Vor 125Jahren Eröffnung der Eisenbahnstrecke Mitterteich - Eger · 2011-02-25 · Kutschen zu...

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Walther Zeitler Vor 125 Jahren Eröffnung der Eisenbahnstrecke Mitterteich - Eger Die Oberpfalz wurde erst sehr spät an das bayerische Eisenbahnnetz angeschlossen. Hierfür waren zwei Gründe maßgebend: König Ludwig I. bevorzugte eindeu- tig den Ausbau des Ludwig-Donau-Main-Kanals, den man lange Zeit in München als ausreichende Verkehrser- schließung Ostbayerns ansah und als man merkte, daß dies ein Trugschluß war, hatte der Staat kein Geld mehr, um sein Staatsbahnnetz auch auf Ostbayern auszudeh- nen. So richtete die Kreis-, Gewerbe- und Handelskam- mer der Oberpfalz und von Regensburg 1855 eine Bitt- schrift an den König, in der sie dringend um den Bau einer Eisenbahn Nürnberg - Amberg - Regensburg und Am- berg - Pilsen bat. Darin heißt es u.a.: "Es ist nicht zuviel gesagt, wenn wir die Oberpfalz eine vergessene Provinz und ihre Lage eine trostlose und elende nennen!" Diese Behauptung wurde durch eine 22seitige ausgezeichnete Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der damali- gen Zeit untermauert. Konzession an Privatgesellschaft Am 19. März 1856 beschlossen endlich die beiden Kam- mern des bayer. Landtages ein Gesetz zur Bildung der "Kgl. privilegierten Aktiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen", welche am 12.April 1856von König Maximi- lian 11. die Konzession zum Bau und Betrieb der vier ost- bayerischen Eisenbahn-Grundlinien erhielt, nämlich von Nürnberg über Amberg nach Regensburg, von München über Landshut an die Donau, von Regensburg nach Pas- sau und von der Amberg-Regensburger Linie an die Lan- desgrenze gegen Pilsen. 60 Mio. Gulden veranschlagte die Ostbahn für dieses Grundnetz, doch als diese vier 84 Strecken eröffnet waren, hatte Ostbahndirektor Paul von Denis, welcher schon die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth erbaut hatte, nur 45 Mio. Gulden des Aktienkapitals verbraucht. Umgehend beantragte der Ostbahn-Verwaltungsrat eine Konzession für die Ausdehnung seines Streckennetzes nach Norden. Am 1. Februar 1861 erklärte die Staatsre- gierung ihr Einverständnis mit der Aufnahme der Projek- tierungsarbeiten. Während die Ostbahn ihre vier Grund- strecken nach eigenem Gutdünken gebaut hatte, schalte- ten sich jetzt die Gemeinden und Städte massiv ein. Jeder wollte eine Eisenbahn. Ganze Aktenbündel mit Bittschrif- ten liegen in den Archiven, wobei die Ostbahn eindeutig die Verbindung Amberg - Viiseck - Bayreuth bevorzugte. Doch darin sah man in München eine zu große Konkur- renz ihrer fränkischen Staatsbahnlinien. Tirschenreuth wollte unbedingt an eine Zweigbahn Weiden - Eger ange- schlossen werden,während Erbendorf Eisenbahnknoten- punkt für die Strecken nach Bayreuth, Eger und Weiden werden wollte. Am 29. Oktober 1861 unterzeichnete Kö- nig Maximilian 11. das Gesetz zum Bau zweier Linien, ohne daß ihre genaue Linienführung festlag. Jetzt setzte gera- dezu ein hektisches Bemühen aller in- und ausländischen Stellen ein, an diese Bahnen angeschlossen zu werden. Das Egerland hatte damals noch keine Eisenbahn und die Stadt Eger, welche der k. u. k. Regierung in Wien unter- stand, war rastlos tätig, um der Stadt endlich einen Eisen- bahnanschluß zu sichern. Nach langem Hin und Her entschied sich endlich auch die Ostbahn für Weiden - Mit- terteich - Eger. In der Generalversammlung vom 17. März 1862 fiel die Entscheidung für diese Strecke, vorausge- setzt, Bayern erweiterte auch für diese seine Zinsgarantie

