(vor allem auf die somati-schen Kompartimente) als Alternative zu in vivo Abklarungen vor. In ihrem...

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--~~---------------------------- ¥~ Tagungsberichte 4. Osterreichischer internationaler Kongrefi iiber Ersatz- und Erganzungsmethoden zu Tierversuchen in der biomedizinischen Forschung, 2. Jahrestagung der MEGAT A-Linz, 24.-26. September 1995 Gastvortrage (Vorsitz Helmut A. Tritthart): Der 4. Osterreichische Intemationale KongreB uber Ersatz- und Ergan- zungsmethoden zu Tierversuchen in der biomedizinischen Forschung wurde am Sonntag, den 24. September 1995, in Linz eroffnet mit einem Refe- rat des EU-Verantwortlichen der DG 11, George Pechovitch: "Die Durch- setzung der Europaratsrichtlinie 86/ 609". Diese dem Tierschutz im weite- sten Sinne dienende Richtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zu implementieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu koordinieren, wird vom EU Parlament und der EU Kommission als sehr wichtige Aufgabe gesehen. Die Schwierigkeiten mit die- ser Aufgabe sind aber sehr groB, was auch am Beispiel der Reduktion von Tierversuchen erlautert wurde. Mit Ende dieses Jahres ist zu erhoffen, daB das EU Parlament und Regierung alle Staaten verpflichtende Entschltisse fas- sen werden und so klare europaische Richtlinien fur den Tierschutz beste- hen, die in die nationale Gesetzgebung iibernommen werden mussen, Willi Halle (Forschungsinstitut fur Molekulare Pharmakologie, Berlin) be- richtete dann uber die .Pradiktion der akuten Toxizitat mit Hilfe von Zytoto- xizitatsdaten". Die Auswertung um- fangreicher Daten untersttitzt die Aus- sage, daB aus gegebenen in vitro Wer- ten verschiedenartigster Zytotoxizitats- tests der entsprechende in vivo Wert Iiber eine Regressionsgrade mit ab- schatzbarer Streubreite gefunden wer- den kann. In vivo Versuche, die nur der Grobschatzung der Toxizitat bzw. Reizklassen dienen, sind deshalb nicht erforderlich. Angelo Vedani (SIAT-Biografikla- bor, Basel) berichtete iiber "Computer- modelle im pharmakologischen und toxikologischen Screening". Die syste- matische Suche nach neuen Wirkstof- fen (Screening) kann bei bekanntem AL TEX 12, 4/95 Rezeptor auch durch Computermodell- rechnungen durchgeflihrt werden, in denen die dreidimensionalen Vertei- lungen der Bindungsstarken berechnet werden (Rezeptormodell). Fiir viele Moleki.ile kann so die Bindungskon- stante in sehr guter Ubereinstimmung mit experimentellen Daten vorausbe- rechnet werden. Durch computerunter- sttitztes Screening lassen sich so ge- naue Angaben zu Bindungs- bzw. Wirkstarke yon vielen Stoffen berech- nen und dadurch Tierversuche vermei- den. Auch fur toxikologische Frage- stellungen sind solche Modellrechnun- gen einsetzbar. In vitro Entziindungsmodelle (Vorsitz Helmut A. Tritthart): Achim Sauer (Universitat Konstanz) berichtete iiber .Ein in vitro Modell zu immunopharmakologischen Untersu- chungen von Mechanismen der Gram- positiven und Gram-negativen Sepsis". Tierversuche zur Sepsis sind sehr bela- stend. Das in vitro Modell beruht auf einer Kokultur aus Hepatozyten und Lebermakrophagen (Kupffersche Stemzellen) der Ratte und neutrophilen Granulozyten (PMN) des Menschen. Durch Zugabe yon LPS stimuliert man die Makrophagen zur Freisetzung des Zytokins Tumor-Nekrose-Faktor a (TNFa), das seinerseits die PMN akti- viert, die daraufhin durch Degranulati- on yon proteolytischen Enzymen die Hepatozyten zerstoren. Diese Ergeb- nisse korrelieren mit Befunden aus Tierversuchen, in denen TNFa als ein zentraler Mediator der LPS-induzierten Organschadigung identifiziert wird und sich gleichzeitig zahlreiche Hinweise auf die Beteiligung yon PMN an der Organschadigung ergeben. Sowohl die LPS-induzierte TNF-Freisetzung als auch die Leberzellenschadigung korre- Iierte in vitro mit der Freisetzung von Elastase aus den PMN. Diese Ergeb- nisse stimmen sowohl mit tierexperi- hat mentellen Befundcn uberein, als auch mit klinischen Beobachtungen, die eine Korrelation zwischen Elastase im Blut yon Patienten mit Sepsis und der Mor- talitat beobachteten. Dieses in vitro Modell zeigt somit eine groBe Uberein- stimmung bezuglich der Pathomecha- nismen, die zur septischen Organscha- digung fuhren, Thomas Hartung (Universitat Kon- stanz) berichtete uber "Die Erfassung yon Pyrogenen in einem humanen Vollblutrnodell", Es wurde ein in vitro Modell zur Erfassung yon fiebererzeu- genden Substanzen vorgestellt, in dem die Freisetzung der yon den Leukozy- ten gebildeten Botenstoffe (endogene Pyrogene) gemessen wurde, die die Fieberwirkung vermitteln: Tumor-Ne- krose-Faktor (TNF), Interleukin-l (IL- l), Interleukin-6 (IL-6) und Prostaglan- din E2 (PGE z ). Tatsachlich lassen sich bereits durch geringe Pyrogenmengen gut meBbare Mengen dieser Botenstof- fe freisetzen. Auber Endotoxinen kon- nen auch andere bakterielle Kompo- nenten eine entsprechende Reaktion auslosen. Das Modell weist Vorteile im Vergleich zum Kaninchen-Pyrogentest oder der Endotoxin-Bestimrnung mit- tels Limulus-Assay auf. Die verglei- chende Evaluierung als in vitro Ersatz- methode zur Testung auf Pyrogene erscheint sehr aussichtsreich. hat In vitro Modelle in der Neuro- toxikologie (Vorsitz Christoph A. Reinhardt): Gabriele Schmuck (Bayer AG, Wup- pertal) stellte in der Session uber in vitro Modelle in der Neurotoxikologie ein - ursprunglich yon Chris Atterwill vorgeschlagenes - dreistufiges Scree- ningschema vor, das in der industriel- len Praxis eingesetzt wird. In der ersten Stufe werden Zytotoxizitatstests (un- spezifische Esterase-Aktivitat, Gluko- se-Verbrauch) an frisch isolierten tieri- schen Hirnzellen durchgefiihrt. In der zweiten Stufe werden an denselben Zellen spezifische neuronale Eigen- schaften, wie Neurotransmitter-Gehalt und Gliafunktion gepruft. Erst in der dritten Stufe sind die aufwendigeren elektrophysiologischen Tests und Re- zeptorbindungsstudien vorgesehen. Weil dieses Screening nur firmenintern validiert wird, konnen die Behorden keine allgemeinen Empfehlungen fur 231

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Tagungsberichte

4. Osterreichischer internationaler Kongrefi iiber Ersatz-und Erganzungsmethoden zu Tierversuchen in der

biomedizinischen Forschung, 2. Jahrestagung der MEGATA-Linz, 24.-26. September 1995

Gastvortrage (Vorsitz Helmut A.Tritthart):Der 4. Osterreichische IntemationaleKongreB uber Ersatz- und Ergan-zungsmethoden zu Tierversuchen inder biomedizinischen Forschungwurde am Sonntag, den 24. September1995, in Linz eroffnet mit einem Refe-rat des EU-Verantwortlichen der DG11, George Pechovitch: "Die Durch-setzung der Europaratsrichtlinie 86/609". Diese dem Tierschutz im weite-sten Sinne dienende Richtlinie in deneinzelnen Mitgliedsstaaten der EU zuimplementieren und die rechtlichenRahmenbedingungen zu koordinieren,wird vom EU Parlament und der EUKommission als sehr wichtige Aufgabegesehen. Die Schwierigkeiten mit die-ser Aufgabe sind aber sehr groB, wasauch am Beispiel der Reduktion vonTierversuchen erlautert wurde. MitEnde dieses Jahres ist zu erhoffen, daBdas EU Parlament und Regierung alleStaaten verpflichtende Entschltisse fas-sen werden und so klare europaischeRichtlinien fur den Tierschutz beste-hen, die in die nationale Gesetzgebungiibernommen werden mussen,Willi Halle (Forschungsinstitut fur

