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Vorarlberger Sagen Bernhard Lins Jakob Kirchmayr

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VorarlbergerSagen Bernhard Lins

Jakob Kirchmayr

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Vorarlberger Sagen

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Vorarlberger Sagen

Neu erzählt von Bernhard Lins

Mit Bildern von Jakob Kirchmayr

Tyrolia -Verlag · Innsbruck–Wien

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2. Auflage 2016

© 2006 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Umschlagillustration: Jakob Kirchmayr

Typografie und Satz: Michael Karner, www.typografie.co.at

Lithografie: Artilitho, Trento

Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan

ISBN 978-3-7022-2792-0

E-Mail: [email protected]

Internet: www.tyrolia-verlag.at

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Vorwort

Jeder Ort und jedes Land hat seine Geschichte und seine

Geschichten. Auch die Sagen sind ein Teil der Geschichte, über-

all auf der Welt. Sie berichten von Erlebnissen, in die Menschen

verstrickt worden sind. Und scheinbar können sie diesen Begeg-

nungen gar nicht davonlaufen.

Auch Vorarlberg ist reich an Sagen. Und so stellte ich mir immer

wieder die Frage: Was wähle ich aus? Alle vier Bezirke sind zu

Wort gekommen. Vielleicht suchen Sie nach einer ganz bestimm-

ten Sage und finden sie nicht. Dafür stoßen Sie aber auf eine

Geschichte, die bisher noch keine Stimme gehabt hat.

Immer schon wurden Sagen erzählt. An uns liegt es, dass sie ein

Teil unserer Geschichte sind und bleiben. Und deshalb habe ich

sie neu erzählt.

Mit seinen sagenhaften Bildern hat Jakob Kirchmayr das Buch in

einen zauberhaften Rahmen gesetzt.

Dafür möchte ich ihm ganz herzlich danken.

Bernhard Lins

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Inhalt

Bezirk Bregenz

Der Schatzgräber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Ehre Guta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Das Felsenweiblein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Guten Abend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Ein Waldbruder wandelt über den Bodensee . . . . . . . . . . 22

Der Ochs am Bodensee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Das Fräulein von der Ruggburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Vergeltsgott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Die Wetterglocke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

An der »Roten Egg« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Das kluge Hirtenbüblein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Die Teufelsbrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Der Schatz auf der Bezegg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Das Bildstöcklein auf der Losa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Die Hexe in Rüschers Gunten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Der Jolerbühel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Der Geist auf der Kanisfluh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Der Markenverrücker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Die Windsbraut auf der Schröcker Alp . . . . . . . . . . . . . . 46

Der Stier im Sünser See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

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Wie der Gottesacker entstanden ist . . . . . . . . . . . . . . . 50

Das Walsermännlein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Das Nachtvolk auf dem Brunnenberg . . . . . . . . . . . . . . 54

Bezirk Dornbirn

Das Mütterlein mit dem Spinnrad . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Die Frau mit den roten Haaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Die Rochusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Der Brenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Das Kellermännlein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Der Hexenritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Die Hexe von Kehlegg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Hanso Bablar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Der versteinerte Ritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Der Müller von Ems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Galliküng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Der Büngenbudel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Bezirk Feldkirch

Der Reiter von Triesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Fräulein Ida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Die Pest in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Die Reinbergerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

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Meister Hans Sturn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Die Weinholer im Levner Torggel . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Das Totenvolk bei Gallmist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Das Heidenglöcklein in Tisis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Der Schatz auf der Neuburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Im Götzner Stieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Der Rat der Magd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Die Pestkapelle in Weiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Burg Schönberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Die Goldene Mühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Der Klushund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Der Dreizehnte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Mit dem Teufel auf dem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Das Wasserweib im Schwarzen See . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Die Drei Schwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Die Schlacht bei Frastanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Der Schimmelreiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Bezirk Bludenz

Das Burgfräulein von Rosenegg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Der Schmittenbutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Friedl mit der leeren Tasche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Der Zauberspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Der Butz auf der Gamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Die Krönleinschlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Das nächtliche Gelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Das wilde Männle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Der Drachenreiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Der Matonabach beim Bad Rotenbrunnen . . . . . . . . . . . 127

Das Teufelswirtshaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Die Predigt am Lünersee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Der Spusagang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Wie der Brandner Gletscher entstanden ist . . . . . . . . . . . 135