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Walther Zeitler

Vor 125 Jahren Eröffnung der Eisenbahnstrecke Mitterteich - Eger

Die Oberpfalz wurde erst sehr spät an das bayerischeEisenbahnnetz angeschlossen. Hierfür waren zweiGründe maßgebend: König Ludwig I. bevorzugte eindeu­tig den Ausbau des Ludwig-Donau-Main-Kanals, denman lange Zeit in München als ausreichende Verkehrser­schließung Ostbayerns ansah und als man merkte, daßdies ein Trugschluß war, hatte der Staat kein Geld mehr,um sein Staatsbahnnetz auch auf Ostbayern auszudeh­nen. So richtete die Kreis-, Gewerbe- und Handelskam­mer der Oberpfalz und von Regensburg 1855 eine Bitt­schrift an den König, in der sie dringend um den Bau einerEisenbahn Nürnberg - Amberg - Regensburg und Am­berg - Pilsen bat. Darin heißt es u.a.: "Es ist nicht zuvielgesagt, wenn wir die Oberpfalz eine vergessene Provinzund ihre Lage eine trostlose und elende nennen!" DieseBehauptung wurde durch eine 22seitige ausgezeichneteDarstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der damali­gen Zeit untermauert.

Konzession an Privatgesellschaft

Am 19. März 1856 beschlossen endlich die beiden Kam­mern des bayer. Landtages ein Gesetz zur Bildung der"Kgl. privilegierten Aktiengesellschaft der bayerischenOstbahnen", welche am 12. April 1856 von König Maximi­lian 11. die Konzession zum Bau und Betrieb der vier ost­bayerischen Eisenbahn-Grundlinien erhielt , nämlich vonNürnberg über Amberg nach Regensburg, von Münchenüber Landshut an die Donau, von Regensburg nach Pas­sau und von der Amberg-Regensburger Linie an die Lan­desgrenze gegen Pilsen. 60 Mio. Gulden veranschlagtedie Ostbahn für dieses Grundnetz, doch als diese vier

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Strecken eröffnet waren, hatte Ostbahndirektor Paul vonDenis, welcher schon die erste deutsche Eisenbahn vonNürnberg nach Fürth erbaut hatte, nur 45 Mio. Gulden desAktienkapitals verbraucht.Umgehend beantragte der Ostbahn-Verwaltungsrat eineKonzession für die Ausdehnung seines Streckennetzesnach Norden. Am 1. Februar 1861 erklärte die Staatsre­gierung ihr Einverständnis mit der Aufnahme der Projek­tierungsarbeiten. Während die Ostbahn ihre vier Grund­strecken nach eigenem Gutdünken gebaut hatte, schalte­ten sich jetzt die Gemeinden und Städte massiv ein. Jederwollte eine Eisenbahn. Ganze Aktenbündel mit Bittschrif­ten liegen in den Archiven, wobei die Ostbahn eindeutigdie Verbindung Amberg - Viiseck - Bayreuth bevorzugte.Doch darin sah man in München eine zu große Konkur­renz ihrer fränkischen Staatsbahnlinien. Tirschenreuthwollte unbedingt an eine Zweigbahn Weiden - Eger ange­schlossen werden ,während Erbendorf Eisenbahnknoten­punkt für die Strecken nach Bayreuth, Eger und Weidenwerden wollte. Am 29. Oktober 1861 unterzeichnete Kö­nig Maximilian 11. das Gesetz zum Bau zweier Linien , ohnedaß ihre genaue Linienführung festlag. Jetzt setzte gera­dezu ein hektisches Bemühen aller in- und ausländischenStellen ein, an diese Bahnen angeschlossen zu werden.Das Egerland hatte damals noch keine Eisenbahn und dieStadt Eger, welche der k. u. k. Regierung in Wien unter­stand, war rastlos tätig, um der Stadt endlich einen Eisen­bahnanschluß zu sichern. Nach langem Hin und Herentschied sich endlich auch die Ostbahn für Weiden - Mit­terteich - Eger. In der Generalversammlung vom 17. März1862 fiel die Entscheidung für diese Strecke, vorausge­setzt, Bayern erweiterte auch für diese seine Zinsgarantie

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von 4,5% wie bei den Grundstrecken, was auch geschah.Am 17. Juni 1863 schlossen Österreich und Bayern überdiese Bahnstrecke zusammen mit der von Eger nach Hofeinen Staatsvertrag und nun ging es endlich mit den Bau­vorbereitungen los.