Molekulare Pharmakologie, Berlin) be-richtete dann uber die .Pradiktion derakuten Toxizitat mit Hilfe von Zytoto-xizitatsdaten". Die Auswertung um-fangreicher Daten untersttitzt die Aus-sage, daB aus gegebenen in vitro Wer-ten verschiedenartigster Zytotoxizitats-tests der entsprechende in vivo WertIiber eine Regressionsgrade mit ab-schatzbarer Streubreite gefunden wer-den kann. In vivo Versuche, die nur derGrobschatzung der Toxizitat bzw.Reizklassen dienen, sind deshalb nichterforderlich.Angelo Vedani (SIAT-Biografikla-

bor, Basel) berichtete iiber "Computer-modelle im pharmakologischen undtoxikologischen Screening". Die syste-matische Suche nach neuen Wirkstof-fen (Screening) kann bei bekanntem

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Rezeptor auch durch Computermodell-rechnungen durchgeflihrt werden, indenen die dreidimensionalen Vertei-lungen der Bindungsstarken berechnetwerden (Rezeptormodell). Fiir vieleMoleki.ile kann so die Bindungskon-stante in sehr guter Ubereinstimmungmit experimentellen Daten vorausbe-rechnet werden. Durch computerunter-sttitztes Screening lassen sich so ge-naue Angaben zu Bindungs- bzw.Wirkstarke yon vielen Stoffen berech-nen und dadurch Tierversuche vermei-den. Auch fur toxikologische Frage-stellungen sind solche Modellrechnun-gen einsetzbar.

In vitro Entziindungsmodelle(Vorsitz Helmut A. Tritthart):Achim Sauer (Universitat Konstanz)berichtete iiber .Ein in vitro Modell zuimmunopharmakologischen Untersu-chungen von Mechanismen der Gram-positiven und Gram-negativen Sepsis".Tierversuche zur Sepsis sind sehr bela-stend. Das in vitro Modell beruht aufeiner Kokultur aus Hepatozyten undLebermakrophagen (KupfferscheStemzellen) der Ratte und neutrophilenGranulozyten (PMN) des Menschen.Durch Zugabe yon LPS stimuliert mandie Makrophagen zur Freisetzung desZytokins Tumor-Nekrose-Faktor a(TNFa), das seinerseits die PMN akti-viert, die daraufhin durch Degranulati-on yon proteolytischen Enzymen dieHepatozyten zerstoren. Diese Ergeb-nisse korrelieren mit Befunden ausTierversuchen, in denen TNFa als einzentraler Mediator der LPS-induziertenOrganschadigung identifiziert wird undsich gleichzeitig zahlreiche Hinweiseauf die Beteiligung yon PMN an derOrganschadigung ergeben. Sowohl dieLPS-induzierte TNF-Freisetzung alsauch die Leberzellenschadigung korre-Iierte in vitro mit der Freisetzung vonElastase aus den PMN. Diese Ergeb-nisse stimmen sowohl mit tierexperi-

hat

mentellen Befundcn uberein, als auchmit klinischen Beobachtungen, die eineKorrelation zwischen Elastase im Blutyon Patienten mit Sepsis und der Mor-talitat beobachteten. Dieses in vitroModell zeigt somit eine groBe Uberein-stimmung bezuglich der Pathomecha-nismen, die zur septischen Organscha-digung fuhren,Thomas Hartung (Universitat Kon-

stanz) berichtete uber "Die Erfassungyon Pyrogenen in einem humanenVollblutrnodell", Es wurde ein in vitroModell zur Erfassung yon fiebererzeu-genden Substanzen vorgestellt, in demdie Freisetzung der yon den Leukozy-ten gebildeten Botenstoffe (endogenePyrogene) gemessen wurde, die dieFieberwirkung vermitteln: Tumor-Ne-krose-Faktor (TNF), Interleukin-l (IL-l), Interleukin-6 (IL-6) und Prostaglan-din E2 (PGEz). Tatsachlich lassen sichbereits durch geringe Pyrogenmengengut meBbare Mengen dieser Botenstof-fe freisetzen. Auber Endotoxinen kon-nen auch andere bakterielle Kompo-nenten eine entsprechende Reaktionauslosen. Das Modell weist Vorteile imVergleich zum Kaninchen-Pyrogentestoder der Endotoxin-Bestimrnung mit-tels Limulus-Assay auf. Die verglei-chende Evaluierung als in vitro Ersatz-methode zur Testung auf Pyrogeneerscheint sehr aussichtsreich.

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In vitro Modelle in der Neuro-toxikologie (Vorsitz Christoph A.Reinhardt):Gabriele Schmuck (Bayer AG, Wup-pertal) stellte in der Session uber invitro Modelle in der Neurotoxikologieein - ursprunglich yon Chris Atterwillvorgeschlagenes - dreistufiges Scree-ningschema vor, das in der industriel-len Praxis eingesetzt wird. In der erstenStufe werden Zytotoxizitatstests (un-spezifische Esterase-Aktivitat, Gluko-se-Verbrauch) an frisch isolierten tieri-schen Hirnzellen durchgefiihrt. In derzweiten Stufe werden an denselbenZellen spezifische neuronale Eigen-schaften, wie Neurotransmitter-Gehaltund Gliafunktion gepruft. Erst in derdritten Stufe sind die aufwendigerenelektrophysiologischen Tests und Re-zeptorbindungsstudien vorgesehen.Weil dieses Screening nur firmeninternvalidiert wird, konnen die Behordenkeine allgemeinen Empfehlungen fur

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~v~..~.einen breiten Einsatz soleh lobenswer-ter Modelle abgeben. Im Gegensatzdazu wird in den OECD-Richtlinienbereits vorgeschlagen, klar umschrie-bene Schadwirkungen, wie die verzo-gerte Neuropathie nach Organophos-phat-Belastung, mittels in vitro Model-len zu prufen. Frau Schmuck hat we-sentlich dazu beigetragen, einen erstenin vitro Neurotoxizitatstest zu validie-ren.Mathias Hafner (Fachhochschule

Mannheim) prasentierte eine Alternati-ve zu Tierexperimenten in der Hirn-schlagforschung (Hypoxie, Ischamieund Trauma). Die zentrale Rolle derDynamik und Akkumulation yon Kal-zium in Neuronen kann neuerdingssozusagen "life" verfolgt werden, in-dem digitalisierte Videofilme yon Kal-zium-abhangigen Fluoreszenzfarbstof-fen in Nervenzellen gedreht werden.Pharmakologische Schutzwirkung undtoxikologische Schadwirkung mogli-cher Therapeutika konnen so getestetwerden.Hippocampus-Hirnschnitte sind

dank den bahnbrechenden Arbeitenvon Helmut Haas (Universitat Dussel-dorf) als wichtiges in vitro Modell inder Neurophysiologie etabliert. Er setztden Hippocampus - das .Lernzentrumdes Gehirns" - jetzt auch fur neurotoxi-kologische Studien uber die Wirkungyon Coffein und Blei ein.In einem Posterbeitrag erlauterte

Norbert Binding (Universitat Mun-ster) sein dreistufiges in vitro Testsy-stem zur Priifung neurotoxischer Stof-fe. Einzelne Kalzium- und Kaliumio-nenkanale aus menschlichen und tieri-schen Nervenzellen, ganze Nervenzel-len und Teile des Nervensystems derWeinbergschnecke werden einer Blei-belastung ausgesetzt. Beide in vitroModelle mussen sich fur ein brauchba-res Screening in der Neurotoxikologiejedoch noch praxisnaher, etwa in Zu-sammenarbeit mit der Industrie, be-wahren. Dasselbe gilt fur einen weite-ren Posterbeitrag (Boegner et aI., FreieUniversitat Berlin), der darstellt, wiePyrethroide mittels Zellkulturen ausSpinalganglien des Hiihnerembryos aufneurotoxisches Potential gepruft wer-den.

