unter dem Eindruck des Befundes, dass drei zentrale Arenen der Artiku-lation und Aushandlung einer soziokulturell abgefederten Jurisdiktionzur Ausübung eines autonomen professionellen Mandats zugrunde ge-legt werden müssen – die Arenen Arbeitsplatz, Organisation und öffent-

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liche Meinung –, sind zukünftige Professionalisierungsstrategien daraufangewiesen, auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu agieren, so dass dasjeweilige berufspolitische Lager schon aus dem Motiv des Eigennutzesein Interesse an der Entfaltung des jeweils anderen haben müsste. Ausdem gleichzeitigen Auftreten der beiden Berufsstile sind allein schondeshalb Synergieeffekte zu erwarten, weil nur beide gemeinsam das zurForcierung einer zukünftigen Verberuflichung notwendige Potential anMacht, aber auch an Vertrauen mobilisieren können. Im Handlungsta-bleau ‚Arbeitsplatz’, in den Arenen ‚Organisation’ und ‚öffentliche Mei-nung’ kann sich die Berufskultur am ehesten dann behaupten, wenn siesouverän eigene Interessen durchsetzt – den Faktor Macht also nichtselbst diskreditiert – und gleichzeitig gegenüber der Klientel und demabstrakten Adressaten die Problemlösungskapazität unter Beweis stellt –kurz: um Vertrauen wirbt.

Während es bei der erziehungswissenschaftlichen Beobachtungder Berufskultur keine kognitive Selbstbegrenzung und keine Erkennt-nistabus geben darf und geben kann, verhält sich dies aus der Perspekti-ve der Bildungspraktiker durchaus anders. Die Berufskultur hat ein Rechtnicht nur auf einen selektiven Blick, sondern – da sie ebenso wie ihreKlientel nicht unbegrenzt lernfähig ist (vgl. Kade 1999) – auch auf einengewissen kognitiven Selbstschutz. Sie muss nicht alles erkennen, undvieles, was sie erkennen könnte, führt sie vom Pfad des pragmatischenHandelns weg. Nimmt man die Differenz von Profession und Disziplinwirklich ernst, so kann man eine gewisse Fremdheit zwischen der Weltder Berufspraktiker und der Welt der erziehungswissenschaftlichen Theo-riebildung und Forschung niemals ganz ausräumen. Selbstbegrenzungbedeutet demnach keineswegs überzogenen Respekt vor der Wissen-schaft, sondern die selbstbewusste und deutliche Artikulation einer un-verwechselbaren und nicht ersetzbaren erwachsenenbildnerischen Iden-tität auch und erst recht gegenüber der Sinnwelt der Wissenschaft. Aberwie so vieles andere mehr kann dieser Schritt nicht am grünen Tischverwirklicht werden; seine Richtigkeit und Angemessenheit erweist sicherst im Vollzug.

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Anmerkungen

Kapitel I1 In dem Dokumentationsband zum Kolloquium „Veränderungen in der Profession

Erwachsenenbildung“ (Meisel 1997) wird zwar angemahnt, dass es politisch fatal wäre, wennman sich auf keine Definition dessen verständigen könnte, „was unter heutigen Bedingungen,Profession Erwachsenenbildung’ heißen kann“, aber an keiner Stelle des Bandes wird einesolche Abklärung geleistet.

2 Vor kurzem sind zwei Veröffentlichungen erschienen, die sich mit Kursleitendenund dem Angebotsprofil in der Kulturellen Bildung und in der Gesundheitsbildung beschäfti-gen. Die Studie von Hannelore Bastian über Kursleiter/innen in der Kulturellen Bildung be-kräftigt (auf den ersten Blick) den schon früher ausgesprochenen Befund (vgl. Kade 1989),dass Kursleiter/innen kaum über Professionalität als Synonym für den „bewussten, begrün-deten und intentionalen Einsatz von Ressourcen“ (Bastian 1997:169f.) verfügen, da die fachli-chen Kompetenzen in der Biographie und weniger in einer fachlichen Berufsausbildung ver-ankert seien. Die schon in den 70er Jahren beobachtbare Tendenz, die Herausforderung ‚Pro-fessionalität in der Erwachsenenbildung‘ von den praktisch tätigen Kursleiter/innen zu denhauptberuflich bzw. planend-disponierend tätigen Fachbereichsleiter/innen zu verschieben,wird von Bastian regelrecht zementiert: Das Qualitätsproblem in der Kulturellen Bildung kön-ne gleichsam als gelöst gelten, wenn die hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeiter/innen(HPM) bei der Programmplanung eine bestimmte Relation bzw. Passung zwischen potentiel-len Kursleiter/innen, deren ästhetischen Arbeitsschwerpunkten und präferierten Methodenauf der einen und den potentiellen Kursteilnehmer/innen und deren ästhetischen Kompeten-zen auf der anderen Seite herstellen würden (vgl. ebd.:170-173). Die Autorin verortet Profes-sionalität also nicht als eine in situ zu erbringende spezifische Entscheidungs- und Begrün-dungsleistung, sondern als den von der Organisation zu erbringenden „bewusste(n),begründbare(n) und intentionale(n) Einsatz von Ressourcen“. Während Bastian die Vermitt-lungsleistungen der Praktiker und Praktikerinnen gleichsam vom konstitutiven Moment derAutonomie reinigt, vertritt Beate Blättner aus der Sicht der Gesundheitsbildung genau diegegenläufige Position. Für Blättner ist die Interaktion zwischen Kursleiter/innen und Kursteil-nehmer/innen der alles entscheidende Austragungsort von „beruflicher Könnerschaft“, fürsie stellt die Autonomie des lehrenden Personals zugleich die Bedingung wie auch das Zielvon erwachsenenpädagogischer Professionalität dar: HPM und Kursleiter/innen leben undagieren durch das Selbsterzeugungspotential ihres jeweiligen Kontextes in prinzipiell frem-den, aber nicht hierarchisch geordneten Welten. Die Förderung von Professionalität des leh-renden Personals via Fortbildung sollte zu einer gesteigerten Reflexionsfähigkeit, zur Klarheitder Ziele und zur Haltung der Gelassenheit beitragen (vgl. Blättner 1998:70, 262).