Der Lohn der Fenggin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Der Waldfengg und der gute Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Das Tränenbächlein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Der Spielmann von Vandans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Verlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Die Schlüssel im Montafoner Wappen . . . . . . . . . . . . . . 146

Es fehlt ein Beinlein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Die Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Das Agathakirchlein auf dem Kristberg . . . . . . . . . . . . . 150

Die schöne Doggi-Magd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Madrisa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Rohrinda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Das Bruederhüsle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Die Sennerin auf Spullers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Die schönen Frauen vom Tannberg . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Die verwechselten Särge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

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Literatur-Verzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Der Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

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Bezirk Bregenz

Der SchatzgräberBregenz

ben auf dem Gebhardsberg liegt ein Teich. Wenn bei

Nacht auf dem Kirchturm der zwölfte Glockenschlag

verklungen ist, huscht ein kleines Licht durch den

Tannen wald aufwärts zu diesem Teich und flimmert dort bis zur

zweiten Nachtstunde. »Hier spukt es«, sagen die Leute.

Im Dreißigjährigen Krieg wollten die Schweden von Lindau her

Bregenz überfallen. Doch der einzige Weg führte über einen

schmalen Landstrich am See, die Bregenzer Klause. Dort wehrten

sich die Bregenzer tapfer, sodass die Schweden die Befestigungs-

wälle nicht durchbrechen konnten. Also befahl General Wrangel

den Rückzug nach Lochau.

Mitten in der Nacht schlich ein Mann ins feindliche Lager und

meldete: »Es gibt einen geheimen Weg in die Stadt. Ich kann euch

dorthin führen, aber das hat seinen Preis.«

»Deinen Lohn sollst du haben«, versprachen ihm die Schwe-

den. Daraufhin führte der Fremde die Truppen über den Haggen

und den Pfänder ins Tal vor die Stadt. So konnte das Schweden-

heer Bregenz überfallen. Sie plünderten die Stadt, setzten sie in

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Flammen und zogen schließlich mit reicher Beute zurück. »Nun

gebt mir meinen Lohn!«, forderte der Verräter. Da sprach der

General: »Oben auf dem Schlossberg von Bregenz liegt ein Teich,

dort haben die Grafen im Appenzellerkrieg ein goldenes Kegel-

spiel vergraben. Das soll für dich ein gerechter Lohn sein! Nimm

die Schaufel und hol dir deinen Schatz.«

Da grub der Mann bis zu seinem Lebensende, doch das Kegelspiel

hat er nie gefunden.

Wenn bei Nacht auf dem Kirchturm der zwölfte Glockenschlag

verklungen ist, huscht ein kleines Licht durch den Tannenwald.

Und der Verräter muss als Geist nach dem Schatz graben, bis es auf

dem Turm zwei Uhr schlägt. Dann fällt alles wieder zusammen,

was er gegraben hat, und dunkel wird es wieder im Wald.

Ehre GutaBregenz

In der Altstadt von Bregenz gibt es den Ehre-Guta-Platz. Wie die-

ser Platz zu seinem Namen kam, erzählt diese Sage.

Im Winter des Jahres 1408 bedrängten die Appenzeller wieder

einmal die Städte und Schlösser am Bodensee und auch Bregenz

wollten sie erstürmen. In dieser Notlage bat der Graf von Mont-

fort die Ritter aus dem Schwabenland um Hilfe. Doch das hatten

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die Appenzeller erfahren. Noch in der gleichen Nacht trafen sich

ihre wichtigsten Leute in einem Gasthaus in Rankweil und bespra-

chen, wie sie den Schwaben zuvorkommen und Bregenz angrei-

fen könnten.

Sie kamen zu dem Entschluss, Bregenz am 14. Jänner zu überfal-

len. Als sie aufbrechen wollten, entdeckten sie aber hinter dem

Ofen eine alte Frau, die scheinbar schlief.

»Steh auf, Alte! Du hast alles gehört! Du wirst uns verraten! Wir

werden dich töten müssen!«, schrie ein Appenzeller.

»Ich habe geschlafen und gar nichts gehört«, erklärte die alte Frau

mit zitternder Stimme. »Und hätte ich was gehört, ich würde es

keinem Menschen erzählen! Das schwöre ich!«

Die Männer wussten nicht, ob die Alte die Wahrheit gesprochen

hatte, schließlich aber jagte man sie aus dem Gasthaus.

Da schlich die Frau in den Stall, setzte sich auf ein Pferd und ritt,

so schnell sie konnte, durch die kalte Winternacht nach Bregenz.