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In vitro Modelle in der Reproduk-tionstoxikologie (Vorsitz RudolfBeehter)Rudolf Beehter (Sandoz, Basel) be-richtete in seinem Vortrag "Anwen-dung von in vitro Embryotoxizitatstestsin der pharmazeutisch-chemischen In-dustrie" uber die Erfahrungen mit Mo-dellen fur die Abschatzung des terato-genen Potentials yon pharmazeutischenEntwickIungssubstanzen und den da-mit verbundenen allgemeinen Proble-men der Validierung solcher in vitroSysteme. Am Beispiel der Beinknos-pen-Zellkultur der Ratte schilderte erdas in seinen Labors gewahlte Vorge-hen bei der "retrospektiven" Validie-rung und am Beispiel der Ganzembryo-nenkultur das Vorgehen der "prospek-tiven" Validierung. Beide Modelle sindals Entscheidungshilfe fur die Weiter-entwicklung von neuen Produkten sehrniitzlich. Sie sind jedoch, wie auchandere in der Literatur vorgeschlagenein vitro Teratogenitatsmodelle, nichtfur aIle chemisch teilweise sehr unter-schiedlichen Substanzklassen geeignet.Besondere Beachtung verdient dieAuswahl des richtigen Modells fur dieder Substanzklasse eigene, spezifischeFragestellung und eine griindliche Va-lidierung durch die Anwender in ihreneigenen Labors.Anna M. Wobus (Inst. fiir Pflan-

zengenetik und Kulturpflanzenfor-sehung, Gatersleben) stellte in ihremVortrag .Embryonale Stammzellen alsModellobjekt der Reproduktionsbiolo-gie, Pharmako-Toxikologie und Ent-wicklungsgenetik" die drei Zellsyste-me der embryonal carcinoma cell(ECC), embryonal stem cell (ESC) undder embryonal germ cell (EGC) vor.Permanente Linien dieser pluripotentenZelltypen konnen in vitro in aile dreiKeimblatter (Endoderm, Ektoderm,Mesoderm) differenzieren. Am Bei-spiel der Kardiogenese, Myogeneseund Neurogenese wurden durch Mes-sung organ- und gewebespezifischerEndpunkte dieses Potential nach derKultivierung unter den fur die entspre-chende Differenzierung typischen Kul-turbedingungen gezeigt. 1m weiterenzeigte die Autorin, daB undifferenzierteembryonale Zellen nach Exposition mitmutagenen Substanzen in vitro mitgeringerer Mutagensensitivitat reagie-ren als differenzierte somatische Zel-len, was auf Unterschiede des ZeIlzy-

kIus und der Reparaturkapazitat dieserZelltypen hinweist. Diese Untersu-chungen belegen eindriickIich die Eig-nung der embryonalen Stammzellen alsmogliche Tierersatzmodelle in vitro.Richard Vogel (BgVV, Berlin) dis-

kutierte im ersten Teil seines Vortrags.Pluripotente Stammzellen der Mausals in vitro Modell fur Saugetierkeim-zellen" die durch die "Internationalconference on harmonization" (ICH)deutlich betonte Forderung nach mehrForschung im Bereich der toxischenWirkung yon Substanzen direkt auf dieKeimzellen und die daraus resultieren-den Storungen der mannlichen undweiblichen Fertilitat, AnschlieBendzeigte er den Zusammenhang zwischenmutagener Wirkung von Substanzenauf die Keimzellen und daraus resultie-rende Effekte auf Fertilitat und em-bryonale Entwicklung. Entsprechendein vivo Toxizitatsuntersuchungen sindsehr aufwendig und erfordern gro/3eTierzahlen. Die pluripotenten embryo-nalen Stammzellen und Keimzellenwurden deshalb als in vitro Modell fiirdie in vivo Untersuchungen toxischerEffekte auf die Keimzellen vorgeschla-gen und etabliert. Die mit zwei Modell-mutagenen (Mitomycin C, Ethylnitro-soharnstoff) erhobenen Daten wurdenmit denjenigen aus differenzierten so-matischen Zellen verglichen.Peter Voshol (Nijmegen) berichtete

iiber zwei neue methodische Ansatze inder Entwicklung yon in vitro Embryo-toxizitatstests in seinem Vortrag"FACS und GCSS: Neue zellbiologi-sche Methoden zur Embryotoxizitatste-stung mit embryonalen Stammzellen",Die Methode der fluoreszenz-aktivier-ten Zellsortierung (FACS) gibt dieMoglichkeit, verschiedene intra- undextrazellulare, fur undifferenzierte undsich differenzierende embryonaleStammzellen spezifische Antigenunter-suchungen sowie Zellzyklusanalysenin vitro durchzufiihren. Das neu ent-wickelte Generelle Zellscreening Sy-stem (GCSS) erlaubt, das Zellwachs-turn on-line ohne Storungen in vitroiiber langere Zeit zu studieren. Durchdas Titrieren yon Hemmkurven undden Vergleich von ICso Werten inundifferenzierten und differenzieren-den Zellen konnte sich das embryotoxi-sche/teratogene Potential yon Substan-zen in vitro abschatzen lassen, jedochsind weitere Untersuchungen mit ge-

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eigneten Modellsubstanzen notig, be-vor eine Abschatzung der Einsatzrnog-lichkeiten dieser neuen Methodenmoglich ist.Penelope L. Nayudu (Deursches

Primatenzentrum, Gottingen) schlugdie Follikel-Zellkultur als in vitro Test-system fur die Entdeckung yon Ovari-entoxinen (vor allem auf die somati-schen Kompartimente) als Alternativezu in vivo Abklarungen vor. In ihremVortrag "Evaluation yon Mausfollikel-Kulturen als in vitro Testsystem fiirovarielle Toxine" zeigte sie, daB mitstandardisiertem Vorgehen bei der Se-lektion der fiir die Kultur vorgesehenenFollikel die Resultate aus dieser Kulturderjenigen yon Follikel-Zellkulturen(Theazelle, Granulosazelle) iiberlegenist. Am Beispiel des in der Veterinar-medizin eingesetzten Organophospha-tes Tetrachlorvinphos stellte sie ver-gleichbare Daten in vivo und in vitrobezuglich der Ovarientoxizitat in Mau-sen vor. Weitere vergleichende Studienmit TCDD, Methoxychlor und Chlopy-rifos sind vorgesehen.

In vitro ModeUe in der Onkologie(Vorsitz Helmut A. Tritthart):Einleitend betonte Helmut A. Tritthart(Graz), daB das Schliisselproblem inder Krebsbehandlung die Metastasie-rung ist, ein ProzeB, der meist nur insehr belastenden Tierversuchen unter-sucht wird.Marc Mareel (University Hospital

Oent) berichtete dann uber die .Akti-vierung yon Invasions-hemmendenStoffen durch in vitro Analysen", Aneinem besonders erfolgreichen 3D invitro Modell der Invasion (EmbryonaleHerzzellspharoide und Krebszellspha-roide in Kontakt) beschrieb er umfang-reiche Studien zur Schliisselrolle yon"gap junctions" bzw. Connexinen inder Krebszellinvasivitat. Zell-Zellkon-takt, Stoff- und Informationsaustauschwerden iiber gap junctions vermitteltund aile Faktoren, die zur erhohtenAusbildung van gap junctions fiihren,sind hochwirksame Hemmer derKrebszellinvasion.Augustinus Bader (Medizinische

Hochschule Hannover) berichtete iiberErsatzmethoden fur Mutagenitatstests,narnlich uber "Ersatz des RattenleberS9 Mix durch Prirnarkulturen yon He-patozyten aus Ratten oder Menschen in