Die Trennlinien zwischen den beiden Autorinnen könnten größer nicht sein: Umein Maximum an Professionalität und Qualität zu erzeugen, baut Bastian auf die Reduzierungder mikrodidaktischen Handlungsautonomie mittels organisatorischer und planerischer Vor-gaben, während Blättner das nicht belehrende Verhältnis zwischen Kursleiter/innen und Fach-bereichsleiter/innen als Medium nutzen möchte, um die pädagogische Selbstverantwortungdes lehrenden Personals auszudehnen.

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3 Eine der Folgeaktivitäten des „Report: Alternsforschung“ (Nittel 21992) war einelängere Reihe von interdisziplinären Gesprächen zwischen Gerontologen, Praktikern der Al-tenbildung und Erziehungswissenschaftlern. Darüber hinaus hat dieser Report mehrere Pro-jekte zum Thema „Altern“ an der damaligen Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volks-hochschul-Verbandes angestoßen (vgl. Kade 1994, 1997). Aus dem „Report: Biographiefor-schung“ ist ein fallbezogenes Forschungsprojekt über Lebenswege von in der Privatwirtschafttätigen Erwachsenenbildner/innen hervor gegangen (vgl. Nittel 1994, 1996; Nittel/Marotzki 1996).

4 Der Begriff Berufskultur ist angelehnt an den Begriff Fachkultur. Eine Fachkulturhat ihren Bezugspunkt in einer wissenschaftlichen Disziplin, eine Berufskultur entstammt ei-nem professionellen Kontext. Die Berufskultur der Erwachsenenbildung meint die Gemein-schaft der im Berufsfeld der Erwachsenenbildung tätigen Praktiker. Es handelt sich um einesoziale Welt (vgl. Strauss 1978), also eine soziale Einheit, die nicht organisationsförmig aufge-baut ist, sondern aus mehr oder weniger dichten sozialen Netzwerken besteht. Die Berufskul-tur der Erwachsenenbildung lässt sich in Anlehnung an Anselm Strauss deswegen als sozialeWelt bezeichnen, weil sie einen Kommunikationszusammenhang darstellt, der seine Orientie-rungen und Relevanzen aus ganz bestimmten Sinnquellen bezieht, ohne dass es so etwas wieformale Mitgliedschaft gibt. Die Akteure der sozialen Welt der Berufskultur ringen um Machtund gehen Kernaktivitäten nach, wobei das Geschehen danach beurteilt werden kann, ob esin Innen- oder Außenarenen stattfindet.

Kapitel II1 Gegen Ende der 70er und im Laufe der 80er Jahre erschien es in der Erwachse-

nenbildung wissenschaftspolitisch opportun, grundlagentheoretische Bezüge zum Symboli-schen Interaktionismus herzustellen. Doch obwohl in dieser Zeit die verschiedensten Auto-ren dem Symbolischen Interaktionismus in grundlagentheoretischer, methodologischer undforschungspraktischer Hinsicht eine eminent wichtige Rolle beimaßen (vgl. Tietgens 1986;Schlutz 1984; Mader/Weymann 1975;Tietgens/Gieseke 1981), sind in der Debatte zur Verberuf-lichung die wichtigsten Vertreter der interaktionistischen Schule seltsamerweise weitgehendignoriert worden.

2 Der Tatbestand der Vielfalt der Berufssegmente und das In-Rechnung-Stellenvon Interessenunterschieden sowie Arena-Auseinandersetzungen werden in dem Kapitel überdie Lage des Weiterbildungspersonals erneut aufgegriffen.