Todmüde kam sie beim Rathaus an.

»Wer bist du? Was willst du?«, wollte der Amtmann wissen, »und

warum starrst du so auf den Ofen?«

»Man nennt mich Guta. Ich bin in dieser Stadt geboren. In einem

Gasthaus in Rankweil habe ich heute Nacht geschworen, keinem

Menschen ein Wort zu sagen, was ich mit meinen Augen gesehen

und mit meinen Ohren gehört habe. So lasst mich das dem Feuer

im Ofen erzählen!«

Und dann berichtete die Frau, was die Appenzeller beschlossen

hatten.

Als der 14. Jänner daraufhin ins Land zog, standen 8 000 Mann zur

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Rettung von Bregenz bereit und die verdutzten Appenzeller erlit-

ten eine schwere Niederlage.

Die Bregenzer aber vergaßen nicht, was Frau Guta für sie getan

hatte. Und die Ratsherren fragten sie, ob sie einen Wunsch habe.

»In Bregenz möchte ich bleiben und etwas zu essen haben, so

lange ich lebe«, war ihre Antwort. Dieser Wunsch wurde ihr gern

erfüllt.

Zum Dank an die Retterin von Bregenz kündigten fortan die

Nachtwächter vom Martinitag (11. 11.) bis Maria Lichtmess (2. 2.)

die neunte Abendstunde mit dem Ruf »Ehret Guta!« an.

Ein Denkmal und der Ehre-Guta-Platz in der Altstadt von Bregenz

erinnern heute noch an sie.

Das FelsenweibleinBregenz

Zwischen Bregenz und Lochau berührt der Pfänderhang den

Bodensee. Vor langer Zeit war hier ein Felsblock vom Pfänder in

den See gedonnert. Auf dem Fels stand bald eine kleine Hütte, zu

der ein schmaler Steg führte. Dort wohnte das »Felsawieble«.

Das Weiblein trug immer noch die alte Tracht. Es hatte einen

dicken Flanellrock an, um den eine schwarze Schürze mit großen,

weißen Blumen gewickelt war. Dazu trug es ein rotes Jäckchen

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und eine Kappe mit langen Bändern, die unter dem Kinn gebun-

den waren.

Die Leute behaupteten, dass es eine Hexe sei, weil es ganz sonder-

bare Dinge tat und geschehen ließ. Manche meinten auch, das Weib-

lein hätte mit dem Teufel etwas zu tun. Darum gruselte es den Kin-

dern immer, wenn sie auf ihrem Schulweg nach Bregenz am Haus

auf dem Felsen vorbeigehen mussten. Doch manche Leute fragten

es auch um Hilfe, wenn ihnen niemand mehr helfen konnte.

Eines Tages kam ein Mann zum Felsenweiblein und beklagte sich:

»Ich weiß, der Nachbar hat mir allerlei Werkzeug gestohlen. Aber

er streitet alles ab.«

»Der wird dir die Sachen gerne wieder zurück bringen«, schmun-

zelte das Weiblein, »sonst wird es ihm schlecht gehen.« Dann

blätterte es in einem dicken Buch und murmelte Sprüche, die der

Mann nicht verstehen konnte.

»Sorg dich nicht und geh nach Haus, die Dinge nehmen ihren

Lauf«, sagte das Weiblein dann.

»Und wie kann ich mich bei dir bedanken?«, wollte der Mann

wissen.

»Frag nicht so viel und schau, was passiert!«

Mitten in der Nacht polterte es im ganzen Haus. Da wurde der

Mann wach und verkroch sich tief unter seiner Bettdecke, weil er

große Angst hatte. Nachdem es wieder ruhig im Haus geworden

war, getraute er sich aus dem Bett. Und da waren alle Dinge wie-

der da, die man ihm gestohlen hatte.

Bald danach war der Fels mit der kleinen Hütte und dem Steg im See

versunken. Das Weiblein wurde nie mehr gesehen. Vielleicht hat

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es damals schon geahnt, dass einmal viele Autos die Straße befah-

ren werden, dort, wo der Pfänderhang den Bodensee berührt.

Und deshalb hatte es bei Zeiten ade gesagt und ist für immer ver-

schwunden.

Guten AbendBregenz

Ein Bauer ging einmal spätabends von Moos nach Hause. Als er

zum Schanzgraben kam, begegnete ihm ein großer Herr in einem

langen Mantel mit hoch aufgestelltem Kragen und einem Zylin-

der auf dem Kopf.