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3D Kokulturen mit V79 Zellen". Hepa-tozyten gewinnen in einern Kollagen-Sandwich ihre normale Polaritat undZellformen, sie bilden Gallengangchenund produzieren Albumin wenigstenswahrend zwei Wochen in Kultur. DerSandwich wurdc mit V79 unterschich-tet und oxygeniert. Die metabolitab-hangige Mutagenitat yon Dimethylben-zanthrazen (DMBA) wurde in diesemModell und im Aroclor-Leber Modelluntersucht. Die exzellenten Ergebnissezeigen, daB menschliche Hepatozytendas sehr belastende Aroclor Rattenle-berm odell ersetzen und ubertreffenkonnen.Sven O. Hahn (Charite Berlin) be-

richtete iiber neue 3D Kulturtechnikenzur Pharmakotestung in seinem Vor-trag: .Dreidimensionale Kultur vommenschlichen Knochenmark undPBL's zur Pharmakatestung". Ein mi-niaturisierter Hohlfaserbioreaktor zurdreidimensionalen Kultivierung yon B-CLL-Zellen sowohl aus dem Knochen-mark als auch yon Lymphozyten ausperipherern Patientenblut wurde gete-stet, welcher optimal uber Siliconmern-bran en den Sauerstoff direkt zu denZellen transportiert und uber Hohlfa-sern fiir eine ausreichende Versorgungmit Nahrstoffen sorgt und den Erhaltvan Mikromilieu und organahnlichenBedingungen erlaubt. So konnten dieZellen in dem Hohlfaserbioreaktoriiber einen Zeitraum yon 5 Monatenvital kultiviert werden. Erstmals konn-ten CD 5, CD 19 und CD 20 mittelsFACS-Analyse auf der Oberflacheiiber mindestens 14 Tage nachgewie-sen werden. Gleichzeitig konnten eini-ge Interleukine (II) im Uberstand derErnten gefunden werden. Diese Resul-tate beweisen einen selbstkonditionie-renden Effekt in dieser 3D-Kultur.Damit ist erstmals ein zumindest uber14 Tage funktionell intaktes in vitroKulturmodell fur die B-CLL des Men-schen vorhanden, welches durch Mi-niaturisierung und Einfiihrung vanBiosensorik fiir die validierbare Phar-makatestung im Ersatz zum Tierver-such geeignet ist.Rainer Hofmann-Wellenhof (Uni-

versitat Graz) berichtete uber das eta-blierte 3D Invasivitatsmodell von Ma-reel, welches sich durch eine exzellenteVergleichbarkeit mit klinischen Ergeb-nissen auszeichnet. Zur Quantifizier-barkeit der Resultate eignen sich be-

sonders bildanalytische Verfahren, eswerden Ergebnisse vorgestellt, die demInvasivitats-Grading erfahrener Patho-logen exakt entsprechen und so eineexakte MaBzahl der Invasivitat vonKrebsgewebe liefern. Mithilfe des La-serscanning Mikroskopes konnen ana-loge Verfahren auch zur exakten invitro Analyse der Krebszellinvasivitatin Barrieren (Kollagen, Matrigel) ein-gesetzt werden.Roswitha Pfragner (Universitat

Graz) berichtete iiber neue kontinuier-liche Zellinien in ihrem Vortrag "Invitro Screening von proliferationsmo-difizierenden Substanzen an Zellkultu-ren yon humanen medullaren Schild-drusenkarzinomen". Medullare Schild-drusenkarzinome (MTC) entwickelnsich aus den parafollikularen C-Zellender Schilddriise. Diese neuroendokri-nen Tumoren sind durch die Produkti-on von spezifischen Peptiden charakte-risiert, wie Calcitonin (CT), Calcito-nin-gene related peptide (CORP) undBombesin (ORP). Humanes Turnorge-webe verschiedener Tumorstadienwurde in Zellkultur angesetzt. 6 konti-nuierliche MTC-Zellinien konnten eta-bliert werden, sowie 12 Langzeitkultu-ren. Die Differenzierungsgrade derZellinien wurden mittels Elektronen-rnikroskopie, Immunzytochemie, insitu Hybridisierung und Northern Blotuntersucht. Die Produktion van CT,CORP und ORP konnte auch in vitronachgewiesen werden. Die MTC-Zelli-nien sind geeignete Modelle fur das invitro Screening van biologischen Mo-dulatoren: Interferon alpha-2b (IN-TRON A, Aesca, Austria / ScheringPlough Research, New Jersey) rief einedosisabhangige Wachstumshemmunghervor. Diese Hemmung war umsoausgepragter, je hoher die Wachstums-rate der jeweiligen Zellkultur war.Robert Kammerer (Universitat

Freiburg) berichtete in seinem Vortrag.Artifizieller Tumor (ArT): Ein neuespolymorphes 3D in vitro Modell vonsolid en menschlichen Turnoren" yoneinem neuen heterotypischen Modellmit menschlichen Kolonkrebszellen,Kolonfibroblasten und einem Faserske-lett aus Kolon. Die Kolon-Krebszellenhaben eine eindeutige apikale und ba-solaterale Orientierung. Beim Sphero-idwachstum yon Krebszellen zeigt dieapikale Seite nach auBen. Wenn dieKrebszellen Kontakt mit Fibroblasten

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TAGUNGSBERICHTE

und extrazellularer Matrix haben (indies em Modell), so zeigt sich normalePolaritat und die Ausbildung von pseu-doglandularen Strukturen, wie sie fursolche Tumoren in situ typisch sind.Das histotypische Tumorwachstumkonnte bisher nur in Tierversuchenstudiert werden, dieses Modell bieteteine interessante Alternativmethode ineiner normalen Mikro-Umwelt.

Biometrie yon in vitro Methoden(Vorsitz Hermann-Georg Holz-hiitter):Hermann-Georg Holzhiitter (Hum-boldt-Universitat Berlin) stellte in sei-nem einleitenden Referat an Hand kon-kreter Beispiele dar, daf in den meistennationalen und internationaJen Studiender letzten funf Jahre die Anwendungbiometrischer Methoden quantitativund qualitativ viel zu wunschen ubriglaBt. Der naiven Erwartung, daf sichdie experimentellen Ergebnisse derTierversuche bzw. der in vitro Tests zujeweils einer einzigen "Master- Varia-bIen" verdichten lassen, zwischen de-nen ein optisch eindrucksvoller linearerZusammenhang besteht, muf eine wis-senschaftlich durchdachte Strategie furdie Zusammenhangsanalyse entgegen-gesetzt werden. Fur die Biometrie be-deutet dies, weitaus starker als bisher,multivariate statistische Methoden an-zuwenden bzw. weiter zu entwickeln.Diese sollen der Extraktion relevanterInformationen aus einem zunachst un-strukturierten Datenpool und der Ent-wicklung von Mehr- Variablen-Pradik-tionsmodellen dienen, z.B, durch dieAnwendung der Diskriminanzanalyseoder der Hauptkomponenten-Regressi-on. Nach Meinung von Holzhiitterreichen allerdings verbesserte statisti-sche Analysen allein nicht aus; die demtoxikologischen Geschehen zugrundeIiegenden intra- und interzellularenMechanismen mussen einfach besserverstanden und in die Interpretation derMebdaten einbezogen werden. Hierbeikonnten biomathematische Modellenutzlich sein, wie sie in der Stoffwech-selforschung oder der pharmakologi-schen Kompartimentanalyse schon seitlangem benutzt werden.Berthold Schneider (Medizinische

Hochschule Hannover) stellte die Dis-kriminanzanalyse als eine leistungsfa-hige multivariate Klassifikationsme-

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thode dar. Durch schrittweises Hinzu-nehmen (stepwise selection) von invitro Variablen fur die Konstruktionder Diskriminanzfunktion konnen diepradiktionsstarken Endpunkte des invitro Tests ermittelt werden, a~f derenBestimmung man sich in kiinftigenAnwendungen beschranken kann. Sowird eine Verringerung des experimen-tellen Aufwandes erreicht. Die Metho-de der Kreuzvalidierung, d.h. das suk-zessive Weglassen einer Beobachtungaus dem Trainingssatz (der fur dasAufstellen der Diskriminanzfunktionverwendet wird) und anschliefiendeKlassifikation der herausgelassenenBeobachtung, liefert eine erwartungs-treue Schatzung fur die Fehlklassifika-tionsrate. 1m zweiten Teil des Vortra-ges wurde CART (Classification andRegression Trees), eine Methode zurAufstellung yon Entscheidungsbau-men, vorgesteJlt. Sie ist frei von eini-gen Beschrankungen der klassischenparametrischen Diskriminanzanalyse,wie etwa der linearen Verkniipfung derPradiktorvariablen oder der Vernach-lassigung von Wechselwirkungen zwi-schen Pradiktorvariablen, Ein weitererVorteil von CART besteht in der Mog-lichkeit, auch unvollstandige Datensat-ze in die Konstruktion des Entschei-dungsbaumes mit einzubeziehen. Diemit dieser Methode unter Einbeziehungvon Endpunkten von zwei in vitroTests (Neutral rot- und HETCAM As-say) erreichte R41-Klassifikation desAugenreizpotentials von N=134 Test-substanzen ist allerdings nur unwesent-Jich besser als im Faile der Diskrimi-nanzanalyse.Manfred Liebsch (ZEBET, Berlin)