3 Goode schreibt in diesem Zusammenhang: „Members of an aspiring occupati-on can write hundreds of articles, deliver many speeches, and present dozens of televisionprograms that are aimed at convincing the public of its vast wisdom, its efficacy in producingcures of all kinds, and its high dedication to service, but all that endeavor will not convince thesociety very much unless the group also improves its performance. More crudely put, thesociety will not give any group the power and privilege of professional status unless it mana-ges to prove the quality of its performance on the several realms that are sketched out here“(Goode 1973:343).

4 Detaillierte Einblicke in die Biographien ihrer Teilnehmenden erlangen Pädago-gen immer dann, wenn Lernen und Leben (wie im Internatsbetrieb) synchron laufen und das

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Selbstbild Teil des Bildungsprozesses ist. Mit all diesen im Kurs- und Seminaralltag gesam-melten persönlichen Informationen und biographischen Interna gehen Erwachsenenbildnerintuitiv in der Regel in einer außeralltäglichen und sachlichen, also in einer nicht laienhaftenArt und Weise um. Hin und wieder werden die Interna über einzelne Teilnehmer oder diebelastenden Erfahrungen in einer für Laien schockierend offenen Weise zum Zwecke derpsychischen Entlastung in den geschützten Innenarenen der Profession kommuniziert.

5 In diesem Zusammenhang sollte noch erwähnt werden, dass die eben geleiste-te Rekonstruktion der professionstheoretischen Position des Symbolischen Interaktionismusauch die Funktion hat, diesen Ansatz zu rehabilitieren. Das nicht eingelöste Programm ausden späten 70er und 80er Jahren, den Symbolischen Interaktionismus in der erwachsenen-pädagogischen Theoriebildung zu nutzen, hatte die fatale Konsequenz, dass die soeben an-gedeuteten Chancen und Entwicklungspotentiale unentdeckt blieben und aufgrund der Do-minanz strukturfunktionalistischer bzw. merkmalsbezogener Sichtweisen die Erwachsenen-bildung professionstheoretisch als Mangelwesen typisiert wurde.

6 Um das antiprofessionelle Ressentiment zu verstehen, welches die Geschichteder Erwachsenenbildung von ihren Anfängen bis in die 80er Jahre dieses Jahrhunderts be-gleitet hat, erscheint es sinnvoll, die Affinität von Professionen und Ständen im Auge zu be-halten. Nicht auszuschließen ist, dass die Erwachsenenbildung als natürlicher Gegner vonBildungsschranken und anderen sozialen Differenzen immer dann, wenn sie gegen die Fes-seln einer ständischen Gesellschaft opponierte, eine gewisse Distanz gegenüber der Kulturder etablierten Professionen artikuliert hat.

7 Die hier formulierten Überlegungen stehen jedoch unter einem bestimmten Vor-behalt. Momentan ist die Frage noch nicht entschieden, wie es mit der Systemförmigkeit desErziehungssystems bestellt ist. Unter der Überschrift „Bildung und Weiterbildung im Erzie-hungssystem“ (vgl. Lenzen/Luhmann 1997) findet gegenwärtig eine Diskussion darüber statt,ob die Erwachsenenbildung als Teil des Erziehungssystems gelten könne. Einerseits versu-chen einige Autoren – etwa mit der These des pädagogischen Codes „vermittelbar/nicht ver-mittelbar“ (Kade 1997:35ff.), dem Topos der sorgenden Beziehung (Zinnecker 1997) oder derUnterscheidung Lebenslauf als Medium und Form (Luhmann 1997) die Einheit des Erziehungs-systems zu begründen, auf der anderen Seite wird die Behauptung vom „Grenzfall ‚Weiterbil-dung’“ (Wittpoth) betont oder die These von der gleichzeitigen Verortung in unterschiedli-chen Milieus und sozialen Systemen aufgestellt. Selbst wenn die Erwachsenenbildung zumErziehungssystem gerechnet werden würde, so wären damit noch lange nicht die Frage nachder Leistungsrolle geklärt und die hier aufgezeigten Unklarheiten beseitigt.

8 Eine Ausnahme in der Reihe derer, die systemtheoretisch argumentieren, aberder Weiterbildung keinen Systemcharakter attestieren, bildet Schäffter. Er spricht dezidiertvom System Weiterbildung (vgl. Schäffter 1998). Inwieweit es grundlagentheoretisch plausi-bel erscheint, den Systembildungsprozess der Erwachsenenbildung mit dem Etikett „mittlereSystematisierung“ (Faulstich) zu schmücken, wäre ebenfalls in einer gesonderten Untersu-chung zu überprüfen.

9 Andere Nachschlagewerke neueren Datums schlagen durchaus ähnliche Defi-nitionen vor, vgl. u. a. Microsoft Encarta 1998.