Wo gibt es gute Ziegel?

Die Ostbahn hatte sich verpflichtet, den Egerer Bahnhofzu bauen und an die anderen Eisenbahngesellschaften,welche Strecken nach Eger planten, zur Mitbenützung ge­gen entsprechende Miete zu überlassen. Sektionsinge­nieur Adolf Beichele, welcher von Waldsassen aus denBau der 6,7 km langen Strecke von der Landesgrenze bisEger plante, berichtete am 19. Dezember 1862 nach Mün­chen, daß besonders an guten Ziegeln im weiten Umkreisvon Eger Mangel herrsche. Sämtliche Ziegelbauten dortwürden nach kurzer Zeit verwittern. Bei seinen Besuchenhätte nur eine Ziegelei abgelagerten Lehm auf Lager, alleanderen müßten frischen und damit zu feuchten verwen­den. Guten schwarzen Kalk gäbe es bei Dirschnitz in derNähe von Franzensbad, der nächste Steinbruch mit gutemGranit läge bei Altenteich. Da der Untergrund in der EgererGegend schlecht sei, schlug er vor, die Ziegelfundamentemit Granitquadern zu ummauern, um ihre Lebensdauer zuerhöhen. Die Steinbrüche lägen zwischen 12 und 15 Kilo­meter von den Baustellen entfernt. Die Hausteine werdeer von dem Steinmetzen Josef Preuß beziehen, welcherbei Ottengrün einen guten Steinbruch betreibe, genügendPersonal und auch ein Dutzend Fuhrwerke habe. Die Zu­fuhrwege seien durchwegs sehr schlecht. Dieser Berichtzeigt deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Ingenieurebeim Bahnbau kämpfen mußten, Schwierigkeiten, die derBahnbau schließlich beheben sollte.

Gute Baufirmen knapp

Damals herrschte im Raum Eger durch den Bau mehrereranderer Eisenbahnstrecken ein wahres Baufieber. Auch inder Oberpfalz waren die Baumeister angesichts der uner­warteten Aufträge bis an die Leistungsgrenze ausgela­stet, so daß die Ostbahn auf ausländische Unternehmenzurückgreifen mußte. Dabei machte sie einige Maleschlechte Erfahrungen. Das Baulos X in den GemeindenRöthenbach und Voithenthan zwischen Reuth und Wie-

sau hatte sie an ein Konsortium zweier böhmischer Unter­nehmer vergeben, nämlich Wenzl Flusty und Johann Jeri­nez. Doch beide kamen in Streit, Jerinez schied aus. Am11. März 1863 berichtete Sektionsingenieur Heinrich Bin­ger, der bis April 1962 seinen Sitz in Mitterteich hatte, daßWenzeslaus Flusty am 9. März 1863 "unter Hinterlassungbedeutender Schulden heimlich entwichen sei, wobei ersein und fremdes Eigentum mitgenommen." Schadenentstand der Ostbahn dadurch nicht, da die von Flusty ge­leistete Kaution einbehalten wurde. Die Arbeiten über­nahm an diesem Baulos Unternehmer Mathias Kuratkoaus Franzensbad.Die Baulose zwischen Wiesau und Waldsassen wurdenüberwiegend den italienischen Unternehmern Pietro Rhi­gini und Giovanni Scolari übertragen, welche hierzu dieTonschieferbrüche bei Mammersreuth und Kiesberg undden Granitbruch bei Fockenfeld ausbeuteten.Einen großen Teil der benötigten Tonschiefer-Bruch­steine lieferte Liborius Held aus Mitterteich, doch mußteihm die Ostbahn eine große Anzahl Schubkarren sowieviel Werkzeug bereitstellen. Bei den Steinmetzen bekamDaniel Lapp aus Ixheim bei Zweibrücken den Zuschlag fürdie Brücken und Durchlässe im Raum Mitterteich - Wald­sassen.Im Winter 1864/65 war es besonders kalt, der Boden warbis zu 60 cm tief gefroren und die Bauunternehmer wolltendie Arbeiten einstellen. Doch Ingenieur Beichele in Wald­sassen schloß mit einem Konsortium um Albert Czastkaeinen Vertrag, daß man im Winter durcharbeitete, dafürerhöhte er die Akkordlöhne. Wörtlich berichtete er an dieOstbahndirektion nach München: "Hätte ich die Zulagenicht erhöht und hätten sich die Arbeiter verlaufen, sowäre es schwer gewesen, im Frühjahr wieder welche zubekommen und dann nur zu viel höheren Löhnen!"