gab einen Erfahrungsbericht uber diezentrale Rolle der Biometrie bei derValidierung von Alternativmethoden.Er fuhrte zahlreiche Beispiele fur denNutzen an, der aus einer engen Zusam-menarbeit zwischen Biometriker undexperimentellem Toxikologen in allenPhasen eines Validierungsprojektesentspringen kann. Voraussetzung ist,daB mit der vielerorts praktizierten"Taschenrechner-Biometrie", die sichim Berechnen von Mittelwerten undKorrelationskoeffizienten erschopft,Schluf gemacht wird. Als moglicheFelder fur eine sinn volle Zusammenar-beit zwischen Biometrie und Experi-ment wurden erlautert: Versuchspla-nung von Dosis-Wirkungs-Experimen-

ten; Erfassung von Rohdaten in Daten-banken, auf die sparer, z.B. mit neuarti-gen biostatistischen Verfahren zuge-griffen werden kann; Prufung der ein-gehenden Daten auf Fehler bzw. innereKonsistenz; Aufdeckung systemati-scher Unterschiede zwischen Meller-gebnissen verschiedener Labors undAusschaItung von Fehlerquellen; Kom-bination verschiedener biometrischerMethoden zur Identifikation pradikti-onsstarker Variablen und Konstruktionvon Klassifikationsbaumen.Reinhard Meister (Technische Uni-

versitat Berlin) erlauterte das grund-satzliche biometrische Vorgehen zurErmittlung von toxikologischen Risi-ken aus Dosis- Wirkungs-Beziehungen.Das kardinale Problem in der Interpre-tation von toxikologischen Daten, diean einer bestimmten Spezies erhobenwerden, besteht in den sehr unter-schiedlichen Verteilungsmustern, diedie individuelle Empfindlichkeit ge-genuber einer potentiellen Noxe inMensch, Versuchstier und in vitroTestsystem (Zelle) aufweisen kann.Aus diesem Grund sei groBe Skepsisgegenuber dem Einsatz von in vitroMethoden fur die Quantifizierung vontoxikologischen Risiken fur den Men-schen geboten.

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Immunisierung und Adjuvantien(Vorsitz Klaus Cufller und HansjorgRonneberger):1m ersten Referat berichtete Wim deLeeuw (Rijswijk) uber die Erfahrun-gen in den Niederlanden mit einemCode of Practice, der 1993 fur dieImmunisierung von Labortieren verof-fentlicht wurde. Hierbei wurden Emp-fehlungen fur den Aufbau von Immuni-sierungsprotokollen gegeben, die eineoptimale Immunantwort mit einem Mi-nimum an Belastung fur die Tiereverbinden sollten. Nach zwei Jahrenhat der Code bereits eine breite An-wendung in den Niederlanden gefun-den.Maximilian Landwehr (Regie-

rungsprasidium Karlsruhe) gab danacheinen Oberblick uber die tierschutz-rechtliche Beurteilung der Immunisie-rung von Tieren in Deutschland undkritische Punkte bei der Durchfuhrungaus der Sichtweise der Genehmigungs-behorde. Die gewerbliche Produktionvon tierischen Seren zur Abgabe an

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Dritte ist kein Tierversuch im Sinnedes Gesetzes. Im Bereich der For-schung ist die Immunisierung zu Ver-suchszwecken stets ein Tierversuch.Unterschiedliehe Auffassungen bei derEingruppierung yon Immunisierungs-mafsnahmen, die keinem dieser Zwek-ke eindeutig zuzuordnen sind, als Tier-versuch oder aber als Herstellungsver-fahren, haben zu einer sehr uneinheitli-chen Entscheidungspraxis der Lander-behorden gefuhrt.Hansjorg Ronneberger (Behring-

werke, Marburg) erlauterte, daf derEinsatz yon Adjuvantien bei Human-impfstoffen heute tiberwiegend aufAluminium- und Phosphatverbindun-gen beschrankt ist. Fur moderne Pep-tid- und rekombinante Impfstoffe wer-den allerdings dringend besser wirken-de Adjuvantien gesucht. Die aussiehts-reiehsten Produkte aus verschiedenenStoffklassen wurden kurz vorgestellt.Die beim Menschen einsetzbaren Ad-juvantien, die auch fur das Versuchs-tier sehr gut vertraglich sind, wurdenjedoch in keinem der naehfolgendenReferate aJs Ersatz fur Olemulsionenuntersueht.Bei Veterinarirnpfstoffen wird nach

den Angaben yon Eric Rijke (Intervet,Boxmeer) ebenfalls sehr intensiv nachneuen Adjuvantien gesucht, da dieheute bei landwirtschaftlichen Nutztie-ren haufig eingesetzten olhaltigen Pro-dukte starke Gewebsreaktionen an derInjektionsstelle zeigen. Die Ergebnissemit einem neuen, gut vertraglichenAdjuvans auf Vitamin E-Basis wurdenvorgestellt.Winfried Linxweiler (E. Merck,

Darmstadt) untersuehte die Effizienzund Vertraglichkeit zahlreicher Adju-vantien bei der Immunisierung yonMausen, Kaninchen und Sehafen. Hier-bei wurde aufgezeigt, daf olhaltigeAdjuvantien die grofite Erfolgsrate zei-gen. Dureh die Auswahl hochgereinig-ter tHe und Emulgatoren kann jedocheine wesentlich bessere Vertraglichkeiterzielt werden.Hans-Joachim Kramer (Charles

River, KiBIegg) wies in seinem Vortragdarauf hin, daB bei einem Unterneh-men, das die Immuniserung im Auf tragdurchfuhrt, sehr vie! Erfahrung undumfangreiches Datenmaterial vorhan-den ist. Hierdurch lassen sich tier-sehutzrelevante Verbesserungen beider Immunisierung yon Kaninchen und

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eine Reduzierung der Tierzahlen errei-chen.Die Suehe nach Alternativen zu

Freunds komplettem Adjuvans bei derImmuniserung yon Kaninchen undMausen war Gegenstand des Referatsyon Marlies Leenaars (RIVM, Biltho-ven). Dabei wurden sechs versehiedeneAdjuvantien und verschiedene Injekti-onstechniken gepriift. Zur Beurteilungder Leiden dienten Verhaltensstudien.Dabei zeigte sich erstaunlicherweise,daf weder Manse noch Kaninehendureh die Immunisierung in ihrem Ver-halten erkennbar beeintrachtigt waren,obwohl sie teilweise erhebliche Lokal-reaktionen zeigten.Die nachsten beiden Vortrage befall-

ten sich mit der Immunisierung yonHiihnern. Christine Schwarzkopf(BgVV, Berlin) prtifte verschiedeneneue Adjuvantien im Vergleieh zuFreunds komplettem Adjuvans. Unge-achtet der Immunisierungsroute lielsensich mit den olhaltigen Adjuvantien diehochsten Titer erreichen. Dies warjedoch begleitet yon sehwerwiegendenLokalreaktionen. Da nichtolige Adju-vantien bei alleiniger Anwendung niehtausreichend effektiv waren, wurde eineKombination yon nebenwirkungsfreienAdjuvantien zur Erstimmuniserung undeiner nachfolgenden Injektion yon kom-plettem Freundsehem Adjuvans vorge-schlagen. Lipopeptide wurden yon Mi-chael Erhardt (Universitat Munchen)als nebenwirkungsfrei fur die Immuni-sierung yon Legehennen beschrieben.Bei zahlreichen Antigenen konntenhohe Titer erreieht werden, so dafdieses Adjuvans fur das Huhn als eehteAlternative zum kompletten Freund-schen Adjuvans gesehen wird.Das letzte Referat yon Rene Fischer