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10 Schulenberg hat also keineswegs zufällig zum ersten Mal den Begriff der Pro-fessionalisierung gebraucht. Seine Rede fiel in jene Zeit, als sich die Verabschiedung derRahmenordnung für das erziehungswissenschaftliche Diplomstudium abzeichnete.

11 Die zum Teil rigiden Praktiken und Rituale der Universitätsausbildung, insbe-sondere in den Fakultäten, die den ‚old established professions‘ entsprechen, sind ja wederrein hochschuldidaktisch noch ausschließlich von der Logik des Berufshandelns her legiti-mierbar. Unter dem hier diskutierten Aspekt besteht die latente Funktion solcher Rituale undHärtetests darin, dass sie eine spezifische Form von Leistungsorientierung symbolisch insze-nieren und die Exklusivität des jeweiligen Sonderwissens unterstreichen.

12 Professionalität darf nicht in einem verkürzten Sinne mit ‚Erfolg‘ verwechseltwerden (vgl. Nittel 1999); Erfolg ist eine Kategorie, die unmittelbar gegenüber dem commonsense anschlussfähig ist, was im Fall der professionellen Sinnwelt, die der Alltagswelt ja ab-gewandt ist, leicht zu Kategorienfehlern bzw. zu Missverständnissen führen kann.

Kapitel III1 „Die Prediger standen als akademisch Gebildete in ihrem Amt zwischen der

idealen Welt der Wissenschaft und der Wirklichkeit des Volkes, so dass, als die Forderungentstand, die allgemeinen Erkenntnisse der Wissenschaft aufklärend zum alltäglichen Ge-brauch zu vermitteln, sie die prädestinierten Volksbildner waren ....“ (Dräger 1979:51).

2 Wolgast behauptet, dass am Ende der Weimarer Republik nur 215 Einrichtun-gen „überlebten“; da unterschiedliche Zahlen genannt werden, kann keine Garantie für ihreVerlässlichkeit gegeben werden (vgl. Wolgast 1996:38).

3 Über die Haltung der Berufspraxis gegenüber dem Diplomstudium hat sich Gie-seke mehrfach geäußert (vgl. hier insbesondere: Gieseke 1990b).

4 Weiterhin will bedacht sein, dass die Einsicht von der Existenz eines Bereichsinstitutionalisierten Lernens neben der organisierten Erwachsenenbildung und von der ge-sellschaftlichen Relevanz der mitlaufenden Bildung (Lernen en passant) in die Berufskulturerst gegen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre langsam einsickerte. Erklärbar ist dieseverspätete Einsicht damit, dass die Infragestellung des bisherigen Monopols, ‚die Erwachse-nenbildung‘ zu repräsentieren, auch mit der Relativierung eingefahrener Positionen und lieb-gewordener Selbstverständlichkeiten Hand in Hand ging. Die Erkenntnis, dass nur ein kleinerTeil des organisierten Lernens im Erwachsenenalter durch die Berufskultur der Erwachse-nenbildung professionell betreut werden kann und eigentlich auch Bescheidenheit angesagtist, war schließlich nur schwer mit den weitreichenden Gestaltungsabsichten und gesell-schaftsverändernden Intentionen der offiziellen Programmatik vereinbar.

5 Mindestens ebenso wichtig dürfte der Umstand sein, dass es bis heute nichtgelungen ist, eine steigerungsfähige Relation zwischen pädagogisch-professionellen Leis-tungsansprüchen und sozialer Anerkennung zu konstituieren, welche eine Dynamisierung derProfessionalisierung ermöglichen könnte (vgl. Kap. II, 3.4).

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Kapitel IV1 Tietgens hat sich über die Klage vieler Praktiker, ihre Tätigkeit habe zu viele or-