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Unheimlich sah die Gestalt aus und schaurig klangen die Schritte.

Das war dem Bauer nicht geheuer. Doch weil er von Jugend an das

Grüßen gepflegt hatte, sagte er freundlich: »Guten Abend!«

Der noble Herr aber nahm ihm den Gruß nicht ab und ging wort-

los an ihm vorbei. Da ärgerte sich der Bauer und rief zornig: »Ach,

rutsch mir doch den Buckel hinunter! Du hast meinen Gruß nicht

gehört, so wirst du auch das nicht hören, was ich noch gesagt

habe!«

Und tatsächlich drehte sich der Fremde nicht um und blieb stumm.

Nur der dumpfe Klang seiner Schritte war zu hören.

»Gute Nacht!«, rief der Bauer dem Fremden nach. Da drehte sich

der Mann um. Und zu seinem Entsetzen sah der Bauer, dass der

noble Herr keinen Kopf hatte. Der Zylinder saß fest auf seinen

Schultern.

So schnell er konnte, rannte der Bauer nach Hause. Mit kreide-

bleichem Gesicht weckte er seine Frau und sagte atemlos: »Nicht

um fünfzig Gulden gehe ich noch einmal bei Nacht über den

Schanzgraben. Da gibt es einen, der nicht grüßen kann, weil er

keinen Kopf hat.«

Und nie wieder ging er bei Nacht diesen Weg.

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Ein Waldbruder wandelt über den BodenseeBodensee

Vor vielen hundert Jahren hauste in dem damals noch wilden und

rauen Gebirge südlich des Bodensees ein Einsiedler, der allerhand

Wunder tat. Er war ein einfacher Mensch und suchte die Stille und

den Frieden in der Einsamkeit auf dem Berg.

Dort entdeckte er die Wunderkraft in sich. Die Kranken, denen er

gut zusprach, wurden wieder gesund. Die Tiere des Waldes kamen

zu seiner Hütte und es war ihm bald, als könnte er ihre Sprache

verstehen. Sie teilten ihm mit, wenn Böses bevorstand, und der

Waldbruder warnte die Leute zur rechten Zeit.

Er war ein gottesfürchtiger Mann, aber mit den Vorschriften der

Kirche und mit ihrem Latein kannte er sich nicht gut aus. Als die

Wunder des Einsiedlers im ganzen Land bekannt wurden, reiste

sogar der Bischof von Passau auf den Berg am Bodensee um zu

prüfen, ob der Mann auch fromm sei.

Er fragte den Einsiedler, welches Gebet er denn zu sprechen pflege.

»Misere me Dominus!«, war die Antwort. Da musste der Bischof

lachen und wusste genug. Wie konnte jemand Wunder wirken, der

in drei Worten seines Gebetes gleich drei Fehler machte? Er klopfte

dem Waldbruder auf die Schulter und sagte: »Lieber Freund, das ist

ganz falsch, wie du betest. Es muss heißen ›Miserere mei, Domine‹,

das solltest du wissen! So kannst du keine Wunder wirken!«

Demütig sprach der Alte das richtige Latein mehrmals nach und

gelobte, dass er künftig so beten wolle.

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Als der Bischof wieder auf der Heimreise war, stieß der Steuer-

mann mitten auf dem Bodensee einen Schreckensruf aus. Sie woll-

ten ihren Augen nicht trauen, denn der Waldbruder wandelte über

das Wasser auf das Schiff zu. Dann lehnte er sich über die Bord-

wand und fragte, wie er richtig beten müsse. Er habe in seinem

alten Kopf die richtigen Worte schon vergessen und wisse nur,

wie er immer schon gebetet habe.

Da wurde der Bischof erst ganz still. Er sah den seltsamen Alten an,

dem er nie und nimmer ein Wunder zugetraut hatte. Dann erhob

er die Hand zum Segen und sagte: »Bete so weiter wie bisher! Du

betest besser als ich!«

Der Ochs am BodenseeBodensee

In Oberschwaben fütterten die Bauern vor langer Zeit ihre Ochsen

so sehr, dass sie eine ungeheure Größe erreichten.

Eines Tages wollte ein solcher Ochs nicht mehr länger in seinem

Stall bleiben. Er brach aus und lief bis zum Bodensee.

Dort hielt er eine Weile inne und stieg dann ins Wasser hinein.