(ETH, Zurich) beschaftigte sich mit derImmunisierung zur Herstellung mono-klonaler Antikorper. Hierbei wurdensieben verschiedene Adjuvantien ver-glichen und die Entwicklung der poly-klonalen Titer im Serum sowie dieAusbeute an positiven Klonen nach derFusion untersucht. Anhand histologi-scher Untersuchungen der Injektions-stellen wurde die Belastung der Tierebeurteilt. Erstaunlicherweise zeigtesieh das Freundsche Adjuvans nebenPoly-A-poly-U bei subkutaner Injekti-on als wenig belastend.Die Beitrage wurden teilweise leb-

haft diskutiert. Dabei fiel auf, daf das

Freundsche Adjuvans immer noch sehrhaufig eingesetzt wird. Die vielen mitt-lerweile vorhandenen Alternativen zei-gen haufig gleichwertige, ja teilweisesogar bessere Ergebnisse. Die Resulta-te mtissen jedoch stets in Verbindungmit dem Imrnunisierungsprotokoll ge-sehen werden, da der Immunisierungs-erfolg yon einer groSen Fulle vonFaktoren (Tierspezies, Art des Anti-gens, Injektionsort, -schema, etc.) ab-hangig ist. Die Ergebnisse einer Ar-beitsgruppe lassen sich offenbar nurselten problemlos in andere Laboratori-en ubertragen. Es erscheint daher sinn-vall, zuktinftig zu dieser Thematikeinen starkeren Informationsaustauschanzustreben und eine jedermann zu-gangliche Sammlung erfolgreicher Im-munisierungsprotokolle mit sehr detail-lierten Angaben anzulegen.

kc/hr

Toxikologische Priifung yonKosmetika in der EU (VorsitzHorst Spielmann):Yom 1.1.1998 an soil aufgrund der 6.Anderung der Kosmetikriehtlinie (76/768/EEC) im Geltungsbereich der EUauf sieherheitstoxik;ologische Tierver-suche fur Kosmetika verzichtet wer-den. Vor diesem aktuellen Hintergrundgliederte sich die Sitzung in drei Ab-schnitte, in denen jeweils zwei Beitra-ge aus unterschiedlichen Perspektivenzur Diskussion gestellt wurden.

Wissenschaftliche RealisierbarkeitUrsula G. Sauer (Akademie fur Tier-schutz, Neubiberg) stellte aus der Siehtdes Deutschen Tiersehutzbundes eine"Strategie" zur sicherheitstoxikologi-schen Prtifung yon Kosmetika ohneTierversuehe vor, worin die Vorgabender EU berticksichtigt werden. Grund-satzlich sind nach den Vorstellungendes Deutschen Tierschutzbundes(DTB) fur bereits bekannte Kosmetika-Inhaltsstoffe keine Tierversuche erfor-derlich. Die toxikologischen Daten furdiese Stoffe mussen yon den Industrie-firmen, die tiber diese Daten verfugen,der Offentlichkeit zuganglich gemachtwerden. Neue Formulierungen yonKosmetika mit bekannten Inhaltsstof-fen konnen mit den bereits entwickel-ten Alternativmethoden ausreichendgepruft werden. Daran kann sieh ohneRisiko die Prufung am Menschen an-schlieBen. Diese tieversuchsfreie Pruf-

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TAGUNGSBERICHTE

strategie hat sich in Deutschland be-reits in der Praxis bewahrt, und zwaraufgrund der gegentiber den tibrigenEU Landern strengeren gesetzlichenVorgaben.

Fur Kosmetika mit neuen kosmeti-schcn Inhaltsstoffcn stclltc der DTBzwei Optionen vor, namlich 1. denVerzicht auf neue Kosmetikinhaltsstof-fe und 2. die Prufung mit in der Praxiserprobten und validierten in vitro Me-thoden, die bei der Prufung bekannterKosmetika eingesetzt werden, mit an-schlieBender Prtifung am Menschen,wie im vorangehenden Abschnitt be-schrieben. Nach Ansicht des DTB wur-de keiner der heute etablierten sicher-heitstoxikologischen Tierversuche sostreng validiert, wie es yon den Alter-nativmethoden verlangt wird. Die Re-produzierbarkeit ist bei den Alternativ-methoden ohnehin erheblich besser alsbei vielen Tierversuchen. Als Beispielewurden Ersatzmethoden fur den DraizeTest am Kaninchenauge und fur diePhototoxizitatsprufung angefuhrt.Wolfgang J. W. Pape (Beiersdorf

AG, Hamburg) stellte in seinem Vor-trag die Moglichkeiten und Grenzenyon tierversuchsfreien Methoden ausder Sicht der Europaischen Kosmetik-industrie vor. Fiir die forschendendeutschen Firmen der Kosmetikindu-strie, die im Industrieverband Korper-pflege und Waschmitte! (IKW) zusam-mengeschlossen sind, erklarte er, daBsich alle Mitgliedsfirmen an die gesetz-lichen Vorgaben halten. Fur die Ent-wicklung yon Kosmetika werden ent-sprechend dem deutschen Tierschutz-gesetz fur sicherheitstoxikologischePrtifungen keine Tierversuche mehrdurchgefiihrt, sondern nur noch in vitroMethoden.Weiterhin stellte er inhaltlich die 6.

Anderung der Kosmetik-Richtlinie derEU vor (93/35/EEC) und stellte klar,daB riach dieser Richtlinie in einemangemessenen Zeitraum vor dem1.1.1998 Experten der EU beurteilenwerden, fur welche Bereiche validierteAlternativmethoden entwickelt wordensind. Soli ten akzeptable tierversuchs-freie Methoden jedoch fur bestimmteGebiete der Toxikologie nicht entwik-kelt sein, so konne auf den entspre-chenden Tierversuch noch nicht ver-zichtet werden. 1m jahrlichen Turnuswerden die Experten der EU, das Sci-entific Committee on Cosmetology

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(SCC), diese Evaluierung der tierver-suchsfreien Methoden wiederholen.Nach dem derzeitigen Wissensstandinnerhalb der EU Kosmetikindustrieund des see ist vor dem geschildertengesetzlichen Hintergrund noch nichtmit einem vollstandigen Ersatz toxiko-logischer Tierversuche bei der Prtifungneuer Kosmetika-Inhaltsstoffe zu rech-nen, fur die noch keinerlei toxikologi-sche Informationen vorliegen.Er machte auBerdem deutlich, daB

das see derzeit bei der Bestimmungdes toxikologischen Prtifumfanges derPrufung auf Hautpenetration eine ent-scheidende Bedeutung beimiBt. BeiStoffen, die die Haut nicht penetrieren,kann man nach diesen Vorstellungenauf systemische toxikologische Prufun-gen verzichten. AuBerdem stellte erPrufstrategien vor, die sich in derIndustrie bewahrt haben und bei denenverschiedene in vitro Methoden mitein-ander kombiniert werden. Selbst furverhaltnismafiig einfache Fragestellun-gen, wie z.B. die Schleimhautreizungam Auge, arbeiten die europaischenFirmen der Kosmetikindustrie in Ein-zelfallen mit einer Kombination yonbis zu lOin vitro Methoden, und zwarin Abhangigkeit yon den physikalisch-chemischen Stoffeigenschaften undyom Anwendungsbereich.AbschlieBend stellte er die derzeit

laufenden Validierungsstudien yon Al-ternativmethoden vor, die vom Ver-band der Europaischen Kosmetikindu-strie (eOLIP A) koordiniert werdenund fur die er in den Koordinierungs-grernien verantwortlich ist. Es handeltsich wiederum urn Projekte zum Ersatzder Prtifungen auf Haut- und Augenrei-zung, Phototoxizitat und Hautpenetra-tion. Die Ausfuhrungen machten deut-lich, daB die deutschen Firmen derKosmetikindustrie sich nicht nur mitgroBem Aufwand an diesen Validie-rungsstudien beteiligen, sondern daBsie die Studien auch initiiert haben. Esist zu hoffen, daB sich einige derMethoden als valide erweisen und vomsee anstelle der bisher vorgeschriebe-nen Tierversuche fur die sicherheitsto-xikologische Prufung yon Kosmetikaakzeptiert werden.In der sehr sachlichen Diskussion zu

beiden Vortragen zeigte sich, daB derTermin 1.l.l998 yon den beiden Vor-tragenden und auch vom Auditorium ingleicher Weise als eine Zielsetzung

eingeschatzt wird, die nur teilweiseerfullt werden kann. Einhellig wurdebetont, daB das Thema .Alternarivme-thoden zur sicherheitstoxikologischenBewertung yon Kosmetika" wegen dergrundsatzlichen Bedeutung auf denKongressen der nachsten Jahre wiederaufgegriffen werden sollte.