ganisatorische und administrative und zu wenig pädagogische Anteile, seinerseits beklagt.Dies geschah etwa mit dem folgenden Argument: „Auffällig ist aber, dass, wenn demgegen-über das ‚Pädagogische‘ reklamiert wird, dies im Sinne der unmittelbaren Lehr-Lern-Situationverstanden wird. Damit schlägt ein überliefertes Denkmuster durch, das auf die Arbeitsplatz-situation in der VHS nicht passt ... Werden nämlich organisatorisch-administrative und unmit-telbare pädagogische Tätigkeit einander gegenübergestellt, kommt nicht in den Blick, was dieHauptberuflichkeit ausmacht, weshalb sie gefordert worden ist, was sie für die Qualität desAngebots zu leisten vermag“ (Tietgens 1983:88). Die Art und Weise, wie Tietgens mit der ebenangedeuteten Dauerklage umgeht, stellt weniger ein Gegenargument als viel eher einen Re-flex auf die Unentschiedenheit in der erwachsenenpädagogischen Professionstheorie dar, wasdie Bezeichnung genuin pädagogischer und genuin organisatorischer Kernaktivitäten angeht.Statt eine partikulare berufspolitische Perspektive einzunehmen und die hier gemeinten Ein-stellungsmuster bei den Praktikern als ‚falsches Bewusstsein‘ zu entlarven, könnte – aus heu-tiger Sicht – die Art, wie mit einer solchen Klage umgegangen wird, in einer eigens dafür re-servierten Reflexionsschleife selbst zum Analysegegenstand erklärt werden. Generell kanngesagt werden, dass der Duktus der Kritik, die Verwaltungsarbeit nehme überhand, insbeson-dere in solchen beruflichen Milieus weit verbreitet ist, in denen ernsthaft ein professionellerSelbstanspruch und diesbezügliche Ambitionen vertreten werden. Die Klage seitens der Prak-tiker setzt genaugenommen ein relativ hohes Maß an professionellem Commitment voraus.Nur wer eine Vision von ‚geglückter Beruflichkeit‘, von optimaler professioneller Entfaltunghat, kann sich über das Hier und Jetzt beschweren. Die Abwehr der Klage trägt wenig dazubei, die immer wieder artikulierten leidvollen Erfahrungen der Praktiker als Symptom der kol-lektiven Erfahrung der berufsbiographischen Fremdbestimmung zunächst einmal ernst zu neh-men. Das Leiden der Professionellen angesichts der drückenden Überlast von administrati-ver Arbeit ist – so die Professionstheorie in der Tradition des Symbolischen Interaktionismus(vgl. Schütze 1992) – eher ein Indiz für die Gleichzeitigkeit von hohen beruflichen Ambitionen,überdurchschnittlicher Motivation und der Virulenz von Paradoxien professionellen Handelns.Der moralische Duktus der ‚Gegenklage‘ trägt dazu bei, das eigentliche Strukturproblem, dasungeklärte Verhältnis zwischen Profession und Organisation, abzudunkeln. Die Abwehr derMonita und Dauerklagen geschieht selbst dann noch mit dem Standardargument, die planend-disponierende Arbeit habe ja schließlich auch eine Fülle pädagogischer Folgen und Implika-tionen, wenn sich abzeichnet, dass dieses Argument schon längst bekannt ist. In ihren Kla-gen sind die Praktiker sowohl mit dem Common-sense-Verständnis von Professionen als auchmit der soziologischen Grundlagenliteratur in Einklang; denn sie tun eigentlich nichts ande-res, als pädagogisch-professionelle Arbeit als projekt- und personenbezogene Dienstleistungzu definieren und die Kluft zwischen unmittelbarer klientenorientierter Interaktionsarbeit ei-nerseits und der administrativen Arbeit am Schreibtisch andererseits zu unterscheiden. DieMonita und Beschwerden seitens der Praktiker haben so gesehen durchaus einen wahrenKern: Sie gehen intuitiv von einem unverkürzten, einem klientenorientierten Bild von profes-sionellem Handeln aus, das durch die Elemente Interaktionsarbeit, Projektbezug, individuel-ler und/oder kollektiver Fallbezug und die Herstellung vertrauensvoller Arbeitsbündnisse ge-kennzeichnet ist. In der diskursiven Auseinandersetzung mit den hier angedeuteten Positio-nen der Bildungspraxis setzt sich jedoch nicht die abwägende wissenschaftliche Rationali-tät, sondern die bildungspolitische Opportunität – und die damit einher gehende Nähe zur Or-ganisation – durch. In der Zeit, als Tietgens die vorhin zitierten Zeilen verfasst hat, war die

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Vermischung von bildungspolitischen und professionstheoretischen Argumenten gleichsaman der Tagesordnung; in einer Zeit wie heute dagegen, in der viel stärker auf den jeweiligenKontext und die herrschenden Konstruktionsregeln geachtet wird, muss sehr wohl in Erwä-gung gezogen werden, dass die gleichen Dinge aus professionstheoretischer Sicht u. U. eineandere Bedeutung und Relevanz haben als aus bildungspolitischer Perspektive.

2 Basiert das Alltagswissen in der Regel auf lebenspraktischer, also sinnlicherErfahrung, so erzeugt Wissenschaft experimentelle oder andere artifizielle Erfahrungen; istdas Alltagswissen auf synthetische bzw. ‚ganzheitliche‘ Operationen angewiesen, so ist derGegenstand im wissenschaftlichen Analyseprozess gemeinhin in Variablen gegliedert; wäh-rend wissenschaftliche Erkenntnisse universalistischen Charakter haben, zeichnet sich in for-maler Hinsicht das Alltagswissen durch den Situationsbezug und die Biographieabhängigkeitaus.

3 Oevermann reduziert allerdings Erziehung und Bildung offenbar auf Kindergar-ten, Schule und Sozialarbeit. Er hat aufgrund der fehlenden Autonomie und Freiwilligkeit inder Schule und aus einigen anderen Gründen (vgl. Oevermann 1996) die Professionalisie-rungschancen der Pädagogik generell eher skeptisch beurteilt. Dewe korrigiert die bei Oever-mann angelegte Ignoranz der außerschulischen Pädagogik, indem er zeigen kann, dass diebeiden kontrafaktischen Rekrutierungsmerkmale in der Weiterbildung (Freiwilligkeit der Teil-nahme und Offenheit des Zugangs) einen offenen Rahmen für Professionalisierungsprozessedarstellen.