Auswirkungen des Bahnbaues

Der Bau der Eisenbahn versetzte die Bevölkerung desStiftlandes in eine wahre Aufbruchstimmung. Eine neueZeit war angebrochen. Brachte schon der Grundkaufdurch die Ostbahn viel Geld ins Land, so gab es durch die..eigentlichen Bauarbeiten Arbeit in Hülle und Fülle. Uberallwurden die Arbeitskräfte knapp. Steinbrüche, Ziegeleien,Fuhrgeschäfte, die verschiedensten Handwerksberufe

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und nicht zuletzt die Gasthöfe machten Geschäfte wienoch nie. Während der Schotter für die Gleise an Ort undStelle geschlagen wurde, errichtete die Ostbahn für dasTränken der Bahnschwellen eigene Imprägnierwerke,davon eines in Mitterteich, das noch jahrelang nach derBahneröffnung in Betrieb war. Riesige Mengen Holz ver­schwanden im Bahnschotter der neuen Strecken.

Mitterteich war über ein Jahr Endstation

Die Strecke Weiden - Mitterteich war am 15. August 1864mit 39,12 km Länge in Betrieb genommen worden. Öster­reichischerseits war man sehr daran interessiert, endlichvon der Metropole Wien aus eine Eisenbahnverbindung indas böhmische Bäderdreieck zu bekommen. Doch alleBemühungen der Ostbahn blieben anfangs erfolglos. Am13. Mai 1865 berichtete eine Inspektor Steininger demOstbahnverwaltungsrat, daß "eine direkte Verbindung mitdem böhmischen Badeorten von Mitterteich aus durchVermittlung der Post nicht zu erzielen war ..." Man habedeshalb ein Übereinkommen mit dem Gastwirt und Fuhr­unternehmer Joseph Wiendl in Mitterteich geschlossen,"dessen Verläßlichkeit und Geschäftseifer mir bekanntist! " Der am 5. Mai 1865 zwischen Wiendl, der k. u. k. priv.Elisabeth-Westbahn und der Ostbahn enthielt keinerleiVerpflichtungen für die Ostbahn und bestimmte in § 1:"Während der bevorstehenden Badesaison soll einedirekte Personen- und Gepäckabfertigung von Wiennach Carlsbad, Marienbad und Franzensbad via Pas­sau - Mitterteich derart stattfinden, daß die Reisendenaußer den Eisenbahn-Billeten für die Strecke Wien - Mit­terteich gegen Zahlung der weiter unten normiertenFahrtaxen ein Zusatzbillet erhalten, welches Anspruchauf die Beförderung von Mitterteich nach den genanntenBadeorten, sowie auch den Transport des Reisegepäcksgewährt."Gastwirt Wiendl garantierte den Weitertransport von biszu zwanzig Personen täglich in "gutbeschaffenen ge­deckten Chaisen" . Die Leute des Herrn Wiendl hatten vomBahnpersonal das Gepäck zu übernehmen und in denKutschen zu verstauen. Dafür durften sie kein Trinkgeldfordern, aber sicher haben sie eines bekommen. Die.Plätze in den Kutschen wurden in der Reihenfolge derFahrkartennummern angewiesen.Die Fahrt von Mitterteich nach Franzensbad kostete 21/2