Bei jedem Schritt nahm er einen Schluck. Als er schließlich ans

Schweizer Ufer kam, hatte er so nebenbei im Gehen den ganzen

See ausgetrunken.

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Nun dachte der Ochs, er wolle sich doch auch die Schweiz ein

wenig ansehen und stieg an Land. Als er dann einmal Rast machte,

bestaunte er die hohen, fernen Berge.

Da flog ein Adler daher und ließ sich auf einem Horn des Ochsen

nieder. Nach einer Weile schüttelte das Riesentier ganz gemäch-

lich seinen Kopf. Gleich breitete der Vogel seine Schwingen aus

und flog zum anderen Horn des Ochsen. Bis er dort aber ankam,

dauerte es nicht weniger als zwei volle Stunden.

Da kann man sich vorstellen, was das für ein großer Ochs gewe-

sen sein muss.

Das Fräulein von der RuggburgEichenberg

In Eichenberg stand einst eine gewaltige Ritterburg. Dort lebte

ein wunderschönes Fräulein, das viele Ritter begehrten. Doch das

Fräulein wollte nichts vom Heiraten wissen und wies alle Freier

ab. Die Eltern liebten ihr Kind und nie sollte es Not und Leid

er fahren.

Eines Abends ging das Mädchen zur Burg hinaus und sah eine Bett-

lerin. Sie saß im Gras und strickte.

»Du schönes Kind, dir geht es gut. Du weißt ja gar nicht, was es

heißt, Kummer und Sorge zu haben«, jammerte die Alte.

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»Ich weiß nicht, wovon du redest. Ei, sag du mir doch , was das ist«,

meinte das Mädchen spöttisch.

Da hörte die Bettlerin zu stricken auf und blickte das Mädchen

ernst an: »Nimm diesen Knäuel, geh in den Wald hinauf und lass

den ganzen Faden abrollen. Dann weißt du, was Kummer und

Sorge bedeuten.«

Das Fräulein tat, wie ihm geheißen wurde. Es lief durch den Wald

und spulte den ganzen Faden ab. Doch es hatte gar nicht gemerkt,

wie rasch es finster geworden war. Der Nachtwind rauschte in den

Tannen und nur die Käuzchen schrieen.

»Ich finde den Weg nicht mehr! Ich will zurück zur Burg! Zu mei-

nen Eltern! Ich habe Hunger und Durst!«, rief das Fräulein ganz

verzweifelt und weinte. Dabei lief es immer tiefer in den Wald

hinein. Aber plötzlich sah es ein helles Flimmern zwischen den

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Tannen. Es kam aus einer kleinen Hütte, in der Licht brannte. Da

nahm das Fräulein allen Mut zusammen und klopfte an die Türe.

»Komm herein«, sagte eine alte Frau.

»Ich habe mich verirrt und finde nicht mehr heim«, klagte das

Mädchen.

»Du kannst heute Nacht hier bleiben. Aber hoffentlich kommt der

Jäger nicht nach Hause. Er bleibt oft viele Tage lang fort. Er ist ein

wilder Kerl, der keinen Menschen um sich sehen mag, nur mich

lässt er in Ruhe. Wenn er dich hier sieht, dann wird es dir schlecht

ergehen!«

Das Mädchen dachte an den abgespulten Faden und erinnerte sich,

was die Bettlerin gesagte hatte. Jetzt wusste es, was Kummer und

Sorge sind.

Plötzlich bellten draußen Hunde. Dann stürmte der Jäger zur Tür

herein. Als er das Fräulein erblickte, sprang er wütend auf es zu.

Doch es konnte sich losreißen und fliehen. Der wilde Kerl warf sein

Jagdmesser hinter dem Mädchen her und ein paar blonde Locken

fielen auf den Boden. Das Mädchen aber war frei und unverletzt.

Nachdem sein erster Zorn verraucht war, dachte der Jäger nur

noch an das schöne Fräulein. Zu gerne hätte er gewusst, wer es war

und wo es lebte. Und immer wieder nahm er die blonden Locken

in die Hand.

»Ich habe etwas gut zu machen. Ich muss das Mädchen finden«,

sagte der Jäger. Mitten im Winter zog er los. Von Ort zu Ort. Viele

Jahre lang.