4 Auch wenn hierfür im Moment nur das Indiz der strategisch wichtigen Rolle desselbstreflexiv gewendeten Deutungslernens in dem offiziellen Curriculum verfügbar ist, dürf-te doch im hohen Maße wahrscheinlich sein, dass explizit und implizit die Befunde aus derhier referierten Studie auch in die Konzeption des Studiengangs an der Universität Kaisers-lautern eingegangen sind.

Kapitel V1 Unter höhersymbolischem Wissen wird an dieser Stelle ein das Alltagswissen

übersteigendes Wissen verstanden, welches mit bestimmten Sinnwelten korrespondiert (Re-ligion, Beruf) und somit einen abstrakt-theoretischen Gehalt besitzt. Wissenschaftliches Wis-sen ist nur eine Form von höhersymbolischen Wissen.

2 Dass selbst das Rollenprofil der nebenberuflichen Mitarbeiter auf den Fokus‚Beruf‘ und nicht etwa auf partikulare Interessen (Zusatzverdienst, Hobby) ausgerichtet ist,zeigen einschlägige Untersuchungen über das Selbstverständnis von Kursleitern (vgl. Sche-rer 1987). Aus der Rekonstruktion von Kursleiter-Biographien hat Jochen Kade (1985) vierFormen des Selbstverständnisses ableiten können: Kursleitertätigkeit als Alternative zum tra-ditionellen Beruf, als beruflicher Aufstieg, als berufsbiographischer Schwebezustand bzw.Moratorium und als Ergänzung bzw. Bereicherung zum Beruf. Die in dieser und anderen Stu-dien (vgl. Scherer 1987) sichtbaren inneren Bindungen zur pädagogischen Arbeit rechtferti-gen es, die Tätigkeit der nebenberuflichen Kursleiter/innen in die professionstheoretischeBetrachtung einzubeziehen.

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3 Im Moment verharrt die überwiegende Mehrheit der bundesdeutschen Weiter-bildungsträger und der Weiterbildungseinrichtungen – zu dieser Differenz vgl. Tietgens 1997– in einer Haltung, die jener kurz vor der Realisierung der deutschen Einheit zum Verwechselnähnelt: Irgendwie scheint die diffuse Haltung dominant zu sein: ‚Da wird sich sicher viel än-dern‘, aber niemand glaubt so recht daran, dass dieser neue Strukturbildungsprozess deneigenen Arbeitsbereich wirklich tiefgreifend beeinflussen wird.

4 Was bedeutet Institutionalisierung im Allgemeinen und Institutionalisierung derErwachsenenbildung im Besonderen? Berger und Luckmann haben die gesellschaftlicheKonstruktion von Wirklichkeit als eine aus vier Schritten bestehende Sequenz beschrieben.Diese umfasst Habitualisierung (Gewöhnung, Entäußerung), Institutionalisierung (Vergegen-ständlichung), Legitimierung (Rechtfertigung) und Internalisierung (Einverleibung). Institutio-nalisierung kann nach Berger/Luckmann nur unter den gattungsgeschichtlichen Bedingun-gen symbolisch vermittelter Interaktion zwischen individualisierten Gesellschaftsmitgliedernbzw. vergesellschafteten Individuen stattfinden. Unter Rückgriff auf die Position von Gehlenund Plessner, dass keine Gesellschaftsordnung ausschließlich biologisch ableitbar, die Not-wendigkeit von gesellschaftlicher Ordnung aber dennoch in der biologischen Konstitutiondes Menschen angelegt sei, begreifen Berger/Luckmann Institutionalisierung als Substitutfür instinktgesteuertes Verhalten. Aus ihrer Sicht ist Institutionalisierung ein Schlüssel für dieErklärung gesellschaftlicher Ordnung. Institutionalisierung findet statt, „sobald habitualisier-te Handlungen durch Typen von Handelnden reziprok typisiert werden. Jede Typisierung, dieauf die Weise vorgenommen wird, ist eine Institution ... Wenn habitualisierte Handlungen be-gründen, so sind die entsprechenden Typisierungen Allgemeingut. Sie sind für alle Menschender jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe erreichbar ... Wenn ein Bereich menschlicher Tä-tigkeit institutionalisiert ist, so bedeutet das eo ipso, dass er unter sozialer Kontrolle steht“(Berger/Luckmann 1977:58f.). Institutionen stellen eine Wirklichkeit eigener Art dar, „eine Wirk-lichkeit, die dem Menschen als äußeres, zwingendes Faktum gegenübersteht“ (ebenda).

