Von Elternarbeit zu Elternbeteiligung

Merih Ergün und Katjuscha von WerthernFrankfurt am Main 05.12.2013

Von Elternarbeit zu Elternbeteiligung

→ zum Begriff Elternarbeit

→ Rahmen, in dem Elternarbeit stattfindet

• Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit von Eltern und Schule• Ausgestaltung• Haltung gegenüber Eltern/ Blick auf Eltern• einhergehend mit Macht und Diskriminierungsstrukturen

→ Ansätze für Schulsozialarbeit

→ Beispiel für Elternbeteiligung aus eigener Arbeit

Ist Elternarbeitarbeit....

… ArbeitArbeit, die Eltern für die Schule leisten?

… ArbeitArbeit, die Pädagog_innen mit den Eltern haben?

... oder...

… Zusammenarbeitarbeit von Eltern und Schule?

Elternarbeit

ElternpädagogikElternbildung

Elternberatung

Eltern-Coaching

Familienbildung

Eltern-Kooperation

Eltern-kommunikation

Elternbeteiligung

Elternförderung

Erziehungs- undBildungspartnerschaften

Rechte und Pflichten in der Zusammenarbeit von Eltern und Schule sind geregelt durch

-das Grundgesetz (Artikel 6 Erziehungsauftrag der Eltern/ Art 7: Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates)

- die jeweiligen Schulgesetze

1972 hat das Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz dahingehend interpretiert, dass Schuleund Eltern zusammen arbeiten müssen. Inzwischen haben die Schulgesetze aller Bundesländer das Recht und die Pflicht der Eltern zur Mitwirkung aufgenommen.

Mitwirkung kann wiederum viel bedeuten und wird meistens im unterstützenden Bereich verortet.

Schule ist verpflichtet, Eltern über ihre Mitwirkungsrechte und -möglichkeiten zu informieren.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die nicht ausdefinierte Mitwirkung lassen einen großenAusgestaltungs- und Handlungsspielraum!

KonventionelleElternarbeit im Kontext

Schule

Mitarbeit bei Festen,Renovierung o.ä.

Elterngespräche

Elterninformation:Briefe, Aushänge,

mails, ...

Elternabende

Eltern(mit)arbeitin Gremien

Elternberatung

Kritik an konventioneller Elternarbeit:

→ macht Eltern in hohem Maße zu Informationsempfängern bzw. zu Ausführenden/Zuarbeitenden.

→ Form und Inhalt werden in den wenigsten Fällen von Eltern mitgestaltet→ Gremienarbeit (als klassische Form der Beteiligung) ist meistens nicht repräsentativ für die Elternschaft

→ wenn Eltern nicht „andocken“ an vorgegebene Struktur, wird ihnen dafür die Verantwortung zugeschrieben; Vorwurf der „Bildungsferne“ und des Desinteresses am Lernen ihrer Kinder

Der Blick der Schule auf Eltern

Die Schule wurde zunehmend als Ausgleich der wahrgenommen Schwächen der Erziehung im Elternhaus verstanden. Eltern wurden in Schulen nicht gern gesehen; ihre häusliche Lebenswelt, Sprache und Kultur abgewertet.

Allgemein galten (diese) Eltern tendenziell als „unwissend, rückständig, in ihren egoistischen, kurzfristigen Interessen befangen.“

Eltern mit einer chronischen Krankheit

Eltern von Patchworkfamilien

Eltern von Regenbogenfamilien

Ein-Elternfamilien

Eltern sind eine sehr vielfältige Gruppe …

Eltern mit und ohne Migrationsgeschichte

Eltern in oder ohne beruflicher Erwerbstätigkeit

Eltern mit Behinderung

Kinderreiche Eltern, d.h. 2+

Soziale Diversität der bunten Elternschaft…

Akademiker_innen-Eltern

Berufstätige Eltern

Nicht-berufstätige Eltern

Hartz IV-Empfänger-Eltern

Eltern ohne Ausbildung

Eltern der sozialen Unterschicht

Eltern der Ober- und Mittelschicht

Eltern mit einfacher Ausbildung

Ergebnisse der Sinus Studie 2008

•Insgesamt zeigt Untersuchung, dass •Die Gruppe der Menschen mit Migrationsgeschichte ist äußerst heterogen und different.• Die verbreiteten Negativ-Klischees gibt es zwar, und sie sind im Migranten-Milieumodell lokalisierbar. Aber sowohl sozio-demografisch und soziokulturell marginale! Randgruppen!•D.h. eine kleine Minderheit in der großen Minderheitenvielfalt•Viele Menschen mit Migrationsgeschichte beklagen mangelnde Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und •das geringe Interesse an den Eingewanderten. •Etwa ein Viertel der befragten Menschen mit Migrationshintergrund fühlt sich isoliert und ausgegrenzt.

Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes am 13. August 2013 veröffentlichtDiskriminierung gegenüber Minderheiten in Kindergärten, Schulen, Universitäten sowie Arbeitsmarkt alltäglich. Die Studie zeigt: jeder vierte Schüler oder Student mit Migrationshintergrund Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht.