Das isoliert perfundierte Rinder-euter als ModellManfred Kietzmann (UniversitatLeipzig) und Wolfgang Pittermann(Henkel, Dtisseldorf) berichteten tiberihre Erfahrungen mit einem neuen Mo-dell, das in Deutschland bereits erfolg-reich in der Kosmetikindustrie einge-setzt wird. Kietzmann, der das Modelldes "isoliert perfundierten Rindereu-ters" aus Schlachthofmaterial zur Mes-sung der Hautpenetration und -resorpti-on entwickelt hat, stellte sehr anschau-liche Beispiele aus dem Bereich derHerz- und Kreislauf-Pharmakologieund der Dermato-Pharmakologie vor,die belegen, daB das Modell dem Tier-versuch an den tiblichen Labortierspe-zies eindeutig tiberlegen ist und einetiberraschend gute Ubertragbarkeit derErgebisse auf den Menschen gewahr-lei stet. Seine pharmakokinetischenStudien machen weiterhin deutlich,daB Untersuchungen am isolierten Rin-dereuter haufig wesentlich aussage-kraftiger sind als Studien an isolierterMenschenhaut aus Operationsmaterial,da Rindereuter durch die kontinuierli-che Perfusion in sehr vie! bessererQualitat tiber lange Zeit vital erhaltenwerden konnen; auch ist die Gewebe-flache erheblich grofser.Pittermann konnte tiber sehr gute

Erfahrungen mit dem yon Kietzmannentwickelten Modell im toxikologi-schen Labor bei Henkel berichten. Inseinen tiberwiegend morphologischenUntersuchungen konnte er die starkehistologische Ahnlichkeit von Rinder-euter und der Haut an der Brust desMenschen vorstellen. Gegentiber soge-nannten ktinstlichen Hautmodellen(siehe unten) hat das Rindereuter zu-dem den Vorzug, daB die wichtigstenHautanhangsgebilde auch am Rinder-euter vorhanden sind, wie z.B. Haareund Talgdrtisen. Diese starke anatomi-sche Ahnlichkeit ist yon groBer Bedeu-tung, da die Resorption bestimmterStoffe vorwiegend im Bereich dieserHautanhangsgebilde erfolgt.

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Bedauerlicherweise ist das isoliertperfundierte Rindereuter als ModellauBerhalb des deutschsprachigen Rau-mes noch nieht ausreichend bekannt,da man dort vielfach leichteren Zugangzu menschlicher Haut aus Operations-material hat. Die in beiden Vortragenvorgestellten Ergebnisse machten je-doch deutlich, daf mit dem ModellProbleme bearbeitet werden konnen,die mit menschlicher Haut in der ubli-chen Qualitat und Grobe nicht zu losensind.

Kiinstliche menschliche HautMonika Schafer-Korting (FU Berlin)und Manfred Liebsch (ZEBET, Ber-lin) stellten ihre Erfahrungen mit ei-nem neuen vielversprechenden Mo-dell vor, der sog. kiinstlichen menschli-chen Haut, die in reproduzierbarerWeise mit verhorncndem Plattenepi-thel, Stratum Corneum und dem darun-terliegenden Bindegewebe mit einerFibroblastenschicht kultiviert werdenkann.Schafer-Koning berichtete uber die

Technik der Ko-Kultivierung von Fi-broblasten und Keratinozyten, die voretwa 10 Jahren entwickelt wurde. In-zwischen werden solche Hautmodellekomrnerziell in reproduzierbarer Quali-tat hergestellt und zum Zweck derHauttransplantation und der toxikolo-gischen Testung weltweit per Flug-fracht verschickt. Wie bereits im vor-angehenden Abschnitt angedeutet, sindderartige Modelle zwar der ersteSchritt einer erfolgreichen Organkul-tur. Sie weisen jedoch nicht nur mor-phologische Unterschiede gegeniiberder normalen Haut des Menschen auf,wie z.B. das Fehlen yon Hautanhangs-gebilden, Blut-und Lymphgefalsen so-wie immunologischen Zellen, sondernes bestehen auBerdem erhebliche Un-terschiede in der biochemischen ZUcsammensetzung der einzelnen Haut-schichten. Das zeigt sich u.a. daran,daB die Penetration fettloslicher Stoffeteilweise lO-mal so rasch durch diekiinstJiche menschliche Haut erfolgtwie bei normalen Hautproben. Schafer-Korting konnte zeigen, daB dies wahr-scheinlich auf der unzureichendenAusstattung der mehrschichtigen ver-horn ten Keratinozytenschicht mit kom-plexen Sphingomyelinen beruht.Wahrscheinlich sind diese Defizite aufdas Fehlen essentieller Wachstumsfak-

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toren im Kulturmedium zuruckzufuh-ren. Das Ergebnis macht deutlich, daBdas erfolgversprechende menschlicheHautmodell noch verbesserungsfahigist. Erfreulicherweise wird an der Ver-besserung intensiv geforscht.Wichtig ist die Beobaehtung, daB

auch die kiinstliche menschliche Hautiiber eine groBe Zahl der fur denFremdstoffmetabolismus wichtigenEnzyme verfugt, so daf das Muster derMetaboliten den beim Menschen invivo beobaehteten Mustern sehr ahn-lich ist. Es sind Untersuchungen zumArzneimittelmetabolismus rnoglich,die nur in begrenztem Umfang mittierischer Haut und auch mit menschli-chem Operationsmaterial moglich sind.Liebseh stellte Ergebnisse toxikolo-

gischer Untersuchungen auf dem Ge-biet der Hautreizung und der Photo to-xizitatsprufung vor, die mit kommerzi-ell in den USA hergestellter kiinstlichermenschlicher Haut im Rahmen voninternationalen Validierungsstudien beiZEBET erarbeitet wurden. Grundsatz-lich hat ktinstliche menschliche Hautgegeniiber Zellkulturmodellen denVorteil, daB nicht nur wasserloslicheStoffe, sondern auch schwer loslicheStoffe und vor allem Formulierungenals olige Emulsionen gepriift werdenkonnen.In einer Studie zur Priifung auf

reizende und atzende Wirkungen ander Haut, die in Europa und den USAunter "blinden" Priitbedingungen miteodierten Stoffen durchgefuhrt wurde,zeigte die Klassifizierung mit Hilfedieser in vitro Methode eine recht guteUbereinstimmung mit den Klassifizie-rungen der EU und des US-Verkehrs-ministeriums (UN-Klassifizierung furden Transport gefahrlicher Guter),Noch besser war die Korrelation der invitro zu den in vivo Daten bei derPhototoxizitatsprufung. Dabei zeigtesich, daB das yon ZEBET gepruftekommerzielle Hautmodell sowohl dieApplikation der Priifsubstanzen lokalauf der Keratinozytenschicht erlaubtals auch systemisch iiber das Kultur-medium.Bedauerlicherweise sind die Kosten

fur toxikologische Prufungen rnitktinstlicher menschlicher Haut nochvergleichsweise hoch. Eine starkereAnwendung in der Routinetestung wirdsieher zur Reduktion der Kosten fuh-ren.