Beispiele für Institutionalisierungsvarianten finden sich auf biographischer Ebe-ne (institutionalisierte Ablauf- und Erwartungsmuster an den Lebenslauf, wie z. B. die Schul-biographie (vgl. Nittel 1992), auf der Interaktionsebene (Anfangs- und Schlusssituationen imKursgeschehen der Erwachsenenbildung) wie auf der Stufe von Organisationen (Einrichtun-gen und Träger).

5 Wenn an dieser Stelle von der Unterscheidung zwischen Profession und Orga-nisation die Rede ist, so wird das notorisch belastete Verhältnis von Organisation und Päd-agogik zunächst einmal außer Acht gelassen. In der Erwachsenenbildung konzentrierte sichdie einschlägige Debatte – anders als in der Medizin oder der Sozialarbeit – nicht grundsätz-lich auf die angespannte Beziehung zwischen Organisation und Profession, sondern zunächstauf das notorisch belastete Verhältnis von Pädagogik und Organisation, wobei man kurzer-hand Pädagogik und Profession als (wahl-)verwandt erklärte. Zu Recht wurde in den 80erJahre eindringlich darauf hingewiesen, dass die starre Gegensatzanordnung von der Unmit-telbarkeit der pädagogischen Arbeit, der authentischen ‚pädagogischen Beziehung‘ auf dereinen und den bürokratisch institutionellen Rahmenbedingungen auf der anderen Seite, dys-funktional sei. Diese als nicht auflösbar eingestufte Gegensatzanordnung war Quelle vielerMissverständnisse und des strategischen Umgangs mit Menschen und Dingen. So wurden inmanchen Fällen beinahe schablonenhaft die unterschiedlichsten Störungen im Vollzug derpädagogischen Arbeit ohne jeglichen Situationsbezug und ohne jede Detailbegründung dar-

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auf zurückgeführt, dass die bürokratischen Zwänge ‚richtiges pädagogisches Handeln‘ kon-terkarieren. Insbesondere im Bereich der Schule war über viele Jahre hinweg eine zutiefstambivalente Haltung dominant: Während man als Lehrerschaft einerseits der Großinstitutionstaatliches Schulsystem das berufliche Prestige und die materielle Existenz verdankte, wur-de sie beinahe im gleichen Atemzug als Hindernis bei der Verwirklichung des pädagogischenEthos betrachtet. Solche von der Forschungsseite nicht selten unbesehen adaptierten Kli-schees über die ‚gute Pädagogik/Profession‘ und die ‚böse Organisation‘ ignorieren, dass dieinstitutionelle Einbettung die Bedingung für die Möglichkeit pädagogischer Berufsarbeit dar-stellt. Simplifizierende und klischeehafte Institutionskritik schwebt immer in der Gefahr, dieBasis zu zerstören, auf der die Pädagogik mehr oder weniger komfortabel platziert ist. Genaugenommen war die Gegensatzanordnung von Pädagogik versus Organisation die Erbschaftder geisteswissenschaftlichen Pädagogik, die seit jeher zwischen dem eigentlich Pädagogi-schen und der als ‚unrein‘ schematisierten verwalteten Welt unterschieden hat. Seit der sozi-alwissenschaftlichen Reformulierung des geisteswissenschaftlichen Erbes geriet auch diealte Trennung von reiner Pädagogik und ‚schmutziger‘ Verwaltung ins Wanken. Eine wichtigeRolle haben hierbei die Arbeiten von Terhart (1986) und Timmermann (1985) gespielt. Die da-durch eingeleitete Entmystifizierung der Kontroll-, Sanktions- und Herrschaftsfunktionen vonBildungseinrichtungen führte zur Entschärfung und Entdramatisierung des Gegensatzes vonPädagogik und Organisation. Der hier angedeutete Fortschritt auf der Ebene der Theorieent-wicklung bedeutet aber nicht, dass das Problem an solches gelöst ist. Die Aufweichung einerstarren, gleichsam unversöhnlichen Gegensatzanordnung ist die eine Seite – welche konkre-te Form das Gefüge im pädagogischen Feld aus empirischer Sicht hat, steht auf einem ganzanderen Blatt. Mit dem Nachweis, dass Organisationen viel besser als ihr Ruf seien, weil sieungeahnte, vom Einzelnen selbst kaum wahrnehmbare Handlungs- und Entscheidungsspiel-räume haben, wurde zunächst einmal die alte Debatte entschärft. Mit der Relativierung derThese, Pädagogik und Organisation verhielten sich gleichsam wie Wasser und Feuer, warjedoch keineswegs automatisch die Gegenthese eines harmonischen Miteinanders plausibi-lisiert. Die Suspendierung einer starren Gegensatzanordnung schließt die Perseveranz einerspannungsreichen Beziehung keineswegs aus.

6 Der hier unternommene Versuch, die Wissensbasis zu bestimmen, definiert nurden formalen Rahmen, ohne dass damit die Debatte über die Bestandteile des universitärenCurriculums im Rahmen der grundständigen Ausbildung von Diplompädagogen tangiert wird.