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Gulden, nach Marienbad 4 Gulden und nach Carlsbad 5Gulden, alles in österreichischer Währung. Und wie langedauerte die ganze Fahrt? Abfahrt in Wien war täglich um16.30 Uhr, in Passau war Aufenthalt von 23.55 Uhr bis0.25 Uhr, dann war man um 9 Uhr in Mitterteich, wo um9.30 Uhr die Wiendl'schen Kutschen abfuhren. In Egerwar man um 11.30 Uhr, in Franzensbad um 12 Uhr, Ma­rienbad 15 Uhr und Carlsbad 16.30 Uhr. Dank JosephWiendl erreichten also die Kurgäste aus Wien ihren Kurortspätestens in 24 Stunden!Sicher wehte damals in dem kleinen Bahnhof Mitterteichein Hauch der großen weiten Welt! Und der oberpfälzi­sche Gastwirt hatte es der mächtigen Postanstalt gezeigt,was Flexibilität im Geschäftsleben heißt! Da der Vertragbestimmte, daß man für eine Extrakutsche vier Fahr­scheine lösen mußte, so mußte also Wiendl täglich fünfKutschen mit zusammen zehn Pferden ab Mitterteich be­reithalten, von denen er sicher für die weiteste Fahrt nochWechselpferde brauchte.Am 1. Juni 1865 begann dieser kombinierte VerkehrEisenbahn-Kutsche und dauerte bis zum 30. September1865, wobei man vereinbart hatte, daß auch im nächstenSommer diese Regelung beibehalten werde. falls dieBahnstrecke noch nicht durchgehend in Betrieb sei, wasaber nicht der Fall war.

Die Bahneröffnung

Ostbahndirektor Paul von Denis hatte noch am 13. August1865 seinen Verwaltungsrat von neuerlichen beachtlichenDammrutschungen auf der Egerer Linie unterrichtet, dochin Aussicht gestellt, daß man alles dransetzen wolle, umden Eröffnungstermin 15. Oktober 1865 einhalten zu kön­nen. Und so war es auch. Die kgl. priv. Aktiengesellschaftwar die erste Eisenbahngesellschaft, welche eine Bahnli­nie nach Eger eröffnen konnte. Hatte man bei Baubeginnnoch von einer großen Eröffnungsfeier gesprochen, sobeschränkte man sich dann schließlich auf ein Mittages­sen für das am Bau beteiligte technische Personal.Mit Eger ging es nun steil bergauf: Am 1. November 1865eröffnete die bayerische Staatseisenbahn den Betrieb aufder Pachtbahn Oberkotzau - Eger und die SächsischeStaatsbahn auf der Strecke Herlasgrün - Oelsnitz - Eger.Am 18. September 1870 kam schließlich die Strecke Eger- Karlsbad dazu, am 28. Januar 1872 die Strecke Eger-

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Grenze bei Waldsassen imJahre 1960. Die Gleise derBahnstrecke sind bereitsUnkraut-überwuchert. An dereigentlichen Grenze sperrteine Holzbarriere mit einemSchild "Halt Grenze!" ab,rechts das Vorsignalzeichenfür den ehemaligen BahnhofSchloppenhof, das dazuge­hörige Vorsignal ist rechtsneben dem Schild "HaltGrenze" zu erkennen. 1966wurden die Gleise hier end­gültig abgebaut.

Der alte Bahnhof Eger wurdeam 15. Oktober 1865 inBetrieb genommen. 1945 fielder von der Ostbahngesell­schaft errichtete Monumental­bau einem amerikanischenLuftangriff zum Opfer.

Aufnahme aus dem Jahr 1902.