Und wieder war es Winter geworden. Da stand der Jäger vor einer

Klosterpforte und bat um eine warme Suppe. Eine Klosterschwes-

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ter wollte ihm etwas zu essen geben, aber da erkannte sie den Jäger

und lief in ihre Zelle. Vor Jahren hatte sie beschlossen für die Men-

schen da zu sein, die Kummer und Sorge haben. Doch nun hatte

sie ihr Mut verlassen. Es war das Fräulein von der Ruggburg.

Auch der Jäger hatte es erkannt – das Fräulein, nach dem er so

lange gesucht hatte.

Es schneite und eine bitterkalte Nacht brach herein. Am nächsten

Morgen fand man den Jäger erfroren vor der Klosterpforte.

VergeltsgottMöggers

Eines Abends kam ein armer Hausierer nach Möggers und bat in

einem Bauernhaus um ein Nachtlager. Der Bauer ließ ihn im Heu

übernachten.

Am nächsten Morgen sagte der Mann: »Bezahlen kann ich nicht.

Nehmt mein Vergeltsgott!«

»Von solchen Vergeltsgott hab ich schon den Heuboden voll. Das

kann ich nicht nehmen. Du musst bezahlen für das Nachtlager!

Gib ein paar Knöpfe her, eine Schnur, Rasierklingen oder was du

sonst noch hast!«, forderte der geizige Bauer.

»Ich bin arm«, antwortete der Hausierer, »nehmt mein Vergelts-

gott!«

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Dann machte er sich schnell davon und der Bauer schrie ihm nach:

»Ich kann’s nicht nehmen!«

Kurze Zeit später war der Bauer gestorben. Und jede Nacht hörte

man im Haus und in der Tenne seinen klagenden Ruf: »Ich kann’s

nicht nehmen!«

Nach einem Jahr kam der Hausierer wieder und bat um ein Nacht-

lager im Heu. »Es geistert und es ruft die ganze Nacht«, jammerte

die Bäuerin. »Darauf hab’ ich gewartet«, sagte der arme Mann und

legte sich auf den Heuboden.

»Ich kann’s nicht nehmen, das Vergeltsgott!«, erklang es zu Mit-

ternacht. »Nimm es«, sprach der Hausierer, »du wirst es brauchen

können!«

»Vergeltsgott«, sagte der Geist. Da war die Seele des Bauern erlöst

und er musste nicht mehr geistern. Der Fremde jedoch wurde in

Möggers nie mehr gesehen.

Die WetterglockeHohenweiler

Im Kirchturm von Hohenweiler hing vor langer Zeit eine Glocke,

die Gewitter, Donner und Blitze vertreiben konnte. Immer wenn

ein Unwetter kam, wurde sie geläutet. Dann fühlten sich die Leute

von Hohenweiler sicher.

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Wer der Glockengießer gewesen war, das wusste im Dorf niemand

mehr. Man erzählte sich aber, dass ein Haar der Gottesmutter in

der wundersamen Glocke eingegossen war.

Auch in der nahen Schweiz konnte man die Glocke hören und

sehen, wie sich das Unwetter über Hohenweiler verzog und kei-

nen Schaden anrichtete.

Daher wollten die Schweizer die Glocke kaufen und schickten Ver-

handler nach Hohenweiler. Doch der Pfarrer und auch der Bürger-

meister bestanden darauf, dass die Glocke im Dorf bleibt.

Da machten die Schweizer ein weiteres Angebot: »Wir werden die

Glocke mit Silber füllen!«

»Nein, danke!«, sagte man in Hohenweiler.

»Dann werden wir sie mit Gold füllen.«

Doch auch davon wollten die Leute in Hohenweiler nichts wissen.

Enttäuscht zogen die Schweizer aus dem Dorf hinaus.

Auf dem Heimweg trafen sie einen Mann, dem sie die ganze

Geschichte erzählten.

»Halb so schlimm«, meinte er. »Wartet mit dem Gold. Ich habe

einen guten Bekannten. Der wird euch die Glocke bringen.«

In der Kirche von Hohenweiler goss der Mesner jeden Tag Weih-

wasser in das Becken. Doch kurz vor Ostern vergaß er es. Und weil

die Frauen das Wasser holten, um es auf die Gräber zu bringen,

war das Weihwasserbecken bald leer.

Darauf hatte ein unheimlicher Geselle gewartet. Er schlich sich

in die Kirche und stieg leise auf den Glockenturm. Dann packte

er die Glocke und schwebte mit ihr aus dem Turmfenster hinaus.

Das sahen die Frauen, die auf dem Friedhof die Gräber herrichte-