7 Bestimmend für das Verständnis von Methode in der Pädagogik des zwanzigs-ten Jahrhunderts waren insbesondere die Arbeiten von Wilhelm Flitner. Helga Luckas schreibtin ihrer Dissertation: „Mit der Anbindung des Methodenbegriffs an das ‚Grundphänomen vonErziehung‘ schränkt Flitner den Gegenstand auf den kulturrezeptiven Prozess ein. Erziehungwird zur Methode der Vermittlung kultureller Inhalte an die nachwachsende Generation, ihrErgebnis wird Voraussetzung für den kulturproduktiven Prozess. Methode als kulturprodukti-ver Prozess wird in der pädagogischen Theoriebildung vernachlässigt. Flitner geht davon aus,dass Methode das Ergebnis der Bedingungen der geistig-geschichtlichen Realität ist. DieBestimmung der Relation setzt folgerichtig die Konkretisierung ihrer Bedingungen voraus.Diese Annahme verhindert tendenziell die begriffliche Fassung von Methode. Die Gleichzei-tigkeit von Bedingung und Relation wäre Voraussetzung, um die Eigenständigkeit der Relationzu erkennen“ (Luckas 1994:173).

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Kapitel VI1 Die Gefahr von Deprofessionalisierungstendenzen ist zum Beispiel im Kontext

der Einführung des multimedialen Lernens via Computer zu registrieren: Hier sollen etwa imSprachenbereich formalisierte Experten-Laien-Beziehungen durch den Einsatz technischerMittel substituiert werden, ohne dass empirisch geklärt worden ist, wie die jeweilige von derExperten-Laien-Beziehung bearbeitete Problemlösungsstruktur genau beschaffen ist und obProbleme durch den Einsatz prinzipiell lösbar sind.

2 Das lenkt nochmals die Aufmerksamkeit auf die Hintergründe, warum das le-benslange Lernen auch im internationalen Vergleich auf einen solch großen Zuspruch gesto-ßen ist und warum die Erziehungswissenschaft von der Universalisierung dieser Maxime bis-lang noch nicht profitieren konnte. Der Wissenssoziologe Peter Weingart (1976) hat diesbe-züglich aufzeigen können, dass die Forderung nach „lifelong learning“ oder „education per-manente“ fast zum gleichen Zeitpunkt in einer Vielzahl von Ländern formuliert worden ist,wobei der eigentlich interessante Befund der ist, dass dies unabhängig vom Ausbau ihresjeweiligen Erwachsenenbildungssystems geschah. Die kulturelle Durchschlagskraft und dieOrientierungsmacht des lebenslangen Lernens korrespondiert demnach nicht mit dem Aus-bau der Erwachsenenbildungssysteme und der Zuständigkeit einer wissenschaftlichen Diszi-plin für dieses Thema, sondern hängt viel eher mit der allgemeinen Verwissenschaftlichungs-tendenz zusammen. Es macht einen substantiellen Unterschied, ob ein bestimmtes gesell-schaftlich relevantes Thema im Fokus der öffentlichen Aufmerksam steht oder ein gesell-schaftliche relevantes Problem, für das sich eine bestimmte Wissenschaft zuständig erklärtund über das kumulativ erzeugtes Wissen existiert, zum Gegenstand der professioneller Ar-beit avanciert. Bisher haben sich die unterschiedlichsten Wissenschaften für das Thema „Le-benslanges Lernen“ interessiert; so liegen soziologische, betriebswirtschaftliche, psycholo-gische und pädagogischen Expertisen vor. Obwohl „lebenslanges Lernen“ „lebensbegleiten-de Bildung“ usw. zum angestammten Bereich der Erziehungswissenschaft zählen, ist es ihrbisher (noch) nicht gelungen, dieses in einer Weise aufzubereiten und sich anzueignen, dasses aus der Sicht der Gesellschaft als Gegenstand erscheint, der von nur einer wissenschaft-lichen Disziplin verwaltet wird. Erst wenn dieser Schritt vollzogen ist, können vermutlich diesystematische Generierung sowohl von Grundlagenwissen als auch von professionstaugli-chem Anwendungswissen und ein daraus erwachsender Gewinn für die Profession erwartetwerden.

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AutorDr. Dieter Nittel, seit 1999 Professor für Erziehungswissenschaf-

ten an der Johann W. Goethe-Universität in Frankfurt/M. 1975 – 1981Studium der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie inMarburg. Arbeitsschwerpunkte: Erziehungswissenschaftliche Professions-und Organisationsforschung, erwachsenenbildungsrelevante Biographie-und Interaktionsanalysen, Qualitative Feldforschung. Laufende Projek-te: Untersuchungen über Prozesse der Existenzgründung in diversenBerufen, Zeitzeugenprojekt zur Geschichte der Erwachsenenbildung inHessen.