Bei der AbschluBdiskussion wurdendie enormen Fortschritte auf dem Ge-biet der Entwicklung yon Alternativ-methoden hervorgehoben, die bereitsin der Praxis yon der europaischenIndustrie eingesetzt werden. Weiterhinwurde deutlich, daB fur jede Fragestel-lung spezielle in vitro Methoden zuentwickeln sind, die sich erfreulicher-weise haufig erganzen. So macht dieEntwicklung von kiinstlicher menschli-cher Haut Untersuchungen zur Resorp-tion mit Hilfe des isolierten, perfun-dierten Rindereuters nicht tiberfliissig,sondern mit jeder del' genannten Me-thoden lassen sich Teilaspekte untersu-chen. Obwohl ein vollstandiger Ersatzsicherheitstoxikologischer Prtifungenim Tierversuch fur den Bereich derKosmetika bis zum 1.1.1998 wahr-scheinlich nicht zu erreichen ist, sinddie Fortschritte erstaunlich, die auf-grund dieser politisehen Zielsetzung inden vergangenen 5 Jahren gemachtwurden. Die vorgestellten Beispielezeigen, daB man dabei oft unkonven-tionelle Wege einschlagen muB unddaB der Weg zum Erfolg oft lang undmiihevoll ist.

hsp

Recht und Ethik (Vorsitz Antoine F.Goetschel und Franz P. Gruber)Die zweite ParalleJveranstaltung vomDienstag, 26. September 1995 widmetesich Recht und Ethik. 1m Rahmen desKapitels Rechtspo!itik und Ethik legteHartmut Baumer (Regierungsprasi-dent von GieBen) das Rechtsverhaltniszwischen Tiersehutz und Lehrfreiheitan deutschen Universitaten dar (sieheauch ALTEX 12, 59ff). Der Referentwar mit dem in ALTEX dargelegtenEntscheid befaBt. Er legt die rechtli-chen Grundsatze des Tierschutzes aus-fiihrlich und engagiert dar und pladiertfur die Aufnahme des Tierschutzes indas Grundgesetz. Damit konnte dieGuterabwagung zwischen Tierschutzund verfassungsmassig garantierterWissenschaftsfreiheit uberhaupt erstvorgenommen werden.Daran kniipft Eisenhart yon Loeper

(Nagold) an und pladiert aus rechtli-cher, politischer und gesellschaftlicherSicht sehr scharf daftir, daB der Tier-schutz im Grundgesetz aufgenommenwerden miisse (siehe auch ALTEX 12,113ff). Er fuhrt das Augenmerk iiber

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TAGUNGSBERICHTE

die Tierversuchsproblematik hinaus inden Bereich der Tierqualerei im weitenSinn. In der anschlieBenden Diskussionwird deutlich, daB ein hochstrichterli-cher Entscheid daniber, daB dieWissenschaftsfreiheit durch die Tier-schutzgesetzgebung nicht cinge-schrankt werden darf, nicht zwingendzur Folge hat, daB der Tierschutz ganz-lich aus den Angeln gehoben wird:dem Tierschutz im Bereich der straf-rechtlichen Erfassung yon Tierquale-reien wtirde die Grundlage dadurchnicht entzogen. Ebenfalls in verfas-sungsrechtlichen Dimensionen refe-rierte Antoine F. Goetschel (Tierver-suchskommission des STS, Zurich)iiber den Schutz der Wurde der Krea-tur, wie er in der schweizerischenBundesverfassung aufgenommen wor-den isr, und deren Beachtung im Tier-versuch. In der anschlieBenden Diskus-sion wurde klar, daB die ethische Aus-einandersetzung mit dies em Begriffnamentlich im Bereich der Tierversu-che erst ihren Anfang genom men hatund daB hier das Bedurfnis nach Kla-rung dieses Spannungsfeldes besteht.Zum international en Recht, nament-

lich zum Verhaltnis Tierversuchs-gesetzgebung und EU-Recht, referier-ten Friedrich Harrer (UniversitatSalzburg) und Karin Schwabenbauer(Regensburg), ersterer aus osterreichi-scher Sicht. Er kommt aus volkerrecht-lichen Grunden zum Schlufs, daBOsterreich seit seinem kiirzlichen Bei-tritt zur EU die entsprechenden Richtli-nien der EU im eigentlichen Sinne indie osterreichische Gesetzgebung zuuberfuhren hatte. Er legt dar, in wel-chen Bereichen etwa die Richtlinievom 24. November 1986 dem osterrei-chischen Tierversuchsgesetz 1988 vor-geht und we1che verfassungs-rechtlichen Folgerungen zu ziehensind. In der Diskussion legt WolfFriihauf vom Ministerium fur Wissen-schaft (Wien) seinen gegenteiligenbzw. differenziert anderen Blickwinkeldar. Karin Schwabenbauer geht auf dieentsprechenden Verhaltnisse inDeutschland ein, weist auf die groBenUnterschiede zwischen den Empfeh-lungen des Europarates und den Richt-linien der EU hin, ganz besonders inHinblick auf deren Anwendbarkeit. Siegeht auch auf die verfassungsmalsigenKonsequenzen ein, welche bei der Ra-tifizierung der EU-Richtlinien durch

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die Bundesrepublik Deutschland auf-treten.Am Nachmittag beschaftigten sich

die Teilnehmer mit einzelnen Aspektender Rechtsanwendung. Vorweg legteFranz P. Gruber (FFVFF, Zurich)eine Definition des "Refinement" vorund pladierte fur deren wesentlich star-kere Beachtung und Unterstiitzungdurch Forschungsgremien, auch ausGrunden des Tierschutzes, wenngleichsich die Tierschutzbewegungen mitVorliebe dem Ersatz oder der Verrin-gerung von Tierversuchen zuwenden.Ignaz Bloch (Basel) referierte iiberseine Erfahrungen und Probleme beider prospektiven Einschatzung des Be-lastungsausmaBes im Tierversuch.Aufgrund einer breitangelegten Umfra-ge wies er auf groBe Divergenzen hinzwischen der Beurteilung der zu erwar-tenden Belastungen des Tieres, we1chevom Gesuchsteller seIber dargetanwurde, und derjenigen, wie sie dieBewilligungsbehorde tatsachlich vor-genommen hat. Generell laBt sich sa-gen, daB die Gesuchsteller die Bela-stungen der Tieres tendenziell zu tiefeingeschatzt haben. Dies ergibt sichauch daraus, daB die Erfahrungen mitden entsprechenden vom Bundesamtfiir Veterinarwesen ausgearbeitetenGrundlagen hierzu erst noch gesam-melt werden miissen. Manfred Vdlkel(Igensdorf), beleuchtet die Belastungder Versuchstieren nach Einschatzungder Antragsteller von Versuchsgeneh-migungen in Deutschland anhand einerlokal begrenzten Umfrage. Auch dortdivergieren die zu erwartenden unddann tatsachlich eintretenden Belastun-gen fur das Tier im Versuch auffallig.Grundlage bildet teils auch fur bundes-deutsche Bewilligungsbehorden dieBelastungskategorien des schweizeri-schen Bundesamtes fur Veterinarwe-sen. Durch deren konsequente Anwen-dung lieBe sich eine Deckungsgleich-heit dieser beiden Einschatzung weiteranstreben. Dirk Labahn (UniversitatErlangen) stellte in seinem Koreferatein Schema vor, das zeigt, wie ethischeund rechtliche Aspekte als Orientie-rungshilfe in den Kommissionen nach§15 Tierschutzgesetz gewichtet werdenkonnten. Brigitte Rusche (Neubiberg),legt die erste Resultate einer neuerenUmfrage bei den Mitgliedern in denberatenden Kommissionen nach § 15des deutschen Tieschutzgesetzes vor,

einer Aktualisierung einer fruherenStudie aus dem Jahre 1987. Die Tier-schutzvertreter fuhlen sich demnach inden genannten Kommissionen heutewohler als noch vor wenigen Jahren,sie hatten tendenziell auch starker denEindruck, auf das Bewilligungs-verfahren EinfluB nehmen zu konnen.Sie schatz ten das offener werden deVerhandlungsklima im SchoBe derKommission. Diese positive Tendenzerwuchs wohl aus der Erkenntnis, daBsich auch die aus der Sicht des Tier-schutzes sogenannten unnotigen Ver-suche nicht so leicht ganzlich ersetzenlassen. Doch steht dem tierschiitzeri-schen Gedanken im Rahmen der Ver-ringerung der Belastung der Versuchs-tiere und der Verfeinerung der Metho-den ein groBer Spielraum offen.Zusammenfassend betrachtet kann

das Interesse an Fragen des Rechts undder Ethik im Tierversuch als erfreulichgroB bezeichnet werden, was sich inder ansprechenden Anzahl von Teil-nehmerinnen und Teilnehmer an dieserParallelveranstaltung ablesen lieB.DeutIich wurde auch die Bedeutungder Ethik und des weitgefaBten Tier-schutzgedankens auch fur die Rechts-politik und die Rechtsetzung.

afg

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