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Diese Zahlen zeigen, daß Wiesau den größten Anstieg inden ersten Betriebsjahren dieser Strecke hatte. WaIdsas­sen mußte im Personenverkehr sogar einen Rückganghinnehmen. Im Güterverkehr übertraf der Empfang denVersand in der Regel um das Doppelte, was auf die gro­ßen Mengen beförderter Braunkohle aus den böhmischenKohlerevieren zurückzuführen ist. In Mitterteich war derGüterempfang sogar um das Vierfache höher als der Ver­sand. Eine Umrechnung in Tonnen, wobei man damalsnach bayerischen Gewichten einen Zentner mit 56 kg an­setzen muß, ergibt bei der Kohle folgendes: 1874 wurdenin Waldsassen 3 149 t Kohle entladen, in Mitterteich 2 554t. 1882 hatte in Mitterteich die heutige Deutsche Spezial­glas AG. als .Fürther Spiegelbeleganstalt" ihren Betriebaufgenommen. Der Grund für die damalige Industriean­siedlung war die günstige Lage zu den böhmischen Koh­lefeldern. Weitere Porzellan- und Glasfabriken in Mitter­teich, Waldsassen und Schloppenhof sowie der großeSteinbruch in Steinmühle, welche lange Zeit eine eigeneWerkbahn betrieb, machten die Egerer Strecke zu einerIndustriebahn.Nach den Einnahmen lag der Bahnhof Eger im Jahre 1900unter allen 827 rechtsrheinischen Bahnhöfen an31. Stelle. Waldsassen rangierte auf Platz 118, Mitterteich175, Steinmühle 178 und Schloppenhof 725. In Mitter­teich war der Gütereingang mit 30477 Tonnen dreimal sostark wie der Versand, in Waldsassen mit 37 481 Tonnen1,7mal. Dagegen wurden in Steinmühle mit 71 825 Ton­nen 35 mal so viel versandt wie empfangen. Der starkeGüterempfang weist auf den großen Eingang an Kohlenund Grundstoffen für die Porzellan- und Glaserzeugunghin, der starke Güterversand in Steinmühle geht auf dasKonto des Basaltsteinbruchs.Im Jahre 1913, dem letzten Friedensjahr vor dem ErstenWeltkrieg, gingen die Zahlen des Güterverkehrs bei fastallen Stationen etwas zurück, lediglich in Waldsassen

Bahnhof verkaufte Fahrkarten Güterverkehr insgesamtin Ztr,

Pilsen. Fünf Eisenbahngesellschaften bildeten die EgererBahnhofsgemeinschaft, welche bis 1938 bestand und zu­letzt von der Deutschen Reichsbahn geleitet wurde. Egerwar ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt gewordenund die Deutsche Reichsbahn unterhielt zuletzt, also1938, in Eger je ein Betriebsamt, Verkehrsamt, Maschi­nenarnt, den Bahnhof, drei Bahnmeistereien, eine Signal­meisterei und ein Bahnbetriebswerk mit zwei Maschinen­häusern. 2 500 deutsche Eisenbahner mit ihren Familienwaren in Eger stationiert.

Das wuchtige, unten quaderverkleidete alte Egerer Bahn­hofsgebäude entwarf der Ostbahnarchitekt Heinrich Hü­gel. Es wurde zum Kriegsende 1945 zerstört und 1965eröffneten die Tschechoslowakischen Staatsbahnen dasneue Egerer Bahnhofsgebäude.

Grenzstrecke von Anfang an mit Defizit

Die Grenzstrecke von Waldsassen nach Eger, welcherund eine Million Gulden gekostet hatte, deckte von An­fang an nicht die Betriebs- und Anlagekosten. Die Fr~­

quenz war aber im ersten Jahr vom 15. Oktober 1865 bis30. September 1866 nicht schlecht: 35 578 Personen, 4Pferde, 591 Rinder, 2193 Schafe und Hunde sowie992 381 Zenter Güter aller Art wurden transportiert. Dochdie Ostbahn hatte hohe Auflagen akzeptieren müssen. Dalängs der Strecke Waldsassen - Eger keine Staatstelegra­phenleitung bestand, mußte die Ostbahn eine solc~e ~r­

richten und auf eigene Kosten unterhalten. Der riesigeEgerer Bahnhof konnte nur mit erheblichen Zuschüssenbetrieben werden. An der Strecke von Wiesau bis Egergab es ursprünglich auch nur die Bahnhöfe Mitterteichund Waldsassen, während Steinmühle und jenseits derGrenze Schloppenhof erst später eröffnet wurden. Wie­sau war ursprünglich ein unbedeutender Bahnhof an die­ser Strecke, wurde aber durch den Bau der Vizinalbahnnach Tirschenreuth 1872 und durch die Abkürzungsbahnnach Marktredwitz 1882 ganz erheblich aufgewertet.