Schule•In Schule führen ausländisch klingende Namen oder die Herkunft aus einer niedrigeren sozialen Schicht häufig zu einer schlechteren Bewertung durch Lehrkräfte. •Beim Übergang von Grundschule in weiterführende Schulen kommt es diversen Untersuchungen zufolge in bis zu einem Viertel der Fälle zu Fehleinschätzungen.

Schule•Die Studie der Anti-Diskriminierungsstelle (ADS) bestätigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder "niedriger sozialer Herkunft“ bei gleichen Leistungen seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten als deutsche Kinder ohne Migrationshintergrund bzw. Kinder aus besseren sozialen Verhältnissen.

•Die geringe Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems zementiere zudem frühzeitig die weitere Bildungskarriere, so dass ein späterer Ausgleich der Benachteiligung erschwert werde.

•Schülerinnen muslimischen Glaubens sind zudem angesichts mangelnder Akzeptanz von Kopftüchern häufig benachteiligt.

„Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule“

Gomolla und Radtke (2009) formulieren in ihrem Buch folgende zitierte These:

„Die Schule als Institution erzieht nicht nur, sie diskriminiert auch als Institution. In allen Kompensationsprogrammen zur Förderung der Chancengleichheit bezogen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen wurden und werden die Ursachen für mangelnden Erfolg nicht oder nur selten in der Schule gesucht, regelmäßig aber auf Kollektivmerkmale der Kinder und ihrer Eltern zugerechnet (ebd.: 20)“.

Präsenz und Ausmaß von Diskriminierung sowie Machtasymmetrien in SchuleSelten bestehende Beziehungen zwischen Schule und Eltern in Beziehung zu Macht-asymmetrien gesetzt, z.B.: •Verhältnis zwischen Familien und Schulen traditionell von Konflikten geprägt. •Spannungen und Missverständnisse resultieren weniger aus Desinteresse oder Feindseligkeit einzelner Lehrkräfte oder Eltern, sondern bereits zu großen Teilen in den Strukturen der Schule angelegt.•Bewertung und Benotung der Schulleistungen bestimmen wesentlich Chancen eines beruflichen und damit soziales Auf- oder Abstiegs bzw. Stagnation der Schüler_innen. •Durch die Vorgaben der Schule, wann, was, wie, wo und wie lange Kinder lernen sollen.

=> Damit stehend Eltern in direkter Abhängigkeit zur Schule und der Bewertung ihres Kindes durch Lehrer_innen.

Unbeabsichtigte Diskriminierung…

Das ist für Beteiligte in dominanten Position oft schwer zu verstehen, denn ihrer Meinung nach liegt nur dann Diskriminierung vor, •wenn sie jemanden verletzen und herabsetzen wollen. •Das heißt für sie ist die Absicht entscheidend. •Aber die Folge einer Handlung muss nicht mit ihrer Intention zusammenfallen. So kann auch wohlmeinendes Verhalten diskriminieren.

•Ich kann nur dann diskriminieren, wenn mir gesellschaftlich aufgrund meiner sozialen Position Macht und Privilegien zugesichert werden, z.B.: der gesellschaftliche Auftrag als Lehrer_in die Leistung von Schüler_innen zu beurteilen, um damit über die berufliche und soziale Zukunft zu entscheiden.

Blick schärfen für die Vielfalt der Eltern und deren Situation in Schule und in unserer Gesellschaft

•Eigene stereotypische und vorurteilsbehaftete Prägung erkennen: Welche Bilder sind in mir gegenüber Zielgruppe?•Welche diskriminierenden Strukturen wirken in unserer Institution / Verein / Unternehmen / Behörde etc.?•Eigene Machtposition in Hinsicht auf Dominanz erkennen•Welche Machthierarchien bestehen in meinen interkulturellen Beziehungen?•Konflikt: Gleichheitsvorstellung vs. Diskriminierung und Rassismus. Das demokratische Gemeinwesen steht der Realität diskriminierender und rassistischer Hierarchien und sozialen Ausgrenzung entgegen

Für Elternbeteiligung braucht es:

Bewusstsein für Macht- und DiskriminierungsstrukturenBewusstsein über eigene MachtBereitschaft von dieser Macht abzugeben→ betrifft auch Definitionsmacht über Elternarbeit/ Elternbeteiligung Reflexion des eigenen Blicks auf die ElternReflexion des eigenen HandelnsUnterstützer_innen/ „Verbündete“ - ideal, wenn die ganze Schule sich dahingehend öffnen und verändern willOffenheitZeitEinen langen Atem...

Gewinn:

bessere Zusammenarbeit mit den Eltern, größeres gegenseitiges VerständnisDadurch bessere Bildungschancen für die KinderLangfristig Entlastung

Elternarbeit im Kontext Schule

Elternarbeit in derSchulsozialarbeit

Mitarbeit bei Festen,Renovierung o.ä.