Die Zahl der verkauften Fahrkarten und der Güterverkehrauf den Bahnhöfen der Strecke Wiesau - Eger entwickel­ten sich vom ersten Betriebsjahr 1865/66 bis zum Be­triebsjahr 1874 so:

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1865/66

Wiesau 5542Mitterteich 12 7811 /2Waldsassen 16 3811/2Eger 177591/2

1874

13325146681377424692

1865/66

1 5019178360554483 753

1874

189376590753196907

1340866

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stieg dieser um die Hälfte. Der allgemein starke Anstiegder ausgegebenen Fahrausweise hat meiner Meinungmehr statistischen Wert, denn früher rechneten die Bah­nen auch Zeitkarten als eine verkaufte Fahrkarte, 1913wurden dann bei Wochenkarten sechs Fahrten , bei Mo­natskarten 25 Fahrten angesetzt. Mitterteich hatte 190018 567 Fahrkarten verkauft, 1913 dagegen 59 270. Mankann daraus einen beachtlichen Anstieg des Berufsver­kehrs entnehmen, was natürlich mit der wachsenden In­dustrialisierung zusammenhängt.

1945: Die große Zäsur

Während 1938 durch die Angliederung des Sudetenlan­des die Grenze zwischen Waldsassen und Eger entfielund der Eisenbahnverkehr stark zunahm, kam mit demEnde des Zweiten Weltkrieges die große Zäsur: Der Eisen­bahngrenzverkehr zwischen Eger, das heute Cheb heißt,und Waldsassen wurde nicht mehr aufgenommen. DieDeutsche Bundesbahn baute in den Monaten Septemberund Oktober 1966 die Strecke von Waldsassen bis zurLandesgrenze ab. 1986 kam dann ein weiterer Schlag:Der Reisezugverkehr zwischen Wiesau und Waldsassenwurde am 31. Mai 1986 eingestellt, der Personenverkehrnur noch mit Omnibussen aufrechterhalten.

Den Rückgang des Eisenbahnverkehrs oder der Benüt­zung dieser einst so florierenden Strecke zeigen folgendeZahlen:

Bahnhof verkaufte Fahrkarten umgeschlageneBahngutmengen in t

1952 1965 1974 1952 1965 1974

Mitterteich 58084 49135 32291 8312250027 63784Steinmühle 17 559 15052 6189 99308 27698 7262Waldsassen 54984 53817 37388 124346 68154 14439

Was waren die Gründe für diesen rasanten Verkehrsrück­gang?Hauptgrund war zweifellos die rapide Motorisierungs­weIle, verbunden mit einem beachtlichen Ausbau desStraßenverkehrsnetzes. Doch das war es nicht allein. Por­zellan- und Glasfabriken brauchen heute keine Kohlemehr. Gas und Elektrizität haben die Kohle als Heizgut ab­gelöst, und dies auch in den Haushalten. Die DeutscheBundesbahn benötigt immer weniger Basaltschotter,Holz wurde in vielen Bereichen durch Kunststoffe ver­drängt. So kann man folgendes Fazit ziehen:Die Eisenbahn war die Voraussetzung für die Industriali­sierung des Stiftlandes im vorigen Jahrhundert. Sie wardabei auch einer der größten Auftraggeber für die Wirt­schaft und einer der gesuchtesten Arbeitgeber. Sie hatdas Stiftland über die Grenze nach Eger mit dem böhmi­schen Bäderdreieck und mit den Kohlerevieren in Böh­men verbunden, wodurch die Ansiedlung Rohstoff-inten­siver Industrien längs der Eisenbahnstrecke Wiesau - Egermöglich war. Nicht zuletzt die Folgen des letzten Weltkrie­ges waren mitschuldig daran, daß auf dieser Strecke, aufder einst durchgehende Schnellzüge die Grenze passier­ten, heute der Reisezugverkehr eingestellt ist. Die Eisen­bahn hat ihre Schuldigkeit getan!

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