Elterngespräche

Elterninformation:Briefe, Aushänge,

mails, ...Elternabende

Eltern(mit)arbeitin Gremien

Elternbildung

Unterstützung/Weitervermittlung

Hausbesuche

Elternberatung

Vermittlung zwischenSchule und Eltern

Öffnung der Schuleund der Elternarbeit in den

Sozialraum

In der Elternarbeit von Schule und Schulsozialarbeit gibt es viele Überschneidungen. Schulsozialarbeit hat aber einen anderen Auftrag, andere Handlungsansätze und einen anderen Blick auf Familien und kann darum ganz anders auf Eltern zugehen.

→ Sie kann zwischen Schule und Eltern vermitteln→ kann beispielgebend sein für den Umgang mit Eltern und

für genannte Strukturen sensibilisieren→ kann Beteiligungsprozesse initiieren, unterstützen,

begleiten, koordinieren→ kann Schule für Eltern öffnen, Eltern für Schule→ kann Schule, Eltern und den Sozialraum miteinander

vernetzen

Momente der Begegnung, Verständigung und Gleichberechtigung …

Momente der Begegnung, Verständigung und Gleichberechtigung

Ein Praxisbeispiel aus einer Berliner Grundschule im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain im Dezember 2007,

Fichtelgebirge GS

• Schule hat 2003/4 Schüler_innen mit fast 90% Migrationsanteil, davon ca. 80% mit türkischem Hintergrund• Sehr hoher Armutsanteil und ca. 80% der Kinder sind lehrmittel-befreit• Schule mit schlechtem Ruf• Eltern haben den Ruf als „bildungsfern“ und sich nicht zu beteiligen, desinteressiert an den schulischen Belangen ihrer Kinder zu sein

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Eltern-Fortbildung in der Fichtelgebirge-Grundschule:

Abschlussveranstaltung 11. Dezember 2007

Mit freundlicher Unterstützung von:

ModeratorInnen-Team:Sultan Dağ, Dorothea Schütze und Müslüm BostancıKoordination: Merih Ergün

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Es ist kurz vor17 Uhr. Die Gäste werdenam Eingangder Aulaempfangen:

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Jetzt geht es richtig los…

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Zuerst die Begrüßungsworte von FrauSpieler, der Schulleiterin:

Dann die Einführung durch zwei Eltern, die den Ablauf erklären und durch die Veranstaltung moderieren:

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Zu Beginn wirddie Elternfortbildungauf einer großenLeinwand präsentiert, und die beidenModeratorinnen erklären auf Deutsch und Türkisch, was die Eltern in den 5 Fortbildungs-Teilen gemacht haben:

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Dann werden dieEltern, die an derFortbildung teilgenommen haben,auf die Bühne gebeten,um sich vorzustellen.

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Nacheinander sagen alle ihreNamen und welches Projektsie nachher präsentieren werden:

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Auf diesem Plakat kann das Publikum sehen, welche Präsentationen wo zu finden sind:

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Vor den Projekt-Präsentationengibt es für alle erst einmal leckeres Essenund Trinken am Büffet:

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Nach der Pause geht es mit den Präsentationen los. Es gibt zwei Präsentations-Runden. Das Publikum kann sich also über zwei Projekte genauer informieren undins Gespräch kommen. Hier die Präsentation von „Eltern unterstützen Eltern“

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„Gesunde Ernährung“

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„Elternforum / Elterncafé“

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Die „Aushandlungs-Runde“

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Das „Rucksack-Projekt“

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Zum Abschluss haben sich alle noch einmal in der Aula zu einer großen Runde versammelt und erzählt, wie esihnen gefallen hat. Das Publikum war begeistert!

Diese erste große Veranstaltung,die von Eltern selbst organisiertund durchgeführt worden ist, war ein großer Erfolg!

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Es ist geschafft!!! Und alle können gespannt sein, wie es im nächsten Jahr weitergeht…

Literaturverzeichnis

•Alscher, Stefan: Dossier Migration, 2013 •Sacher, Werner in Stange, Krüger, Henschel, Schmitt (Hrsg.) 2012: Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Springer VS, Wiesbaden.•Stange, Waldemar in Stange, Krüger, Henschel, Schmitt (Hrsg.) 2012: Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Springer VS, Wiesbaden.•Deutsche Schulgeschichte. Website der Stadt Bochum: www.bochum.de•Sinus Studie über Migranten-Milieus in Deutschland, 2008•Gomolla und Radtke: Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule, VS Verlag, Wiesbaden 2009•Fürstenau und Gomolla (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Elternbeteiligung, VS Verlag, Wiesbaden 2009•Melter/Mecheril (Hrsg.): Rassismuskritik: Rommelspacher, Wochenschau Verlag Schwabach/Ts. 2009•Fereidoonie in „Damals wie heute? Bildungsfragen in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland – eine Tagungsdokumentation“, Verlag: freitext Kultur und Gesellschaftsmagazin (2012)•Demokratie verstehen lernen: Methodenbox der Anti-Bias Werkstatt, Aurich 2007